April 2015
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APRIL 2015 ICON ICON April 2015 A R T S L’âme du voyage. Erhältlich ausschließlich in Louis Vuitton Geschäften. Tel. 0211 / 86 47 00 louisvuitton.com Laden Sie die Louis Vuitton pass app herunter um exklusive Inhalte zu entdecken. D E S I G N P O R T R A I T. Michel, Sitzsystemr design von d’Antonio Citterio. www.bebitalia.com B&B Italia Stores: München, Maximiliansplatz 21 - Tel. 089 461 368 0 Berlin, Torstrasse 140 - T. +49 3024 0477377 Plz 0 1 2 3 4 5 Andreas Weber T. +49 51305840584 [email protected] Plz 5 6 7 Thomas Köber T. +49 173 7490937 [email protected] Plz 0 7 8 9 Norbert Juelicher - T. +49 172 9572772 [email protected] ANDERS OVERGAARD AUF DEM COVER: Vor der Galerie „Big images Inc.“ (Foto von Terry O’Neill) trägt Kim eine Weste sowie Lackschuhe von Calvin Klein. Wickeltop: Diesel Black Gold. Rock: Dolce & Gabbana. Collier von Marcia Grostein. Auf dem Roller geht’s vorbei an den Kunstwerken von Terry O’Neill: Kim hat ein Top von Ashish an. Hose: Ralph Lauren. Armreif: Marcia Grostein. Schuhe: MM6. Ohrringe: Iosseliani. Mehr unseres Miami-Shootings ab Seite 42 Abgefahren! E in ziemlich zweideutiger Begriff. Wer je auf der letzten Treppenstufe vor dem Bahnsteig keuchend erkennen musste, dass sich der avisierte Zug gerade in Bewegung setzt, wird sich vielleicht fragen, wieso das Wort „abgefahren“ umgangssprachlich so gern als anerkennendes Lob eingesetzt wird. Echt. Aber wir mögen es auch, schon weil wir ein Faible für Begeisterung haben. Und da wir kein Fachmagazin für Verkehrssicherheit sind, dürfen wir sogar Models mit wuchtigen Plateausohlen von Maison Margiela auf den Motorroller steigen lassen. (Psst, auch ohne Helm.) Die Freiheit, die ich meine. Und die auch im Design zuhause ist. Und so haben wir dem voller Freude diese Ausgabe gewidmet. Es wird wieder hell, der Wind ist nicht mehr so frisch, es weht ein frischer. Der feine, positive Unterschied. Bitte, nehmen Sie gern Platz auf dem Sozius unseres Models. „Und vergessen Sie ja nicht, Ihre Badehose mitzubringen.“ Mit dieser nicht ganz alltäglichen Aufforderung beendete der italienische Architekt und Designer Matteo Thun das Telefonat, in dem er Sven Michaelsen (56) zum Interview in sein Ferienhaus auf Capri einlud. Aus den geplanten zwei Stunden wurden dann zwei Tage. Die beiden schwammen im Pool der Villa, tauchten in Grotten und umrundeten per Boot die Insel. Abends lud Susanne Benger, aus Bregenz stammend und seit 1983 Thuns Frau, ein Dutzend Freunde zum Abendessen auf die Terrasse, die einen Panoramablick auf die vier Faraglioni bietet, die Wahrzeichen der Insel. Gefragt, ob er ein Wort kenne, das zusammenfasse, was das Wichtigste im Leben sei, sagte der 62-jährige Thun: „Ich könnte Ihnen die üblichen Verdächtigen nennen: Familie, Gesundheit, Wohlstand. Aber in meinem Fall stimmt das nicht. Ich sage: Interesse. Das Wichtigste ist, neugierig zu sein.“ Mehr ab Seite 38 SVEN MICHAELSEN Schon länger ist er Fan von Dries Van Noten und dessen Werk. Vor einigen Jahren kaufte sich Adriano Sack einen total look des belgischen Designers: ein mit Batiktechnik fleckig ausgebleichtes Ensemble. In seinen Augen war es ein Zitat des gesamtdeutschen Skinheadlooks, doch Bekannte nannten es – wenig schmeichelhaft – „das Kuh-Kostüm“. Bei der Vorbesichtigung der Dries-Van-Noten-Ausstellung „Inspirations“, die er bis zum 19. Juli 2015 in seiner Heimatstadt Antwerpen zeigt, führte der als scheu bekannte Modeschöpfer ausgewählte Besucher durch seine Show, erklärte den Zusammenhang zwischen Punk und dem Pariser Hotel de Ville und wirkte dabei gar nicht so schüchtern. „Wenn Menschen ihre Arbeit lieben und drüber reden dürfen, dann blühen sie auf“, so der eigentlich schwer zu rührende Modereporter. Interview ab Seite 62 ADRIANO SACK MARIO TESTINO; JENS SCHWARZ; PRIVAT; MARTIN U.K. LENGEMANN ANDERS OVERGAARD Alles begann auf der Straße. Nämlich als unser Fotograf Anders Overgaard mit zehn Jahren zum ersten Mal eine Kamera in die Hand nahm und Freunde in Schnappschüssen beim Skateboarden festhielt. Oder auch beim Windsurfen. Für unser Shooting in Miami schuf er ebenso flüchtige Momente, in denen er Streetart, Mode und Model zu einer Einheit werden ließ. „Ich liebe es, dass man einen ganzen Teil der Stadt der Kunst gewidmet hat.“ Eine Prise Humor durfte auch diesmal nicht fehlen. Sie ist der rote Faden in seinen Arbeiten. Nach dem der Däne aus Helsingor seine Ausbildung an der Graphic Design School Copenhagen abgeschlossen hatte, verschlug es ihn für ein Jahr nach Paris. Aus dem Fotografen wurde ein Modefotograf. Heute arbeitet und lebt er mit seiner Familie in New York. Ab Seite 42 IMPRESSUM ICON Chefredakteurin: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Redaktion: Caroline Börger, Heike Blümner, Nicola Erdmann, Julia Hackober, Jennifer Hinz, Silvia Ihring, Mira Wiesinger. Praktikanten: Linda Leitner, Sarah Lafer. Korrespondentin in New York: Huberta von Voss. Korrespondentin in Paris: Silke Bender. Autoren: Joern F. Kengelbach, Susanne Opalka, Esther Sterath Redaktionsassistenz: Ursula Vogt-Duyver Artdirektorin: Barbara Krämer Gestaltung: Maria Christina Agerkop, Delia Bob, Katja Schroedter, Adrian Staude Fotoredaktion: Julia Sörgel, Elias Gröb Bildbearbeitung: Liane Kühne-Kootz, Thomas Gröschke, Kerstin Schmidt. Verlagsgeschäftsführung: Dr. Stephanie Caspar, Dr. Torsten Rossmann General Manager: Johannes Boege Gesamtanzeigenleitung: Stefan Mölling; Anzeigen ICON: Roseline Nizet ([email protected]) Objektleitung: Carola Curio ([email protected]) Verlag: WeltN24 GmbH Litho: Imagepool Druck: Prinovis Ltd. & Co KG, Nürnberg Herstellung: Olaf Hopf ICON ist ein Supplement der „Welt am Sonntag“, die nächste Ausgabe erscheint am 3. Mai 2015. Sie erreichen uns unter [email protected] Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit. 9 HERZOG & DE MEURON (3) ICON APRIL 2015 Farbe der Saison außer Haus gehen, müssen Sie mit Aufmerksamkeit rechnen AUSGEWÄHLT 14 IN FORM Der Frühling hat Inspiration im Gepäck – unsere Lifestyle-Weisen machen sich Gedanken rund um das Thema Design 56 WA S AUF TA SCHE New Yorks Jetset ist der forderndste der Welt – Monica Zwirner hat sich mit ihren Handtaschen trotzdem durchgesetzt 22 GART E N GÖTTIN Das Glück liegt vor der Haustür: Icona hat sich passend für ihr grünes Fleckchen Erde eingekleidet 57 EIGENE ART Rachel Libeskinds Zuhause ist die Kunst. Und für ihr Schaffen haben Koffer eine ziemlich wichtige Rolle gespielt 58 WE NIGE R I S T M EHR Der Designer Konstantin Grcic würde am liebsten alles in Grau halten PIANISSIMO Das Whitney Museum wurde von Renzo Piano neu gestaltet – mit Max Mara designte er noch eine passende Tasche 64 BLICK Z URÜCK NACH VORN Die Silberarbeiten von Georg Jensen haben eine lange Tradition. Daran soll sich auch nichts ändern SALO NKULTUR So spannend kann Wohnen sein – worauf wir uns beim diesjährigen Mailänder Salone del Mobile freuen dürfen 66 DA S SÜSSE LEBEN Warum auch beim Möbelbau der italienische Familiensinn wichtig ist, erklären die Brüder Minotti 68 IN A NDEREN SPHÄ REN Alfredo Häberli ist ein Schweizer Designer mit großer Fantasie – nun macht er sich Gedanken über Mobilität 70 DA LEGST DI NIEDER Bei der vielen Zeit, die wir im Bett verbringen, sollte man in eine Matratze investieren: Daniel Heer näht noch von Hand DESIGN 24 28 30 VIE RTE GENERATION Gesa Hansen stammt aus einer DesignerDynastie. Nun macht sie ihr eigenes Ding 31 IN SAUS UN D BRAUS Duschen kann jeder. Trotzdem hat Philippe Starck das Thema neu aufgegriffen – und wir brausen mit 32 GROSSE BRÜDER Möbel aus Paris – Esther Strerath hat sich in die Bouroullecs verliebt 38 THUN SIE ES EINFACH Lernen von den Großen: Der Star-Architekt und -Designer Matteo Thun gibt im Interview jede Menge freimütige Einblicke 54 ALLE S GRÜN , ALLES GUT Wenn Sie mit diesen Produkten in der MIU, MEIN MIU Eigentlich entwerfen Herzog & de Meuron keine Geschäfte. Für Prada machte das Architekten-Duo 2012 in Tokio eine Ausnahme. Und nun erneut. Gleich gegenüber. Für Miu Miu, die französischer angelegte Marke des italienischen Unternehmens, bauten die Schweizer in Abstimmung mit Designerin Miuccia Prada den neuen Flagship-Store mitten im In-Viertel Aoyama. Tief vorgehängt ist das Dach mit den scharfen Kanten aus Stahl, das an die japanischen Tempel erinnern soll. Im Innern des 720 Quadratmeter großen Ladens wird es mit viel Kupfer, Brokat, Holzboden und hellen Teppichen weicher, weiblicher, verspielter. Es sei eine Box, die entdeckt werden will, so Jacques Herzog. Bitte, treten Sie ein. Und beachten gern auch die Mode. MODE 42 O N THE STREET Wir wussten gar nicht, wie viel Straßenkunst es in Miami gibt: Als die Modestrecke ankam, wollten gleich alle los 11 9 5 10 8 6 11 GETTY IMAGES;MONTAGE:ICON; HERSTELLER 7 4 12 ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER 3 1 2 14 13 ICON APRIL 2015 1. Für den Mini-Proviant: Picknick-Täschchen von Hermès 2. Lieber liegen: Liege „Fontenay“ von Garpa 3. Wir sehen grün: Sonnenbrille „PO3105S“ von Persol 4. Herr Vogel hat schon mal Platz genommen. Schirm „Shadylace“ von Droog 5. Flower-Power-Queen: Kleid von Ted Baker 6. Design-Villa: Nistkasten „Bauhaus“ von wildlifegarden.de 7. Duft der Erde: „Tellus“ von Liquides Imaginaires soll die Gedanken in den Wald entführen 8. Fratz in Latzhose. Von Closed 9. Buch, äh, Pflanzen-Regal: von Supercake über monoqi.com 10. Alle Schmetterlinge sind schon da: Parka von Valentino (über stylebop.com) 11. Schicker Schlauch: von Garden Glory. 12. Mein Platz im Garten: Stuhl „Finesse“ von Solpuri 13. Lebt ganzjährig draußen: Outdoor-Sessel „Fat Sofa“ von B&B Italia. 14. Für alle Romeos und Julias: Romantische (gleichnamige) Bank von Extremis (gibt’s über Connox) 60 OST-WE ST-BEZI EHUN GEN Andrew Bolton inszeniert im New Yorker Metropolitan Museum eine Ausstellung über Chinas Einfluss auf die Mode 77 SCHÖ N VERSTÖ REND Nicht nur seine Entwürfe schockten die Modeszene, auch seine Parfüms: Susanne Opalka erklärt die Welt von Paco Rabanne 62 ANT WE RP EN ER KLAS SIK Dries Van Notens Mode findet sich nun auch im Museum – uns erzählte der Modemacher, wie sich das anfühlt 78 AUF DER RETROWELLE Kein Widerspruch: Unsere KosmetikNeuheiten huldigen dem Charme des Vergangenen KOSMETIK 76 BAD KULTUR Architektur findet auch in den Kosmetikregalen und Parfümerien statt GESCHICHTEN 72 JENSEITS DER KANÄ LE Es grünt so grünt in den unbekannten Gärten Venedigs. Andreas Tölke weiß wo 80 GLO B AL DIARY Immer nur Fotos per Handy an die Daheimgebliebenen schicken? Nö, wir schreiben noch Postkarten. Sie erreichen uns dieses Mal aus Italien und den USA 81 HOTEL? H EIMAT! Wer will schon immer umdekorieren daheim? Zwecks Abwechslung könnte man da lieber mal in einem Haus der Design Hotel Gruppe übernachten 82 DER BAU PLAN Das ist wahres Kunsthandwerk – wir schauten dabei zu, wie die „Hyades“-Tischlampe aus Muranoglas von Armani Casa entsteht 13 STILISTEN RICHARD PRINCE; IMAGE COURTESY OF RICHARD PRINCE STUDIO,RENSSELAERVILLE,NY DIESES MAL SIND UNSERE LIFESTYLEWEISEN AUF DEM DESIGNTRIP Abgeguckt Da sage noch jemand, aus Reklame könne keine Kunst werden: Zwischen 1982 und 1984 fotografierte Richard Prince Models von Werbeplakaten ab. Die Technik gilt als sein Markenzeichnen – nun stellt er unter dem Titel „Richard Prince: Fashion“ die Ergebnisse bis 18. April in der Nahmad Galerie in New York aus. Was für eine Werbung! 14 Beam me up, Scotty! Limitierte Brille P’8604 aus Aluminium gefräst VON PORSCHE DESIGN GLASKLARE ANSICHTEN Ich bin wie eine Elster. Wenn ich irgendwo etwas funkeln sehe, muss ich es mir sofort genauer ansehen. Egal wie tief es vergraben ist, wenn es nur ein bisschen glänzt, sehe ich es. So ist es auch mit Glas, alt oder neu, ich liebe es, und zwar in jeder Form. Kürzlich hatte ich das Glück, eine Glaskünstlerin – Felekşan Onar – in Istanbul kennenzulernen. In der Ecke einer Baustelle versteckte sich ein Regal mit wunderschönen Cocktailmixern und Gläsern, die aus recycelten Bierflaschen hergestellt waren. Ich suchte die Stadt so lange ab, bis ich die Person fand, die diese Kunstwerke zu verantworten hatte. Wir trafen uns in ihrem Atelier, einem ruhigen Plätzchen gefüllt mit wunderschönen Dingen. Es fühlte sich sofort besänftigend und überwältigend gleichzeitig an – hauptsächlich deswegen, weil ich alles darin haben wollte. Ich habe Glas immer als ein wunderschönes und gleichzeitig sehr funktionstüchtiges Medium gesehen. Deswegen war ich fasziniert von den künstlerischen Aspekten, die Felekşan Onar dem Material hinzufügte. Ich wollte mehr über sie erfahren. Sie wurde 1966 in Ankara geboren und sammelte schon als Kind Glas. Zunächst studierte sie Wirtschaft und Musik an der Cornell University in New York. Nachdem sie eine Zeit lang im Finanzwesen tätig gewesen war, arbeitete sie in der Jeans-Produktion. Aber ihr Herz sehnte sich nach Kreativität. So wagte sie den Sprung ins Ungewisse und studierte Glaskunst zuerst in einem privaten Atelier Chris Glass und später am „Glass Furnace“ in Istanbul. 2003 eröffnete sie dann ihr eigenes European Atelier in Istanbul. Was Felekşans Werk jedoch am meisten von anderen unter- Membership Director „Soho scheidet, ist die Dualität. Trotz der gebrechlichen Form von Glas zeigt sie Stärke House Group“ in in ihren Objekten. Sie benutzt die Form auch, um Geschichten zu erzählen. Da- Berlin neben sind ihre Kunstwerke sehr persönlich, gleichzeitig reflektieren sie die Jahreszeiten und ändern sich daher ständig. Auf dem Tisch liegt eine Kollektion aus Vasen, die von Seeigeln inspiriert wurden. Sie sind in wundervollen Juweltönen gefertigt und fangen die Zerbrechlichkeit der Unterwasserkreaturen ein. Die Details sind so kostbar und die Teilchen funkeln, wenn das Licht die abgerundeten Ecken anstrahlt. Das ist einfach großartig. Ich bin verliebt. FENDI Leben wie die Römer ICONIST.DE EMPFIELT... FÜR BLUMENKINDER: Ikebana ist die japanische Kunst des Blumenarrangierens, Elkebana die blumige Alternative zur Jagdtrophäe. Hundertprozentig vegan und frühlingshafter als fahle Hirschgeweihe! elkebana.com ——— TOP-BLOG: On- sowie offline, Blog wie Shop, dabei garantiert ohne perfekt drapierte Obstschalen und deshalb unser Designmedium des Monats: Well, Dwell! dwell.com ——— UMZUG: Am 1. Mai eröffnet die erste Ausstellung der Galerie Johann König an ihrem neuen Standort in der Berliner St.-Agnes-Kirche(Alexandrinenstraße 118). MEHR ALS MÖBEL: Spätestens wenn ein Gegenstand seinen Verkaufsraum verlässt, wird er verstrickt in Geschichten. „Dirty Furniture“, das etwas dreckigere Möbelmagazin, macht Produkte zu Protagonisten und erzählt in interdisziplinären Essays vom Design. dirty-furniture.com ——— FILMREIF: Schauen Sie bei Architektur Superstars wie Daniel Libeskind oder Ricardo Bofill Zuhause vorbei. Grandiose Videos, täglich neu auf nowness.com Sattes Gelb mit Braun- und Ambertönen. Diese Farben finden sich nicht nur in römischen Palazzi aus, sondern auch im fiktiven Appartment, das die Designer von Dimore Studio in Kooperation mit Fendi für die Art Basel in Miami eingerichtet hatten. Inspiriert von einem Seidentuch bauten sie unter anderem das Bücherregal aus gefärbten Glastafeln. In einer limitierten Auflage kann man es für das eigene Heim erwerben. Am besten wohl ohne Platz- und Kontolimit. Ein historischer Palast wird zur Boutique für Bottega Venetas neue Home Kollektion von Chefdesigner Tomas Maier VIA BORGOSPESSO 5, MAILAND TRENDBAROMETER VON WOLFGANG JOOP Herr Haka Wie immer, wenn die Gesellschaft sich in einer Transition befindet, wächst die Sehnsucht nach „the real thing“. In Los Angeles hab ich mich grad bei dem Galeristen, der auch Murakami entdeckt hat, mit Kunst von dem Newcomer Alma Allen eingedeckt. Das ist ein ehemaliger Obdachloser, ein Autodidakt und Familienvater aus Utah, der Skulpturen aus Marmor, vergoldeter Bronze und Nussbaumholz macht. Mich beeindruckt seine beruhigende Materialauffassung, wie er abstrakte Dinge mit unglaublicher Oberfläche fertigt. 16 Das ist doch der Mann, der vor lauter Bäumen in seiner Werkstatt die außerirdische Welt noch sieht? Und der gleich mit einer Ausstellung im Whitney Museum gefeiert wurde. Aber so derart kreativ war, dass seine Hände ganz kaputt waren und er deswegen einen Roboter erfunden hat, der ihm jetzt die Oberflächen bearbeitet? Ich wollte gern die Sprühsahne-Skulptur aus weißem Marmor, aber die war auch schon gleich wieder verkauft. Versteht man ja. Weg mit dem Geld! Leg es in etwas an, dass taktil ist, dass dir emotionalen Halt gibt! BOTTEGA VENETA Frau Dob BLIESWOODS DESIGN-WISSEN 18 Hängerchen Hübsch getarnt unter unzähligen Lederfransen, zeigt sich das Hängeschränkchen „Maractu“ aus der „Objets Nomades“ Kollektion von Louis Vuitton. Anlässlich des Salone del Mobile entwarfen junge und etablierte Designer Reisebegleiter vom Klappbett bis zur Hängematte aus dem feinem Leder namens, klar, „Nomade“. Alle Stücke sind nur auf Anfrage erhältlich. Unsere WELT am Arm: Die lang erwartete Apple Watch bringt die neue WELT-App gleich mit AB 24. APRIL IM APPLE STORE ODER APPLE.DE LT Was dem Hipster sein Bart ist und dem Gastronomen sein Craft Beer, ist dem Designer die Industrieleuchte im Used Look. Kaum ein Café oder ein anderer pseudo-angesagter Ort kommt mehr ohne aus. Wolfram-Glühdraht, Stahl, beziehungsweise Emaillefinish mit gekonnt abgewetzten Details, dazu ein mit buntem Stoff ummanteltes Kabel an einer Deckenwinde, fertig ist das Design-Statement, welches in sich das vereint, was wir alle wollen: Vintage, Handwerk, Lässigkeit und Individualität. Schade nur, wenn die jetzt überall hängen, sogar bei den spießigen Nachbarn in Blankenese über dem Esstisch. Spätestens jetzt ist Zeit, das Phänomen endgültig zu entlarven und sich zu verabschieden. Vor sieben Jahren in Brooklyn und East London begann der Siegeszug des Shabby-Looks. Die sehnsuchtsbehaftete Analog-Antwort auf etwa Marc Newson, Karim Rashid und Zaha Hadid – der GeHeinrich Paravicini genentwurf zur modernen Form. „Früher war alles besser“ als Hipster-Statement. Mitinhaber der Designagentur Die Wand unverputzt, die Möbel vom Mutabor Flohmarkt, Objets trouvés an der Wand, in Hamburg auf dem Teller die Stulle von Oma und das Craft Beer im Glas. Und an der Decke: natürlich die hippe Fabriklampe, am besten in Schwarz mit diesem fetten Trafo drauf, so 20erWorkstyle – krass arbeitermäßig ... Man sehnte sich nach einer Welt, die so herrlich anders war als heute – entspannt undigital und unstressig – ok, abgesehen von den paar Weltkriegen, der Arbeiter-Ausbeutung und einer geringen Lebenserwartung war das ja auch als alles ganz prima. Diese Lebenslüge musste irgendwann auffliegen. Auch wenn der Bart oldschool „gegroomed“ wurde, die Tattoos Vintage-Style hatten und das Outfit ausnahmslos von Magazinen wie Heritage Post inspiriert war – wenn man dann sein Smartphone aus der Tasche holte, galt es sich zu entscheiden: Möchte man ein moderner Mensch sein oder eine wandelnde Oldie-Parade. Wie herrlich entspannt wirkt dagegen das DesignBild, welches etwa die Zeitschrift „Monocle“ vermittelt. Dort mischt sich das kulturell gefestigte Retro-Zitat gekonnt mit absoluten Innovationsglauben: Das ist tiefgründig, menschlich und lässig. Denn wie immer bei gutem Design geht es um Haltung. Und diese Haltung schaut nicht nur zurück, sondern immer auch nach vorn. Also: Nun, da es die Industrielampe nicht mehr im kleinen, veganen Underground-Café in Dalston gibt, sondern bei Möbel Dodenhof, ist es Zeit, sich auf Neues einzulassen. Vielleicht die Kreuzung aus energiesparender Hochleistungs-LED im Vintage Bakelit-Gehäuse? Oder eine Fabrik-Leuchte aus lauter Smartphone-Displays? Wie auch immer: Es werde Licht! Aber ohne Bart. APPLE /DIE W E WER BRAUCHT NOCH EINE LAMPE MIT BART? Angelina Jolie zeigt mir verliebt ihren Ehering: „Hat Brad designt.“ Brad Pitt ist Mode wurscht. Aber Design und Architektur liebt der Minimalist: „Ich brauch nicht viel, wir haben ja 6 Kinder!" Sein Haus in Los Angeles ist cool, Stein und Glas – neben der Tür ein Felsen. Sein Schloss in Südfrankreich ist Rückzugs-Versteck. Am glücklichsten ist er auf der Veranda seiner Villa in New Orleans: „Da mache ich die Fenstertüren auf und höre den Sound der Menschen. Mehr als ein Bier brauche ich da nicht.“ Sein Kumpel George Clooney ist sein romantisches Gegenteil – er sammelt alte Schlipse in Glasvitrinen und im Kamin steht ein riesiger TV. Die Stars suchen einen Ort der Ruhe im Sturm der Anerkennung und Bewertungen. Ein Haus am Meer! Das Kreischen der Möwen am Morgen. Eine Ranch in Neuseeland. Eine David neu entdeckte Anonymität – wie Blieswood Freund Bruce Willis, der Ruhe nur in (untenrum) der Karibik findet. Johnny Depp hat Connaisseur eine Jacht mit Bierzapfanlage. Die aus Hamburg Sieger des Silicon Valleys kaufen sich Blick, ab 10Millionen nördlich der Golden Gate Bridge. Man wacht auf und sieht durch den Nebel den Pazifik. Ein Internet-Milliardär steigt um 6 Uhr in den Bus nur mit seinem Mini-iPad. Ein anderer steigt in seinen weiß-braunen Bentley und fährt eine Stunde bis ins Silicon Valley. Ihre Gründe? Freiheit! Sein oder Design. Ich trage grad meine Boots-Schuhe SperryTop-Sider. Sie schauen furchtbar aus, aber es sind vielleicht die besten – Japan-DesignFan Larry Ellison (Oracle) trägt sie auch – und er ist der 5. reichste Mann der Welt. Er hat natürlich einen japanischen Gärtner. Ich lese gerade die Biografie „Becoming Steve Jobs“, sein letzter Part gegen den Tod war das Design für eine weiße Jacht, die er mit seinen New-Balance-Schuhen nie betreten würde, gebaut von dem Rolls-Royce der Jachten „Feadship“. Ich hab sie gesehen, ein iPhone auf dem Wasser. Aber innen: Birnenholz, Rosenholz und gemütliche japanische Lampen. In Palo Alto lebte er lange in einem leeren Haus, weil er nur das Beste wollte. Zwei Wochen lang testete er Waschmaschinen. Es wurde dann eine Miele. MICHAELKORS.COM +1 866 709 5677 Im Vorbeifahren GETTY IMAGES Warum ich Flachkünstlerin bin Kunst sagt einem nichts. Das ist nicht ihre Aufgabe. Der Satz: „Das sagt mir nichts“, sagt gar nichts. Kunst kann in den seltensten Fällen sprechen. Zumindest nicht mit Worten. Wenn man mich heute fragt, was ich so tue, sage ich: „Ich mache: Flachkunst.