Schifffahrt 2014-2 - Fachbereich Verkehr

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Schifffahrt 2014-2 - Fachbereich Verkehr
Fachbereich Verkehr
02
|2
SCHIFFFAHRT
d e r v e r.d i - R e p o r t
01
INTERVIEW
Wechsel in voller Fahrt
Der neue ver.di-Bundesfachgrup­
penleiter Schifffahrt Klaus Schroeter
übernimmt seine Aufgaben mitten
im Prozess – egal, ob es um die
­Beschäftigungssituation in der See­
schifffahrt und die Stärkung des
maritimen Arbeitsmarktes, um die
Anpassung des MTV See oder um
mehr Transportaufkommen für die
Binnenwasserstraßen geht. Seite 2
4
Heraus
aus der
­ ackgasse!
S
AKTUELLES
Licht am Ende des Tunnels?
Aktuellen Aussagen des Maritimen
Koordinators Staatssekretär Beck­
meyer lassen hoffen, dass von der
Bundesregierung endlich nicht nur
über höhere Subventionen für die
Schifffahrt geredet wird, sondern
dass Arbeitsplätze eine entschei­
dende Rolle spielen. Seite 3
KONGRESS
Internationale Gewerkschaften vor ähnlichen
­Problemen
Mit ver.di-Sofortprogramm in der Schifffahrtspolitik umsteuern, bevor es zu spät ist
Bereits in der letzten Ausgabe des
ver.di-SchifffahrtReport haben wir
auf die dramatische Entwicklung in
der nationalen Hochseeschifffahrt
hingewiesen. Deutsche Reeder flaggen immer mehr Schiffe aus, die
Seeleute kommen aus allen Ländern der Welt.
Die deutsche Handelsflotte gehört zu
den stärksten weltweit und liefert einen
wesentlichen Beitrag für die export­
orientierte Wirtschaft der Bundesrepublik
Deutschland. Mehr als 3.500 Kauffahrtei­
schiffe, die sich in deutscher Eigentümer­
schaft befinden, transportieren jährlich ca.
90 Prozent der deutschen Exporte über den
Seeweg. Das deutsche maritime Knowhow ist dafür unverzichtbar. Vor mehr als
zehn Jahren ist deshalb das Maritime
Bündnis für Ausbildung und Beschäftigung
(MB) ins Leben gerufen worden.
Die wesentlichen politischen Akteure
des maritimen Clusters in Deutschland –
Bundes­regierung, Küstenländer, ver.di und
der Verband Deutscher Reeder – haben
damit eine politische Plattform, um die
deutsche Seeschifffahrt weiterzuentwickeln
und dafür zu sorgen, dass der maritime Ar­
beitsmarkt und die dafür unerlässlichen
Aus­bildungs- und Studienmöglichkeiten in
diesem Bereich erhalten bleiben und aus­
gebaut werden.
Doch gerieten solche Ziele in den letzten
Jahren eher in den Hintergrund. Die Anzahl
der Schiffe unter deutscher Flagge hat
inzwischen einen historischen Tiefstand
­
von etwa160 Schiffen erreicht, der mari­
time Arbeitsmarkt befindet sich in der
schlimmsten Krise der letzten Jahrzehnte.
Immer mehr Seefahrer werden arbeitslos.
Die Arbeitsmarktstatistik der Zentralen
Heuerstelle Hamburg weist eine immer be­
drohlicher werdende Entwicklung für das
seefahrende Personal aus. Besonders pre­
kär ist dabei die Lage der jungen Absol­
venten des nautischen und technischen
Schiffsdienstes. Hier befürchtet ver.di eine
Ausbildung in die Sackgasse.
Rar wie Goldstaub – Deutsche
Seeleute auf deutschen Schiffen?
Deshalb fordert ver.di ein Umsteuern
in der Schifffahrtspolitik. Christine Behle,
ver.di-Bundesvorstandsmitglied für den
Verkehr: „In der Vergangenheit war die Ge­
winnmaximierung das oberste Ziel von
Reedern oder Schiffsfinanzierern. Die Situ­
ation ist jetzt so dramatisch, dass endlich
deutsche und europäische Arbeitsplätze
in den Mittelpunkt des Handelns rücken
­müssen! Wenn dies nicht gelingt, werden
deutsche Seeleute auf deutschen Schiffen
so selten wie Ananasbauern in Alaska.“
Politik ist in der Pflicht
ver.di hat ein Sofortprogramm vorge­
legt, um dem beschriebenen Trend wirksam
entgegenzuwirken. Es enthält folgende
Kernforderungen:
Erstens: Eine nachhaltige Stärkung
der Beschäftigung durch Novellierung der
deutschen und die Entwicklung einer ver­
gleichbaren europäischen Schiffsbeset­
zungsverordnung mit mehr vorgeschriebe­
nen deutschen und/oder europäischen
See­leuten auf Schiffen mit deutscher oder
europäischer Flagge. Dazu bedarf es einer
Initiative der Bundesregierung auf europä­
ischer Ebene, um einen Rechtsrahmen zu
schaffen, der den europäischen maritimen
Arbeitsmarkt vor der Praxis vieler Reeder
schützt, Seeleute aus Drittstaaten zu Dum­
pinglöhnen (70 bis 80 Prozent unter natio­
nalem Tarifniveau) zu beschäftigen.
Zweitens: Ein Verbot der Beschäfti­
gung von Schiffsmechanikern im 2. oder
3. Lehrjahr anstelle von ausgebildeten
Fach­kräften.
Drittens: Die Gewährung der Steuer­
vorteile durch die Tonnagesteuer an die
Bedingung zu knüpfen, dass die Schiffe im
Inland bereedert werden – mit mindestens
10-jähriger Bindungsfrist bei gleichzeitiger
Sicherung einer Mindestbeschäftigtenan­
zahl deutscher Seeleute und Mindestaus­
zubildendenzahl auf den Schiffen.
Viertens: Die Novellierung des Flaggen­
rechtsgesetzes von 2013, damit die Aus­
gleichsabgaben für die Ausflaggung nicht
mehr aus der „Portokasse“ bezahlt werden
können und keine echte Sicherung der
deutschen Flagge bedeuten.
In diesem Zusammenhang muss auch
die Flaggenstaatsverwaltung entbürokrati­
siert werden, damit die Reeder bürokrati­
sche Hürden nicht mehr als Vorwand für
weitere Ausflaggung nutzen können.
„Die deutsche Politik muss ihrer Verant­
wortung für die Lebens- und Arbeitsbedin­
gungen der Seeleute endlich gerecht wer­
den und nicht nur den Forderungen der
Reeder nach weiteren staatlichen Unter­
stützungen nachgeben“, erklärt Christine
Behle. Zugespitzt laute die Frage an die
politisch Verantwortlichen: „Anonyme
Schiffsleger oder Seeleute – wer steht im
Mittelpunkt der Politik der Großen Koaliti­
on?“, so die ver.di-Bundesfachbereichslei­
KS
terin Verkehr. Eine gigantische Sache. Inspirierend und stark.
DIE VER.DI-DELEGATION MIT ITF-PRÄSIDENT
PADDY CRUMLIN | FOTO: VER.DI/KLAUS LINDNER
Auf dem 43. Kongress der Internationalen Transportarbeiter-Föderation ITF
vom 10. bis 16. August in Sofia beschlossen 2.000 Delegierte von 379
Verkehrsgewerkschaften die Schwer­
punkte ihrer Arbeit für die nächsten
vier Jahre. Sie vertraten fast fünf Millionen Beschäftigte der Branche.
Unter dem Motto: „Von globaler Krise zu
globaler Gerechtigkeit – Verkehrsbeschäf­
tigte setzen sich zur Wehr!“ diskutierten
Verkehrs-Gewerkschafter politische Strate­
gien, die von den jeweiligen Sek­tio­nen und
Regionalgruppen der ITF ent­wickelt wurden.
Sie beschlossen Arbeitsschwerpunkte, ana­
lysierten gewerkschaftliche Arbeit, berich­
teten über ihre Er­­fahrungen, Erfolge und
Vorhaben. Insgesamt knüpften sie weiter
an dem globalen Netzwerk für die Ver­
kehrsbeschäftigten weltweit und wählten
die neue Führungsspitze der ITF. ver.di-­
Bundesvorstandsmitglied Christine Behle
wurde für die Gruppe Europa in den Vor­
stand der ITF gewählt.
Mit dabei waren Delegierte des ver.diFachbereiches Verkehr und der ver.di Ju­
gend. Im Rahmen des Kongresses fanden
Konferenzen junger Verkehrsbeschäftigter
und die Konferenz der Arbeitnehmerinnen
in der Verkehrswirtschaft statt. „Die Ver­
kehrswirtschaft ist der Motor der Weltwirt­
schaft und die Verkehrsbeschäftigten sind
der Treibstoff, der ihn am Laufen hält“,
sagte der neu gewählte Generalsekretär
der ITF Stephen Cotton. Wir berichten vom
Kongress auf den Seiten 2, 4, 7 und 8.
FOTO: ITF
Gerechtigkeit stand ganz oben auf
der Agenda des 43. ITF-Kongresses
in Sofia. Die Sektion der Seefahrer
in der Internationalen Transportar­
beiterföderation beschloss ein Ar­
beitsprogramm, das weltweite Akti­
vitäten bündelt. Seite 4
BINNENSCHIFFAHRT
Passagiere mit
ins Boot holen
FOTO: CHRISTIAN VON POLENTZ
Um die Arbeitsbedingungen in der
Flusskreuzschifffahrt nachhaltig zu
verbessern, werden mit einer ge­
werkschaftlichen Kampagne über
Flugblätter jetzt die Fahrgäste infor­
miert und über Forderungen aufge­
klärt. Seite 5
BETRIEBSRATSWAHLEN
Von einem der auszog …
… es besser zu machen. Ein neu­
gewählter Seebetriebsrat bei NSB
berichtet von seiner Tätigkeit an
Land, von Motiven, Vorhaben, kor­
rigierten Vorstellungen und realisti­
schen Möglichkeiten zur Interessen­
vertretung.
Seite 6
PANORAMA
Reine Frauensache?
Nein, das waren die Beratungen
der Konferenz der Arbeitnehmer­
innen in der Verkehrswirtschaft in
­Sofia ganz bestimmt nicht. Obwohl
es um die Situation von Frauen in
der Verkehrsbranche ging. Doch
am Ende der beeindruckenden Be­
richte und Debatten schworen die
als Gäste anwesenden Männer, nie
Gewalt gegen Frauen auszuüben
­
oder zu dulden.
Seite 6
2
MEINUNG
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2014
EDITORIAL
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
die Situation in der Seeschifffahrt ist dra­
matisch – nur noch knapp 160 Schiffe fah­
ren unter deutscher Flagge bei insgesamt
mehr als 3.500 Schiffen in deutschem
­Besitz. Über sechs Prozent der Tonnage
fahren damit unter deutscher Flagge!
„NSB erwägt Abschied von deutscher
Flagge“, lautet die Überschrift einer Kurz­
notiz in der Zeitschrift des Arbeitgeberver­
bandes VDR. Eckhardt Rehberg, maritimer
Beauftragter der CDU/CSU, sagt darin:
„Wir haben angesichts der anhaltenden
Krise in der Seeschifffahrt Verständnis für
diesen Schritt.“ Im Anschluss werden die
Kostennachteile gegenüber anderen euro­
päischen Flaggenstaaten dargelegt.
