als PDF - Finanz und Wirtschaft

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als PDF - Finanz und Wirtschaft
HERBST 2011 – 7 FRANKEN
AUTO-IKONE:
JAGUAR E-TYPE
ABEL FERRARA:
KILLER-REGISSEUR
SPEZIAL:
MODE &
MÄNNER
GUT ANGEZOGEN:
VIER SCHWEIZER
MIT KLASSE
UND STIL
VELOS:
KARBON
UND FIXIES
EDITORIAL
Magazin zur Ausgabe Nummer
78 der «Finanz und Wirtschaft»
vom 1. Oktober 2011. LUXE ist eine
gemeinsame Publikation von «Bilan»
und «Finanz und Wirtschaft»
und erscheint vier Mal jährlich.
–
VERLAG FINANZ UND WIRTSCHAFT AG
Hallwylstrasse 71,
Postfach, 8021 Zürich
Telefon 044 298 35 35,
Fax 044 298 35 00
www.fuw.ch, [email protected]
–
VERLEGER
Pietro Supino
GESCHÄFTSFÜHRER
Martin Coninx
CHEFREDAKTOR
Peter Schuppli
REDAKTIONELLE LEITUNG
Konrad Koch
ANZEIGENVERKAUF
Sabrina Wägli (Leitung),
Jonas Schneider, Yves Gollaz
MARKETING
Dana Massie, Sandra Meier
ANZEIGEN DEUTSCHSCHWEIZ
Edipub SA
Mühlebachstrasse 43, 8032 Zürich
–
ART DIRECTOR
Nicolas Zentner (enzed, Lausanne)
BILDREDAKTION
David Huc
–
MITARBEITER DIESER AUSGABE
Cristina d’Agostino, Dino Auciello,
Stéphane Benoit-Godet, Dominic Büttner,
Hans Uli von Erlach, Christian von
Faber-Castell, Christel Flach, Vera
Hartmann, Michel Jeannot, BlaiseAlexandre Le Compte, Nicolas Righetti
François Wavre, Cédric Widmer
–
ÜBERSETZUNG
Béatrice Aklin, Sabine Dröschel,
Gian Pozzy
–
BILAN LUXE
VERLEGER
Edipresse Développment SA
GESCHÄFTSFÜHRER
Tibère Adler
CHEFREDAKTOR
Stéphane Benoit-Godet
Bella Figura machen
M
it schönem Tuch und gutem Schnitt lässt sich vieles kaschieren. Das weiss keiner besser als der
Doyen der Schweizer Herrenmode, der Zürcher Modemacher Hannes B., der in diesem «Luxe» zum Thema «Mode & Männer» seine Winterkollektion vorstellt.
Wenn es sein muss, lässt er nämlich einen Bleistift fallen, um mit schnellem Blick aufs Schuhwerk sein Gegenüber taxieren zu können. Schuhe sind das Fundament, auf dem der Mann steht. Es ist dabei nicht ein
Frage der neusten Mode, sondern ob sie zur Persönlichkeit passen und ob sie gepflegt sind. Soigner les détails.
Schuhputzer ist keine einfache Arbeit, wenn die Menschen lieber
Converse tragen als Lederschuhe. Im Ambiente eines Genfer Herrenausstatters pflegt Brunno Gomes das Handwerk der Schuhpflege.
Dort bringt er noch so getretene Lederschuhe wieder zum Glänzen,
mit Bürsten, Wachscremen und – wie er im Portrait in diesem «Luxe»
verrät – dem Butlertrick «spit and polish». Schuhe erzählen ihm dabei alles über ihren Träger. Von Fehlstellungen des Fusses bis zu
menschlichen Schwächen.
Viele Männer leisten sich den Luxus, teuer angezogen zu sein, aber
nur wenige sind dabei gut angezogen – denn Bella Figura zu machen,
ist nicht eine Frage des Preises. Wie man Eleganz und Persönlichkeit gekonnt verbindet, das zeigen vier Männer aus der Romandie
und der Deutschschweiz, die von «Luxe» zu den am besten angezogenen Schweizern gewählt wurden. Gemeinsam ist ihnen allen, dass
Mode und Kleidung ihnen zwar viel bedeuten, mehr als Labels und
modische Regeln zählt aber der gelassene Umgang damit, sonst ist
der Schritt schnell gemacht zur Eitelkeit. Dass die männliche Spezies dazu neigt, wusste schon Seneca, der in einem Brief berichtet über
Herrschende in Rom, «bei denen eher der Staat in Unordnung geraten darf als ihre Frisur: Lieber eine gute Frisur als gutes Ansehen». Er
schrieb das übrigens vor 2000 Jahren, wie der Dichter Ovid, der dem
Mann zur Pflege von Körper und Geist riet und zu modischen Torheiten meinte: Nachlässige Schönheit steht Männern!