“ Das ist für mich der Oberbegriff für alles, was nicht in 3-D produziert wird. So ziehe ich mir den Schuh, den mein ehemaliger Kunstlehrer Herr Oelerich mir einst hinstellte, als er sagte, dass meine Zeichnungen „zu flach“ seien, inzwischen durchaus gern an. Meine undeutliche Angst beim Anblick von oelerichesker Kunst – also abstrakter Kunst, die um der Abstraktion willen abstrakt ist – ist geblieben. Der pure Ästhetizismus ist natürlich an und für sich auch erst mal keine Kunst. Sie ist immer auch das Hinterfragen, der Bruch, die Idee und der Moment der Florentine Wandlung in etwas anderes. Die Lust Joop an der Kunst kann einer Schatzsuche llustratorin und Autorin gleichen. Sie kann sich auch ganz in Berlin plötzlich erschließen, und es bleibt spannend sie zu erforschen. Ein gutes Bild, ein Buch, ein Musikstück, ein Film, eine Skulptur oder eine geniale Installation wachsen mit einem mit und erschließen sich in den verschiedenen Lebensphasen immer wieder neu. Sie lassen sich immer weiter spinnen und sorgen dafür, dass die Gedanken wandern können. Neulich saß ich im Atelier von Stephan Balkenhol, einer der Künstler, mit dessen Werken ich als Hamburgerin aufgewachsen bin. Steht man an der Elbe, schaukelt eine seiner Skulpturen sanft auf den Wellen. In sein Atelier wäre ich sofort eingezo- 20 gen. Es roch nach Verdünnungsmittel, Farbe, Holz und Arbeit. Nach einsamer und steter Arbeit. Der Künstler Balkenhol sah gar nicht aus wie ein Künstler, eher wie ein folgsamer Handwerker und er sprach auch wenig. Ehrfürchtig saß ich „Flachkünstlerin“ neben diesem Mann der Skulpturen und fühlte mich sehr wohl. Ein Mann, der ohne jede Selbstinszenierung auskommt und trotzdem einer der international erfolgreichsten deutschen Künstler ist. Je weiter man sich von Balkenhols Skulpturen entfernt, desto monumentaler wirken sie. Da erkannte ich den großen Unterschied zwischen Kunst und der Kunst der Selbstinszenierung. Es gibt sie eben doch, die markanten Personen, die uns Werke erschaffen, die sich einbrennen in unsere Köpfe, selbst jedoch dahinter zurücktreten. Andere erschaffen vor allem Bilder von sich selbst und das Werk an sich scheint dahinter fast bedeutungslos. Wäre ich zu einem entscheidenden Zeitpunkt meines Lebens auf einen Mann wie Balkenhol getroffen, wer weiß, ob nicht doch vieles anders verlaufen wäre, denn seine Auffassung von Kunst hätte mich wahrscheinlich gefangen genommen und bestärkt. Was ist Kunst an sich? Ich weiß es nicht. Der Begriff verändert sich ständig. Herr Oelerich konnte mir damals in der Schule auch nicht weiterhelfen. Meines Erachtens, als jemand, der zugleich Betrachter, Zuschauer, potenzieller Käufer und Macher ist, liegt die Kunst darin, sie zu tun. Kunst ist ein Tu-Wort. Sie beginnt immer als Idee und wird dann aktiv umgesetzt. Auf diesem Weg wird die Idee immer wieder neu betrachtet, stößt an Grenzen, wird verändert und irgendwann ist sie dann vollbracht. Und es ist erlaubt Fragen zu stellen. Wo kommst du her? Womit hattest du zu kämpfen? Wie hast du es geschafft, zu dem zu werden, was du bist. Warum bist du trotz aller Widerstände da? Bist du fertig? Ich habe damals geschwiegen, als ich mehr über die Kunst erfahren wollte, weil ich Angst hatte, Herr Oelerich könnte nicht nur meine Zeichnungen für flach halten. Außerdem brauchte ich eine gute Note in Kunst, weil ich Chemie nicht konnte und Mathematik mein persönliches Purgatorium war. Ich schwieg, klebte die gewünschten Collagen, was das Zeug hielt, und tat zum ersten Mal in meinem jungen Künstlerleben etwas, von dem ich überhaupt nicht überzeugt war. Das sollte mir nicht wieder passieren. Viele Jahre später im Berlin des neuen Jahrtausends – ich hatte nun selbst ein eigenes Atelier – während meiner Arbeit an meinem kleinen Kunstmagazin, lernte ich Fragen zu stellen. Ich war erstaunt, dass wirklich jeder, den ich traf, gern über seine Arbeit sprach und sehr gern alles erklärte, was ich nicht verstand. So traute ich mich, sogar die Fragen zu stellen, an die man sich sonst vielleicht nicht wagt, damit man nicht doof erscheint – wenn man vor Werken steht, die einem nichts sagen. Jetzt frage ich nach. Weil ich will, dass Kunst viel mehr dort hin gelangt, wo sie hingehört, in den Raum um uns herum. FLORENTINE JOOP HOW TO ART – TEIL II: LAC DEMERS/RICHARD ESTES Big Apple ist die Stadt der Lichter, des ewigen Voranschreitens. Autos transportieren die Menschen durch die Adern ihrer Stadt, reflektieren für einen Moment die Umgebung im eigenen Lack. Der Künstler Richard Estes zeigt solche Momente in der Ausstellung „Painting New York“ im Museum of Arts and Design in New York. UND SONST NOCH Buy one, get one free: Wendetaschen von Akris und Mulberry Ü B E R S H O P. A K R I S . C H U N D M U L B E R R Y. C O M KUHL: Bei der Gaucho Designmanufaktur gibt es Patchwork-Teppiche aus argentinischen Kuhfellen nach individuellen Designwünschen, gaucho-design.com ——— NEUES ALTES: Upcycling heißt der neue Designtrend, bei dem aus alten Wertstoffen zum Beispiel Möbel entstehen. Inspirationen gibt Antonia Edwards in ihrem Buch „Upcyclist“, Prestel Verlag ——— SOS: In der „Cashmere Clinic“ von Allude in München sind Lieblingsteile aus Kaschmir in den besten Händen. Reinigen, flicken, entpillen - wie neu, Christophstraße 6 KARL LAGERFELD Immer en vogue Wie schwarze Pfauen stehen sie anmutig auf einer Lichtung. Was ihn schon damals an seiner Muse Inès de la Fressange (rechts im Bild) inspirierte, kennzeichnet auch heute noch Karl Lagerfelds Designs: Eine klassische Eleganz, die immer zeitgemäß ist. Die Bundeskunsthalle in Bonn erklärt bis 13. September die „Modemethode“ des Universalgenies. DESIGN-FRÜCHTCHEN Wie erklären Sie einer Gurke, wie sie zu wachsen hat? Richtig, gar nicht. In der Botanik ist es wie mit den Menschen, mit gewissen Früchtchen lässt sich nicht reden. In der EU griff man daher 1977 zu harten Maßnahmen und erließ die berühmt-berüchtigte „Gurkenverordnung“. „Gut geformt und praktisch gerade“ mit einer „maximalen Krümmung“ von zehn Millimetern auf zehn Zentimeter müsse eine Gurke der besten Güteklasse sein. Offenbar ließen sich die Gurken in ihrem Wachstum von derlei Norm nicht beeindrucken und auch die europäische Medienwelt hatte nur Spott und Hohn für die übertriebene Bürokratie übrig. Vor sechs Jahren wurde sie daraufhin abgeschafft. Kürzlich sorgte die sogenannte „Bananenverordnung“ erneut für allgemeines Augenrollen. Das Bedürfnis, ein Naturprodukt nach seiner Optik zu beurteilen, scheint dem Menschen innezuwohnen. Wein bildet da keine Ausnahme. Traube ist nicht gleich Traube, egal ob sie vom gleichen WeinHerbert Seckler gut oder gar von derselben Rebe stammt. Eine vollautomatische Sortiermaschine trennt daher auf dem Weingut „Huerta de Albala“ in Cadiz, Spanien, Kultwirt vom die Spreu vom Weizen. Sie scannt jede einzelne Beere. Noch bevor die Sylter „Sansibar“ Traube weiß, wie ihr geschieht, hat eine Hochgeschwindigkeitskamera 2000 bis 4000 Aufnahmen gemacht und ausgewertet. Binnen Sekunden entscheidet sich, ob sich die Traube in Wein oder in Wohlgefallen auflösen wird. Vorzuziehen wäre Ersteres. Dann könnte sie sich beispielsweise 2012er „Barbazul Cuveé 4/4“ nennen, und wäre ein voller, tiefdunkler Rotwein mit wenig Tanin, aber dafür viel Frucht. Aber genau wie die Gurke hat auch die Traube hier kein Mitspracherecht. Prickelndes Design: Das „Concrete Sideboard“ ist von Sigurd Larsen, dem Gewinner des Mumm’s Finest Award SIGURDLARSEN.EU 21 OH, LOOK! UNSERE ICONA ZEIGT IHRE AKTUELLEN LIEBLINGSTRENDS ILLUSTRATIONEN: JAMES DIGNAN (JAMESDIGNAN.COM) + GARTENGÖTTIN Blütenzauber: Margeriten-Ohrstecker von Stenzhorn + Icona blüht auf im Kleid von Markus Lupfer + + Flower-Power: Handyhülle von Iphoria Dosierte Natur: Erdbeerpflanze aus der Konserve über design3000.de Ein Brillant! Mini-Gewächshaus von Urban Outfitters + Gewand für die Wand: Schmetterlings-„Wall Sticker“ von H&M Blühende Fantasie: Easy Armchair „Bloom“ von Kenneth Cobonque + + Appetitlich: Parfum „Menthe Fraîche“ von James Heeley Blumenkind: Flats „Rosario“ von Charlotte Olympia via net-a-porter.com = 20.170 € BIENENKÖNIGIN Honigsüß! Die Ohrringe sind von Brahmfeld & Gutruf + + Bsssst! Die Sonnenbrille von Dolce&Gabbana ist auf weltweit 70 Stück limitiert + + Wunder-Waben: stapelbare „Storage Boxes“von Bloomingville Insekt der Begierde: „Save the Bees“-Palette von Chantecaille über dsq206.com Lockstoff: Guerlains Aqua Allegoria „Mandarine Basilic“ + Summ, summ, summ: „Planet Earth“ Becher von Theresienthal über artedona.com Mustergültig: Kleid von Mary Katrantzou über matchesfashion.com + Thron: Sessel „Quilt“ von Ronan & Erwan Bouroullec 22 + Goldig: Sandalen von Miu Miu über mytheresa.com = 10.582 € A JOURNEY THROUGH TIME – WITH RIMOWA Die 1920er Jahre waren die Blütezeit von Hollywood und der Beginn der modernen Luftfahrt. Hugo Junkers stellte 1919 das erste Ganzmetall-Verkehrsflugzeug der Welt vor. Dieses wurde aus dem von Alfred Wilm im Jahre 1906 entdeckten Flugzeugaluminium gebaut. 1950 präsentierte RIMOWA den Reisekoffer mit dem unverwechselbaren Rillendesign aus dem gleichen Material – zu dieser Zeit der leichteste Reisekoffer der Welt. Schon damals setzte RIMOWA den Trend des geringen Gewichts – eine Pionierleistung in der Branche. RIMOWA Stores Deutschland: Hamburg, Köln, München, Stuttgart www.rimowa.com INTERVIEW Der Akkurate Konstantin Grcic denkt gern gründlich. Und so traf Birte Carolin Sebastian den Designer in Berlin an einem überraschend stillen Ort dustriedesign KGID selbstständig machte. Grcic (der eigenwillige Nachname ist serbischer Abstammung) stellte im Haus der Kunst in München, in der Serpentine Gallery in London, am Art Institute of Chicago und im Vitra Museum in Basel aus. Unter anderem. Vielfach wurden seine Produkte mit internationalen Design-Preisen ausgezeichnet, sie finden sich in den Sammlungen der renommiertesten Museen der Welt. Er ist ein genauer Zuhörer, der exakt zu erfassen sucht, was das Gegenüber meint. Wenn er antwortet, dann nicht wie vorgefertigt, vielmehr formt er die Worte, bis seine Aussagen von der Präzision sind, die sich auch in seinen Arbeiten spiegelt. Er hat einen ganz eigenen Sprachduktus, eine ausgesprochen klangvolle Stimme, eine ihm eigene Betonung der Worte. Wie kommen Sie eigentlich auf die Namen für Ihre Objekte? Die muss man sich irgendwie einfallen lassen. Manchmal fällt es leicht, weil es Assoziationen gibt. Und es gibt Namen, die sich einprägen. Wie „Chair One“? Ausgerechnet „Chair One“. Er ist im Grunde der Beleg dafür, dass wir überhaupt keinen Namen gefunden haben und das Projekt dann so genannt haben, weil die Ordner so beschriftet waren. Wir haben so viele Namen ausprobiert, und nichts hat gepasst. Während „Mayday“ so ein guter Name war, der gleich gepasst und sich eingeprägt hat. Man würde nicht sagen: ‚Die Lampe, du weißt schon, die mit dem langen Kabel und dem Haken.‘ Nein, das ist einfach die „Mayday“-Lampe. MARKUS JANS 24 Einer der wichtigsten Designer unserer Zeit empfängt in seinem privaten Büro über den Dächern von Berlin. Das 1991 gegründete Design-Atelier ist noch immer in München, aber Berlin ist nun der Ort des privaten Lebens, gerade erst ist Konstantin Grcic Vater eines kleinen Mädchens geworden. In einem Alvar-Aalto-Gebäude hat er im unteren Stockwerk eine Wohnung für die Familie und im Penthouse einen Arbeitsplatz eingerichtet. Die Weite, die Helligkeit, vor allem aber die hier herrschende Stille wirken inspirierend. Und auch der gebürtige Münchner selbst strahlt diese unvermutete Ruhe über Berlin aus. Schon früh hatte er beschlossen, sich auf Möbeldesign zu spezialisieren. Nach der Schule arbeitete er bei einem Möbelrestaurator und absolvierte eine Schreinerlehre in der John Makepeace School im britischen Dorset. Dann zog es ihn nach London, wo er am Royal College of Art Design studierte, als Assistent von Jasper Morrison arbeitete und Designobjekte für zahlreiche Firmen fertigte, bevor er sich in seiner Heimatstadt mit dem Designatelier für In- Den B Mod art hatte e wu rde – er schon ,b Ko n s tanti evor es n Gr cic Und die Farbgebung? Farben finde ich schwierig. Es gibt in der Entwurfsphase Momente, da spielen sie eine Rolle. Wir legen dann viele Modelle und Zeichnungen sehr farbig an. Das hat etwas sehr Spielerisches. Nach dem Motto: Egal, jetzt ist es mal orange, es muss ja nicht orange bleiben. In dem Moment, in dem man sich dann entscheiden muss: Welche Farbe hat es denn nun wirklich für den Hersteller, für die Produktion, als Produkt, da würde ich am liebsten Farbe sofort aussortieren und die Dinge nur grau machen. Warum grau? Grau mag ich sehr gern. Das ist eine Nichtfarbe, die dem Objekt etwas ganz Sachliches gibt. In der Entwurfsphase gibt es tatsächlich auch Momente, in denen wir die Dinge absichtlich grau machen, damit wir sie einmal ganz objektiv 3 HUGOBOSS.COM BOSS 0665/S HUGO BOSS AG Phone +49 7123 940 Ich habe nicht viele Ideen, das weiß ich. Ideen werde ich mir immer erarbeiten müssen. Aber ich kenne inzwischen die Wege. KO N S TA N T I N G R C I C 3 anschauen können. Aber Grau führt jedes Mal mit den Herstellern zu einer Riesendiskussion. Es gleicht offenbar geradezu der Verhinderung von Erfolg. Haben Sie dann das Bedürfnis, sich durchzusetzen, oder sind Sie bereit, Kompromisse einzugehen? Es gibt einfach Realitäten, die mitspielen. Ich nenne mich bewusst Industriedesigner, diese Aufgabe führt in der Konsequenz auch zu einer gewissen Verantwortung, die man der Industrie gegenüber trägt. Man muss und will dann natürlich auch kooperieren. Man ist nicht der Künstler, der einfach nur sagt: Ich will es so, und so muss es sein. Es gibt Abwägungen, Argumente und auch durchaus Kompromisse, die man machen muss. Ich finde die Diskussion dennoch wichtig und führe sie jedes Mal erneut. Warum ist Ihnen die Industrie so wichtig? Eigentlich würde ich sagen, definiert sich der Begriff des Designs über die Industrie. Design hat etwas damit zu tun, die Dinge verfügbar zu machen. Design bedeutet für mich, Dinge vervielfältigen zu können, damit die Menschen daran teilhaben, sie nutzen können. Kann man von gutem und schlechtem Design sprechen, und was macht das aus? Ich beurteile Dinge schon, indem ich sage, das ist gut oder das ist nicht so gut oder sogar schlecht. Aber das Urteil genau auf so eine Formel zu bringen, finde ich schwierig, weil es sich über so viele letztlich subjektive Faktoren entscheidet. Deswegen entspricht es meiner Meinung nach nicht mehr unserer Zeit so zu urteilen, zu verurteilen. Unserer Zeit entspricht es vielmehr, dass wir anerkennen, dass es ganz viele unterschiedliche Meinungen, Bedürfnisse, Geschmäcker gleichzeitig nebeneinander gibt. Woran erkennt man dann gutes Design? Die wirklich guten Dinge, die lösen etwas aus. Und anscheinend nicht nur in einem selbst, sondern mehrheitlich. Gutes Design schafft es, eine Form von Identifikation und auch einen kulturellen Beitrag zu leisten, da geht es um viel mehr als um die bloße Funktion. 26 Gibt es ein Klischee, mit dem Sie gern aufräumen würden? Damit, dass wir ständig etwas Neues machen. Wir Designer drehen unsere Kreise, wir entwerfen immer wieder Stühle und Stühle und noch mehr Stühle so wie jemand, der Mode macht, natürlich immer auch wieder mit den gleichen Kleidungsstücken zu tun hat. Ich finde, es ist sehr wichtig, das so auszusprechen. Weil so viele Leute sich immer vorstellen: Designer sind Erfinder, sie haben einen fantastischen Job und machen jeden Tag etwas Neues und anderes. Haben Sie manchmal Angst, dass Ihnen die Ideen ausgehen könnten? Nein, inzwischen nicht mehr. Ich habe nicht viele IdeDer berühmte „Chair One“ (oben), en, das weiß ich. der Glastisch „Blow“ für EstabIdeen werde ich lished & Sons und der Beistelltisch mir immer erar„Diana A“ für Classicon (unten) beiten müssen. Ideen sind keine Glühlämpchen, die plötzlich so inspirativ über einem schweben. Ich glaube, ich kenne inzwischen die Wege, wie man irgendwo hinkommt. Das ist, als wenn man sich auf eine Reise macht, was ja auch beinhaltet, dass man sich auf die Reise vorbereitet, man ist gewappnet, wenn irgendetwas schiefläuft. Dann weiß man, wie es weitergehen könnte. Ist es wichtig als kreativer Mensch, das Scheitern einzuplanen? Scheitern finde ich einen schwierigen Begriff. TIN KONSTAN GRCIC (2) Ich weiß, es klingt gleich so ruinös … Eben. Irgendetwas funktioniert nicht, und man ist am Boden zerstört, und das ist das Ende. Während ich finde, wenn man mal versuchen würde zu beziffern, wie viele Dinge wir machen, die nicht weiterführen, dann ist das eindeutig die Mehrheit. Tatsächlich? Eindeutig. Wenn einem alles gelingen würde, würde einem das vielleicht eher Angst machen. Scheitern gefällt mir, wie gesagt, als Begriff nicht, aber man macht bestimmt Fehler. Man könnte auch sagen: vieles von dem, was wir machen, hat keinen Erfolg oder führt nicht zu einem Resultat, aber das ist Teil des Designprozesses. Das ist bei mir so, das ist be- stimmt bei meinen Kollegen ähnlich. Und ich glaube, niemand empfindet das als Versagen. Was würden Sie jungen Kollegen raten ? Ich würde ihnen zumindest mit auf den Weg geben – als Ermutigung, nicht als Abschreckung –, dass Design viel Arbeit ist. In welche Richtung wird sich Designentwickeln? Dass Design ganz viele unterschiedliche Dinge einschließt. Was bedeutet das für Ihren Beruf? Ein Designer ist jemand, der analytisches Denkvermögen hat, und der das Analytische in Kreativität umzusetzen vermag. Dabei ist das Design dann oft ein ganz subtiler kleiner nächster Schritt und nicht etwas ganz Neues, nur um es immer neu zu machen. B E R L I N BY HERRENDORF LIETZENBURGER STRASSE 99 10707 BERLIN T. +49 (0)30 755 4204 56 [email protected] AGENTEN DEUTSCHLAND: PLZ 0/1/2/3/4/5 HANDELSAGENTUR STOLLENWERK T. 0221 2828259 - [email protected] PLZ 6/7/8/9 HANDELSAGENTUR RIEXINGER T. 07121 325953 - [email protected] INDIVIDUELLE EINRICHTUNGSBERATUNG SITZSYSTEM WHITE | DESIGN RODOLFO DORDONI CREATE YOUR OWN DESIGN EXPERIENCE AT MINOTTI.COM GJ ARCHIVBESUCH Das Leben ist ein Silberstreif Bestes Handwerk, klares Design: Was aus der dänischen Manufaktur Georg Jensen kommt, hat seit Jahrzehnten viele Anhänger. Inzwischen zitiert das Haus gern aus der eigenen Geschichte. Esther Strerath durfte in die 28 THOMAS LOOF 2014 (5) / GEORG JENSEN / KEN HAAK/VOGUE CONDÉ NAST PUBLICATIONS Werkstatt blicken. Und ins Allerheiligste – das Archiv Krug Nr. 1025 von Henning Koppel 1956 (oben). Schmuck von Vivianna Torun BülowHübe (1963), ganz rechts ihre Armspange 203B (1968). Alle Bilder stammen aus dem Bildband „Georg Jensen: Reflections“ (Rizzoli) „Silber kann in der Dunkelheit wachsen“ GEORG JENSEN, Firmengründer Sein erster „Shop“ war ungefähr 50 mal 70 Zentimeter hoch und hing an der Mauer seiner Schmiede in der Bregade 36, unweit des Hafens in Kopenhagen. Heute ist der kleine Glaskasten eines der ersten Exponate, das Besucher erblicken, wenn sie sich in der dänischen Manufaktur „Georg Jensen“ umsehen. Im Foyer des dreigeschossigen Gebäudes aus gelbem Backstein im „Porcelæanshaven“Viertel gelegen, fällt aber zuallererst etwas anderes auf. Jemand hämmert. Immerzu. Durch eine halb verglaste Wand erkennt man die Quelle: Da steht Jesper, der Schmied, mit Vollbart und blank rasiertem Haupt und klopft mit einem Hammer auf ein Stück Silber. Im Erdgeschoss reihen sich Ateliers aneinander, hier wird gefeilt, gebogen, gepresst, poliert, auf Arbeitstischen häuft sich Werkzeug. Daneben schwere Arbeitsböcke aus Holz, auf denen fixiert wird, was geformt werden muss. Ein Mitarbeiter zieht ein Tablett aus einem hohen Regal, es ist mit Samt ausgeschlagen, darauf liegen Knospen aus Silber, wie sie später an einer Schale zu finden sein werden. Rund 120 Objekte umfasst allein die BesteckKollektion. Für eine Gabel benötigt ein Schmied ein bis zwei Tage – und alles, was hier in Handarbeit hergestellt wird, orientiert sich an den Originalskizzen seiner Erfinder. Und die sind oft mehr als 100 Jahre alt. Mit 14 Jahren ging Georg Jensen, ein Arbeiterkind aus Radvad, nach Kopenhagen. Vier Jahre lernte er Goldschmied, dann studierte er dort an der Royal Danish Academy of Fine Arts Bildhauerei. Nach seinem Abschluss eröffnete er mit einem Partner ein eigenes KeramikAtelier. Ein Mitarbeiter erzählt: „Anlässlich einer Ausstellung wurde eine Vase von ihm verkauft. Jensen bekam 2500 Kronen und er beschloss, zu reisen. Nach Paris, Italien, Deutschland. Als er zurückkehrte, wollte er seine eigene Silberschmiede aufbauen.“ Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Schmuck meist anhand von Aufnahmen be- rühmter Persönlichkeiten kopiert, lernt man auf dem Rundgang. Georg Jensen aber entwarf eigene Stücke: Er war ein Trendsetter, plötzlich wollte jeder in Kopenhagen so eine Brosche mit Halbedelsteinen oder eine Armspange aus seinem Atelier haben. Seine Ideen wurden immer ausgefeilter. Aber auch er ließ sich sich von Vorbildern inspirieren. In Italien hatte er sich in römische Schalen mit Traubenmotiven verliebt und schuf die „Grape Collection“ (1918), Kunstwerke aus Silber. In einem zum 110jährigen Bestehen erstellten Bildband beschreibt der Autor Murray Moss – ein New Yorker Unternehmer – die Traubenschale so: „Der neo-barocke Stil zelebriert das fast erahnte Potenzial der Menschheit – überschwänglich aufsteigend, meisterhaft gefertigt aus einer einfachen Silberplatte in einer tornado-ähnlichen Drehung wie Berninis verzwirbelte Säulen von 1625 für die Basilika St. Peter im Vatikan.“ Hoppla. Aber tatsächlich definierte Jensen die Grenzen des Möglichen in der Silberschmiedekunst neu. Das erfordert heute die gleiche Präzision wie damals. Wieder nahe des Foyers angekommen, ist der Besuch beim hämmernden Jesper zu Recht der Höhepunkt in der Choreografie eines Besuches in der Silberschmiede. Gerade arbeitet er an einem Schwan, so heißt die berühmte Karaffe von Henning Koppel. Rund eineinhalb Monate benötigt der Handwerker für das Stück. Vor ihm liegen uralte Skizzen und Schablonen mit genauen Abmessungen und Winkeln beschriftet. Davor ist eine Kollektion kleinerer und größerer Hammer ausgebreitet. „Der richtige Sound“ verrate ihm, ob er gut arbeite, erklärt Jesper. Er fährt die Kurve der Karaffe mit den Fingern entlang, von innen sind die Spuren der Handarbeit noch zu erkennen. Objekte von Georg Jensen sind inzwischen so beliebt, wie sie es in den 20er- und 30er-Jahren in Europa waren, als die „Traubenschalen“ König Christian X. und Königin Alexandrine von Dänemark zu ihrer Silbernen Hochzeit geschenkt wurden. Die Wartezeiten für manches Silber kann mehr als ein Jahr betragen. 25 Schmiede arbeiten in der Werkstatt, sie werden vier Jahre angelernt, bis sie jedoch an einen Schwan oder zum Beispiel einen der Wasserbecher wagen dürfen, vergehen noch einmal viele Jahre. Wenn ein Schmied Zweifel ob einer perfekten Kurve oder eines Winkels verspürt, geht er in das Archiv. Das befindet sich an einem geheimen Ort, in zwei riesi- Tisch- und Schmuckobjekte aus JensenSilber: Essigfläschchen-Set Nr. 956 (1946), Fisch „761E“ (1937), Schale „1302“ (1988) gen, dunkelgrünen Stahltresoren liegen die wahren Schätze des Hauses: Archivarin Ida wacht über 20.000 Original-Skizzen und Aquarelle und Zeichnungen in großen Leinenbüchern. Häufig sind ihnen die Gebrauchsspuren der Anfangsjahre anzusehen. In Dutzenden Schubladen lagern antike Schmuckstücke, Gürtelschnallen, Haarkämme, Broschen mit Opalen, eine Armspange von Vivianna Torun Bülow-Hübe mit einem großen „Glasknopf“, unter dem sich eine winzige Uhr versteckt – das Vorgängermodell des berühmten Uhren-Armreifes. Georg Jensen hatte von Anbeginn Künstler eingeladen, mit ihm zusammenzuarbeiten, darunter Graf Sigvard Bernadotte (Sohn des schwedischen Königs Gustav VI. Adolf), Harald Nielsen und er gewann den Maler Johan Rohde als kreativen Partner. Nach seinem Tod 1935 wurde diese Philosophie fortgeführt: Henning Koppel, Arne Jacobsen, Nanna Ditzel, Verner Panton arbeiteten für die Silberschmiede und in jüngerer Zeit Jean Nouvel, Aldo Bakker und Ilse Crawford für die HomeCollection des Hauses. Zuweilen dürfen die „alten“ Originale ans Tageslicht und verlassen das Archiv für Ausstellungen. In den Umzugskartons? „Nein, das ist Tafelsilber“, erklärt der Führer. Das Archiv ist zu klein geworden. Stets kommen neue Funde hinzu. Kürzlich ersteigerte die Firma „aus einer Privat-Sammlung eine große Kollektion, die 30 Jahre lang aufgebaut worden war und die aus rund 100 Stücken bestand, darunter einzigartige“, erläutert Gregory Pepin, verantwortlich für die Bereiche Geschirr und Antiquitäten. 