Auch für unsere Bundesfachgruppe
Schifffahrt ist das ein Thema, aber mit
ganz a­ nderem Fokus. Für uns geht es dar­
um, staatliche Unterstützung an Ausbil­
dung und Beschäftigung zu binden. Dafür
muss die jeweilige nationale Situation im
europäischen Vergleich analysiert und auf
ihre Wirkung geprüft werden.
Der Bericht zeigt jedoch deutlich, dass
umgesteuert werden muss, um das Mariti­
me Know-how in Deutschland zu sichern.
Deshalb hat ver.di die „Schifffahrtspoliti­
schen Forderungen“ weiterentwickelt, um
die Politik stärker in die Verantwortung zu
nehmen – für Beschäftigung und soziale
Sicherheit für die Auszubildenden und Stu­
dierenden in den Seefahrtsberufen und
natürlich auch für die Seeleute selbst.
Wir haben im letzten Jahr verschiedene
Initiativen gestartet und uns zeitgemäß
aufgestellt. Dafür hat Torben Seebold, der
bisherige Bundesfachgruppenleiter Schiff­
fahrt, gemeinsam mit den ehrenamtlichen
Kolleginnen und Kollegen gesorgt. Für
­seine engagierte und sachkundige Arbeit
möchte ich Torben ganz besonders danken.
Er hat sich schnell in die vielfältigen The­
men der Schifffahrt eingearbeitet und er­
reicht, dass ver.di ein begehrter Gesprächs­
partner geblieben ist. Torben ist jetzt zum
Bundesfachgruppenleiter Häfen bestimmt
worden. Er geht also vom Schiff an Land –
sicher die richtige Entscheidung für einen
jungen Vater. Stark engagiert hat sich Tor­
ben auch in der ITF: Auf dem ITF-Kongress
in Sofia hat Torben mit der Wahl in wichtige
Gremien weltweite Anerkennung für seine
Arbeit gefunden. In der ITF-Billigflaggen­
Den richtigen
Kurs einschlagen!
kampagne wird er als Maritimer Koordina­
tor für ver.di dort künftig weiter mitmi­
schen. Gratulation dazu!
Aber keine Sorge, die Arbeit in der Fach­
gruppe wird nicht eingestellt, der neue
Bundesfachgruppenleiter Klaus Schroeter
ist schon an Bord. Über 27 Jahre hat er für
die Schwestergewerkschaft NGG gearbei­
tet, bevor er sich für eine neue berufliche
Herausforderung bei ver.di entschieden
hat. ver.di kennt er beispielsweise aus der
erfolgreichen Zusammenarbeit in der Min­
destlohnkampagne. Ich freue mich, dass
wir einen so erfahrenen Gewerkschafter
gewinnen konnten. Die gut funktionieren­
de enge Zusammenarbeit mit Torben wird
also fortgesetzt.
Einige Neuerungen in der Interessenver­
tretung gibt es also, das oberste Ziel bleibt
jedoch bestehen: die bestmögliche Interes­
senvertretung für unsere ver.di-Kolleginnen
und -Kollegen. Dafür bitte ich Euch um Un­
CHRISTINE BEHLE, MITGLIED DES VER.DI-BUNDESVORSTANDES | FOTO: DIE HOFFOTOGRAFEN
terstützung und aktives Handeln. Es wäre
toll, wenn wir an den Schifffahrtsschulen
und in den Betrieben weitere Mitglieder
gewinnen könnten, ver.di kann jede Unter­
stützung gebrauchen.
Lasst uns gemeinsam mehr Fahrt auf­
nehmen. Im Interesse unserer Seeleute.
Eure
CHRISTINE BEHLE
INTERVIEW
Gewerkschaft von der Pike auf
Der neue Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt Klaus Schroeter betritt die Brücke
Klaus Schroeter
…ist ein erfahrener Gewerkschafter,
mehr als 27 Jahre arbeitete er für die
Schwestergewerkschaft NGG. Ursprünglich kommt er aus dem Gastgewerbe, er hat dann in Hannover
Sozialwissenschaften studiert und
abgeschlossen. 1987 begann er eine
Ausbildung zum Gewerkschaftssekretär und fing danach im örtlichen
NGG-Büro in Hannover an.
In der Wendezeit 1990/1991 war
Klaus zwei Jahre lang Geschäfts­
führer für die NGG in Halle. Danach
war er bei der NGG 15 Jahre lang
Wirtschaftsgruppenleiter für das
Gastgewerbe, eine Position die vergleichbar ist mit einem Bundesfachgruppenleiter bei ver.di. Weitere berufliche Stationen waren die Leitung
der Tarifabteilung bei NGG und die
Arbeit als Vorstandssekretär. Enge
Kontakte zu ver.di gab es in der Mindestlohnkampagne, für die er bei
NGG verantwortlich war.
Als ihn die Bundesfachbereichsleierin Christine Behle fragte, ob er
sich vorstellen könnte, zu ver.di zu
wechseln, hat er sich für die neue
berufliche Herausforderung entschieden. Klaus ist verheiratet und
hat einen 19-jährigen Sohn.
KLAUS SCHROETER | FOTO: PRIVAT
Am 4. August wurde Klaus Schroeter
als neuer Bundesfachgruppenleiter
Schifffahrt von der Bundesfachgruppe
vorgeschlagen, derzeit laufen die
ver.di-­internen Bestätigungen. Im Inter­
view spricht er über seine bisherigen
Tätigkeiten und Pläne für die Zukunft.
Welche Funktionen hast Du zuvor
­innegehabt, welche Tätigkeiten hast
Du ausgeübt?
Klaus Schroeter | Ich komme ursprüng­
lich von der ver.di-Schwestergewerkschaft
Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). Dort
habe ich Gewerkschaft sozusagen „von
der Pike auf gelernt“. Ich war erst Gewerk­
schaftssekretär in Hannover und Lüneburg,
dann Geschäftsführer in Halle an der Saale.
1991 wechselte ich in die NGG-Hauptver­
waltung und war dort viele Jahre für die
Politik der NGG im Gastgewerbe und ver­
schiedene Tarif­bereiche zuständig, danach
koordinierte ich die Tarifarbeit der NGG
und wurde schließlich Vorstandssekretär.
Nun freue mich darauf, bei ver.di für mich
neue und sicherlich sehr spannende Ar­
beitsfelder kennenzulernen.
Worin werden Deine zukünftigen Aufgaben bestehen?
Klaus Schroeter | Ich bin in Personal­
union Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt
und Leiter des ITF-Vertragsbüros im Rah­
men der deutschen Billigflaggenkampag­
ne mit Sitz in Berlin. Dort werden die
­Verträge, die ver.di mit deutschen Schiffs­
eigentümern abschließt, vorbereitet, aus­
gefertigt und letztlich auch verwaltet.
Wenn wir Ansprüche einfordern, müssen
wir im Streitfall gültige Verträge vorlegen
können.
Was sind für Dich die größten Herausforderungen im Bereich der Schifffahrt?
Klaus Schroeter | Die Branche ist globa­
lisiert, dies gilt für die weltweite Vergabe
von Transportaufträgen wie auch im Ar­
beitsmarkt, auf dem die Seeleute ebenso
weltweit mobil sind wie ihre Schiffe. Meine
Befürchtung: Ohne den politischen Willen,
deutsche Seeleute mit sicheren Verträgen
zu haben, werden unsere ver.di-Kollegin­
nen und Kollegen auf den Schiffen immer
weiter zurückgedrängt werden. Und wie
in den Vorjahren müssen wir deutlich ma­
chen, dass für ver.di als deutsche Seefah­
rergewerkschaft faire Beschäftigung und
dauerhaft positive Arbeitsplatzeffekte wei­
ter zentrale Themen sind. Die erweiterten
„Schifffahrtspolitischen Forderungen“ von
ver.di bilden eine exzellente Grundlage für
die weiteren Diskussionen in der Zukunft.
In welchen Feldern siehst Du unmittelbaren Handlungsbedarf, was müssen die nächsten Schritte sein?
Klaus Schroeter | Wir müssen mit den
Arbeitgebern und der Politik in der Diskus­
sion bleiben, um das Umfeld für nachhal­
tige Beschäftigung unserer Kolleginnen
und Kollegen möglichst zu verbessern. Und
­natürlich müssen wir mit Uwe Beckmeyer,
dem Maritimen Koordinator der Bundes­
regierung, im Gespräch bleiben und ihm
unsere Forderungen vorlegen. ver.di liegt
viel daran, die gesetzlichen Unterschiede in
Bezug auf die Beschäftigung von Seeleuten
mit vergleichbaren europäischen Zweitre­
gistern zu verdeutlichen. Und schließlich
müssen wir anstreben, dass die Absolven­
ten seemännischer Ausbildungen und Uni­
versitäten sichere und gute Arbeit auf
deutschen Schiffen finden. Eine Ausbildung
darf nicht ins Leere führen!
Wie siehst Du sonst Dein Arbeitsfeld?
Klaus Schroeter | Ich übernehme von
Torben Seebold ein Schiff in voller Fahrt –
viele Themen sind auf einem guten Weg
der Bearbeitung und/oder Entscheidung.
So sind etwa die Anpassungen des MTVSee an das Seearbeitsgesetz weitgehend
besprochen und müssen nur noch abge­
schlossen werden. Aus der Bundesfach­
gruppe heraus gibt es Arbeitsschwerpunk­
te, die für ver.di besonders wichtig sind:
Zum einen geht es um die Schaffung eines
maritimen Arbeitsmarkts, der sowohl der
angespannten Lage an den deutschen Aus­
bildungsstätten als auch der dramatischen
Beschäftigungssituation dauerhaft gerecht
wird. Darüber hinaus werden wir den Dia­
log mit angehenden jungen Seeleuten in­
tensivieren. Zukunftsthemen also, an de­
nen wir arbeiten müssen.
Trotz aller gewerkschaftlichen Bemühungen konnte der Trend, dass deutsche Reeder ihre Schiffe in Billig­
länder ausflaggen, nicht gestoppt
werden: Wie viele Schiffe fahren derzeit noch unter deutscher Flagge?
Klaus Schroeter | Das zuständige Bun­
desamt BSH hat für den 31. Juli 2014
die dramatisch geringe Zahl von nur noch
157 Schiffen unter deutscher Flagge veröf­
fentlicht – ohne die Schiffe im Internatio­
nalen Seeregister. Und das in der Branche,
die 1998 mit der Tonnagesteuer deutliche
Steuererleichterungen erhalten hat! Dafür
wurden 600 Schiffe unter deutscher Flagge
zugesagt. Davon ist keine Rede mehr, wäh­
rend die Tonnagesteuer jedoch weiter gilt.
Schifffahrt ist ein überaus internationales Geschäft. Mit der jährlichen
Baltic Week zeigen deutsche See­
leute und Hafenarbeiter Solidarität
mit den Kollegen aus aller Welt. ver.di
steht per se jedoch vor allem für die
Vertretung deutscher Interessen ein.
Wie lässt sich dieses Spannungsfeld
auflösen?
