positionen pdf - GDV Positionen
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NR. 93 DAS MAGAZIN DER DEUTSCHEN VERSICHERER JUNI 2014 PREIS 4 EURO C 44755 Im Interview Bundesbank-Vorstand AUFGEZEICHNET: Telematiktarife versprechen Versicherungsprämien passend zum Fahrstil. ANDREAS DOMBRET ABGEDREHT: Spielfilme sind ein riskantes Geschäft. GENERATION ÜBERGANG Starre Altersgrenzen? Eine Gesellschaft, die immer älter wird, braucht neue Übergänge zwischen Berufstätigkeit und Ruhestand. Auf Spurensuche in der großen Rentenfrage. EDITORIAL MEINE POSITION ZWISCHEN WAHRNEHMUNG UND REALITÄT – WAS LEISTEN VERSICHERUNGEN WIRKLICH? Liebe Leserinnen, liebe Leser, die neuen „Positionen“ sind da. Sie präsentieren sich in neuem Gewand und mit neuen Inhalten. Wir haben unser Magazin für Sie einem Relaunch unterzogen, um dem Wandel unserer Informationsund Kommunikationswelt besser gerecht zu werden. Mit dem neuen Magazin setzen wir auf hochwertigen Journalismus: kompetent wie gewohnt, jedoch noch unterhaltsamer und informativer aufbereitet als bisher. Wir wollen aber auch geschärfter und entschlossener Haltung beziehen. „Positionen“ soll so zum Forum unserer Zeit und Branche werden. Denn wir brauchen Antworten auf die Veränderungen, in denen wir uns gesamtgesellschaftlich befinden. Und wir brauchen Antworten auf die Herausforderungen, vor denen die deutsche Assekuranz steht. Dazu zählt auch die oft kritische Wahrnehmung, die die Branche in der Öffentlichkeit hat. Diese Wahrnehmung schafft ihre eigene Wirklichkeit, obwohl sie nicht mit der Realität bei uns übereinstimmt. Eine Befragung des Allensbach-Instituts hat gezeigt, dass viele Deutsche die Versicherungsbranche allgemein kritisch sehen, die 2 PO S I T ION E N N R . 9 3 Unternehmen jedoch, bei denen sie versichert sind, schneiden viel besser ab. Mehr denn je muss es daher gelingen, deutlich zu machen, was Versicherer können: Wir versichern, wir garantieren und wir leisten! Und über das Wichtigste wird viel zu wenig gesprochen: die Bedeutung einer Versichertengemeinschaft, den Risikoausgleich im Kollektiv und den Nutzen jedes Einzelnen, der daraus entsteht; und über die Rolle der Versicherungswirtschaft allgemein für unsere Gesellschaft und Wirtschaft. Eine Prognos-Studie kam zu dem Ergebnis, dass sich ein Achtel des gesamten Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre auf den Beitrag der Assekuranz zurückführen lässt. Damit trägt die Versicherungswirtschaft maßgeblich zum deutschen Wirtschaftsleben bei. Dieses Verständnis von und über Versicherungen muss wieder stärker verankert werden. Dazu gehen wir in der Kommunikation neue Wege und suchen den Dialog mit der Gesellschaft und der Politik – die neuen „Positionen“ sind ein Baustein davon. Ihr KONTAKT ALEXANDER ERDLAND PRÄSIDENT DES GDV Teilen Sie Ihre Position mit mir. [email protected] I N H A LT „WAS DIE KONTINUIERLICH STEIGENDE LEBENSERWARTUNG ANGEHT, DA IST ZUMINDEST DERZEIT KEIN LIMIT BEKANNT. VIELLEICHT WERDEN WIR EINMAL 200 JAHRE ALT.“ JAMES W. VAUPEL, DIREKTOR DES MAX-PLANCK-INSTITUTS FÜR DEMOGRAFISCHE FORSCHUNG KURZ POSITIONIERT MÄRKTE & BRANCHEN 04 GEMELDET: Aktuelles aus der Welt der Versicherungen 22 HINTERGRUND: Vorsicht zahlt sich aus. Die Diskussion um die neuen Telematik-Tarife 05 BEWERTET: Stellungnahmen des GDV 25 SCHAUPLATZ: Die Deutschlandkarte zeigt, wo Versorgungslücken klaffen SCHLÜSSELPOSITION 06 TITELTHEMA: Generation Übergang. Auf Spurensuche in der großen Rentenfrage 26 HINTERGRUND: Ein Quantum Trost. Wie sich Risiken im Filmgeschäft begrenzen lassen 11 GUTE FRAGE: Wie wird eigentlich genau die Zukunft berechnet? Aktuarin Claudia Andersch gibt Auskunft 06 29 ZAHLEN DES QUARTALS: Fakten der Versicherungswelt beziffert T I T E L FOTO : M I RJA M K L ESS M A N N ; FOTOS D I ES E S E I T E : M I RJA M K L ESS M A N N , P L A I N P I CT U R E , I STO C K , G R EGO R L E N G L E R , T H I N KSTO C K ; I L LUST RAT I O N : D I E T E R B RAU N 12 SCHAUPLATZ: Das Alter im Blickwinkel – der Versicherer und der Versicherten 14 IM GESPRÄCH: Alternsforscher James W. Vaupel vom Max-Planck-Institut verrät Geheimnisse des langen Lebens KURZ AUSGEBLICKT 30 MIT ANDEREN AUGEN: Kolumnist Christian Kirchner hadert mit kryptischen Vertragsbedingungen 12 POLITIK & GESELLSCHAFT 16 WAS KOMMT: Eine neue Serie beleuchtet gesellschaftliche Trends und ihre Auswirkungen auf die Branche. Teil 1: Die Zukunft der Produktion. 3D-Drucker, die nächste industrielle Revolution? 28 GEGENPOSITION Warum das Bild von den Nein-Sagern falsch ist 14 31 WEITERGEHEN: Link- und Lesetipps 32 DIE SCHÖNSTE VERSICHERUNGSSACHE DER WELT 19 UM DEN GLOBUS: Die Briten ticken anders – Assekuranz auf der Insel 20 NACHGEFRAGT: Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret zu seiner Sicht auf die Schuldenkrise und das schwierige Niedrigzinsumfeld DIGITAL & RESPONSIVE Die positionen im Netz: www.gdv.de/positionen N R . 93 PO S I T ION E N 3 KURZ POSITIONIERT GEMELDET ZUR ZUKUNFT DER RENTE A ls Folge der beschlossenen Mütterrente und der abschlagsfreien Rente ab 63 wird der Rentenbeitrag bis 2030 auf 22,7 Prozent von derzeit 18,9 Prozent steigen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Die Zukunft der Altersvorsorge“, die vom Handelsblatt Research Institute und der Prognos AG im Auftrag des GDV erstellt wurde. Gleichzeitig erwarten die Autoren durch die Rentenpläne eine Absenkung des Rentenniveaus um bis zu 0,5 Prozentpunkte bis 2030. Das Fazit der Verfasser: Die Bundesregierung setzt mit diesem rentenpolitischen Kurs ein falsches Signal: Das derzeitige demografische Zwischenhoch werde für langfristige Leistungsausweitungen missbraucht. MEHR INFOS: www.gdv.de/rentenpaket FINANZIELLER SCHUTZ ZUR FUSSBALL-WM F ußball–WM in Brasilien – für die Fans Unterhaltung pur, für die Veranstalter eine knallharte wirtschaftliche Unternehmung. Das größte finanzielle Risiko: dass die werbeträchtigen Fernsehübertragungen wegbrechen. Gegen eine zeitliche oder örtliche Verlegung der WM hat sich die Fifa mit 900 Millionen Dollar versichert. Gezahlt wird, wenn Spiele etwa wegen Terroranschlägen, Epidemien oder Naturkatastrophen verschoben werden müssen. Bei einer Fußball-WM ist dies glücklicherweise noch nicht passiert, aber bei der RugbyWM 2011, verschuldet durch das verheerende Erdbeben in Christchurch, Neuseeland. Die Versicherer übernahmen damals die zusätzlichen Kosten, die durch das Ausweichen in andere Städte entstanden waren. SCHWERPUNKT: www.gdv.de/wm2014 4 PO S I T ION E N N R . 9 3 HEBAMMENVERSORGUNG D ie Arbeit der freiberuflichen Hebammen könnte dauerhaft gesichert sein. Dazu trägt ein Maßnahmenpaket bei, das das Bundesgesundheitsministerium kürzlich in Berlin vorstellte. Das Paket sieht unter anderem eine höhere Vergütung für Hebammen mit wenigen Geburten, Maßnahmen zur Qualitätssicherung und den Regressverzicht der Sozialversicherungsträger vor. Der GDV begrüßt die Vorschläge. Zum Hintergrund: Die Kosten für schwere Geburtsschäden durch Behandlungsfehler waren in den letzten Jahren, u. a. durch hohe Regressforderungen, deutlich gestiegen. Dies führte zu immer höheren Haftpflichtbeiträgen für die Freiberuflerinnen. KURZ POSITIONIERT BEWERTET NOTRUFSYSTEM eCALL SOLL LEBEN RETTEN FOTOS : S H U T T E RSTO C K ( 3 ) , D PA P I CT U R E -A L L I A N C E , M AU R I T I US I M AG ES, FOTO L I A I BEIPACKZETTEL FÜR KLEINANLEGER B eim Kauf von Anlageprodukten sollen Kleinanleger künftig EU-weit ein Standard-Informationsblatt über Risiken und Konditionen erhalten. Der Rat, die EU-Kommission und das EUParlament haben jüngst entsprechende Verhandlungen abgeschlossen. Der GDV wertet das Ergebnis als wichtigen Schritt, um die Transparenz im europäischen Finanzvertrieb zu verbessern. Allerdings gehe der Versuch, für möglichst viele Finanzprodukte einheitliche Regeln einzuführen, zwangläufig zulasten der Vergleichbarkeit und Verständlichkeit. Der GDV begrüßt daher die Entscheidung, staatlich anerkannte Altersvorsorgeprodukte von der Verordnung auszunehmen. n der EU sollen Autos künftig bei einem Unfall automatisch ein Notrufsignal senden. Das Europäische Parlament hat kürzlich darüber abgestimmt, dass bis spätestens Oktober 2017 die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass die Infrastruktur – beispielsweise in den Rettungsleitstellen – steht, damit eCall zuverlässig funktioniert, sobald Neufahrzeuge damit ausgestattet sein müssen. Die Arbeiten zur Typgenehmigungsverordnung, die den Einbau von eCall in Fahrzeuge verpflichtend vorsehen soll, sollen in der zweiten Jahreshälfte im Trilog zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission abgeschlossen werden. Dabei geht es um die genauen Vorgaben an die Kfz-Hersteller für den Einbau von eCall-Systemen. Ziel von eCall ist es, Verletzte schneller am Unfallort versorgen zu können. Wenn das System nicht manuell ausgelöst wird, reagiert es beispielsweise auf das Auslösen der Airbags. Auf Basis der EU-weiten Notrufnummer 112 sendet es dann Ort und Zeit des Unglücks an die nächste Rettungsdienstleitstelle. Die deutschen Versicherer unterstützen das Vorhaben ausdrücklich. Gleichzeitig warnt der GDV vor unbeabsichtigten wirtschaftlichen Risiken: Zum einen muss der Kunde in Zukunft selbst bestimmen können, was mit den Informationen aus seinem Auto passiert. Zum anderen muss der freie Zugang für alle Marktteilnehmer gewährt werden. MEHR INFOS: www.gdv.de/stellungnahmen MEHR INFOS: www.gdv.de/ stellungnahmen N R . 93 PO S I T ION E N 5 SCHLÜSSELPOSITION GENERATION ÜBERGANG WIR WERDEN IMMER ÄLTER UND FÜHLEN UNS JÜNGER. Eine wachsende Gruppe von Senioren will vom angeblich süßen Nichtstun des Rentnerdaseins erst mal nichts wissen. Raus aus der Altersfalle mit ihren starren Grenzen – das längere Leben braucht neue Modelle zwischen Arbeitsleben und Ruhestand. Vorbilder gibt es genug. Auf Spurensuche in der großen Rentenfrage. 6 PO S I T ION E N N R . 9 3 SCHLÜSSELPOSITION N R . 