Evonik Magazin 1/2008

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Evonik Magazin 1/2008
Evonik-Magazin
Evonik-Magazin
1| 2008
1| 2008
Schätze aus der Tiefsee
Mangan & Co. können die Rohstoffprobleme der Zukunft lösen
1_Evonik_01-08 1
14.02.2008 16:39:33 Uhr
www.evonik.de
Das Ruhrtal bei Schwerte.
ZWEIG, S.
KLEE, P.
BUSCH, W.
BACH, J. S.
Das Ruhrgebiet steckt voller Kultur.
Wir fördern die Kultur. Und das von Herzen gern.
215079_Bach_220x270_FD300.indd 1
„Bach Landschaft“ Evonik Magazin deutsch, OF, ET März 2008
14.02.2008 10:34:27 Uhr
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
EDITORIAL 3
Im Land der Unbegrenzten Möglichkeiten
Evonik-Magazin berichtet über eine USA-Reise, die Jagd nach Rohstoffen am Meeresboden
und selbstverständlich auch über RUHR.2010
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
FOTO: JOHANNES KROEMER
Amerika kennt er aus vielen Reisen und
Reportagen für Zeitschriften und Zeitungen
und schwärmt von der Offenheit der
Menschen im Land der Unbegrenzten
Möglichkeiten. Kein Wunder also, dass ihm
der Friseur Derrick Freeman aus der
Kleinstadt Hopewell besonders faszinierte,
Tom Schimmeck am
Evonik-Standort
Greensboro, North
Carolina
als er für das Evonik-Magazin durch
Amerika reiste – entlang der Route der
großen Standorte Hopewell, Greensboro und Mobile. Sein Fazit nach dem
2.000-Kilometer-Trip: „Amerika ist ein Land zum Immerwiederkommen“.
Wirtschaftsthemen – gleich ob Konjunkturdaten, Warenlogistik
oder Rohstoffsuche – sind ihr bestens vertraut; denn Constanze
Sanders arbeitete 15 Jahre als Wirtschaftsjournalistin für den „Spiegel“.
Als Hamburgerin mit einem freien Blick aus ihrem Büro über den
Hafen liegen ihr maritime Themen besonders am Herzen. Da war es
nur folgerichtig, dass sie sich des Themas Rohstoffe aus dem Meer
angenommen hat und mehrere Wochen alle Informationen über die
internationale Rohstoffsuche in der Tiefsee zusammengetragen und
Constanze
Sanders
in vielen Experten-Gesprächen vertieft hat.
Ideen sind das Handwerkszeug von Asli Sevindim, der Kulturdirektorin
von RUHR.2010. Die Journalistin und TV-Moderatorin produziert
sie fast sprichwörtlich am laufenden Band; denn die quirlige junge Frau
ist immer in Bewegung. Da musste auch Autorin Catrin Krawinkel,
Catrin
Krawinkel
selbst fitnessgestählt, darauf achten, nicht den Anschluss zu verlieren,
als sie mit Asli Sevindim durchs Ruhrgebiet reiste und durch Essen
marschierte. Krawinkel etwas kurzatmig: „Wenn man mit ihr unterwegs ist, merkt
man ganz schnell, was der Begriff Powerfrau wirklich bedeutet.“
Viel Vergnügen bei der Lektüre!
Ihr Redaktionsteam Evonik-Magazin
3_Evonik_01-08 Abs2:3
20.02.2008 14:40:11 Uhr
6 TIEFSEE
32 RUHRFESTSPIELE
38 AMERIKA
50 ASLI SEVINDIM
4_Evonik_01-08 4
20.02.2008 16:10:59 Uhr
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
EDITORIAL
IMPRESSUM
3 Höhen und Tiefen
Herausgeber:
Evonik Industries AG
Christian Kullmann
Rellinghauser Str. 1–11
45128 Essen
Chefredaktion:
Inken Ostermann (V.i.S.d.P.)
Objektmanagement Evonik:
Ute Bauer
Art Direction:
Wolf Dammann
Redaktion (Leitung):
Kurt Breme
Chefin vom Dienst:
Frauke Meyer
Fotoredaktion:
Ulrich Thiessen
Dokumentation:
Kerstin Weber-Rajab,
Tilman Baucken; Hamburg
Gestaltung:
Teresa Nunes (Ltg.),
Anja Giese, Heike Hentschel,
Nadine Weiler / Redaktion 4
Schlussredaktion:
Wilm Steinhäuser
Verlag und Anschrift
der Redaktion:
HOFFMANN UND CAMPE VERLAG
GmbH, ein Unternehmen der
GANSKE VERLAGSGRUPPE
Harvestehuder Weg 42
20149 Hamburg
Telefon 040/441 88-457
Telefax 040/441 88-236
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Geschäftsführung:
Manfred Bissinger
Dr. Kai Laakmann
Dr. Andreas Siefke
Objektleitung:
Dr. Jessica Renndorfer
Herstellung:
Claude Hellweg (Ltg.), Oliver Lupp
Litho:
PX2, Hamburg
Druck:
Laupenmühlen Druck, Bochum
Copyright:
© 2008 by Evonik Industries AG,
Essen. Nachdruck nur mit
Genehmigung des Verlages. Der
Inhalt gibt nicht in jedem Fall die
Meinung des Herausgebers wieder
Kontakt:
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Inhalt des Magazins: Telefon 0201/
177-3831, Telefax -2908,
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ERFORSCHEN
6 Im Rausch der Tiefsee
Auf dem Meeresboden in 5.000 Meter Tiefe liegen die Rohstoffe, die die Welt für ihr Wachstum so dringend braucht.
Unternehmen und Forscher in aller Welt suchen nach Möglichkeiten, den Rohstoff-Schatz der Tiefsee zu heben
INFORMIEREN
22 Energieverbrauch
Wie viel Primärenergie welche Länder rund um den Erdball verbrauchen, zeigt die Weltkarte des Evonik-Magazins,
und sie macht deutlich, wer bei der Senkung des Verbrauchs vorangehen müsste
GESTALTEN
24 Die Erfinder
Ein findiges Dreigespann: Dr. Andreas Gutsch und Dr. Gerhard Hörpel von Evonik Industries sowie Professor Paul Roth
von der Uni Duisburg-Essen. Sie sind die Väter der modernen Lithium-Ionen-Batterie
ENTWICKELN
30 Sparen und Klima schützen
Mit Sonnenkollektoren, Geothermie und einem neuen umweltfreundlichen Dachziegel macht Evonik Industries das
Wohnen nicht nur preiswerter, sondern schützt mit den neuen Technologien auch die Umwelt
FOTOS: MARUM BREMEN (O. L.), LAURENT PHILIPPE (O. R.), JOHANNES KRÖMER (U. L.), NORBERT ENKER (U. R.); TITEL: WILDLIFE, BGR, OKAPIA (V. L. N. R.)
INHALT 5
ERLEBEN
32 Kevin Spacey kommt wieder
The Old Vic Theatre Company London ist auch in diesem Jahr wieder bei den Ruhrfestspielen dabei – zusammen mit
vielen anderen internationalen und deutschen Bühnenstars
INFORMIEREN
36 Evonik auf der Hannover Messe
Auf der Hannover Messe zeigt Evonik Industries AG in diesem Jahr seine Innovationen – in Berlin und Brüssel stellt sich
der neue Konzern aus Deutschland Parlamentariern, Ministern und Wirtschaftsvertretern vor
REISEN
38 On the road again
Tom Schimmeck reiste vom Norden der USA in den Süden und besuchte dabei geschichtsträchtigen Boden, aber auch
moderne Produktionsanlagen der Evonik Industries AG
BEWEGEN
50 Immer in Bewegung
Die Autorin, Journalistin und TV-Moderatorin Asli Sevindim ist ein unruhiger Geist. Erst recht, seit sie Kulturdirektorin
RUHR.2010 ist und daran arbeitet, die Metropole Ruhr ins rechte Licht der Weltöffentlichkeit zu rücken
DISKUTIEREN
56 Sind Manager zu teuer?
Hohe Managergehälter und schwache Lohnzuwächse für den sogenannten Otto Normalverbraucher haben die
Diskussionen über die Höhe der Managergehälter entfacht – bis hin zur Idee, sie gesetzlich zu begrenzen
LEBEN
58 Im Bann des Virtuellen
Dank Augmented Reality soll das Virtuelle immer enger mit der realen Welt verzahnt werden. Hoffnung der einen,
Schock für die anderen – wie werden wir damit leben?
Titelbild: Zirkon, Manganknolle, Zinn
5_Evonik_01-08 5
Die Bezeichnungen AEROSIL®, FAVOR®,
SEPARION®, STOKO® sind geschützte
Marken der Evonik Industries AG oder ihrer
Tochtergesellschaften. Alle Marken sind im
Text versal geschrieben
20.02.2008 16:02:21 Uhr
6
ERFORSCHEN
TIEFSEE
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Energie aus dem Meer
Die Ozeane sind Rohstoff- und Energielieferanten. Die Preisexplosion
bei Edelmetallen macht den Abbau in fünf Kilometern Tiefe
interessant – schon beginnt der Streit um die Schürfrechte in der Tiefsee
Aktiver Schwarzer Raucher
6_Evonik_01-08 Abs2:6
11.02.2008 13:36:12 Uhr
7
TEXT CONSTANZE SANDERS
VOM MEERESBODEN aus gesehen liegt
Tiefe in m
Massivsulfide
0
200
1000
2000
3000
5000
6000
Der sichtbare Mineraliendampf der Schwarzen Raucher
(Black Smoker) kommt aus dem Erdmagma: Kaltes
Seewasser dringt in die rissige Erdkruste und wird durch
das aufstrebende Magma erhitzt. Wenn es bei etwa
400 Grad Celsius ähnlich Geysiren nach oben schießt,
bringt es Metall mit. Polymetallische Schwefelverbindungen
sinken auf den Meeresboden und werden zu festen
Massivsulfiden. Aktive Schwarze Raucher finden sich in
bis zu vier Kilometern Tiefe an den Rändern der Kontinentalplatten. Sie sprühen fortwährend wertvolle Substanzen
in ihre Umgebung, die Blei, Kupfer, Zink, aber auch Gold
und Silber enthalten. Die bisher bekannten Lager umfassen
jeweils bis zu 100 Millionen Tonnen.
7_Evonik_01-08 Abs2:7
FOTO: MARUM-FORSCHUNGSZENTRUM OZEANRÄNDER, UNIVERSITÄT BREMEN
4000
Hawaii nicht weit von Hannover – nur ein
bisschen nördlich in Richtung Westen. Denn
in einer der reichsten Rohstoffregionen der
Erde, die sich über 4.000 Kilometer quer durch
den Pazifik erstreckt, hat die Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR),
die ihren Sitz in der niedersächsischen Landeshauptstadt hat, Tiefseegründe gepachtet.
Darauf sitzen locker verstreut Manganknollen,
groß wie Kartoffeln, rund 2 Milliarden Tonnen wertvolle Erze. Sie könnten für die künftige Rohstoffversorgung Deutschlands überlebenswichtig werden. „Mit der Erkundung
wollen wir einen wichtigen Beitrag zur künftigen Rohstoffsicherung leisten“, sagt der
neue BGR-Präsident Hans-Joachim Kümpel.
Deutschland bangt um den GrundstoffNachschub für seine Industrie. „Nicht nur
Öl und Gas“, heißt es im Bericht zur Rohstoffsicherheit des Bundesverbandes der
Deutschen Industrie (BDI) vom Frühjahr
2007, „auch metallische Rohstoffe sind von
strategischer Bedeutung.“
Rund acht Wochen braucht zum Beispiel
ein Klumpen Eisenerz aus dem Tagebau in
Algerien, um sich in die blitzende Motorhaube
eines Mittelklassewagens zu verwandeln –
sofern die Logistikkette reibungslos läuft und
genügend Mineral vorhanden ist. Die Zulie- >
11.02.2008 13:36:23 Uhr
8
ERFORSCHEN
TIEFSEE
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Erz-Apfel in der
Tiefsee: Die
Manganknolle ist
löcherig wie
ein Blumenkohl
Eine Knolle – viele Metalle
FOTO OBEN: BGR, RECHTS: IFREMER INSTITUT/NODINAUT
> ferzeiten sind ohnehin knapp kalkuliert, aber
die große Unsicherheit bildet der Preis. Spekulanten oder Lieferverzögerungen können
ihn plötzlich explodieren lassen. An den Börsen herrscht deswegen Goldgräberstimmung.
Der Kupferpreis stieg seit dem Jahr 2000 um
250, der Kurs für Nickel um 300 Prozent (siehe
auch Grafik Seite 18). Die Preiswelle bleibt
nicht ohne Folgen. „Die Rohstoffe verteuerten
die deutsche Industrieproduktion in den letzten fünf Jahren um 90 Milliarden Euro“, sagt
Ulrich Grillo, Vorsitzender der BDI-Präsidialgruppe Internationale Rohstofffragen.
Eine Initiative von Bundeskanzlerin
Angela Merkel soll die Entwicklung aufhalten. „Wo immer wir auch hinkommen auf der
Welt“, stellt sie fest, „oft waren die Politiker
anderer Länder schon da, die sich Rohstoffe
auf Jahre hinaus gesichert haben.“ Künftig
sollen sich heimische Unternehmen an Forschung und Minengesellschaften beteiligen,
neue Bezugsquellen gefunden und erschlossen werden. Die begehrten Rohstoffe sind
auch in der Tiefsee zu finden.
15 Jahre haben die Hannoveraner Forscher im Pazifik Zeit, um zu testen, welche
Metalle in welchen Mengen in den Manganknollen stecken. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) soll
Techniken entwickeln, mit denen sie aus
5.000 Metern Tiefe profitabel und umweltfreundlich gefördert werden können.
8_Evonik_01-08 Abs2:8
„Das Interesse konzentriert sich nicht auf
Mangan“, sagt BGR-Ozeanograph Carsten
Rühlemann, „sondern auf darin enthaltene
rund drei Prozent Kupfer, Nickel und Cobalt.
Der Weltmarktpreis für die Schwermetalle
ist 1000-fach höher als für Mangan.“
EIN MILLIARDENGESCHÄFT
Bis zu 24 Millionen Tonnen der wertvollen
Metalle werden auf der von Deutschland
erworbenen Tiefsee-Ebene vermutet. Bei
28.000 Dollar (19.000 Euro) für eine Tonne Nickel (Januar 2008) winkt ein Milliardengeschäft. Auf Basis der hohen Preise
„kann eine neue Kostenrechnung gemacht
werden“, sagt BGR-Projektleiter Michael
Wiedicke-Hombach. Bislang war der Abbau
dieser Rohstoffe zu teuer.
Noch reichhaltiger an wertvollen Metallen als die Manganknollen sind Erzkrusten.
Sie bergen Gold, Silber, Platin und Seltenerdmetalle – die nicht etwa selten vorkommen,
wie der Name weismacht, sondern deren
Gewinnung aus den natürlich vorhandenen
Verbindungen schwierig und aufwendig ist.
Erzkrusten entstehen wie Manganknollen
durch hydrothermale Zirkulation, allerdings
in anderen Tiefseegebieten: Vor allem an
den weltumspannenden Mittelozeanischen
Rücken, wo die Erdplatten der Kontinente
auseinanderdriften, und an ihren Rändern,
wo sie sich untereinanderschieben, lagert >
Manganknollenfeld mit Schlangenstern
14.02.2008 14:23:43 Uhr
9
Tiefe in m
Manganknollen
0
200
1000
2000
3000
4000
5000
6000
Bis zu 10 Millionen Jahre alte, kartoffelgroße
Erzklumpen, die sich um einen Kern
herum angereichert haben. Der Metallgehalt
variiert. Wirtschaftlich interessante Vorkommen enthalten in Prozent: Mangan 29;
Eisen 6; Silicium 5; Aluminium 3; Nickel
1,4; Kupfer 1,3; Cobalt 0,25; Sauerstoff 1,5;
Wasserstoff 1,5; Natrium 1,5; Calcium 1,5;
Magnesium 0,5; Kalium 0,5; Titan 0,2; Barium
0,2. Die ersten dunkelbraunen Funde machten
Naturwissenschaftler, Kartographen und
Probensammler auf dem königlich britischen
Segler „Challenger“ mit Labors an Bord
während seiner Weltumsegelung von 1872 bis
1876. Heute können Manganknollenfelder
leicht durch Unterwasserfotos dokumentiert
werden. Biologen machten vom Tauchboot
Nautile aus die Aufnahme von dem Knollenfeld
mit Schlangenstern, um auf die Schutzwürdigkeit der Lebensräume hinzuweisen.
9_Evonik_01-08 Abs2:9
11.02.2008 13:36:43 Uhr
FOTO: NAUTILUS MINERALS
Geologen begutachten
die mit moderner
Technologie vor PapuaNeuguinea aus einer
Tiefe von 1.500 Meter
geförderten Massivsulfide
Tauchgänge zu den begehrten Rohstoffen
Das kanadische Unternehmen Nautilus Minerals, das sich auf die Erforschung und den Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee spezialisiert hatte,
erkundete in Zusammenarbeit mit der Firma Placer Dome den Meeresboden auf dem Suzette-Feld vor Papua-Neuguinea. Mit einem ferngesteuerten
Tauchroboter wurde der Meeresboden kartographiert und später mit einer Greifzange des Roboters Proben entnommen und analysiert
10_Evonik_01-08 Abs2:10
20.02.2008 14:28:49 Uhr
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
TIEFSEE
ERFORSCHEN 11
Bodenschätze im Flachwasser
In Küstennähe hat Meeresbergbau Tradition. Knollige Gemenge aus Mineralien, Kalk oder
Gesteinsschutt liefern Phosphat, das als guter Dünger gilt, aber auch Zutat von Kosmetika
und Coca-Cola ist. Die reichen Lager auf der Insel Nauru sind leer. Östlich von Neuseeland
und vor Indien liegen immense Reserven mit bis zu 35 Millionen Tonnen Phosphat. Das
Meer sichert den Nachschub. Indonesien und Thailand gewinnen Zinnerz aus ihren Schelfgewässern. Die Hälfte aller indonesischen Exporte, auch nach Deutschland, kommt aus der
Javasee. De Beers, mächtiger Diamantenkonzern aus Südafrika, schürft in nur 200 Metern
Tiefe vor der namibischen Küste Edelsteine im Wert von 250 Millionen Dollar jährlich,
fast die Hälfte der Produktion, und weitet den Bergbau auf den Schelf vor Südafrika aus.
Der Oranje, Grenzfluss zwischen den beiden Staaten, hat den Reichtum in 40 Millionen
Jahren auf die Strände gespült.
FOTOS LINKS: NAUTILUS MINERALS (2), RECHTS: MARUM-FORSCHUNGSZENTRUM OZEANRÄNDER, UNIVERSITÄT BREMEN
> fließendes Wasser unaufhörlich metallhaltige Partikel ab.
„Die Ozeanbecken sind löcherige Eimer“
sagt der Geologe Peter Rona von der Rutgers
University im US-Bundesstaat New Jersey,
„weil das Vulkangestein der Erdkruste unter
dem Meeresboden immer wieder zerbricht.“
Wasser dringt ins heiße Erdinnere, schießt mit
heftigem Druck bei 400 Grad Celsius wieder
hoch in das kalte Meer und schleudert dabei
Metall-Schwefel-Partikel aus dem Gestein.
Die Schlote sind sichtbar als Schwarze Raucher (Black Smoker). Feste Schwefelverbindungen, sogenannte Massivsulfide, türmen
sich zu meterhohen Kaminen, stürzen im
Laufe der Jahrtausende ein und hinterlassen
auf dem Boden massive Erzhügel. „Sie enthalten alles, was unsere Industriegesellschaft
ersehnt“, sagt Peter Herzig, Direktor des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften, IFMGeomar, an der Universität Kiel: Kupfer für
Elektronik, Nickel und Zink für die Stahlschmieden, das wertvolle Indium (weiches silberweißes Metall) für Flachbildschirme und
Leuchtdioden, sogar Gold für die nationalen
Währungsreserven. Weltweit sind derzeit
rund 150 aktive Schwarze Raucher bekannt.
Die ersten mineralischen Quellen wurden vor
40 Jahren im nördlichen Roten Meer entdeckt,
wo Afrika und die Arabische Halbinsel auseinanderdriften. Atlantis II, der Tiefseegraben
zwischen den Kontinenten, beherbergt die
wohl größte Schatztruhe mit Tausenden Tonnen Gold, Silber, Kupfer und Zink. Mit knapp
3 Milliarden Dollar wurde der Fund seinerzeit
bewertet. In zwei Kilometern Tiefe wartet er
seither auf einen Investor.