2013 wurde das Unternehmen von David Chu gemeinsam mit der Investmentgruppe „Investcorp“ (Sitz: Bahrain) erworben. Die Philosophie blieb unverändert. „Wir re-designen nicht“, wehrt Gregory Pepin ab. „Wenn wir entscheiden, ein Archivstück wieder in die Kollektion aufzunehmen, wird es genau dem Originalentwurf entsprechen. Beispielsweise feiern wir in diesem Jahr den 100. Geburtstag der ‚Eichel‘-Besteckserie, deren Muster Johan Rohde entworfen hat.“ Georg Jensen sagte an seinem 16. Geburtstag: „Silber ist das beste Metall, das wir haben und das schönste. Es hat diesen herrlichen Mondschein-Schimmer, der an das Licht einer dänischen Sommernacht erinnert.“ In Porcelæanshaven wird sogar der Staub des „925S Sterling“ gesammelt, um dann wieder eingeschmolzen zu werden. Aber eines bleibt auch den Profis nicht erspart. Gefragt, was eigentlich das Geheimnis der Silberpflege sei, antwortet Jesper: „Putzen!“ PORTRAIT GESA HANSEN Wie der Vater so die Tochter: Gesa und Hans Hansen Optimistische Gestaltung Gesa Hansen, jüngste Tochter der Hansen-Familie, ist mit Design aufgewachsen. In vierter Generation entwirft sie heute ihre eigenen Arbeiten. Andreas Tölke ließ sich von ihrer Energie anstecken 30 Ja, es lassen sich von der Einrichtung Rückschlüsse auf den Besitzer ziehen. Die hochbeinigen Sofas mit Holzrahmen aus der Mitte der 50er-Jahre waren einst bei evangelischen Theologen sehr beliebt. Pur trifft auf puritanisch und drunter ließ es sich gut wischen. Heute sind die Sitzmöbel, die einem eine aufrechte Haltung abverlangen, bei Berlin-MitteHipstern das Schickste. Die Sofa-Entwürfe von Gesa Hansen aus dem Sauerland knüpfen dort an, wo Mid-Century-Design sein historisches Ende fand. Gesas Vater, Hans Hansen, ist eine feste Größe in der Welt der schönen Dinge. 2009 wurde ihm der „Red Dot Award“ für sein minimalistisches Bücherregal „Duropal HPL-Solid“ aus Stahl verliehen. Er arbeitet vorzugsweise mit Metall. Anders seine Tochter: „Bei einer der ersten Messen, auf denen ich mit einem eigenen Stück vertreten war, fand mein Vater, dass es der Marke wenig gerecht werde.“ Auf dem Messestand war als Slogan zu lesen: „Minimalism hates Ornaments“, das Glaubensbekenntnis von Hans Hansen. Gesa schrieb kess darunter: „But Ornaments love Minimalism“. Beigelegt wurde der ästhetische Generationenkonflikt über die Lust am Dekorativen ganz schlicht über den Erfolg. Denn den hatte Gesa Hansen von Anfang an. Mit vier Jahren wurde sie zum ersten Mal zu einer Möbelmesse mitgenommen. Die 34-Jährige ist zwischen den Entwürfen des Familienun- ternehmens aufgewachsen und lernte auch gleich, die Konkurrenz zu beobachten. Den akademischen Schliff bekam sie auf der Weimarer Bauhaus Universität. Angetreten, um Grafikdesignerin zu werden, begeisterte Axel Kubus, Professor für Produktdesign, sie schlussendlich für haptische Sensationen. Es folgte ein Praktikum bei Jean Nouvelle in Paris. Er, der Über-Architekt und Pritzker-Preisträger, gestaltet mit seinem Büro auch Möbel. Seit knapp zehn Jahren lebt Gesa Hansen nun in der französischen Hauptstadt: „Heimweh nach dem Sauerland habe ich nur, wenn ich ,Tatort‘ schaue“, sagt sie lachend. Die Werkstatt ihres Großvaters Heinrich liegt mitten im Wald, und Gesa Hansen hat sie sich im wahrsten Sinne des Wortes unter den Nagel gerissen. Ihre Serie „Remix“ ist inspiriert vom Geist ihrer Ahnen: Holzmöbel naturell, meist aus Eiche, aktuell auch farbig lackiert. Zu dieser Serie gehören Sekretär, Esstisch, ein Sofa, das zum Daybed umfunktioniert werden kann, und auch eine charmante Neuinterpretation des Nierentischs. „Das dänisch Beeinflusste geht mir inzwischen aber etwas auf die Nerven“, sagt die Designerin und lacht. Sie wandelt längst auf anderen Pfaden. Zusammen mit Pascaline Feutry und Aï Bihr gründete sie ein Interior Office. Der erste Auftrag der Firma Hansen Feutry Bihr (HFB) war die Gestaltung des Hauses einer Pariser Schauspielerin. Mitt- lerweile hat das Triumvirat zahlreiche Wohnungen, eine Bar in Shanghai, eine Boutique in Saint-Michel und das Pariser „Restaurant 52“ im Portfolio: „Ich mag nichts Bemühtes. Ich mag es, wenn einzelne Teile für sich stehen können und in der Gesamtheit funktionieren“, beschreibt sie ihre Stilkoordinaten. In ihrem eigenen zu Hause in der französischen Hauptstadt lebt sie vor, was sie vertritt: Eames’ Rocking Chair, Eames’ Plastic Side Chair, unprätentiöse Klassiker neben den eigenen Entwürfen vom Esstisch bis zum Sofa. Tochter Lou, vier Jahre alt, wird hier bereits der Weg in eine stilgeprägte Zukunft geebnet. Die Grenzen zwischen Geschäft und Privatem sind durchlässiger als anderswo. Freunde, Familie und Arbeit bilden eine Einheit. Das spiegelt sich auch in einem weiteren Unternehmen, das parallel zum väterlichen Betrieb im Jahr 2009 gegründet wurde: „Hansen Family“ mit Gesa als Chefdesignerin. Aber auch als unabhängige Künstlerin kann man sie über eine Agentur buchen. In dieser Rolle gestaltet sie zum Beispiel gerade einen neuen Parfumflakon für Armani. Andere Designer machen sich Gedanken um neue Aufträge, Gesa Hansen stößt auf Dinge, bei denen sie mitmischen möchte. So gerade geschehen mit „Stählemühle“, einer Brennerei, die vom Gault Millau als zweitbeste Brennerei der Welt geführt wird. „Bei meinem Freund habe ich die Schnäpse kennengelernt und fand das Gesamtpaket mit Künstler-Labels wie zum Beispiel von Jonathan Meese großartig“, erzählt sie. Also griff sie zum Telefon und plauderte mit dem Spirituosen-Experten begeistert über die hochprozentigen Köstlichkeiten. Und Christoph Keller, der Besitzer der Stählemühle, übertrug ihr danach die Neugestaltung der Probierstube. Er ist nicht ihr einziger Kunde, bei dem durch den persönlichen Kontakt der Funke übersprang. Optimismus und Tatkraft ist eben ansteckend. ST B R AU ABGE Esth sich, fand s rck herau a t S e p ip Phil it espräch m G im th a er Strer Die Zukunft des Duschens ist... nass. Alles andere ändert auern s c hön S Zum S ch SPLINTER WORKS; HANSGROHE; TOG, JORGE HERRERA/WIREIMAGE Wenn Männer duschen, sieht das so aus: Gesicht zur Wand, Arme hoch, Wasserstrahl in den Nacken. Immer. Frauen hingegen duschen mal so, mal so: Mit Haare waschen, ohne Haare waschen, nur Haare waschen, und sie sind ungehalten, wenn es keine Handbrause gibt. Immer. So erklärte dies einmal eine Mitarbeiterin eines großen Bäderherstellers. Aber egal ob Mann oder Frau, gebraust wird in Zukunft ohnehin ganz anders. Sagt Philippe Starck. Auf der Frankfurter Fachmesse ISH empfängt der Erfinder des „wohnlichen Waschsalons“ auf dem riesigen Stand von Duravit, der hauptsächlich die neuesten Kreationen des Franzosen zeigt. Im Badezimmer „Cape Cod“ sprudelt Wasser in einer Wanne, deren Ränder so filigran wie die einer Teekanne scheinen, die multivariable Serie „ME“ glänzt vor einer grün oder rosa gekachelten Badezimmerwand. Und dann sind da noch Starcks WCs, und zwar solche, die sich beinahe selbst reinigen, weil der doppelte, innere Rand weggelassen wurde, und auch solche, die den Benutzer gleich mitreinigen. Für wen das unangenehm klingt, dem sei gesagt: Die Einführung des Toilettenpapiers vor weniger als 100 Jahren vollzog sich ebenfalls schleppend, weil es den Menschen damals peinlich war, es zu kaufen. In Frankfurt blickt der rastlose Star-Designer jedoch in die Zukunft, denn „das Thema ,wet salon’ ist erledigt und das Einreißen der Wände zu den Schlaf- oder Wohnzimmern auch. „Der Spaß ist, ich hab das erfunden und in Hotels hat es funktioniert. Die Menschen verbrachten dort ein paar Tage, dann wollten sie es auch zu Hause“, erklärt der Franzose. Was kommt dann aber nach der Wellness-Zeremonie? Nachdem das Bad immer größer wurde, weil es nicht mehr gilt, Funktionalität zu verbergen, und die Nasszelle zum rituellen Zufluchtsort erklärt wurde? Wohin geht es jetzt, da es in vielen Luxushotels nicht mehr möglich ist, ungestört den Körper zu pflegen, wenn man nicht allein reist? „Es geht nicht mehr um Design“, konstatiert der 66-Jährige. Stattdessen gebe es drei neue große Herausforderungen: „Erstens: Bezahlbarkeit und Qualität, zweitens: eine leichte Handhabung, auch was die Reinigung betrifft, und drittens : die Herausforderung, Wasser zu sparen.“ Nicht ästhetische, sondern soziale und ökologische Gesichtspunkte hätten nun Vorrang. Bakterien zu bekämpfen sei zum Beispiel eine notwendige, wichtige Aufgabe. So ist Starck in Sachen Bad inzwischen mehr Ingenieur und Wissenschaftler als Designer, seit zehn Jahren spricht er bereits von einem Waschtisch aus Kupfer, der auf natürliche Art und Weise Bakterien eliminiert. Türgriffe, das größte Vehikel für Über- tragungen von Keimen aller Art, sind für ihn auch ein dringliches Thema. „Bald werden Menschen zu Hause ihr eigenes Wasser reinigen, doch das Traurige ist, dass wir solche Dinge immer ein wenig zu spät machen. Wir sind wie Kinder, erledigen nie etwas im Vorfeld, sondern erst wenn wir gezwungen werden, und manchmal ist es dann zu spät.“ Zurück zum kalt-sterilen Raum geht der Trend aber deswegen keineswegs: „Das ist die große Herausforderung, die Atmosphäre zu erhalten. Wir haben das Knowhow, wir haben die Technik, wir müssen uns nicht mehr zwischen Schwarz und Weiß entscheiden“, sagt Starck. „Wir müssen die Idee des Glücklichseins und des Entspannens behalten, aber die Standards von Ökologie und Biologie sowie den sozialen Parameter erhöhen.“ Für die Marke Axor hat er im vergangenen Jahr neue Armaturen vorgestellt. Sie sind nicht nur hübsch in ihrer Wünschelrutenform, sondern reduzieren den Wasserverbrauch um die Hälfte, ohne dass der Strahl deswegen an Intensität einbüßt. Der Siegeszug der Dusche begann übrigens in Frankreich. 1860 benutzte die französische Armee sie als erste, die Preußen zogen kurz darauf nach. Vor 62 Jahren erfand Hans Grohe den Brausestab, heute ist das Duschen fester Bestandteil des zivilisierten Tagesablaufes und hat die Badewanne, die laut Starck „sowieso verschwinden wird“, zu einem Luxus-Spielzeug degradiert. Die moderne Dusche startet Wellnessprogramme aus Wasser, Dampf, Sound und Licht, sie ist ein Multitalent, das je nach Bedarf munter oder müde macht, Energie schenkt oder Entspannung. Außerdem ist die zeitgenössische Dusche ebenerdig und rutschfest. In Zukunft merkt sich das Bad, dank individueller, digitaler Programme, die denen in Autos ähneln, unsere Vorlieben in Sachen Temperatur, Intensität, Licht, oder ob man Warmduscher oder KneippFan ist. Wenn wir umziehen, nehmen wir das Bad einfach mit, weil es aus modularen Einzelteilen besteht. Die „Weltmeister im Duschsprint“ sind übrigens die Deutschen. In einer internationalen Studio fand der Hersteller Hansgrohe heraus, dass wir mit 49 Minuten täglich die schnellsten im Bad sind, die langsamsten sind die Brasilianer. Philippe Starck duscht übrigens grundsätzlich zweimal am Tag – mit seiner Frau. Jedes seiner Häuser ist nämlich mit Doppelduschen ausgestattet. Womit die soziale Komponente bei ihm schon einmal erfüllt wäre. Badezimmer 3.0: Lampe und Brause in einem: „LampShower“ by Nendo von Axor. Unten: Wanne „Vessel“ von Splinter Works WERKSTATTBESUCH B 2 Form & Familie Die Gebrüder Bouroullec sind sehr beschäftigt und eher verschwiegen. Esther Strerath zeigten die Franzosen trotzdem, wie sie sich Möbel vorstellen, Stephanie Füssenich fotografierte Ein Stuhl ist nicht ein Stuhl, sondern eine komplexe Sache. Dieser ist brandneu und aus der Serie „Belleville“ für Vitra 32 Das Interview verzögert sich um einige Minuten, Ronan Bouroullec hatte spontan eine Idee, die er sofort skizzieren möchte und mit dem Chef eines großen, italienischen Leuchten-Herstellers via iPhone besprechen muss. Wenige Wochen vor dem Start der weltweit wichtigsten Möbelmesse, dem Mailänder Salone del Mobile, liegt in jedem partizipierenden Design-Studio Spannung in der Luft. Bei Ronan und Erwan Bouroullec fühlt es sich eher so an wie die Ruhe vor dem Sturm. Es ist still in dem kleinen Studio, das in einem Hinterhof des Pariser Stadtteils Belleville liegt. Kein Schild weist auf das Atelier der beiden Brüder hin, aber durch eines der anderen Fenster ist eine Flos-Leuchte zu erkennen, die das Duo 2013 in Mailand vorgestellt hat. Und hinter der gläsernen Eingangstür stapeln sich Kartons des italienischen Möbelherstellers Magis, voilà. Da tritt schon ein Mitarbeiter, Jung-Designer Michel aus der Schweiz, vor die Tür und bietet eine kleine Führung durch die Ideen-Schmiede an. Mon Dieu, das Studio! Wer zeitgenössisches Design schätzt, der fühlt sich hier, als sei er kopfüber in eine Schatzkiste gefallen. Neben einem Vintage-Sideboard, auf dem eine Espressomaschine in unregelmäßigen Abständen gurgelt, steht eine blassrote Glasbank von Glasitalia, ein transparenter Plastikstuhl sticht ins Auge und eine Mitarbeiterin sortiert unzählige kleine Muster für eine Teppich-Kollektion, die demnächst weiterentwickelt werden soll. Hier ein Outdoor-Stuhl, dort eine Leuchte in einer Farbe, die es auf dem Markt nicht geben wird, sowie Modelle, von denen man verspricht, sie nicht gesehen zu haben – „top secret“. Die Treppe hinauf sind die neuen Stühle für Vitra aufgereiht, verschiedene 3 Prototypen, einer noch mit einer Art shop at santonishoes.com Erwan (links) und Ronan Bouroullec am Eingang ihres Studios in einem Pariser Hinterhof, das beide täglich zu Fuß von zu Hause aus erreichen 3 Knetmasse am Rahmen behaftet. Dahinter, auf einer Fläche, die als Fotostudio dient, stehen die fertigen Versionen, so wie sie in Mailand gezeigt werden. Die Stühle stammen aus der Serie „Belleville“ und Erwan Bouroullec, der jüngere Brüder, nimmt auf einem von ihnen Platz und erklärt: „Der Stuhl ist eine der längsten Entwicklungen, mit denen wir je konfrontiert waren. Es gibt ihn in Schichtholz, oder Kunststoff mit Polyamid-Rahmen, und in einer Version mit Armlehnen. Wir mussten tief in die Technologie eintauchen, um die beste Performance bezüglich der Stabilität und am Ende einen bezahlbaren Preis liefern zu können. Das Wichtigste war, die Eleganz zu erhalten.“ Multi- 34 STEPHANIE FÜSSENICH funktionale Stücke sollen die Stühle aus der Serie „Belleville“ werden, geeignet für drinnen und draußen, für Hotels oder Cafés, aber auch für den Privatgebrauch. So eine Vielfältigkeit möglich macht eine Hybrid-Konstruktion, der Rahmen wurde von der Schale getrennt, was bei Kunststoff sonst nicht üblich ist. „Das ermöglichte uns, radikaler zu sein“, so Bouroullec. Er holt eine ziemlich dünne Sitzschale herbei und demonstriert, wie einfach sie sich in das grazile Gestell klacken lässt. Allmählich ahnt man, seinen ausführlichen Beschreibungen zuhörend, warum das Neuerfinden eines Möbelstücks manchmal mehr als zwei Jahre dauern kann. Weil das Team immer noch überschaubar ist, können sie sich viele Freiheiten erlauben. Seit sie Ende der 90er-Jahre von Giulio Cappellini entdeckt wurden und daraufhin schnell von einem Geheimtipp zu begehrten und erfolgreichen Produkt-Designern aufstiegen, hat sich in dem Studio gar nicht so viel verändert. Während vergleichbar bekannte Kollegen oft Dutzende Angestellte beschäftigen, wollten die Bouroullecs stets klein bleiben. „Wir sind ein bisschen wie eine Rockband“, sagt der zurückhaltende Enddreißiger Erwan. „Wir könnten jederzeit auf Tournee gehen, haben viel Energie. Aber das funktioniert alles nur mit großer Entourage. Die aber ist nicht leicht zu bewegen. Somit ist unsere Freiheit vielleicht auch eine Einschränkung. Wir können zum Beispiel kein Auto entwerfen.“ Stattdessen aber Tische, Stühle, Sofas, Leuchten, Teppiche und Kacheln – die fünf ProduktDesigner, eine Praktikantin und die Gebrüder arbeiten immer an mehreren Projekten gleichzeitig. Keine der Firmen, mit denen sie kooperieren, gleicht der anderen. Neben Vitra sind auch Beziehungen entstanden zu dem italienischen Familienunternehmen Magis, zu dem Holzspezialisten Mattiazzi, zu der Leuchten-Firma Flos und zum dänischen Möbelhersteller Hay. „Jede Firma ist wie ein menschlicher Körper. Da gibt es die Historie, die man respektieren muss, das sind ihre Füße. Man kann mit ihnen tanzen, aber man kann sie nicht ändern.“ Ronan Bouroullec wird später noch sagen: „Ich bin polygam, mit vier, fünf Firmen verheiratet, die ich liebe. Vitra ist vermutlich die erste Liebe, aber Cappellini hat mich entdeckt, als ich noch ein Student war. Ende der 90er-Jahre war das, eine andere Zeit, freier irgendwie.“ Damals beschlossen die Brüder, aufgewachsen in der Bretagne und beide Absolventen französischer Hochschulen, gemeinsam zu arbeiten. Heute gibt es nichts, das nur einen von ihnen als Schöpfer ausweist. Erwan Bouroullec erklärt: „In den vergangen Jahren haben wir gelernt, nicht alles immer zu diskutieren. Wir machen alles zusammen, doch mal ist der eine näher an einem Projekt, mal der andere. Derjenige, der von außen darauf blickt, ist dabei immer genauso wichtig, hat manchmal eine klarere Vision. Wir interagieren immer, aber im Moment verbringen wir etwas weniger Zeit zusammen.“ Während Erwan, der jüngere Bruder, sich zunehmend für Robotik interessiert, vertieft sich der ältere mehr und mehr in die Arbeit mit traditionellen Materialien wie Keramik 3 und Glas. Beide zeichnen eigentlich Nach Kindern und Karriere sollte sich einmal alles nur um Sie drehen. blu by kim Blu BY KIM reiht organisch gerundete Kugeln zu einem unendlichen Ring aneinander. Zum Sammeln und Kombinieren. Entdecken Sie die Welt von Blu BY KIM bei Wempe an den besten Adressen Deutschlands und in London, Paris, Madrid, Wien, New York und Peking oder bestellen Sie unter www.wempe.de STEPHANIE FÜSSENICH; PAUL TAHO N AND R & E BOUROULLEC 3 unentwegt, eine Art Meditation sei das und auch Tagebuch. Gemeinsam denken sie viel über das Leben nach. Das kann man als typisch französisch verstehen. Aber es gehört auch zum Profil des Berufs dazu. „Der Design-Prozess ist ein wenig seltsam“, überlegt Erwan. „Man muss sich selbst zu viele Ideen verbieten. Sobald man ein Projekt zugesagt hat, muss man sich konzentrieren, muss, wie bei einem Baum, dessen Zweige ein bisschen schwach sind, immer wieder stutzen. Es vergeht viel Zeit, in der wir Dinge erfinden und zeichnen. Aber dann gibt es wiederum andere Phasen, in der wir immer dieses Ding anschauen und es reduzieren, etwas wegnehmen, wieder schauen, nachdenken. Das ist wie eine Meditation. Dann findet man den stärksten Teil. Man muss lernen, zu warten.“ Umso wichtiger ist ihnen die experimentelle Arbeit außerhalb dieses Rahmens, für oder mit Kunstgalerien, wie zum Beispiel der Galerie Kreo in Paris. Seit eineinhalb Jahren hängt ein Werk der Bouroullecs in Versailles, das erste zeitgenössische Objekt in dem Barockschloss aus dem 17. Jahrhundert: Ein zwölf Meter langes Geschmeide, aus 800 KristallModulen gefertigt, das an eine gigantische Körperkette erinnert und als fantastischer Chandelier den Eingang des Palastes erhellt. „Versailles gab uns eine ,Carte Blanche‘ und Sofa-Pausen sind derzeit selten: „Plume“ ist jüngstes Mitglied der hochwandigen „Alcove“Familie, die die Brüder für Vitra entworfen haben. Darunter: Wolken für Wände oder als Raumteiler: „Clouds" ist ein unendlich erweiterbares und Geräusche schluckendes ModularSystem aus Stoff und mit einem eigens erdachten Fixier-System, das sein Wachsen, einer Pflanze gleich, ganz leicht ermöglicht 36 dann sprachen wir Swarovski an, die uns einmal zu einer Ausstellung, dem ‚Crystal Palace’, eingeladen hatten. Damals haben wir, das hatte Swarovski sicher nicht geplant, nur einen kleinen Stein präsentiert“, erinnert sich Erwan Bouroullec grinsend und formt mit den Händen einen faustgroßen Kiesel. „Er war für uns besonders geschliffen worden und in seinem Inneren leuchteten LEDs, man konnte ihn hintragen, wohin man grad wollte.“ Jetzt wiederum entsteht aus dem Versailler Lüster eine Leuchte für Flos, das Muster eines Teppichs taucht ähnlich bei Kacheln auf, auf der Online-Möbelplattform „The Wrong Shop“ kann man Zeichnungen erwerben, die vielleicht aus Studien hierzu entstanden sind. „Viele Konzepte oder Arbeiten reisen mit uns von einem Projekt zum nächsten.“ Die Grenzen zwischen Kunst und Design verschwimmen in diesem Studio in Belleville, ein Grund, warum die Möbel als Zeitzeugen in Museen wie dem Centre Pompidou, MoMa in New York, dem Art Institute of Chicago, und dem Design Museum in London exponiert sind. Eines der Projekte, das gerade Form annimmt, ist eine Ausstellung in Tel Aviv im kommenden November. Ronan Bouroullec zeigt Zeichnungen und Kollagen: Eine „Promenade“, verschiedene Räume durch bunte, gläserne Wände getrennt, darüber sind Muster gemalt, wie die traditioneller Kacheln. „Wir spielen mit dem Licht in Tel Aviv.“ Vor ihm liegt auch die Idee zu der neuen Flos-Leuchte, „ein Jahr lang verfolgten wir eine idiotische Idee, dann haben wir zufällig eine neue Technik entdeckt. Also habe ich das ganze Wochenende gezeichnet, im Zug, Freitagnacht und dann den Prototyp erhalten. Ich mag das sehr, so zu arbeiten, es ist hart an der Grenze, es ist wie Aquaplaning, es gibt viele Möglichkeiten zu verunglücken“, sagt er lächelnd. Hinter ihm lehnen Schiefertafeln an der Wand, voll gezeichnet mit weißer und rosafarbener Kreide, Bouroullec mag beides, „die Palette der Möglichkeiten in dieser Welt ist groß, also muss man sie intelligent nutzen. Ich habe einen schnellen Computer hier, aber auch eine Tafel. Ich zeichne etwas, benutze mein iPhone und schicke das Bild sofort an jemanden.“ Nur manchmal entzieht er sich dem Rhythmus dieses effektiven Systems, dann fährt er in sein Haus in der Bretagne. „Süpersmall“ sei das, sagt er, wieder zeigt er Fotos: „Es gibt kein Internet, aber es liegt direkt an der See, eine Hütte mit Blick auf das Meer. Es ist kein freundlicher Ort, das Klima ist rau. Ich bin gerne alleine dort, schwimme, surfe. Es ist ein guter Platz, um nachzudenken und zu zeichnen. Aber es ist keine Pause, wenn ich zurückkehre, bin ich erschöpft.“ Auf den Bildern ist sein Sekretär zu sehen, er steht vor einer geöffneten Flügeltür und das wilde Wasser glitzert im Hintergrund. Ronan Bouroullec hat erst kürzlich auf Ebay alte Holzschränke zu einem Schnäppchenpreis ersteigert, die er hat aufarbeiten lassen, sie stehen jetzt in seinem Pariser Atelier. Er drückt einen Anruf weg und gesteht: „Ich hätte gern eine Welt, die so wäre wie die Schränke, ohne Chichi. Das wollen wir ja hier, interessante Dinge schaffen, die lange, lange halten und die so gut sind, dass man weiter nicht viel braucht.