93 PO S I T ION E N 7 SCHLÜSSELPOSITION H ans-Peter Rauschert ist ein gefragter Mann. Wenn es darum geht, Kosten zu durchleuchten, Fertigungsprozesse zu optimieren, ist der Qualitätsmanager zur Stelle. Ob auf der Schwäbischen Alb, in China oder Mexiko. Von aufreibender Hetze von Job zu Job kann dennoch keine Rede sein – 40 bis 50 Tage im Jahr war er in den letzten Jahren im Einsatz. Mehr sollen es auch nicht werden. Karriereambitionen mögen andere hegen, seinen Motor treibt ein anderer Stoff. „Es ist schön, gebraucht zu werden, Dinge weiterzugeben und Neues zu erfahren“, sagt Rauschert, Ex-Boschianer, 70 Jahre alt und seit sieben Jahren offiziell Rentner. Endlich in Rente von wegen! Die Wonnen des Ruhestands – später aufstehen, Hobbys pflegen, auch tagsüber im Café sitzen – schlugen bald ins Gegenteil um. Schon nach kurzer Zeit fiel ihm „vor Langeweile die Decke auf den Kopf“. Als der Anruf seines heutigen Arbeitgebers kam, griff er gerne zu. Noch zählen die „silver-workers“ zur Minderheit, doch ihre Zahl geht steil nach oben. Knapp fünf Prozent aller über 65-Jährigen arbeiten inzwischen auch nach Renteneintritt gegen Entgelt weiter, fast doppelt so viele wie vor zehn Jahren. In keiner anderen Altersgruppe ist die Zahl der Erwerbstätigen so stark gestiegen. Wertvolles Alterswissen sichern Zwei zeitlich befristete Aufträge pro Jahr wollte Rauschert anfangs annehmen, heute absolviert er für die Bosch Management Support GmbH (BMS), die Senioren-Experten-Tochter des Technologiekonzerns, einige mehr. Rund 1300 ehemalige Boschianer übernehmen derzeit weltweit Bosch-interne Beratungsaufträge. Ihr Honorar orientiert sich dabei an ihren früheren Bezügen. Dem Beispiel sind in jüngster Zeit einige Konzerne gefolgt. So sorgen beispielsweise die Otto Group Senior Expert Consultancy GmbH, das BaySen-Netzwerk des Chemiekonzerns 8 PO S I T ION E N N R . 9 3 1914 1954 2014 Die Realität des Alterns ändert sich: Kalendarisches und biologisches Alter fallen zunehmend auseinander. Von Generation zu Generation verjüngen wir uns biologisch um ca. fünf Jahre. Heutige Rentner sind daher aktiver und gesünder als ihre Vorgänger. Bayer oder auch der Autokonzern Daimler mit seiner 2013 gestarteten „Space-Cowboy-Initiative“ für ein Revival ihrer Experten-Rentner. Geistig vergreist, körperlich verbraucht – die Altersstereotype von gestern kann man getrost ad acta legen. Die kranken Jahre nehmen ab, die gesunden zu. Ein heute 60-Jähriger ist, wie die Alternsforschung zeigt, so fit wie ein 50-Jähriger vor 20 Jahren. Der Alterungsprozess scheint verlangsamt – und das umso mehr, je länger man aktiv bleibt. Den Eintritt ins Rentnerleben nach hinten zu verschieben zahlt sich aus, wie Studien zeigen – nicht nur finanziell und in puncto Altersvorsorge. Je jünger Menschen in Ruhestand gehen, umso drastischer sinkt die Gedächtnisleistung, steigt das Risiko, krank zu werden. „In einen Arbeitskontext eingebunden zu sein und dadurch immer wieder neu gefordert zu werden, kann sinnstiftend sein und hat für den Einzelnen enorme Vorteile“, betont Ursula Staudinger, Alternsforscherin und Gründungsdirektorin des neuen, interdisziplinären Columbia Aging Centers an der gleichnamigen Universität in New York. „Wir sollten darum bemüht sein, Arbeitsumstände so zu verändern, dass die Verrentung nicht als Befreiung erlebt wird, sondern als Verlust.“ Je näher die Rente rückt, umso weniger Illusionen machen sich die Menschen über die Wonnen des Ruhestandes. Über die Hälfte der 55- bis 70-jährigen Deutschen äußern die Bereitschaft, über die Rente hinaus weiterzuarbeiten. Zumindest in Unternehmen, die bereits Angebote für ältere Menschen bieten. Ist dies nicht der Fall, liegt das Interesse bei unter 40 Prozent. „Der individuelle Wunsch zu arbeiten muss auch mit den Möglichkeiten bei den Arbeitgebern zusammengehen“, verdeutlicht Forscher Andreas Mergenthaler, der die deutschlandweite Studie „Transitions and Old Age Potential“ für das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung mit erhoben hat. SCHLÜSSELPOSITION „WIR MÜSSEN DAS POTENZIAL DER ÄLTEREN STÄRKER AUSSCHÖPFEN.“ Die Frage nach den neuen Alten – in Zukunft wird sie sich lauter stellen. Das Gruppenbild der Gesellschaft im Jahr 2030, skizziert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, zeigt: Auf einen über 64-Jährigen kommen nur noch etwa zwei Menschen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren, heute sind es drei. Damit trifft der demografische Wandel auch die Altersvorsorgesysteme tief in WEITERMACHEN TROTZ RENTENALTER Bereitschaft für Weiterbeschäftigung im Ruhestand ist hoch 48% JUTTA RUMP DIREKTORIN DES INSTITUTS FÜR BESCHÄFTIGUNG UND EMPLOYABILITY, HOCHSCHULE LUDWIGSHAFEN 67% SELBSTSTÄNDIGE ANGESTELLTE 45% ARBEITER Rund die Hälfte aller Erwerbstätigen, die 55 Jahre und älter sind, können sich gegenwärtig vorstellen, auch nach dem Eintritt in den Ruhestand einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen. 42% BEAMTE Umfrage unter 5000 Menschen im Alter zwischen 55 und 70 Jahren Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) ihrem Innersten – insbesondere die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente mit ihrem Umlageverfahren, das auf einem Transfer zwischen den Generationen basiert. „Demografiebedingt fehlen bis 2030 rund 6,5 Millionen Arbeitskräfte. Wir müssen das Potenzial der Älteren stärker ausschöpfen“, ergänzt Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability an der Hochschule Ludwigshafen. Das würde sich gleich doppelt auszahlen: Nicht nur die Arbeitswelt, auch die gesetzliche Rente bekäme mehr Standfestigkeit in den Turbulenzen des demografischen Wandels. Die Potenziale der Älteren nutzen Doch von der Erkenntnis zur Umsetzung ist noch ein weiter Weg, wie die Hertie-Stiftung herausgefunden hat. Zwei Drittel aller Unternehmen bieten keine Maßnahmen an, um die Erwerbstätigkeitsphase älterer Arbeitnehmer zu verlängern, nur 15 Prozent planen, dies künftig zu tun. Und wer jenseits der 50 seinen Job verliert, tut sich schwer, beruflich wieder Fuß zu fassen. „Der Arbeitsmarkt ist im Moment noch nicht offen für 50plus“, konstatiert Staudinger. „Aber der Druck baut sich jetzt auf und wird exponentiell und rapide zunehmen.“ Noch etwa sechs Jahre lang wird die Balance zwischen Zu- und Abgängen auf dem Arbeitsmarkt relativ ausgewogen sein, rechnet Martin Werding, Professor für Sozialökonomie an der RuhrUniversität Bochum, vor. „Aber unter der Oberfläche bereiten wir uns auf den Renteneintritt der Babyboomer vor.“ Um sie so lange als möglich im Job zu halten, ist es mit exklusiven Rentnerprogrammen längst nicht getan. „Wir reden hier über eine kleine Elite, aber Veränderungen braucht es für die Mehrzahl der Arbeitskräfte“, so Personalexpertin Rump. Mit Arbeits- und Rentenmodellen von gestern ist in Zeiten des demografischen Wandels kein Land zu gewinnen, ist auch Alternsforscherin StaudinN R . 93 PO S I T ION E N 9 SCHLÜSSELPOSITION LEBENSERWARTUNG BEI GEBURT 1870 bis 2050 Die Deutschen leben imm er länger. In Zukunft wird hohes Alter ein Massenphänomen: Bis 2050 werden Jungen durchschnittlich mindestens 83, Mädchen sogar 88 Jahre, so die Vorausberechnungen. Altersjahre 90 männlich weiblich 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1871/1881 1932/1934 1986/1988 2008/2010 2050 Quelle: Statistisches Bundesamt ger überzeugt. „Die Frage muss sein: Wie schaffen wir Arbeitsverhältnisse, dass Menschen Lust darauf haben, länger und anders verteilt zu arbeiten?“ Flexible Lösung statt Altersgrenzen Antworten darauf sind flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortmodelle, eine lebensphasenorientierte Personalpolitik, die etwa auf Langzeitkonten und lebenslanges Lernen baut, sowie DemografieTarifverträge. Altersgrenzen, die wenig Spielraum lassen, hinken dagegen der Realität hinterher, statt die Zukunft zu gestalten. Einige Industrieländer haben sich daher schon vor Jahren von einem fest definierten Rentenalter verabschiedet. In Norwegen können Beschäftigte innerhalb einer Altersspanne von 62 bis 75 in Rente gehen. Radikaler ist die Lösung in Großbritannien: Eine Obergrenze, die das Arbeitsverhältnis automatisch beendet, wurde abgeschafft, altersbedingte Kündigungen somit ausgeschlossen. „Ganz wichtig dabei ist 10 PO S I T ION E N N R . 9 3 „MIT DEM STEIGENDEN LEBENSALTER MUSS AUCH DAS RENTENALTER MITZIEHEN.“ MARTIN WERDING PROFESSOR FÜR SOZIALPOLITIK UND ÖFFENTLICHE FINANZEN, RUHRUNIVERSITÄT BOCHUM auch die symbolische Wirkung“, kommentieren die Autoren der Studie „Produktiv im Alter“ des Berlin Instituts für Bevölkerung und Entwicklung (BIBE) diesen Schritt. Die implizite Aufhebung der strikten Dreiteilung in Kindheit, Erwerbsphase und Ruhestand könne „dazu beitragen, das Bild vom Alter als unproduktive Phase zu korrigieren“. In Deutschland gibt es heute noch viele Hürden, wenn Arbeitnehmer über das gesetzliche Rentenalter hinaus weiterarbeiten wollen. Die Bundesregierung will mit der geplanten Flexi-Rente diesen Schritt erleichtern. Arbeitnehmer sollen nach Erreichen der Regelaltersgrenze befristet weiterarbeiten dürfen, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Die Befristung soll auch mehrmals hintereinander möglich sein. Entschieden ist aber noch nichts. Bis zum Herbst will eine Arbeitsgruppe der Koalition konkrete Vorschläge vorlegen. Bereits beschlossen ist hingegen die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren – eine Maßnahme, die den Druck auf das FOTOS : M I RJA M K L ESS M A N N (2 ) , P R I VAT, G E T T Y I M AG ES, S H U T T E RSTO C K , T H I N KSTO C K , U W E B E L L H ÄUS E R SCHLÜSSELPOSITION Rentensystem noch erhöht und das Bild von den unproduktiven Alten verfestigt. Etwa 160 Milliarden Euro könnten die Rentengesetze, zu denen auch die Mütterrente zählt, bis 2030 kosten. Arbeitgeber, Ökonomen und Verbände üben entsprechend harsche Kritik. „Ich wünschte, auf der rentenpolitischen Agenda der Bundesregierung gäbe es mehr zukunftsweisende Elemente für die jüngere Generation, die die gesetzliche und private Rente demografiefester machen würden“, bedauert GDV-Präsident Alexander Erdland. Nachhaltige Rentenpolitik sieht anders aus, meint auch Sozialökonom Werding. „Mit steigendem Lebensalter muss auch das Rentenalter mitziehen. Die Umsetzung der Regelaltersgrenze von 67 Jahren und betriebliche Maßnahmen, dass die Menschen wirklich so lange – oder auf Wunsch noch darüber hinaus – arbeiten können, ist der leistungsfähigste Ansatz dafür, den Arbeitsmarkt wie auch das Rentensystem demografiefest zu machen.