EIN NEUER GOLDRAUSCH
Auch Kieler Forscher von IFM-Geomar tauchen und suchen – etwa im Herbst 2007
zusammen mit internationalen Kollegen
und fanden Erzvorkommen am Fuße der Insel
Stromboli bei Sizilien. „An eine kommerzielle
Nutzung ist bisher nicht gedacht“, sagt Forschungsleiter Sven Petersen. Die bisher
gefundenen Mengen reichten dafür nicht aus.
Eins der weltweit führenden Explorationsunternehmen, die britische Neptune Minerals, hat dennoch Gebietslizenzen bei der
italienischen Regierung beantragt. Pionier des kommerziellen Tiefseebergbaus
ist die kanadische Firma Nautilus Minerals.
1997 pachtet sie von der Regierung PapuaNeuguineas versiegte Hydrothermalfelder in
1.600 Metern Tiefe in der Bismarcksee.
Schwarze Raucher haben die Rohstoffvorräte über Jahrmillionen hinweg angereichert. Wissenschaftler kartographieren,
erkunden Umweltbedingungen, testen Bohrund Schürfgeräte und fördern Proben. „Nautilus nutzt die Ergebnisse deutscher Grundlagenforschung“, sagt IFM-Geomar-Chef
Herzig. Er leitete zuvor die ersten Probe-
bohrungen nahe des Inselstaates. „Wir haben
der Industrie gezeigt, dass es machbar ist.“
2006 geht Nautilus an die Börse. Finanzkräftige Partner, etwa Metalloinvest, einer
der größten russischen Eisenerzproduzenten,
und Anglo American, zweitgrößter Bergbaukonzern weltweit, beteiligen sich am
Tiefseeabenteuer. Schon 2009 soll der Abbau
beginnen.
Wer in den internationalen Gewässern
graben will, braucht eine Lizenz der Meeresbodenbehörde (siehe Kasten Seite 21).
Vor Papua-Neuguinea kann sie die Aktivität
der privaten Konzerne nur beobachten, vor
allem, um vom technologischen Fortschritt
zu profitieren. Einfluss nehmen kann das Amt
nicht. Die Schürflizenzen liegen innerhalb der
200-Seemeilen-Zone, dem Wirtschaftsgebiet
Papua-Neuguineas. Der Inselstaat bezieht
mehr als 80 Prozent seiner Exporteinnahmen
aus dem Verkauf von Bodenschätzen und gilt
nicht gerade als vorbildlich im Umweltschutz.
„Es droht ein rücksichtsloser Goldrausch“,
befürchtet der Meeresbiologe des World
Wide Fund for Nature (WWF) Christian
Neumann. Während sich die Minenunternehmer vor allem für den Metallgehalt am
Fundort interessieren, sind Biologen von den
bizarren Lebewesen in der Tiefe der Ozeane
fasziniert: Einzeller, die von Schwefelwasserstoff leben, Spinnenkrabben ohne Augen oder
eine Vielzahl von Muscheln und Seesternen. >
Fortsetzung auf Seite 18
11_Evonik_01-08 Abs2:11
11.02.2008 13:36:58 Uhr
Die Nachfrage nach den Grundstoffen steigt rasant, viele Lagerstätten an Land leeren sich.
Der Meeresboden beherbergt reichhaltige Reserven: Erdöl, Erdgas und vielseitige Metalle
Die Mangan-Claims
Die Clarion-Clipperton-Zone im Manganknollen-Gürtel
des Pazifiks zwischen Hawaii und Mexiko umfasst etwa
5 Millionen Quadratkilometer in bis zu 5.000 Metern
Tiefe. Clarion und Clipperton sind die nächsten unbewohnten
Inseln im Norden und Süden. Nach internationalen
Konferenzen legte die ISA auf geologischen Karten Grenzen
zwischen den Gebieten (Claims) fest.
Lizenznehmer:
• COMRA – China Ocean Mineral Resources Research and
Development Association, Peking, Volksrepublik China
Bauxit
Aluminium-Grundstoff
Cobalt
Hartstahl, Sägeblätter, Magnete
Diamant
Industriebohrer, Schmuck
Eisen
Stahl, Chemie
Erdöl
Energie, Chemie, Kosmetik
Gold
Barren, Schmuck, Elektronik
Ilmenit
Deckfarbe Titanweiß
Kohle
Kraftwerke, Hochöfen
Kupfer
Elektroindustrie,
Legierungen
Mangan
Stahl- und Werkstoffe,
Batterien
Nickel
Stahl, Galvanik,
Unterhaltungselektronik
Platin
Laborgeräte, Schmuck,
Katalysatoren
Silber
Elektroden, Bestecke,
Spiegel
Titan
Luft- und Raumfahrt,
U-Boot-Bau, Prothesen
Zinn
Konservendosen,
Antifoulingmittel in Farben
Zirkon
Keramik für Waschbecken,
Zahnersatz, Schmuck
• DORD – Deep Ocean Resources Development Company –
japanische Regierung und etwa 50 Privatunternehmen
• Der Staat Südkorea
• IFREMER/AFERNOD – Französisches Forschungsinstitut
für die Ausbeutung von Ozeanressourcen/Gesellschaft zur
Studie und Erforschung der ozeanischen Knollen
• Interoceanmetal Joint Organization – 1987 gegründete
staatliche Kooperation von Bulgarien, Kuba, Tschechien,
Polen, Russland und der Slowakei mit Hauptsitz in Polen
• Yuzhmorgeologiya – staatliches Forschungszentrum
des russischen Rohstoffministeriums
• BGR – Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe, Hannover
• ISA – der Meeresbodenbehörde vorbehaltene Gebiete
Deutsche Lizenz-Gebiete
HAWAII
Clarion-Bruchzone
GRAFIK: DIETER DUNEKA
Legende
13-16_TS_Klapper_innen 2-3
Clipperton-Bruchzone
0
500
DORD
Südkorea
IFREMER/AFERNOD
Interoceanmetal
Yuzhmorgeologiya
BGR
Kohle
Kupfer
Quecksilber
Platin
Zinn
Zirkon
Bauxit
Cobaltreiche
Erzkruste
Diamanten
Pottasche
Seltene Erden
Ilmenit, Rutil
(Titaneisen,
-oxid)
Phosphorit
Gold
Kalkschlämme,
Sand, Muschelreste
Eisen, Eisenoxid
Monazit
Schwefel
Uran
Salz
Baryt
Chromit
Zink
Nickel
Siliciumsand,
Kies
Frischwasser
Gashydrate
1000
Kilometer
COMRA
Silber
ISA
FOTOS: PETER ARNOLD/OKAPIA, WWW.CLEFF.DE, D. HARMS/WILDLIFE (3), OKAPIA (4), IDRIS KOLODZIEJ (2), A1 PIX/HSC, BEN JOHNSON/SPL/AG. FOCUS, HELGA LADE, JOHN CANCALOSI/PETER ARNOLD, NORBERT NORDMANN/PAN IMAGES
Rohstoffreichtum für die Industrie
Manganknollenfelder
Ozeanische
Rücken
Polymetallische Sulfide
(Schwarze Raucher)
12.02.2008 17:49:29 Uhr
Die Nachfrage nach den Grundstoffen steigt rasant, viele Lagerstätten an Land leeren sich.
Der Meeresboden beherbergt reichhaltige Reserven: Erdöl, Erdgas und vielseitige Metalle
Die Mangan-Claims
Die Clarion-Clipperton-Zone im Manganknollen-Gürtel
des Pazifiks zwischen Hawaii und Mexiko umfasst etwa
5 Millionen Quadratkilometer in bis zu 5.000 Metern
Tiefe. Clarion und Clipperton sind die nächsten unbewohnten
Inseln im Norden und Süden. Nach internationalen
Konferenzen legte die ISA auf geologischen Karten Grenzen
zwischen den Gebieten (Claims) fest.
Lizenznehmer:
• COMRA – China Ocean Mineral Resources Research and
Development Association, Peking, Volksrepublik China
Bauxit
Aluminium-Grundstoff
Cobalt
Hartstahl, Sägeblätter, Magnete
Diamant
Industriebohrer, Schmuck
Eisen
Stahl, Chemie
Erdöl
Energie, Chemie, Kosmetik
Gold
Barren, Schmuck, Elektronik
Ilmenit
Deckfarbe Titanweiß
Kohle
Kraftwerke, Hochöfen
Kupfer
Elektroindustrie,
Legierungen
Mangan
Stahl- und Werkstoffe,
Batterien
Nickel
Stahl, Galvanik,
Unterhaltungselektronik
Platin
Laborgeräte, Schmuck,
Katalysatoren
Silber
Elektroden, Bestecke,
Spiegel
Titan
Luft- und Raumfahrt,
U-Boot-Bau, Prothesen
Zinn
Konservendosen,
Antifoulingmittel in Farben
Zirkon
Keramik für Waschbecken,
Zahnersatz, Schmuck
• DORD – Deep Ocean Resources Development Company –
japanische Regierung und etwa 50 Privatunternehmen
• Der Staat Südkorea
• IFREMER/AFERNOD – Französisches Forschungsinstitut
für die Ausbeutung von Ozeanressourcen/Gesellschaft zur
Studie und Erforschung der ozeanischen Knollen
• Interoceanmetal Joint Organization – 1987 gegründete
staatliche Kooperation von Bulgarien, Kuba, Tschechien,
Polen, Russland und der Slowakei mit Hauptsitz in Polen
• Yuzhmorgeologiya – staatliches Forschungszentrum
des russischen Rohstoffministeriums
• BGR – Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe, Hannover
• ISA – der Meeresbodenbehörde vorbehaltene Gebiete
Deutsche Lizenz-Gebiete
HAWAII
Clarion-Bruchzone
GRAFIK: DIETER DUNEKA
Legende
13-16_TS_Klapper_innen 2-3
Clipperton-Bruchzone
0
500
DORD
Südkorea
IFREMER/AFERNOD
Interoceanmetal
Yuzhmorgeologiya
BGR
Kohle
Kupfer
Quecksilber
Platin
Zinn
Zirkon
Bauxit
Cobaltreiche
Erzkruste
Diamanten
Pottasche
Seltene Erden
Ilmenit, Rutil
(Titaneisen,
-oxid)
Phosphorit
Gold
Kalkschlämme,
Sand, Muschelreste
Eisen, Eisenoxid
Monazit
Schwefel
Uran
Salz
Baryt
Chromit
Zink
Nickel
Siliciumsand,
Kies
Frischwasser
Gashydrate
1000
Kilometer
COMRA
Silber
ISA
FOTOS: PETER ARNOLD/OKAPIA, WWW.CLEFF.DE, D. HARMS/WILDLIFE (3), OKAPIA (4), IDRIS KOLODZIEJ (2), A1 PIX/HSC, BEN JOHNSON/SPL/AG. FOCUS, HELGA LADE, JOHN CANCALOSI/PETER ARNOLD, NORBERT NORDMANN/PAN IMAGES
Rohstoffreichtum für die Industrie
Manganknollenfelder
Ozeanische
Rücken
Polymetallische Sulfide
(Schwarze Raucher)
12.02.2008 17:49:29 Uhr
12
ERFORSCHEN
TIEFSEE
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Wem gehört das Meer?
Die Schätze des Meeres waren zu allen Zeiten begehrt – eine Chronik
1494 Papst Alexander VI. billigt die Aufteilung der Meere zwischen Portugal und
Spanien, Vertrag von Tordesillas (Spanien).
1703 Der Jurist Cornelius van Bynkershoek
misst das Recht der Meeresanrainer an
der Reichweite einer Kanonenkugel, etwa
drei Meilen*, und erfindet damit das Prinzip
staatlicher Hoheitsgewässer.
1967 Arvid Pardo, maltesischer Botschafter,
bereitet in einer dreistündigen Rede
vor den Vereinten Nationen den Weg für
die heute geltenden Meeresgesetze:
Die Freiheit der Meere führe zur Zerstörung
von Ressourcen und Ökologie. Er reklamiert
den Grundsatz des gemeinsamen Erbes
der Menschheit als vorrangig.
FOTO: AP PHOTO/RTR
1609 Hugo Grotius, niederländischer
Theologe und Rechtsgelehrter, begründet
mit seinem Werk „Mare Liberum“ den
Grundsatz der Freiheit der Meere: Jeder
darf überall Fischfang betreiben, die
Seewege befahren, später dann auch Material deponieren und Kabel verlegen, ab
20. Jahrhundert die Meere frei überfliegen.
wachsen. Die zweite Seerechtskonferenz
endet ergebnislos.
Ein russisches Forschungs-U-Boot hisst
in rund 4.200 Metern Tiefe auf dem
Meeresboden die Nationalflagge. Russland
reklamiert die Arktis mit ihrem Reservoir
an Bodenschätzen für sich
1930 Die Länder verlangen größere
nationale Zonen mit ihren Fischbeständen
und Rohstoffen. Auf einer ersten
Konferenz in Den Haag berät der Völkerbund, einigt sich aber nicht.
Internationale Gewässer
Kontinentalsockel
1945 Harry S. Truman, Präsident der
USA, beansprucht unter dem Druck
der nationalen Ölindustrie Exklusivrechte
auf dem US-Kontinentalsockel.
Ausschließliche
Wirtschaftszone
1947 beginnt die Offshore-Ölförderung
im Golf von Mexiko.
Anschlusszone max. 12 Seemeilen
Küstengewässer 12 Seemeilen
1958 Das erste Seerechtsabkommen
in Genf ist als Teil des Völkerrechts eine Art
Verfassung der Meere. Vier Konventionen
regeln, was dort erlaubt und verboten
ist, egal, ob es die Schifffahrt, den Fischfang
oder den Tiefseebergbau betrifft:
• auf dem Kontinentalsockel
(Küstenmeer bis 200 Meter Tiefe),
• in der Zwölf-Meilen*-Zone (Anschlusszone
bis zu 24 Meilen* zulässig: Hoheitsgewässer),
GRAFIK: DIETER DUNEKA
1954 finden bereits Bohrungen in vier
Kilometern Tiefe statt. Immer mehr marine
Rohstoffe locken Investoren. Diamanten
in Südafrika, Zinn in Indonesien, Kies
für die Bauwirtschaft, Fischgründe: Die
Meeresressourcen scheinen so reichhaltig
wie unerschöpflich.
200 Seemeilen
Grundlinie
dient der Vermessung
der Zonen
Innere
Gewässer
Hoheitsgewässer
max. 24 Seemeilen
Festland
1 Seemeile = 1,852 km
Keine einfachen Rechtsfragen: Das
Seerecht kennt komplizierte Regelungen
für die Frage, wer welche Ressourcen wo
nutzen darf
• Fischerei in der ausschließlichen Wirtschaftszone (bis 200 Meilen*), und
• bestätigen die Freiheit der Meere
in den sogenannten internationalen
Gewässern außerhalb dieser Zonen.
1960 Neue Technologien erschließen die
Tiefsee. Die Rivalitäten um ihre Schätze
1973–1982 Die Dritte Seerechtskonferenz
legt die Prinzipien fest: Die Schätze der
Tiefsee sollen zum Nutzen der Menschheit
verwaltet, die Umwelt bewahrt, das
gemeinsame Erbe mit künftigen Generationen geteilt und friedlichen Zwecken
vorbehalten werden. Niemand darf den
Meeresboden für sich beanspruchen.
Die Internationale Meeresbodenbehörde,
International Seabed Authority (ISA),
erhält die Aufsicht.
1994 Das Seerechtsabkommen Unclos
(United Nations Convention on the Law
of the Sea) tritt in Kraft. Die ISA nimmt in
Kingston, Jamaika, ihre Arbeit auf. Mitglieder sind (2007) 155 Länder mit allen
Staaten der Europäischen Union, nicht
aber die USA, die Türkei und Venezuela.
2.8.2007 Der Wettlauf um den Nordpol,
der bisher den internationalen Gewässern
zugerechnet wird, beginnt. Ein russisches
Forschungs-U-Boot setzt in rund 4.200
Metern Tiefe auf dem Meeresboden die
Nationalflagge. Russland reklamiert die
Arktis mit ihrem Reservoir an Bodenschätzen
für sich: Vermutet werden 25 Prozent der
globalen Öl- und Gasvorräte, außerdem
Zinn, Mangan, Diamanten, Nickel und Gold.
Nach Artikel 76 von Unclos muss jedes
Land innerhalb von zehn Jahren nach der
Ratifizierung beweisen, dass sein
Kontinentalsockel bis in die internationalen
Gewässer reicht – Russland bis 2009.
Anspruch erheben auch Kanada, Norwegen,
Dänemark und die USA.
* EINE NAUTISCHE MEILE = 1,852 KILOMETER
12_Evonik_01-08 Abs2:12
11.02.2008 19:15:28 Uhr
17
Sensible Fördertechnik gesucht
Noch sind die Umweltschäden beim Tiefseebergbau nicht zu beherrschen
TEXT CONSTANZE SANDERS
VORSICHTIG wie mit einer Pinzette
zupft der Greifarm des Minengerätes
Knolle für Knolle aus dem Schlick, während die Maschine ohne Berührung mit
dem Meeresboden durch die Finsternis
gleitet. Pumpen spülen mit Wasserdruck
die wertvollen Manganknollen auf 5.000
Meter Tiefe zum ankernden Stationsschiff hinauf.
So sieht in der Fantasie von Ingenieuren und Biologen internationaler Konzerne die Rohstoffförderung der Zukunft
aus. Die Tiefsee-Rohstoffe sind begehrt:
Fünf Kilogramm Manganknollen pro
Quadratmeter gelten als wirtschaftlich
für die Förderung. Rund einen Quadratkilometer Meeresboden müssten die
Maschinen tagtäglich umpflügen, um
5.000 Tonnen Erze zu schürfen.
Noch gibt es aber keine Technik, den
Tiefseeschatz zu heben. Erst recht nicht,
wenn das Ökosystem der Tiefsee nicht
nachhaltig beschädigt werden soll. „Bisher
ist nur Simulation möglich“, sagt Tiefseeexperte Gerd Schriever vom Biolab im
schleswig-holsteinischen Hohenwestedt
über die Bemühungen der Techniker in
aller Welt. Vom Stationsschiff geschleppte
Schürfbagger, wie in den 70er Jahren entworfen, laufen leicht aus dem Ruder, die
Schädigungen des Meeresbodens sind
enorm, testete ein japanisches Team.
Gravierend ist auch der Eingriff durch
Eimerketten-Systeme, die zwischen zwei
Schiffen fortwährend Manganknollen
nach oben hieven.
Druck- oder Pumpsysteme mit einem
autonom getriebenen Raupenfahrzeug
und flexiblen Förderschläuchen machen
Hoffnung. Die Chinesen haben einen
Sammler entworfen, der mit hydraulischem Antrieb die Knollen vom Boden
saugt und in der Tiefe mit seiner Erzmühle bricht.
ZUKUNFTSKONGRESS
Auf verbesserte Messtechnik und sensible Steuerungen setzen auch deutsche
Ingenieure. „Wir wollen den Meeresboden berührungslos abernten“, sagt
Johannes Post von der Firma Hydromod in Hannover, die maritime Technik
ent wickelt. „Der Kollektor muss einen
präzise bemessenen Abstand zum Grund
einhalten.“ Auf dem Sammelschwimmer
wird der Tiefseeschlamm von den
Mangan knollen getrennt und samt
seinen Mikrobewohnern wieder in die
Tiefe entlassen. Die Wassersäule bleibt
clean. Das ist das Ziel. Andere Techniker
erwägen ein wanderndes System.
„Etwa 50 bis 60 Systeme könnten
gleichzeitig arbeiten“, sagt Schriever.
Bei einem Quadratkilometer pro Einheit
und Tag ergibt sich eine jährliche Abbaufläche in der Größe von Rheinland-Pfalz,
die Tiefsee-Ebenen sind größer als alle
Kontinente zusammen.
Die Verhüttung der Rohstoffe an
Land fällt in die Verantwortung der
Küstenstaaten. „Was passiert mit dem
Abraum?“, weist Experte Schriever
allerdings auf ein weiteres Problem
hin, denn von 5.000 Tonnen Manganknollen bleiben 85 Prozent übrig. „Bisher denkt noch keiner darüber nach,
ob das giftig ist“, sagt er. Anfang März
2008 treffen sich an der RWTH Aachen
internationale und deutsche Forscher
und Manager von Hightech-Schmieden
und Bergbaukonzernen mit Regierungsvertretern, um Zukunftstechnik für den
Manganknollenabbau, cobaltreiche
Krusten, Massivsulfide und Methangashydrate zu diskutieren.