Klaus Schroeter | Ich sehe da kein Span­
nungsfeld. Wir sind eine nationale Ge­
werkschaft, hier ist unser Wirkungskreis
und hier sind natürlich auch unsere Mit­
glieder. Und es gibt eine überwältigende
Solidarität der Hafenarbeiter bei ver.di mit
den Seeleuten. Die Schifffahrt ist aber
auch das Beispiel für gelebte, internatio­
nale ­
Solidarität. ver.di ist die ITF-Mit­
gliedsgewerkschaft mit den meisten Tarif­
verträgen für Schiffe. Wir machen also
ITF-Tarifver­
träge für Schiffe, auf denen
mehrheitlich beispielsweise philippinische,
ukrainische oder indische Seeleute fahren.
Und diese profitieren davon und haben –
wie es unser deutsches Arbeitsrecht vor­
sieht – einklagbare Ansprüche etwa auf
Urlaub und Lohn. Darin sehe ich eine Er­
gänzung und wichtige Aufgabe von ver.di
als Teil der ITF. Und wenn wir es in einem
­größeren Zusammenhang sehen: Die ITFVerträge sind die ersten weltweit gültigen
Mindestlohntarifverträge. Sie sind ein gro­
ßer Meilenstein für die internationale Ar­
beiterbewegung!
Die Binnenschifffahrt als vergleichsweise umweltschonender Verkehrsträger spielt beim Gütertransport in
Deutschland eine wichtige Rolle, im
europäischen Vergleich ist ihre Transportleistung ungefähr doppelt so
hoch. Welche Probleme brennen dort
aus gewerkschaftlicher Sicht unter
den Nägeln?
Klaus Schroeter | Das Transportaufkom­
men ist stark konjunkturabhängig und
­natürlich gibt es immer noch die „Brems­
spuren“ als Folge der Produktionsvermin­
derungen nach der Finanzkrise ab 2008.
Und die Entwicklung scheint zu sein: Ein­
mal weg, immer weg. Transporte, die nun
von LKW erledigt werden, können oft nicht
auf Wasserstraßen zurück gewonnen wer­
den, weil der LKW-Transport unkomplizier­
ter erscheint. Generell sind die Probleme
gar nicht so verschieden von denen der
Seeschifffahrt, es handelt sich nicht um
zwei Welten, sondern vor allem um einen
vergleichbaren Arbeitsmarkt.
Deine ersten Schritte im neuen Amt
werden sein …
Klaus Schroeter | …mir einen genaue­
ren Überblick über die Reedereien und
­Unternehmen der Branche und ihre Struk­
turen zu verschaffen. Weiter geht es um
die politische Situation im Rahmen der
„Großen Koalition“ und natürlich um das
Kennenlernen der unterschiedlichen be­
trieblichen Situationen: Was brennt den
Betriebsräten unter den Nägeln? Zu Beginn
werde ich vor allem Kontakte knüpfen und
Ansprechpartner kennenlernen. Ich werde
viele Kolleginnen und Kollegen in der Bun­
desfachgruppe treffen, mit Verantwortli­
chen bei ver.di sprechen und mich natür­
lich bei ­Arbeitgebern und Politik vorstellen.
Parallel dazu wird die konkrete Arbeit
anfangen, die ersten Aufgaben liegen be­
reits auf dem Schreibtisch. Die Teilnahme
am 43. ITF Kongress in Sofia war für mich
ein toller Einstieg, ich konnte viele Kolle­
ginnen und Kollegen der internationalen
ITF-Familie kennenlernen. Wenn klar ist,
welches Gesicht hinter einer E-Mail-Adres­
se steht, wird das Miteinander leichter.
DIE FRAGEN STELLTE: UTE CHRISTINA BAUER
IMPRESSUM
Der ver.di-Report
Schifffahrt
Nr. 2, September 2014
Herausgeber:
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
Bundesvorstand:
V.i.S.d.P.: Frank Bsirske, Christine Behle
Koordination:
Torben Seebold/Klaus Schroeter
Redaktionelle Bearbeitung:
Ute Christina Bauer, Helma Nehrlich
(transit berlin.pro media)
www.pressebuero-transit.de
Redaktionsanschrift:
ver.di-Bundesverwaltung
Fachbereich Verkehr
Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin
Layout, Satzerstellung:
VH-7 Medienküche GmbH
Kreuznacher Straße 62, 70372 Stuttgart,
www.vh7-m.de
Titelfoto Seite 1:
istockphoto.com
Druck:
apm AG Darmstadt,
Kleyerstraße 3, 65295 Darmstadt
www.alpha-print-medien.de
Der ver.di-Fachbereich Verkehr
ist auch im Internet zu finden:
www.verdi.de/verkehr
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2014
AKTUELLES
3
Nun müssen Taten folgen
UWE BECKMEYER | FOTO: PRESSE- UND
INFORMATIONSAMT DER BUNDESREGIERUNG
Christine Behle, das für die Schifffahrt zuständige ver.di-Vorstandsmitglied, sieht etwas Licht am Ende
des Tunnels: „Die aktuellen Aussagen
von Staatssekretär Beckmeyer machen deutlich, dass von der Bundesregierung endlich nicht nur über höhere Subventionen für die Schifffahrt
geredet wird, sondern dass Arbeitsplätze eine Rolle spielen.“
Der Berliner „Tagesspiegel“ hatte
den Maritimen Koordinator der Bundesregierung, Staatssekretär Uwe
Beckmeyer (SPD) zu Forderungen des
Verbands Deutscher Reeder nach einer höheren Erstattung der Lohnsteuer – bisher bei 40 Prozent – zitiert.
Beckmeyer, heißt es da, halte von
dem Vorschlag für eine pauschale
Senkung von Lohnnebenkosten wenig: „Die Banken drücken auf die
Reeder und dann sind die Seeleute
die geboxten Hunde“, sagt er zum
Finanzproblem der Branche. Ob die
bisherige Förderung der deutschen
Seewirtschaft ­
respektive ihrer Arbeitsplätze noch zielgenau sei, müsse
geprüft werden. Er sei da skeptisch,
sagt Beckmeyer: „Es ist die Frage,
ob wir die Förderung umstellen auf
die tatsächlichen Arbeitsplätze auf
deutschen Schiffen.“
ver.di registriere die Äußerungen
aufmerksam. „Wir können die Position von Staatssekretär Beckmeyer nur
begrüßen. Eine Prüfung des Nutzens
der eingesetzten Steuergelder für
­unsere Kolleginnen und Kollegen ist
dringend erforderlich“, sagte Christine Behle weiter.
1998 ist in Deutschland die „Tonnagesteuer“ eingeführt worden, die
statt einer Gewinnbesteuerung eine
pauschale Abgeltung der Steuer zur
Folge hat. „Schon damals haben wir
die Bindung solcher Subventionen an
Arbeitsplätze für deutsche Seeleute
gefordert“, stellte die Gewerkschafterin klar. Damals sei vereinbart worden, dass 600 Schiffe unter deutscher
Flagge fahren. Jetzt sind es nur noch
knapp über 160! Und es gibt noch
zahlreiche weitere Unterstützungsformen für die deutschen Reeder.
„Eine Untersuchung der Wirtschaftsprüfer von PWC macht jedoch
deutlich, dass die gegenseitige Kan­
nibalisierung der Reeder und die
­dadurch sinkenden Frachtraten das
Problem sind. Dies hat Staatssekretär
Beckmeyer in dankenswerter Deutlichkeit formuliert“, so das ver.diBundesvorstandsmitglied.
„Doch
dieser Aussage müssen jetzt Taten
folgen. Das werden wir bei unseren
Kontakten mit der Regierung im Interesse der Seeleute einfordern.“
Abgehängt
Talfahrt in der Seeschifffahrt hält an
Gerade wurde von Seiten der Politik
verkündet, dass in diesem Jahr die
Steuereinnahmen für Bund und Länder sprudeln. Grund dafür seien die
Konjunktur und die damit verbundene gute Beschäftigungssituation im
Land. Davon kann in der Seeschifffahrt nicht die Rede sein. Deutsche
Reeder entfernen sich immer mehr
von der deutschen Flagge. Damit
­verbunden werden deutsche/europäische Seeleutearbeitsplätze abgebaut.
Die Zahl deutscher Seeleute war in den
letzten Jahren, nach Gründung des Mari­
timen Bündnisses, zwar etwas angestiegen
bzw. ist nicht weiter gesunken, was durch­
aus schon als Erfolg angesehen wurde. In­
sgesamt stellten deutsche Seeleute aber eh
nur einen Bruchteil der auf See Beschäft­
igten bei deutschen Reedereien dar. Es war
sozusagen der Mindestanteil an Seeleuten
zum Erhalt des maritimen Know-hows in
Europa – so die Vorgabe in den EU-Leit­
linien für eine gestattete Förderung dieser
Arbeitsplätze. Mit Hinweis auf die nunmehr
schon fast sechs Jahre anhaltende Krise
in der Branche werden aber alle Ab­
sprachen des Maritimen Bündnisses für
Ausbildung und Beschäftigung „über den
Haufen“ g­ eworfen. Ausbildungs- und Bes­
chäftigungszahlen gingen und gehen zu­
rück. Junge Menschen, die in der Seeschiff­
fahrt eine Zukunft gesehen hatten, eine
gute Ausbildung abgeschlossen haben,
finden kaum eine Anstellung. Das Thema
Fachkräftemangel, das zunehmend in ver­
schiedenen Branchen an Land auftritt,
spielt in der Seeschifffahrt keine Rolle. Die
Reedereien holen sich ihre Seeleute aus
Drittstaaten, die auch über entsprechende
Qualifikationen verfügen, aber wesentlich
billiger sind. Damit werden die Zielstel­
lungen des maritimen Bündnisses konter­
kariert. Will man deutsches/europäisches
mari­
times Know-how erhalten, braucht
man einheimische Seeleute. Es muss von
Seiten der EU und der maritimen Bündnis­
partner dringend nachgebessert werden. –
Umso mehr, da zu befürchten ist, dass der
der­
­
zeitige Kurs des Personalabbaus
ein dauerhafter sein könnte, so zumindest
die ­
Signale von einzelnen Reedereien.
­Seeschifffahrt ist eine Wachstumsbranche,
über 90 Prozent an Waren und Gütern
werden über See befördert. Die Frage ist,
ob sich dabei auch deutsche/europäische
Seeleute wiederfinden. Eine positive Ant­
wort kann nur über klare Vorgaben und
gemeinsame Vereinbarungen im maritimen
Bündnis gegeben werden. Die müssen
­schnell erfolgen, um weiteren Niedergang
PETER GEITMANN
zu stoppen.
Boycott of the MSC
­Fortunate in the
port of Hamburg
ITF-Agreement for four vessels concluded
On April 9, 2014, the MSC FORTUNATE was boycotted at the Eurogate
container terminal in the port of
Hamburg. The company, which had
received three Notices of Warning,
the first in 2010 from our Japanese
colleagues and then two in the German ports, ignored these messages.
The inspector in the port of Hamburg,
Karin Friedrich, was alerted again that the
vessel was on her way from Bremerhaven
to Hamburg, and she and the coordinator
issued their last warm welcome mail to the
company as well as to the charterer of the
vessel MSC in Geneva. Since the vessel was
Greek-owned, the Greek union was also
informed in advance so that they were fully
aware that action would take place upon
arrival.