“ HERTA PAULUS GDV-ANSPRECHPARTNER Una Großmann Tel.: 030 2020-5185 E-Mail: [email protected] GDV POSITION GUTE FRAGE WIE WIRD DENN DIE ZUKUNFT BERECHNET? Ob Renten- oder Lebensversicherung: Flexibel soll der Tarif sein, günstig sowieso, möglichst viele Leistungen abdecken und hohe Erträge abwerfen. Und das ein Leben lang. Wie Versicherungsmathematiker für die passende Altersvorsorge in die Zukunft schauen – und zurück. Wie alt kann der Mensch werden? Eine defini- Sorgfalt und Genauigkeit gepaart mit Erfah- tive Antwort auf diese Frage kennt niemand. rung ein Muss. „Wir müssen die Trendansät- Sicher ist nur: Er lebt länger. Seit über 140 Jah- ze in Formeln packen und auch modellieren ren wird er im Schnitt alle 40 Jahre um rund können. Die Herausforderung dabei ist, im- zehn Jahre älter. Nach- mer wieder auch den zulesen ist das in den Realitätscheck zu ma- sogenannten Sterbetafeln, die im Arbeitsalltag eines Versicherungsmathematikers – Aktuar genannt – eine wesentliche Rolle spielen. Seine Aufgabe ist es, Risiken zu berechnen, zu „DER BLICK IN DEN RÜCKSPIEGEL IST DIE BASIS FÜR DIE BERECHNETE ZUKUNFT.“ bewerten und auf Basis nach einheitlichen Methoden erfasst worden? Selbst geringe Abweichungen können bereits zu falschen Schlüssen führen.“ Und steht der Aktuar doch und Beiträge für Versicherungspolicen zu kal- in der Pflicht, dass die Versicherungsleistun- kulieren. Der „Blick in den Rückspiegel“, wie gen sicher und angemessen kalkuliert sind. Claudia Andersch, Mitglied des Vorstands der „Wir legen uns heute fest und müssen unser Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), die sta- Leistungsversprechen in ferner Zukunft ge- tistischen Erfahrungswerte der Vergangen- währleisten“, sagt Andersch. Dass man hier heit nennt, bildet die Ausgangsbasis für den in nicht vorsichtig genug sein kann, zeigt der unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitstabel- Blick in die Vergangenheit. „Gerade bei den len gewagten Blick in die Zukunft. Das Haupt- Sterbetafeln gab es Wechsel, weil wir die risiko dabei: die Unsicherheit zukünftiger Langlebigkeit unterschätzt hatten. Aber die Sterblichkeitserwartungen. Für die Sterbeta- Botschaft hier ist: Ein Wechsel geht nicht zu- feln der DAV zur Reservierung von Renten- lasten der Versicherten. Jeder bekommt sei- oder Lebensversicherungen, die den Aktuaren ne Auszahlungen ein Leben lang. Garan- bei ihren Berechnungen helfen, werden vor al- tiert!“ AKTUELLE RENTENPOLITIK ALS ROLLE RÜCKWÄRTS „Starre Altersgrenzen sind überholt. Gefragt sind in einer immer älter werdenden Gesellschaft flexible und attraktive Lösungen beim Übergang in den Ruhestand, die es dem Einzelnen ermöglichen, seine Lebensarbeitszeiten auch verlängern zu können. So machen wir die gesetzliche und private Rente demografiefester.“ änderungen Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Rentenversicherung ausgewertet, werden soziale Trends ebenso analysiert wie Verin der Berufswelt oder medizinische Entwicklungen. Wie haben sich die Sterblichkeitserfahrungen in der Vergangenheit verändert und was bedeutet das für die Zukunft, was könnten Einflüsse aus Sterblichkeitsveränderungen sein, wie unterscheiden sich Versichertendaten von allgemeinen Bevölkerungsdaten: „Wir bemühen uns, sämtliches aussagekräftiges statistisches Andrea Nahles zur privaten und betrieblichen Altersvorsorge. dersch. „Sind die Daten die könnten fatal sein, der Ergebnisse Tarife lem die Datenpools der Versicherungen, des BLICK AUS DER POLITIK chen“, bekräftigt An- Material zur Plausibilisierung der eigenen Daten heranzuziehen“, sagt Andersch. Mathematisches Know-how ist gefragt, Statistik und Stochastik sind unerlässlich, CLAUDIA ANDERSCH, MITGLIED DES VORSTANDS DER DEUTSCHEN AKTUARVEREINIGUNG (DAV) UND MITGLIED DES VORSTANDS VON COSMOSDIREKT N R . 93 PO S I T ION E N 11 SCHLÜSSELPOSITION DIE ZWEI SEITEN DER AUS DEM BLICKWINKEL DER VERSICHERER UNSERE LEBENSERWARTUNG STEIGT PRO JAHR im Schnitt um zehn Wochen. Und wer lange lebt, braucht lange Geld. Ein Stimmungsbild. BE DÜ RF NI S NA CH SIC HE RH EI T WÄ CH ST So entwickeln sich Lebens versicherungen mit garantierten Leistungen Klassische Verträge mit 59 % WANN ZUR TAT GESCHRITTEN WIRD Hauptsächlich die 20- bis 49-Jährigen schließen Lebensversicherungen ab 2008 Eintrittsalter in Jahren/Anteil am Neugeschäft von privaten Rentenversicherungen 76 % 2012 Fondsgebundene Vert räge mit kapitalbildenden Policen 41 % 2011 kapitalbildenen Policen 2008 24 % 2012 Quelle : GDV 6,7 % 30,8 % 23,5 % 23,8 % 11,8 % 3,4 % 15 – 19 20 – 29 30 – 39 40 – 49 50 – 59 ab 60 Quelle: GDV ALTERSVORSORGE MIT LEBENSVERSICHERUNGEN BEHAUPTET SICH Trotz lang anhaltender Niedrigzinsphase schafft es die Lebensversicherung über die Zeit, für eine gute Gesamtverzinsung der Beiträge zu sorgen – sichtlich über der von festverzinslichen Wertpapieren. in Prozent bei 12, 20 und 30 Jahren Laufzeit 12 Jahre Laufzeit 20 Jahre Laufzeit Umlaufrendite Garantiezins 30 Jahre Laufzeit 9 8 7 6 5 4 en der Die geset zliche Rente ist für die meist g. Exper ten größte Poste n ihrer Alters finan zierun n. warne n: Eine Säule allein wird nicht reiche 3 2 1 0 1990 1995 2000 2005 2010 2012 Quelle: Bloomberg, Map-Report 2013 12 PO S I T ION E N N R . 9 3 SCHLÜSSELPOSITION ALTERSVORSORGE MIT DEN AUGEN DER VERSICHERTEN ALTER IST SUBJEKTIV So viele Jahre jünger fühlen sich die verschiedenen Altersgruppen 3 Jahre 7 Jahre 8 Jahre 16 – 29 30 – 44 45 – 59 8 Jahre 10 Jahre 60 – 74 75+ Quelle: Ifo-Umfrage 2012 AUFWÄRTS: SO LANGE BEZIEHEN FRAUEN UND MÄNNER IHRE RENTE Entwicklung in Deutschland seit 2001 Frauen 21,3 Jahre Männer 22 20,6 21 18,9 Jahre 19,8 19,9 20 16,7 Jahre 19 Die Mens chen in Deuts chlan d – sie werde n nicht nur älter, sie bleibe n auch länge r aktiv. 19,3 16 15,8 13,8 Jahre 15 14 13 15,0 14,7 14,3 2001 2003 2005 2007 2009 2012 Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung IMMER WENIGER SCHULTERN TRAGEN DIE RENTENLAST Erwerbstätige pro Rentner ENDE DES ARBEITSLEBENS In diesem Alter hören die Menschen durchschnittlich* auf zu arbeiten in Frauen 2030 FOTOS : I STO C K , P L A I N P I CT U R E , S H U T T E RSTO C K 2010 1995 1975 30 MILLIONEN RENTNER werden 2031 in Deutschland leben. Männer Japan 69,1 66,7 Dänemark 63,4 61,9 Portugal 68,4 66,4 Spanien 62,3 63,2 Schweden 66,1 64,2 DEUTSCHLAND 62,1 61,6 USA 65,0 65,0 Italien 61,1 60,5 Großbritannien 63,7 63,2 Frankreich 69,5 60,0 1965 1955 Neuer Rekord: 1,3 Millionen Babyboomer werden 2031 in Rente gehen. Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, GDV * in den Jahren 2007 – 2012, ausgewählte Länder Quelle: DPA-Infografik, OECD N R . 93 PO S I T ION E N 13 SCHLÜSSELPOSITION D ie Uhr im Büro von James W. Vaupel tickt rückwärts. Ein farbig markiertes Viertel steht symbolisch für die Zeit, die uns jede Stunde geschenkt wird. Die Lebenserwartung steigt immer weiter, wir werden immer später alt. Das führt uns auch der 68-jährige Direktor vom Max-PlanckInstitut für demografische Forschung selber lebhaft vor Augen. Lebe zwölf Monate und du bekommst drei dazu – die Lebenserwartung steigt kontinuierlich. Gibt es eine biologische Obergrenze? Ein Limit ist derzeit nicht bekannt. Vielleicht werden wir einmal 200 Jahre alt. Woran liegt es, dass wir langsamer altern? Wir altern nicht langsamer, sondern der Alterungsprozess setzt später ein. Ein 70-Jähriger fühlt sich heute wie ein 60-Jähriger vor 50 Jahren. In jeder Phase des Lebens sind die Menschen heute im Durchschnitt physisch und mental gesünder. Das liegt vor allem an der Verbesserung der Lebensbedingungen: Wir ernähren uns ausgewogener, treiben mehr Sport, rauchen weniger, haben eine isolierte Wohnung und warme Kleidung, eine bessere medizinische Versorgung und eine höhere Bildung. Wir leben gesünder. „LEBENSFREUDE IST ENTSCHEIDEND“ Es ist an der Zeit, UNSER LEBEN FLEXIBLER ZU GESTALTEN, meint Alternsforscher James W. Vaupel 14 PO S I T ION E N N R . 9 3 Riesenschildkröten können über 180 Jahre alt werden, Mammutbäume mehr als 3000. Was können wir von anderen Lebewesen über das Altern lernen? Wir beobachten seit einigen Jahren Süßwasserpolypen, die die faszinierende Eigenschaft haben, in wenigen Tagen alle ihre Zellen komplett zu erneuern. Das Leben dieser Hydra ist unter optimalen Umweltbedingungen womöglich unbegrenzt. Auch unser Körper kann viele Schäden zum Großteil selbst reparieren. Wenn wir uns etwa ein Bein brechen, heilen die Knochen wieder, wenn wir Strahlung ausgesetzt sind, können unsere Zellen Veränderungen der DNA-Struktur beseitigen. Doch nicht alles wird repariert. Kleine Schäden bleiben zurück, die SCHLÜSSELPOSITION sich akkumulieren. Vielleicht können wir von der Hydra lernen, wie wir uns vollständig reparieren. haben, dies zu tun, statt in Rente geschickt zu werden? Unbedingt. Wer länger arbeitet, bleibt länger gesund. Polypen sind sehr einfache Organismen. Ist diese Vision denn wirklich realistisch? Ja. Die Evolution wird Schritt für Schritt dafür sorgen, dass sich das Reparatursystem des Menschen verbessert. FOTOS : G R EGO R L E N G L E R Was stimmt Sie da so optimistisch? Für die Evolution ist nur relevant, Überleben und Reproduktion zu sichern. Hierfür muss der Körper die beschränkten Ressourcen bestmöglich managen. Der Mensch wurde so gebaut, dass er viel Energie in die Reproduktion stecken kann – schließlich hatten wir früher ein Dutzend Kinder. In das Reparatursystem hat die Evolution vergleichsweise geringer investiert. Heute haben die Menschen in Industrienationen weniger Nachwuchs und genug zu essen. Wenn wir unserem Körper sagen könnten: „Die Fortpflanzung ist gesichert, stecke das, was du an Extra-Nahrung erhältst, nicht in den Fettspeicher, sondern ins Reparatursystem“, könnten wir eines Tages Schäden komplett ausbessern. 