So stellen sich Techniker den Abbau der Schätze in 5.000 Meter Tiefe vor
1.000 m
Abstand
Förder- und Transportschiff mit
Förderstrang, Pumpe und Kollektor
mit Eigenantrieb
Transportschiff
Sanfter Sammler – Soft Miner mit
schwebendem Sammler, Förderstrang
und Kabelverbindung zum Schiff
Förderplattform
Manganknollen
Meeresboden
17_Evonik_01-08 Abs1:17
300 Meter breite
Schürfkette
Förderplattform
Förderstrang
mit Pumpe
Förderstrang
mit Pumpe
Trübewolken
Transportschiff
Trübewolke
ManganknollenKollektor
ManganknollenKollektor
Trübewolke
Manganknollen
Meeresboden
Manganknollen
Meeresboden
Trübewolke
GRAFIK: DIETER DUNEKA
Eimerkettensystem: Von zwei Schiffen
geschleppt, hievt eine Endloskette
fortwährend Erzknollen nach oben
20.02.2008 13:40:23 Uhr
18
ERFORSCHEN
TIEFSEE
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
HWWI-Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe (US$-Basis)
320
Gesamtindex
Nahrungsmittel
Industrierohstoffe
Rohöl
300
280
260
240
220
200
180
160
140
QUELLE: HWWI
120
100
2003
2004
2005
2006
2007
2000 =100. Monatsdurchschnitte (der Durchschnitt für den letzten ausgewiesenen Monat ist unvollständig,
solange der Monat nicht abgeschlossen ist).
Stand: 08.01.2008
Fortsetzung von Seite 11
> Bei Manganknollen leben Krebse, Schwämme
und Anemonen. Die Beschädigung des Meeresgrundes „als Folge der direkten Arbeiten der
Bergbaumaschinen ist praktisch unvermeidbar“, stellt auch eine Studie der Universität
Hannover fest. Die Bodensedimente werden
zerwühlt, zerquetscht, umgelagert, Schwebstoffe in die Wassersäule aufgewirbelt. Sie
stören das ökologische Gleichgewicht auch in
den darüberliegenden Wasserschichten. „Die
Staubbelastung ist enorm“, bestätigt Herzig.
Erst nach Jahren kehrt Leben zurück, und
der Meeresgrund wimmelt wieder vor Organismen. „Ein Freibrief für Tiefseebergbau ist
das jedoch nicht“, unterstreicht auch BGRForscher Michael Wiedicke-Hombach.
Eine deutsche Kooperation aus BGR, ehemaliger Preussag, die längst von TUI abgelöst
wurde, Metallgesellschaft und Salzgitter AG
versuchte sich bereits 1975 zusammen mit
Unternehmen aus Kanada, den USA und Japan
auf dem pazifischen Meeresgrund. Nach der
ersten Energiekrise fielen die Metallpreise.
Viele Unternehmen, darunter auch die deutschen, gaben enttäuscht auf und hatten zusammen mehr als eine halbe Milliarde Dollar
Forschungsbudgets in den Fluten versenkt.
Doch inzwischen braucht die Konsumgesellschaft immer neue Edelmetalle. Ein
Computer besteht aus mindestens 30 hoch-
18_Evonik_01-08 18
Stetig
steigend
Der HWWIRohstoffpreisindex
des Hamburgischen
Weltwirtschaftsinstituts
ist Deutschlands
wichtigster Preisindikator für die Weltmärkte und schließt
alle wichtigen
Import-Industrierohstoffe ein.
wertigen Metall- und Nichtmetallrohstoffen
wie Indium. Das Metall wird knapp, denn
es kann an nur wenigen Produktionsorten
weltweit aus Zinkerz gewonnen werden. In
den Manganknollen und Erzkrusten auf dem
Tiefseeboden aber wäre Zink reichlich vorhanden. Oder das vielseitige Zirkon, ein nahezu diamanthartes Silikatmineral, das bisher
etwa an den Stränden vor Australien oder
Südafrika gewonnen wird. Das daraus gewonnene Zirconium dient dem Korrosionsschutz
von Pumpen, Rührern, Wärmetauschern,
wird in Glühkathoden, aber auch in der Reaktortechnik als Hüllmantel für Kernbrennstoffe
eingesetzt. In den unterseeischen Erzkrusten
steckt reichhaltiger Nachschub.
EINE FRAGE DER KALKULATION
Bis zu 1 Milliarde Tonnen Manganknollen
vermuten die BGR-Forscher auf ihrer Lizenzfläche im Pazifik. Ihr Wert richtet sich nach
dem Tagespreis. „Etwa ein Fünftel der Fläche müsste abgeerntet werden, damit sich
der Aufwand rechnet“, sagt BGR-Mann
Wiedicke-Hombach. Japan, Australien, China
testen Prototypen für den Manganknollenabbau: ferngesteuerte Schürfbagger, endlos laufende Eimerketten, Luft- und Wasserpumpen. Hauptproblem des Abbaues bleiben
die Umweltschäden. Grundlagenforschung,
neue Modelle und Messverfahren sind notwendig, um sie zukünftig zu vermeiden.
Die Entscheidung für den Abbau der Rohstoffe in den Meerestiefen fällt bei der
Abwägung zwischen Förderkosten und Edelmetallpreisen. Steven Scott, Geologe an der
Universität von Toronto (Kanada), schwebt
eine ferngesteuerte Tiefseeversion des Kohlebergbaues an Land vor, die das Erz in Röhren
zu Schiffen oder schwimmenden Plattformen
hinaufbefördert. Auch an einen grabenden
Ozeanroboter denkt er. Die Tiefseemaschine
soll beides können: „Manganknollen sammeln oder massive Erze aus dem Meeresboden herausbohren“, hofft Scott.
Ideen für die Gewinnung von festen Tiefseekrusten hat auch der Kieler Forscher Herzig: „Moving Miner“, wandernde Arbeitsschiffe für Technik, Bohrgerät, Bagger und
Lager, ernten die Fundorte nacheinander ab.
„So eine Flotte kostet etwa 300 Millionen
Euro“, sagt er. „Eine Landerschließung mit der
erforderlichen Infrastruktur kann 1 Milliarde
kosten.“ Denn Tunnel, Schächte oder Zufahrtsstraßen sind im Meer überflüssig. Die
Ablösung der Krusten in großer Tiefe ist zwar
aufwendig, aber umweltfreundlicher als das
Manganknollensammeln, denn das Vulkangestein entlässt keine Staubwolke. Allerdings:
Erze in wirtschaftlich nutzbaren Mengen brauchen Jahrhunderte, bis sie sich wieder angehäuft haben. Tiefseeschätze sind nichterneuerbare Rohstoffe. Wenn es darum geht, neue
Rohstoffquellen zu erschließen, ist China >
20.02.2008 15:33:41 Uhr
FOTOS: BGR
Vor 30 Jahren
bei einer
Expedition
geborgen:
Probe einer
Manganriesenkruste
Auf der Suche nach neuer Abbau-Technologie
Tiefe in m
Cobaltreiche Kruste
0
200
1000
2000
3000
4000
5000
6000
Cobaltreiche Kruste entsteht wie Manganknollen durch Ausfällungen des Wassers, ist
aber fest mit dem Gestein des Meeresbodens
verbunden und einen bis zehn Zentimeter
dick. Das größte Potenzial lagert in 800
bis 2.500 Metern Tiefe und enthält bis zu ein
Prozent Cobalt (in kontinentalen Vorkommen
maximal 0,2 Prozent). Weitere wertvolle
Inhaltstoffe, vor allem für die Stahlerzeugung,
sind Titan (Härtung), Cerium (Stabilisierung),
Nickel (Veredelung) und Zirconium
(gegen Korrosion). Um Menge und Gehalt zu
erkunden, sind aufwendige Bohrungen
und Grabungen in massiven Felsbetten in
großen Meerestiefen nötig.
Mangankruste
19_Evonik_01-08 19
20.02.2008 15:33:45 Uhr
FOTO: IFM-GEOMAR, KIEL
Brennendes Eis:
Steigt die
Temperatur und
fällt der Druck,
entweicht Methangas aus seinem
Eiskäfig und brennt
Wettrennen um die Rechte an den Tiefseeschätzen
Tiefe in m
Methanhydrate
0
200
1000
2000
3000
4000
5000
6000
Gas- oder Methanhydrat liegt im Meeresboden ab einer Wassertiefe von 400 Metern
oder in kontinentalen Dauerfrostböden
(Permafrost), in denen auch Kleinlebewesen
zu Hause sind. Die Verbindung aus Wasser
und Methangas entstand in Millionen Jahren
aus der Zersetzung von organischem Material bei niedrigen Temperaturen oder unter
hohem Druck. Ein Kubikmeter festes Hydrat
dehnt sich bei Wärme und bei nachlassendem Druck auf 164 Kubikmeter Gas aus.
20_Evonik_01-08 Abs1:20
Permafrostboden
20.02.2008 14:29:07 Uhr
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
TIEFSEE
ERFORSCHEN 21
Die Wächter der Tiefsee
Die Meeresbodenbehörde in Kingston (Jamaika) – International Seabed Authority,
ISA – überwacht alles, was Staaten, Konzerne und Wissenschaftsbetriebe in der Tiefe vorhaben, und setzt Umweltstandards für die Biosphäre. Wer auf dem Grund der Ozeane
forschen will, muss sich für 250.000 US-Dollar (170.000 Euro, Dezember 2007) eine
Lizenz holen, jährlich Berichte schreiben und darf Technologien für den wirtschaftlichen
Abbau der Rohstoffe entwickeln. Die neuen Erkenntnisse müssen mit den 155 ISAStaaten (Stand Dezember 2007) geteilt werden. Seit 2000 gibt es den Tiefsee-Kodex
über Schürf- und Abbaurechte von Manganknollen. Im Sommer 2007 standen Massivsulfide und Erzkrusten auf der Tagesordnung. Einige „kritische Punkte fehlen noch“,
sagt Satya Nandan von den Fidschi-Inseln, seit 1996 Generalsekretär der ISA. „Es geht
um die Aufteilung der Flächen und die Abgaben an die Staatengemeinschaft.“
FOTO: IAN R. MACDONALD
> nicht weit. Erst 2006 stellte die Chinese Academy of Engineering neue Kontrolltechnik
vor, Module und Glaskabel für Unterwasserroboter. Die Volksrepublik investiert gezielt
in den Kauf von Rohstoffquellen. „China
betreibt Prävention“, sagt BGR-Experte Wiedicke-Hombach. Auch Japan und Indien forschen intensiv. Indien ist vor der eigenen
Haustür mit den Vorarbeiten für den Manganknollenabbau schon sehr weit.
Spätestens Anfang 2009 macht sich die
erste BGR-Schiffscrew aus Hannover auf den
Weg, um bei Hawaii Proben zu fördern. Für
die Testrechte hat die BGR 190.000 Euro
gezahlt, „eine Art Bearbeitungsgebühr an
die Meeresbodenbehörde“, sagt WiedickeHombach. „Sie macht die Buchführung und
eine externe Kontrolle. Sollte es zum Abbau
der Knollen kommen, zahlen wir eine Tantieme.“ Einem Energielieferanten aus der
Meerestiefe ist auch das Kieler IFM-GeomarInstitut auf der Spur. „Kiel 6000“, sein neuer Roboter, kann in sechs Kilometern Tiefe
Bodenproben nehmen und soll schon in diesem Jahr vor der Pazifikküste Oregons (Nordamerika) nach Brennendem Eis suchen. Was
nach James Bond klingt, ist in Wahrheit ein
mächtiger Energiespeicher: Gashydrate sind
vereiste Erdgasklumpen, die sich an einem
brennenden Streichholz entzünden, wenn
man sie aus dem Wasser holt. Dann verbrennt das gespeicherte Gas, und Wasser
21_Evonik_01-08 Abs1:21
fließt ab. Nur unter Druck und bei großer
Kälte sind sie stabil, umschlossen von Dauerfrostböden (Permafrost) oder im Meeresboden ab 400 Metern Tiefe. Die weltweiten
Ressourcen werden auf etwa 500 Billionen
Kubikmeter, mehr als die bereits bekannten
Erdgasvorkommen, geschätzt.
HOFFNUNG UND RISIKO
„Für die Sicherung der Energie von morgen
ist die Nutzung der Tiefsee zur Energiegewinnung, zum Beispiel aus Gashydraten,
eine Herausforderung“, sagt die SPDBundestagsabgeordnete Margrit Wetzel, im
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
für maritime Fragen zuständig. Das Problem: Methangashydrat stabilisiert als eisiger
Kitt die Kontinentalhänge zwischen dem flachen, küstennahen Meeresboden (Schelf)
und der Tiefsee. Wird der Kitt herausgelöst,
könnte die Erde ins Rutschen geraten und
dabei Flutwellen erzeugen. Zudem ist
Methan ein starkes Treibhausgas und würde die CO2-Bilanz der Erde schwer belasten,
falls es dabei unkontrolliert entwiche.
Die Lösung sehen Forscher in Zusammenhang mit einem anderen Umweltproblem. Um
den Klimakiller CO2 nicht mehr in die Atmosphäre entweichen zu lassen, würden sie es
gerne im Meeresboden deponieren und gegen
den begehrten Energierohstoff Gashydrat
austauschen. „Flüssiges CO2 wird unter die
Methanhydratlager gepumpt“, erklärt Herzig, „und drückt sie dabei heraus.“ Das Kohlendioxid bildet dann eine festgefrorene Substanz
und stabilisiert an Ort und Stelle den Untergrund. Der Energierohstoff Erdgas aber wäre
aus den Lagern herausgelöst und könnte zur
Förderung nach oben strömen. „Das ist sicherer
und einfacher als an Land“, fügt Herzig hinzu.
Seit zwölf Jahren schon nutzt die norwegische
Bohrinsel Sleipner im Nordatlantik eine vergleichbare Technik. Kurz vor dem Start ist die
Technik in Verbindung mit der ersten Unterwasser-Förderanlage für Erdgas auf dem
Snøhvit-Feld in der Barentssee. Nur 24 Jahre
hat es gedauert von der Entdeckung der Felder auf dem norwegischen Kontinentalsockel
bis zur Generalprobe in 300 Metern Tiefe.
Ähnlich schnell könnte es gehen, bis der
Meeresgrund unter dem Nordpol zugänglich
wird. Seit August 2007 steht eine russische
Flagge aus rostfreiem Titan dort in 4.200
Metern Tiefe. Der Wettlauf um die Arktis und
ihre Schätze hat begonnen. Dänemark, Kanada, Norwegen und die USA beanspruchen
Hoheitsrechte, die großen Energiekonzerne
wollen Lizenzen, alle arbeiten fieberhaft an
der Fördertechnik. Ende Mai 2008 treffen sich
die „fünf Supermächte der Arktis“ auf Einladung der Dänen im grönländischen Ilulissat,
um zu beraten. Harte Verhandlungen stehen
bevor, denn die Polarregion birgt eine wahre Schatzkammer an Industrierohstoffen. <
11.02.2008 13:37:23 Uhr
22
INFORMIEREN
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Wechselkurse
Nur
Starker Euro
Der Euro ist 2007 gegenüber dem Dollar auf Höhenflug gegangen
1,50
INFOGRAFIKEN: REDAKTION 4
1,45
1,4
1,35
1,3
18.12. 2006
QUELLE: FINANZEN.NET
2.4.2007
2.7.2007
1.10. 2007
2,08
Personen wohnten 2006 statistisch in einem deutschen Haushalt, 1991 waren es noch 2,27 Personen.
In 23 Prozent der 39,8 Millionen Haushalte leben
ausschließlich Menschen im Seniorenalter ab 65.
QUELLE: STATISTISCHES BUNDESAMT
Energieverbrauch
Der weltweite Verbrauch von Primärenergie (Kohle,
Erdöl, Erdgas, Kernkraft) steigt im Jahr 2006 auf 10.878,5
Millionen Tonnen Öläquivalent – 2,4 Prozent mehr als
im Vorjahr. 80 Prozent des Verbrauchs basieren laut Deutscher
Energie-Agentur (Dena) auf fossilen Energieträgern. Die
Hälfte der Energie wird von einem Sechstel der Bevölkerung,
den Industriestaaten, verbraucht. Die aufsteigenden Staaten
Asiens gehören ebenfalls zu den Großverbrauchern
22_Evonik_01-08 Abs1:22
20.02.2008 15:38:23 Uhr
23
Bruttoinlandsprodukt
Konjunktur
Die fleißigen Deutschen
Skeptische Verbraucher
Baugewerbe
Land- und Forstwirtschaft,
Fischerei
4,1%
Handel,
Gastgewerbe
und Verkehr
17,8%
0,9%
2.423 Mrd.
Euro
Öffentliche
und private
Dienstleister
21,9%
Finanzierung,
Vermietung und
Unternehmensdienstleister
29,4%
Produzierendes
Gewerbe
25,9%
QUELLE: STATISTISCHES BUNDESAMT
Fast 2.500 Milliarden
Euro erwirtschafteten
die Deutschen als
Bruttoinlandsprodukt
2007. Das entspricht
einer preisbereinigten
Steigerung gegenüber
dem Vorjahr von
2,5 Prozent. Im Jahr
2006 betrug die
Steigerung zum
Vorjahr 2,9 Prozent
Die Stimmung der Konsumenten in Deutschland schwankte 2007
8
8,5
8,5
8,5
7,4
7,4
7
6,7
6
5,7
5
Konsumklimaindex
in Punkten
4,9
4,3
4
F
M
4,5
M
J
A
S
*
4,8
4,4
4,5
*Prognose
D
N
2007
QUELLE: GFK
Angaben in Millionen
Tonnen Öläquivalent (Mtoe)
0 – 10 Mtoe
11 – 50 Mtoe
51 – 100 Mtoe
101 – 200 Mtoe
201 – 300 Mtoe
301 – 400 Mtoe
401 – 500 Mtoe
501 – 1.000 Mtoe
1.001 – 1.500 Mtoe
1.501 – 2.000 Mtoe
2.000+ Mtoe
Keine Angaben
Öläquivalent, oe
QUELLE: BP „STATISTICAL REVIEW OF WORLD ENERGY FULL REPORT 2007“,
INTERNATIONAL ENERGY AGENCY „KEY WORLD ENERGY STATISTICS 2007“
Internationales Maß für den
Brennwert verschiedener
Energieträger (Erdgas, Kohle,
Kern- oder Wasserkraft)
gemessen an einer Menge
Rohöl, hier 1 Million Tonnen
1 Mtoe = 41,9 Petajoule
oder 11,6 Terawattstunden
23_Evonik_01-08 Abs1:23
20.02.2008 15:38:29 Uhr
24
GESTALTEN
SEPARION
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Ein Trio
unter
Spannung
TEXT KLAUS JOPP
WENN SEINE ZEIT und das Wetter es
FOTO: DEUTSCHER ZUKUNFTSPREIS
zulassen, verbringt er jeden Abend 15 Minuten auf einem Stuhl vor seinem Wohnwagen:
Dort genießt er die Aussicht in die sächsische
Landschaft – notfalls im wärmenden Parka.
Das Ritual ist fester Bestandteil des Lebens,
auch wenn die Orte wechseln: „Diese Zeitspanne ist mir extrem wichtig. Ich sortiere
dann meine Gedanken, ordne die Geschehnisse des Tages und bereite mich auf die kommenden Dinge vor“, sagt Dr. Andreas Gutsch.
Der Geschäftsführer der Li-Tec Battery
GmbH & Co. KG in Kamenz (Sachsen) ist ein
praktischer veranlagter Mann, der dank des
Lob vom Bundespräsidenten: Paul Roth,
Andreas Gutsch und Gerhard Hörpel (v. l.)
24_Evonik_01-08 Abs2:24
Wohnwagens kurze Wege zu seinem Arbeitsplatz hat. Dorthin hat ihn die Evonik Industries AG entsandt, für die er zuvor die
bereichsübergreifende Forschungseinheit
Creavis Technologies & Innovation in Marl
geleitet hat. Ohne einen Moment zu zögern,
hat er die Führung von rund 200 Wissenschaftlern bei der Creavis mit dem „Abenteuer“ in der Provinz getauscht. „Wir sind zu
100 Prozent von dieser Chance überzeugt.
Damit wir das Batteriethema auch für die
gesamte deutsche Wirtschaft gegen die starke
Konkurrenz aus Fernost zum Laufen bringen,
habe ich mich entschlossen, selbst die Verantwortung zu übernehmen“, erklärt Gutsch.