“ INTERVIEW Ganz oben Statt Taschengeld und Spielzeug bekam Matteo Thun nur Ton. Er sollte selbst was machen. Und was er dann alles gemacht hat! Sven Michaelsen hat den Designerstar befragt 38 PHOTOSELECTION/ ROBERT FISCHER Ich bin allergisch gegen alles, was ich selbst gestaltet habe Sie heißen Matthäus Antonius Maria Graf von Thun und Hohenstein. Warum gaben Sie sich den prosaischen Namen Matteo Thun? Wenn Sie als Italiener Ihre Steuererklärung machen, müssen Sie zig Formulare ausfüllen. Ich war es irgendwann leid, jedes Mal diesen ellenlangen Namen hinschreiben zu müssen. Sie sind auf zwei Schlössern in Bozen aufgewachsen und sagen: „Es gibt nichts Grauenhafteres, als in einem Schloss zu leben.“ Es ist nahezu unmöglich, Schlösser zu heizen, und mit dem Komfort in Bad und Küche steht es auch nicht zum Besten. Meine Mutter verbot mir, am Boden zu spielen, weil der Marmor auch im Sommer eiskalt war. Aber welches Kind spielt schon gern an einem Tisch? Später besuchten Sie eine Klosterschule des Franziskanerordens. Wie ging es dort zu? Es herrschten strengste Disziplin und katholische Starrköpfigkeit. Eine lebende Fremdsprache zu lernen war verboten. Nur Esperanto und Stenografie waren erlaubt. Jeden Morgen um sieben war Messe, und am Anfang und am Ende jeder Schulstunde wurde gebetet. Auch bei uns zu Hause herrschte mönchische Askese. Ich bekam kein Spielzeug geschenkt, sondern Ton. Mit ihm sollte ich mir meine Spielzeuge selber machen. Taschengeld gab es auch nicht. Jede Lira wurde in die Keramikwerkstatt meiner Eltern investiert. Ursprünglich wollten Sie Maler werden und waren Schüler von Oskar Kokoschka an der Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg. War das eine prägende Erfahrung? Kokoschka war schon sehr alt und interessierte sich hauptsächlich für seine Frau Inge, eine fantastische blonde Deutsche. Wir Schüler zeichneten Akte und Porträts. Meine Karriere als Maler endete, als wir die Opernsängerin Anneliese Rothenberger porträtieren sollten. Sie stand uns 20 Minuten lang Modell und war sehr von sich eingenommen. Als sie mein Bild sah, war sie entsetzt und behandelte mich mit Eiseskälte. Ich hatte ihre Pupillen falsch gesetzt, sie schielte. Von diesem Moment an war ich an der Akademie verloren. 1978 begann Ihre Zusammenarbeit mit dem 35 Jahre älteren Design-Avantgardisten Ettore Sottsass, der mit seiner leuchtend roten Schreibmaschine für Olivetti zu Weltruhm gelangt war. Wie haben Sie ihn kennengelernt? Er hielt einen Gastvortrag, als ich in Los Angeles Architektur studierte. Er war ein unnahbares Idol, ein Mythos, der es ablehnte, zu unterrichten und Schüler zu haben. Vor seinem Rückflug nach Italien wollte er das Grab von Marilyn Monroe sehen. Ich fuhr ihn hin und besorgte ihm an einer Tankstelle eine Rose für das Grab der Monroe. Während der Fahrt konnte ich ein bisschen an ihn rankommen. Als wir uns am Flughafen verabschiedeten, sagte er, ich solle ihn besuchen, wenn ich mal nach Mailand käme. Ich spürte aber, dass das bloß eine Höflichkeitsfloskel war. Dennoch standen Sie wenig später vor seiner Bürotür. Er tat zumindest so, als würde er sich an mich erinnern und überließ mir eine Arbeit, zu der er gerade keine Lust hatte. Ich sollte für eine damals unbekannte Firma namens Alessi eine Menage für Essig, Öl, Salz und Pfeffer entwerfen. Als Architekt war ich ein Anfänger, und von Design hatte ich auch keine Ahnung. Ich war der Spott der Profis, die mit ihren Rotring-01-Stiften perfekte Zeichnungen anfertigten. Ich dagegen schmierte mit HB-Bleistiften rum, machte alles schmutzig und zweifelte dauernd an mir . Nichtsdestotrotz gelang es mir, für Ettore die meistkopierte Menage der Moderne zu zeichnen, die jahrelang der größte Umsatzbringer von Alessi war. Hat Sottsass sofort erkannt, dass da jemand die Gabe des guten Auges hatte? Wenn er dieser Meinung war, hätte er es nie gesagt. Er kam auch nie auf die Idee, mich anzustellen, weil er als radikaler Kommunist aus Prinzip niemanden bezahlen wollte. Ich arbeitete zweieinhalb Jahre gratis für ihn und bekam oft verbale Prügel. Auch die Arbeitsbedingungen waren nicht die besten. Wir hatten keine Sekretärin, keine Fotokopierer, und wenn ich zu Alberto Alessi fuhr, um mit ihm über meinen Öltropfenrücklaufmechanismus zu sprechen, musste ich das Benzin und die Fotokopien selber bezahlen. Der tonangebende Designer jener Zeit war Dieter Rams mit seinen Entwürfen für Braun. Über einen seiner berühmtesten spotteten Sie: „Meine emotionale Bindung zu einem BraunWecker ist ähnlich einer, die ich zu einer toten grauen Maus haben würde, die mich jeden Morgen um 6.45 Uhr aus dem Schlaf schreckt.“ Ende der Siebziger herrschten überall das Bauhaus und die Ulmer Schule. Alles war mausgrau, ein steriler Funktionalismus ohne Lebensfreude und Witz. Das hat bei Sottsass und mir zu einer explosiven Proteststimmung geführt. Wir waren stinkwütend, dass uns niemand das machen ließ, was wir machen wollten. Die Zeit war reif für ein Erdbeben. Eines Tages sagte Sottsass: „Ich habe es satt! Ab jetzt geben wir uns selbst Aufträge.“ In der Praxis sah das so aus, dass ich tagsüber Haartrockner für Wella zeichnete und nachts an eigenen Projekten arbeitete, für die ich in Vorkasse treten musste. Die Nächte endeten mit Rotweinschlachten und weinenden Frauen. Nach Mitternacht beschimpfte Sottsass unsere Frauen als dumme Kühe, weil sie uns Männer von der Arbeit abhalten würden. Zu mir sagte er: „Wenn du heiratest, ist es aus mit uns! Entweder gehörst du zu mir und der gemeinsamen Sache, oder du gehst!“ Die Entwürfe, die nachts in Sottsass’ Büro entstanden, wurden unter dem Namen Memphis weltberühmt. Wie kam eine Gruppe italienischer Designer darauf, sich ausgerechnet nach einer Stadt in Tennessee zu nennen? Das hat mit einer Schallplatte zu tun, die einen Kratzer hatte. Sottsass hatte an jenem Abend Bob Dylan aufgelegt, und es wurde jede Menge Rotwein getrunken. Trotzdem kam keiner von uns auf eine zündende Namensidee. Als die Platte bei der Zeile „With the Memphis blues again“ hängenblieb, notierte Sottsass ganz einfach das Wort „Memphis“. 1981 besuchte Sie Karl Lagerfeld in Mailand. Wie reagierte er auf Memphis? Er hatte von uns gelesen und wollte sich aus Neugier ein paar Objekte ansehen, mehr nicht. Ich tat total gelassen, aber in Wahrheit schlotterten mir die Knie. Wir waren vollkommen pleite, weil wir die Sachen selbst finanziert hatten. Während des Rundgangs blieb Lagerfeld stehen und fragte: „Soll ich etwas kaufen?“ Mit dem Mut der Verzweiflung antwortete ich: „Karl, kaufen Sie doch einfach „Soll ich etwas kaufen?“, fragte Karl Lagerfeld alles.“ Er sagte: „Gut, schicken Sie mir die Sachen nach Monte Carlo.“ Viele Jahre später hat er die Objekte mit gutem Gewinn wieder verkauft. Sie blicken mit gemischten Gefühlen auf Memphis zurück. Warum? Ich sagte zu Sottsass, nach ein, zwei Jahren müsse Schluss mit Memphis sein. Aber er ließ sich durch den unglaublichen Erfolg verführen und machte weiter. Eine Schockwirkung kann aber nie von Dauer sein. Der Futurist Filippo Tommaso Marinetti schrieb mal, ein Rennwagen sei schöner als die Nike von Samothrake. So ein Satz kann im richtigen historischen Moment für kurze Zeit zu produktiven Gedanken führen, aber dann muss man ihn mit der nötigen Distanz betrachten. 2014 zu schreiben, ein Ferrari sei schöner als eine Symphonie von Beethoven, wäre dämlich. 1990 unterschrieben Sie einen Vertrag mit der Uhrenfirma Swatch. Deren Produkte galten damals bei Trendjüngern als hot shit. Ich war dort drei Jahre lang Kreativdirektor für die Kollektionen und neun Jahre für das Design der Läden verantwortlich. Als ich kam, wurden acht Millionen Uhren im Jahr verkauft, als ich ging, 24 Millionen. Für den damaligen Eigentümer war eine Swatch eine Uhr, und Uhren verkauft man in Juweliergeschäften und Kaufhäusern. Für mich dagegen war eine Swatch eine Lifestyle-Deklaration, mit der man nebenbei auch noch die Zeit ablesen konnte. Deshalb wollte ich unsere Uhren in eigenen Läden verkaufen und in die Segmente Basic, Classic und Fashion unterteilen. Den ersten Swatch-Laden ließen wir heimlich an einer Tankstelle in Bellinzona bauen. Nach dieser Initialzündung ging es rasant aufwärts. Allein 1995 eröffneten wir weltweit mehrere Tausend Läden. Welche Lehre haben Sie aus Ihren SwatchJahren gezogen? Mein Chef war der Swatch-Erfinder Ernst Thomke. Als ich eine Swatch aus Metall entwickeln sollte, landete ich nach einem Jahr harter Arbeit immer noch beim Vierfachen des vorgegebenen Herstellungspreises. Als ich Thomke um seine Hilfe bat, schimpfte er, ich hätte keine Ahnung von Technik. Es gebe da einen Mann, der ein Pulver bei 800 Grad zu etwas werden lasse, das wie Metall ausschaue. So ist die Swatch-Irony entstanden, bis heute der Umsatzbringer des Unternehmens. Für mich war diese Erfahrung ein unvergesslicher Tritt in den Hintern. Ich hatte ein Jahr lang an einer falschen Strategie gearbeitet, weil ich mich nicht für technische Innovationen interessiert hatte, in diesem Fall für den Sinterprozess. Das ist mir in mei3 nem Leben nie wieder passiert. 39 MATTEO THUN (7); AKG; STUDIO AZZURO/COURTESY OF MEMPHIS 3 Warum blicken Sie auch auf Ihre Zeit bei Swatch mit gemischten Gefühlen zurück? Ich habe Tonnen von Plastikuhren auf dem Gewissen, und wie Ihnen jeder Ökologe erklären kann, hat Plastik nun mal diese verdammte Endgültigkeit. Im Nachhinein finde ich es falsch, Kunststoffobjekte zu einem WegwerfGadget gemacht zu haben. Ich war geblendet von der Vision, Millionen von Menschen für 50 D-Mark eine Identität geben zu können. Haben Sie je Swatch-Uhren getragen? Nein. Sie sind sehr laut. Das ist ihr großer Makel. Ich trage eine Uhr, die ich vor gut zehn Jahren entworfen habe. Sie ist ein No-LogoStatement, weil das Ziffernblatt vollkommen leer ist. Diese Uhr ist für mich ein wahres Designobjekt, weil es keine Auskunft darüber gibt, wann und von wem es gestaltet wurde. Und vor allem ist diese Uhr kein Statussymbol. Der Architekt Rem Koolhaas sagt, er habe noch nie in einem Haus gewohnt, das jünger war als hundert Jahre. Das ist bei mir genauso. Die Memphis-Gruppe im Jahr 1981 (oben): Matteo Thun (liegt rechts unten) umringt von Design-Kollegen wie auch Ettore Sottsass (rechts oben) Verkaufsschlager: die Menage für Alessi (unten) In den 90er-Jahren entwarf Matteo Thun Uhren für Swatch (links), und 1982 die Teekanne aus der „Rara Avis“ Kollektion (unten) Warum ziehen Architekten Altbauten ihren eigenen Kreationen vor? Die Patina alter Gebäude hat eine sensorische Qualität, die etwas Neues nicht haben kann. Das gilt für Optik, Haptik und Geruch. Warum altert nichts schneller als Design? Es stimmt, die Welt ist voller Designkadaver. Aber nur schlechtes Design erscheint uns schon morgen als hässlich. Ein Objekt sollte ästhetische Durabilität und Nachhaltigkeit besitzen und dazu gehört es, den Zeitgeist auf ein Minimum zu reduzieren. Ihn komplett zu ignorieren ist nahezu unmöglich. Ihr weltberühmter Kollege Koolhaas klagt: „Als Architekt wird man nicht reich. Norman Foster vielleicht und Frank Gehry, aber nicht ich. Wir Architekten arbeiten wie in einer mittelalterlichen Gilde. Wir bekommen einen kleinen Prozentsatz von der Bausumme. Und der bleibt gleich, egal wie bekannt man ist.“ Perfekt ausgedrückt. Das kann ich nur unterschreiben. Die Tarife für Architekten sind ein Hungerlohn. Zu Geld kommen nur jene Kollegen, die einmal eine Formel entwickeln und sie dann viele Jahre lang wiederholen. Diese Bauten haben einen phänomenalen Wiedererkennungswert, weil sie alle gleich aussehen. Umgekehrt gibt es Architekten wie Koolhaas oder Herzog & de Meuron, die bei jedem neuen Projekt von vorne beginnen und sich fragen: In welchem Klima baue ich? Wie ist der Genius loci, und welchen Einfluss sollte die Seele des Ortes auf die Formgebung haben? Für diesen höchst bedeutsamen Teil der Arbeit gibt es leider keinen Cent Honorar. Für das Hamburger „Side“-Hotel entwickelte Thun 2001 das Interiorkonzept Er kann auch WC: Für Geberit entwarf der Italiener 2013 die AcquaClean Sela-Toilette Für das JW Marriot Resort in Venedig (2015) zeichnete Thun den Masterplan Warum gestalten Sie nichts lieber als Bestecke und Klos? Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit der Geschichte der Toilette. Die Nahrungsaufnahme und -abgabe sind anthropologisch die wichtigste Funktion einer Behausung, und es gibt nichts Intimeres als Defäkation und Essen. Gabel und Löffel stecken Sie in den Mund. Die Form dieser Gegenstände muss lippen-, finger- und speisengerecht sein, deshalb ist der Spielraum bei der Gestaltung minimal– eine höchst spannende Aufgabe! Das japanische Unternehmen Toto setzt mit Hightech-Toiletten 25 Milliarden Euro im Jahr um. Die Modelle haben beheizbare Klobrillen, Bidet- und Massagefunktionen, Warmluftgebläse, Raumdeodorierer und eingebaute MP3Player, die die Verdauungsgeräusche mit selbstgewählter Musik übertönen. Einige Modelle leuchten sogar im Dunkeln. Sitzen Sie gern auf diesen Toiletten? Mein Hinterteil braucht kein Licht und muss auch nicht erwärmt werden. Die meisten Attribute von Toto-Toiletten sind bloß Gimmicks, nutzloser Schnickschnack. Ich sage das, weil ich das Dusch-WC für ein zentrales Thema halte. Es säubert gründlich, ist hygienisch und benötigt kein Papier. Wir haben gerade ein Modell entworfen, das intuitives Bedienen ermöglicht. Das Design ist so einfach wie möglich, die Technik bleibt verborgen. Ich bin kein Freund des Autorendesigns und der Autorenarchitektur. Ich mag auch keine Marken. Wenn auf Schuhen ein Logo prangt, ziehe ich sie nicht an. Startum und große Egos sollten wir Popmusikern und HollywoodSchauspielern überlassen. Ich glaube, dass wir einen fundamentalen Paradigmenwechsel erleben. Für mich war der 11. September auch das endgültige Aus für einen bestimmten Konsumhabitus. Heute zählt für mich nicht mehr Besitz, sondern mentaler Wohlstand. Ich habe in Mailand ein riesiges Archiv mit meinen Arbeiten. Vor Kurzem habe ich Hunderte von Objekten an meine Mitarbeiter verschenkt. Den Rest habe ich mit mehreren Lastwagen auf eine Müllkippe bringen lassen. Mich von meinen Arbeiten zu verabschieden, hat mir den Kopf für Neues frei gemacht. „Ethik ist genauso wichtig wie Ästhetik“, lautet ein Credo von Ihnen. Kann Formgebung unser Verhalten positiv beeinflussen? Ja, und ich nenne Ihnen ein Beispiel. Italiener kennen kein Frühstück wie Nordländer. Sie gehen in eine Bar und trinken stehend einen Espresso. An den Espresso-Maschinen arbeiten hochbezahlte Superprofis, die einem enormen Druck ausgesetzt sind. Dieser Druck führt dazu, dass es keine Höflichkeit mehr gibt. Einen Espresso zu trinken sollte aber ein Ritual sein, ein zelebrierter Genussmoment. Stattdessen wird einem die Tasse auf die Untertasse geknallt. Um höflich bedient zu werden, habe ich für Illy eine Untertasse entwickelt, die in der Mitte nicht wie üblich eine Kuhle hat, sondern ein Höckerchen. Diese kleine Empore zwingt den Barista dazu, mir meinen Espresso mit einer höflichen Bewegung auf die Untertasse zu stellen. Der bekannteste lebende Designer ist Philippe Starck. Wie erklären Sie einem Laien den Unterschied zwischen Ihnen beiden? Privat sind wir gute Freunde, aber in unserem Beruf verkörpern wir das extremste Gegenteil, das sich denken lässt. Philippe macht Lifestyle-Design, bei dem man auch im Dunklen erkennt, dass es von ihm ist. Ob Stuhl, Lampe oder Haus, die Starck-Zeichen springen einen in der ersten Sekunde ins Auge. Ich dagegen mache etwas, das man Zero-Design nennen könnte. Meine Gestaltung beginnt mit Vereinfachung, mit der Wegnahme von allem Überflüssigen und der Suche nach dem ikonischen Archetyp. Für mich ist die Reduktion auf das Wesentliche die komplexeste Kunst der Formgebung. Einfachheit ist Wissen plus sehr viel Arbeit. Gibt es noch Objekte, die dringend einer neuen Form bedürfen? Nein. Ich bezweifle auch seit Jahren, ob ein Design-Festival wie die Mailänder Möbelmesse noch sinnvoll ist. Die meisten der dort gezeigten Produkte fügen dem Vorhandenen nichts hinzu. Ich finde es zum Beispiel unnötig, einen neuen Stuhl zu produzieren. Bei diesem Produkt gibt es kaum technische Innovation, und die Formgebung scheint mir auch ausgereizt. Die Stühle aus dem ligurischen Fischerdorf Chiavari, Chiavarina genannt, erfüllen alle meine Wünsche. Leben Sie mit Thun-Objekten? Nein. Ich bin allergisch gegen alles, was ich selber gestaltet habe, vielleicht weil bei mir unglücklicherweise etwas von der Askese der Franziskaner hängengeblieben ist. Mein Lehrmeister Sottsass hat es genauso gehalten. Er lebte in einen kleinen Wohnung mit weißen Wänden und schlief auf einer am Boden liegenden Matratze – und er war immerhin der bekannteste Designer des 20. Jahrhunderts. Sind Peinlichkeiten unter Ihren Entwürfen? Mir klappen stets die Fußnägel hoch, wenn mir etwas begegnet, das ich gestaltet habe. Betrete ich ein gerade eröffnetes Hotel von mir, sehe ich mindestens ein Dutzend für mich schwerwiegende Fehler. Weil die aber offenbar keinem anderen auffallen, verschwinden meine Depressionen wieder, und ich denke, vielleicht ist dieses Hotel ja doch einigermaßen akzeptabel. Sie haben 1995 aufgehört, Ihre Entwürfe zu signieren. Warum? Die bedeutendste ästhetische Revolution der letzten 20 Jahre stammt von dem britischen Apple-Designer Jonathan Ive. Werden wir es bald satthaben, mit einem iPhone zu telefonieren, weil der Mensch neben uns ebenfalls mit einem iPhone telefoniert? Das Problem des iPhones ist nicht der fehlende Distinktionsgewinn. In Fernost erleben Sie, dass Produkte von Samsung vorherrschen. Der Grund ist das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis. Deshalb beherrscht Samsung in Fernost den Markt. Apple zeigt bei der Preisgestaltung und Distribution eine unglaubliche Überheblichkeit. Warum benutzen Sie ein iPhone? Es bedeutet mir nichts. Mit einem Billigtelefon könnte ich genauso gut auskommen. Mein Telefon liegt auf dem Tisch meiner Assistentin. Ich habe mir vor vielen Jahren eine neue Nummer geben lassen und führe nur noch durchschnittlich vier Telefongespräche am Tag. Dass ich überhaupt noch ein Handy habe, hat nur zwei Gründe: Ich will mit meiner Familie in Kontakt treten können und bei einem Unfall Hilfe rufen können. Warum zieht es immer mehr Star-Architekten in ferne Länder? Weil Europa im großen und ganzen fertig gebaut ist. Das Problem ist das unglaubliche Tempo, mit dem in Ländern wie China gebaut wird. Dieses Tempo geht auf Kosten der Detailqualität, und die ist am Ende entscheidend für die ästhetische und technische Durabilität. China könnte ein ähnliches Schicksal erleben wie Dubai, das in 20 Jahren eine Ghost Town sein wird. Diese Stadt ist das größte Umweltfiasko, das der Mensch je zustande gebracht hat. Das Szenario des Films „Blade Runner“ wird man in ein oder zwei Generationen in Dubai ähnlich erleben. Meine Kinder werden ihre Kinder dorthin führen, um ihnen zu zeigen, wie verrückt ihre Großeltern waren. Sie hatten mal ein Büro in Riad. Warum haben Sie es wieder geschlossen? Weil ich meine Kunden nie verstanden habe. Beduinen denken anders, und ihr auf dem Prinzip Inschallah beruhendes Zeitverständnis liegt mir auf Effizienz getrimmten Zentraleuropäer nicht. Im arabischen Raum ist die Zeitachse ein Gummiband, und es ist sehr schwer, im dortigen Architekturgeschmack einen roten Faden zu finden. Das Einzige, was momentan gut ankommt, ist Greenwashing, verlogene Ökologie. Man hängt sich ein grünes Mäntelchen um, damit die Sünden nicht sofort ins Auge springen. Zu den Erfahrungen von Reisenden gehört es, dass man selbst in gehobenen Hotels mit absurden Planungs- und Einrichtungssünden konfrontiert wird. Wie erklären Sie das? Ich schlafe über hundert Nächte im Jahr in Hotels, ich weiß, wovon Sie sprechen. Im Badezimmerspiegel sieht man wegen der ungünstigen Beleuchtung aus wie Nosferatu, man weiß nie wohin mit den Hygieneutensilien, und um zu verstehen, wie die Dusche funktioniert, müsste man eine ausführliche Unterweisung erhalten. Schon der normale Hausverstand müsste einem Planer sagen, dass der Gast nicht erst seine Brille aufsetzen möchte, um herauszufinden, wie man die Wassertemperatur einstellt. Das Schlimmste sind die Lichtanlagen. Wenn man abends im Bett das Licht ausmachen möchte, muss man noch mal eine Runde durchs Zimmer drehen, um auch den letzten Lichtschalter zu finden. Stimmen Sie zu, dass zwei Drittel aller deutschen Restaurants am Licht scheitern? Ja. Die meisten deutschen Restaurants sind dreimal so hell beleuchtet wie amerikanische und entsprechend ungemütlich. Die Beherbergungsverordnung schreibt eine bestimmte Lux-Zahl am Tisch vor, weil Sie sonst angeblich das Schnitzel auf Ihrem Teller nicht finden würden. Das Gleiche gilt für Büros. Grauenvoll! Es gibt in Deutschland auch Vorschriften, die den Isolierschutz von Fenstern festlegen. Letzteres hat dazu geführt, dass deutsche Neubauten momentan die hässlichsten Fenster der Welt haben. In immer mehr Hotels ist das Bad nur noch mit einer Glasscheibe vom Wohnbereich abgetrennt. Halten Sie das für einen Fortschritt? Tageslicht im Bad ist ein Muss, denn der Mensch funktioniert nun mal besser mit natürlichem Licht. Trotzdem möchte ich bei der Körperhygiene keine Zuschauer haben. Diesen Widerspruch zu lösen, ist die Kunst des Innenarchitekten. Eine Möglichkeit sind verstellbare Holzlamellen vor der Glasabtrennung. Was Tageslicht angeht, bin ich nur bei einem einzigen Ort kompromissbereit: dem WC. Wissen Sie übrigens, dass Martin Luther zeitlebens an Verstopfung gelitten hat und ewige Zeiten auf dem Klo zubrachte? Die lutherische Lehre ist quasi im WC entstanden. Ihr Rat an Kollegen? Die Lehre von Sottsass ist: massima semplicità, so einfach wie möglich. Ettores Einfachheit war seine Genialität. Die echten Genies waren immer einfach. 41 VOR DEM MEERJUNGFRAU-GRAFFITI VON DEITY TRÄGT KIM (MIT DER SPRÜHDOSE AM GERÜST) EIN TOP VON SONIA RYKIEL ÜBER EINEM KLEID VON VALENTINO. SCHUHE: CHRISTIAN LOUBOUTIN. ARMREIF: W29 SHOWROOM KOPFSCHMUCK: MARCIA GROSTEIN. DIE PASSANTEN TRAGEN IHRE PRIVATE KLEIDUNG 42 MIAM I (STR E E T ) A RT W ER BR AUC HT SC H O N M U SEEN O DER GA L ER IEN, WENN DI E K UN S T DO C H A N DER S TR A S S E LI EGT. IN W Y N WO O D, DEM KUN S T-V IERTEL VO N MI A MI , FA N DEN W IR WÄ HR END DER A RT BA S EL DIE PER F EKT E K ULIS S E F ÜR UNSER M O DES H O OT I NG F OTO : ANDE R S OV E RG A A R D C / O KAT H R I N H O H B E RG STYL IN G : NA DI A RAT H ; ASSIST E NZ : M AT I LDA B E RG ST RÖ M M O DEL : K I M RI E KE NB E RG C / O ICO N I C M A NAG E M E NT HAARE / M A K E-U P: N O RB E RT CH E M I NE K C / O KAT H R I N H O H B E RG. M IT PRO DU K T E N VO N M . A.C COSM E T I C S V IEL EN DAN K A N DA S SE M I NO LE HARD RO CK H OT E L IN HO L LYWO O D, FLO RI DA UN D ISABE L SC H A R E NB E RG 43 VOR DEM KUNSTWERK „SEAFOAM“ VON ANTONIO MENA TRÄGT KIM EIN TOP VON VERSACE. HOSE: TOM FORD 44 45 VOR DER GRAFFITI-WAND VON FLORÉ & WESTGARD TRÄGT KIM EINEN MANTEL VON BARBARA BUI. TOP (GEKNOTETES SEIDENCARRÉ): HERMÈS. ROCK: TALBOT&RUNHOF. GÜRTEL: CHANEL. SCHUHE: CHRISTIAN LOUBOUTIN. RING (LINKE HAND): MARCIA GROSTEIN. DAS „DISCO PIG“ AN DER LEINE IST EIN KUNSTWERK VON RÖ BARRAGAN 46 BESTICKTE JACKE UND ARMREIF: CHANEL. LEDERKLEID: TOD’S. SCHUHE: CHRISTIAN LOUBOUTIN. CLUTCH: EMM KUO. RING: MARCIA GROSTEIN. KUNSTWERK IM HINTERGRUND: VON MXYTSPLYK 47 48 AUF DEM FAHRENDEN KUNSTWERK „LADY BUG“ VON YARROW MAZZETTI TRÄGT KIM EIN SEIDENKLEID VON MAISON MARTIN MARGIELA. DARÜBER: TOP VON TIBI. ROCK UND STIEFEL: MAX MARA. LEDERJACKE: BELSTAFF. RINGE: KÜNSTLERSCHMUCK DER NEW YORKERIN MARCIA GROSTEIN. DIE TYPEN DANEBEN TRAGEN IHRE EIGENEN KLAMOTTEN VOR DEM WOHNWAGEN IN WYNWOOD, EIN KUNSTOBJEKT VON KENNY SCHARF, TRÄGT KIM EINEN MANTEL VON DRIES VAN NOTEN. BLUSE: HUGO BOSS. PULLUNDER: PRADA. ROCK: MICHAEL KORS. SCHUHE: MIU MIU. TASCHE: MULBERRY. RING: BELGISCHES SCHMUCKDUO WOUTERS & HENDRIX 50 KIM VERSTECKT SICH IN EINEM KUNSTWERK NAMENS ASIAN HEAD VON JAMES MATHISON. WESTE VON TORY BURCH. KAPUZENPULLOVER: BOTTEGA VENETA. HOSE: BRUNELLO CUCINELLI. SCHUHE: PAUL SMITH 51 VOR DER COLLECTION PRIVÉE GALLERY: JEANSWESTE VON CLOSED. BLUSE: GIORGIO ARMANI. SHORTS. TOMMY HILFIGER. WEDGES: SALVATORE FERRAGAMO. CLUTCH: EMM KUO. RECHTE SEITE: IM POP-UP RESTAURANT „THE ANNEX“ TRÄGT KIM EINEN LEDERMANTEL VON CHRISTIAN DIOR. TÜLLKLEID: ANTONIO MARRAS. KOPFSCHMUCK: MARCIA GROSTEIN. 