The vessel berthed at 1.00 am and the
first cargo operations took place shortly
after, until 6.30 am. The ITF team first
talked to the dockers in the canteen, but
they were already well informed by the
works council of Eurogate that it was now
a serious matter to take action against the
owners that had signed the charter party
in which they had declared that the vessel
was ITF covered; however the opposite was
the truth. The dockers declared their sym­
pathy and refrained from handling the
c­ontainers until an agreement should be
reached.
The ITF went on board with some repre­
sentatives of the Eurogate terminal to talk
to the master and to see what had been
done already by the company to obtain
cover for the vessel. They were not given a
warm welcome, but they received their vis­
itor’s passes from the AB at the gangway,
although the Ukrainian first mate informed
the inspector that the master was still
asleep and could not be disturbed. Of
course we respected his hours of sleep, but
informed the Chief Officer that he would
be the next in line to inform us as well as
the company about the fact that the cranes
were no longer operating and this would
cause a delay. He then decided to contact
the master, who came down and listened
to the demands of the ITF inspector and
informed the team that he would take the
matter up with the company, but in the
meantime he also ordered them to leave
his vessel.
The team followed this instruction and
returned their visitor’s passes, disem­
barked, and joined the group of dockers
down at the pier.
Banners were posted on the wall next
to the vessel and also the water police
came to see if all was going smoothly, and
we had a coffee on the pier together.
FOTO: CHRISTIAN VON POLENTZ
ver.di begrüßt Umdenken der Bundesregierung
After one hour a Greek Superintendent
engineer from the company came down
the gangway with the master and asked
about the problems, He mentioned that the
owners went to the PNO in Piraeus the day
before to conclude an agreement for the
vessel. We then checked with PNO and they
mentioned that a strike was on so they had
not read their mails. It was made clear
by the ITF coordinator that according to
ITF policy only a standard ITF agreement
should be concluded since the vessel was
under boycott. PNO then withdrew the
“application” of the company and passed
the negotiation rights to the ITF team in
Hamburg. The Superintendent was in­
formed that either a standard agreement
was to be concluded, or else four vessels
should be covered by an ITF/PNO agree­
ment. The company decided after several
hours to choose for the most profitable
option and concluded an ITF/PNO TCC
agreement for four vessels and indicated
the names of the vessels to be covered,
which are the Celina Star, the Carolina Star,
the MSC Socotra and the MSC Fortunate.
At 10 am it was all sealed and rubber
stamped so the dockers were ordered to
start moving the cargo again. This action in
the port of Hamburg was successful after
some time, and it shows that there is “NO
RUUD TOUWEN
PLACE TO HIDE”.
A COFFEE ON THE PEIR WITH THE WATER POLICE | FOTOS (2): ITF
Boykott-Erfolg am Eurogate-Container-Terminal in Hamburg: Für die MSC
Fortunate und drei ihrer Schwesterschiffe konnten im April ITF-Tarifverträge durchgesetzt werden. Die Besatzung der „Fortunate“ hatte am 9. April
die Entladearbeiten eingestellt und
am Peer protestiert, solange die ITFVertreter mit der Schiffsführung, dem
griechischen Eigner und dem Charterer MSC verhandelten. Die Company
war für die IFT keine Unbekannte. Seit
2010 war sie bereits dreimal wegen
schlechter Arbeitsbedingungen verwarnt worden, hatte aber die ITF-Aufforderung bislang stets ignoriert.
In Hamburg gelang ihr das nicht:
ITF-Inspektorin Karin Friedrich und
ITF-Koordinator Ruud Touwen ließen
nicht locker und setzten die Verträge
schließlich durch.
4
ITF-KONGRESS SOFIA 2014
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2014
Von der weltweiten
Krise zur weltweiten
Gerechtigkeit
Transportarbeiter wehren sich!
„From Global Crisis to Global Justice:
Transport Workers Fighting back“ –
das vereinigende Motto des 43. ITFKongresses in Sofia war klug gewählt.
Der letzte Kongress fand im Zeichen
der Bankenkrise 2010 statt, die Folgen waren damals in allen Ländern
spürbar.
Abschluss des Vierjahresprogramms
im Offshore-Sektor mit Schwerpunkt
auf wichtigen Branchenakteuren in
Schlüsselländern. Der Fokus liegt auf
­Afrika;
Kampagne bei Chevron: gewerkschaft­
liche Organisierung von drei wichtigen
Standorten.
Gerechtigkeit steht jetzt ganz oben auf
der Agenda; Anerkennung, sichere Arbeits­
plätze und nachhaltige Beschäftigung sind
die Ziele. Der angenommene Arbeitsplan
2014 bis 2018 stellte die Stärkung der Ge­
werkschaften und die Gewinnung neuer
Mitglieder in den Mittelpunkt, um Gegen­
wehr zu organisieren und wirksame Aktio­
nen der Gewerkschaftsmitglieder zu er­
möglichen.
Die ITF-Sektion der Seefahrer tagte
mit ihrer Konferenz am 12. August 2014.
Die wichtigsten angenommenen Arbeits­
schwerpunkte für die kommenden vier Jah­
re lauten:
Natürlich gab es intensive Diskussionen
über die ITF-Billigflaggenkampagne und
die Verträge zur Regelung von weltweiten
Mindestlöhnen in der Schifffahrt. Die 2010
in Mexico beschlossene Politik wurde be­
stätigt und damit auch die Arbeit des Berli­
ner ITF/ver.di- Büros gewürdigt. Hier wer­
den weltweit die meisten ITF-Verträge für
Schiffe abgeschlossen, die Seefahrern aus
aller Welt zu Gute kommen.
In der gemeinsamen Sitzung von See­
leuten und Hafenarbeitern wurde auf die
Verknüpfung der Billigflaggenkampagne
mit dem Kampf gegen Billighäfen hinge­
wiesen, die in der Zukunft weiter verstärkt
werden soll.
Verschiedene Anträge befassten sich
mit Einzelthemen der Schifffahrt und er­
gänzen jetzt das umfangreiche Zukunfts­
programm der Sektion. Gleichzeitig ma­
chen die vielen Anträge zur Situation der
Seeleute die Not und oftmals Unterdrü­
ckung deutlich, ein Zustand, den wir mit
aller Kraft ändern müssen.
Die vielen positiven Beispiele gewonne­
ner Auseinandersetzungen aus allen Teilen
der Erde machten deutlich, dass Alternati­
ven zu Ungerechtigkeit und Unterdrückung
möglich sind, wenn Gewerkschaftsmit­
glieder eng zusammen stehen und mitein­
ander kooperieren. Die Beispiele aus ande­
ren Ländern zeigen die unterschiedlichen
Wege für das weltweit gleiche Ziel: Ge­
KS
rechtigkeit und Sicherheit für Alle!
mehr nationale Ratifizierungen des
„Grundgesetzes“ für Arbeit auf See,
der Maritime Labour Convention und
der ILO Convention 185;
Nutzung des IAO-Aufsichtssystems
zur Ausübung von Druck auf Staaten
mit dem Ziel, auf die Umsetzung
des Seearbeitsübereinkommens
(und weiterer IAO-Übereinkommen)
zu dringen;
Verbesserung der Sicherheits­
bestimmungen im Rahmen der IMO;
Aufbau von Beziehungen zu
­chinesischen Gewerkschaften
zur Ermöglichung effizienterer
Antworten auf wirtschaftliche
und geographische Verschiebungen
­innerhalb der Branche;
Gremienwahlen
Die Anerkennung, die ver.di in der
ITF genießt, zeigt sich in den
Wahlergebnissen für die verschiedenen Gremien der Sektion:
Vorstandsmitglied Seefahrer-­
Sektion: Klaus Schroeter
Vorstandsmitglied und stellv.
­Vorsitzender Hafenarbeiter-­
Sektion: Torben Seebold
Weiter gibt es einen gemeinsamen Ausschuss der Seeleute und
Hafenarbeiter „Fair Practice Committee (FPC)“, der die Standards
für die Arbeit der Billigflaggenkampagne festlegt. In den Ausschuss wurden gewählt:
Thomas Mendrzik (Vorsitzender Bundesfachgruppe Häfen)
Klaus Schroeter
Torben Seebold
Zusätzlich wurde Torben Seebold
in den Geschäftsführenden Ausschuss des FPC gewählt. Somit ist
in der laufenden Arbeit der Seefahrer-Sektion eine Vertretung
von ver.di gegeben, die die nötige
Verzahnung der nationalen und
der internationalen Arbeit sicherRED
stellt.
FOTOS (4): MAC URATA
FOTO: ISTOCKPHOTO.COM
Vielfältig, lebendig, bunt
Andreas Näser, ver.di-Delegierter auf dem
ITF-Kongress in Sofia und Sprecher der
ver.di-­
Bundesfachgruppe Schifffahrt, war
zum ersten Mal live bei einem ITF Kongress
dabei. Im Interview berichtet er von seinen
Erlebnissen.
Was waren Deine wichtigsten Ein­
drücke?
Andreas Näser | Ich will drei Themen he­
rausstellen: die Vielfalt, das bunte Auftre­
ten und die lebendigen Diskussionen. Mir
ist wieder einmal deutlich geworden, dass
letztlich überall die gleichen Gegner eine
Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbe­
dingungen der ITF-Kolleginnen und -Kolle­
gen verhindern. Die Darstellung der welt­
weiten Zusammenhänge, die Beispiele
gemeinsamen Handelns unter deutlich
schwierigeren Bedingungen als in Deutsch­
land, das war wirklich beeindruckend.
Und ganz ehrlich: Der Mut, mit dem viele
handeln, ist beispielhaft!
Was nimmst Du selbst mit nach Hause?
Andreas Näser | Motivation für weiteres
Engagement, viele Kontakte und Gesprä­
che. Und eine Erkenntnis, die sich etwas
komisch anhört: Die Probleme der Gewerk­
schaften sind weltweit gleich. Die Unter­
nehmen wollen überall Löhne kürzen und
die Arbeitsbedingungen verschlechtern, in
sogenannten Hochlohnländern wie der
Bundesrepublik ebenso wie beispielsweise
in Indien. Deshalb sage ich jetzt noch
­klarer: Ihr Kampf ist auch unser Kampf.
Wenn etwa die Gewerkschaften rund ums
Schwarze Meer gemeinsam verdeutlichen,
dass die Seefahrer der Region letztlich alle
von einzelnen Dumpingcharterern ange­
griffen werden und sich gemeinsam weh­
ren, sollte das uns allen Mut machen.
Und speziell zur Seefahrt?
Andreas Näser | Hier fand ich die Diskus­
sionen gut, die das Ziel „Aktivitäten bün­
deln“ und gemeinsame Handlungsansätze
in den Vordergrund stellen.
Dafür ist die „Billigflaggenkampagne“ der ITF ein gutes Beispiel. Oder
wie beurteilst Du das?
Andreas Näser | Die Billigflaggenkam­
pagne ist sozusagen der Leuchtturm der
internationalen Arbeiterbewegung. Ich fin­
de es toll, dass weltweite Untergrenzen
für Arbeitsbedingungen verhandelt werden
und weltweite Kontrollen dazu stattfinden.