Am Abend des letzten Nikolaustages war
allerdings keine Zeit für die blaue Stunde
vor dem Wohnwagen. Da hatte Bundespräsident Dr. Horst Köhler zur Verleihung
des Deutschen Zukunftspreises nach Berlin
geladen – und Dr. Andreas Gutsch war mit
seinen beiden Mitstreitern, Dr. Gerhard
Hörpel aus dem Science to Business Center
Nanotronics von Evonik in Marl und Professor Paul Roth von der Universität DuisburgEssen, als eines von vier Teams für diese
höchstdotierte Auszeichnung im Bereich
technischer Innovationen in Deutschland
nominiert (Evonik-Magazin 4/2007).
Was der Nikolaus für das Evonik-Dreigespann im Sack hatte, ist bekannt: eine Auszeichnung der Arbeit. Gewonnen hat ein >
FOTO: SVEN DÖRING
Andreas Gutsch, Gerhard Hörpel und
Paul Roth sind die Erfinder der neuen Keramik
SEPARION – Kern der modernen
Lithium-Ionen-Batterien für den Weltmarkt
Nachdenken im Campingsessel: Vor seinem
15.02.2008 20:51:40 Uhr
25
Wohnwagen in Kamenz, den seine Kinder mit Affen-Motiven beklebt haben, erholt sich Dr. Andreas Gutsch vom Stress. Bald zieht er in eine alte Försterei um
25_Evonik_01-08 Abs2:25
15.02.2008 20:51:42 Uhr
26
GESTALTEN
SEPARION
Kreativität
für einen weltweiten
Milliarden-Markt
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
> Projekt für neuartige Leuchtdioden. Traurig
sind die Protagonisten, die unter der Bezeichnung „Nanoschicht mit Megaleistung“ angetreten waren, über den Ausgang überhaupt
nicht: „Das Interesse für unsere Entwicklung
ist durch den Zukunftspreis enorm angewachsen, ein besseres Marketing könnten
wir uns gar nicht vorstellen“, schmunzelt
Hörpel. „Wir müssen nur aufpassen, dass wir
bei dem Medienrummel und den vielen
Gesprächen mit potenziellen Kunden noch
zu unserer Arbeit kommen.“ Und davon gibt
es noch jede Menge, bevor die ersten Hybridoder Elektrofahrzeuge mit den Batterien
made by Evonik starten können.
Im Gegensatz zum Kollegen Gutsch
denkt Hörpel gerne, wenn er in Bewegung
ist. Wenn sich der Kollege in Kamenz kontemplativ in den Sessel setzt, erkundet der
leidenschaftliche Fahrradfahrer Hörpel gern
Nachdenken beim Fahrradfahren: Dr. Gerhard Hörpel ist am liebsten in Bewegung, wenn er seinen Gedanken nachhängen will.
Radtouren durchs Münsterland halten ihn nicht nur fit, sondern sind auch sein Brainstorming. Im Alltag setzt der erfahrene Wissenschaftler
auf ein gutes Zusammenwirken im Team. Ein starke Mannschaft hat er in Sachen SEPARION um sich versammelt (Foto rechts):
26_Evonik_01-08 Abs2:26
15.02.2008 20:51:45 Uhr
27
auf dem Drahtesel das Münsterland – gelegentlich auch auf einem Hightech-Rad, das
bereits mit den modernen Energiespeichern
ausgerüstet ist.
EIN MILLIARDENMARKT
FOTOS: CATRIN MORITZ
„Nanoschicht mit Megaleistung“ – hinter
dieser Überschrift verbirgt sich ein flexibler
Separator, der von beiden Seiten eine poröse
Schicht aus einer nanoskaligen Keramik
trägt. Seine wichtigste Aufgabe ist die Trennung von Plus- und Minusseite in der Batterie, ansonsten würde es zum Kurzschluss
kommen. Darüber hinaus muss der Separator durchlässig sein für die Lithium-Ionen.
Das Bauteil, extrem dünn und so biegsam,
dass man es problemlos auf Rollen wickeln
kann, ist der Schlüssel für Lithium-IonenBatterien großer Leistungen, wie sie unter
anderem für Autos oder Kraftwerke benötigt
werden. Für die Zukunft ein Mega-Milliardenmarkt. Prognosen zufolge wird er von
derzeit rund 1,4 Milliarden Euro bis 2015
auf 3,9 Milliarden Euro anwachsen. Energiespeicher sind sowohl im mobilen wie im
stationären Bereich unverzichtbar, wenn es
gilt, das Klimaproblem durch die verstärkte
Nutzung regenerativer Energien in den
Griff zu bekommen. Denn die Energie aus
den regenerativen Quellen wie Sonne, Wind
und Gezeiten fließt nicht kontinuierlich,
sondern muss gespeichert werden, um sie
nutzen zu können.
Im sogenannten CCC-Markt, der für
Handys (Cell Phones), tragbare Computer
und Camcorder steht, haben die Powerpakete inzwischen einen Marktanteil von
über 99 Prozent. Neuerdings finden sie auch
in leistungsfähigen Elektrowerkzeugen
Anwendung, die längere Zeit ohne Steck-
Dr. Andreas Schuch, Dr. Gerhard Hörpel, Rolf Terwonne (sitzend), Dr. Matthias Pascaly,
Dr. Hans- Jürgen Wessely, Dr. Martin Schuster, Dr. Christian Hying, Friedmann Rex (sitzend),
Dr. Volker Hennige (von links nach rechts)
27_Evonik_01-08 Abs2:27
dose auskommen müssen. Die dafür benötigten Leistungen liegen unter zwei Amperestunden, für die Champions-League, das
Automobil, braucht man aber über zehn
Amperestunden. Für diese hohen Kapazitäten schafft SEPARION die Voraussetzungen, weil die Keramikmembran nicht
zuletzt durch ihre Temperaturstabilität auch
große Akkus sicherer, leistungsfähiger und
langlebiger macht.
Begonnen hat die Entwicklung von
SEPARION bereits vor über zehn Jahren auf
einem ganz anderen Gebiet. „Damals haben
wir in der Nähe von Enschede in den Niederlanden vollkeramische Membranen
gemacht, Gülle filtriert und hinterher damit
Kaffee gekocht, um die gute Wirkung der
Wasserfiltration zu belegen“, erinnert sich
Hörpel. Doch das Material hatte die typischen
Nachteile, die Keramik normalerweise mit
sich bringt: Es war steif und leicht zerbrechlich, und deshalb war damit in der Anwendung kein Blumentopf zu gewinnen. An diesem Punkt kam eine Erfindung aus dem
Saarland ins Spiel. „Dr. Bernd Penth lernten
wir auf einem der zahlreichen Membranworkshops kennen“, so Gerhard Hörpel. Er
stellte eine flexible keramische Membran
auf Edelstahlgewebe vor, zur Wasserfiltration.
Unter der Leitung von Professor Michael
Dröscher, heute Chef des Innovationsmanagements, wurde diese Technologie für Creavis
akquiriert. Zusammen mit der Kompetenz
der Evonik Degussa GmbH im Bereich
Partikeltechnologie und insbesondere
Nanotechnologie, die zusammen mit Professor Paul Roth weiterentwickelt wurde,
wurde fortan die Strategie verfolgt, die
ursprünglichen Wasserfilter so lange immer
dünner zu machen, bis sie als flexible Folie
einsetzbar waren.
Es war ein langer und mühsamer Weg.
Dass er letztlich zu dem glücklichen Ende
führte, liegt an den Beteiligten und ihrem
Engagement für ihre Ziele. Gerhard Hörpel
erschreckte schon als Kind seine Umgebung
beim kreativen Umgang mit dem Chemiebaukasten im Keller seines Elternhauses bei
Bad Kreuznach. Gutsch hingegen schwankte zunächst zwischen den Berufswünschen
Lokführer, Flugkapitän oder – durch die
Herkunft der Mutter geprägt – Landwirt.
Wegen seiner schwachen Rechtschreibleistungen in der Schule tröstete ihn seine >
15.02.2008 20:51:47 Uhr
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GESTALTEN
SEPARION
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Energiespeicher
der Zukunft
Morgen
Übermorgen
Herkömmliche LithiumIonen-Batterien mit
Leistungen von 3 Wh
Durch Evonik-Zutaten
deutlich erhöhte
Batterieleistungen
Große Lithium-Ionen-Batterien
als Netzpuffer
h
3W
+
*Separi
on
*Lithari
on
E
EL
K
E
ER
B IL
E ICH
MO ÄTSSP
T
IZ I
TR
Voraussetzung für Hybridautos ist die Leistung von 1 kWh
pro Batterie
LiTec
1
KWh
Eine große
Anzahl von
Elektroautos
bezieht Strom
aus dem Netz
oder speist ihn
bei großem
Bedarf ins Netz
zurück
Einsatz in Hybridautos mit gemischtem
Elektro- und Verbrennungsantrieb
LiTec
h
150 W
SEPARION und LITHARION
Die Keramikmembran SEPARION und neuartige
Elektrodenmaterialien (LITHARION)
erlauben den Bau von Batterien mit wesentlich
besseren Leistungen bis zu 1 kWh
Reines Elektroauto
V2G (Vehicle to Grid)
STATIONÄRE
ER
ELEKTRIZITÄTSSPEICH
Kleine Lithium-IonenBatterien beherrschen
schon heute den Markt
der Handys, Laptops und
Camcorder
LiTec
LiTec
Regenerative,
unstetig anfallende Energien
aus Wind, Sonne und Biomasse
Regenerative
Energien
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
0 KWh
100 - 10.00
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
LiTec
10
KWh
LiTec
LiTec
Eine größere
Anzahl von
Batterien werden
zu kleinen
Kraftwerken zusammengefasst
Die Leistung
der Batterien ist
nochmals um
den Faktor 10 erhöht
INFOGRAFIK: REDAKTION 4, QUELLE: EVONIK INDUSTRIES
-
+
Heute
Heute bedienen die Lithium-Ionen-Batterien als kleine Systeme noch überwiegend den Markt der Handys, Laptops und Camcorder.
Dank der Evonik-Technologie können die Powerpakete künftig auch in deutlich größeren Einheiten sicher betrieben werden.
Das eröffnet Chancen zunächst in Hybrid-und Elektroautos sowie in stationären Anwendungen, die Solar- und Windenergie speichern
28_Evonik_01-08 Abs2:28
15.02.2008 20:51:50 Uhr
29
> Mutter: „Junge, halt durch. Eines Tages hast
du eine Sekretärin, die macht das für dich.“
Entsprechend motiviert, absolvierte der
Schüler Gutsch nicht nur erfolgreich das
Gymnasium in Neuwied, sondern stürzte
sich auch ins Studium. Inspiriert durch die
Umweltdiskussion schrieb er sich für die
Ausbildung zum Chemieingenieur an der
Technischen Hochschule Karlsruhe ein.
„Danach wollte ich unbedingt meine Eltern
finanziell entlasten und habe mich mit dem
Verkauf von Photovoltaikanlagen selbstständig gemacht. Da war ich meiner Zeit
etwas voraus, aber schon damals war das ein
gutes Geschäft“, erinnert sich Gutsch.
GEDULD UND HARTNÄCKIGKEIT
Neben der Begeisterung für naturwissenschaftliche Themen, die Hörpel durch das
Chemiestudium an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz auslebte, benötigt
eine Entwicklung wie die von SEPARION
aber noch mehr. Geduld bis zur Sturheit,
Hart näckigkeit und Überzeugungskraft
sind nur einige davon. Während Gutsch eher
als ungeduldiger, unnachgiebiger Antreiber agierte, zeigte sich Hörpel als ruhiger,
kontinuierlicher Bewahrer, der auch einmal einen schweren Sturm abwettert. Und
dunkle Wolken gab es durchaus: Die Entwicklung von den Wasserfiltern zum keramischen Separator sollte eigentlich nur
sechs bis acht Monate dauern und nicht drei
Jahre. In diesen schwierigen Zeiten ist das
gesamte Team, zu dem sowohl auf Evonikwie auch auf Universitätsseite mehrere Mitarbeiter gehören, noch enger zusammengerückt. „Bei aller Aufmerksamkeit für das
Trio in der Öffentlichkeit – ohne das tolle
SEPARION-Team wäre der bisherige Erfolg
gar nicht möglich gewesen“, betont Hörpel.
Begonnen hat das Projekt vor einigen Jahren im sogenannten Screening Committee,
dem Vorläufer der heutigen Creavis. Diese kleine kreative und visionäre Gruppe
um Professor Dr. Michael Dröscher, Leiter
Innovation Management Chemicals, hatte
das Thema Membranen und seine Chancen
damals identifiziert – zu einer Zeit, in der das
Thema Lithium-Ionen-Batterien für Automobile, wenn überhaupt, nur als Vision
existierte. Auf Realisierbarkeit geprüft und
umgesetzt wurden die zum Teil fantastischen
Ideen vom „Membranteam“ um Dr. Gerhard
29_Evonik_01-08 Abs2:29
Hörpel, bestehend aus Christian Hying mit
Erfahrung in der Membranherstellung und
heute Produktionsleiter für SEPARION,
dem Keramiker Volker Hennige, der heute
die Lithium-Ionen-Aktivitäten der Creavis in
China leitet, sowie Sven Augustin mit Erfahrungen im Markt und in der Anwendung von
Membranen, heute im Automotive Industry
Team von Evonik der Experte für Batterieanwendungen im Automobil. Heute steht
ein 40-köpfiges Team unter der Leitung
von Hans-Jürgen Wessely für den Erfolg der
Lithium-Technologie von Evonik ein.
Anfang 2006 schlugen die Batteriebauer
ein neues Kapitel in Sachsen auf, als sie die
Firma Ionity AG übernahmen, um große
Lithium-Ionen-Batterien bauen zu können.
Sie gründeten die Li-Tec Battery GmbH als
neue Partnerschaft und nutzten die bestehende Infrastruktur. „Davon profitieren wir
jetzt, denn die Hallen mit 8.000 Quadratmetern Produktionsfläche standen bereits,
und auch die Infrastruktur wie zum Beispiel
einer der größten Trockenräume Europas
war vorhanden“, freut sich Gutsch.
Noch in diesem Jahr soll in Kamenz von
der bisherigen Handfertigung der Zellen
auf eine automatische Linie umgestellt und
das vorhandene Know-how ausgeschöpft
werden.
Bei der Vermarktung wird eine doppelte
Strategie verfolgt: Zum einen sollen bereits
vorhandene Märkte möglichst schnell
erschlossen werden, wozu elektrisch
betriebene Fahrräder und Roller, Boote
und Jetski, aber auch industrielle Anwendungen wie Gabelstapler, Rasenmäher oder
Reinigungsmaschinen gehören. Zum anderen werden bereits heute Partnerschaften
für die Märkte von morgen vor allem im
Fahrzeugbereich entwickelt. Die Ziele sind
ehrgeizig: Bereits 2008 soll die 100.000
Zelle gefeiert werden.
INTENSIVE FORSCHUNG
Wie groß das Interesse der Industrie ist,
beweist die Forschungs- und Entwicklungsinitiative (F & E), die das Bundesforschungsministerium (BMBF) zusammen
mit den Unternehmen BASF, Bosch, Evonik,
Li-Tec, Evonik New Energies GmbH und
aller im Verband der Automobilindustrie
(VDA, Frankfurt am Main) vertretenen Automobilhersteller auf den Weg gebracht hat.
„Lithium-Ionen-Batterien zur Mobilisierung
regenerativer Energien der Zukunft und zur
Effizienzsteigerung bei der Umwandlung
fossiler und regenerativer Energien“ heißt
das Vorhaben ziemlich sperrig und ist auf
zunächst drei Jahre angelegt. 360 Millionen Euro will das Konsortium aufbringen,
60 Millionen Euro steuert das Ministerium
zusätzlich bei.
Evonik Industries unterstützt darüber
hinaus zusammen mit der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) eine weitere Initiative mit dem Titel „Funktionsmaterialien und Materialanalytik zu
Lithium-Hochleistungsbatterien“. In diesem
Projekt engagieren sich zwölf Universitäten
und Forschungsinstitute, um Grundlagenarbeiten auf diesem Gebiet zu leisten.
Flankierend zu den eigenen Aktivitäten
hat Evonik zudem an der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster eine Stiftungsprofessur für angewandte Materialwissenschaften zur Energiespeicherung
und -umwandlung eingerichtet. Zielsetzung
dabei ist ein international wettbewerbsfähiges Forschungsprogramm zur Energiespeicherung in großvolumigen LithiumIonen-Batterien. An der Stiftungsprofessur
sind auch die Chemetall und VW beteiligt.
Eingebettet in diese nationalen Anstrengungen werden die Lithiumaktivitäten in den
Firmen Evonik und Li-Tec fortgesetzt. Das
Ziel dabei ist klar: 160 Zellen aus Kamenz
benötigt etwa ein Elektroauto der Golf klasse,
um bei Tempo 130 rund 150 Kilometer
zurückzulegen. Zugleich können die Powerpakete den fluktuierenden Strom aus Solarund Windkraftanlagen speichern (siehe Kasten) und damit die Effizienz und Wertigkeit
der regenerativen Energiequellen deutlich
erhöhen. Eigene Kraft für die anstehenden
großen Aufgaben schöpfen die drei Forscher
erstaunlicherweise alle aus derselben Quelle:
Sie sind unisono ausgesprochene Familienmenschen. Deshalb will Gutsch die Wohnwagenperiode auch möglichst bald beenden.
Inzwischen hat er eine alte Försterei übernommen, damit seine beiden Söhne ihn
wenigstens am Wochenende besuchen können – zum Basteln von Flugzeugen und Schiffen zum Beispiel. Auch die könnte man mit
Lithium-Ionen-Batterien mobilisieren. Ein
Thema, das bei Evonik noch eine große
Zukunft hat. <
15.02.2008 20:51:53 Uhr
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ENTWICKELN
KLIMASCHONENDES WOHNEN
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Klima schützen – Kosten sparen
Evonik setzt auf Klimaschutz, der sich
auszahlt – intelligente Konzepte für nachhaltige Lösungen
WENN ES UMS MODERNE Wohnen
geht, sind der Fantasie fast keine Grenzen
gesetzt: Aus der Tiefe der Erde Gebäude
beheizen, mit Betondachsteinen die Luft verbessern und Sonnenlicht in Strom umwandeln. Das Geschäftsfeld Immobilien der Evonik
Industries AG setzt konsequent alle technologischen Neuerungen in die Praxis um,
damit Schadstoff-Emissionen reduziert und
Mietnebenkosten gesenkt werden können.
Jüngstes Beispiel sind die „ersten industriell gefertigten, umweltaktiven Dachsteine der Welt“, mit denen Evonik in einem
bundesweit einzigartigen Pilotprojekt acht
Mehrfamilienhäuser in Duisburg – 3.000
Quadratmeter Dachfläche – eingedeckt
hat und die viel mehr können, als „nur“ vor
Regen und Schnee zu schützen. Vom
Schermbecker Unternehmen Nelskamp
auf Grundlage eines neuen Baustoffs der
HeidelbergCement-Gruppe hergestellt,
besteht die Oberf läche der Dachziegel
aus einem Mikrobeton, der Kristalle von
Titandioxid enthält. Dieses 1908 in Norwegen und den USA entdeckte ungiftige
Material ist zwar in den Dachsteinen von so
geringem Durchmesser enthalten, dass es
2.500-mal dünner als ein menschliches Haar
ist, verfügt aber dennoch über so viel Kraft,
dass es gemeinsam mit Tageslicht Umwelt-
30_Evonik_01-08 30
schadstoffe wie Stickoxide in unschädliche
Substanzen umwandeln kann.
Tagtäglich stoßen Industriebetriebe und
Autos Stickoxid aus, das durch Sonnenlicht zu
giftigem Ozon zersetzt wird. Trifft dieses Gas
auf Titandioxid, wird – in Kombination mit
Tageslicht – der Schadstoff in kürzester Zeit in
ungefährliche Nitratmoleküle umgewandelt.
Diese Substanz wird vom Regen fortgespült
und versickert als neutrales Salz im Erdboden.
Hier kann es Pflanzen als Nährstoff dienen
oder wird von einer Kläranlage ausgefiltert.
Titanoxid kann unendlich oft als Katalysator dienen, denn es verbraucht sich nicht.
Damit können die Dachsteine, die optisch
herkömmlichen Dachziegeln ähneln und
genauso zu verlegen sind, gerade in Ballungszentren dazu beitragen, für saubere Luft und
weniger Ozon-Belastung zu sorgen.