122 Jahre – das bislang höchste dokumentierte Menschenalter. Sie haben die älteste Dame der Welt kennengelernt. Hat Jeanne Calment Ihnen etwas über das Geheimnis des langen Lebens verraten? Lebensfreude ist entscheidend. Alle Hundertjährigen, denen ich begegnet bin, hatten eine ausgeprägte Freude am Leben, so auch Madame Calment. Sie hat jeden Tag bewusst genossen und sich bis ins hohe Alter nach jedem Essen eine Zigarette und ein Glas Portwein gegönnt. Als sie später im Rollstuhl saß, habe ich sie einmal gefragt: „Sie haben nicht mehr so viel Kontakt zu anderen Menschen wie früher, was machen Sie die ganze Zeit?“ Und sie sagte: „Ich erinnere mich an all die wunderbaren Erfahrungen, die ich machen durfte.“ Sie liebte das Leben. Sollten wir daher, solange wir Freude am Arbeiten haben, auch die Möglichkeit Tatsächlich? Ja, weil wir uns freuen, einen aktiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, und uns nicht als Last fühlen. Hinzu kommt: Wir tauschen uns mit anderen aus, lernen Neues hinzu und bewegen uns, um zum Arbeitsplatz zu kommen – all dies trägt zur Gesundheit bei. „WER LÄNGER ARBEITET, BLEIBT LÄNGER GESUND.“ JAMES W. VAUPEL , GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR DES MAX-PLANCK-INSTITUTS FÜR DEMOGRAFISCHE FORSCHUNG UND DIREKTOR DES MAX-PLANCK ODENSE CENTER ON THE BIODEMOGRAPHY OF AGING Er trägt ab und an rote Socken, eine auffällige Krawatte oder ein Hemd, das nicht zum Anzug passt. Jeden Tag etwas Außergewöhnliches tun oder denken ist seine Maxime. „Ich mag das Leben interessant gestalten“, sagt James W. Vaupel, einer der weltweit renommiertesten Alternsforscher. Als Geschäftsführender Direktor des MaxPlanck-Instituts für demografische Forschung und Direktor des Max-Planck Odense Center on the Biodemography of Aging pendelt er mit der Fähre zwischen Rostock und Dänemark, wo seine Frau und Töchter leben. Der gebürtige New Yorker war der Erste in seiner Familie, der eine Universität besuchte. In Harvard studierte er Statistik und promovierte in Politikwissenschaften. Später lehrte er an der Duke-University, der University of Minnesota und der Syddansk Universität in Odense. Arbeit ist für den agilen 68-Jährigen Lebenselixier. An Ruhestand denkt er noch lange nicht. Im Grunde haben wir doch keine andere Wahl, als länger zu arbeiten: Je älter wir werden, desto mehr Geld brauchen wir, um dieses Leben finanzieren zu können. Deswegen sollten wir umdenken. Im Übrigen: Wenn Senioren nur einige Stunden pro Tag ein paar Jahre länger arbeiten, verliert auch der demografische Wandel seinen Schrecken: Der Fachkräftemangel wird entschärft, die Rentenkasse entlastet. Die Hälfte aller deutschen Kinder wird den 100. Geburtstag feiern. Sollten wir generell unsere Lebenszeit neu ordnen? Ich halte es für sinnvoll, dass wir mehr Jahre, aber dafür weniger Stunden pro Woche arbeiten. So hätten wir in jungen Jahren mehr Zeit für Familie und Freunde. Langfristig wären wir glücklicher. Wie lange wollen Sie eigentlich arbeiten? Ich hätte wie andere Direktoren des Max-Planck-Instituts mit 65 Jahren in Rente gehen müssen, aber ich habe eine Ausnahmeregelung vereinbart: Mein Vertrag läuft bis Ende 2017, dann bin ich 72 Jahre und acht Monate alt. Und was kommt dann? Danach werde ich Vollzeit als Professor in Dänemark tätig sein. Dort gibt es keine Altersgrenze. Solange ich gesund bin, möchte ich arbeiten. Wenn ich mal 80 Jahre alt bin, trete ich vielleicht kürzer. Zehn oder 20 Stunden die Woche dürften dann genügen. SABINE SCHLOSSER N R . 93 PO S I T ION E N 15 POLITIK & GESELLSCHAFT SER IE WA S KO M M T TEIL 1: 3D-Druck – die nächste industrielle Revolution? BUSTIERS, BRILLEN, BAUTEILE: Fast alles könnte eines Tages aus dem 3D-Drucker kommen. Die Versicherungsbranche hilft dabei, die Risiken zu kontrollieren. EROBERUNG DER DRITTEN DIMENSION 16 PO S I T ION E N N R . 9 3 POLITIK & GESELLSCHAFT Die niederländische Designerin Iris van Herpen schickte ihre Models zur Fashion Week in futuristischen Entwürfen aus dem 3D-Drucker auf den Laufsteg. R evolution – das ist ein Wort, das Staatspräsidenten normalerweise lieber meiden. Barack Obama hielt das in seiner Rede zur Lage der Nation im vergangenen Jahr anders: Der 3D-Druck habe das Potenzial, die „Art und Weise, wie wir fast alles herstellen, zu revolutionieren“. Da macht unsere Nahrung keine Ausnahme. Nudeln auf Knopfdruck aus dem Drucker – sie könnten bald in jeder denkbaren Form auf unseren Tellern landen. Noch ist das Zukunftsmusik, aber Barilla arbeitet daran, die Idee in die Wirklichkeit umzusetzen. Seit zwei Jahren forscht ein Team der Universität Eindhoven an einer Lösung zu 3D-Druckern mit Teigpatronen. Dahinter steckt eine neue Technologie, mit der sich einfach dreidimensionale Objekte herstellen lassen. Tatsächlich setzt man die Geräte schon heute für Handprothesen, Kühlsysteme in Formel-1-Autos oder Zahnkronen ein. Forschungsteams arbeiten aber auch an futuristischeren Produkten: ganzen Autos, menschlichen Organen oder künstlichen Steaks. Zukunftstechik mit Vergangenheit Für Laien klingt das nach Science-Fiction. „Star Trek“-Fans erinnern sich vielleicht an den „Replicator“, mit dem die Mannschaft Lebensmittel aus dem Nichts erschuf. Dabei werden 3D-Drucker in der industriellen Fertigung schon seit den 80ern verwendet – allerdings meist nur für den Bau von Prototypen oder speziellen Bauteilen. Handelsübliche Geräte aus dem Elektromarkt funktionieren wie Tintenstrahldrucker, die mehrere Lagen Plastik übereinanderlegen, bis daraus ein plastisches Objekt entsteht. Die günstigsten sind schon für unter 1000 Euro zu haben. Visionäre träumen deshalb davon, dass die Geräte eines Tages so verbreitet sein könnten wie Fernseher. „Das Besondere am 3D-Druck ist, dass die Technologie ohne Werkzeuge auskommt und daher flexibel einsetzbar GDV POSITION DIE 3D-TECHNIK BIRGT NEUE RISIKEN. DIE VERSICHERER HELFEN, DIESE EINZUSCHÄTZEN UND ABZUSICHERN. ist“, sagt Bernhard Langefeld, Experte der Strategieberatung Roland Berger. Teure 3D-Drucker können nicht nur Plastik, sondern auch Materialien wie Kunstharz, Keramik oder Metall verarbeiten. Das Marktpotenzial ist gewaltig. Laut einer Studie der Beratungsfirma Wohlers Associates betrug das Marktvolumen 2011 1,7 Milliarden Dollar. Bis 2021 soll es auf 10,8 Milliarden Dollar ansteigen. Die größten Chancen hat die Technik in den nächsten Jahren bei der industriellen Fertigung von Hightech-Teilen. „Aufgrund ihrer besonderen Geometrie lassen sich manche Teile mit herkömmlichen Fertigungstechniken gar nicht herstellen. In solchen Fällen spielt der 3D-Druck seine Stärken aus. Für Sonderanfertigungen oder kleine Stückzahlen ist diese Technik ideal“, erklärt Langefeld. Das zahlt sich auch bei Ersatzteilen für Spezialmaschinen aus: Fällt auf einer abgelegenen Baustelle in Brasilien die Maschine eines deutschen Herstellers aus, können Monate vergehen, bis die richtigen Ersatzteile dort ankommen. Stünde ein 3D-Drucker vor Ort zur Verfügung, müsste die Firma nur die 3D-Vorlagen verschicken, und die Maschine wäre schneller repariert. Für Tony Buckle, Experte der Schweizer Rück, zeigt das Beispiel, vor welche Herausforderungen die neue Technik die Versicherungsbranche stellt. Falls N R . 93 PO S I T ION E N 17 POLITIK & GESELLSCHAFT 3D-Druck im Alltag Sollte in Zukunft wirklich jeder einen 3D-Drucker zu Hause stehen haben, müssten Hersteller wie Lego mit Haftungsausschlussklauseln sicherstellen, dass sie bei unsachgemäßem Gebrauch nicht verantwortlich gemacht werden. Realistischer ist vorerst die Lösung, die Barilla anstrebt: Es gibt bestimmte Restaurants oder Läden, in denen Fachpersonal die 3D-Drucker bedient. So könnten die Hersteller sicherstellen, dass die Qualitätsstandards stimmen. Auch für diesen Fall sind Versicherungslösungen denkbar, die ähnlich schon für andere Technologien auf dem Markt sind. So gibt es zum Beispiel Policen für IT-Firmen, die Computersysteme für Unternehmen aufsetzen. Bricht ein solches System zusammen, muss nicht nur das Gerät repariert werden, sondern das Unternehmen muss auch für den Umsatzausfall entschädigt werden. Eine 3D-Druck-Versicherung könnte ähnliche Leistungen abdecken. 18 PO S I T ION E N N R . 9 3 Gartenzwerge, Knochenteile oder Sonnenbrillen: 3D-Drucker verändern die Produktion. Visionäre träumen davon, dass sie eines Tages so verbreitet sein könnten wie Fernseher. 3D-DRUCKER WELCHE BRANCHEN AUF SIE BAUEN Luft- und Raumfahrt: Seit den 90erJahren nutzen die Luftfahrtunternehmen wie BAE Systems oder Rolls-Royce 3DD r u c k e r. Einspritzdüsen und Antriebsschaufeln wurden bereits damit gefertigt. Die Zukunftsvision: ein ganzes Triebwerk aus dem 3D-Drucker. Medizin: Egal, ob für Brücken, Zahnkronen oder Implantate: In der Zahntechnik sind 3D-Drucker bereits weit verbreitet. Ambitionierter ist, was Forscher des Fraunhofer-Instituts 2011 gelang: Sie druckten künstliche Blutgefäße. Autoindustrie: Bei Kleinserien und Prototypen – zum Beispiel von Kühlluftanlagen – sind 3D-Drucker bereits im Einsatz. Die TU Berlin entwickelt gerade ein Auto, das komplett aus dem 3D-Drucker kommen soll. In fünf bis zehn Jahren könnte die Technologie auch in der Massenfertigung eingesetzt werden. Mode: Für die Laufstegmode ist der 3D-Druck ideal. So druckt das Unterwäsche-Unternehmen Victoria`s Secret die Kostüme seiner aufwendigen Shows, und die niederländische Avantgarde-Designerin Pauline van Dongen stellt mit der neuen Technik High Heels aus Nylon her. Die öffentliche Diskussion kreist aber derzeit noch um ganz andere Szenarien. So veröffentlichte ein amerikanischer Student vor Kurzem im Internet eine 3D-Vorlage für eine Plastik-Pistole. Was passiert, wenn solch ein Verfahren in Umlauf gerät? Gefahren aus dem Drucker Letztlich wird sich die Gesellschaft über die Gefahren der neuen Technik verständigen müssen. Und auch über die ethischen Grenzen bei der Frage, ob man Organe oder Fleisch im 3D-Drucker herstellen sollte. Trotz solcher Bedenken empfiehlt Buckle, die Chancen der neuen Technologie wahrzunehmen. Zumindest bei den geschäftlichen Risiken kann die Versicherungsbranche Hilfestellung leisten. „Das ist unsere Rolle“, sagt er. „Wir ermöglichen technischen Wandel, indem wir Risiken einschätzen und, wo immer möglich, diese Risiken auch übernehmen, wenn Kunden sie als zu groß wahrnehmen.” SERGE DEBREBANDT GDV-ANSPRECHPARTNER Alina Schön Tel.: 030 2020-5113 E-Mail: [email protected] FOTOS : D PA P I CT U R E A L L I A N C E , M AU R I T I US I M AG ES, CO R B I S, T H E N E W YO R K T I M ES / R E DUX / L A I F ein Ersatzteil bricht, die Maschine und vielleicht sogar ein Bauarbeiter Schaden nehmen, fällt das normalerweise in den Bereich der Herstellerhaftung. Aber würde diese Garantie auch gelten, wenn der Hersteller das Ersatzteil nicht selbst hergestellt, sondern nur die digitale 3D-Vorlage geliefert hat? Man müsste wohl erst einmal klären, wer den Schaden verschuldet hat. „Sicher ist nur, dass es in so einem Fall zu langen Diskussionen käme“, sagt Buckle. Tiefer in den Lebensalltag wird der 3D-Druck da eingreifen, wo er die Herstellung von Gebrauchsgütern verändert. „Da passt die Technologie zum Customisation-Trend“, sagt Langefeld – gemeint ist die Anpassung von Produkten an individuelle Kundenwünsche. Barilla ist nicht der einzige Hersteller, der die neue Technologie dafür nutzen will. So arbeitet nach Presseberichten Lego an Spielzeug aus dem Drucker. Nokia veröffentlichte kürzlich eine Druckvorlage für ein Handy-Cover. PO L I T I K & G E S E L L S C H A F T UM DEN GLOBUS GROSSBRITANNIEN ist der größte Versicherungsmarkt in Europa und der drittgrößte der Welt. Rund ein Viertel aller Prämien stammt von ausländischen Kunden. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es heute fast keine von einem einzelnen Anbieter abhängigen Versicherungsvertreter mehr. Stattdessen bieten unabhängige Makler Policen mehrerer Versicherer an. LEBENSVERSICHERUNG: SPEZIALVERSICHERUNG: Eine besondere Stellung nimmt der Versicherungsmarkt Lloyds of London ein: Entstanden im 17. Jahrhundert ist er heute der weltweit größte Handelsplatz für Spezialversicherungen. Hier schließen Firmen Verträge mit den „Members of Lloyd ´s“ ab: Syndikate und Privatleute, die besondere Ereignisse versichern. Das führt manchmal zu kuriosen Verträgen. So wurden Bruce Springsteens Stimmbänder für sechs Millionen Dollar versichert. Aber Lloyd´s ist auch ein wichtiger Markt für Versicherungen gegen Naturkatastrophen oder Terrorismus. Großbritannien ist das Ursprungsland der modernen, auf versicherungsmathematischen Prinzipien beruhenden Lebensversicherung. Eingeführt wurde sie 1762 von der „Society for Equitable Assurances on Lives and Survivorships“, die erst vor 14 Jahren aufhörte, neue Policen abzuschließen. Heute ist Großbritannien der größte europäische Markt für Lebensversicherungen. 2012 nahmen britische Lebensversicherer 165 Milliarden Pfund Prämien ein. Die Briten geben das Kapitalmarktrisiko stärker an den Kunden weiter. Anders als in Deutschland gibt es in der Regel keine Garantieverzinsung. I L LUST RAT I O N E N : S H U T T E RSTO C K WOHNGEBÄUDE- UND HAUSRATVERSICHERUNG: Wieder erlebt Großbritannien ein Jahr mit schlimmen Überschwemmungen, Landesteile von Cornwall bis Yorkshire sind betroffen. In den vergangenen Jahren wurde das Königreich häufig von von Unwettern heimgesucht. Zwar haben fast drei Viertel der Bevölkerung eine „Home Insurance“ abgeschlossen, also eine Wohngebäude- und Hausratversicherung. Doch nicht immer sind Flutschäden mitversichert. Seit dem vergangenen Jahr arbeiten Staat und Versicherungsbranche an „Flood Re“. Ab 2015 soll AUTO-VERSICHERUNG: mit Hilfe des Gemeinschaftsmodells möglichst vielen Haushalten 23,3 Millionen Autos waren 2012 versichert. Der Wettbeeine kostengünstige Versicherung gegen Überschwemmungen werb zwischen den Anbietern ist hart. 2012 schrieben die zur Verfügung gestellt werden. britischen Autoversicherer rund 286 Millionen Pfund Verlust, seit 1994 übersteigen die Kosten die Prämieneinnahmen. Auch deshalb haben Versicherer angefangen, Telematik-Tarife zu testen, für die sich Autofahrer bereit erklären, ihr Fahrverhalten messen zu lassen. Im Gegenzug winken bei umsichtigem Fahrverhalten kleinere Prämien. Die zweite Maßnahme: der Kampf gegen die „Schleudertraumaepidemie“. Jeden Tag gibt es 1500 Fälle mit Schleudertrauma – die hohe Zahl führt der britische Versicherungsverband auch auf Betrugsversuche zurück. N R . 93 PO S I T ION E N 19 POL I TI K & G E S E L L S C H A F T IM BLICK DES AUFSEHERS: STABILITÄT IM BUNDESBANK-VORSTAND ist Andreas Dombret für Banken und Finanzaufsicht zuständig. Gegenüber „Positionen“ erläutert der 54-Jährige seine Sicht auf die Schuldenkrise. Gleichzeitig mahnt er die Lebensversicherer, angemessen auf die geänderten Rahmenbedingungen zu reagieren. A ls „diskret und charmant, eloquent, international und vor allem mit allen Tricks der internationalen Finanzmärkte und des Investment-Bankings vertraut“ beschrieb ihn das „Handelsblatt“ kurz vor seinem Eintritt in die Bundesbank. Ein Eindruck, der sich im Interview bestätigt. Herr Dr. Dombret, ist die europäische Schuldenkrise endlich überwunden? Ihr „endlich“ kann ich gut verstehen. Viele fragen sich zurzeit, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Aus meiner 20 PO S I T ION E N N R . 9 3 „EINE ÖKONOMISCH SACHGERECHTE REGELUNG SOLLTE DIE STILLEN LASTEN DEN BEWERTUNGSRESERVEN GEGENÜBERSTELLEN.“ Sicht spricht eine Menge dafür, dass das Glas eher halb voll ist. Auf europäischer und nationaler Ebene wurden bereits einige strukturelle Reformen umgesetzt. Das Vertrauen der Investoren in die besonders betroffenen Länder scheint peu à peu zurückzukehren. Jedoch darf man nicht die Augen vor weiter bestehenden Problemen verschließen: insbesondere nicht vor den immer noch viel zu hohen öffentlichen und privaten Schuldenständen. Genau darum darf bei den Reformanstrengungen nicht nachgelassen werden. POL I TI K & G E S E L L S C H A F T Sehen Sie noch eine positive Wirkung der Niedrigzinspolitik auf die Finanzstabilität in Deutschland oder nehmen die Risiken zu? Keine Frage: Die großzügige Liquiditätsbereitstellung durch die Zentralbanken und die niedrigen Zinsen haben wesentlich dazu beigetragen, die Märkte zu beruhigen. Angesichts der niedrigen Inflation und des gedämpften Wirtschaftswachstums ist die expansive Geldpolitik auch gerechtfertigt. Allerdings nehmen mit zunehmender Dauer niedriger Zinsen Risiken und Nebenwirkungen für die Finanzstabilität zu. Wichtig ist, dass die Finanzmarktteilnehmer die außergewöhnliche Situation nicht als Normalzustand missdeuten und infolgedessen Risiken unterschätzen. FOTO : GA BY G E RST E R Was bedeutet das Niedrigzinsumfeld für Lebensversicherungen? Ein lang anhaltendes Niedrigzinsumfeld birgt durchaus ein Gefährdungspotenzial für die Solvabilität von Lebensversicherern. So können die Kapitalerträge bei ungünstiger Marktentwicklung nicht mehr ausreichen, um zugesagte Garantien zu erbringen. Anschaulich wird das, wenn man sich die Umlaufrendite von Bundesanleihen als Indikator für die Verzinsung sicherer Neuanlagen ansieht. Diese lag 2012 erstmals unter 1,75 Prozent, also unter dem Höchstrechnungszinssatz ... ... dem Zinssatz, den Versicherungen für ihre Deckungsrückstellungen maximal zugrunde legen dürfen ... … der ja maßgeblich für das Neugeschäft ist. Der vergangenes Jahr gegründete Ausschuss für Finanzstabilität hat sich Ende März in einer Presseerklärung auch zu diesem Thema geäußert und festgestellt, dass die möglichen Belastungen des aktuellen Niedrigzinsumfelds noch tragbar erscheinen, in einer Risikobetrachtung einer länger anhaltenden Niedrigzinsphase jedoch materielle Auswirkungen haben könnten. ANDREAS DOMBRET ALS BUNDESBANK-VORSTAND ZUSTÄNDIG FÜR BANKEN UND FINANZAUFSICHT SOWIE RISIKO-CONTROLLING Er ist Deutschamerikaner, das verrät auch sein zweiter Vorname: Andreas Raymond. Seine Vita ist geprägt von einem Leben mit zwei Pässen in zwei Welten. Karrierestart für den studierten Betriebswirt war die Deutsche Bank, gefolgt von JP Morgan und Rothschild. Später war er u. a. Vice Chairman Europa der Bank of America, bevor er 2010 in den Bundesbank-Vorstand berufen wurde. Bis Mitte Mai kümmerte er sich dort um das Thema Finanzstabilität und ist seither zuständig für Banken und Finanzaufsicht. Reagieren die Lebensversicherer angemessen auf die Herausforderungen? Die deutschen Lebensversicherer müssen über genügend Eigenmittel verfügen, um ihre Verpflichtungen auch in Zukunft erfüllen zu können. Zusätzlich müssen sie auch für die Einführung von Solvency II gerüstet sein. Dazu könnten sie zum einen neues Eigenkapital aufnehmen. Zum anderen könnten sie die Abflüsse aus den Eigenmitteln reduzieren, indem sie die Gesamtverzinsung, das heißt auch die Überschussbeteiligung, frühzeitig anpassen. Innovationen beim Produktangebot können ebenfalls helfen, Risiken abzumindern. Wer fixe Zinsgarantien über einen sehr langen Zeitraum abgibt, auf der Aktivseite aber kürzere Laufzeiten hat, geht beachtliche Kapitalmarktrisiken ein. Als Sie Ende 2013 den Finanzstabilitätsbericht vorstellten, mahnten Sie bei der Neuregelung der BewertungsreservenBeteiligung von Lebensversicherungskunden eine „solide und nachhaltige“ Regelung an. Warum? Die aktuellen Vorschriften bewirken, dass Lebensversicherer bei sinkenden Zinsen steigende Ausschüttungen für ablaufende oder gekündigte Verträge leisten müssen. Ein Großteil der Kapitalanlagen der Lebensversicherer besteht aus festverzinslichen Wertpapieren. Die meisten der Papiere wurden in Zeiten höherer Zinsen erworben. Deshalb weisen sie nun hohe stille Reserven auf. Bei den Verbindlichkeiten werden die stillen Lasten aber nicht berücksichtigt, die durch die niedrigen Zinsen entstehen. Lebensversicherungen müssen jedoch bei niedrigeren Zinsen mehr ansparen, um ihre unveränderten zukünftigen Verpflichtungen erfüllen zu können. Eine ökonomisch sachgerechte Regelung sollte die stillen Lasten den Bewertungsreserven gegenüberstellen. Lediglich ein Teil der stillen Lasten wird seit 2011 über die Zinszusatzreserve berücksichtigt. Was halten Sie von der jüngsten Initiative der Regierung, sich dieses Themas noch einmal anzunehmen? Diese Initiative will die Risikotragfähigkeit der Lebensversicherer stärken. Das kann man grundsätzlich nur unterstützen. Dies enthebt die Unternehmen aber nicht ihrer Verantwortung, auf geänderte Rahmenbedingungen angemessen zu reagieren, indem sie zum Beispiel ihre Eigenmittel stärken, die Gesamtverzinsung anpassen beziehungsweise ihr Produktangebot überarbeiten. Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wenn Ihr Kind Sie einmal fragen wird, ob und wie es für sein Alter vorsorgen soll, was werden Sie ihm raten? Ich werde meiner Tochter vor allem raten, mehr Zeit in ihre finanzielle Bildung zu investieren. Ich bin immer wieder erstaunt, in Umfragen zu hören, wie schlecht es um die finanzielle Bildung der Deutschen bestellt ist. Gerade mit dem Thema Geldanlage sollte man sich kritisch und informiert auseinandersetzen. CAROLYN BRAUN N R . 93 PO S I T ION E N 21 M Ä R K T E & B RA NC H E N VORSICHT ZAHLT SICH AUS TELEMATIKANWENDUNGEN EROBERN DAS AUTO: Sie erlauben unter anderem die Berechnung von Versicherungsprämien auf Basis des Fahrverhaltens. Doch die Technik wirft auch Fragen auf: Was passiert mit den vielen Daten? W er in Deutschland ein Auto besitzt, muss sich absichern – das ist Pflicht. Denn verursacht der Fahrer einen Unfall, bliebe er ohne eine Kfz-Haftpflichtversicherung auf den ganzen Kosten für den Schaden sitzen. Schon heute gibt es ein sehr differenziertes Tarifsystem im Kfz-Bereich. Die Prämien werden unter anderem danach bemessen, wie viele Schäden ein Kunde verursacht hat, wo er wohnt, welches Auto und wie viele Kilometer er fährt. Bald könnte ein weiteres Krite- rium hinzukommen: Mithilfe einer Box im Auto ließe sich das Fahrverhalten analysieren. Dementsprechend könnte man die Beiträge noch individueller gestalten. Ein vorsichtiger und rücksichtsvoller Autofahrer würde dann weniger bezahlen müssen. Allerdings wird dies auch heute schon in Form der Schadensfreiheitsrabatte honoriert. Intelligente Bordelektronik Die Technik, um solche fahrzeuginternen Daten zu ermitteln, heißt Telematik. Wie schon die beiden Wortteile „Tele“ und „matik“ zeigen, verbindet sie die Telekommunikation mit der Informatik. „Dabei werden Informationen von Autos oder anderen bewegten Objekten während der Fahrt erfasst und übertragen“, erklärt Alexander Mürmann, Professor für Risikomanagement und Versicherungswesen an der Wirtschaftsuniversität Wien. Speditionen nutzen die Technik schon heute, um ihre Fahrzeugflotten zu überwachen oder die Temperatur in Kühlcontainern extern zu regu- WAGEN 2 AKTUELLE GESCHWINDIGKEIT: 130 km/h ZURÜCKGELEGTE STRECKE: 420 Kilometer am Stück, davon 250 Kilometer als Nachtfahrt WAGEN 1 AKTUELLE GESCHWINDIGKEIT: 140 km/h ZURÜCKGELEGTE STRECKE: 80 Kilometer am Stück BREMSVERHALTEN: eine abrupte Bremsaktion 22 PO S I T ION E N N R . 9 3 M Ä R K T E & B RA NC H E N lieren. In Japan bauen 38 Prozent aller Transportunternehmen bereits auf Telematik, in Deutschland sind es dagegen erst zehn Prozent. Wer telematikbasierte Tarife nutzen möchte, braucht die nötigen technischen Voraussetzungen in seinem Fahrzeug. In der Regel wird dafür im Motorraum ein kleines Kästchen angebracht. Diese Elektronikbox enthält eine SIM-Karte und übermittelt die Daten per Mobilfunk. Neuwagen der Oberklasse brauchten schon heute keine eigene Box mehr, weil sie bereits selber Daten senden können. Nach dem Willen des EU-Parlaments sollen ab Oktober 2015 alle Neufahrzeuge mit einem automatischen Notrufsystem (eCall) ausgestattet werden, das ebenfalls mittels Telematik funktionieren würde. Damit wären theoretisch die technischen Voraussetzungen geschaffen, um telematikbasierten Tarifen den Weg zu ebnen. Erste Versicherungsunternehmen in Deutschland bieten seit Kurzem entspre- DIE VERSICHERUNG ZUM FAHRSTIL? Mehr Daten – weniger zahlen? An KfzTelematiktarifen scheiden sich die Geister. 9% DER AUTOBESITZER haben konkrete Pläne, in einen Telematiktarif zu wechseln, oder haben bereits eine solche Versicherung abgeschlossen. 69% DER AUTOBESITZER stehen „Pay as you drive“-Tarifen skeptisch gegenüber. Quelle: Bitkom-Befragung 2014 chende Tarife an. Die auf TelematikDaten basierende Tarifierung (Usagebased insurance, UBI) gibt es in verschiedenen Ausgestaltungen. Die bekanntesten Modelle sind „Pay as you drive“ (PAYD) und „Pay how you drive“ (PHYD). Bei ersterer Variante werden üblicherweise die gefahrenen Kilometer abgerechnet. In Italien beispielsweise muss mittlerweile jeder Kfz-Versicherer ein solches Tarifmodell anbieten. Bei der zweiten Version, „Pay how you drive“, können u. a. das Brems- und Beschleunigungsverhalten aufgezeichnet werden. Tatsächlich verbindlich sind die Definitionen allerdings nicht. Häufig werden sie miteinander vermischt. Erste Versuche mit Telematiktarifen unternahm man in Großbritannien bereits Mitte der 1990er-Jahre. Mittlerweile aber sind die USA führend, mit einem Marktanteil von zehn Prozent. Gerade Fahranfänger in den Vereinigten Staaten nutzen die Technik. Sie können WAGEN 4 AKTUELLE GESCHWINDIGKEIT: 125 km/h ZURÜCKGELEGTE STRECKE: 15 Kilometer am Stück BREMSVERHALTEN: bisher keine Auffälligkeiten WAGEN 3 AKTUELLE GESCHWINDIGKEIT: 115 km/h ZURÜCKGELEGTE STRECKE: 80 Kilometer am Stück BESCHLEUNIGUNGSVERHALTEN: gleichförmig N R . 93 PO S I T ION E N 23 so von Anfang an nachweisen, dass sie vorsichtig und vorausschauend fahren. Das zahlt sich aus: Die Häufigkeit von Schäden hat bei Versicherten mit Telematiktarifen über ein Drittel abgenommen. Entsprechend winken hohe Rabatte: Bis zu 30 Prozent Nachlass gewähren Versicherer. Doch nicht nur die rücksichtsvollere Fahrweise zählt. Bei der Häufigkeit von Unfällen kommt noch etwas anderes hinzu: „Die reine Anzahl der Fahrten ist ein wesentlicher Unfallfaktor“, sagt Mürmann. Lege man 100 Kilometer am Stück zurück, sei das weit weniger risikoreich, als wenn man sie verteilt auf zehn Fahrten absolviere. „Durch die Telematik kann man diese unterschiedlichen Risiken genau erfassen und die Prämien dementsprechend gestalten“, so Mürmann. Die positiven Erfahrungen in angelsächsischen Ländern lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen. Hierzulande gibt es bereits jetzt ein sehr ausdifferenziertes Tarifsystem, das individuelle Risiken sehr gut abbildet. Ob sich dieses – nicht zuletzt aus Kundensicht – durch die Telematik tatsächlich verbessern lässt, ist noch fraglich. Das größte Potenzial für Telematiktarife in der KfzVersicherung sehen Experten daher vor allem bei Fahranfängern. Sie zahlen aufgrund ihres Risikofaktors besonders hohe Prämiensätze. Der gläserne Autofahrer? Neben den Vorteilen hat die Telematik jedoch auch eine Kehrseite: Was passiert mit den vielen Daten, die die Technik über das jeweilige Fahrverhalten gewinnen und weiterleiten kann? Erstaunlicherweise scheinen die Fahrer da keine großen Bedenken zu hegen. Das legt zumindest eine aktuelle Umfrage des Hightech-Verbandes Bitkom nahe. Demnach hat nur eine Minderheit von elf Prozent Angst vor Offenlegung der gespeicherten Fahrdaten. Datenschützer sind da schon skeptischer. Sie befürchten, dass sich durch die Aufzeichnung von 24 PO S I T ION E N N R . 9 3 BLICK ÜBER DIE GRENZEN International sind die von der Fahrweise abhängigen Versicherungen mit TelematikTarifen schon länger am Start. Ein Blick auf andere Kfz-Versicherungsmärkte: In Italien gibt es die Telematik-Boxen seit 2003, anfangs eingeführt, um gestohlene Autos wiederzufinden. Mittlerweile muss jeder Kfz-Versicherer mindestens einen TelematikTarif anbieten. Das ist in Italien Vorschrift. Die eingebauten Boxen messen nur die Kilometerfahrleistung – ein Tarifmerkmal, das in Italien im Gegensatz zu Deutschland kein Standard ist. Vor allem Wenigfahrer entscheiden sich daher für Telematik-Tarife. In den USA ist jede zehnte Kfz-Versicherung ein „Pay how you drive“-Tarif. Dort und in Großbritannien gingen die Unfallzahlen bei TelematikNutzern laut einer Studie von Towers Watson um bis zu 40 Prozent zurück. Großbritannien hat Telematik-Tarife als erstes Land Mitte der 90er-Jahre eingeführt. Das System beinhaltet schon heute den automatischen Notruf bei Unfällen. In Österreich nutzen über 50.000 Menschen einen Telematik-Tarif. Berechnet wird er auf Basis der gefahrenen Kilometer. Das ist für die Alpenrepublik neu. Denn in der Regel berücksichtigen die Kfz-Tarife die gefahrenen Kilometer - anders als in Deutschland nicht. Deshalb sorgt der neue Tarif für niedrigere Beitragssätze. Beschleunigungsverhalten, Bremsvorgängen, Geschwindigkeitsübertretungen oder gefahrenen Kilometern Bewegungsprofile von Autofahrern erstellen lassen. Diesen Bedenken wird man Rechnung tragen müssen, bevor sich Telematiktarife in Deutschland durchsetzen können. „Was erfasst wird und wohin die Daten gesendet werden, muss den datenschutzrechtlichen Regelungen in Deutschland entsprechen“, sagt Karsten Linke, Referent für Kraftfahrtversicherung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Der Kunde muss außerdem selbst darüber bestimmen können, was mit den Informationen aus seinem Auto passiert.“ Außerdem sollte man bereits im Versicherungsvertrag festhalten, welche Daten genau erhoben und verwendet werden“, fügt Alexander Mürmann hinzu. „Das schafft Transparenz.