Zwar sind die Untergrenzen für deutsche
Seeleute zu niedrig, aber es ist ein Ansatz
für globale Regelungen. In anderen Indus­
triebranchen sind die Folgen von Arbeits­
platzverlagerungen durch Globalisierung
und interne Kostenkonkurrenz spürbar –
auch dort spielen meist die Lohnkosten
eine wesentliche Rolle, um Gewerkschaf­
ten gegeneinander auszuspielen. Deshalb
sind die ITF-Verträge ein beispielhafter
Schritt in die richtige Richtung.
Also alles „eitel Sonnenschein“?
Andreas Näser | Nein, ich bedaure, dass
es keine westeuropäische Aktionswoche
mehr gibt, wo in allen Häfen klar wird,
dass Billigflaggen kontrolliert und be­
kämpft werden, wenn sie keinen Vertrag
haben. Die „Baltic Week“ findet koordi­
niert vor allem im Ostseeraum statt. Das ist
zu wenig, da die bedeutendsten Häfen für
die weltweiten Warenströme in Westeuro­
pa liegen. Wir müssen Unternehmen, die
Regelungen zugunsten der Seeleute hinter­
treiben, weltweit bekämpfen. Denn es ist
doch so: Kann ein Schiff einen Hafen nicht
anlaufen, versucht es dies beim nächsten
Hafen. Und deshalb müssen wir uns inter­
national entsprechend aufstellen; es gibt
zu viele Reedereien, die sich weigern, mit
der ITF Verträge abzuschließen.
Gab es sonst noch Themen, die Dich
besonders angesprochen haben?
Andreas Näser | Ja, zum Beispiel die Sor­
ge um Ebola-Ansteckungen in Westafrika.
Solange dort keine gesundheitlich unbe­
denklichen Bedingungen herrschen, ge­
fährdet dies auch Seeleute an Bord und
verbietet den Landgang – einige Häfen
sind schon gesperrt.
FOTO: KLAUS LINDNER
Und eins hat sich gezeigt: Die 2010
g­ etroffene Entscheidung, dass die Gewerk­
schaften aus den Ländern mit den „profi­
tierenden Eigentümern“ die ITF-Tarifverträ­
ge abschließen sollen, war richtig. So ha­
ben wir erreicht, dass deutlich mehr Schiffe
zu besseren Bedingungen unter Verträge
fallen, die wir sonst nicht erreicht hätten.
Außerdem fasziniert mich die Vorstel­
lung der ITF, dass die Gewerkschaften ge­
meinsame Handlungen sowohl entlang der
Transportkette entwickeln sollen als auch
in Verteilerzentren für Waren, wo mehrere
Verkehrsträger zusammenkommen und die
Gewerkschaften gemeinsam abgestimmt
handeln sollen. Noch Zukunftsmusik, aber
eine spannende und zukunftssichernde
Idee! Dabei spielen wir Seeleute gemein­
sam mit den Hafenarbeitern in der ersten
Reihe mit: Was nicht von Bord kommt
oder nicht weitertransportiert wird, kann
KS
nicht verkauft werden.
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2014
BINNENSCHIFFFAHRT
5
Die Fahrgäste mit ins Boot holen
ETF/ITF-Flugblatt zu Arbeitsbedingungen auf Flusskreuzfahrtschiffen
Lieber Passagier,
FOTO:CHRISTIAN VON POLENTZ
Eine Flusskreuzfahrt ist für die Reisenden ungemein entspannend. Dafür sorgen nicht zuletzt die Besatzungen, die alles tun, um das Erlebnis für
den Gast so schön wie möglich zu
machen. Dass die Lebenswirklichkeit
der dienstbaren Geister an Bord weit
weniger romantisch bzw. oft sogar
ziemlich hart ist, davon ahnen die
Touristen meist nichts. Deshalb ge-
hen die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) und die Europäische Transportarbeiter-Föderation
(ETF) im Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen der Beschäftigten neue
Wege: Im Rahmen einer Kampagne
wenden sie sich nun auch an die Reisenden selbst. Ein Flugblatt, das der
zuständige ITF-Inspektor an die Fahrgäste verteilt, klärt nun auf:
FOTOS (2): JÜRGEN HEINRICH
EU-Arbeitszeitrichtlinie
für die Binnenschifffahrt
Weiterer Schritte zur Umsetzung vollzogen
Am 6. August trafen sich die Sozialpartner mit einem Vertreter des Verkehrsministeriums im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).
Anlass hierfür war der Richtlinien­
vorschlag der EU-Kommission für eine
Arbeitszeitregelung in der Binnenschifffahrt, der im September in den
EU-Ratsarbeitsgruppen beraten wird.
Wie aus dem Anhang des Richtlinienvor­
schlages zu entnehmen ist, trägt die bishe­
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rige EU-Richtlinie 2003/88/EG der beson­
deren Arbeits- und Lebenssituation in der
Binnenschifffahrt nicht ausreichend Rech­
nung. Von daher sind spezifischere Vor­
schriften gemäß Artikel 14 dieser Richtlinie
erforderlich. Diese sollen den Arbeits- und
Gesundheitsschutz in der Binnenschifffahrt
auf hohem Niveau sichern.
Die EU hat sich mit Blick auf die Bedeu­
tung des Transportsektors für die wirt­
schaftliche Wettbewerbsfähigkeit das Ziel
gesetzt, denjenigen Verkehrsträgern stär­
keres Gewicht zu verleihen, die sich durch
eine geringere Energieintensität, größere
Umweltfreundlichkeit und höhere Sicher­
heit auszeichnen.
Die Binnenschifffahrt ist ein internatio­
nal geprägter Verkehrsträger, der überwie­
gend durch grenzüberschreitende Aktivitä­
ten auf dem europäischen Wasserstraßen­
netz gekennzeichnet ist. Daher soll in der
europäischen Binnenschifffahrt darauf hin­
gewirkt werden, gleiche Rahmenbedingun­
gen für den sektoralen Arbeitsmarkt zu
fördern und unlauteren Wettbewerb zu ver­
­hindern, der auf den Unterschieden der
nationalen gesetzlichen Arbeitszeitgestal­
tung beruht.
Wie bereits berichtet, basiert dieser
­Vorschlag wiederum auf einem diesbezüg­
lich zwischen den Sozialpartnern auf EUEbene geschlossenen Vertrag. ver.di-Ver­
treter Werner Kiepe teilte mit, dass für die
Umsetzung eine Frist bis zum 31. Dezem­
ber 2016 vorgesehen ist. Von Seiten der
Sozialpartner wäre es wünschenswert ge­
wesen, dass diese Richtlinie früher um­
gesetzt wird. Aufgrund der langen Ent­
scheidungswege innerhalb der EU ist dies
jedoch wohl unrealistisch.
Bei dem Treffen im BMAS ging es in
e­ rster Linie um die Klärung spezieller Be­
grifflichkeiten aus dem Vertrag. Da bei vie­
len Mitgliedern von EU-Ratsarbeitsgruppen
nicht unbedingt davon ausgegangen wer­
den kann, dass ihnen die Besonderheiten
in der internationalen Binnenschifffahrt ge­
läufig sind, ist eine Klarheit in der jeweili­
gen Begrifflichkeit Voraussetzung für eine
schnelle Umsetzung.
So ging es beispielsweise um die gesetz­
lichen Feiertage. Greift hier die jeweilige
nationale Länderregelung – die ja schon
innerhalb Deutschlands von Bundesland zu
Bundesland sehr unterschiedlich ist – oder
ist der Sitz des Unternehmens maßgebend?
Eine andere offene Frage war: Wie wirkt
sich die konsekutive (zusammenhängende)
Arbeitszeit auf die zu gewährende Freizeit
aus?
Viele Fragen bzw. Begrifflichkeiten konn­
ten schon geklärt werden, zu anderen wur­
den die Sozialpartner gebeten, noch Stel­
lung zu beziehen. Resümierend kann gesagt
werden, dass wieder ein kleiner Schritt zu
dem großen Ziel einer einheitlichen Arbeits­
zeitregelung in der Binnenschifffahrt inner­
RED
halb Europas getan wurde.
Final Deal at IBF for the next three years
The ITF and JNG met in Indonesia
between 4 – 5 June 2014 to conclude
negotiations for the creation of the
new IBF Framework Agreement. The
round of negotiations initially commenced in October 2013, when both
parties met in St. Petersburg, to exchange their list of demands for the
negotiation.
The negotiations were particularly chal­
lenging this year, following the depression
of the global shipping market, since the
last agreement was negotiated in 2011.
Both parties acknowledged the need to
support the growth of the market, but also
acknowledged the need to maintain susta­
inable and fair employment for the seafa­
rers sailing on JNG vessels worldwide.
The talks concluded today with a mutu­
ally agreed Framework Agreement, for the
following 3 years. The main points of the
agreement were:
A salary increase of 1% in 2015,
2% in 2016 and 3.5% in 2017
A 10% rebate for JNG members from
the ITF Welfare Fund, with an additional
2,5 % based on an incentive system.
Downgrading of the Internationally
­Recognised Transit Corridor to an IBF
Extended Risk Zone status,
whilst maintaining all other risk
areas ­previously agreed.
Changes to various contractual clauses.
Enhanced welfare support for seafarers.
Commenting on the two days of intense
negotiations Dave Heindel, Chair of the ITF
Seafarers' Section, who chaired the talks
said: „Considerable progress has clearly
been made from both parties over this
round. The ITF has understood the challen­
ges facing the JNG members in their ability
to afford a pay increase, but it has been
important to secure a pay increase for our
members, to ensure a fair wage and condi­
tions of employment. There have at times
been differing views by both parties, but
both have been able to put aside these dif­
ferences to conclude the negotiations.“
Paddy Crumlin, President of the ITF ad­
ded: „The negotiations were understanda­
bly difficult given the market conditions,
but notwithstanding that the successful
conclusion is a reflection of the maturity of
social dialogue and engagement within
this aspect of the shipping industry. In a
truly international industry employing
seafarers from virtually every nation, re­
aching a single standard of employment
that is enforceable and supported by the
social partners is an extraordinary achieve­
ment.“
Speaking on the outcome of the new IBF
Framework Agreement, the JNG Spokes­
person, Giles Heimann said: „The past few
years have been particularly challenging
for shipowners. Although we have seen
signs of market recovery, many owners are
still facing challenging times. The JNG has
worked hard to get a mutually acceptable
outcome, which will aid owners to financi­
ally recover, but at the same time, will reco­
gnize the welfare of the seafarers that they
employ.“RED
6
S E E B E T R I E B S R AT
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2014
Von einem, der auszog,
es besser zu machen
FOTO: CHRISTIAN VON POLENTZ
Seebetriebsratsarbeit: Anders als gedacht
Eigentlich ist Reinhold Stecher von
ganzem Herzen Seemann. Seit er 16
war, schipperte er zwischen den Kontinenten hin und her. Von der Pike auf
hat er den Umgang mit den großen
Maschinen unter Deck gelernt, hat
sich über ein Ingenieursstudium vom
Maschinisten zum Chief Engineer
hochgearbeitet. Dem Unternehmen
NSB gehört er seit mehr als 20 Jahren
an; er war dort verantwortlich für
den Antrieb von Schiffen unterschiedlichster Größenklassen.