DIE SUPER-ZIEGEL
Bei einem ähnlichen von der EU geförderten
Projekt in Italien konnte nachgewiesen werden, dass Beton mit Titandioxid bei einer maximalen Sonneneinstrahlung eine StickoxidReduzierung von bis zu 90 Prozent erzielen
kann und bei schlechtem Wetter noch bis zu
70 Prozent. Reiner Kathenbach, Leiter Tech-
Pilotprojekt: 3.000 Quadratmeter Dachfläche werden in Duisburg neu eingedeckt
FOTOS: EVONIK INDUSTRIES (2); INFOGRAFIK: REDAKTION 4
TEXT CATRIN KRAWINKEL
14.02.2008 14:29:38 Uhr
So funktionieren die modernen Dachziegel
31
UV-Strahlung
NOx
NOx
Regen
NOx
Titandioxid
TiO2
im Mikrobeton
neutralisiert Titandioxid
Schadstoffe aus
der Luft
NO3NO3NO3-
Die Dachziegel aus
Mikrobeton enthalten
Kristalle von Titandioxid. In Verbindung
mit Tageslicht
wandelt es Stickoxide
in Nitratmoleküle
um. Diese Substanz
wird vom Regen
fortgespült und
ver-sickert als Salz im
Erdboden oder
gelangt über die
Kanalisation in
Kläranlagen, in denen
sie ausgefiltert wird.
ClimaLife-Dachstein-Oberfläche
QUELLE: NELSKAMP
nik und Quartiermanagement von Evonik
Wohnen GmbH, ist von dem neuen Dachstein begeistert: „Wir modernisieren jährlich durchschnittlich 150 bis 160 Gebäude.
Haben diese Häuser Steildächer, die mit den
innovativen Dachsteinen ausgestattet werden
können, leisten wir einen erheblichen Beitrag
zum Umweltschutz .“ 200 Quadratmeter Dachfläche reichen aus, um die Abgase einer 2.000Kilometer-Fahrt mit dem Auto zu beseitigen.
Bei der Sanierung erhalten die Häuser neue
Wärmeschutzfenster, Dach- und Kellerdecken
werden isoliert und die Fassaden mit einem
Wärmedämmungs-Verbundsystem ausge-
stattet, so wie es die strengen Richtlinien für
die Nutzung der Kredite der Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW) vorsehen. Der Primärenergiebedarf der modernisierten Gebäude
entspricht nach Fertigstellung annähernd dem
eines vergleichbaren Neubaus und trägt somit
erheblich zur Senkung der Heizkosten bei.
Gleichzeitig wird der CO2-Ausstoß um mindestens 40 Kilogramm pro Quadratmeter und
Jahr verringert (Evonik-Magazin 4/2007).
SONNENSIEDLUNG
Selbstverständlich nutzt das Unternehmen
die neuen Umwelt- und Klimastandards bei
Mit modernster Technologie wird die „Sonnensiedlung“ in Moers-Kapellen ausgestattet
31_Evonik_01-08 Abs2:31
allen Neubauten. So entsteht in MoersKapellen gerade die „Sonnensiedlung“ mit
insgesamt 60 Eigenheimen, die zum Teil
durch Geothermie, also durch Erdwärme,
beheizt und durch Sonnenenergie mit
Warmwasser versorgt werden. Weitere
Objekte in diesem Baugebiet sind mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Der so erzeugte
Gleichstrom wird über einen Wechselrichter in das vorhandene Stromnetz des örtlichen Versorgers eingespeist.
Ist das Erdreich als Wärmequelle erst
einmal erschlossen, so steht die Energie
ständig zur Verfügung und ist äußerst zuverlässig. Mittels Erdwärmepumpe gelangt sie
ins Hausinnere. Rund 10.000 Euro teuer ist
die Anlage der Erdwärme-Technik pro Haus.
Doch die Kosten rechnen sich. Schließlich
lassen sich mit der Erdwärme gut zwei
Drittel der herkömmlichen Energiekosten
sparen.
„Durch das Erneuerbare-EnergienGesetz (EEG) erhalten die neuen Hausbesitzer nicht nur eine garantierte Einspeisevergütung, die gesamte Ökotechnik
kann auch durch die Kreditanstalt für
Wiederaufbau gefördert werden“, erklärt
Kathenbach. Neben den niedrigen Energiekosten gibt es noch weitere Vorteile:
Sie braucht keinen Schornstein, Öltank
oder Gasanschluss und erzeugt keine
Emissionen. <
12.02.2008 18:10:38 Uhr
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ERLEBEN
RUHRFESTSPIELE
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Ein Hauch von Hollywood
Kevin Spacey erneut der Star der Ruhrfestspiele – auch Peter Zadek ist wieder dabei – Frank Hoffmann
TEXT ULRICH SCHMIDT
riment. Eines der traditionellsten Theater
Europas sollte in seiner Muttersprache die
Eröffnungspremiere der Ruhrfestspiele
Recklinghausen 2006 gestalten. Mit einem
Oscar-Preisträger in der Hauptrolle. Glamour und Tradition. Würde das gutgehen?
Es ging bestens – die Zuschauer waren
begeistert. Kevin Spacey brillierte als
Richard II. in Shakespeares gleichnamigem
Stück in der Inszenierung von Trevor Nunn,
einer Produktion des Old Vic Theatre in
London, an dem Kevin Spacey auch künstlerischer Direktor ist.
In diesem Jahr ist er wieder dabei in Recklinghausen (1. 5. bis 15. 6. 2008) mit dem
Stück „Speed the Plow“, zu Deutsch: „Die
Gunst der Stunde“. Festspiel-Hauptsponsor
Evonik Industries AG hat den Auftritt möglich gemacht. Inken Ostermann, bei Evonik
zuständig für das Sponsoring: „Wir sind
stolz, Hauptsponsor zu sein. Die Ruhrfestspiele sind mittlerweile zu einem
Magneten für internationales Publikum und
Künstler von Weltrang geworden.“
Partner von Spacey in der neuen Produktion ist Jeff Goldblum, Autor des Stückes ist
David Mamet, ein Dramatiker der jüngeren
amerikanischen Generation, der auch schon
erfolgreiche Drehbücher in Hollywood >
32_Evonik_01-08 Abs2:32
FOTO: ELLIS PARINDER
VOR ZWEI JAHREN war es ein Expe-
„Die Gunst der Stunde“ zeigen Kevin Spacey und Jeff Goldblum bei den Ruhrfestspielen
12.02.2008 18:07:15 Uhr
33
Frank Hoffmann
(Mitte) mit
dem Schauspieler
Herbert Knaup
(links) und
Intendant Hasko
Weber vom Staatstheater Stuttgart
FOTO: PHILIPPE LAUREN
Die Compagnie DCA – Philippe Decouflé führt ihr Tanztheater „Sombrero“ auf
FOTO: DPA/BERND THISSEN
und sein Team haben das Programm dem Land der Unbegrenzten Möglichkeiten gewidmet
33_Evonik_01-08 Abs2:33
12.02.2008 18:07:18 Uhr
34
ERLEBEN
RUHRFESTSPIELE
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
FOTO: ARNO DECLAIR
Die Bühne verbindet zwei Kontinente
Judith Rosmair spielt in der
Frank-Hoffmann-Inszenierung
„Ein Mond für die Beladenen“
FOTO: MANU THEOBALD
Josef Bierbichler in „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ von Tennessee Williams
34_Evonik_01-08 Abs2:34
12.02.2008 18:07:21 Uhr
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> abgeliefert hat. Dort spielt auch dieses Drama: Der Hollywood-Produzent Bobby Gould
(Kevin Spacey) bekommt von seiner Sekretärin Karen ein Skript zugespielt, das zwar
künstlerisch wertvoll ist, aber finanziell ein
Flop zu werden droht. Sein alter Freund Charlie Fox (Jeff Goldblum) wiederum hat ein
Drehbuch voller Banalitäten, aber schon
einen Star dazu engagiert. Bobby muss sich
entscheiden zwischen Kunst und Kommerz.
Dem Recklinghäuser Publikum machte
Kevin Spacey ein großes Kompliment, als er
vor zwei Jahren die einmalige Atmosphäre
lobte. Die Erinnerung daran bewog ihn wohl
auch, jetzt wiederzukommen. Mehr noch:
Als er dem australischen Hollywood-Star
Cate Blanchett vorschwärmte, was er vor
zwei Jahren im Ruhrgebiet erlebt hatte, entschied sie sich, mit ihrer Debüt-Regiearbeit
„Blackbird“ und ihrer Sydney Theatre
Company ins Ruhrgebiet zu kommen. Das
Stück von David Harrower erzählt vom
Kindesmissbrauch.
Kommt auch ins Ruhrgebiet:
Harald Schmidt in „Elvis lebt. Und
Schmidt kann es beweisen“
sich der Intendant, einen ironischen, mexikanischen Kommentar zum Thema.
Tanz hatte schon immer einen hohen Stellenwert bei den Ruhrfestspielen. In diesem
Jahr präsentiert die Compagnie Sentimental
Bourreau eine Performance nach dem Roman
„Sweet Thursday“ von John Steinbeck. Wie
immer geht es dem Kritiker des American
Way of Life um einen Gegenentwurf zur
amerikanischen Leistungsgesellschaft. Den
Kontrapunkt zu dieser Mischung aus Tanz,
Musik und Sprechtheater, die gemeinsam
mit dem Festival d’Avignon produziert wird,
bietet vermutlich die Pockemon Crew Compagnie, die es buchstäblich aus dem Untergeschoss der Oper Lyon zu einem festen
Bestandteil dieser Bühne geschafft hat. Eine
der innovativsten Gruppen im Breakdance
International kommt damit nach Recklinghausen. International ist auch das mittlerweile fest etablierte Fringe Festival, das in
diesem Jahr 16 Produktionen aus sieben
Ländern open air und in weiteren Räumen
in der Innenstadt Recklinghausens zeigt.
Die größte Überraschung für Theaterfans:
„Zadek ist wieder da“, sagte Frank Hoffmann
ganz lapidar, als er die Produktion „Nackt“
ankündigte, ein Stück von Luigi Pirandello.
Nach den Problemen um „Was ihr wollt“ in
Wien war es still geworden um Peter Zadek,
der schon häufig Gast war in Recklinghausen.
Zumindest dem Thema Traum bleibt diese
Produktion treu. Denn das gescheiterte Leben
des Kindermädchens Ersilia aufzuschreiben
ist der Wunsch des Schriftstellers Nota. Dass
dieses geschehe, ist ihr Traum. Doch nichts ist
so, wie es scheint. Man darf gespannt sein, wie
Zadek, von dem man kräftig zupackendes
Theater gewohnt ist, mit diesem Spiel um
Identitäten umgeht. <
35_Evonik_01-08 Abs2:35
„Es war einmal in Amerika. Ein Traum vom
Theater“ hat Festspielintendant Frank Hoffmann die Saison 2008 getauft. Dabei geht es
ihm auch um den Widerspruch zwischen
Traum und Realität. Dafür steht seine Inszenierung von Eugene O’Neills „Ein Mond für
die Beladenen“. Es ist eine Geschichte mit
viel Alkohol und Liebe. Die weibliche Hauptrolle übernimmt Judith Rosmair, Deutschlands Schauspielerin des Jahres 2007.
Damit ist die Spannweite vom noch stark
europäisch geprägten amerikanischen
Thea ter bis zum Hollywood-Stück der
Gegenwart angezeigt. Dazwischen stehen
noch Werke von Autoren wie Tennessee
Williams, Arthur Miller und Sam Shepard.
Was Frank Hoffmann damit auch zeigen
will: Die amerikanische Kultur hat in nur
100 Jahren ein Theaterwesen geschaffen, das
sich mit der älteren europäischen Theaterkultur durchaus messen kann.
Ironische Brechungen des Amerikabildes
erwartet sich der Hausherr von Jérôme
Savary, der „Happy End“ von Dorothy Lane,
Kurt Weill und Bertolt Brecht inszenieren
wird, sowie vom Tanztheater der Compagnie
DCA – Philippe Decouf lé. Ihr Stück
„ Sombrero“ ist eine heitere Reise durch
Licht und Schatten und liefert, so wünscht es
Weitere Informationen: www.ruhrfestspiele.de.
FOTO: RUHRFESTSPIELE
FOTO: DAVID GRAETER
TRAUM UND REALITÄT
Ein Ort für Spitzentheater:
das Ruhrfestspielhaus in Recklinghausen
12.02.2008 18:07:24 Uhr
36
INFORMIEREN
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Hannover Messe
FOTO: EVONIK INDUSTRIES
Evonik zeigt Innovationen
Mit einem informativen Messestand stellt sich die Evonik Industries AG auf
der weltweit größten Industriemesse in Hannover vom 21. bis zum
25. April vor. Die Messe ist die weltweit wichtigste Plattform für technische
Innovationen. Auf einem Messestand von rund 800 Quadratmetern wird
der kreative Industriekonzern aus Essen seine Innovationen aus den Geschäftsfeldern Chemie, Energie und Immobilien dem Publikum aus aller Welt
präsentieren. Vor allem in der Spitzentechnologie zu Ressourcenschonung
und Energieeffizienz hat das Unternehmen eine Reihe von Entwicklungen
zu bieten: von klimaschonenden Modernisierungen im Immobilienbereich
über Spitzentechnologie bei der Nutzung von Geothermie und in effizienteren
Steinkohlekraftwerken bis zu modernen Anwendungen der Chemie im
Automobilbau, wie den neuen Lithium-Ionen-Batterien für Hybridfahrzeuge.
Berlin und Brüssel
Wilhelm Schmidt neuer Leiter der
Abteilung Public Affairs
Wilhelm
Schmidt ist
der neue
Leiter der
Abteilung
Public
Affairs
an dem neuen Konzern war groß. In Berlin nutzte
Evonik-Vorstandsvorsitzender Dr. Werner Müller –
vor Parlamentariern, Bundesministern und Wirtschaftsvertretern, an ihrer Spitze Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert – die Gelegenheit,
sich bei den Beteiligten für dieUnterstützung bei der
Neuaufstellung von Evonik und der Gründung der
RAG-Stiftung zu bedanken. In Brüssel informierte
Evonik-Vorstand Dr. Klaus Engel die Gäste aus dem
Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission und aus den Verbänden über die ersten 150
Tage der neuen Marke Evonik. Darüber hinaus setzte
er sich in seinem Vortrag und in den Gesprächen
am Rande aus der Perspektive des Unternehmens
kritisch mit der europäischen Chemierichtlinie
REACH und dem europäischen Zertifikatehandel
auseinander. Gastredner war der Europaparlamentarier und Vorsitzende des Ausschusses für konstitutionelle Fragen des Europa-Parlaments Jo Leinen.
Karlheinz
Maldaner
leitet die
Konzernrepräsentanz
in Brüssel
Europa-Abgeordneter Jo Leinen im Gespräch
mit Evonik-Vorstand Dr. Klaus Engel
FOTOS: LAURENCE CHAPERON/LASA (5)
Die Abteilung Public Affairs der Evonik Industries
AG hat eine neue Leitung: Nachdem Dr. Wilfried
Czernie (67) in den Ruhestand gegangen ist, hat
Wilhelm Schmidt (63) seit Anfang des Jahres die
Leitung der Abteilung übernommen. Er ist zugleich
Bevollmächtigter des Vorstandes und Gesamtleiter
der Konzernrepräsentanzen in Berlin und Brüssel. In
der deutschen Hauptstadt leitet Markus Schulz
und in Brüssel Karlheinz Maldaner die Repräsentanz
von Evonik Industries. Wilhelm Schmidt bringt
umfangreiche politische Erfahrungen in seine neue
Position mit ein. Er war lange für die SPD-Mitglied
im Deutschen Bundestag und ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer.
Evonik Industries präsentierte sich in den vergangenen Wochen sowohl in der deutschen als auch
in der europäischen Hauptstadt und stellte dabei den
neuen Konzern und seine Ziele vor. Das Interesse bei
den politischen Repräsentanten und Parlamentariern
Markus
Schulz leitet
die Konzernrepräsentanz
in Berlin
Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert
im Gespräch mit Dr. Werner Müller
36_Evonik_01-08 Abs1:36
20.02.2008 14:57:06 Uhr
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Gastbeitrag
Russlands negatives Bild in der deutschen Presse
FOTO: PRIVAT
Kein Land, mit Ausnahme der USA, genießt in den
deutschen Medien eine so hohe und emotionale
Aufmerksamkeit wie Russland. Dies ist nicht überraschend. Russland ist Veto- und Atommacht,
wichtiger Lieferant von Rohstoffen (Öl, Gas) und
nicht zuletzt Nachbar in Europa. Signifikant ist dabei,
dass die Berichterstattung faktisch mit Putin gleichgesetzt wird, will sagen: Alle Ereignisse sind auf
die Rolle des scheidenden russischen Präsidenten
fokussiert. Putin ist somit die zentrale Zielscheibe
aller zumeist negativen Kritik an Russland.
In einer von der WAZ-Mediengruppe in Auftrag
gegebenen Dimap-Communications-Studie wurden
sechs „Kommunikationsereignisse“ der letzten zwölf
Monate analysiert: die Morde an Anna Politkowskaja
und Alexander Litwinenko, die Sicherheitskonferenz
in München 2007 mit Putins klirrender Rede, der
EU-Russland-Gipfel in Finnland, die Vergabe der
Olympischen Winterspiele an Sotschi sowie die
Duma- und Präsidentschaftswahlen.
Fast alle Artikel zu diesen Themenfeldern erwähnten „Putin“. Besonders anschaulich ist dieser
Trend in den Berichten zum Politkowskaja-Mord.
Dieser führte dazu, die russische Politik allgemein
aufs Korn zu nehmen. „Kriminalitätsbekämpfung“
sowie „Meinungs- und Pressefreiheit“ rangieren
weit dahinter. Der gewaltsame Tod der Journalistin
(die sich im Übrigen für alle Informationen an ausländische Kollegen bezahlen ließ) wurde zum Anlass
genommen, mit der russischen Politik generell und mit
Putin im Besonderen abzurechnen. Putin steht somit
für alles, was in Russland schlecht ist. Politkowskajas
Tod markierte gleichsam den Startschuss für eine
Phase besonders kritischer Auseinandersetzung mit
Russland. Zugespitzt kann man sagen: Russland =
Putin = böse beziehungsweise immer böser.
Dabei divergieren die Meinungen über Russland
zwischen Korrespondent in Moskau und heimischer
Zentrale durchaus: Zwar überwiegt die Einschätzung, dass die generelle politische Entwicklung den
autoritär geführten Staat widerspiegelt. Doch
die Zentralen neigen eher dazu, dass Putin das Land
stabilisiert habe, während die Korrespondenten
eine Destabilisierung zu erkennen glauben.
Hier kommen natürlich auch antirussische beziehungsweise antisowjetische Reflexe und Stereotype
zum Ausdruck. Allerdings sollte man bedenken,
dass die Geheimniskrämerei zur politischen Kultur
37_Evonik_01-08 Abs1:37
FOTO: PICTURE-ALLIANCE/DPA
TEXT RICHARD KIESSLER
Patriarch Alexij II. und Wladimir Putin: Reden
gegen den Diktator Stalin
Russlands gehört: nach außen Stärke und fugenlose
Geschlossenheit zeigen, eigene Schwächen vor
fremden Augen verborgen halten. Wenn Russland
schlechte Nachrichten liefert, werden diese im
kognitiven Schema des geringer entwickelten, chaotischen und unbegreiflichen Russland abgelegt.
Aufschlussreich ist ferner, dass sich die Bewertungen der russischen Politik durch die rund 200 in
Moskau akkreditierten deutschen Korrespondenten
zu zwei Dritteln (!) auf nichtrussische Akteure
stützten, auf deutsche und ausländische Politiker
oder Repräsentanten internationaler Organisationen.
Für die Repräsentanten der deutschen Wirtschaft
besonders ernüchternd ist der Befund: Weniger
als ein Prozent der Bewertungen geht auf deren Aussagen zurück.
Wir in den Medien sollten deshalb versuchen,
die Wirtschaftsberichterstattung nicht allein auf
Rohstoffthemen zu begrenzen. Dadurch wird das
vorhandene Russland-Bild nur verstärkt. Denn
wo in einer Zeile „Gas“ steht, steht in der nächsten
„Putin“ oder „Medwedew“ oder „Schröder“. Über
die russische Wirtschaftsentwicklung aber lässt sich
mehr sagen – Erfreuliches wie Kritisches.
Kein Wunder, dass die Wirtschaftsvertreter vor Ort
(in Russland sind 4.500 deutsche Firmen vertreten,
darunter 4.300 mittelständische) beklagen,
dass das Russland-Bild in den Medien nicht mit der
dortigen Lebenswirklichkeit übereinstimmt.