“ Darüber hinaus empfiehlt der Deutsche Verkehrsgerichtstag, zu dem sich einmal im Jahr Verkehrsrechtler sowie Experten für Sicherheit und Technik in Goslar treffen, bei der Übermittlung der Daten „Fahrzeughalter und Fahrer technisch und rechtlich in die Lage zu versetzen, diese zu kontrollieren und gegebenenfalls die Weiterleitung zu unterbinden“. Dass die Kunden etwa über eine Internetplattform selbst überprüfen, welche Daten übertragen werden und wie sie selbst oder ihre Kinder Auto fahren, könnte die Akzeptanz von Telematiktarifen künftig erhöhen. Doch noch stehen, auch das zeigt die BitkomUmfrage, zwei Drittel der deutschen Autofahrer der Technik skeptisch gegenüber. MAURITIUS MUCH GDV-ANSPRECHPARTNER Alina Schön Tel.: 030 2020-5113 E-Mail: [email protected] FREIE WAHL Empfehlungen des Deutschen Verkehrsgerichtstags www.gdv.de/verkehrsgerichtstag FOTOS : G E T T Y I M AG ES, M A RC E L R I C K L I , D D P I M AG ES ; I L LUST RAT I O N E N : I STO C K M Ä R K T E & B RA NC H E N M Ä R K T E & B RA NC H E N VERORTET 806 WO DIE RENTENLÜCKE KLAFFT Euro fehlen den deutschen Rentnern durchschnittlich, wenn sie alleine auf die gesetzliche Rente bauen. SchleswigHolstein II + III A uf die Rente alleine ist kein Verlass: 806 Euro – so viel Geld wird jenen Menschen im Alter Monat für Monat durchschnittlich fehlen, die ausschließlich auf die gesetzliche Rentenversicherung bauen. Was auf den ersten Blick überrascht: In Süddeutschland fällt die Rentenlücke am größten aus. Das liegt daran, das hier die Löhne und der Lebensstandard schon heute am höchsten sind – und man deshalb im Alter relativ gesehen auch mit den höchsten Einbußen rechnen muss. Im Umkehrschluss haben Rentner in Ostdeutschland zwar eine geringere Rentenlücke, sie erwartet aber zugleich auch am wenigsten Geld aus der gesetzlichen Rentenkasse. Selbst wer eine Riester-Rente abgeschlossen hat oder in den Genuss einer Betriebsrente kommt, ist noch nicht vollständig auf der sicheren Seite. Viele sorgen noch zu wenig privat vor. Mehr als die Hälfte dieser Gruppe erhält im Ruhestand voraussichtlich weniger als 55 Prozent des letzten Bruttoeinkommens. Durchschnittlich fehlt ihnen quer über das Land ein Betrag von 360 Euro im Monat. MecklenburgVorpommern II SchleswigHolstein I Mecklenburg-Vorpommern I Hamburg Lüneburg Bremen Brandenburg I Weser-Ems Berlin Ost Berlin West Hannover Brandenburg II Münster Düsseldorf SachsenAnhalt I + II + III Detmold Braunschweig Brandenburg III Leipzig Arnsberg Dresden Kassel Thüringen I + II Köln Chemnitz Gießen Koblenz Trier Saar- Darmstadt Unterfranken RheinhessenPfalz Oberfranken Mittelfranken Oberpfalz Stuttgart Karlsruhe Niederbayern Schwaben Tübingen Freiburg Oberbayern VORSORGEATLAS Wie viel im besten Fall im Alter übrig bleibt. www.gdv.de/positionen Versorgungslücke (in €) 1 (unter 625) Versorgungslücke bei einer Basisversorgung (Gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung, Berufsständische Versorgung und Rürup-Rente) 2 (625 bis 767) 3 (768 bis 793) 4 (794 bis 863) 5 (über 863) Quelle: Vorsorgeatlas Deutschland 2013, Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg im Auftrag von Union Investment N R . 93 PO S I T ION E N 25 M ÄR K T E & B RA NC H E N Die „Wilden Kerle“ auf dem Fußballplatz, dem zentralen Drehort des Kinderfilms. Die Elbe setzte ihn unter Wasser. EIN QUANTUM TROST FILMDREHS SIND EIN RISKANTES GESCHÄFT. Schauspieler können krank werden und verunglücken, Stürme ganze Kulissen zerstören und Rechtsstreitigkeiten die Kosten in die Höhe treiben. Ohne Versicherungen wagt sich heute kaum ein Produzent an einen Film. W enn Flüsse über die Ufer treten, ist der Schaden schnell groß. Die Elbe-Flut riss 2003 auch das Set des deutschen Erfolgsfilms „Die Wilden Kerle“ mit sich. Ausgerechnet das Hauptmotiv, den Fußballplatz, setzte sie unter Wasser, die Dreharbeiten mussten verschoben werden – doch dass für diesen Schaden die Versicherung aufkommen würde, war gleich klar. Vor solchen Verzögerungen fürchten sich Produzenten am meisten: „Ein Drehtag kann bei größeren Produktionen schon mal bis zu 80.000 Euro kosten“, sagt Christoph Hoyer, Underwriter bei Catlin. Und so sind die größte finanzielle Bedrohung für Film- und Fernsehdrehs in aller Regel Schäden, die 26 PO S I T ION E N N R . 9 3 die Produktion unterbrechen, bestätigt Hendrik Bockelmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Filmversicherungsgemeinschaft (DFG), die, unter anderem, mit Vollmachten der Allianz Global Corporation & Specialty AG, der ERGO Versicherung AG und der AXA Versicherung AG ausgestattet ist. Die DFG hatte die „Wilden Kerle“ versichert und kam schnell und unkompliziert für die Flutfolgen auf. Kaum ein Film ohne Schaden Film-, TV-Produktionen und Werbedrehs sind ein riskantes Geschäft. Schließlich drohen nicht nur seltene Wetterphänomene wie die Oder-ElbeFlut, auch erkrankte Schauspieler oder ganz banale Schäden an Geräten und Requisiten können teuer werden, besonders dann, wenn sie die komplette Drehplanung über den Haufen werfen. Aber auch ein Rechtsstreit kann ins Geld gehen (siehe Kasten). „Im Grunde geht bei jeder Produktion zumindest eine Kleinigkeit schief“, sagt Bockelmann. „Die Schadensfrequenz ist bei uns deutlich höher als in anderen Versicherungssparten“. Auf circa 20 Millionen Euro jährlich belaufen sich in etwa die Schadenssummen. Das Policen-Volumen liegt bei circa 30 Millionen Euro, doch die Zahlen schwanken stark. Besonders gefürchtet sind Ausfälle der Stars, ob sie nun vor oder hinter der Kamera stehen. Im digitalen Zeitalter hat diese Gefahr die zerstörte Filmrolle als größtes Risiko abgelöst. Informatio- M ÄR K T E & B RA NC H E N Der siebte Teil der Action-Reihe „Fast & Furious“ (links) ist beinahe vollständig abgedreht, als Hauptdarsteller Paul Walker bei einem Autounfall ums Leben kommt (oben). Presseberichten zufolge verlangt das Filmstudio wegen des Todesfalles jetzt 50 Millionen Dollar von seiner Versicherung. Das wäre eine der höchsten bislang bekannt gewordenen Summen in der Filmgeschichte. nen darüber werden allerdings selten öffentlich und mit äußerster Diskretion behandelt, da zum Beispiel der Gesundheitszustand der Schauspieler einem strengen Datenschutz unterliegt. Ausnahmen sind einzelne, besonders dramatische Fälle, wie jüngst beim tragischen Unfalltod des US-Stars Paul Walker, der die Fortsetzung der Blockbuster-Reihe „Fast & Furious“ gefährdete. Manchmal fallen den Produzenten dann sehr kreative Lösungen ein, wie zum Beispiel bei Terry Gilliams Fantasyfilm „Das Kabinett des Dr. Parnassus“ aus dem Jahr 2009. Mitten im Dreh starb Kinolegende Heath Ledger, die Produktion wurde abgebrochen. Den Film rettete schließlich die – auch künstlerisch wertvolle – Idee, Ledgers Figur Tony in den verschiedenen Fantasywelten von anderen Stars – Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell – spielen zu lassen. FOTOS : I M AGO (2 ) , R E U T E RS Not schweißt zusammen An solchen Entscheidungen sind immer auch die Filmversicherer beteiligt“, sagt Christina Mertens, verantwortlich für die Sparte Filmversicherung der HDIGerling Industrie Versicherung. „Die Zusammenarbeit ist sehr partnerschaftlich und lösungsorientiert.“ Wenn größere Verzögerungen oder gar ein Abbruch der Dreharbeiten droht, stellt die Versicherung daher den Produzenten externe Experten zur Seite, mit dem Ziel, ganz pragmatisch den Schaden so weit wie möglich zu minimieren. Je internationaler die Produktionen werden, desto internationaler auch die Chancen für die deutschen Versicherer. Allerdings, berichtet Bockelmann von der DFG, unterschieden sich die Mentalitäten der deutschen und der US-Produzenten doch sehr. Während die Deutschen sich lieber auch gegen kleinere Schäden absicherten und dafür höhere Prämien in Kauf nähmen, setzten die Amerikaner auf höhere Selbstbehalte. Insofern ist es ein umso größerer Erfolg, dass es Anfang des Jahres einem Konsortium deutscher Versicherer erstmalig gelang, im Alleingang einen Film in dieser Größenordnung und mit einem echten Hollywood-Star zu versichern: Die von Tom Tykwer inszenierte und von X Filme produzierte Romanverfilmung „Ein Hologramm für den König“ mit Tom Hanks könnte den ersten Schritt in einen neuen, deutlich größeren Markt bedeuten. CAROLYN BRAUN GDV-ANSPRECHPARTNER Stephan Schweda Tel.: 030 2020-5114 E-Mail: [email protected] FILMVERSICHERUNG WAS ALLES SCHIEFGEHEN KANN: Der Star wird krank (Personenausfall): Das größte Risiko, denn Regisseure und Hauptdarsteller sind nur schwer zu ersetzen. Diese Police übernimmt alle Folgeschäden. Etwas geht kaputt (Sachausfall): Auch wenn Schäden an Kulissen oder Requisiten den Dreh verzögern, kommt die Versicherung für die Folgen auf. Das Team macht etwas kaputt (Medienhaftpflicht): Ähnlich wie eine private Haftpflicht werden so unbeteiligte Menschen und Sachwerte versichert. Kamera läuft – nicht (Geräte-/Technik-/Requisitenversicherung): Diese Police deckt Schäden am Equipment ab. Rechtsstreitigkeiten („Errors und Omissions“): Der Versicherer kommt für Streitigkeiten um Urheber- und Persönlichkeitsrechte oder Verleumdung auf. Alles weg (Bild und Datenträger): Früher das Schlimmste, was passieren konnte, heute nicht mehr so bedrohlich – diese Police kommt für Schäden an Filmnegativ und bereits entwickeltem Film, aber auch an Speicherkarten oder Videobändern auf. Die Produktion scheitert („Completion Bond“): Wer eine Fertigstellungsbürgschaft abschließt, dessen Versicherer sorgt im Ernstfall für den Abschluss – zur Not mit eigenen Produktionsteams. Ansonsten werden die getätigten Investitionen erstattet. N R . 93 PO S I T ION E N 27 M ÄR K T E & B RA NC H E N GEGENPOSITION VERSICHERER LEISTEN VERSPÄTET ODER GAR NICHT. Dieses Bild wird oft vermittelt – zu Unrecht. Die Unternehmen haben etwa die vielen Unwetterschäden 2013 zügig reguliert, so das Fazit des Versicherungsombudsmannes. Zwar ist die Zahl der eingegangenen Beschwerden im Vorjahr um acht Prozent auf rund 18.700 gestiegen. Verantwortlich dafür sind jedoch einige Sonderfaktoren. VIELE FRAGEN STATT ECHTER BESCHWERDEN GRÖSSERE AKZEPTANZ DER SCHLICHTUNGSSTELLE Im Bereich der Lebensversicherung hat es 2013 einige Grundsatzurteile gegeben, etwa zur Berechnung des Rückkaufswertes bei vorzeitiger Kündigung der Police. Diese Fälle stießen in den Medien auf ein großes Echo, viele Menschen haben sie entsprechend verfolgt. Die Folge waren etliche Nachfragen statt echter Beschwerden. So musste die Ombudsstelle oft Erklärungsarbeit leisten und seltener einen Konflikt lösen. Die Zunahme der Beschwerden lässt sich auch auf eine höhere Akzeptanz des Ombudsmanns bei den Verbrauchern zurückführen. Die 2001 ins Leben gerufene Institution wird immer bekannter und in der Folge auch stärker genutzt. Immerhin können Streitigkeiten zwischen Versicherern und Verbrauchern so rasch und unbürokratisch beigelegt werden. Rund drei Monate beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer beim Ombudsmann, dem Verbraucher entstehen dabei keine Kosten. r e r e h c i s r e V e i d r e b ü gen Mehr Kla BGH-Urteile halten Versicherer auf Trab en vor dem Schlic eh zi ne er nz ko gs un Versicher Kürzeren immer häufiger den HÖHERE ERFOLGSQUOTE KEIN INDIZ FÜR HÄUFIGERES FEHLVERHALTEN Die Erfolgsquote in der Lebensversicherung ist 2013 auf 34 Prozent gestiegen, 2012 gingen „nur“ 23,3 Prozent der Entscheidungen zugunsten der Kunden aus. Aus der höheren Erfolgsquote lässt sich aber kein häufigeres Fehlverhalten der Versicherer ableiten. Auch der Trend steht im Zusammenhang mit den Gerichtsurteilen. Viele Unternehmen haben die Entscheidungen abgewartet und Zeit gebraucht, um die Berechnungsgrundlagen zu ändern. Dann leisteten die Unternehmen schnell Abhilfe, auch deshalb sei neben der Zahl der Beschwerden ebenfalls die Zahl der gütlichen Einigungen nach oben gegangen, so die Ombudsstelle. 