Aber jetzt ist alles ganz anders. Im
F­rühjahr 2014 hatte sich Kollege Stecher
von See aus zur Betriebsratswahl aufstellen
lassen. Angesichts der prekären Situation,
in der sich deutsche und europäische See­
leute befinden, wollte er sich stärker enga­
gieren. Und als er Anfang Juni gleich zum
stellvertretenden NSB-Seebetriebsratsvor­
sitzenden gewählt wurde, mutierte er
zwangsläufig zur Landratte. Nun ist er mit
den verschiedenen Aufgaben eines freige­
stellten Betriebsrats betraut. Und diese Ar­
beit läuft ganz anders, als er dachte. „Be­
vor ich in dieses Büro gezogen bin, habe
ich manchmal auf den Betriebsrat ge­
schimpft. Ich bin angetreten, weil ich
glaubte, ich könnte es besser machen.“
Inzwischen begreift Reinhold Stecher
das Dilemma, in dem seine Kollegen steck­
Tarifabschluss
bei TT-Line im
Kasten
Für die unter deutscher Flagge
fahrenden Fährschiffe der Lübecker TT-Line konnte ver.di erneut
einen Tarifvertrag zur Absicherung der ver.di-Mitglieder bei
möglichen be­triebsbedingten Kün­
digungen ver­einbaren.
Torben Seebold als Verhandlungsführer kommentierte die Einigung: „Der Abfindungstarifvertrag ist ein bisschen wie ein
Fallschirm: Er wirkt nur bei Bedarf.
Wenn der Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen aussprechen
will, weiß er, was es ihn kostet.
Die vereinbarten Abfindungen
sind deutlich höher als aus der
Rechtsprechung ableitbar. Insofern macht der Vertrag Kündigungen schwieriger, weil teurer.“
Um diesen Vertrag zu erreichen, mussten gleichzeitig Ver­
änderungen insbesondere bei der
Arbeitszeitgestaltung im Unternehmen zu­­gestanden werden.
Weiter muss­te die Tarifkommission Kompromisse bei der Eingruppierung von Schiffsmechanikern
zugestehen und gleichzeitig einen variableren Arbeitseinsatz
einräumen. Der Generalangriff
der Geschäftsführung auf die Bezahlung der Cateringbeschäftigten konnte zurückgewiesen werden, hier konnten die Einkommen
RED
gesichert werden.
ten. „Ich dachte, dass ich den Laden kom­
plett umkrempeln kann. Aber ich hatte kei­
ne ­Ahnung, was ein Betriebsrat überhaupt
macht. Und vom Betriebsverfassungsgesetz
wusste ich eigentlich nur, dass es existiert“,
gesteht Stecher. Dem frisch gebackenen
­Interessenvertreter wurden fünf Bücher auf
den Tisch gelegt, aus denen er sich schlau
machen sollte. „Ich bin von einer Ohnmacht
in die nächste gefallen und habe gemerkt,
dass längst nicht alles so einfach ist, wie
ich es mir vorgestellt hatte.“
Bei einer ver.di-Schulung für Seebe­
triebsräte konnte er wichtige Kontakte zu
Kollegen knüpfen. Außerdem wurden ihm
die Augen geöffnet, was Betriebsratsarbeit
bedeutet und was es heißt, Gesetze zu
­lesen. „Ich war sehr blauäugig“, weiß Kol­
lege Stecher heute. Ihm sei klar geworden,
dass ein Betriebsrat nicht sofort hinaus
posaunen kann, was ihm missfällt, was
nicht funktioniert, was nach seiner Auffas­
sung geändert werden muss. „Bevor man
etwas öffentlich machen kann, muss ge­
meinsam mit den Betriebsratskollegen eine
Strategie gefunden und ein Betriebsrats­
beschluss gefasst werden.“ Dafür bedürfe
es vieler, oft hitziger Diskussionen.
Solange dieser Prozess läuft, kann Kolle­
ge Stecher auch Freunden und Bekannten
aus der Flotte keine Auskunft erteilen. Im­
mer wieder rufen sie an und fordern: „Nun
mal Karten auf den Tisch!“ Und immer wie­
der muss er sie vertrösten. Aber als Be­
triebsrat haftet er persönlich, wenn er Ge­
schäftsgeheimnisse oder personelle Daten
preisgibt.
Das Gesetz mache es schwer, den See­
leuten die Betriebsratsarbeit zu vermitteln,
dabei mache man die Arbeit nicht zum
Selbstzweck, sondern für den Seemann.
Tatsächlich sei die Arbeit im Betriebsrats­
büro durchaus vielfältig und nichts, bei
dem man sich ausruhe.
Gleich wurde Kollege Stecher auch als
Gast bei der ver.di-Tarifkommission hinzu­
gezogen. Zwei Runden liefen bereits, bis­
lang ohne klares Ergebnis. Und so gern er
es möchte – auch über die dort besproche­
nen Verhandlungen darf er nichts ausplau­
dern. „Das ist wie das BetrVG eindeutig.
Ich würde mich strafbar machen, würde
aus allen Gremien ausgeschlossen und
könnte fristlos gekündigt werden.“
Die aktuellen Aufgaben in der Tarifkom­
mission erfüllt der Betriebsrat zusätzlich.
Darauf muss er sich gut vorbereiten; er
muss sich mit dem externen Gutachten
auseinandersetzen und es bewerten. Er
muss sich die Richtung überlegen, die er
gegenüber dem Arbeitgeber vertritt: Was
will, was kann er für den Seemann unter
den gegebenen Bedingungen erreichen?
„Daneben darf die alltägliche Arbeit
nicht vernachlässigt werden“, betont Rein­
hold Stecher: Da gehe es etwa um Unfall­
berichte, um Urlaubsansprüche oder um
die tarifliche Einstufung der einzelnen See­
leute. Außerdem besuchen Betriebsrats­
mitglieder die Kollegen auf den wenigen
­Schiffen, die nach Deutschland kommen
und sprechen vor Ort mit ihnen. Oder es
werden Pläne erstellt, aus denen jeder See­
mann ersehen kann, wer wann auf wel­
chem Schiff fährt. Quartalsweise werden
dann noch kleine Pakete für die Schiffe
gepackt, in denen sich Bücher und wenige
„Präsente“ befinden, um ein wenig Ab­
wechslung in den Schiffsalltag zu bringen.
Nicht nur das BetrVG, auch die Gesetze
der See machen die Kommunikation zwi­
schen Betriebsrat und Besatzung schwie­
rig: Auf hoher See besteht keine Möglich­
keit, Radio zu hören, fernzusehen oder im
Internet zu surfen, Seeleute sind oft wo­
chenlang von der Festlandwelt und damit
vom aktuellen Geschehen abgeschnitten.
Läuft ihr Schiff beispielsweise von den
USA nach China aus, dauert die Hinfahrt
dreieinhalb Wochen. Beim kurzen Aufent­
halt in China sind fast nur staatlich gefilter­
te Nachrichten zugänglich, dann geht es
ebenso lange wieder zurück in die USA.
Das sind sieben Wochen, in denen die
­Besatzung nicht auf ungefilterte Informati­
onen zugreifen kann. Um das ein bisschen
abzufangen, schickt der Betriebsrat auf An­
frage News zu den Themen, die den See­
mann bewegen.
FOTO: PRIVAT
Die einzige Möglichkeit für die Seeleute,
mit der Außenwelt zu kommunizieren, sei
via Satellit und E-Mail über den Zugang,
der vom Unternehmen für jeden Seemann
zur Verfügung gestellt wird. Auch auf die­
sem Weg übermitteln das Unternehmen die
von der Seemannsmission von Montag bis
Freitag erstellten aktuellen Nachrichten.
Am Wochenende: Fehlanzeige.
Auch der Kontakt zum Seebetriebsrat
läuft hauptsächlich per E-Mail. Zu sehen
bekommen sich beide Seiten kaum: Wenn
die Seeleute frei haben, schauen sie in
aller Regel nicht im Unternehmen vorbei,
sondern fliegen direkt nach Hause.
Kollege Stecher hat sich persönlich das
Ziel gesetzt, den Informationsfluss zwi­
schen Besatzung und Betriebsrat zu verbes­
sern. Einen speziellen Service hat er schon
wieder aufleben lassen. Weil viele Seeleute
Fußballfans sind und manchmal tagelang
auf die Ergebnisse lauern, schickt er ihnen
über seinen Account per E-Mail aktuelle
Fußballinfos, auch an den Wochenenden.
UCB
„Darüber freuen sich die Leute.“
Mitbestimmung
in Unternehmen der
Schifffahrt sichern
Seebetriebsratswahlen 2014
Das Jahr 2014 war wieder ein Jahr der
Betriebsratswahlen und damit auch der
­
Seebetriebsratswahlen in Schifffahrtsun­
ternehmen. Leider ist es wiederum nicht
gelungen, mehr Seebetriebsräte zu wählen.
Nur in Unternehmen, wo es bereits See­
betriebsräte gab, wurden Nachfolger ge­
wählt. Die Reeder, bei denen es nach
wie vor keine Betriebsräte gibt, werden
sich freuen, weil sie so – unbehelligt von
irgendeiner Mitbestimmung – ihre Perso­
nalpläne viel einfacher umsetzen können.
Ein schlechtes Zeichen gerade in unserer
jetzigen Zeit, wo Ausflaggungen und ein
damit verbundener Personalabbau ver­
mehrt auf der Tagesordnung stehen! Dabei
benötigen gerade die Seeleute eine Inter­
essenvertretung in ihren Unternehmen.
Denn zumeist irgendwo auf den Schiffen
unterwegs bzw. im Urlaub in ihren Heimat­
orten – Seeleute wohnen oft nicht an
dem Ort, an dem sich der Sitz ihrer Reede­
rei befindet – erhalten sie kaum Informati­
onen und wissen nicht um ihre Rechte.
Dort, wo es Betriebsräte gibt, kann der
Reeder nicht an diesen vorbei handeln. Er
muss den Betriebsrat über geplante wirt­
schaftliche und personelle Maßnahmen in­
formieren. Damit ist es dem Betriebsrat
möglich, die Seeleute zu informieren und
mit dem Arbeitgeber über die vorgesehenen
Maßnahmen zu verhandeln. Sicher gehört
dazu etwas Mut und Wissen, aber wenn
man von den Seeleuten gewählt wurde,
stellt man sich dieser Verantwortung.
Da die Vorgaben zur Wahl eines See­
betriebsrates andere sind als für die Wahl
eines Betriebsrates an Land, ist es schwie­
riger, einen Seebetriebsrat zu installieren.
Laut Betriebsverfassungsgesetz §§ 114 bis
116 müssen mindestens 250 Seeleute un­
ter deutscher Flagge bzw. acht Schiffe
unter deutscher Flagge in der Reederei
­
­vorhanden sein. Da diese Hürde in vielen
Reedereien nicht erreicht wird, ist ver.di als
zuständige Seeleutegewerkschaft bestrebt,
in dieser Sache Änderungen zu erzielen.
Denn gleich auf zweifache Weise wurden
Bedingungen geschaffen, die zum Perso­
nalabbau deutscher und europäischer See­
leute führen: Die Politik hat ihren Beitrag
mit dem Zweitregistergesetz dazu ge­
leistet, andererseits haben die Reeder die
Möglichkeit, Schiffe ganz einfach auszu­
flaggen. Da aber Reeder auch unter frem­
der Flagge und im Zweitregister Nutz­nießer
der Tonnagesteuer sind, muss die Politik
nun auch etwas zur Verbesserung der Mit­
bestimmung der Seeleute tun. Wie schon
gesagt: Dafür brauchen die Seeleute vor
allem eine starke Interessenvertretung.