Vieles hat sich dort zum Positiven verändert, und
auch die Lebensverhältnisse sind besser geworden. Vor
allem wollen die Russen nicht andauernd belehrt
werden. Man muss sich vor Augen halten, wo das
Land mit seiner nichtdemokratischen Tradition
herkommt. Unter Jelzin war alles viel schlimmer und
chaotischer als jetzt in der von Putin geprägten
Periode relativer Sicherheit. Die deutschen Medien
indessen konzentrieren sich jedoch auf spektakulär
Negatives wie Mafia, Prostitution, Korruption, Nationalismus, Tschetschenien. Auch die Überschätzung
der Rolle der Opposition zu Putin um Garri Kasparow
stimmt nicht mit den Realitäten überein.
Nur ein Beispiel aus den letzten Wochen: Putin
gedachte zusammen mit dem russischen Patriarchen
der Opfer des Stalin-Terrors und hielt eine deutliche
Anti-Stalin-Rede. Dies wurde in den ausländischen
Medien nicht vermerkt. Stattdessen wird der Eindruck
vermittelt, Putin betreibe eine Re-Stalinisierung
der russischen Gesellschaft, was allenfalls begrenzt
zutrifft, wenn er die Leistungen Stalins im Zweiten
Weltkrieg würdigt.
Man muss jedoch sehen, dass die russischen
Behörden völlig unzureichend auf die Bedürfnisse ausländischer Medien eingehen. Oft dauert es Tage
oder gar Wochen, eine Stellungnahme aus einem russischen Ministerium zu bekommen. Die russischen
Akteure dürfen sich deshalb nicht wundern, wenn sie
in den Korrespondentenberichten nicht zu Wort
kommen. Die russische Politik versteht sich äußerst
mangelhaft darauf, sich PR-mäßig zu verkaufen.
Die Repräsentanten der deutschen Wirtschaft
sitzen ihrerseits auf einem Schatz, nach dem die Journalisten hungern sollten – guten Geschichten. Kein
Korrespondent wird sich zum PR-Sprachrohr eines
Unternehmens machen lassen wollen. Aber die Wirtschaftsvertreter würden gewiss aufmerksame
Zuhörer finden, wenn sie bereit wären, über ihre
Erfolge und Schwierigkeiten offen zu erzählen.
Der Autor ist Chefredakteur
in der WAZ-Mediengruppe
(Essen) und Sonderkorrespondent
für Außenpolitik. Sein Text
basiert auf einem Vortrag, den er
in Moskau vor der DeutschRussischen Auslandshandelskammer gehalten hat
20.02.2008 14:57:10 Uhr
38
REISEN
AMERIKA
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
„Wo gesegnete Hände herrliche
Highways, Monumente, Metropolen – eine 2.000-Kilometer-Reise vom Norden in den Süden der USA
38_Evonik_01-08 38
21.02.2008 10:40:27 Uhr
39
Arbeit verrichten“
und zu drei großen Produktionsanlagen von Evonik Industries
Friseur Derrick Freeman, Hopewell
39_Evonik_01-08 39
21.02.2008 10:40:32 Uhr
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Auf dem Weg
in den lieblichen
Süden
KARTEN: IPUBLISH, PICFOUR
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TEXT TOM SCHIMMECK
FOTOS JOHANNES KRÖMER
NEW YORK, MONTAG, 9:30 UHR Hektik,
der Verkehr staut sich quer. Kein Wunder:
Die Brücken voll, die Tunnel beinahe dicht.
Nur schnell weg hier, raus aus den Häuserschluchten von Manhattan. Durch den Holland Tunnel unter dem Hudson quetsche ich
mich hindurch nach New Jersey. Ein SuburbBundesstaat, der Schlafplatz der „BosWash
megalopolis“, wie die Amerikaner sagen –
der Metropolen Boston, New York City,
Philadelphia, Baltimore und Washington,
D.C. Tatsächlich ist New Jersey sehr viel bunter. Es hat den zweitgrößten Bevölkerungsanteil von Juden wie Muslimen in den USA.
Dazu viele Asiaten, Italiener und auch Indianer, die hier schon etwas länger leben als
all die Zuwanderer: seit über 2.800 Jahren. Die ersten Europäer – Holländer und
Schweden – kamen erst zu Beginn des 17.
Jahrhunderts. Später war hier das Zentrum
des Unabhängigkeitskriegs, das kleine Morristown galt als Hauptstadt der Revolution.
NEW JERSEY TURNPIKE, 14:00 UHR Die Rast-
stätten auf dem Turnpike tragen historische
Namen: Des Erfinders Thomas Edison, der
Präsidenten Grover Cleveland und Woodrow
Wilson, des Poeten Walt Whitman, sogar
des Football-Coachs Vince Lombardi wird
40_Evonik_01-08 Abs2:40
Das Holzhaus von
gedacht. Mein Stop ist die Molly Pitcher
Service Area in Middlesex County. Molly
Pitcher, lerne ich, trug während der Schlacht
von Monmouth anno 1778 Quellwasser Krug
um Krug (pitcher) herbei, um den Durst
der Krieger zu löschen und die überhitzten
Kanonen zu kühlen. Als ihr Mann verwundet wurde, übernahm sie sein Geschütz.
PHILADELPHIA, DIENSTAG, 8:00 UHR „Ich
war verletzt und geschlagen“, klagte Bruce
Springsteen, wie viele Musiker aus New
Jersey, in seinem Hit „Streets of Philadelphia“.
„O Bruder, du wirst mich verrotten lassen auf
den Straßen von Philadelphia.“ Das echte
„Philly“, wie die Einwohner liebevoll sagen,
wirkt heute gar nicht düster. Eher geschäftigfreundlich. Schließlich bedeutet der aus dem
Griechischen stammende Name ja auch so
viel wie Stadt der brüderlichen Liebe.
INTERSTATE 95, 11:30 UHR Zwischen dem
Kleinstaat Delaware und Baltimore, im Nordosten von Maryland, wird die Interstate 95
für 50 Meilen zum John F. Kennedy Memorial Highway. Kennedy hatte das Teilstück
acht Tage vor seiner Ermordung im November 1963 eingeweiht. Über 30 Millionen
Fahrzeuge rauschen im Jahr über die bis zu
acht Spuren breite Piste, die noch breiter
werden soll. Das Autobahngewirr von
Washington, D.C., ist nah. Schon bin ich auf
20.02.2008 14:03:27 Uhr
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
AMERIKA
REISEN 41
City Point gehört zu einer ehemaligen Plantage, der Broadway von Hopewell ist bescheiden – und Gurken aus dem Garten kann man an der Straßenecke kaufen
dem Capital Beltway rund um die Hauptstadt, der Verkehrsfunk meldet lange Staus
auf dem Autobahnring, ein kleiner Abstecher in die Stadt kann nicht schaden.
Romanvorlage. Das echte Richmond wirkt im
Vorbeifahren deutlich harmloser, recht grün.
Eine Provinzhauptstadt. Lieber weiter.
HOPEWELL, MITTWOCH, 11:30 UHR Im
WASHINGTON, D.C., 13:30 UHR Die Sonne
scheint. Was man auf den Fernsehbildern selten sieht: Auch diese Stadt beherbergt krasse
Gegensätze. Nur ein paar Blocks vom Zentrum der Weltmacht entfernt kann es recht
rau zugehen. Oder auch sehr ansprechend.
Im Stadtteil Adams Morgan schillert das
Leben. Das quirlige Viertel nördlich des Zentrums, zwischen Georgia Avenue und Rock
Creek Park, wirkt verwinkelter als der Rest
der Reißbrett-Stadt, fast europäisch eng, mit
bunten Fassaden, interessanten Läden, Cafés
und Bars. Ich lasse Washington schnell links
oben liegen – auf der Suche nach dem weniger bekannten Amerika.
INTERSTATE 95, 18:00 UHR Hinter dem
Autobahnring um die Hauptstadt beginnt der
Süden. Virginia! Wo sie noch Kautabak kauen
und braun ausspucken. Richmond ist die
Hauptstadt Virginias, manchen vielleicht aus
den Krimis mit Chief Medical Examiner Dr.
Kay Scarpetta bekannt, der blonden Gerichtsmedizinerin, die ob ihres italienischen Blutes
so gut kochen kann. Kurz vor dem James
River biege ich rechts auf den Downtown
Expressway, für einen kurzen Blick auf die
41_Evonik_01-08 Abs2:41
„Virginian-Pilot“ steht eine bewegende
Reportage von der Schließung der FordFabrik in Norfolk, ein Stück südöstlich Richtung Atlantik. 7.983.458 Fahrzeuge haben
sie hier gebaut, schwere F-150er Pick-ups
rollten am Ende vom Band, eigentlich ein
populäres Gefährt. Aber zu wuchtig für die
Moderne und die steigenden Benzinpreise.
Hopewell ist eine Kleinstadt aus Backstein.
Auf dem East Broadway, der eher schmal ist,
lockt ein interessanter Friseursalon. Inhaber Derrick Freeman (45) ist ein kräftiger
Schwarzer mit Bart, Glatze und einer
schweren Goldkette um den Hals, an der ein
Schlüssel baumelt. Der sei für das Schloss
„zum himmlischen Königreich“, erläutert er.
In den USA nichts Ungewöhnliches, zumal
der „Meisterbarbier“ auf seiner Visitenkarte
„göttliche Schnitte“ verheißt. Darunter
steht: „Wo gesegnete Hände herrliche
Arbeit verrichten.“ Die USA sind kein Ort
für falsche Bescheidenheit.
Er stammt aus New York City. „Eine Frau
hat mich hierhergelockt. Und dann verlassen.“ Eine Tochter lebt noch in der großen
Stadt. Die anderen vier Kinder seien über
das Land verstreut, berichtet er, während er
einem sehr still sitzenden Kunden eine
schwierige Rasur verpasst. Nein, Hopewell
sei „schon in Ordnung“, findet Friseur Freeman. „Das Geschäft ist ein bisschen lahm,
aber es geht.“ Er klappt das Rasiermesser
ein. Er wirkt, als würde er sich überall
zurechtfinden.
Ein paar Blocks nordöstlich liegt City
Point – eine Landspitze am Zusammenfluss von James und Appomattox River.
Historisches Terrain. Im Sommer 1864
schlug General Ulysses S. Grant, der das
nahe Petersburg nehmen wollte, hier,
acht Meilen hinter dem Belagerungsring,
sein Hauptquartier auf. Der verschlafene
Winkel war über Nacht Kriegsmetropole.
Ein langes Kai wurde gebaut, Eisenbahnlinien und riesige Lagerhäuser. Hunderte
von Schiffen landeten täglich in dem kleinen Hafen. Es wimmelt von Denkmälern
und Kriegsmuseen. In einem Museumsshop
entdecke ich an der Kasse Leckereien für die
Kleinen – in Gestalt von Schießpulver und
Kanonenkugeln aus Zuckerzeug.
Von Deos, Tinten und Putzmitteln
In Hopewell werden in Testlabors alle
Evonik-Produkte ständig überprüft.
Energisch bürstet Angela Paez das lange
Haar. Sie trägt einen weißen Kittel, eine
Schutzbrille und Latexhandschuhe. Das >
20.02.2008 14:03:38 Uhr
42
REISEN
AMERIKA
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
„…vom Deo
über die Tinte
bis zum
Putzmittel“
> Haar gehört zu einer Perücke, die auf einem
Plastik-Puppenkopf befestigt ist. Dies ist ein
wissenschaftlicher Versuch. Angela testet
einen Conditioner.
Wir sind in einem Labor in Hopewell,
Virginia. Weiße Schrankreihen, endlose
Arbeitsplatten, voll gepackt mit Röhrchen,
Flaschen, Kolben und allerlei Gerätschaften.
Auf einem Kühlschrank warten weitere
Perückenköpfe auf Angelas Bürste. An einem
anderen Tisch werden Emulsionen für die
Metallbearbeitung getestet. Ein Laborant
bohrt in mächtigen Eisenstücken herum, um
die Qualität eines Kühlschmierstoffs zu prüfen. In einem Regal stehen viele Flaschen mit
handelsüblichen Weichspülern. Teststreifen
hängen an der Wand.
Seit 1980 ist Evonik Industries AG mit
seinen Vorgängerunternehmen in Hopewell
im Osten Virginias präsent, mit mittler weile
230 Angestellten in vier Geschäftszweigen.
„Alle“, sagt Philip Munson, der Chef vor
Ort, „haben mit einer ganzen Reihe von
Produkten zu tun, die von Millionen Leuten
überall auf der Welt benutzt werden – vom
Deo über die Tinte bis zum Putzmittel.“ Man
staunt, für welch unterschiedliche Zwecke
Chemikalien verwendet werden. Das
amphotere Tensid Cocamidopropylbetain
etwa wird in zahlreichen Anwendungen,
darunter Shampoos und Duschgel, als
zusätzliches Tensid verwendet. Polyurethan-
42_Evonik_01-08 Abs2:42
Schaum findet sich im Auto, auf der Baustelle und im Bett.
Nordamerika ist ein bedeutender Markt
für Evonik, wo der Konzern 33 Fabriken,
Distributionszentren, Laboratorien und
Lager betreibt. Mit etwa 3.500 Mitarbeitern
sind dort rund 13 Prozent der Gesamtbelegschaft der Chemiesparte beschäftigt.
2006 erwirtschaftete die Region Nordamerika 2,9 Milliarden Euro Umsatz – 20%
des Gesamtumsatzes der Chemiesparte von
Evonik. In Nordamerika werden Grundstoffe für die Herstellung von Lack und Dünger, Handcreme und Baby windeln, Klebstoff
und Kontaktlinsen, Autos, Matratzen, Möbel
und tausend andere Dinge produziert. Der
Stammsitz befindet sich in Parsippany, New
Jersey, nicht weit von New York City.
BEI PETERSBURG, 14.00 UHR Der Süden
kann derb sein, aber er lächelt bezaubernd.
Das Licht, die Weite entwickeln einen Sog,
der einen voranzieht, immer noch ein paar
Meilen. Kursüberprüfung am Autobahnkreuz bei Petersburg. Das System der Freeways ist, trotz allerlei Ausnahmen, recht
simpel. Die mit ungeraden Nummern laufen
in nordsüdlicher Richtung, die mit geraden
von West nach Ost. Die Zahlen steigern sich
gen Norden und Osten. Die durch fünf
teilbaren Nummern bezeichnen die großen
Highways.
>
Angela Paez testet einen Conditioner
14.02.2008 19:23:12 Uhr
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14.02.2008 19:23:15 Uhr
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AMERIKA
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
American Way of Life in Greensboro: VW-Buggy-Fans beim Treff in Herbies Place, Baseball bei Greensboro Grasshoppers und das Denkmal der „Greensboro
Die „ziemliche
Mischung“
von Greensboro
> Ich muss meine Interstate 95 verlassen, die
Ostküsten-Autobahn, die Miami mit Kanada verbindet. Google Maps befiehlt, leicht
rechts zu schwenken, Kurs Südwest weiterzufahren auf der I-85, die nächsten 1.076
Kilometer. Die Landschaft wird immer
offener. Der Himmel scheint höher zu hängen. Sobald man die Piste verlässt, fährt man
durch ausgestreckte Ortschaften mit weitläufigen Rasenflächen und Vorgärten ohne
Zaun. Man sieht Kirchen, viele Kirchen.
Nicht umsonst heißt der Südosten, das Terrain zwischen Virginia und Texas, „Bible
Belt“, Bibelgürtel. An einem Teich steht ein
Opa, der mit seinen Enkeln angelt.
GREENSBORO, DONNERSTAG, 10:00 UHR
Am frühen Abend in Greensboro, North
Carolina, eingetroffen. An der Schranke des
Parkhauses saß ein kurioser Typ mit Ringen an allen Fingern, plus Armreifen. Er
nahm die Pfeife aus den Mund, stellte sich
als Avory Simmons vor, 60 Jahre alt, und gab
mir eine Schnelleinführung. Greensboro sei
„eine ziemliche Mischung“, sagte er, eine
Industriestadt mit Universität. „Das macht
es bunter“, setzte er lächelnd hinzu. Einst
habe er ja in der Hauptstadt gelebt, erklärte Simmons mir, doch sei er froh, wieder
zurück zu sein, weil es hier „viel friedlicher“
sei. Später las ich ein Lokalblatt mit dem
schönen Namen „The Rhinoceros Times“.
44_Evonik_01-08 Abs2:44
Ein bodenständiger Ort. Die Heimat von
244.610 Menschen, die von Maschinenbau,
Elektronik, Chemie, einer Zigarettenfabrik
und letzten Resten der Textilindustrie leben.
Die Restaurants tragen Namen wie Ruth’s
Chris Steak House, Stamey’s Barbecue und
Laddie & Duke’s Family Grille. Auf dem Campus der State University steht seit fünf Jahren
eine große Statue: vier aufrechte junge Männer, die „Greensboro Four“. Am 1. Februar
1960 schritten vier schwarze Collegeboys,
David Richmond, Franklin McCain, Ezell
Blair und Joseph McNeill ins Zentrum, um
in der Filiale des Kaufhauses Woolworth zu
Mittag zu essen. Im Sitzen. Das war eine kleine Revolution. Weil Schwarzen damals nur
erlaubt war, im Stehen zu essen, an einem
separaten Tresen. Das „Sit-in“ des Quartetts
startete ein Jahrzehnt der Proteste gegen die
Rassentrennung in den USA.
An einer Ausfallstraße lockt eine endlose Reihe von Autohändlern. Neugierig
geworden durch die Zeitungsmeldung über
die Schließung des Ford-Werkes in Virginia,
ziehe ich bei Green Ford rechts ran. Salesman Zach Wyatt kommt heran, ein solide gebauter junger Mann, einer von 20
Verkäufern hier. Jeder muss acht Autos im
Monat losschlagen. Wie er das macht? „Na,
indem ich mit dir rede“, sagt Zach grinsend,
„und das richtige Auto für dich finde.“ Und
wie läuft es? „Nicht so schlecht“, brummt er
20.02.2008 14:03:46 Uhr
45
Four“. John Cranford (82) hat den Aufstand gegen die Rassentrennung erlebt
ausweichend, räumt aber bald ein, dass die
Zeiten eigentlich „verdammt hart“ seien.
Nissan, Honda und Toyota boomen in den
USA, Ford, Chrysler und GM liegen danieder.
In Greensboro, sagt der Salesman, gebe es
noch einen Haufen „Rednecks“, die schwere
Wagen lieben. Aber auch immer mehr Lateinamerikaner. Auf der Summit Avenue hat
gerade Familia Auto Sales eröffnet, eine
Autohandlung, wo alles auf Spanisch läuft.
Die Lage ist instabil. Der bullige Zach
(21) war vorher Rausschmeißer für eine
Sicherheitsfirma. Ist Greensboro seine
Zukunft? „Ich bin hier geboren“, sagt er fast
entschuldigend, „meine Familie lebt hier“ –
seine Frau und die beiden Kinder. Es gebe
ein neues Baseball-Stadion. Und das Nachtleben sei ganz in Ordnung. Er singt ein Loblied auf „die südliche Gastfreundschaft“.
Im Reich der Super-Windeln
Im 250.000 Einwohner zählenden Greensboro in North Carolina betreiben rund 300
Evonik-Mitarbeiter vier der sechs Fabriken,
sechs Lager und vier Labors. Die beiden
anderen Fabriken am Standort werden von
einem früher zu Evonik gehörenden Unternehmen betrieben.
Alles ist hochmodern hier. Eine mit zwölf
Leuten besetzte Schicht ist in der Lage, zwei
große Produktionsanlagen zu fahren. Zwei
45_Evonik_01-08 Abs2:45
von ihnen sitzen im jeweiligen Kontrollraum. Und haben alles im Blick und unter
Kontrolle: Auf 13 Monitoren wimmelt es
von bunten Zahlen und Symbolen. Auf der
Konsole darunter finden sich Telefone,
Funkgeräte, Uhren, Taschenrechner, Tastaturen und etliche Computer-Mäuse, mit
denen die ganze Maschinerie „gefahren“
wird – per Mausklick.