53 ACCESSOIRES Grüne Wunder: Ohrringe aus der „Masterpieces“Kollektion von Tiffany. Unten: Der Smaragd-Ring ist ein Unikat aus dem Atelier von Bucherer Einfach spitze! Die grünen Slingback-Pumps aus Nappaleder mit Herz-Dekolleté sind von Unützer Geheimnisvoll wie ein Katzenauge: Ring aus der „Haute Joaillerie“Kollektion von Louis Vuitton Go for green: Uhr aus der RunwayKollektion von Michael Kors Wir wählen jetzt Grün Design, das aneckt: Tasche „Mini Bee“ aus handbemaltem Leder von Burberry Die Farbe der Hoffnung steht für Neuanfang. Solang die Natur aber noch auf sich warten lässt, hier etwas Grünzeug für die Garderobe Feinstes Blattwerk: Die Ohrhänger „Foliage“ mit Smaragden sind von Fabergé Ganz und gar nicht giftig: Die „Serpenti“ von Bulgari betört durch dezentes Flaschengrün 54 Frisch wie Frühlingsknospen: Die „Lotus“-Ringe von Ole Lynggaard Handschmeichler: Die Tasche „Metropolis“ aus Kalbsleder ist von Furla Gute Grünanlage: Die „Tank“ von Cartier ist und bleibt ein UhrenKlassiker In denen können Sie buchstäblich Schlange stehen: Heels von Gucci ZUSAMMENGESTELLT VON MIRA WIESINGER UND SARAH LAFER The Freshmaker: Lackpumps in Mintgrün gibt’s von Marc Cain Schmuckstück: limitierter Füllfederhalter „Sanssouci, Potsdam“ von Faber-Castell Gläsernes Glanzstück: Clutch aus Murano-Glas von Salvatore Ferragamo AUF TASCHE Handtaschen von MZ Wallace sind der Renner bei verwöhnten New Yorkerinnen. Ganz bescheiden ist die Chefin Monica Zwirner. Huberta von Voss traf sie Eine Tasche gute Laune: Monica Zwirner (zweite von links) hat sich mit ihrem Label MZ Wallace durchgesetzt A MZ WALLACE „Superwoman existiert nicht“ lles begann mit drei Worten: „Word of Mouth“. So lautete die Marketingstrategie der jungen Handtaschenfirma „MZ Wallace“ und deren Gründerinnen Monika Zwirner und Lucy Wallace Eustin. Der Plan funktionierte. 2010 erklärte das „New York Magazine“ die „Chelsea Tote“ von MZ Wallace zur besten Handtasche des Jahres und das Magazin „Travel & Leisure“ kürte die „Kate“ zur besten Reisetasche. Stolz darauf können auch die Stammkundinnen sein, denn ihre Meinung ist gefragt. Der Laden in der Crosby Street dient dem Label auch dazu, mit den Kundinnen ins Gespräch zu kommen. „Wir freuen uns über die Anregungen, die wir von ihnen bekommen“, sagt Monica Zwirner. Ihr Leben ist nicht gerade arm an Reizen. Viele kennen sie nur als die scheue Frau an der Seite von David Zwirner, der gerade dabei ist, Larry Gagosian vom Galeristenthron zu stoßen. Im Energiefeld zwischen ihrem Haus im East Village, den zwei Galeriestandorten in Chelsea und ihrer eigenen Firma in SoHo hat die erfolgreiche Unternehmerin und Mutter dreier Kinder mit stiller Beharrlichkeit ihr Unternehmen aufgebaut; und sich trotz Dauerspagat zwischen internationalen Kunstmessen und New Yorker Designstudio ihre Natürlichkeit bewahrt. Wie sie ihren schwindelerregenden Alltag durchhält ohne das Gleichgewicht zu verlieren? „Es gibt kein Gleichgewicht. Und Superwoman existiert nicht“, sagt sie gelassen mit klarer Stimme. Die Hände ruhen auf einem hellen Konferenztisch. Sie spricht konzentriert. „To be honest“, ehrlich gesagt, so beginnen viele ihrer Sätze. Dass die feingliedrige Stilistin, die früher für Gucci, Porsche und Clinique gearbeitet hat, zum Firmennamen nur ihre Initialen beisteuerte, passt zur eleganten Zurückhaltung ihrer Erscheinung. Der Ruhm ihres Mannes ist eine Sache. Ihr persönlicher Erfolg ist eine andere. Knapp 15 Jahre nach Gründung des Labels schreibt das Unternehmen schwarze Zahlen, wächst zweistellig und ist besonders bei anspruchsvollen New Yorkerinnen beliebt, die eine Tasche wollen, die nicht ihre Besitzerin wie ein Accessoire aussehen lässt. Sie sind klassisch im Schnitt, praktisch im Design – und vor allem ohne peinliche Label-Allüren. Die mit Teflon beschichteten Stücke aus weichem, strapazierfähigen Nylon, ausgestattet mit zahlreichen Fächern, sollen vor allem eins: Beim Überleben in einem übervollen Alltag helfen und Spaß machen. Was zu einem gelungenen Alltag neben einer gut durchdachten Handtasche gehört, in der Utensilien nicht wie in einem schwarzen Loch verschwinden, erfahren die Kundinnen aus dem aufwendig produzierten „MZW Journal“: Einen Hot Chocolate Martini in der „Gramercy Tavern“ trinken, das Laubfarbenwunder Neuenglands im „Old Inn On The Green“ in den Berkshires erleben, oder die Woche in „Minton’s Playhouse“ in Harlem ausklingen lassen. In Zeiten, in denen Frauen sich mit der Frage quälen, ob sie sich auch in allen Bereichen wirklich genug anstrengen, ist die wohltuende Botschaft von MZ Wallace: Lehn’ dich auch mal zurück. Wie die richtige Mischung aus Luxus und Alltagstauglichkeit geht, hat Monica Zwirner als Leiterin für Interiordesign bei der deutsch-amerikanischen Architektin Annabelle Selldorf gelernt: „Monica besitzt eine enorme Sensibilität und Einfühlungsgabe“, sagt Selldorf. „Ich traue ihrem sicherem Gefühl für Raum und Stil wie sonst kaum jemandem. Für mich ist sie eine Humanistin mit Herz und Verstand.“ Selldorf hat ihr Büro in der berühmten ehemaligen „Factory“ von Andy Warhol, direkt am Union Square. Direkt nach ihrer Hochzeit zog Monica Zwirner nach Deutschland. Lachend erinnert sie sich an die Zeit unter den eher zugeknöpften Hanseaten: „Das war mal sehr erfrischend. New Yorker sind ja mit ihrer emotionalen Offenheit das ziemliche Gegenteil“, sagt sie. Rasch lernte Zwirner Deutsch und begann die Werbekampagnen des Fotografen Ivo von Renner zu stylen. Als die jungen Eltern nach New York zurückkehrten, war sie bereits so gut im Geschäft, dass ihr Mann zunächst das Baby hütet und sie als Brotverdienerin um die Welt jettete. Es folgten Jahre, in denen die die Familie wieder mehr im Mittelpunkt stand. Als das dritte Kind kam, merkte sie, dass sie etwas ändern musste. Ihrer Geschäftspartnerin Lucy begegnete sie auf dem Markt am Union Square, wo Monica Zwirner bis heute gerne einkauft, und die beiden alten Freundinnen ins Gespräch kommen. Auch Lucy hatte nach Jahren in Führungspositionen in der Modeindustrie und mit zwei Kindern zu Hause das Gefühl, ihre eigene Chefin sein zu wollen. „Wir wissen, wie extrem schwierig es ist, alles unter einen Hut zu bekommen“, sagt Lucy Wallace. „Wenn unsere Mitarbeiter nach acht Stunden nicht fertig sind, dann machen wir als Firma etwas falsch.“ Ein Satz wie ein Fremdkörper in einer Stadt, in der alle alles geben, bis sie ausgebrannt sind und resigniert in die Vororte ziehen. In der voll ausgestatteten Firmenküche steht der randvoll gefüllte Kühlschrank. „Wir bestellen montags Essenszutaten für die ganze Woche. Mittwochs ist dann oft schon nichts mehr da“, sagt Lucy Wallace lachend. Mittags werde gemeinsam gekocht. „Dabei entstehen oft neue Ideen“, sagt Monica Zwirner. Ihr Mann unterstützt das starke Engagement seiner Frau, deren Firma immer mehr soziale Projekte mitfinanziert, manchmal auch in Kooperation mit seiner Galerie: „Es ist für eine Ehe toll, wenn beide im Berufsleben Verantwortung tragen“, sagt er. Es vergehe kein Tag, an dem er nicht eine MZ Wallace Tasche in der Galerie oder auf den Straßen New Yorks sehe. „Das macht mich natürlich stolz.“ Für beide sei nun angesichts des beruflichen Erfolges die Zeit gekommen, stärker ans Zurückgeben zu denken. Die Schauspieler Ben Stiller und Sean Penn hoffen derzeit, mit Zwirner noch einmal an die erfolgreiche Auktion anknüpfen zu können, bei der mehr als 13 Millionen Dollar für die Organisation „Artists for Haiti“ zusammenkamen. Und auch der Maler Neo Rauch, der gerade bei Zwirner seine spektakuläre neue Ausstellung „At the Well“ eröffnete, schließt nicht aus, wieder ein Kunstwerk zu stiften. Zu den Zwirners sagt man nicht leicht Nein. Weder zu ihm noch zu ihr. BEGEGNUNG Du bist jüdisch! Habt ihr gewusst, sie ist jüdisch?“ Als Rachel Libeskind die Stimmen imitiert, springt sie mühelos vom Englischen ins Deutsche. Sie liebt diese Sprache, auch wenn sie manchmal wehtut. Mit zehn Jahren nimmt sie in der Adventszeit an einem Wettbewerb des Berliner Tagesspiegels teil. 24 Gedichte als Countdown zu einem Fest, das bei ihr zu Hause nicht gefeiert wurde. Ihr Gedicht gewinnt. Es handelt von einer Schneeflocke, die an einem Fenster vorbeischwebt und ins Innere blickt. Als sie ihre Mutter Nina, die kein Deutsch spricht, mit zur feierlichen Preisverleihung begleitet, ohne ihr Näheres zu erklären, raunt diese: „Where the hell are we?“ Danach lachen beide. Während sie in Berlin vom Kind zum Teenager heranwächst, entsteht das Jüdische Museum. Wenn die Mutter hochrangige Besucher durch die Baustelle führt, ist Rachel oft dabei. Das Museum eröffnet 2001 an dem Tag, der fortan nur noch 9-11 heißen sollte. Eine Woche später hat Rachel ihre Bar Mitzwa: „Wir sind gemeinsam groß geworden.“ Als sie 14 Jahre alt ist, ziehen die Libeskinds zurück nach New York, der größten jüdischen Stadt außerhalb Israels: „Plötzlich konnte ich Jüdin sein, aber nicht mehr richtig Deutsche,“ erinnert sie sich. Rachel plant zunächst, in Harvard Religionswissenschaften zu studieren, entdeckt aber schnell, dass Visual Arts das Richtige für sie ist. Sie schließt ihr Studium mit „cum laude“ ab. In der Kunst ist sie zu Hause, mehr als an einem geografischen Ort. Oft reißt sie aus den Fotos ihrer Collagen die Gesichter aus. „Wenn du das Gesicht heraustrennst, werden die Figuren Archetypen. Gesichter sind limitierend.“ Für eines ihrer Werke hat sie das Jahrbuch einer katholischen Jungenschule aus dem Jahre 1948 auseinandergenommen und in einer Pyramide angeordnet. Es ist teil einer Solo-Ausstellung in der Galerie „Hansel and Gretel Picture Garden“. Die Bilder hat sie wie so oft auf dem Sperrmüll gefunden. „Das ist ein Totem der Männlichkeit. Mein MännerTannenbaum. I love it!“ In der Ausstellung gibt es jede Menge Föne in kleinen ulkigen Koffern, sogar ein Exemplar aus der DDR. Sie sammle diese Dinge. „Das ist wie Polly Pocket für große Mädchen. Total sexy und ziemlich phallisch.“ Auf einem Stuhl thront eine kleine 3-D-Skulptur ihres Kopfes. „Irgendwann mache ich mal ganz viele davon. Und dann gehe ich durch das Metropolitan Museum und stelle neben jede männliche Figur einen kleinen Kopf. Da gibt es überhaupt keine Skulpturen von jüdischen Frauen. Das muss sich ändern.“ Gerade ist sie aus Miami zurückgekehrt, wo sie das Bühnenbild für die Poulenc Oper „La Voix Humaine“ entworfen hat. Man kann sich darauf einstellen, dass man ihren Kopf in der Kunstszene noch oft sehen wird. Heimat ist unterwegs zu sein In der Kunst findet Rachel Libeskind ihr Zuhause. Huberta von Voss traf auch sie im Big Apple, Jürgen Frank fotografierte JÜRGEN FRANK; RACHEL LIBESKIND E ine junge Frau ist umringt von alten Koffern, die wie kleine Planeten um sie herum gravitieren. Sie ist schneeweiß gekleidet. Wer reist, sieht weniger makellos aus. Die Haare mädchenhaft zurückgebunden, wirken ihre eiligen Bewegungen wie der Versuch, auszubrechen. Aus den Koffern kippen rote Bücher ins Jenseits der Umkreisung. Als fielen sie aus der Zeit. Die Schwerkraft der Ordnung, die Logik der Dinge, scheint außer Kraft gesetzt. In einem Koffer verbirgt sich eine absurde Anzahl von Gläsern. Sie erinnern – vielleicht – an die Feste der Vergangenheit. Nun werden sie ausgepackt und wirken absurd. Den Ort, an dem man feierte, gibt es nicht mehr, nur den Menschen, der um seine Erinnerungen ringt. Als die New Yorker Mixed Media- und Performancekünstlerin Rachel Libeskind „The Traveling Bag“ vergangenen Sommer in einem Renaissance Palast auf dem Kulturfestival in Spoleto aufführte, kam danach ein junger Iraner zu ihr. Sein Großvater sei über Nacht mit einem Koffer vor der iranischen Revolution geflohen. Der ganze Koffer sei voller Porzellan gewesen. Bei der Ankunft in Amerika war alles kaputt. „Man kann sein Leben nicht einpacken und mitnehmen“, sagt die 25-jährige Künstlerin und nimmt einen Schluck von ihrem Latte macchiato. Die Sonne fällt durch die Fenster der „Brooklyn Roasting Company“ in Dumbo (Down under the Manhattan Bridge Overpass). Nirgendwo ist der Blick auf Manhattan so überwältigend. Wenn Libeskind ihre Performance im Frühjahr im legendären Chelsea Hotel wiederholt, der untergegangenen Heimat so vieler Bohemiens, werden wieder Menschen auf sie zukommen, die ihre eigene Geschichte von Verlust und Neubeginn erzählen. Als Rachels Großvater beschloss, vor den Deutschen von Polen nach Russland zu fliehen, packte er einen Koffer voller persönlicher Dokumente und vergrub ihn notgedrungen am Straßenrand. Nach dem Krieg kam er aus Stalins Gulag zurück. Seine acht Geschwister und ihre Familien waren vom Erdboden verschwunden. Seine Stadt gab es nicht mehr. Der Ort des Koffers war unauffindbar. „Vielleicht hat es diesen Koffer nie gegeben. Vielleicht war er eine Metapher. ,Wenn du gehen willst, lass dich nicht aufhalten‘, hat er oft zu mir gesagt,“ erinnert sie sich. „Travel lightly“ wird das auch auf Englisch genannt. Ihr Vater, der Star-Architekt Daniel Libeskind, hat das Konzept verinnerlicht und reist fast immer nur mit Handgepäck, um seine vielen Bauprojekte weltweit zu managen. Fast magisch ziehen seine Tochter heute all jene Objekte an, die Menschen zurücklassen, weil sie weiterziehen. Man kann sich ohnehin schwer vorstellen, dass Rachel Libeskind sich von irgend etwas aufhalten lässt. Vielleicht liegt das an der frühen Erfahrung einer gewissen Ortlosigkeit. Geboren in Mailand, aufgewachsen mit zwei Brüdern in einer innigen jüdischen Familie in Berlin. Tochter einer starken Mutter, deren Vater David Lewis ein herausragender kanadischer Sozialist war und die seit Anbeginn das heute global agierende Studio Libeskind leitet. Tochter eines Holocaust Überlebenden, der von Polen über Israel in die Bronx kam, eine öffentliche Schule für Hochbegabte besuchte und zu dem Baumeister wurde, in dessen Räumen Geschichte nachfühlbar wird. Ein deutsches Kind auf Zeit, das es schrecklich fand, wenn Eltern von Klassenkameraden Sätze sprachen wie: „Oh, Libeskind –das ist aber ein interessanter Name. Woher kommt der denn? Ach, Schön und rastlos: Die Künstlerin Rachel Libeskind in New York (oben) und eine ihrer Collagen (rechts) 57 RPBW (1); NIC LEHOUX/WHITNEY MUSEUM (2); MAX MARA WHITNEY BAGDESIGN BY RENZO PIANO BUILDING WORKSHOP (5); LAIF 1. Eigentlich sollte das Whitney Museum nur eine Erweiterung bekommen. Nachdem die aber nicht ausgereicht hätte, segnete New York 2007 die ersten Entwürfe Renzo Pianos für ein neues Gebäude ab. 2. An ihnen orientierten sich auch Pianos Entwürfe für die Whitney Bag 3. Metallelemente wie an der Museumsfassade geben der Tasche ihren speziellen Look 4. Die große Terrasse verläuft parallel zum High Line Park 5. Nur 250 nummerierte Exemplare wird es von Pianos Whitney Bag geben 6. Was einst nur als Modell existierte, ist nun fertig: Am 1. Mai öffnet das neue Museum seine Pforten 7. Im Design verbunden: Das Linienmuster der Whitney Bag... 8. ...und jenes des Whitney Museums 9. Das fertige Sammlerstück PRODUKTARCHITEKTUR Whitney trifft Whitney Wenn Kunst über sich hinauswächst, kann es schon eng werden. Renzo Piano entwarf daher den neuen Standort für das stetig wachsende Whitney Museum in New York. In Kooperation mit Max Mara gestaltete er gleich noch die passende Tasche dazu 58 D ie Mode ist ein divenhaftes Wesen. Sie genügt sich häufig selbst – und wenn sie sich doch in Gesellschaft begibt, dann nur in jene, die ihr ebenbürtig ist. Schon mehrmals hat sie sich auf eine Liaison mit der Kunst eingelassen, sogar von ihr profitiert. Nun macht ihr eine andere Kreativform die Aufwartung: die Architektur. Am 1. Mai eröffnet in New York der neue Standort des Whitney Museum für Amerikanische Kunst. Gebaut nach den Entwürfen des Architekten Renzo Piano. Mehr Platz musste her – 20.000 Quadratmeter insgesamt. Im Meat Packing District, gelegen zwischen Hudson River und High Line Parkanlage, öffnet es seine Pforten. Das italienische Modelabel Max Mara geht den Flirt mit der Baukunst ein und bringt anlässlich der Eröffnung eine Sonderedition ihrer beliebten „Whitney Bag“ heraus. Renzo Piano übernahm die Gestaltung und blieb sich dabei treu: „Unser Ziel war es, einige der charakteristischsten Elemente des Museums Projekts – die Fassade – auf die Tasche zu projizieren: geometrisch angeordnete Streifen, die die Außenseite umschließen.“ Auf der entstandenen Tasche finden sie sich in lederner Form wieder. Neben den klassischen Farben Schwarz, Bordeaux und Beige wird es eine Sammleredition mit 250 Exemplaren in einem hellen Blaugrau geben. Die Farbe erinnert an das leicht bläuliche Licht, was durch die vielen Fensterfronten in das Museum fällt. So wolle der Architekt eine Verbindung zwischen dem Museum und seiner Umgebung schaffen. Vier Monate tüftelte Renzo Piano gemeinsam mit dem Team von Max Mara an seiner Interpretation der Whitney Bag. Fast acht Jahre dauerte seine Arjhi beit am Museumsbau. Sehen lassen können sich beide Resultate. A ls Kind hat er am Flughafen mit seiner Schwester gern ein Ratespiel gespielt: Aus welchem Land kommt der Passagier? Frauen mit Birkenstock-Schuhen waren ganz klar aus Deutschland. Menschen in Jogginganzügen aus den USA. Seit 2002 lebt Andrew Bolton selbst mitten unter den Verfechtern des Casual-Looks und ist modisch doch ganz Brite geblieben. Der Kurator am „Costume Institute“ des Metropolitan Museums fällt mit seinen eng anliegenden Hochwasser-Anzügen selbst im modeverliebten New York auf. Sein Erfolg ist messbar, auch an der Kasse: Knapp 700.000 Menschen sahen „Savage Beauty“, die Hommage an Alexander McQueen. Auch die Folgeausstellung des studierten Anthropologen „Punk: Chaos to Couture“ fand viele Fans. „Superheroes: Fashion&Fantasy“ sahen 2008 mehr als eine halbe Million Besucher. Wie der 1966 geborene Engländer mit der unbekümmerten Art eines großen Jungen die konservativen MuseumsFinanziers der Upper East Side zu gewagten Experimenten zu verführen weiß, versteht am besten, wer ihm begegnet. Humorvoll, in- kommt ein etwas exzentrischer Brite und bringt alles durcheinander. Wie kam das bei den Kollegen an? Ich denke, ich habe ihre Geduld ziemlich strapaziert. Ich hatte zum Beispiel die Idee, mich in einer der kleinen Buddha-Galerien auf Mao zu konzentrieren. Mao ist fast zu einer Gottheit in China aufgestiegen und ich wollte auf die sich verändernde Natur des Göttlichen hinweisen. Mein Plan war, etwas von dem chinesischen Künstler Sui Jianguo dorthin zu stellen, dessen Skulpturen wie gigantische Mao-Jacken aussehen. Eine davon steht zum Beispiel auf dem Times Square in Hongkong. Mao ist jedoch immer noch eine sehr umstrittene Figur. Die Kollegen waren beunruhigt, ihr eigenes Publikum zu verprellen und wollten keine religiösen Gefühle verletzen. Ich hab den Kampf verloren, aber das ist in Ordnung. Mir waren einfach diese Sensibilitäten nicht so bewusst, aber man lernt nie aus. Nun erzählen Sie auch von einem Ihrer Siege. Es wird einen Bambus-Wald aus Plexiglas geben, durch deren einzelne Stangen wir LEDLicht schießen! Ich wollte dem Thema Martial Arts, also den Kampfkünsten, in Film und Mode Raum geben. Das ist so ein wichtiger Teil sonders in Design und Mode. Allerdings ist die Kunstwelt noch nicht so durchlässig und hält eher an ihren eigenen Stereotypen fest. Wenn man später auf die ersten Jahre des neuen Jahrhunderts zurückblickt, wird man vermutlich feststellen, dass der Minimalismus der 1990er-Jahre abgelöst worden ist von Pluralität. Der chinesische Filmemacher Wong Kar Wai wird als künstlerischer Leiter Filme in die Ausstellung einbinden. In unserer China-Ausstellung ist Film so wichtig, weil das die Linse ist, durch die Designer China sehen und begreifen. Er ist wie ein Filter zwischen Objekt und Mode. Sie sind als junger Mann durch Asien gereist und waren jetzt wieder viel dort. Was hat sich verändert? Vor allem meine eigene Fähigkeit, Dinge wahrzunehmen. Ich war damals sehr jung, gerade mit der Uni fertig und wollte einfach möglichst viel sehen. Das ist mir aber emotional nicht besonders nahe gegangen. Bevor ich jetzt wieder hingefahren bin, haben mich alle vor dem Smog gewarnt. Ich fand ihn herrlich! Er gab Peking diese dunstige Schönheit. AUSSTELLUNG „Wir müssen etwas Neues erzählen“ Andrew Bolton inszeniert im New Yorker Metropolitan Museum eine Ausstellung über den Einfluss Chinas auf die Mode telligent und hinreichend exzentrisch ist eine Mischung, die im Big Apple beliebt ist. Außerdem schätzt diese Stadt Powerpaare und sein Partner ist der Designer Thom Browne. Nun tritt Bolton mit einer neuen Ausstellung an: „China through the Looking Glas“ (China unter der Lupe). Kaum ein namhafter Designer hat sich nicht im Reich der Mitte bedient. Die Roben von Cristobal Balenciaga, Dries Van Noten, Vivienne Westwood, Dior und zwei Dutzend anderen werden ab dem 4. Mai für drei Monate zusammen mit asiatischer Kunst gezeigt. Wir trafen Andrew Bolton zum Gespräch in der vornehmen Patrons Lounge des Museums. Über China reden zwar alle, aber das konkrete Wissen ist gering. Wie gehen Sie mit dieser Herausforderung um? Es geht uns vor allem darum zu zeigen, wie sich westliche Designer von der Bild- und Symbolsprache Chinas haben inspirieren lassen. Ein Kurator muss natürlich sein eigenes Narrativ entwickeln, damit die schiere Bandbreite des Themas den Besucher nicht erschlägt. Ich glaube, dass jedes Kleidungsstück ebenso wie jeder Gegenstand eine Geschichte erzählt. Und diese Geschichte will ich herauspräparieren. Ich habe mich zunächst erst mal mit den Objekten unserer asiatischen Sammlung beschäftigt – die asiatische Abteilung unseres Museums feiert dieses Jahr übrigens ihr hundertjähriges Bestehen. Dann habe ich über Monate hinweg Bilder ausgedruckt und sie alle an die große leere Wand meines Büros geheftet. Wir haben sie im Büro The Great Wall of China getauft. 