28 PO S I T ION E N N R . 9 3 hter GROSSE LEISTUNGSSCHAU Die Versicherer haben 2013 rund 7 Milliarden Euro allein für die Folgen von Naturgewalten an ihre Kunden ausgezahlt. Sachversicherung Juni-Hochwasser 1,8 Mrd. Euro 3,1 Mrd. Euro Hagelstürme Orkan Christian Orkan Xaver Kraftfahrtversicherung für Hochwasser, Hagelstürme und Orkane 300 – 400 Mio. Euro 100 – 200 Mio. Euro ca. 1,5 Mrd. Euro Quelle: GDV M ÄR K T E & B RA NC H E N FOTO : I STO C K ZAHLEN DES QUARTALS N R . 93 PO S I T ION E N 29 K U RZ A U SG E B L I C KT MIT ANDEREN AUGEN BLICK AUS DER FILTERBLASE D ie Zeitungs- und die Lebensversicherungsbranche mögen völlig verschieden sein, dennoch eint sie einiges: Beide betonen stets, wie gut ihre Produkte seien – und sehen sich doch sinkenden Absatzzahlen gegenüber. Beide haben ein demografisches Problem bei ihrer Zielgruppe. Beide suchen die Schuld für die operative Schwäche gern bei anderen – die einen bei Google, die anderen bei der Regulierung. Und beide hacken gern aufeinander rum: Journalisten hadern mit der Lebensversicherung an sich, den Gebühren, der Transparenz. Die Assekuranz wiederum stört diese Haltung, die Grundsätzlichkeit der Kritik und die mangelnde Fähigkeit zu abstrahieren, dass der mündige, aufgeklärte und vergleichende Anleger eine eher rare Spezies ist. Dabei hätten doch gerade Medien einen gesellschaftlichen Auftrag, die Altersvorsorge zu fördern, statt mit Kritik zu torpedieren und so den immer stärker verbreiteten Hang zum Nichtstun noch zu verstärken. Beide Seiten haben gute Argumente. Um die der Journalisten nachvollziehen 30 PO S I T ION E N N R . 9 3 zu können, sollte man sich mit dem Phänomen der Filterblase vertraut machen: Die eigenen Erfahrungen mit einem Produkt oder ökonomischen Sachverhalt liefern wichtige, möglicherweise manchmal aber auch irreführende Impulse zur Recherche und zur Meinungsbildung. So lebt der Journalist einer großen Zeitung mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer Metropole wie Hamburg oder München, verdient ordentlich und bevorzugt gute Wohnlagen. Ahnen Sie, wieso es in der Presse vor Warnungen vor einer Immobilienblase nur so wimmelt, obwohl es bestenfalls in wenigen Trendvierteln einiger Großstädte zu größeren Preisanstiegen kam? Schlagen wir den Bogen zur Debatte über die Zukunft der Lebens- und Rentenversicherung und die Verwendung der Überschussbeteiligung: Ich bin selbst Kunde von Lebensversicherern und habe den Versuch unternommen, die Verwendung der Überschussbeteiligung zu verstehen. In den 41 Seiten Vertrag und Dokumentation wimmelt es nur so von Kürzeln und Verweisen. Ich werde in Überschussgruppe XY, Unter- gruppe Z geführt und möge bitte nähere Angaben dem Geschäftsbericht entnehmen. Dort habe ich sie nicht gefunden. Auch sind die angegebenen Überschüsse beinahe so artenreich wie die Tiefsee: Es gibt den Zinsüberschussanteil, den Grundüberschussanteil („nur bei Bausteinen gegeben, deren kalkulatorische Ausscheideordnung todesfallorientiert ist“), den Zusatzüberschussanteil, den Schlussüberschussanteil, den Sonder-Schlussüberschussanteil, die Überschussrente. Dass ich trotz mehrfacher Lektüre nur Bahnhof verstanden habe, könnte auch an den verschachtelten Sätzen sowie den vielen Fachbegriffen liegen. Ich bin kein Versicherungsexperte, ahne aber, dass die kritische Haltung vieler Kollegen nicht völlig aus der Luft gegriffen sein könnte – Filterblase hin oder her. CHRISTIAN KIRCHNER Christian Kirchner ist Redakteur beim Wirtschaftsmagazin „Capital“. Zuvor arbeitete er unter anderem für die „FTD“ und das „Handelsblatt“ sowie als Kolumnist für „Spiegel Online“. In seinem Blog Menschen.Zahlen.Sensationen widmet er sich dem Thema Geldanlage. K U RZ A U SG E B L I C KT KURZ ERKLÄRT WEITERGEHEN Sie wollen noch mehr wissen? Hier haben wir für Sie weitere aufschlussreiche und spannende Link- und Lesetipps zu wichtigen Themen rund um die Versicherungsbranche. teln. Verbraucher benötigen dazu lediglich die gesetzliche Renteninformation und – falls vorhanden – die jährlichen Standmitteilungen ihrer privaten oder betrieblichen Altersvorsorge. MEHR INFOS: I L LUST RAT I O N : D I E T E R B RAU N ; FOTOS : S H U T T E RSTO C K , T H I N KSTO C K ; RÜC KS E I T E N FOTO : I M AGO www.gdv.de/rentenrechner DIE POLITISCHEN POSITIONEN DER DEUTSCHEN VERSICHERER Die deutsche Versicherungswirtschaft wird wie kaum eine andere Branche durch das Aufsichtsrecht und die Regulierung geprägt. In zahlreichen Bereichen übernimmt der europäische Gesetzgeber dabei eine Vorreiterrolle und definiert das Schrittmaß für die nationale Umsetzung. Innerhalb dieses Rahmens müssen die Versicherer auch künftig ihre volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Aufgaben erfüllen können. Die politischen Positionen der Branche, mit denen das gelingen kann, hat der GDV jetzt in der 36-seitigen Broschüre „Die Positionen der deutschen Versicherer“ zusammengefasst. Dabei setzt er sich mit hochaktuellen Themen wie der Lebensversicherung in der Niedrigzinsphase, Haftpflichtversicherung im Heilwesen oder Datenschutz auseinander. DIE PSYCHOLOGIE DES RISIKOS Wir leben in einer ungewissen Welt und erliegen doch so gerne der Null-RisikoIllusion. Dabei ist jede Entscheidung in Alltag, Beruf, Freizeit mit Risiken verbunden, die sich berechnen lassen (wie die Gefahr von Thrombose) oder auch nicht (siehe Partnerwahl). Der Psychologe Gerd Gigerenzer, Direktor am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, beschreibt in seinem neuen Buch „Risiko“, was Risikointelligenz und -kompetenz in unserer komplexen Wichtige Begriffe aus der Versicherungsbranche verständlich auf den Punkt gebracht. Eine Sterbetafel ist ein Modell aus der Bevölkerungsstatistik. Sie zeigt tabellarisch für eine bestimmte Personengruppe (z. B. Bevölkerung oder Versicherte), wie viele von ihnen in den jeweiligen Jahren zwischen Geburt und höchstem Alter rechnerisch überleben oder sterben werden. Darüber hinaus gibt die Sterbetafel Auskunft über die durchschnittliche Lebenserwartung in den einzelnen Altersjahren. So lässt sich beispielsweise aus der Tabelle ableiten, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Alter erreicht wird. Die Werte in den Sterbetafeln werden mithilfe statistisch bestimmter Sterbewahrscheinlichkeiten für jedes Alter ermittelt. Versicherungsunternehmen nutzen die Tabellen zur Kalkulation der Prämien und Leistungen. Für die Bilanzierung der Versicherungsunternehmen werden Sterbetafeln von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) empfohlen, einer Vereinigung deutscher Versicherungsmathematiker. Die Angemessenheit dieser Sterbetafeln wird regelmäßig überprüft. IMPRESSUM Herausgeber: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft Verantwortlich: Christoph Hardt Konzeption und Realisierung: Axel Springer SE Corporate Solutions Druck und Vertrieb: Möller Druck Redaktion: Una Großmann (GDV), Heike Dettmar (Axel Springer) MEHR INFOS: www.gdv.de/2014/04/die-positionender-deutschen-versicherer-2014/ MIT DER RENTE RECHNEN Verbraucher können ab sofort im Internet ihre finanzielle Versorgungslücke ausrechnen. Der GDV hat dazu seinen Rentenrechner aktualisiert. In vier kurzen Schritten lässt sich damit ganz einfach überprüfen, ob die private Altersvorsorge ausreicht – oder eben auch, wie viel Geld im Alter fehlt. Darüber hinaus können die Nutzer ihre monatliche Rente im Fall einer möglichen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ermit- Sterbetafel Art-Direktion: Diddo Ramm Gesellschaft bedeutet, wie ihre Voraussetzungen sind – und was ihnen entgegensteht, von „alten Hirnstrukturen“ bis hin zu den „Tücken der Truthahnillusion“. An anschaulichen Beispielen aus der Welt des Finanz- und Gesundheitswesens identifiziert er Fehlerkulturen und zeigt, wie man mithilfe einfacher, erlernbarer Lösungen eher die richtigen Entscheidungen trifft. Gigerenzer, Gerd (2013). Risiko. Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. München: C. Bertelsmann Verlag. Autoren: Carolyn Braun, Serge Debrebant, Heike Dettmar, Mauritius Much, Herta Paulus, Sabine Schlosser Fotoredaktion: Mirjam Klessmann, Olaf Roessler Layout: Anne-Marie Kierstein, Melanie Kollath Litho: VB:34, Hamburg Redaktionsanschrift: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft Presse und Information Wilhelmstraße 43 / 43 G, 10117 Berlin Telefon: 030 / 20 20 – 5118 Fax: 030 / 20 20 – 66 04 Fragen zum Abo: [email protected] N R . 93 PO S I T ION E N 31 WWW.GDV.DE/POSITIONEN DIE SCHÖNSTE VERSICHERUNGSSACHE DER WELT HALTENDE HÄNDE D er Nationaltorwart Manuel Neuer hält fast alles, was auf seinen Kasten geflogen kommt. Erst jüngst gewann der Keeper mit dem FC Bayern München den DFB-Pokal im Finale gegen Borussia Dortmund. Schon im vergangenen Jahr hatten die Bayern so gut wie alles abgeräumt, was es an Titeln gibt. Sogar zum weltbesten Torwart war Neuer gewählt worden. Natürlich weiß auch der Nationaltorwart, wie wertvoll seine zupackenden Hände sind. 3.000.000 € VERSICHERUNGSSUMME Auf sie passen nicht nur seine Torwarthandschuhe auf, auf denen der Schriftzug Predator entlang des Ringfingers zu lesen ist – Raubtier. Sondern auch eine Versicherung. Sie greift, sollte Neuer nach einem Unfall nicht mehr als Torwart arbeiten können. Ein ausgerenkter Finger ist dagegen für den Hüter des Kastens nichts weiter als ein Klacks. Den renkt er sich, so ist zu hören, während eines Spiels ganz einfach wieder selber ein.