In Greensboro werden viele Produkte
zur Handhygiene und medizinischen Hautpflege hergestellt, vor allem für den gewerblichen Gebrauch. Unter dem Markennamen
STOKO Skin Care bietet dieser Geschäftsbereich Hautpflege-, Hautreinigungs- und
Hautschutzlösungen für professionelle
Anwendungen in der Industrie und Handhygieneprodukte für Krankenhäuser, Büros
und Schulen. STOKO-Produkte waren die
ersten, die mit einem dreistufigen Farbcode
für die eindeutige Zuordnung am Arbeitsplatz gekennzeichnet wurden: Blau bezeichnet vor der Arbeit anzuwendende Produkte,
die Schutz gegen Hautreizungen am Arbeitsplatz bieten. Grün steht für besonders hautverträgliche, sehr effiziente Produkte zur
Hautreinigung und Rot für Pflegemittel, mit
denen die Haut nach der Arbeit beruhigt
und die Regeneration gefördert wird. „Dieser Markt ist hart umkämpft, und es werden
Produkte ganz unterschiedlicher Qualität
angeboten“, so Lori Huffman, Marketing
Manager STOKO Skin Care. „Mit hochwertigen Produkten zu wettbewerbsfähigen
Preisen genießt STOKO einen ausgezeichneten Ruf – das wird nicht zuletzt durch die
große Zahl der Stammkunden deutlich.“
Viele andere Stoffe entstehen in Greensboro, nützlich für die Behandlung von Stoffen
und Leder, von Wasser, Papier und Beton.
Der Clou aber sind die Superabsorber, jene
geheimnisvoll vernetzten Polymere aus
Acrylsäure, die ein Vielfaches der eigenen
Masse an Flüssigkeit speichern können – bis
zum 300-Fachen ihres Eigengewichts. Die
Fabrikationsanlagen erstrecken sich über
sechs Etagen, die zusätzlich durch einen
wuchtigen Lastenlift miteinander verbunden sind. Unten in der Abfüllung tanzt das
Ballett der Gabelstapler, die das Endprodukt
namens FAVOR, in gewaltigen Säcken abgefüllt, in die Lager auf dem Fabrikgelände
bewegen.
Die Supersauger finden immer neue
Verwendungen: bei der Brandbekämpfung,
der Abfallbeseitigung, als Kabelschutz, in
der Landwirtschaft. Man kann Zaubertricks damit vorführen, etwa jenen mit
der aufgerollten Zeitung, in die man einen
Liter Milch hineingießt und nichts hinauströpfelt – ein Superabsorber saugt sie auf.
Der Löwenanteil des Umsatzes aber wird
nach wie vor mit jenem Produkt gemacht,
das die ganze Welt braucht: der Baby- >
20.02.2008 14:03:49 Uhr
46
REISEN
AMERIKA
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
HightechWindeln
auf dem Prüfstand
> windel. Evonik ist Weltmarktführer, mit
Speziallabors in Krefeld, Schanghai, Istanbul
und – Greensboro.
Die Laborantin zeigt den Herstellungsprozess der superabsorbierenden Polymere.
Sie rührt einige Stoffe zusammen, im Nu entsteht im Testkolben ein steifes Gel, das
getrocknet und zu Pulver verarbeitet werden kann. Ein paar Löffelchen davon saugen
zwei Liter Flüssigkeit weg. Hier im Labor
werden tagein, tagaus Windeln getestet,
etwa 15.000 Stück pro Jahr. Nicht nur die
eigenen Produkte. Die Forscher prüfen jeden
Monat auch verschiedene andere Marken
und sezieren sie regelrecht.
Windeln sind Hightech-Produkte. Für
einen riesigen, weltweiten Markt. Moderne
Herstellungsmaschinen werfen 600 bis 1.000
Stück pro Minute aus. Permanent wird auf der
ganzen Welt daran gearbeitet, sie noch saugfähiger und passender zu machen. In den
80er Jahren wog eine Windel über 100
Gramm, heute nur noch 45 Gramm. Es gibt
einen monatlichen Bericht darüber und dreibis viermal jährlich ein „Market Update“.
In Greensboro wird jedes Windeldetail
unterm Mikroskop betrachtet, gemessen,
gewogen und erfasst – die Elastizität
des Bündchens, die Beschaffenheit des
Verteilungsvlieses, die Dehnbarkeit, der Verschlussmechanismus, die Geruchsentwicklung. Die Windelfläche wird in Planquadrate
46_Evonik_01-08 Abs2:46
aufgeteilt, um die Verteilung der Flüssigkeit
zu prüfen. Vor allem aber wird ihre Kapazität
getestet, das Aufsaug-Tempo, die Rückhaltefähigkeit – mit Hilfe einer guten deutschen
Wäscheschleuder. Und schließlich auch,
wie schnell und gut das Ganze am Ende biologisch abgebaut werden kann. Herzstück
dieser hochmodernen Simulationsanlage
ist der „Mannequin Leakage Tester“, in der
Umgangssprache „Bepinkelungsanlage“
genannt. In langer Reihe liegen gewindelte
Puppen-Torsi, per Schlauch sondern sie
Flüssigkeit ab, an verschiedenen Stellen,
umschaltbar zwischen männlich und weiblich. „Ständige Innovation ist sehr wichtig
für die technologische Führung“, erklärt
Labormanager Dr. Olaf Hoeller. „Hier werden Topsecret-Windeln vorgetestet.“
Der Windel-Test im Labor von Greensboro
INTERSTATE 85, 14:00 UHR Das gemächliche
Tempo ist erholsam. Sofern man nicht
gerade von einem dieser titanischen, chromblitzenden Trucks gescheucht wird, die im
Rückspiegel wie grinsende Monster auftauchen. Nach ein paar Tagen auf den
Interstates lächelt man über deutsche
Tempolimit-Debatten. Hier sind 55, 60,
maximal 70 Meilen pro Stunde erlaubt,
höchstens also 112 Stundenkilometer. Der
Sheriff ist schnell zur Stelle, wenn man rast.
Manchmal wachen sogar Radarflugzeuge
über der Strecke. Vieles ist recht streng >
20.02.2008 14:03:52 Uhr
47
Dr. Yaru Shi bei der Arbeit im Labor in Greensboro
47_Evonik_01-08 Abs2:47
20.02.2008 14:03:55 Uhr
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REISEN
AMERIKA
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Die zwei Welten von Mobile: entspannte Angler und Südstaatenflair und der Takt der Industrieregion mit Schiffen auf dem Mobile River und der Anlage von
In der
heißen Ecke von
Amerika
48_Evonik_01-08 Abs2:48
> geregelt im Land der Unbegrenzten Möglichkeiten. Jedes grobe Wort im TV wird mit
einem Piepton über lagert. In etlichen
Bundesstaaten darf man erst ab 21 Bier trinken. Auf der Straße ist Alkohol nur in diesen
braunen Tüten erlaubt, die wir schon von
Philip Marlowe kennen.
Weiter Richtung Charlotte. Ortsnamen
wie Westminster, Walhalla und Athens verraten die vielfältige Herkunft der Siedler.
Die Statistik verrät: Die zweithäufigste
Sprache ist inzwischen Spanisch. Auf Platz
drei folgt mit mageren 0,9 Prozent Französisch, dann Deutsch (0,8 Prozent), dann
Vietnamesisch (0,6 Prozent).
Ich streife ein Eckchen von South Carolina, lande bald in Georgia. So genannt zu
Ehren von King George II. Spanier und Franzosen kamen hierher. Am 12. Februar 1733
landeten 114 Siedler mit der HMS Anne,
gründeten die Küstenstadt Savannah –
heute ein Feiertag, der „Georgia Day“.
(Viele Bewohner hielten loyal zur britischen
Krone. Dennoch war Georgia eine der 13
Kolonien, die gegen die britische Herrschaft
rebellierten.) 1861 stand der Staat auf Seiten der Konföderierten. Im Winter 1864
ließ Nordstaaten-General William Tecumseh Sherman Bahnlinien, Betriebe und einen
Großteil der Wohnhäuser niederbrennen.
Eine Schneise der Verwüstung. Der Stoff für
den Roman „Vom Winde verweht“.
Das Klima im „Pfirsichstaat“ ist subtropisch.
Selten fegen im Winter Eisstürme von Norden aus den Appalachen heran. In den letzten beiden Sommern herrschte Dürre.
Ansonsten fürchtet man vor allem die vielen Tornados.
ATLANTA, 16:40 UHR Georgias Metropole,
auf einem Höhenrücken südöstlich des
Flusses Chattahoochee gelegen, wirkt viel
charmanter und grüner als erwartet. Recht
lässig, mit einem guten Schuss südlichen
Flairs. Der Großraum Atlanta hat über 5 Millionen Einwohner. Aber die verteilen sich
recht weiträumig. Es ist die Heimat von CNN
und Coca-Cola.
ATLANTA, 19:30 UHR Auf einem Parkplatz
vor einem Supermarkt hatte ich zwei
Wach leute nach dem Weg zum Hotel
am Stadt rand gefragt. Sie gaben sich viel
Mühe und lieferten eine sehr brauchbare
Beschreibung. Zwei Stunden später sehe
ich sie wieder. Aufmerksam erkundigen
sie sich, ob ich alles gefunden habe, erzählen dann Geschichten, machen Scherze.
Ein warmer, entspannter Abend. Rund um
das Landmark Midtown Art Cinema sitzen
Hunderte Leute in Bars und Restaurants –
zumeist im Freien, essend, trinkend, angeregt plaudernd im breiten, klangvollen
Akzent des Südens.
14.02.2008 19:23:30 Uhr
49
anzulocken, sitzt wegen Bestechung und
anderer Delikte im Gefängnis.
MOBILE, 13:00 UHR Die letzten 280 Kilo-
Evonik Industries
BEI MONTGOMERY, FREITAG, 9:50 UHR
Mein Freeway mündet nach über 1.000
Kilometern in die Interstate 65 ein, die von
Chicago herunterkommt und mich heute
bis zum Golf vom Mexiko führen wird.
Im „Interstate Cafe“, einer handbemalten
Baracke, amüsieren sich drei dicke schwarze
Damen über den Gast mit der Landkarte. Es
gibt dünnen Kaffee satt.
Willkommen in Alabama. Eine der heißesten Ecken der USA. Ein Farmerparadies:
Bis zu 300 Tage im Jahr wächst hier etwas
auf den Feldern. Die Kehrseite: Gewitter,
Tropenstürme und Hurrikane. Menschen
mit schwarzer Hautfarbe hatten hier lange
nichts zu lachen. Sie schufteten auf den riesigen Baumwollplantagen. 1865 wurden
alle Sklaven offiziell befreit. Wählen aber
durften die Schwarzen in Alabama erst 100
Jahre später.
Der einst so arme Agrarstaat macht
staunen. Die Arbeitslosenquote liegt bei
nur drei Prozent. Stahlwerke, Flugzeugbau
und andere Schwerindustrie drängeln sich
heute hier. In Automobilfabriken sind an
die 70.000 neue Jobs entstanden. Anfang
2009 soll Alabama Detroit als Autostandort Nummer eins abgelöst haben. Alabama
boomt. Allerdings geht es dabei nicht
immer astrein zu. Ex-Gouverneur Don
Siegelman, der einst nach Europa und
in den Fernen Osten flog, um Industrie
49_Evonik_01-08 Abs2:49
meter bis zur Küste waren schnell geschafft.
Die Stadt selbst – übrigens mobiel ausgesprochen und nicht etwa mobeil – liegt an
der Spitze einer riesigen Bucht und einem
Fluss gleichen Namens. Was man sofort
spürt: Sie ist französischen Ursprungs,
wurde 1702 die erste Hauptstadt der Kolonie Französisch-Louisiana.
Im Zweiten Weltkrieg entstand in
der Bucht eine gewaltige Kriegsschiffproduktion. Viele neue Bewohner kamen.
Die Stadt wuchs von 1940 bis 1943 um
fast 90.000 Menschen. Mobile blieb ein
Industriestandort, wurde nach dem Krieg
zu einem immer beliebteren Firmensitz mit
hohem Freizeitwert. EADS residiert heute
hier, Ciba, Kimberly-Clark und auch Evonik.
ThyssenKrupp investiert gerade 3,7 Milliarden Dollar in eine neue Stahlfabrik.
Das Licht ist grell. Auf dem Wasser Schiffe.
Ein blauer Himmel mit weißen Schafwölkchen spannt sich darüber. Im KriegsschiffPark kann man die USS Alabama bewundern,
einen echten Weltkriegs-Veteranen. Die
Lokalzeitung berichtet über Klassentreffen,
Geburten, Abschiedspartys, über Moskitosprühflugzeuge und das 75-jährige Jubiläum des größten Angler-Wettbewerbs, des
Alabama Deep Sea Fishing Rodeo. Mit über
3.000 Teilnehmern und an die 100.000
Zuschauern auf Dauphin Island.
Zum späten Lunch füllt sich Wintzell’s
Oyster House, eine Institution seit 68 Jahren, wie die Speisekarte froh verkündet.
Dazu zeigt sie ein unscharfes Foto des Gründers – eines dicken Mannes, der, zusammengesunken, an einem Tisch seines Restaurants sitzt, schlafend. Bald steht ein
Dutzend dicke Austern vor mir, die ich mit
Zitrone beträufle und mit einer kleinen
grünen Plastikgabel verzehre. Köstlich.
Mobile – Evoniks größte
Chemieanlage außerhalb Europas
Das wichtigste Werk von Evonik Industries
AG steht in Theodore bei Mobile (Alabama)
am Golf vom Mexiko. Vor 33 Jahren rollten hier die ersten Maschinen an, um das
Gelände urbar zu machen. An die 700
Mitarbeiter, plus circa 150 externe Kräfte,
halten heute Evoniks größte Chemieanlage
außerhalb Europas in Schwung – ein
Dutzend Produktionseinheiten plus Lager.
Über zweieinhalb Kilometer erstrecken
sich die Anlagen. Überall ragen Fabrikationseinheiten auf, Tanks und Türme,
von Rohrleitungen umrankt, verbunden
mit Straßen und Bahngleisen. Das Ganze,
sagt unser Führer lächelnd, sei „im Grunde
ein riesiger Chemiebaukasten“. Einen eigenen Hafen gibt es, auch große Becken zur
Reinigung der Abwässer. Ein Shuttlebus
fährt über das Fabrikgelände. Mitarbeiter,
die viel unterwegs sind, bewegen sich mit
Fahrrädern und kleinen Golf-Autos. Auf
dem Reservegelände baut ein Farmer Erdnüsse und Baumwolle an.
„Ein exzellenter Standort“, meint Manager
Tom Bates. Mobile biete gute Verkehrsanbindungen mit Eisenbahn, Auto, Schiff
und Flugzeug, dazu Ingenieure und Informationstechnologie, Finanz- und Sicherheitsexperten. Alles, was man braucht, um
komplexe Industrie rund um die Uhr am Laufen zu halten, „24/7“, wie die Amerikaner
sagen: 24 Stunden am Tag, sieben Tage die
Woche. Hier wird Wasserstoffperoxid hergestellt, ein Bleichmittel für die Papier- und
Zellstoff industrie, Aminosäuren für Futtermittel, Zwischenprodukte für die Kunststoffsynthese und Beschichtungen aller Art – für
Häuser, Gartengeräte, Flugzeuge. Dazu der
Klassiker AEROSIL, eine 1942 vom DegussaChemiker Harry Kloepfer erfundene extrem
feine Kieselsäure, die heute in über 250 Produkten Verwendung findet – vom Autoreifen
bis zur Zahnpasta. Sie macht Lacke kratzfester und Silicon stabiler, steuert den UV-Schutz
von Sonnenmilch bei und hilft, die Scheiben
für Computerchips zu polieren.
Der Hurrikan Katrina hat in der Gegend
von Mobile 2005 eine Schneise der Verwüstung geschlagen, so lang wie die Strecke
Aachen–Berlin. Doch Menschen und Industrie in Mobile wissen sich zu schützen. Die
Stadt hat Charme, der Freizeitwert am Golf
ist hoch, die Fluktuation der Mitarbeiter
äußerst gering. „Community“ zählt hier viel.
Auch das Chemiewerk will ein „guter Bürger“ sein, sagt der Manager. Man fördert
ehrenamtliche Arbeit und kümmert sich um
Bildung, Soziales und die Künste. <
14.02.2008 19:23:33 Uhr
50
BEWEGEN
RUHR.2010
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Rastlos für das Ruhrgebiet
Die türkischstämmige TV-Moderatorin Asli Sevindim engagiert sich für die
Kulturregion Ruhrgebiet und die Integration der Migranten
Zeit für eine kurze Pause in der „Baramane“ in Essen zwischen TV-Moderation und Engagement für das Ruhrgebiet: Kulturdirektorin von RUHR.2010
50_Evonik_01-08 Abs2:50
08.02.2008 16:04:30 Uhr
51
SERIE DIE KULTURDIREKTOREN RUHR.2010
u ASLI SEVINDIM
TEXT CATRIN KRAWINKEL
FOTOS NORBERT ENKER
„IN DUISBURG BIN ICH GEBOREN,
FOTO: MICHAEL KNEFFEL
in Duisburg werde ich vermutlich eines
Tages sterben“, sagt die türkischstämmige
Journalistin und Radio- und TV-Moderatorin Asli Sevindim. „Ich bin ein Ruhri – durch
und durch!“
Mit schnellen Schritten durchquert die
junge, dunkelhaarige Frau den RobertSchmidt-Saal der Hauptgeschäftsstelle des
Regionalverbandes Ruhr (RVR) in Essen
und nimmt neben Fritz Pleitgen Platz, dem
ehemaligen Intendanten des WDR und jetzigen Geschäftsführer der RUHR.2010
GmbH. „Guten Tag, meine Damen und
Herren. Herzlich willkommen zur ersten
Literaturkonferenz der RUHR.2010“,
begrüßt Asli Sevindim rund 50 Teilnehmer.
Souverän führt sie zwei Stunden durch die
lebhafte Diskussion. Erst nach der Veranstaltung verrät die 34-Jährige, dass sie sich
gar nicht richtig fit fühle, weil sie die letzte
Nacht wegen der aktuellen Terroristenmeldungen kaum geschlafen habe und sehr
lange in der Redaktion war. Doch die Müdigkeit sieht man der Tochter muslimischer
Eltern nicht an. Etwas blass ist sie, aber „für
die meisten habe ich als Türkin sowieso
einen viel zu hellen Teint“, erzählt sie.
Asli Sevindim ist ständig in Bewegung.
So auch an diesem Tag. Nur eine kurze Verschnaufpause in einem arabischen Imbiss >
Asli Sevindim
51_Evonik_01-08 Abs2:51
Diskussion in Duisburg: Fritz Pleitgen mit den Kulturdirektoren Asli Sevindim und Dieter Gorny
08.02.2008 16:04:34 Uhr
52
BEWEGEN
RUHR.2010
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Konzentriert und engagiert: Pressekonferenz MELEZ.07 Festival der Kulturen
Die Kultur und die
> gönnt sie sich, um dann anschließend ins
Funkhaus nach Düsseldorf zu fahren. Dort
moderiert die Journalistin seit eineinhalb
Jahren zusammen mit ihrem Kollegen
Martin von Mauschwitz die tägliche 40minütige Nachrichtensendung „Aktuelle
Stunde“ im Fernsehen. Von montags bis
freitags ab 18.50 Uhr, bei den Wochenendsendungen wechselt sie sich mit Kollegen
ab. Aber auch für den Hörfunk des WDR ist
die Mitbegründerin der Alten Feuerwache,
eines Duisburger Kulturhauses, tätig.
Die Themen Kultur und Integration
von Migranten in die deutsche Gesellschaft
liegen Asli Sevindim schon seit ihrer Schulzeit am Herzen. Sie nutzt jede freie Minute,
um sich in diesen Bereichen zu engagieren,
und wandte sich zusammen mit Mitstreitern
auch an die RUHR.2010-Verantwortlichen.
„Auf diese Weise kam ich mit ihnen ins
Gespräch und wurde eingeladen, mit einer
ausgewählten Gruppe nach Brüssel zu reisen
und vor der Jury für das Projekt Kulturhauptstadt RUHR.2010 zu werben.“ Mit großem
Erfolg, wie wir seit dem 11. April 2006
wissen. An diesem Tag wurde nicht nur
verkündet, dass das Ruhrgebiet seine europäischen Mitbewerber-Städte aus dem Rennen geworfen hatte, Asli Sevindim wurde
anschließend auch als einzige Frau zu einem
von insgesamt vier künstlerischen Direktoren
der RUHR.2010 ernannt. Eine Aufgabe, die
52_Evonik_01-08 Abs2:52
ihren Terminkalender noch praller macht.
„Das Einzige, was ich mir zurzeit wünsche, ist,
keinen Herzinfarkt zu bekommen“, sagt sie
verschmitzt. Bei ihrem Arbeitspensum und
dem Tempo, das sie an den Tag legt, ein sehr
vernünftiger Wunsch. Weil Asli Sevindim es
immer eilig hat und von Termin zu Termin
durch das Ruhrgebiet rast, hat sie nun auch
schon zum zweiten Mal ihren Führerschein
abgeben müssen. Aber auch das nimmt sie
sportlich.