60 Vermutlich blieb die Asiatische Abteilung in den vergangenen 100 Jahren von derartig unkonventionellen Ideen verschont. Und dann des China-Bildes, sowohl als eigene Romantisierung vergangener Jahrhunderte wie auch als exotische Projektion des Westens. Wie würden Sie den Stil einflussreicher Chinesinnen beschreiben? Das hängt von ihrer gesellschaftlichen Rolle ab. Frauen wie Madame Wellington Koo oder Madame Chiang Kai-shek ähneln Jackie Kennedy. Sie benutzen Mode als politisches Werkzeug, um ihre nationalen Ideen und ihre Identität auszudrücken. Die Schauspielerin Gong Li trägt gern Sachen, die betonen, dass sie Chinesin ist, zum Beispiel trug sie auf dem roten Teppich etwas aus Tom Fords letzter Kollektion für Yves Saint Laurent, die von China inspiriert war. Auch Li Bing Bing macht das. Sie interpretieren die westliche Orientalismus-Faszination und projizieren sie in den Westen zurück. Das ist sehr clever. Traditionelle ethnische Einflüsse sind ein fester Bestandteil westlicher Modekollektionen. Die Kollektionen setzen kulturelle Symbole in Schneiderkunst um und fossillieren, versteinern die Kultur in gewisser Weise. Manche haben mich im Vorfeld der Ausstellung gefragt, warum ich das heutige China nicht einbeziehe. Und ich frage zurück: Was wäre das denn aktuell, das Typische? Und die meisten haben darauf keine Antwort. Das letzte aussagekräftige Kleidungssymbol Chinas war der Mao-Anzug. Davor gab es das Mandschu Gewand, und Xi Pao-Kleider im Suzie-Wong-Stil. Solche Symbole sind fast so etwas wie die Steno-Schrift einer Kultur. Bedauern Sie, dass die Globalisierung in der Mode das Besondere einer Kleidertradition verschwinden lässt? Die Grenzen verschwinden wirklich, ganz be- Was hat Sie am positivsten überrascht? Die modernen Zeiten sind nicht mehr aufzuhalten, aber es gibt eine sehr, sehr tiefe Wertschätzung für die eigene Kultur und Traditionen in China, und das nicht nur bei der gut ausgebildeten Elite. Das ist sehr schön. Die Ausstellung wird von Yahoo gesponsert, die damit ihr Style-Magazin promoten wollen. Gibt es etwas, was Sie von den Internet-Giganten lernen können? Diese Firmen haben es geschafft, einen globalen Durst nach Mode zu kreieren. Es gibt auch viel mehr oberflächliches Wissen über Mode. Das fordert uns heraus. Wir müssen etwas Neues erzählen. Wenn Sie einen neuen Beruf wählen würden, was wäre das? Psychoanalytiker. Ich wollte schon immer eine Ausstellung über die freudianischen Aspekte von Mode machen. Mode sagt so viel über uns aus. Was sagen in Zeiten von „Fifty Shades of Grey“ Bondage-Teile über uns aus? Manchmal ist Mode eine Reaktion gegen eine dominante Strömung. In den 30er-Jahren stand die Welt vor dem Zweiten Weltkrieg, aber die Mode war romantisch. Schiaparelli hat etwa nach dem Krieg nicht mehr dieselbe Mode wie vorher machen können. Mode ist oft von Eskapismus und dem Leugnen von Realität geprägt. Während der Industrialisierung kam dann wiederum ein ländlicher Schäferinnenstil zurück. Angst und Mode HvV hängen eng zusammen. Die Ausstellung „China through the Looking Glas“ läuft vom 5. Mai bis 16. August im Metropolitan Museum in New York JÜRGEN FRANK; COURTESY OF THE METROPOLITAN MUSEUM OF ART, PHOTOGRAPHY/PLATON (4) Als Brite in New York kann er sich eine Clubkrawatte zu Jeans leisten: Kurator Andrew Bolton blickt auf viele erfolgreiche Ausstellungen im Met Museum zurück. Sein aktuelles Thema ist der Einfluss Chinas auf die Mode 61 Die aktuelle Sommerkollektion von Dries Van Noten (oben) und eine Installation in der Ausstellung (daneben) Gemälde von Yves Klein (oben) und Kees van Dongen (unten) dienten Dries Van Noten (rechts) unter anderem als Inspiration. Die peruanische Totenmaske (darunter) ist ein weiteres Ausstellungsobjekt Blumen sind wichtige Inspirationsquellen für den Designer. Die Ausstellung widmet sich dem Thema sogar mit einer eigenen Abteilung. Darüber: ein Look aus der kommenden Herbst-/ Winterkollektion AUF DEM PODEST Sanfte Revolution In seiner Museumsausstellung „Inspirations“ zeigt der belgische Designer Dries Van PICTURE ALLIANCE(2) ;CENTRE POMPIDOU,MNAM-CCI,DIST. RMN-GRAND PALAIS / CHRISTIAN BAHIER / PHILIPPE MIGEAT; YVES KLEIN / ADAGP,PARIS 2015; DPA DEATH MASK,PERU,BETWEEN 900 AND 1100, COLLECTION PAUL & DORA JANSSEN,MAS © KUNSTEN & ERFGOED VLAANDEREN,PHOTO: HUGO MAERTENS; DRIES VAN NOTEN AW 97/98,PHOTO: KURT DE WIT;KOEN DE WAAL 2015; ETIENNE LAURENT; MONTAGE ICON Noten seine schönsten Kleider – und was ihn beim Entwerfen beeinflusst hat M ode im Museum ist schwieriger, als man denkt. Jedes Kleid wird als Kunstwerk inszeniert, schnell wird die Schau zum Pantheon der Eitelkeit. Der belgische Designer Dries Van Noten hat das vermieden. Seine Ausstellung „Inspirations“ war 2014 in Paris zu sehen und dieses Frühjahr ist sie, leicht adaptiert, in seine Heimatstadt Antwerpen, ins örtliche Modemuseum gezogen. Neben eigenen Entwürfen zeigt er Kleider anderer Designer wie die von Chanel, Thierry Mugler, Schiaparelli, Balmain und Dior. Und legt seine zahlreichen Inspirationsquellen offen: Filme, Popmusik und immer wieder alte und neue Kunst. Zwischen der Mode hängen Arbeiten von Picasso, Mark Rothko, Elizabeth Peyton, Damien Hirst. Diese Kombination ist ebenso offenherzig wie einleuchtend: Das Talent von Dries Van Noten, unterschiedlichste Quellen zu seiner eigenen Vision zu verarbeiten, wird offenbar. Und die Mode zeigt sich als das Experimentierfeld, das sie im besten Falle ist. Wir treffen den Designer am Mittag nach seiner Ausstellungseröffnung zum Mittagessen in seinem Stammlokal „Hungry Henrietta“. Es gibt Fisch. Eine Ausstellung ist auch eine Art Bilanz. Wie sind Sie mit Ihrer eigenen Vergangenheit umgegangen? Das ist wie in einem Raum mit vollgestopften Beuteln. Man macht sie auf und weiß nicht genau, was einen erwartet. Warum dieser Schnitt? Warum diese Farbkombination? Auf einmal sieht man die eigene Arbeit mit anderen Augen. Viele meiner Mitarbeiter waren noch gar nicht geboren, als ich bestimmte Kollektionen entworfen habe. Oft war es so, dass diese Mitarbeiter genau die Sachen besonders interessant fanden, von denen ich eher peinlich berührt war. Wie gut ist Ihr Archiv ausgestattet? In den frühen Jahren konnten wir es uns schlicht nicht leisten, die besten Teile zu behalten. Was wir hatten, tauschten wir mit den Models, Künstlern und Fotografen. Wir hatten eine wunderbare Skulptur von Anish Kapoor, die genau richtig zu einer meiner Kollektionen gepasst hätte. Aber ich besitze aus ihr nur noch einen Unterrock und einen Rock – und ich glaube, im Fashion Institute of Technology gibt es noch ein Kleid. Wir haben im Internet gesucht, aber die Sachen waren einfach zu oft getragen. Was ja irgendwie auch ein Kompliment ist. Erst ab 1995 konnten wir die Kleider aufheben, die uns wichtig waren. Warum ist es der richtige Moment für eine Museumsshow? Eine Retrospektive hätte ich nicht gemacht. So weit bin ich noch nicht. Ich will meine Le- bensgeschichte nicht erzählen, denn ich bin vielleicht erst auf der Hälfte des Weges. Die Idee allerdings, meine Mode zu kombinieren mit dem, was sie inspiriert hat, fand ich sofort reizvoll. Und es gibt noch einen ganz praktischen Grund: Meine Firma hat jetzt genug Geld, ein Team auf so ein Projekt anzusetzen und daran zu arbeiten, bis es perfekt wird. Wenn ich etwas mache, will ich Perfektion. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren keinen neuen Laden aufgemacht, weil wir an der Ausstellung gearbeitet haben. Waren Ihnen die Einflüsse und Inspirationen klar, als Sie die Mode entworfen haben? Nicht immer. Der Film „Das Piano“ zum Beispiel war tatsächlich Ausgangspunkt für eine meiner Kollektionen: die dunkle Stimmung, der viktorianische Stil. Aber die Kollektion mit den Schmetterlingen haben wir gemacht, bevor Damien Hirst das Schmetterling-Bild erschaffen hat, das Sie in der Ausstellung daneben sehen. Haben Sie im Laufe der Jahre Ihre Interessen verändert? Das passiert ganz automatisch. Zeitgenössische Kunst hat am Anfang keine so große Rolle gespielt. Eher fremde Länder und Musicals. Und natürlich Popmusik. Das Tolle an der Modeschule und den Jahren direkt danach, als ich mit Walter van Beirendonck und Ann Demeulemeester abhing: Sie lernten von mir, ich lernte von ihnen. Walter stand auf Punk und David Bowie, Ann auf Patti Smith. Und was haben Sie denen beigebracht? Die Balance zwischen Kitsch und Kunst. Mir ging es immer darum, an die Grenze zu gehen. Es gibt dieses Foto von Ihnen, Walter und Ann, wie Sie sich fertig machen, um auf ein AdamAnt-Konzert zu gehen ... Ich trage ein T-Shirt aus meiner Abschlusskollektion mit einem Aufdruck in Frakturschrift. Ein Bibeltext. War das Ihre Rebellion gegen Ihre streng religiöse Erziehung? Na ja, eine ziemlich sanfte Revolution. Es ging mir mindestens genauso um den Look. Macht eine Museumsausstellung eigentlich älter oder jünger? Weder noch. Ich fühle mich jedenfalls nicht musealisiert. Wir behaupten nicht: Unsere Arbeit ist Kunst. Deswegen wollte ich die Kleider auch an Puppen mit Armen, Beinen und Köpfen hängen sehen. Was haben Sie über Ihre eigene Arbeit gelernt? Ich sehe neue Verbindungen. Ich kapiere, dass manche Dinge besser altern als andere. Und auf einmal wird alles, woran ich gearbeitet habe, eine Einheit. Auch alte, vermeintlich über- holte Dinge ergeben immer noch Sinn. Die indische Kollektion haben wir gemacht, als Jil Sander und Helmut Lang die Modewelt dominierten. Alles war weiß, schwarz und beige. Meine Farben müssen damals ziemlich schockierend gewesen sein. War das Ihre Absicht? Na ja. Meine Absicht war es nicht zu schockieren. Es geht mir nie darum, einfach nur anders zu sein. Ein besonders schönes Teil in der Ausstellung ist ein leichter, weißer Baumwollparka, der über und über mit Stickereien bearbeitet ist. Das wirkt fast wie eine Kruste. Wir wollten einen 3-D-Effekt. Pailletten über Pailletten wurden übereinander gestickt, aber auf einem ganz normalen, simplen Stoff. Dieser Kontrast war uns wichtig. Breitet sich nach einer Ausstellung eine kreative Leere aus? Mein Lebenspartner Patrick lacht drüber, aber nach jeder Kollektion habe ich diese postnatale Depression. Bei dieser Ausstellung ist das auch so. An dem Wochenende nach der Eröffnung will ich nur meine Ruhe. Ich will die Zeitung lesen – und zwar eine Zeitung, in der kein Interview mit mir drin ist. Man sieht bei „Inspirations“ auch Aggression und Provokation – von den Sex Pistols bis zum wüsten Atelier des Malers Francis Bacon. Ist das Bild vom Romantiker Dries Van Noten ein Missverständnis? Mode wird oft nicht ernst genommen. Man sieht Blumen und Farben und glaubt: das war’s. Aber Schönheit hat immer auch eine dunkle Seite. Man muss nur das eigene Gleichgewicht finden. Sie zeigen die Mode anderer Designer, Kunst von Picasso, Rothko und Elizabeth Peyton und haben den japanischen Fotokünstler eine Blumentapete für die Ausstellung machen lassen. Haben Sie nie Angst gehabt, Ihre Arbeit könnte überstrahlt werden? Ich habe nie Angst vor Überdosierungen. Wenn man Dinge wirklich übertreibt, werden sie wieder neutral. Sehen Sie sich selbst in Ihren Entwürfen? Nein. Ganz am Anfang macht man das. Aber sehr schnell habe ich verstanden: Das funktioniert nicht. Dann würde die Marke und die Kunden mit mir älter werden. Es wurde zuletzt viel darüber geschrieben, dass in der Männermode die Geschlechterrollen infrage gestellt werden. Für mich ist ein Rock keine Frauenkleidung. Schauen Sie sich in der Welt um. Die Hälfte der Männer läuft in Röcken herum. Adriano Sack 63 NEUE MÖBEL Spot on: Leuchte „Focus“ von Antje Pesel (Salone Satellite) Luftballons – mundgeblasen aus Muranoglas. Lüster von Emmanuel Babled Marble-ous: „Greeny“ heißt der neue Esstisch mit Marmorplatte von Bonaldo Im Palazzo Litta zu sehen: Das Besteck von Gae Aulenti (19292012) ist Teil der Ausstellung Design Memorabilia Sport vorm Badezimmerspiegel: Fitnessgerät von Boffi Knirps ohne Kabel: Tischleuchte „Battery“ von Kartell Einen Blick voraus Bevor die Möbel-Neuheiten auf dem Mailänder Salone del Mobile gezeigt werden, hat Esther Strerath für uns die Wohn-Trends schon mal herausgesucht Made in Brasil: Stahlsessel aus der Kollektion von Sammler Waldick Jatobá Schräg schön: MiniRegal des Studios „Nendo“ für Moroso Angesagt sind Schränke auf Augenhöhe: „Cabinet“ von XAM In memoriam: Cassina gedenkt Le Corbusier mit Skulpturen, die auch Tisch sein können, von Jaime Hayon Noch ein Brasilianer: Stuhl aus Stahl von Waldick Jatobá Knospengleich: gläserne Leuchten von Maija Puoskari (Salone Satellite) Jetzt wird wohl gerade ausgepackt. Das Sofa. Der Stuhl. Die Lampe. Teppich, Tisch und Tafelsilber. In diesen Tagen ist alles angekommen – aus Brasilien, Barcelona und Berlin, aus mehr als 160 Ländern insgesamt. Noch zwei Tage, dann öffnet der Salone del Mobile in Mailand seine Pforten, wird in verschiedenen Stadtteilen ‚So-Noch-Nicht-Dagewesenes’ gezeigt. Ab dem 14. April platzt an Hunderten Ständen auf der Messe, in Shops, umfunktionierten Lager- oder Fabrikhallen, in Museen und Galerien, in schrammeligen und schicken Locations die „Top Secret“-Blase, die große und kleine Möbelhersteller, berühmte und aufstrebende Designer bis dato so gehütet haben. So zum Beispiel im Palazzo Litta, dem prächtigsten Barockpalast der Stadt (von 1648). Hier wird unter goldenen Decken unter anderem Möbeldesign aus Brasilien vorgestellt, Entwürfe einer neuen Generation, die traditionelles Handwerk mit innovativen Technologien verbindet, wie etwa bei einer geflochtenen Liege oder einem Lounge-Sessel, der per Lasercut gefertigt wurde. Die gleiche Philosophie vertritt im Übrigen auch der französische Designer Emmanuel Babled, dessen Kugelleuchten wie Luftballons unter die Decke gestiegen zu sein scheinen und der den traditionellen Methoden Zukunftsvisionen injiziert. Und darum geht es auch im Design-Distrikt Ventura Lambrate, wo Technologie in einer Sonderausstellung an erster Stelle steht und wo „Möbel gezeigt werden, die ohne menschliches Eingreifen geformt werden, die kreativen Möglichkeiten des 3-D-Druckens entdeckt werden und eine niemals gesehene Kombinationen zweier komplett verschiedener Glasblase-Techniken gezeigt wird“, so die Organisatoren. Ess- oder Arbeitstisch: „In Vein“ aus Marmor, Metall und mit LederschlaufenBeinen von Ben Storms 64 Weiche Liege: Daybed in MarmorOptik von Maurizio Galante und Tal Lancman von Baleri Italia Himmelbett modern: „Letti“ von XAM Sieht aus wie ein Ohrring: HängeSessel von Lee Broom Blumig: Noch nur Entwurf, bald eine Vase aus der Oggetti Smarriti-Linie von Mario Trimarchi. Übrigens: Im Hintergrund sehen Sie Originalskizzen der Designer STUDIO POINTER; ISABEL ROTTIERS; CARLO LAVATORI; MONTAGE ICON Kein Farbklecks, sondern eine Leuchte: von Lucidi di Pevere für Foscarini Einen Blick in die Zukunft wirft auch Jaime Hayon für Mini. Seine Idee: Weil wir unsere Autos zunehmend am Stadtrand parken werden, benötigen wir einen zusammenklappbaren Elektroroller für urbane Bewegungsfreiheit. Um ihn wirklich „hayonic“ aussehen zu lassen, hat sich der verspielt-verrückte Spanier eine Variante in Aluminium, Kupfer und Leder sowie eine andere mit schillernden Mustern à la Op-Art und Zebra ausgedacht, Jacke und Helm inklusive. Boffi schlägt vor, im Bad erst zu schwitzen und zwar am besten vor einem Spiegel, der gleichzeitig Turngerät ist. Die Designer Alessandro Andreucci und Christian Hoisl haben sich „Origin“ ausgedacht, die moderne Sprossenwand für Fitnessstudio-Verschmäher .... Weiter nördlich, auf dem Messegelände, wird Cappellini seine „Tischlein versteck Dich“-Hocker-Kombi enthüllen, die Antonio Facco „Anemo“ taufte und die wie ein Monolith wirkt. Thonet traut sich an ein knuffiges Ledersofa und Baleri Italia kontert den immer noch ansteigenden Trend zu Naturstein mit gemütlichem Marmor-Look: „Mies visits Carrara“ heißt die Liege aus Schaumstoff, die van der Rohe eigentlich einmal in Stahlrohr und Leder erdacht hatte. Und dann ist da noch der große Abenteuerspielplatz, der „Salone Satellite“, der in diesem Jahr 18-jährigen Geburtstag feiert und die Arbeiten von 700 Jung-Designern ausgewählt hat. Darunter Studio Avni aus Mumbai, das getragene Saris zu Hockern und Poufs upcycelt und Maija Puoskari, die sich von Seen und Bergen ihrer Heimat Finnland zu einer Spiegelserie hat inspirieren lassen. Sie wollte so „Kunst mit Funktion“ gestalten, erklärt sie. Das ist übrigens auch ein Trend. Cooles Design aus Tschechien: Schreibtisch von Lucie Koldová für Křehký Kurvig und leicht: „Pegasus“ von NachwuchsDesigner Andrea Borgogni Kunst zu Füßen: Woll-Seiden-Teppich von Federico Pepe für CC-Tapis Alle Fünfe: kesser Couchtisch mit vier Hockern-Kombination von Cappellini Zukunftsmusik: Noch ist das Sofa „Giubba“ ein Prototyp von Andrea Borgogni Hock dich: Modell aus der „Chamki Totem“-Serie von Avni Diagonale als Holzrelief: Sideboard von Emmanuel Babled Smartie-gleich: Die Schälchen von Ettore Sottsass sind ein Beitrag zur Ausstellung Design Memorabilia Zierlich: Couchtisch von den dänischen Design-Geschwistern Frier & Frier Doppeldecker: ein Entwurf von Jung-Designer Christoph Friedrich Wagner Schrank, Bett, Garderobe in einem: Idee des belgischen Studio Fragmenture Bugholz(sofa) auf Kuschelkurs: „2002“ ist ein Entwurf von Christian Wagner für Thonet 65 Für draußen: Das wasserabweisende Modell „Butterfly“ hat Patricia Urquiola für B&B Italia entworfen MADE IN ITALY Lebenslänglich Dolce Vita Die Brüder Minotti führen ihr Unternehmen mit einer typisch italienischen Mischung aus Weltoffenheit und Familiensinn. Ob Sideboard, Stuhl oder Sessel – die Minotti-Designs sind unverwechselbar Andreas Tölke fühlte sich bei ihnen sofort zu Hause Das Triumvirat ist eingespielt. Zwischen Stoffen, Leder und Zeichenblöcken haben sich die Brüder Renato und Roberto Minotti mit Rodolfo Dordoni, Architekt und künstlerischer Leiter des italienischen Möbelhauses, zum alljährlichen Brainstorming getroffen. Der Termin fällt, wie jedes Jahr, direkt in die Zeit nach dem Mailänder Salone del Mobile, der wichtigsten Interior-Messe der Welt, und findet im Büro der Minotti-Zentrale in Meda statt, unweit der italienischen Metropole. Dort geht es zu wie in einem Modehaus. Die drei Kreativen wühlen sich durch die neuesten Materialtrends. Und doch: Es sind Möbeldesigner am Werk, die über die nächsten Wochen und Monate eine neue Kollektion entwickeln, um in einem Jahr erneut bei Stunde null anzufangen. „Sobald im April unsere neue Kollektion auf dem Salone präsentiert wurde, sind wir einerseits froh und dankbar für das Feedback – auf der anderen Seite kommt schon bald eine Art Unzufriedenheit, die uns antreibt, neue Ideen zu entwickeln“, beschreibt Roberto Minotti seine Motivation. Denkt man bei zeitgenössischen Möbelgestaltern an Kreativ-Labore, an 3-D-Design, an Drucker, die vorab Miniaturen zur Ansicht ausspucken, sind es bei Minotti ganz konkrete Materialien, Hobel und Späne. Roberto mag es eher prosaisch. Spricht er über den gestalterischen Prozess, fallen Vokabeln wie „Harmonie“, „Flow“, „Orchester“ und „Symphonie“. Kein Wunder, wirken doch die Objekte des Hauses stets durchkomponiert und repräsentieren dadurch eine ansprechende Art von ästhetischem Gleichklang. 1948 von Alberto Minotti, dem Vater der Brüder, gegründet, setzte die Firma dem innovativen nordischen Design den Charme von Dolce Vita entgegen. Spuren haben die Nordlichter nichtsdestotrotz in der Designsprache der Italiener hinterlassen: „Als Architekt und als Unternehmer werde ich immer die größte Bewunderung für die Meister der fünfziger Jahre hegen. Charles Eames, Mies van der Rohe oder Poul Kjærholm schufen Objekte und Produkte, die zu Ikonen wurden und inspirieren bis heute noch viele zeitgenössische Designer“, erzählt Roberto, ein ruhiger Mann, dessen optisches Markenzeichen reinweiße Button-DownHemden sind. Einer der Gründe für den Erfolg ihrer Marke ist die zeitlose Eleganz der Produkte, die inzwischen vom Sofa bis zur Bettwäsche reichen. Ein anderer Grund ist, wie so oft in Italien, la Famiglia – die Familie. Selbst das jüngste „Mitglied“ Rodolfo Dordoni, der seit 1997 als Kreativdirektor im Unternehmen ist, lebt keine Künstlerallüren aus: „Für mich ist Freiheit gar nicht so wichtig, entscheidender ist die Atmosphäre in einem Unternehmen. Ich möchte glücklich sein, wenn ich zur Arbeit gehe.“ Ein bisschen von diesem Glücksgefühl – man darf das ohne Übertreibung sagen – steckt wohl in jedem Produkt des Hauses. Nachdem der Patron die Firma seinen Söhnen überließ, kamen auch viele seiner langjährigen Mitarbeiter ins Rentenalter. Somit musste 66 Kann ein Coffee-Table sexy sein? Nur wenn er so verführerisch glänzt wie das Modell „Benson“, entworfen von Rodolfo Dordoni MINOTTI D der Generationswechsel auf vielen Ebenen bewerkstelligt werden. Exzellente Handwerker zu finden, ist ein schwieriges Unterfangen. Die Brüder Minotti machten also aus ihrem Familiensinn eine erfolgreiche unternehmerische Strategie: „Wir versuchen immer die Söhne der wichtigsten Mitarbeiter einzustellen, sodass der Wissenstransfer von Vater zu Sohn stattfinden kann.“ So entstand über die Jahre ein Unternehmen mit eigenen Läden in über 70 Ländern, in Metropolen von New York bis São Paulo. Die internationale Präsenz bringt Inspiration: „Wann immer wir auf Reisen sind, treffen wir die unterschiedlichsten Menschen, wir besuchen Kunstausstellungen, gehen in Konzerte, schauen uns die Modekollektionen der wichtigen Designer an, beschäftigen uns mit den sozialen Medien und deren Einfluss auf Wohnsituationen“, beschreibt Roberto die Herangehensweise und ergänzt: „Neugierig bleiben ist das A und O.