PETER GEITMANN
VORBESPRECHUNG ZUR BALTIC WEEK 2013 | FOTO: UC BAUER
Baltic Week 2014
Wie schon in den vergangenen
Jahren fand im Rahmen der ITFBilligflaggenkampagne auch dieses Jahr vom 1. bis 5. September
die Baltic Week statt. In zahlreichen Häfen an der Nord- und Ostseeküste gingen ITF-Inspektoren
an Bord und kontrollierten Schiffe aus aller Welt. Ihr Ziel: Die
schwarzen Schafe unter den Reedern finden, die ihre Schiffe immer noch ohne ITF-Abkommen
fahren lassen. Geprüft auf Unregelmäßigkeiten wurden unter anderem die Heuerzahlungen, die
Unterbringung und die Arbeitsbedingungen.
Der Hintergrund: Mitte des vergan­
genen Jahrhunderts wurden mit Be­
ginn des globalisierten Handels immer
mehr Schiffe von den Reedern ausge­
flaggt. Damit begann ein gnadenloses
Sozialdumping auf See. Anheuerungs­
praktiken und gezahlte Heuern auf den
sogenannten Billigflaggen-Schiffen er­
innerten an die Zeit des Sklavenhan­
dels. Daher rief 1948 die ITF ihre Billig­
flaggenkampagne ins Leben, um die
internationale Konkurrenz unter den
Seeleuten zu verringern. Um das zu er­
reichen, wurde ein internationaler Ta­
rifvertrag für Seeleute entwickelt, der
jedoch längst noch nicht von allen Un­
ternehmen akzeptiert wird. Seeleute
und Hafenarbeiter aus der ganzen Welt
arbeiten seitdem Hand in Hand, um
diesen Tarifvertrag auf möglichst vielen
Schiffen durchzusetzen.
Ein detaillierter Bericht über die Er­
gebnisse der diesjährige Baltic Week ist
in der nächsten Schifffahrt zu lesen.RED
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2014
A VISSER,
TION (ROBIN FABER, VER
VER.DI JUGEND DELEGA
LISA GNEISSE UND MIC
JUGEND
HAEL HORTIG) MIT ING
7
O MAROWSKY (ITF)
ITF-KONGRESS 2014:
Von der globalen Krise zur globalen Gerechtigkeit
Jetzt
geht’s
APP:
Im Appstore ist die über­
arbeitete Version der ver.di-­
Jugend App „Ausbildung
von A bis Z“ kostenfrei
­erhältlich. Jetzt downloaden!
Vom 10. bis 16. August 2014 fand
in ­Sofia der 43. ITF-Kongress unter
dem Motto „Von globaler Krise
zur globalen Gerechtigkeit“ statt.
Themen gab es genug, denn Beschäftigte der Verkehrswirtschaft
machen in allen Teilen der Welt
­ähnliche E­ rfahrungen und sind mit
ver­gleichbaren Problemen konfrontiert: schlechte Arbeitsbedingungen, befristete Arbeitsverhältnisse,
unsichere Zukunft, Ausbeutung …
Wenn sich Gewerkschafter zusammenschließen, können sie voneinander lernen, nach gemeinsamen
Lösungen suchen und kollektive
Maßnahmen organisieren. Nur so
sind wir: gemeinsam stark!
Unsere ver.di-Jugend-Delegation hat
auch an den Konferenzen der maritimen
Sektion Schifffahrt und Hafen teilgenom­
men. In der Sektion Schifffahrt ging es um
Arbeitsbedingungen in diesem Bereich in
den kommenden Jahren. So wurden als
besondere Schwerpunkte im Arbeitspro­
gramm die Organisierung und Aktivie­
rung junger Schifffahrtsbeschäftigter in
ihren Gewerkschaften weltweit sowie die
Stärkung weiblicher Kolleginnen hervor­
gehoben. Auch aktuelle Themen wie Ge­
fahr durch den Ebola-Virus für Beschäf­
tigte im maritimen Bereich und Strategi­
en gegen ungerechte Behandlung von
Seeleuten wurden behandelt. Die ge­
meinsame Konferenz von Schifffahrt und
Hafen widmete sich der Billigflaggen­
kampagne und verdeutlichte, wie wichtig
starke G
­ ewerkschaften für die Verhinde­
rung von Billigflaggen und Billighäfen
sind. Nur mit starkem Rückhalt bei den
Mitgliedern können die unternationalen
gewerkschaftlichen Maßnahmen fortge­
führt und ausgebaut werden. Dies ist
wichtig und entscheidend für die Arbeits­
bedingungen im maritimen Bereich für
alle Beschäftigten.
Für alle, die im Verkehrs- und Trans­
portbereich tätig sind, gibt es europaund weltweit Zusammenschlüsse der na­
tionalen Gewerkschaften. So sind ver.diMitglieder auch Teil der Europäischen
Transportarbeiterföderation (ETF), in der
über drei Mio. Menschen organisiert sind.
Hier werden Themen, die beispielsweise
alle oder viele europäische Verkehrsbe­
triebe betreffen, erörtert, die Interessen
der Beschäftigten politisch vertreten und
– wenn notwendig – Maßnahmen, Aktio­
nen und Kampagnen geplant.
Gerade im maritimen Bereich sind vie­
le Themen aber von weltweiter Relevanz.
Nur gut, dass es die Internationale Trans­
portarbeiterföderation gibt, die mehr als
4,5 Mio. Beschäftigte aus 154 Ländern
und über 700 Gewerkschaften im Bereich
Verkehr und Fischerei repräsentiert. So
können aufgrund ausgehandelter inter­
nationaler Verträge z. B. deutsche See­
leute auch unter fremder Flagge weltweit
sicher unterwegs sein. Denn wenn Hilfe
oder Rat notwendig sind, steht die ITF an
ihrer Seite.
Wenn auch Du aktiv werden möchtest,
wende dich bitte an Vera Visser. Gemein­
sam schaut ihr dann, welche Möglichkei­
ten für dich gerade am besten passen.
Einen generellen Rückblick der Jugend
zum ITF-Kongress findest du im ver.diVerkehrs­Report auf der Jugendseite 7.
Das neue Ausbildungsjahr beginnt…
­natürlich mit der ver.di Jugend
FOTO: CHRISTIAN VON
POLENTZ
Zum Start des neuen Ausbildungsjahres haben wir mit Vera Visser,
­Jugendsekretärin im Bundesfachbereich Verkehr, gesprochen und dabei
einiges über die ersten Schritte in
die Berufstätigkeit, Besuche in Berufsschulen und frischen Wind im
Fachbereich erfahren.
Schifffahrt | Vera, viele junge Leute
auch im maritimen Bereich beginnen in diesen Wochen ihre Ausbildung. Weißt du noch, wie das bei
Dir war? Welche Tipps kannst du für
die ersten Wochen geben?
Vera Visser | Ich habe eine Ausbildung
zur Industriekauffrau im Maschinenbau
absolviert und weiß noch, dass ich in
den ersten Ausbildungstagen neben den
großen Maschinen vor allem die vielen
n­ euen Menschen und Begriffe kennenler­
nen wollte. Das war anstrengend, aber
vor allem spannend. Und vielleicht ist
das der erste wichtige Tipp: Lass Dich
auf ­
diesen neuen Lebensabschnitt ein
und denk daran, dass auch die anderen
irgendwann einmal so einen „ersten Tag“
hatten. Tausch Dich mit Deinen Mit-Azu­
bis aus und lerne, wenn möglich, Deine
Jugendvertretung und den Betriebsrat
kennen.
Wie wichtig ist ver.di für Auszubildende? Und wie lernen Azubis ver.di
kennen?
Vera Visser | Wir, die ver.di Jugend, sind
Experten für Ausbildung und Berufsein­
stieg und organisieren bundesweit mehr
als 100.000 junge Menschen: Für mehr
Ausbildung. Für bessere Qualität in Bil­
dung und Ausbildung. Für Übernahme
nach der Ausbildung.
Wir sind die Interessenvertretung für
junge Erwachsene. Mit dem flächende­
ckenden Netzwerk und dem Erfahrungs­
schatz der größten Gewerkschaft der
Welt ist die ver.di-Jugend eine der stärks­
ten politischen Jugendorganisationen. Wir
kümmern uns um Mitbestimmung durch
die JAV, Vorteile durch Tarifverträge und
Gerechtigkeit statt Konkurrenz.
Wir sind eine offene Community und
nutzen unsere Stärke, um professionell,
konsequent und kreativ die Interessen
junger Erwachsener wirkungsvoll durch­
zusetzen. Gemeinsam weiterbilden. Zu­
sammen feiern. Vereint kämpfen.
Kontakt zur ver.di gibt es über die Be­
zirke vor Ort, online über www.verdi.de
und bei vielen Aktionen und Terminen. So
besuchen wir in den nächsten Monaten
verstärkt Schifffahrtsschulen, um vor Ort
zu informieren und zu diskutieren.
In diesem Jahr bieten wir außerdem
ein Wochenendseminar für Azubis im ers­
ten Ausbildungsjahr aus dem Verkehrs­
sektor an, bei dem wir über Erfahrungen
der Neuen diskutieren, Fragen beantwor­
ten, Rechte und Pflichten gegenüberstel­
len und Spaß haben. Mehr Infos gibt’s
gerne bei mir.
Das hört sich nach einem bunten
Herbst an. Wie kann man denn mitmachen?
Vera Visser | Wir freuen uns immer über
Menschen, die gemeinsam etwas verän­
dern, bewegen und Spaß haben möchten.
Es gibt ganz viele Möglichkeiten, aktiv zu
werden. Bei Interesse wendet Euch ein­
fach an Eure ver.di Jugend vor Ort oder an
RED
mich.
Wer aufsteht, wird
sich ­widersetzen!
Du möchtest fit sein für die Themen im Betrieb? Oder möch­­test
Du für Deine berufliche Laufbahn einige Kenntnisse und
Fähigkeiten ausbauen? Oder
­
möchtest Du einfach neue Leute kennenlernen und etwas erleben?
Dann ist das druckfrische
­Jugendbildungsprogramm der
ver.di-­
Jugend für alle bis 28
Jahre genau das Richtige. Eine
bunte Themenvielfalt und junge
Teamleiter/-innen sorgen dafür,
dass auch Du das passende Seminar findest.
Das Seminarprogramm erhältst Du in Deinem ver.di Bezirk oder online unter http://
verdi-jugend.de
8
PA N O R A M A
FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2014
Jährlich am 25. November gibt es
den Internationalen Tag gegen
­Gewalt an Frauen (englisch: International Day for the Elimination of
Violence against Women). Er wurde als Gedenk- und Aktionstag
1999 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingeführt. Eine weiße Schleife ist
das weltweite Symbol des Tages,
der Slogan lautet: „Not violent –
Not silent”. Zur Stärkung von
Frauenrechten stehen Themen wie
Zwangsprostitution, Sexueller Miss­
brauch, Sextourismus, Vergewaltigung, Beschneidung, Häusliche
Gewalt oder Zwangsheirat auf der
Tagesordnung. Außerdem werden
Aktivitäten unterstützt, die auf
eine politische und soziale Gleichstellung von Frauen hinzielen.