EINE BEKENNENDE CHAOTIN
„Ich bin eine Chaotin bis zum Gehtnichtmehr. Aber ich liebe es nun einmal, über
die 42 oder die 59 zu brausen“, erzählt sie
lachend. Dabei haben ihre stets besorgten
Eltern ihre älteste Tochter sowie deren zwei
Schwestern zur Bedachtsamkeit erzogen.
„Die ‚Bravo‘ durfte ich als Jugendliche nicht
lesen, und Discobesuche mussten wir uns
auch hart erarbeiten.
Ihre Eltern stammen aus Eskişehir, einer
Industriestadt im türkischen Anatolien.
1971 sind sie nach Duisburg ausgewandert.
„Noch heute leben ungefähr 140 Cousins
und Cousinen von mir sowie jede Menge
Onkels und Tanten in der Türkei. Darunter
auch meine Tante Ferya. Die tiefgläubige
Frau ist allen Ernstes davon überzeugt, dass
Menschen, die Schweinefleisch essen, nicht
eifersüchtig sind. Das ist in ihren Augen ein
Makel, denn Männer, die nicht eifersüchtig
werden, sind keine echten Kerle“, erfährt
man aus Asli Sevindims erstem veröffentlichten Buch „Candlelight Döner“. Die
Geschichten über eine deutsch-türkische
Familie beschreiben auch, wie eine junge
türkische Frau – der Autorin nicht ganz
unähnlich – als 20-Jährige ihren Eltern
ihren deutschen Freund präsentiert. Asli
Sevindim ist mit ihrem deutschen Mann
nunmehr seit zwölf Jahren verheiratet.
„Meine Mutter hätte sich eher die Fußnägel ziehen lassen, als einer Hochzeit mit
einer ‚Kartoffel‘ zuzustimmen“, schreibt sie
in ihrem biografisch anmutenden Erstlingswerk. „Kartoffeln“ nennen die Türken die
Deutschen. Weil sie so viel davon essen und
auf viele Migranten eher langweilig wirken.
Aber ihr Mann konnte ihre Familie inklusive
Tante Ferya von sich überzeugen. Mittlerweile ist auch ihre jüngere Schwester mit
einem Deutschen verheiratet, so dass die
Familien gemeinsam die deutschen und die
türkischen Feiertage zelebrieren.
Ob sie mehr türkische oder mehr deutsche Eigenschaften habe, fragen wir. „Mein
Mann meint, ich sei eine anatolische Preußin. Streng, kategorisch und weich zugleich.
Ich dagegen empfinde mich als bodenständig, unkompliziert und geradeaus.“ Wir
ergänzen die Liste mit unprätentiös, humorvoll und direkt. Menschen nach ihren >
08.02.2008 16:04:36 Uhr
53
Integration von Migranten bewegen Asli Sevindim
Kurze Mittagspause zwischen zwei Terminen im türkischen Döner-Restaurant „Haydar Ustanin Yeri“ in Duisburg-Marxloh
53_Evonik_01-08 53
20.02.2008 14:17:33 Uhr
VITA
Asli Sevindim (34) arbeitete schon während ihr Schulzeit am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium
für das Lokalradio in Duisburg. Nach dem Abitur studierte sie Politikwissenschaften an
der Uni Duisburg-Essen. Seit 1999 ist sie für den Westdeutschen Rundfunk tätig. Vier Jahre
später weitete sie ihre Arbeit als WDR-Moderatorin aus und übernahm die Fernsehsendung
„Cosmo TV“. 2006 wechselte die Türkin zur WDR-Nachrichtensendung „Aktuelle Stunde“.
Auch als Buchautorin machte Asli Sevindim bereits auf sich aufmerksam: „Candlelight
Döner – Geschichten über meine deutsch-türkische Familie“ erschien im Jahr 2005. Im März
2007 moderierte Asli Sevindim die 43. Verleihung des Adolf-Grimme-Preises, eines
der wichtigsten Medienawards in Deutschland. Für RUHR.2010 wurde sie als künstlerische
Direktorin ernannt und zeichnet für das Themenfeld „Stadt der Kulturen“ verantwortlich.
Auch ohne einen
Gleich, ob im Job oder bei ihrem kulturellen Engagement – Asli Sevindim geht den Dingen gern auf den Grund und setzt Ideen schnell in die Tat um
54_Evonik_01-08 54
20.02.2008 14:18:07 Uhr
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
RUHR.2010
BEWEGEN 55
Entspannt und professionell: Vorbereitung zum Auftritt in der „Aktuellen Stunde“
deutschen Pass fühlt sie sich als waschechter „Ruhri“
> Nationalitäten abzustempeln, hält sie für
klischeehaft und dumm. „Ich glaube an eine
regionale Prägung, nicht an eine nationale.
Das beweist mir mein Alltag. Jede Nation hat
nette und böse, einfache und komplizierte
Menschen.“ Sie ärgert sich über Leute, die
sagen, Ausländer müssten sich den Deutschen anpassen. „Was genau soll das auch
eigentlich heißen? Und an wen genau, an
welche Ideal-Person soll man sich denn
anpassen? Wir haben hier alle eine wunderbare Grundlage, die für alle gilt, nämlich das
deutsche Grundgesetz. Oder will mir noch
jemand vorschreiben, welche Tapete ich zu
Hause an die Wände klebe, was ich esse
oder wie ich mich kleide?“, fragt sie provokant. Richtig wütend wird sie, wenn sich
Deutsche bei ihr über ausländische Mitbürger beklagen. „Die haben gar nicht
bemerkt, dass ich selber Türkin bin.“
Auch wenn sie noch immer keinen deutschen Pass besitzt – „Papierkram“ gehört
nicht zu ihren Stärken –, fühlt sie sich als
waschechter „Ruhri“, der von der Landschaft, dem Leben und den Menschen in und
um Duisburg herum geprägt wurde. „Ich
liebe hier die nahtlosen Übergänge von
einer Stadt in die nächste. Die Größe, den
Facettenreichtum, das viele Grün, die entspannten und lässigen Einwohner sowie die
enormen kulturellen Angebote des Ruhrgebietes.“ Die 5,3-Millionen-Metropole
55_Evonik_01-08 55
spiegelt für sie eine Miniaturausgabe Europas wider. Ein Multikultimix, der beflügelnd
und inspirierend wirkt und zeigt, dass man
nicht allein ist, sondern von Menschen
umgeben ist, die anders leben.
PASSIONIERTE TAUCHERIN
Eine Alternative zu Deutschland wären
höchstens die Malediven für die passionierte
Taucherin. Oder Hawaii. Doch bevor sie ins
Schwärmen gerät, erreichen wir das moderne Funkhaus am neuen Düsseldorfer Hafen.
„Sorry, ich muss jetzt schnell in die Themenkonferenz, danach haben wir interne Besprechung. Dann muss ich meine Moderationstexte schreiben, und außerdem ist noch
eine Regiebesprechung“, zählt sie auf.
Zweieinhalb Stunden später treffen wir
Asli Sevindim zwischen Spiegeln, Schminktischen und Lockenwicklern wieder. Dass
sie in knapp 120 Minuten über so ernste
Themen wie die in Deutschland vereitelten
Bombenanschläge, den Tod Pavarottis und
das Verschwinden der 14-jährigen Hanna vor
rund 1 Million Zuschauer sprechen wird, ist
ihr nicht anzumerken. „Natürlich gehen mir
diese Themen nahe, aber man muss nun einmal professionelle Distanz bewahren in
unserem Job“, sagt die Moderatorin. Nur einmal konnte sie ihre Gefühle kaum im Zaum
halten, als sie 1999 über ein schweres Erdbeben in der Türkei berichtete. „Auch Ver-
wandte von mir waren betroffen. Das war
schon sehr schwer in dem Moment.“
Doch negative Gefühle oder Pessimismus passen sowieso nicht zu der humorvollen Person mit den großen braunen
Augen. „Ich freue mich, dass ich durch meine
Ernennung zur künstlerischen Direktorin
RUHR.2010 das Ruhrgebiet noch besser
kennenlernen werde. Das schätze ich als
großes Privileg.“ Mit viel Sorgsamkeit will
sie an die Aufgabe herangehen und etwas
für ihr Zuhause bewegen. „Die RUHR.2010
soll auch nachhaltig auf die Menschen
wirken. Ich erhoffe mir zum Beispiel eine
interkulturelle Öffnung – auch durch Institutionen wie Museen – und eine Bündelung
des gesamten Potenzials an der Ruhr, so dass
wir noch mehr zu einer Einheit, einer großen Metropole, zusammenwachsen.“
Viel Zeit für ihr Privatleben wird ihr da
nicht bleiben. „Aber meine Familie unterstützt mich.“ Und wenn sie zwischen ihrem
Job und ihren Ehrenämtern doch noch etwas
Zeit für sich hat, freut sie sich auf ein langes
Frühstück mit ihrem Mann – oder auf ein
leckeres Stück Schwarzwälder Kirschtorte
in ihrem Lieblingscafé. „Familie und Essen,
das ist das Allerwichtigste für mich. Auf
beides könnte ich nicht verzichten“, sagt sie
versonnen. Und dann heißt es in Studio eins:
„Guten Abend und herzlich willkommen
zur ‚Aktuellen Stunde‘“. <
20.02.2008 14:18:10 Uhr
56
DISKUTIEREN
MANAGERGEHÄLTER
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
Managergehälter gesetzlich
Die Höhe der Bezüge von Spitzenmanagern ist – angesichts bescheidener
allgemeiner Lohnzuwächse – in die Diskussion geraten. Die Meinungen reichen von
strikter Zurückhaltung bis zu Forderungen, die Gehälter gesetzlich zu begrenzen
SCHWER VERMITTELBAR
Ich halte zweistellige Millionenbeträge als Jahresgehalt für Dax-Vorstände
für schwer vermittelbar. Als Richtschnur sollte gelten, dass die Bezüge eines
Vorstands das Durchschnittsgehalt eines Mitarbeiters im Betrieb um nicht
mehr als das 100-Fache überschreiten. Bei einem Durchschnittsgehalt von
35.000 Euro wären das 3,5 Millionen Euro.
Hans-Otto Schrader, der neue Chef des Versandhandelsriesen Otto
VERLUST DER ELITEN
Wenn wir Eliten in unserem Land schlecht
behandeln, verlieren wir sie. Die sind
wohin verlassen.
Die Debatte über Managergehälter ist keine Neiddebatte,
sondern eine Diskussion über
den mangelnden sozialen Zusammenhalt in
unserem Land. Wir alle wollen in keinem Land
leben, in dem sich jeder nur der Nächste ist und
sich ohne Rücksicht die Taschen vollstopft.
Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben erlebt, wie ihre Vorstände vor allem
den kurzfristigen Gewinn im Blick haben, während sie die Beschäftigten wie Kostenstellen mit
zwei Ohren behandeln. Wir müssen zu einer
Unternehmenskultur der Verantwortung zurückkehren, in der Arbeitnehmer die Anerkennung
erfahren, die ihnen gebührt. Ihre Zuverlässigkeit,
ihr Erfindungsreichtum, ihr Einsatzwille sind die
wichtigsten Stärken des Standorts Deutschland.
Kluge Unternehmer, und davon gibt es viele,
wissen, dass der soziale Friede das Geheimnis
unseres Wohlstands ist und war.
Hans-Werner Sinn, Präsident des Instituts für
Frank-Walter Steinmeier, Vizekanzler und
Wirtschaftsforschung (Ifo), München
stellvertretender SPD-Vorsitzender
nicht auf den Standort Deutschland angewiesen.
Klaus-Peter Müller, ab Mai 2008 Vorsitzender Aufsichtsrat Commerzbank,
der allerdings manche Managergehälter für zu hoch hält
FLUCHT
Würde man die
Managergehälter
von Staats wegen
zusammenstauchen, würden
die Manager Deutschland
in Richtung London und sonst
56_Evonik_01-08 56
KEINE NEIDDEBATTE, SONDERN
DISKUSSION
20.02.2008 16:14:45 Uhr
57
beschränken?
GEMEINSAME
VERANTWORTUNG
KEINE GESETZLICHE BEGRENZUNG
dazu beizutragen. Wir haben die Mitbestim-
Die Große Koalition sollte
sich von den Wahlkämpfen in
den Bundesländern nicht
auf den Holzweg führen lassen,
Vorstandsvergütungen gesetzlich zu
begrenzen.
mung in Deutschland. In jedem Aufsichtsrat
Jürgen Thumann, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI)
Ich will mich nicht über Einzelne äußern. Es ist sicher
hilfreich, wenn sich mehr
Manager an dieser für die
Gesellschaft wichtigen Debatte beteiligen.
Ebenso sind die Gewerkschaften aufgerufen,
sitzen fast zur Hälfte Arbeitnehmervertreter.
Insofern gibt es da eine gemeinsame Verantwortung.
Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin
PROPORTIONEN AUS DEM RUDER
Das Problem besteht darin, dass die Proportionen
EINFLUSS DER
AKTIONÄRE
STÄRKEN
Es ist die Aufgabe der Eigentümer, zu entscheiden, wel-
aus dem Ruder geraten: Die Bezüge von
Managern erhöhen sich spektakulär, während
die Durchschnittsgehälter der Erwerbstätigen stagnieren.
che Managerbezüge gezahlt
Meine dringende Empfehlung richtet sich an die Wirt-
werden. Wir können gern
schaft selbst: Die Unternehmen sollten bei den Vorstands-
darüber reden, über Hauptversammlungen
den Einfluss der Aktionäre zu stärken. Doch
bezügen mehr Fingerspitzengefühl zeigen.
politisch motivierte Lohnobergrenzen halte
Norbert Lammert (CDU), Bundestagspräsident
ich für abwegig. Staatliche Lohnfestsetzung,
FOTOS: DPA
demnächst womöglich Einheitslöhne oder
die Festsetzung von Brotpreisen – das wäre
Planwirtschaft pur, das wäre DDR ohne Mauer.
Guido Westerwelle, Vorsitzender der FDP
57_Evonik_01-08 57
20.02.2008 16:14:48 Uhr
58
LEBEN
EVONIK-MAGAZIN 1/2008
ILLUSTRATION: DIGITAL VISION
Virtuelles Beamen
TOM SCHIMMECK über Augmented Reality –
die vermischte virtuelle und reale Welt. Bald
soll sie unseren Alltag erobern
WIE REAL SIND SIE, HERR STRICKER? Dr.-Ing. Didier Stricker,
37, schmunzelt. Das sei keine technische Frage, meint der Franzose,
sondern eher eine philosophische. Stricker, Chef der Abteilung
„Virtuelle und Erweiterte Realität“ am Fraunhofer-Institut für
Graphische Datenverarbeitung (IGD) in Darmstadt, ist ständig an
den Rändern der Wirklichkeit unterwegs. Es ist sein Job, die Grenze
von Realität und virtueller Welt immer weiter zu verwischen.
Nein, es geht ihm dabei nicht um den Joystick-verrückten Teil der
Menschheit, jedenfalls nicht nur. Sein Fachgebiet „Augmented
Reality“ oder schlicht AR, zu Deutsch: „Erweiterte Realität“, zielt
auf die Zukunft von Arbeit und Kommunikation. Das Zeitalter
des „ubiquitous computing“ zieht herauf, eine Ära allgegenwärtiger
Rechner. Bildschirm, Tastatur und auch die Maus werden da
schnell nutzlos. Neue Schnittstellen müssen her, um den Standort
und die Blickrichtung des Betrachters auszumachen, seine
Wünsche und Kommandos wahrzunehmen und Informationen
sichtbar zu machen. Was vom Computer kommt, sagt Stricker,
soll „direkt eingebettet sein in die reale Umgebung“. So vermengt
sich unsere echte Welt immer mehr mit einer blitzschnell und
kunstvoll errechneten Zusatzwelt. Das Bild tritt aus dem Rechner.
Warten wir darauf? Wenn ja, wozu brauchen wir AR? „Weil
alles immer komplexer wird“, erklärt Didier Stricker. Er war technischer Koordinator von ARVIKA – Augmented Reality für Entwicklung, Produktion und Service, ein Zusammenschluss vieler
Firmen von Airbus bis Zeiss, die sehr neugierig waren, was AR
ihnen zu bieten hat. Beim Service etwa. Eine Fragestellung: Wie
kommt man weg von immer dickeren Handbüchern und PDFDateien, hin zur Visualisierung vor Ort? Das berührt zum Beispiel
deutsche Maschinenbauer, deren topmoderne Geräte um die
halbe Welt geschickt werden. Aber wegen eines winzigen Details
manchmal nicht laufen. „Da fliegt dann ein Support-Techniker
los“, sagt Stricker, „dreht an zwei Schrauben und fliegt zurück.“
Mit AR jedoch könnte man den Nutzern vor Ort schnell und
anschaulich die richtigen Schritte zeigen, davon ist er überzeugt.
Die Liste der Anwendungsmöglichkeiten scheint schier endlos.
In Zukunft sollen der Architekt und seine Auftraggeber das neue
Gebäude in der Landschaft stehen sehen, der Maurer die Wand,
die er erst erschaffen soll, schon vorab millimetergenau im Raum
erblicken können. Vielleicht wird später ein Handwerker, der den
Bohrer an diese Wand ansetzt, dank seiner Datenbrille erkennen,
wo genau die Strom-, Wasser-, Gas- und Datenleitungen verlaufen.
Wissenschaftler könnten Kollegen, Geschäftsleute ihre Kunden
virtuell treffen, per 3-D-Projektion, vertreten durch einen Avatar,
ein Kunstwesen im Raum. Und ihnen Dinge zeigen. Das spart
viel Zeit und Kerosin. Die Vorstufe des Beamens? „Genau“, sagt
Stricker, „ein virtuelles Beamen.“
Augmented Reality soll unsere Sinne mit zusätzlichen Informationen – Bildern, Tönen, Zahlen – füttern, in Echtzeit. Viel Forscherelan wird in Brillen gesteckt, die einen freien Blick ermöglichen
und dem Auge zugleich allerlei Zusätzliches zeigen. Wobei ein gutes
AR-System dabei die Position und Blickrichtung des Menschen
sehr genau erfassen und verfolgen muss, um sich ständig entsprechend anzupassen. So kann es gelingen, auf eine reale Untertasse
das 3-D-Bild einer passenden Teetasse zu projizieren. Und diese
virtuelle Tasse auch dort verweilen zu lassen – während sich der
Betrachter im Raum bewegt.
In Darmstadt arbeiten die Forscher mit immer komplexeren
Schatten- und Lichtsimulationen. Ihr Ehrgeiz: Dass ein virtuelles
Sofa tatsächlich wie ein Sofa im Raum aussieht, nicht wie ein
Bild. Sie haben auch ein System namens CAVE entwickelt, einen
großen Würfel mit 2,4 Metern Kantenlänge, in dem Menschen
in einem virtuellen Bild stehen und sich bewegen können, erzeugt
von zehn Projektoren aus fünf Richtungen. Die berühmte Höhlenanlage in der Nähe der chinesischen Stadt Dunhuang, zwischen 400
und 1400 nach Christus von buddhistischen Mönchen geschaffen,
wurde für Touristen und mit der Restaurierung betraute Wissenschaftler durch diese Technik virtuell rekreiert.
Der Weg vom Prototyp bis zum Produkt dauere wohl auch bei
AR sicher ein Jahrzehnt, meint Stricker. Treibend sei die Automobilindustrie, aber auch Automatisierungsfirmen wie Siemens. Die
Spielebranche wird bald für die Verbreitung der Technik und entsprechende Kostensenkungen sorgen. Auch Akzeptanz spielt
eine große Rolle. Die Datenbrillen müssen leichter, einfacher und
besser werden. „Die Leute müssen damit arbeiten wollen.“
Entscheidend aber seien Schönheit und Eleganz, meint Monsieur
Didier Stricker mit hauchzartem französischem Akzent. Die Bildinformation am richtigen Ort erscheinen zu lassen, in bester Qualität
und dem richtigen Licht – „das“, sagt Stricker, „ist das Magische“. <
Tom Schimmeck (48) fasziniert der Blick in die Zukunftslabors der Forschung. Er arbeitete unter anderem für TAZ, „Tempo“,
den „Spiegel“ und „Die Woche“. Die Illustration ist eine abstrakte computergenerierte digitale Komposition.
58_Evonik_01-08 Abs2:58
08.02.2008 16:08:36 Uhr
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Spendenkonto 300 000, Bank für Sozialwirtschaft Köln (BLZ 370 205 00), Stichwort:
Schulen für Afrika. www.unicef.de
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13.02.2008 18:47:04 Uhr