“ Bei so viel Input von außen muss Vertrauen in den eigenen Stil die Basis sein. Ein Stil, der Trends aufgreift, aber nicht trendy ist. Im Gegensatz zur Mode seien die Möbel des Unternehmens so konzipiert, dass sie zeitlos modern blieben. Ein Stil, der sich auch am Kunden orientiert. Und der erwarte eben auch Komfort und schätzte, dass jedes Stück ein Stück Handwerkskunst und zu „hundert Prozent italienisch“ ist. Die Königsklasse unter den Stücken sind Einzelanfertigungen, die mit dem Kunden gemeinsam entwickelt werden. Der Preis ist in solchen Fällen selbstredend nebensächlich. „Ein Sofa begleitet eine Familie bestenfalls über Generationen. Von daher sind die Ansprüche, die wir bei der Herstellung, an uns stellen, sehr hoch“, erklärt der Chef, der seit Jahren mit dem „Jagger Sofa“ der eigenen Kollektion lebt. Lebenslänglich für ein Sofa, das heißt auch: ein Design, das sich einfügt in eine Vita. Im Fall von Minotti muss man wohl besser sagen: in ein(e) Dolce Vita. shop online www.brax.com alles was zählt. AUF RÄDERN Der Schweizer Designer Alfredo Häberli forscht für BMW über die Zukunft der Mobilität. Das Motto: „Präzision und Poesie“. Die Praxis: Frei und offen. Dörte Welti sah sich vorab in Häberlis Atelier um E 68 Es ist eine „Sneak Preview“ – einer der Termine, bei dem nur ausgesuchte Journalisten einen ersten Blick auf das werfen dürfen, was später die Welt in Staunen versetzen soll. Treffpunkt ist das Atelier von Alfredo Häberli in Zürich, einer der berühmtesten Designer der Schweiz. Das Ziel, auf das hingearbeitet wird, ist die Vorstellung auf dem Salone del Mobile, die internationale Möbelmesse in Mailand. Häberli wurde in Buenos Aires geboren und wuchs nahe der Rennstrecke von Cordoba auf. In die Schweiz kam er 1977 und schloss die Hochschule für Gestaltung im Fach Industriedesign mit Auszeichnung ab. Alles, was der Mann anfasst, wird Design. Ob Möbel, Haushaltsgegenstände, ganze Hotels oder Schuhe, seine Arbeiten sind wegweisend und vielfach prämiert. Nur mit Autos hatte es der 51-Jährige trotz der einstigen Nähe zur Rennstrecke bisher nicht so. Darum freut es ihn ganz besonders, dass Karim Habib, Leiter der Abteilung „BMW Design Automobile“, und Martina Starke, verantwortlich für die Abteilung „Colour & Trim“, also alles rund um Farben, Stoffe und Interior-Design im Auto, ihn ausgewählt haben für die vierte Auflage des von dem Unternehmen ausgeschriebenen Diskurs mit international renommierten Gestaltern. Zum Zeitpunkt des Interviews gibt es Entwürfe, kleine Modelle, nichts, was man begehen oder schon erleben kann. Es ist Ende Januar, die Deadline scheint noch ewig weit weg. Häberli hat eine „Carte Blanche“ bekommen. Wenn auch Karim Habib sehr gern „die Freude am Fahren illustriert“ haben möchte, wie er sagt. Letztendlich überlässt man es jedoch den Designern, wie sie das Thema umsetzen. „Präzision und Poesie“, sagt der Schweizer, der auf Englisch referiert. Emotio- Womit er galant den Bogen zu seinem vierten Moodboard spannt, das sich schlussendlich wirklich um das Fortbewegungsmittel dreht. Wobei Häberli klarmacht, es müsse am Ende gar kein Mobil, kein Auto ähnliches Gefährt herauskommen. Das sei nicht die Idee, und doch: Die Konturen der Fahrzeuge, die in seinem Kopf herumfahren, beinhalten einen BMW. Entfernt, aber nachvollziehbar. Die Autobauer wären wohl am Ende auch nicht ganz so amüsiert, wenn die mehr als sechsmonatige Schaffensperiode für ein derartiges Unterfangen mit extra großer Präsentationslocation in der „Area Sciesa Tre“ in der Mailänder Via Amatore Sciesa in einer Installation ohne Autobezug enden würde. Aber die Bayern müssen sich keine Sorgen machen, denn eben jetzt kommt die Kindheitserinnerung zum Tragen, Alfredo Häberlis alter Traum, einmal ein Auto zu entwerfen. Nur bloß nicht zu konkret, eher so wie ein fünftes Element. Aber als Teil eines Ganzen, das die anderen vier Elemente nicht ignoriert. Bei Häberli mündet all das in ein für den Laien eiförmiges Gebilde, das entfernt an eine Mischung aus Hochgeschwindigkeits-Weltrekord-Fahrzeuge und den genialen Lippenstift von Guerlain mit integriertem Spiegel erinnert. Oder noch eher an ein Segelboot mit geschlossener Kabine und Zusatzfunktion auf zwei bis vier Rädern. Alfredo Häberli runzelt die schöne Stirn unter silbergrauem Haar, nein, diese Assoziationen verraten den Designlaien, obwohl, eigentlich sei ja die Welt und seien die Gedanken frei und man möge hineininterpretieren, was das Zeug hält. Das Thema ist schließlich auch Diskurs und das heißt immer auch Auseinandersetzung. Der stellt sich das Team dann in Mailand. Ist es ein Ei? Ein Lippenstift? Oder ein Hochgeschwindigkeitsauto? Alfredo Häberli erläutert seine Ideen ALFREDO HÄBERLI; MONTAGE: ICON Durch Zeit und Raum nen, der Faktor Mensch, sinnliche Flächen – das sei ihm als Erstes in den Sinn gekommen. Um es zu verstehen, gibt es optische Hilfe in Form von Moodboards: Collagen aus Eindrücken, aus bereits existierenden Arbeiten, aus Schnappschüssen und Fundstücken. Er möchte die „Wurzeln“, die Geschichte von BMW mit einbeziehen, möchte Luxus „heute, gestern, morgen“ auf seine Art interpretieren. Und er habe sich auch damit auseinandergesetzt, wie wir in Zukunft reisen werden. Alleine? Zu zweit? Mit oder ohne Familie? Öffentlich oder individuell? Dazu muss es Verbindungsstraßen geben, Wege, die sich kreuzen. Zu Wasser? Zu Land? In der Luft? Viele Fragmente und offen bleibt bewusst auch die Frage, wo sich die „Sphäre“, das Thema des ersten Moodboards, in der Realität befindet. Alles scheint zu schweben – wie auch vielleicht das Auto der Zukunft? Als nächsten Schritt hat sich der Familienvater für die Studie mit dem Haus beschäftigt, das sei der erste Ort, an dem man sich wohlfühlt. Er ist fest davon überzeugt, dass man in Zukunft viel mehr auf kleinem Raum mit weniger Dingen auskommen wird, dafür nur solchen, die einem wirklich was bedeuten. Im dritten Gedankengang muss es dann auch irgendwie um ein Objekt, ein Gerät, ein Fortbewegungsmittel gehen. Der passionierte Möbeldesigner visualisiert zuerst eine Art Couch, ein Ort, noch undefiniert, es kann eine Sitzschale sein oder eine Badewanne. Etwas zum Ausruhen, obwohl man sich fortbewegen will? Karim Habib schaltet sich ein, denn das Thema der führerlosen Fortbewegung bewegt alle Designer in den Autofirmen rund um den Globus, also die Idee von selbstfahrenden Mobilen, in denen man tatsächlich und wenn man es denn möchte auch baden könnte, während man von A nach B befördert wird. Erste Versuche sehen vielversprechend aus, aber noch ist nichts wirklich serienreif. Alfredo Häberli betont, welch ein Luxus doch Auszeiten sind und seien sie im eigenen Auto. e-motion “pure Black” Die dynamische Silhouette von e-motion „pure Black“ weckt Begehrlichkeiten. Besondere Faszination übt der maskuline Aluminiumschaft aus, der mit einer Guillochierung versehen ist: Seine angenehm kühle Haptik begeistert jeden technikaffinen Liebhaber der Schreibkultur. www.Faber-Castell.de Rosshaar ist ein Sammelbegriff für viele Tierhaare. Daniel Heer verwendet jedoch nur das edle Schweifhaar vom Pferd DANIEL HEER (2) Doch warum fertigt ein junger Mann in Zeiten von Latex-, Kaltschaum- und hochtechnologisierten Vielzonen-Matratzen noch eine aus Rosshaar? „Alles wird schneller und man erfindet immer mehr Dinge, um Zeit zu sparen. Ich mache genau das Entgegengesetzte: Ich investiere in Zeit“, sagt der Schweizer, der selbst einige Jahre brauchte, bis er den Wert des Familienhandwerks schätzen lernte. Schon als Kind hatte er in der Werkstatt gespielt, mit 16 Jahren begann seine Lehre im elterlichen Betrieb in der Nähe von Luzern. Doch er musste erst etwas Distanz gewinnen, bis er sich 2007, zum 100-jährigen Jubiläum der Familientradition, dazu entschloss, das Erbe in Berlin fortzuführen. Diese Zeit der, sagen wir mal: Besinnung, die er in Prag, Warschau, Wien und Berlin verbrachte, nennt er IN BESTER LAGE seine Lehr- und Wanderjahre, neun an der Zahl, von denen er bis heute zehre. Vergleichsweise lang dauert es auch, bis eine Rosshaarmatratze fertig ist. Fast vier Tage braucht er für ein Standardmaß von ein mal zwei Metern. Rund 2000 Euro kostet das Stück, das dann aber ein ganzes Leben halten soll. Daniel Heer selbst schlafe noch immer auf einer gestreiften Matratze, die sein Großvater einst für ihn gefertigt und sein Vater noch mal aufgearbeitet hat. Dies sei alle 25 In seinem Berliner Atelier scheint die Zeit stehen geblieben Jahre nötig. Dann wird die Matratze geöffnet, das Rosshaar von 43 Pferden, das sind etwa 50 zu sein. Und dann auch wieder nicht. Der Schweizer Sattler Daniel Kilo, entnommen, aufgelockert, an die Luft gelegt und am Abend wieder in die Matratze Heer pflegt eigenwillig ein uraltes Handwerk: Er fertigt Rosshaargefüllt, die meist noch einen neuen Bezug ermatratzen – wie sein Ur-, sein Groß- und sein Vater schon hält. „Die Matratze ist dann wieder wie neu, das Haar behält seine Elastizität und Sprungkraft. Das ist die Investition“, Es ist Inbegriff seines geerklärt Heer. Einmal im Jahr samten Tuns – das Porträt sollte man die Matratze zudem des Urgroßvaters Benein die Sonne stellen, sie regeldikt. Man möchte meimäßig wenden und sie nicht nen, leicht ironisch und klopfen, sondern bürsten. doch wohlwollend blickt Belohnt werde man dafür mit der Mann von der Wand einem besonders gesunden auf das Schaffen seines Schlafklima, denn Rosshaar Urenkels. Über den alten Werkzeugkisten seisei atmungsaktiv, verfüge ner Ahnen hat Daniel Heer das Gemälde aufüber eine hohe Feuchtigkeitsgehängt – er hat es für diesen Zweck von eiaufnahme und Luftzirkulatinem zeitgenössischen Berliner Maler anfertion. Außerdem sei das NaturDaniel Heer in seinem Berliner Atelier und Element. gen lassen. „Es verbindet die Gegenwart mit material antiseptisch und Im Hintergrund die Werkzeuge des Urgroßvaters der Vergangenheit“, sagt der 37-Jährige, der selbstreinigend: Eine RossBenedikt und auch dessen wachsamer Blick besonderen Wert darauf legt, dass seine tradihaarmatratze werde deshalb tionelle Arbeit in einem modernen Kontext niemals muffig. erscheint: Der helle Raum ist aufgeräumt und Vor allem aber sind Daniel klar strukturiert. Nichts wirkt nostalgisch Heers Matratzen schön anzusanften Pastellstreifen oder modern interpre- sehen. Längst sind Architekten, Hotels und oder antiquiert. Und man darf ihm auch dabei zuschauen, wie tierte in bunten Anzug-Wollstoffen, blauem Concept Stores auf seine Produkte aufmerker krauses Rosshaar Schicht um Schicht zwi- Denim oder sogar welche, die mit weichem sam geworden, die er bis nach New York und schen jeweils einer Lage Schurwolle und ei- Hirschleder bezogen sind. Sydney verschickt. Seinen Kundenstamm bener Lage Stoff stapelt. Wie er das Ganze von Das Rosshaar, sortiert nach den Farben Natur- schreibt er als illuster, bekannte Persönlichrund 50 auf 15 Zentimeter zusammenschnürt; blond (etwas weicher) und Schwarz (etwas keiten schliefen auf seinen Matratzen. Wer gewie er mit den Händen die runden Kanten der elastischer), befindet sich zu Zöpfen verdreht nau, das möchte der diskrete Handwerker Matratze modelliert und mit dem Sattlerstich in Holzkisten auf einem Regal. Darüber aufge- dann aber doch nicht preisgeben. Das Bett sei vernäht; wie er mit sogenannten Abheftern reiht stehen Garnrollen in vielen Farben. „Es nun mal das privateste aller Möbelstücke. aus demselben Garn des Bezugsstoffs das geht mir darum, das Material, das Produkt und Und doch läge ihm viel daran, die Matratze aus Rosshaar fixiert. Nur eine bodentiefe Fenster- den Handwerker zu zeigen. Alles was Sie se- dem Dunklen ans Licht zu holen. Sie nicht scheibe trennt ihn dabei von den Passanten hen, wird auch verwendet. Die alten Werkzeu- länger unter Leintüchern zu verstecken. Das auf der Straße vor seinem Studio in Berlin- ge sind keine Dekoration“, so Herr Heer, der Potenzial dafür haben seine Modelle allemal – Mitte. Von hier aus kann man auch die ferti- sich 2012 nach einer Station in Kreuzberg in und dem würde gewiss auch Urgroßvater BeMira Wiesinger gen Matratzen bewundern: klassische mit der Rosa-Luxemburg-Straße niederließ. nedikt zustimmen. Von wegen Nostalgie! E 70 hoerger.de Katalog und Händler unter www.next125.de Küchen made in Germany – next125. Ausgezeichnetes, internationales Design. Nachhaltig produziert. Und das zu einem überraschend angenehmen Preis. design im einklang mit natur und preis IN VENEDIG V Mehr Gärten der Lagunenstadt gibt’s im Bildband „Die geheimen Gärten von Venedig“ (DVA) zu sehen Nah am Wasser gebaut Eine nahezu unbekannte Traumwelt Venedigs verbirgt sich hinter den Mauern der Palazzi: die geheimen Gärten. Für Andreas Tölke öffneten sich die Tore – so lernte er die Stadt ganz neu kennen. Oliver Mark begleitete ihn mit der Kamera OLIVER MARK (7); GABRIELE KOSTAS (2) 72 or elf Uhr empfängt Contessa Barnabò nicht. Immerhin, kurz vor der vollen Stunde öffnet sich ein Fenster im ersten Stock des Palazzo Cappello Malipiero Barnabò und die Gastgeberin erscheint im Rahmen. Ihr Blick fällt nun nicht nur auf den Canal Grande, er fällt auch auf eine Oase aus Rosen, Oleander, Iris und Hortensien umrandet von Buchsbäumen. Ein wenig französische Gartenkunst und ziemlich viel italienische Grandezza. Contessa Barnabò aber wirkt reserviert, während sie in ihr Idyll schaut – in den Garten, in dem schon Lord Byron und Giacomo Casanova Mußestunden verbrachten. Es ist sehr selten, dass die Gräfin Journalisten eine Audienz gewährt und auch diese kam nur zustande, weil eine Botin im Spiel war. Mariagrazia Dammicco, eine Expertin, öffnet die Türen zu Venedigs exklusivsten Verstecken, den Gärten, die man nur vom – pardon – Vorbeigondeln kennt. Vor allem den von Contessa Anna – wenn sich im Sommer Kaskaden aus weißen Rosen (Snow Carpet) über die Balustrade zum Canal Grande ergießen. Es ist visuelles Ausruhen von all den opulenten Fassaden am Wasser, die aus dem Vaporetto maximal den Blick in kleine Gassen zwischen den Palazzi freigeben. Aber dann eben das: Der Garten der Contessa mit Statuen aus dem 18. Jahrhundert, eine Allegorie auf die vier Jahreszeiten. Sie schließt ihre Fensterläden wieder, wir werden auf der Etage empfangen. Im Salon, geschätzte 250 Quadratmeter, plaudert die Hausherrin des 800 Jahre alten Palazzo über die Passion, die sie ergriff, als sie von Paris nach Venedig kam: „Bei meinem Einzug wurde noch Wein angebaut und erst über alte Aufzeichnungen konnte ich mir ein Bild machen, wie der Garten ursprünglich angelegt war. Wir haben ihn dann rekonstruiert.“ Ob ihr Besucher wisse, fragt die Contessa, dass es in Venedig über 500 Gärten gebe? Der ihre, den sie seit drei Dekaden pflegt, gilt auch nach Meinung der begleitenden Expertin Mariagrazia Dammicco als einer der schönsten. So herrlich, dass ihr Nachbar, der Unternehmer und Kunstsammler François Pinault, nach Vernissagen in seinem Museum im Palazzo Grassi gern Gäste in den Garten der Contessa einlädt. Ihr erleichtert das Zubrot den Unterhalt des Hauses, denn obwohl es ein Denkmal ist, gibt es keine Unterstützung von staatlichen Stellen. Venedig wuchs aus der Lagune, umrandet von Salzwasser, da hatten die Gärten zunächst eine ökonomische Funktion: „Die gepflasterten Plätze, die wir heute kennen, waren Anbauflächen für Obst und Gemüse. Erst seit dem Jahr 1500 ist dokumentiert, dass es grüne Oasen rein zum Entspannen gab“, erklärt Mariagrazia Dammicco. Sie ist den Hideaways auf der Spur. Mehr als zehn Jahre hat sie recherchiert, hat mit dem Boot an Toren angelegt, die Grün verhießen, und geklingelt: „Ich habe noch immer nicht alle Gärten gesehen“, erzählt sie und deutet auf eine Mauer über deren First Äste wippen: „Hier zum Beispiel. Ich kenne die Besitzer, aber sie erlauben keine Besuche.“ So geht es den ganzen Tag. Wenn nur ein Hauch von Pflanze aus einem Kanalgrundstück lugt, hat Mariagrazia Dammicco die Geschichte der Palazzi, der Besitzer und vor allem deren Gärten parat. Das ist ihre Passion. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Historikerin. Vor 15 Jahren gründete Maria- grazia mit ein paar Enthusiasten den Club „Giardini Storici Veneziani“ – und dieses Jahr hat sie es geschafft, zumindest einige Gärten für ein paar auserwählte Nicht-Mitglieder erlebbar zu machen. Zusammen mit dem „Westin Europa & Regina“ wurde eine Tour für Gäste entwickelt. Das Hotel unweit der Piazza San Marco, ist Start und Ziel, um mit dem Boot fünf bis sechs Gärten zu besuchen. Der Garten von Contessa Barnabò ist ein Höhepunkt. Die mehr als 60 Anlagen, die zur Auswahl stehen, sind während einer VenedigExkursion sowieso nicht zu schaffen. Einen guten Überblick verschaffen sich Gäste mit einem Mix aus Kloster- und Privatgärten. Öffentliche oder Museums-Gärten, wie der des Peggy Guggenheim Museums, kann man getrost in Eigeninitiative besuchen. Doch die Pforte zum Palazzo Nani Bernardo von Contessa Elisabetta Lucheschi-Czarnocki öffnet sich nur mithilfe von Mariagrazia. Eine weitere Contessa, aber ein Garten, der weniger ins Auge springt, eher die klassische Variante. Vom Wasser aus wird angelegt, der Portego, ein Flur, führt quer durch den Palazzo und dann erreicht man den Garten. Splendid Isolation umrandet von Mauern, uneinsichtig für die Nachbarn: Contessa Czarnocki hat von der Terrasse eine Orangerie abgeteilt, die Zitronen blühen: „Oliven und Zitrusfrüchte sind natürlich Teil fast jeder Bepflanzung, aber die Blume Venedigs ist die Rose", sagt Mariagrazia Dammicco. Dabei ist Rosenzucht in Venedig ein Kraftakt, der höchste Aufmerksamkeit erfordert: Der Humus muss im wahrsten Sinne des Wortes herbeigeschippert werden, Süßwasser muss man aus der Leitung nehmen, im Boden ist es in dieser artifiziellen Stadt ja nicht vorhanden. Im Garten des Palazzo Nani Bernado darf die Rose nicht fehlen, auch nicht die abgezirkelten Buchsbaumbeete. Der Liebling der Contessa ist allerdings die Brolo, eine zarte Orchidee, die im hinteren Bereich des Gartens auf den Sommer wartet. Ein Palazzo in venezianischer Gothik aus dem 18. Jahrhundert, ein Garten im Stil der Renaissance, also des 15. Jahrhunderts – da drängt sich die Frage auf, ob es zuerst den Garten gab. „Nein, ganz anders. Hier standen kleine, schäbige Häuser, die vor circa 150 Jahren abgerissen wurden, und erst dann wurde der Garten angelegt“, berichtet Mariagrazia. Und es herrscht Vielfalt: Signora Laura Candianis Garten hat wieder eine ganz andere Geschichte: „Der Palazzo Grimani ai Servi, der aus drei Gebäudeteilen besteht, brannte Anfang des 19. Jahrhunderts nieder, nur die Gärten blieben erhalten“, erzählt sie. Drei Gärten, um genau zu sein. Eine Rasenfläche, eingerahmt von Jasmin und Efeu, ein Garten mit den schon bekannten Buchsbaumhecken und ein Gemüse- und Spielgarten für die Kinder der Großfamilie. Es ist die Quintessenz der venezianischen Gärten, wie ein paar Kanäle weiter der Garten der Scuola Vecchia della Misericordia zeigt. Hier, im ehemaligen Kloster aus dem 13. Jahrhundert, haben Nonnen ein Armenhaus betrieben und Gemüse angebaut. Hier ist nicht nur eine Anmeldung nötig, der Besuch muss durch die Ausweisvorlage legitimiert werden. Das Vergnügen, so exklusiv es erscheint, ist nach den gesehenen opulenten Anlagen eher spartanisch. Rasenflächen, Rosen, Jasmin und ein paar Pinien. Ein Tag mit Wassertaxi, gegelten Haaren und übergroßen Sonnenbrillen auf den Kanälen neigt sich dem Ende entgegen. Es war ein Tag, der einen neuen Blick auf Venedig freigibt: Auf eine Stadt, in der einem was blüht. Im Garten der Contessa Czarnocki des Palazzo Nani Bernardo (rechts) sitzt die Hauskatze Oben: Signora Laura Candiani im Buchsbaum-Labyrinth des Palazzo Grimani ai Servi. Links: Scuola Vecchia della Misericordia, ein ehemaliger Klostergarten Unten: Contessa Anna Barnabò im PorzellanZimmer ihres Palazzo Malipiero. Links: Noch eine Katze. Rechts: der Portego des Palazzo Nani Bernardo IN IHREN PARFÜMERIEN MIT PERSÖNLICHKEIT: EIN NEUER DIAMANT IN DER GESICHTSPFLEGE LUXURIÖSER SCHATZ DER NATUR Die Pflege-Experten der Parfümerien mit Persönlichkeit empfehlen die Re-Nutriv Ultimate Diamond Kollektion – die Pflegelinie der Luxusklasse. Mit der außergewöhnlichen Energie des Black Diamond Trüffelextraktes. Erfahren Sie mehr über die faszinierende Fähigkeit des schwarzen Trüffels, die Energie und Vitalität der Haut zu steigern – in Ihrer Parfümerie mit Persönlichkeit. Erleben Sie mit dieser einzigartigen Creme vom ersten Moment an eine neue Dimension von Luxus. Neueste Technologien schenken straffe Konturen und lassen Ihre Haut strahlend schön, definierter und sichtbar jünger aussehen. 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Doch freue ich mich nicht nur über Wiesen und Blätter, die endlich wieder sprießen, sondern auch auf meine grünen Lieblings-Düfte. „Posh on the Green“ der britischen Marke Atkinsons etwa duftet herrlich frisch nach geschnittenem Gras, Zitrone, Feigenblättern, Wasabi (keine Sorge: nicht scharf!) und ein wenig Veilchen. Besonders gut eignet sich das zarte Parfüm übrigens, wenn Sie nah mit anderen Leuten zusammenarbeiten, da es unaufdringlich ist. Mein zweiter grüner Tipp? Der Unisex-Duft „Panorama“ von Olfactive Studio. Hier entstehen die Düfte in Zusammenarbeit mit Fotokünstlern und zu jedem Duft gibt es das passende Bild. Anschauen, Duft versprühen, Augen schließen und das Kopf-Kino beginnt. Anmut des Vergangenen Silvy Hahn PRIVAT CONDE NAST ARCHIVE/CORBIS Von wegen: Schönheit ist vergänglich! Schlichte Frisur, wenig Make-up, ruhiger Blick, LadylikeSeidenkleid, Köfferchentasche und Pose vor abstrakter Kunst. Abgesehen von den Handschuhen vielleicht, die man eher nachts tragen würde, damit die Hautcreme besser einwirken kann, sind es alles Zutaten, die heute wieder so aktuell sind, wie sie betörend waren, als der britische Hoffotograf Sir Cecil Beaton auf den Auslöser drückte. Ganz ohne digitale Optimierung! Inhaberin der Parfümerie „Silvy Hahn“ in Bamberg SCHÄTZELEINS Schöner atmen: Längst müssen sich Duftkerzen nicht mehr verschämt hinter Fotorahmen oder Vasen verstecken. Sie selbst sind zum Design-Objekt geworden. Ganz neu sind Kerzen und Diffusor, die der Architekt Ferruccio Laviani rechtzeitig zum Salone del Mobile für Kartell Fragrances entworfen hat. Bravissimo! Die (Aesop-) Welle rollt: Nach Neu-Eröffnungen in Berlin, Hamburg und Köln im vergangenen Jahr hat die australische Kosmetikmarke nun den Süden erobert. Bei Ludwig Beck (Marienplatz 11) in München gibt es nun eine Shop-inShop-Ecke in der Kosmetikabteilung. Mit besonderem Waschbecken, wie immer. Schee ist’s. Ordnung to go: Sie haben keine Lust mehr auf das Durcheinander im Kulturbeutel ? Verständlich. Für Ordnungs-Liebhaber hat Kofferproduzent Tumi nun gemeinsam mit Uslu-Airlines-Nagellack-Gründerin Feride Uslu das „BER TravelKit“ entwickelt. Optimistisch benannt nach dem zukünftigen Berliner Flughafen. Mit ganz viel Platz für Tiegel aller Art und: Nagellacke, klar. Über tumi.de B wie? Logo – Balenciaga: Seit dem der Amerikaner Alexander Wang 2012 im französischen Modehaus den Stift schwingt ist „B“ das erste Parfüm unter seiner Ägide. Und da dies unsere Design-Ausgabe ist, darf neben dem Duft (frisch und grün) auch der Flakon nicht zu kurz kommen. Das gefrostete Glas soll an den Fliesenboden im ersten Salon von Balenciaga in Paris erinnern. Sein gebogener Deckel und die SechseckForm erinnern an die Bögen in Wang’s Mode. Judith Gauls PRIVAT Spritztag: Die Pumpflasche, in der die Raumdüfte aus der Edition Parfum de Frédéric Malle stecken, soll an eine Pflanzenbewässerungs-Spritzflasche erinnern. Macht a) Spaß den Duft zu verteilen und riecht, b) auch noch gut. Die neueste Kreation „1er Mai“ duftet nach Maiglöckchen. Gibt’s etwa bei Harald Lubner in Hamburg (Tel. 040/ 357 154 55) Wir alle haben Produkte, die wir selber gern benutzen und darum weiterempfehlen. Zu meinen Schätzchen zählt momentan das „Magic Mousse Shampoo“ von Hair Doctor, dessen Namen man im Wortsinn verstehen darf. Der Extrakt, der sich im Shampoo verbirgt, die Inca Inchi-Nuss, oder wie die Inca sie nannten „goldene Nuss“, soll für mehr Volumen, bessere Kämmbarkeit und gegen fliegende Haare wirken. Magie? Nein, nein, einfach auf den Knopf drücken und fertig ist das Mousse. Auch das Enzympeeling „Silk Peeling Powder“ von Sensai zählt in die Kategorie „Liebling“ und zaubert eine weiche Haut, die man immerzu streicheln mag. Etwas Puder in die Hand nehmen, mit Wasser vermengen und über das Gesicht streichen. Tipp Nummer drei? Der „Tan Maximizer“ von Lancaster soll der Urlaubs-Bräune auf die Sprünge helfen. Mitinhaberin der „Parfümerie Gauls“ in Grevenbroich MARKENGESCHICHTE Goldader Als Metallarbeiter von Coco Chanel belächelt, bahnte sich Paco Rabanne dennoch seinen Weg in die Modewelt. Und auf den Kosmetikmarkt. Susanne Opalka erklärt ein Phänomen Ziemlich sicher kurvt Señor Francisco Rabaneda y Cuervo frohgemut mit einem Elektroauto durch die bretonische Landschaft, wahrscheinlich schallt dabei geliebte Zwölftonmusik aus den Boxen. Wenn er nicht gerade in seinem kleinen Landhaus malt oder schreibt. Hier in der Bretagne, fast autark durch Windenergie, Wärmepumpen, Regenwassernutzung, lebt der heute 81-jährige Paco Rabanne noch immer so, wie er es stets in seinen Designs, seinen Ideen und seiner Kreativität gehalten hat: visionär und eigensinnig. Statt sich ans Protokoll zu halten und bei einem seiner letzten Interviews ausführlich über den Duft „Lady Million“ zu sprechen, erzählte der Grandseigneur dann auch lieber über die Jugend von heute, seine Vorliebe für fleischlose Ernährung, den Kontakt zu Seelen im Jenseits, seinen steten Versuch, achtsam zu sein, mit den Menschen, mit der Natur, immer mit dem Herzen zu sprechen, nicht zu urteilen, zu bewerten – und eben über das Elektroauto, das er sich neben seinem Hybridfahrzeug leisten werde. Um dann laut lachend fortzufahren: „Und ich spreche mit den Vögeln, ich spreche ihre Sprache, ich verstehe sie. Ich bin völlig verrückt mit dieser Sache, das müssen Sie wissen.