2011 stellte die Leiterin von UN
Women, Michelle Bachelet, einen
16-Punkteplan vor, um Gewalt
gegen Frauen weltweit
zu beenden.
WHITE
RIBBON
FOTO: ITF/MAC KRATA
Reine Frauensache? Mitnichten!
ITF-Women’s Conference bekräftigte: Keine Gewalt gegen Frauen zulassen
Seit Mitte der 90er Jahre gibt es in
der ITF ein „Women's Committee“
einen Frauenvorstand. Seither arbeitet dort auch ein Referat, das
sich ausschließlich mit Themen befasst, die in der Hauptsache Frauen
betreffen. Und so wurde im Rahmen des ITF-Kongresses in Sofia
auch eine „Konferenz für die Arbeitnehmerinnen in der Verkehrswirtschaft“ durchgeführt. – Die
männ­
lichen Delegierten waren
herz­lich eingeladen. Nicht wenige
sind dieser Einladung gern gefolgt.
Die Konferenz wurde durch Diana Hol­
land, die Vorsitzende der ITF-Frauen, eröff­
net. Ihre Grußworte wurden von denen
zweier hochrangiger bulgarischer Politike­
rinnen flankiert: Der Bürgermeisterin von
Sofia und der bulgarischen Vizepräsidentin.
Der Generalsekretär und der Präsident der
ITF waren ebenfalls anwesend – besser
konnte der Stellenwert dieser Konferenz
kaum betont werden.
„Das Ziel lautet Gleichstellung, und ob­
wohl in vielen Ländern der Welt schon eini­
ges erreicht ist, sind wir noch lange nicht
am Ziel. Nirgendwo. Die Auswirkungen der
globalen Krise treffen die wirtschaftlich
Schwächsten am härtesten – und immer
sind noch einmal ganz besonders die
­Frauen betroffen. Dagegen gilt es zu kämp­
fen, dagegen müssen wir uns organisie­
ren.“
Was kämpferisch klingt und auch so
­gemeint ist, wird von einem umfassenden
Arbeitsprogramm begleitet: Die ITF-Frauen
haben in den vergangenen vier Jahr diverse
Projekte durchgeführt, um Frauen zu ermu­
tigen und bestärken, sich gewerkschaftlich
zu organisieren. Sie werden motiviert zu
lernen, welche Rechte sie als Frauen und
als Arbeitnehmerinnen haben und das Ge­
lernte an andere Frauen weiterzugeben. Es
gab und gibt ITF-Programme, um Frauen
als Führungskräfte in der Gewerkschaftbe­
wegung zu gewinnen und zu entwickeln.
Viele dieser Frauen waren in Sofia dabei,
haben von ihren Erfolgen berichtet und
der ITF für die Unterstützung gedankt.
Auch für die Frauen in Deutschland, wo
in Sachen Gleichstellung schon viel erreicht
ist, bleibt es wichtig, sich gewerkschaftlich
zu organisieren und für Rechte einzutreten.
„Wenn wir vom Durchschnittseinkommen
ausgehen, arbeiten die Frauen in Deutsch­
land bis März jeden Jahres ohne Bezah­
lung. Die Ungleichheit ist bei uns vielleicht
nicht mehr so deutlich zu sehen, aber sie
ist immer noch da“, beschrieb ver.di-Ge­
werkschafterin Silke Mader die Situation.
Sie wird künftig die deutschen Frauen im
ITF-Frauenvorstand vertreten.
Gewerkschaftsarbeit folgt meist der
­Logik, dass man dort ansetzen muss, wo
die Bedingungen am schlechtesten sind.
Übersetzt man dieses Vorgehen auf die
­Arbeits- und Lebensbedingungen von Frau­
en in der Verkehrswirtschaft, stößt man
unweigerlich auf das Thema Gewalt gegen
Frauen. Es beschreibt einen der gewichtigs­
ten Schwerpunkte der ITF-Frauenarbeit.
Fehlender Respekt und Gewalt gegen
Frauen zuhause und am Arbeitsplatz sind
noch in zu vielen Ländern in der Welt an
der Tagesordnung. Opfer, Zeuginnen und
Zeugen solcher Gewalt und von deren Aus­
wirkungen kamen auf der Konferenz zu
Wort. Sie sprachen über Erlebtes und darü­
ber, was sich ändern muss. Der Weg führt
zum einen über Gesetze und Maßnahmen
zu deren Durchsetzung. Aber ein viel we­
sentlicherer Schritt ist die gesellschaftliche
Ächtung von Gewalt gegen Frauen, die
schon mit der Erziehung vermittelt werden
muss. Ein ­Gewerkschaftsvorsitzender aus
Indien rief deshalb auf: „Kontrolliert eure
Söhne und nicht eure Töchter.“
Zum Abschluss des ITF-Kongresses wur­
de aus allen Teil-Konferenzen im großen
Plenum berichtet. Im Anschluss an den
Bericht der Frauenkonferenz legten alle
­
Männer im Saal einen Eid ab:
„Ich werde niemals Gewalt gegen Frau­
en ausüben, niemals Gewalt gegen Frauen
entschuldigen und niemals zu Gewalt ge­
gen Frauen schweigen. Das schwöre ich.“
– Das war ein sehr bewegender Moment.
Und ein Moment, der Hoffnung macht. SM
Hightech-Radar für­
sichere Schifffahrt
Fraunhofer-Institut in Wachtberg will herkömmliche Technik ersetzen
Nicht nur auf den Straßen, sondern
auch auf dem Meer nimmt die Verkehrsdichte zu. Ein neues Schiffs­
radar mit verbesserter Antennentechnik soll den gestiegenen Anforderungen an die Navigation gerecht
werden und zudem besser vor Piratenangriffen schützen.
entdecken solche Objekte nicht zuverläs­
sig. Eine neue Generation von Radarsyste­
men mit einer höheren Auflösung kann
dagegen die Boote der Angreifer rechtzei­
tig erkennen und durch die verlängerte
Vorwarnzeit Hilfs- und Rettungsmaßnah­
men einleiten helfen.
Die Sicherheit der Meere ist ein Dauer­
brenner-Thema, in der Geschichte, aber
auch in der Gegenwart. So gilt in einigen
Regionen die Piraterie als beträchtlicher
Risikofaktor der internationalen Seefahrt.
Vor allem vor den Küsten Somalias und
Westafrikas überfallen Piraten Container­
schiffe und Tanker. Die traurige Bilanz:
2012 wurden 174 Schiffe gekapert, 28 ent­
führt und 28 beschossen. Die Zahl der Gei­
seln lag weltweit bei 585. Vor Nigeria re­
gistrierte das Internationale Schifffahrtsbü­
ro IMB 26 Gefangennahmen von Seeleuten,
sechs Besatzungsmitglieder wurden getö­
tet. Piraten haben in den betroffenen Ge­
wässern vor allem deshalb leichtes Spiel:
Sie nähern sich den Frachtschiffen mit klei­
nen, wendigen Schnellbooten.
Klassische maritime Radarsysteme mit
ihren mechanisch rotierenden Antennen
Strahlschwenkantennen
der Zukunft
Forscher vom Fraunhofer-Institut für Hoch­
frequenzphysik und Radartechnik (FHR)
in Wachtberg wollen die herkömmlichen
Schiffsradare mit ihren starr rotierenden
Antennen und hohen Sendeleistungen
durch Geräte mit elektronisch gesteuerten
Strahlschwenkantennen sowie verbesser­
ter Signalerzeugung und -verarbeitung er­
setzen. „Unser Radar sendet Signale aus,
die von Bojen und von den beobachteten
Objekten reflektiert werden. Es arbeitet mit
einer kohärenten Signalverarbeitung, das
heißt die Form der Sendeimpulse ist von
Puls zu Puls nahezu identisch. Zwischen
dem ausgesandten Signal und dem emp­
fangenen Echo besteht eine feste Phasen­
beziehung. Dadurch wird die Laufzeit sehr
genau messbar und Entfernung, Größe,
Position und Geschwindigkeit des Objekts
lassen sich berechnen”, erklärt Dr. Thomas
Bertuch, Wissenschaftler am FHR. Die Neu­
entwicklung sichert außerdem einen Pha­
senvergleich zwischen den aufeinander
folgenden Impulsen. So lassen sich stören­
de Echos, die beispielsweise von Wellen­
bergen, Regenfronten oder Hagel ausgelöst
werden, besser unterdrücken. Die Lösung
der FHR-Forscher funktioniert mit einer
­abgesenkten Sendeleistung im Frequenz­
bereich von 2,9 bis 3,1 GHz im S-Band.
Herkömmliche Radarsysteme hingegen ar­
beiten auf Basis von Magnetron-Röhren
zwar mit einer hohen Sendeleistung, sie
sind jedoch vergleichsweise ungenau.
Ortungssystem entdeckt
auch kleine Boote
Das Schiffsradar des FHR mit seiner hocha­
gilen, modular aufgebauten Strahlschwen­
kantenne – auch Phased-Array genannt –
kann deutlich mehr und kleinere Objekte
bei hoher Genauigkeit erkennen. Anders
als bei Systemen mit rotierender Antenne,
die ihre Umgebung kreisförmig abscannen,
KARIKATUR: RAINER HOFMANN-BATTISTON
lässt es sich schnell schwenken – beliebige
Richtungswechsel sind möglich. Dadurch
eignet es sich nicht nur zur sicheren Navi­
gation bei hoher Verkehrsdichte, sondern
auch zum Überwachen von Hafenanlagen
und Küstenabschnitten.
Neues Einsatzgebiet erschlossen
Die Lösung besteht aus einer linearen Grup­
penantenne mit vielen, in einer Reihe ange­
ordneten Antennenelementen. Sie ist auch
mit einer gewissen Anzahl defekter Elemen­
te noch funktionsfähig. Ein weiterer Vorteil
des Phased-­
Array-Radars sind die gerin­
geren Wartungskosten: Der jährliche Aus­
tausch der ver­schleißanfälligen MagnetronRöhren der konventionellen Radarsysteme
entfällt künftig.
Bislang wurden Phased-Array-Antennen
auf­grund ihrer hohen Herstellungskosten
vorwiegend militärisch eingesetzt. Neue
maritime Vorschriften erlauben nun den
Betrieb von Radaranlagen mit abgesenkter
Sendeleistung. Dadurch können kosten­
günstige Halbleiterbauelemente und Tech­
nologien genutzt werden – ein wirtschaft­
licher Betrieb von Phased-Array-Antennen
in der zivilen Schiffsnavigation sollte künf­
tig möglich sein. Das komplette SendeEmpfangsmodul sowie alle digitalen Kom­
ponenten des FHR-Antennensystems sind
auf einem Silizium-Germanium-Chip unter­
gebracht. Hinzu kommen integrierte Schalt­
kreise, die das Institut für integrierte
­Analogschaltungen der Technischen Hoch­
schule Aachen entwickelt Hat, und ein
­patentiertes, serielles Speisenetzwerk. Es
leitet die Signale der einzelnen Antennen­
elemente an den Empfänger weiterleitet.
Ein funktionstüchtiger Demonstrator des
High-Tech-Radars existiert bereits. (FHR)