“ Die Marketingleute waren einer Ohnmacht nahe, Monsieur Rabanne fuhr noch lange fort. Um Irritationen und spöttische Kommentare hat sich der charismatische Moderevolutionär noch nie geschert. Er hat ganz anderes erdulden müssen. 1934 in Pasaia, einer Hafenstadt im spanischen Baskenland geboren, hinterließ der Bürgerkrieg tiefe seelische Wunden in seinem noch jungen Leben: der Vater von Franco-Truppen erschossen, Exil in Frankreich, wohin die Familie 1939 flüchtete, verschiedene Aufnahmelager, ein Leben halb im Untergrund. Wissbegierig und stark von seiner Mutter beeinflusst, die erste Schneiderin bei Balenciaga war, studiert der junge Francisco Architektur, finanziert seine Ausbildung, indem er Tausende Skizzen und Accessoires an die Größten der Zeit verkauft, darunter Courrèges, Balenciaga, Pierre Cardin, Nina Ricci, Givenchy. PACO R ABANN E; MON TAGE: IC ON Z 1966 erntet er unverhohlenen Spott, als er seine erste Kollektion „12 untragbare Kleider aus zeitgenössischen Materialien“ tauft. Coco Chanel nennt ihn den Metallarbeiter; weil er Metall und Kunststoffe (darunter das feuerfeste Rhodoid) mit Zange und Lötkolben bearbeitet, statt bei Schere und Nadel zu bleiben. Der Rest der Modewelt und die Medien sind jedoch begeistert, er kann sich vor Aufträgen nicht retten. 1968 entwirft er die weltweit ersten Kleidungsstücke in Einheitsgröße, die sich jeder Körperform anpassen. Diese „Giffo“-Designs werden so berühmt wie die „Pacotilles“, erschwingliche Op-Art-Ohrringe oder sein Cat Suit für Jane Fonda in „Barbarella“. Zusammen mit der spanischen Familie Puig, die bereits 1968 Rabannes Partner wird, bringt er auch die Parfümbranche in Wallung. 1969 erscheint „Calandre“. Der kantige Flakon aus Glas und Metall und der Name (zu übersetzen mit Kühlergrill) verstören, zumal für ein Damenparfüm. Rabanne: „Beim Design geht es nicht um Verführung, es geht ums Schockieren.“ Genau wie beim Duft selbst. Ein Meisterstück und ein Erfolg, der heute noch unverändert wirkt. „Paco Rabanne pour Homme“ (1973) wird das Pendant für die Herren, ein aromatischer Fougère-Duft, der die moderne Duftkultur für Männer beeinflusst, wenn nicht begründet. „Métal“ (1979), „La Nuit“ (1985), „Sport“ (1986), Ténéré (1988) und „XS“ (1993) folgen. Zwischendurch übernimmt PC eine ehemalige Heißluftballonfabrik und gründet das Centre 57 für Rap, Hip-Hop und andere Künstler der schwarzen Musik. Das ellipsenförmige Parfüm „Ultraviolet“ (1999) behauptet sich mit einer neuen Materialauswahl: Glas, Silikon und Metall. Doch Bahnbrechendes bleibt aus. Assoziation Diamant: Das Parfüm „Lady Million“ von Paco Rabanne zählt zu den Bestsellern des Hauses. Model Sean O’Pry ist das Gesicht der neuen „1 Million“-Kampagne Bis 2008 mitten in die Wirtschaftskrise ein schwerer Goldbarren kracht; eindeutig – auch im Namen: „1 Million“. Kopfschütteln allerorten. Paco Rabanne: „Dieser Duft und der Flakon wurden lange vor der Wirtschaftskrise designt, wir wählten den Goldbarren als Anspielung. Wir leben in einer materialistischen Zeit, sehr materialistisch.“ „1 Million“ (ab Mai wird dazu ein „Cologne“ neu erscheinen) ist der Megaerfolg, inzwischen der zweiterfolgreichste Duft weltweit. Und selbst PC sagt: „Ja, ich war sehr überrascht, sehr sogar, das muss ich zugeben.“ Auch „Lady Million“ verfehlt die Wirkung nicht. Das Material Girl verkörpert noch konsequenter die Sehnsucht, einfach mit den Fingern zu schnippen, um zu bekommen, was man will. Eine von drei Traumwelten, die Paco und Puig vor über zehn Jahren als Konzept erdachten. 2005 kreierten sie den Kosmos der Rockstars, mit dem Gothic-Design von „Black XS“. Die dritte Traumwelt trägt 2013 den Titel „Invictus“. Der Held, dem nichts und niemand widersteht, mit einem „orgastischen Akkord, einer unbezwingbaren Lust nach salziger Haut, die man schmecken, ablecken möchte", so Parfümeurin Véronique Nyberg. Die ebenbürtige Partnerin ist inzwischen gefunden. Ende Juli wird sie erstmals auftreten, die Amazone, Königin, Göttin (drunter wird es ja wohl nicht gehen). Getreu der Feststellung, die Visionär Paco Rabanne schon 1967 postulierte: „Die Frau von morgen wird effizient, verführerisch und zweifellos den Männern überlegen sein.“ Na bitte. 77 P S SS t ! S Die -Neulinge Retro Apothekenpflichtig Sie fragen Ihren Arzt oder Ihren Apotheker? Jahrelang wälzte Jörg Schultes antike Rezepthefte, ließ sich inspirieren und entwickelte daraus seine eigene kleine Kosmetiklinie namens Apomanum. Sein Credo? „Einfachheit in der Rezeptur, Vielfältigkeit in der Wirkung und Begeisterung in der Anwendung“. Klingt vielversprechend. Zu den Bestsellern zählt das Mundwasser (aus Minzöl, Menthol, ätherischen Ölen). Für alle, die es nicht in Schultes’ Apotheke nach Altomünster schaffen, gibt’s die Produkte zum Glück auch über greenglam.de Eine wahre Liebe Rückenprobleme zwangen den jungen Tänzer Jean-Louis Scherrer dazu, mit Mitte 20 die Ballettschuhe auszuziehen. Die Füße standen still, doch nicht seine Kreativität. Er wurde Modeschöpfer. Erst arbeitete er als Assistent für Christian Dior, 1962 gründete er sein eigenes Atelier. 2013 verstarb Scherrer, das neueste Parfüm „One Love“ soll an ihn und seinen Stil für elegante Pariserinnen erinnern. Wonach es duftet? Pudrig, blumig, zauberhaft. Fräuleinwunder Frank Leder, eigentlich Modeschöpfer in Berlin, entwickelte 2012 die Kosmetiklinie „Tradition“. Nicht gerade aus Langeweile, sondern weil er fand, dass seine Kollektionen kaum greifbar seien und er mit einem Biershampoo oder „Holunder Sirup“ (ein Duschgel!) wohl mehr Menschen erreichen könne. Tut er. Seine Produkte gibt’s über mdc-cosmetic.de Duft-Ikonen Sie erinnern sich bestimmt an den Duft von „Youth Dew“. Das weiche, doch pudrige Parfüm, das Generationen von Frauen benutzten, war 1953 der erste Duft-Coup von Estée Lauder. Ab 1968 ließ sie eine ganze Kollektion folgen. Verschwunden vom Markt waren Cinnabar, Azurée, Spellbound, Aliage und Estée nie, doch jetzt bekamen die fünf Klassiker eine moderne, puristische Hülle aus Glas. Doch keine Sorge, am Inhalt änderte sich nichts. Basisarbeit Eine Lippe riskieren 78 Poppy King liebt Farbe auf den Lippen. Als die Australierin nicht die passende fand (sie suchte nach etwas Mattem in Rot oder Burgunder), gründete sie 1992 ihr eigenes Label namens „Lipstick Queen“. Eine Ansage. Für ihre „Velvet Rope“-Kollektion (fünf Rot-Nuancen) ließ sie sich vom Hollywood der 20er-Jahre inspirieren. Den Glamour ins Bad holt man sich am besten mit der Farbe „Brat Pack“ – ihrer Meinung nach das einzig wahre Rot... Über niche-beauty.de Es ist wie beim Kuchenbacken: Nicht nur der Zuckerguss (sprich: Makeup) zählt, sondern auch die Basis, also der Kuchenboden – sprich: die neue „Sisleÿa Lotion de Soin Essentielle“. Das Fluid von Sisley (mit GinkgoExtrakten) soll als Grundlage des täglichen Pflegerituals dienen und die Haut aufnahmefähiger für alle weiteren (Creme-) Schichten machen. GETTY IMAGES; MONTAGE: ICON; ZUSAMMENGESTELLT VON CAROLINE BÖRGER Traditionalist Es war die erste Duft-Kreation von Christian Dior. „Miss Dior“, benannt nach seiner Schwester Missy. Als der Couturier es 1947 gleichzeitig zu seinem New Look entwarf, roch auch der Chypre-Duft nach Neuanfang. 2013 aktualisierte der Parfümeur François Demachy das Parfüm ein wenig und nun folgte das „Hair Mist“. Nein, nicht Haarspray, sondern Duft für den Schopf. Lass mal was sein. T H E C U L T U R E O F T O TA L B E A U T Y Exklusive Haarpflege und Kosmetik. In ausgesuchten Friseur – Salons: labiosthetique.de LA BIOSTHETIQUE CHEVEUX LONGS In voller Länge Langes, seidiges Haar ist sexy. Es ist aber auch empfindlich und anfällig für Sprödigkeit und Haarbruch. Das luxuriöse Spa – Konzept Cheveux Longs gleicht Strukturschäden aus, pflegt das Haar mit hochwirksamen Inhaltsstoffen und umschmeichelt es mit einem bezaubernden Parfum. SONNTAG, 12. APRIL 2015 Global Diary Erinnern Sie sich? An die Zeit, als man statt WhatsApp und E-Mail noch Karten von fremden Orten schrieb? Wir tun es noch immer MAILAND Ein Duschkopf werde noch angebracht und sexy Bilder von bemalten Körpern auch. Wobei: „Weglassen“, erklärt Michel, sei das Prinzip des Moxy-Styles. Er meint die Ausstattung der 162 Zimmer mit Betonböden. Weggelassen wurde ein Schrank. Wer braucht den schon hier? Telefon? Ach was. Es gibt einen Alarmknopf, nach dessen Betätigung sich tatsächlich sehr schnell eine Mitarbeiterin nach meinem Wohlbefinden erkundet. Weggelassen wurde auch ein Schreibtisch, dafür gibt es große Betten mit LEDs am Rahmen, die nächtens beim Aussteigen automatisch aufleuchten sowie große Flachbildschirme mit LG-Soundbar und integriertem Apple-TV, großzügige Bäder und natürlich schnelles WIFI. Im Erdgeschoss flankieren zwei Säle den Minimarkt, der eine ist unterteilt in Lounge und Bibliothek. Der andere mit einem gigantischen Esstisch ausgestattet, an dem am nächsten Morgen junge Menschen mit ihren Computern frühstücken. Beim Auschecken bittet ein altes Ehepaar um Hilfe mit dem Gepäck. Eigentlich muss Service im „Moxy“ aus Kostengründen auch weggelassen werden. Aber ein junger Mitarbeiter hatte vom Flughafen einen Gepäckwagen gemopst um Getränkekisten zu transportieren und chauffiert nun die Koffer der Gäste zur Bushaltestelle. Ich fühle mich nun doch nicht zu alt fürs Moxy und reserviere per Handy rasch ein Zimmer für April. Esther Strerath ist begeistert: 49 Euro für eine Nacht während der Möbelmesse – das ist nicht zu toppen SANT'AGATA FELTRIA 80 Aus alten Steinhaufen auf einem der Hügel bei Sant’Agata Feltria in der Emilia Romagna wurde ein privates Luxushotel für höchstens acht Gäste. Schmale Pfade führen hinauf zur Petrella Guidi Lodge. Galya Falileeva und Paolo Trento verliebten sich erst ineinander und 1991 dann gemeinsam in das mittelalterliche Ruinendorf. Insgesamt 17 Jahre gingen ins Land für die Restaurierung. Vier Suiten in drei Felssteingebäuden, eine jede mit Kamin und geschmackvoll von der Besitzerin gestaltet: das Zimmer der Rose, der Poesie, der Spiritualität und das Spiegelgemach. Aus dem Spa mit Hamam führt der Blick, wie aus allen Räumlichkeiten, weit hinaus in das Land. Es scheint, als erwache man am frühen Morgen über den Wolken – doch löst sich der Nebel über dem mächtigen, oft trockenen Flussbett des ‚Fiume de Marrecchia’ noch während des Zähneputzens auf. Beim Frühstück am langen Küchentisch von Galya werden die Gäste fürstlich umsorgt. Auch der ‚grüne Daumen’ von Galya zeigt Wirkung. Etwa 8000 verschiedene Pflanzenarten, davon allein 62 Hortensien, blühen in allen Farbnuancen. Zwischen 35 Rosensorten verbirgt sich auch die seltene „Rose von Petrella“. Auch eine Zugbrücke gehört zu den Wegen durch die weitläufige Gartenkomposition rund um die Gemäuer – ein steinerner Brunnen, ein Glaspavillon. Duftende Glyzinienlauben laden ein, in aller Stille zu lesen, zu denken, zu essen. Das Gemüse zieht Gärtner Luigi auf. Nur frische Zutaten, eigene Tomaten, Zucchini und Kräuter kommen in Galyas Töpfe – ob für ihre Kochkurse oder für ein romantisches Candlelight-Dinner, das die Gastgeberin auf Wunsch zubereitet und in ihrem behaglichen Wohnraum am Kaminfeuer serviert. Den kurzen, holprigen Anstieg zur Lodge haben ihrerzeit berühmte Kinder der Region beschritten: Federico Fellini und Giulietta Masina – eine Gedenkplatte erinnert an Regisseur und Schauspielerin. Man traut sich kaum, den Ort zu verlassen für die Schönheiten der Umgebung, als könne der Traum in Abwesenheit wie eine Seifenblase zerplatzen. Lodge und Land drumherum sind ein Gesamtkunstwerk: Der „Garten der vergessenen Bäume und Früchte“ in Pennabilli beispielsweise, verborgen hinter dicken Mauern – hier pflanzte der Dalai Lama einen Walnussbaum. Oder die Werkstatt in Carpegna von Emanuele Francioni, der mit schweren Hammerschlägen auf historische Holzstempel die Kunst des Roststoffdrucks wieder belebt: Blumendekor, Füllhörner, Hähne auf Baumwollleinen für Tischwäsche, Kissen, Schürzen. Und stets im Juni feiert das ganze Nachbardorf Forlimpopoli ein opulentes Fest zu Ehren des Küchenmeisters Pellegrino Artusi. Dieser schrieb 1891 das erste gesamtitalienische Kochbuch „La Scienza in cucina e l’arte di mangiar bene“ – Von der Wissenschaft des Kochens und der Kunst des Genießens. Die gilt noch heute. Uta Petersen schätzt die individuelle Ästhetik kleiner Luxushotels Selbst wenn man schon hundert Mal in New York war, ertappt man sich dabei, ständig in die Luft zu gucken und die Wolkenkratzer zu bestaunen. Und wenn man denkt, dass höchstmögliche Gebäude stünde bereits, entsteht ein paar Blocks weiter schon das nächste. Im (momentan) höchsten Wohnhaus der Stadt, dem „One 57“, ist seit Herbst vergangenen Jahres das „Park Hyatt New York“ untergebracht. Das neue Flagschiff nennen sie es. Bis Etage 25 wohnen die Hotelgäste an der West 57 Street (zwischen 6th und 7th) im Entwurf von Christian de Portzamprac, darüber – auf 75 weiteren Etagen – folgen Millionen-Dollar-teure Luxusappartements mit atemberaubendem Blick gen Norden über den Central Park. Den hat man aber auch von den Wohlfühl-Massagekabinen im Hotel-Spa „Nalai“ aus, das sich über drei Etagen mit Pool (samt Unterwassermusik), Fitness und Whirlpool erstreckt. Kommen Sie bloß nicht auf die Idee, die Jalousien während der Massage herunterfahren zu lassen! Innen durfte sich das Architekten-Duo Yabu Pushelberg austoben, modern, doch nicht zu „durchdesignt“ sind die Zimmer, die, wow, mindestens 44 Quadratmeter groß sind. Noch reizvoller aber sind die irre freundlichen Doormen, die eigens für das Hotel kreierten Badprodukte von Le Labo, die frischen Säfte und köstlichen Pancakes zum Frühstück im „The Back Room“, das (man isst von Dibbern-Porzellan) am Abend als schicke Boutique-Küche funktioniert (probieren Sie unbedingt den Maine-Lobster). Oder die Bar „Living Room“ (im Wortsinn), in der sich auch New Yorker treffen. Und der gewischte Marmor an den Wänden wirkt so zart und warm, dass man ihn immerzu berühren mag. Caroline Börger könnte sich sehr gut vorstellen in diesem Glaspalast auch dauerhaft zu wohnen NEW YORK ILLUSTRATIONEN: TIM DINTER Wer schläft schon am Flughafen? Also, in einem Airport-Hotel? Zum Beispiel die „Millenniums“. Sie sind jung und mit Rucksack statt Aktentasche ausgerüstet. Aber sie sind keineswegs anspruchslos. Ende 2014 hat sich eine neue Hotelkette zum Ziel gesetzt, genau diese Reisenden zu beherbergen. In Mailand, am wenig romantischen Flughafen Malpensa, eröffnete jüngst das erste von vielen geplanten „Moxys“. Der pinkfarbene Schriftzug weist den kurzen Weg. Coole Plastiksessel vor der großen Glasfront erzählen vom Mutterkonzern Ikea, beziehungsweise dessen Tochter-Unternehmen „Inter Hospitality Holding“ (2012 in Amsterdam gegründet). Da Rezeptionen aus der Mode kommen, stolpert man auch im „Moxy“ gleich in einen Mix aus Mini-Supermarkt und Tagesbar. „Wo ist die Rezeption?“ „Wir sind die Rezeption“, erwidert die junge Frau, die an der Bar gerade Cola einschenkt, lächelnd. Sie checkt auch ein – an der Kasse. Direktor Michel ist schon da, hey, er zeigt uns das Hotel. „Der Fahrstuhl soll wie eine Dusche wirken“, warnt er uns vor. „Funky, fresh und very fun.“ Individuell: Papa Playa Hotel in Tulum, Mexiko, das Kruisheren Hotel in Maastricht (unten rechts) sowie das G-Rough Hotel in Rom (unten links) UNTERWEGS Das Auge reist mit Seelenlose Unterkünfte können die schönste Tour vermasseln. Bei den Mitgliedern der Design Hotels kann man sich darauf verlassen: Das passiert nicht. Und langweilig wird’s auch nie nicht“, „Elfenbeinzimmer“ oder „Goldspeicher“ und gemütlich-romantisch wie das ganze Haus, mit dunklem Holz, bestickten Kissen und Purpur als immer wiederkehrende Kennfarbe in der Einrichtung und an den Wänden. Die Szenerie ist derat persönlich und auch uneitel, dass auch die alteingesessenen Michelstädter gern einkehren. Etwa ins hauseigene Café, das sich im Sommer mit Sonnenschirmen und Gartenmöbeln auf den Platz vor dem Haus ausbreitet. Zu Tisch bitten – man hätte es es nicht vermutet – die Schauspielerin Jessica Schwarz und ihre Schwester Sandra. Sie sind in der Gegend aufgewachsen und führen gemeinsam das romantische Hotelchen seit 2008. Dass ein Hotel zu mehr als einer temporären Heimat werden kann, zeigt sich am Beispiel von Claus Sendlinger selbst. Er wohnt mit seiner Familie im „Papa Playa Hotel“ in Tulum, Mexiko. Die Anlage erfüllt die Sehnsüchte jener, die bereits alles gesehen und keine Wunschziele mehr offen haben und stattdessen Ruhe, Askese und Wellness im Einklang mit der Natur bevorzugen. Stroh anstelle von Beton, eine Regenwalddusche im Freien statt des üblichen Badezimmers. Nur wenige Schritte durch den weichen Sand entfernt, erstreckt sich das Meer. Was so schön ökologisch klingt, ist es in diesem Fall auch. Regenwasser wird gesammelt, spezielle Toiletten und die Nutzung von Bio-Diesel sollen die Natur möglichst wenig belasten. „Und es geht um intelligenten und intuitiven Service, nicht um bloße Marketingstrategie“, sagt Sendlinger zu solcherlei Konzepten. „Dem Businesshotel in München nimmt man die Heilmedizin nicht ab, die in Tulum angeboten wird und hier Sinn ergibt, weil die ganze Gegend etwas sehr spirituelles hat.“ Läge da nicht mal eine Reise in das Kruisheren Hotel nahe, Herr Sendlinger? Jennifer Hinz DESIGNHOTELS.COM; ETIENNE VAN SLOUN FOTOGRAAF D ie Türen einer Kirche sollen jedem offen stehen, immer. Doch leider müssen sich auch Gläubige heutzutage an gewisse Öffnungszeiten halten. Es sei denn, sie kommen nach Maastricht und klopfen an die Pforte der Kruisheren-Kirche. Was früher einmal ein Kloster mit angeschlossenem Gotteshaus war, ist heute nämlich ein Hotel. Für Atmosphäre sorgen nun nicht mehr Kerzen in den Kronleuchter, sondern moderne Lichtobjekte von Lichtkünstler Ingo Maurer, die in der Luft zu schweben scheinen. Wer es im Restaurant schafft, den Blick kurz vom seinem Teller zu heben, wird zudem die alten Wand- und Deckenmalereien entdecken. Das Ambiente lebt vom Kontrast zwischen modernen Design- und Einrichtungselementen und vielen Überresten aus dem 15. Jahrhundert, die an die Herkunft als Klosterkirche erinnern. Dieser Spannungsbogen führte zur Aufnahme in die Familie der Design Hotels. Dahinter steckt eine eingetragene Marke, die die vom Eingang bis zur Seifenschale durchgestylten Unterkünfte bekannt machen soll. Über 270 Hotel in 56 Länder gehören bereits zum Portfolio. Im Gegenentwurf zu Ketten gleichen sich die Design-Hotels in ihren Angeboten bewusst nicht. Jedes Jahr gehen etwa 400 weitere Bewerbungen von Hoteliers ein. Nach einer Prüfung heißt es am Ende für nur fünf Prozent von ihnen: Willkommen im Club! Das Geschäft mit der Elite ist ein lukratives, auch in der Tourismusbranche. Die Mitgliedshotels zahlen, von ihrer Größe abhängig, neben der einmaligen Implementierungsgebühr und einer jährlichen Lizenzgebühr, Kommissionen auf Buchungen, sowie Gebühren für individuelle Dienstleistungen und Produkte. Im Gegenzug wird ihnen die Arbeit in den Bereichen Vertrieb, Marketing, Steuern und PR abgenommen. Als Claus Sendlinger vor 22 Jahren das Unternehmen gründete, gehörten ihm schon diverse Reisebüros sowie eine Eventagentur. Heute steuert er die Geschäfte nur gelegentlich vom Hauptsitz in Berlin aus – er ist viel unterwegs. In seiner Idealvorstellung sollen sich Hotels als erste Adresse darstellen, wenn es um ein einzigartiges Essen geht oder darum, Freunde unterzubringen. Ein Ort, an dem sich Touristen unter die Einheimischen mischen können – und das, ohne überhaupt den Reiseführer aufzuschlagen oder das Haus zu verlassen. Beispielhaft gelingt das in Michelstadt, Hessen, im Haus „Die Träumerei“, ein Kleinod aus dem Jahre 1623. Unter einem roten Ziegeldach, umschlossen von Fachwerkwänden, bietet das Hotel lediglich fünf Zimmer. Allesamt mit so klangvollen Namen wie „Vergissmein- 81 BAUPLAN 3 1 6 5 2 8 9 10 DIE „HYADES“LAMPE VON ARMANI CASA In den Ateliers und Manufakturen dieser Welt werden weiterhin Handwerkskünste gepflegt, und wir schauen zu Wer die hohe Glaskunst sucht, muss im Kleinen schauen – auf den Murano-Inseln nordöstlich der Altstadt von Venedig. Im 14. Jahrhundert auf dem Zenit, gibt es dort heute nur noch einige wenige Manufakturen, die Glas nach traditionellem Muster verarbeiten. Für das Haus Armani entsteht in der alten Handwerkskunst die Hyades-Lampe aus der Armani Casa-Kollektion, verarbeitet mit Blattgold und Puderblau, inspiriert von Laternen aus dem Fernen Osten. Ihre Herstellung nimmt über 14 Stunden in Anspruch. Mehrere Viererteams legen gemeinsam Hand an. Es wird geformt, gehärtet, geschnitten und zusammengesetzt. Das Ergebnis sei ein überdurchschnittlich schönes Stück Handwerkskunst, sagt Giorgio Armani. Aber sehen Sie selbst, wir zeigen die wichtigsten zehn Schritte: 1. Auf dem Papier geht es los mit einer maßstabsgerechten Zeichnung. 2. Im Brennofen wird Sand bei rund 1800°C geschmolzen. Eine kleine Menge des entstandenen klaren Glases wird mit dem oberen Ende des Rohres gesammelt. 3. Zusammen mit einer weiteren Portion Glasmasse wird die Mixtur auf einem Bronzino (einem Metalltisch für Glasarbeiten) verflochten. 4. Das Glas wird noch einmal mundgeblasen, bevor es in eine Holzform gegeben wird. 5. Um dem Glas, aus dem am Ende der Lampenfuß werden soll, die Form eines Zylinders zu geben, wird es in eine weitere Holzform geblasen. 6. Etwas später kann die Gussform geöffnet werden. 7. Mit einem Muffelbrenner wird der Lampenfuß für 12 Stunden ausgeglüht. Das bis dahin spröde Glas gewinnt dadurch an Flexibilität und Festigkeit. 8. Nachdem der Lampenschirm auf die gleiche Weise wie der Fuß hergestellt wurde, darf auch er aus der Gussform. 9. Vorsichtig wird der Lampenfuß durchbohrt, um später Ober- und Unterteil zu verbinden. 10. Zum Schluss wird der Guss des Lampenschirms noch zugeschnitten. Übrigens: Die Tischlampe mit 47 Zentimeter Höhe gibt’s online über armanicasa.com GIORGIO ARMANI 7 4 r nur fü eit z e z r u k entdecken sie die mumm künstler-edition Exklusiv gestaltet von Anja Kroencke.