REDAKTIONELLE LEITUNG
Emmanuel Grandjean
LEITUNG MARKETING
Bérangère Waver
–
FOTOLITHO
Konrad Koch
Verantwortlicher Redaktor
Images3, Lausanne
–
DRUCK
Ziegler Druck- und Verlags-AG,
Winterthur
Auflage 65 000;
ISSN 1664-0152
Finanz und Wirtschaft LU X E | 9
INHALT
Herbst 2011
92
96
101
Kasackkleid: Alexander McQueen
58
70
16
09
EDITORIAL
12
MITWIRKENDE
15
GASTKOMMENTAR
Vom Luxus zur Kunst
von Gianni Motti
48
STYLISTINNEN
Vier Schweizerinnen, die
Männer schöner machen
53
BEGEHRLICHKEIT
Warum Sie diese Tasche
unbedingt haben müssen
16
MUST HAVE
20
TECH-TRENDS
22
BEGEGNUNG
Albert Kriemler: «Mode
ist vergänglich, darum ist es Mode»
26
AUSSTELLUNGEN
28
TREFFPUNKTE
Restaurants und Shopping
70
UHREN MIT ZEITZONEN
Für Weltreisende
30
GUT ANGEZOGEN
Vier Schweizer mit Klasse
74
HAUTE HORLOGERIE
Cartier Time Art in Zürich
36
HERRENMODE
Stilführer für jeden Tag
76
STIL
Willkommen bei Hannes B.
44
TRENDS WINTER 2011/ 12
Wie Mann sich cool kleidet
80
WERKZEUG
Arbeitsgeräte für Männer
10 | Finanz und Wirtschaft LU X E
82
MÖBEL FÜR SAMMLER
Von Barock bis Design
86
AUTOMOBIL
Mit dem Jaguar in die Berge
89
CHECK-UP
Wie viel Zeit bleibt mir noch?
54
MÄNNERSCHUHE
Schustern und Pflege
92
SPORT
Karbonräder und Fixies
58
SHOOTING
Stilduell
96
PFLEGE
Für Geist und Körper
66
TRAUMSTOFFE
Porträt der Weberin
Karola Kauffmann
98
PARFUM
Dufthölzer
99
ADRESSEN
101 BOUDOIR
Abel Ferrara,
The King of New York
Titelbild: Marc Ninghetto
Anzug: Dries Van Noten
Hemd: Balenciaga
Nicolas Righetti, Nicolas Zentner, Koller, Rudy Waks/Corbis Outline
44
Finanz und Wirtschaft LU X E | 11
MITWIRKENDE
Z WEI H ERZEN. H ÖCHSTE P RÄZISION.
Nicolas Righetti
Hans Uli von Erlach
Gianni Motti
Cédric Widmer
Vera Hartmann
Nicolas Righetti hat an
der Ecole Supérieure des
Beaux-Arts in Genf studiert und ist Mitglied des
Künstlerkollektivs Rezo.
Er ist vor allem für seine
Bildreportagen über Asien,
insbesondere über Turkmenistan und Nordkorea,
bekannt, dessen dunkle
Seite er 2003 im Bildband
«The Last Paradise» aufzeigte. 2007 wurde er als
erster Schweizer Fotograf
mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet.
Zusammen mit dem Journalisten Pierre Grosjean
hat er im Rahmen des Projekts CalvinWorld eine
Porträtgalerie von Männern und Frauen auf der
ganzen Welt erstellt, die
alle Calvin heissen.
www.rezo.ch
Er ist Kunst- und Kulturvermittler. Seit 30 Jahren schreibt Hans Uli von
Erlach als freier Journalist über Architektur, Inneneinrichtung, Malerei,
Mode, Schauspiel, vor allem über Musik, wo seine Leidenschaft der Oper
gilt. Für das spanische
Fachmagazin «Opera Actual» verfasst er Opernkritiken. Für die deutsche
Zeitschrift «Schöner Wohnen» führt er seit rund
20 Jahren die Redaktion
Schweiz, und während
Jahren hat er die Kulturseite der grössten Schweizer Boulevardzeitung
«Blick» betreut. Seine Portraits und Interviews erscheinen in Publikationen
wie «Hochparterre» und
«Jardin des Modes». Für
«Luxe» hat er den Schweizer Modeschöpfer Albert
Kriemler interviewt.
Niemand weiss so richtig,
wo er geboren wurde (irgendwo im Veltlin), und
noch weniger, wann (Pi mal
Daumen um 1958). Über Gianni Motti ist nur bekannt,
dass er aus Italien stammt
und seit über 25 Jahren in
Genf wohnt. Ebenso wenig greifbar ist sein Werk,
denn auch es entzieht sich
jeglicher Klassifizierung.
Es wird als aufrührerisch,
provokant, lustig und konzeptuell bezeichnet. Gianni Motti beherrscht aber
vor allem die Kunst, den
Zeitgeist zu erfassen und
ständig mindestens ein
Dutzend genialer, von der
Wissenschaft, dem Papst,
der Demokratie und Ausserirdischen inspirierte
Ideen für eine Performance,
ein Video oder eine Installation im Kopf zu haben.
Er nimmt bis zum 13. November an der Ausstellung
«Seeing is believing» in
Kunst-Werke Berlin teil.
Machte seine Ausbildung
an der Ecole d’Arts Appliqués (Schule für angewandte Kunst) in Vevey
und unterrichtet seit 2002
Fotografie an der ECAL in
Lausanne.1996 bis 2005
arbeitete er als Freelancer
im Kollektiv Strates, seit
2006 hat er sein eigenes
Atelier. Cédric Widmer
bevorzugt die punktuelle Zusammenarbeit für
spezifische Projekte, wie
es für „Luxe“ der Fall ist.
Als Kenner der Kunstszene Schweiz hat er sich für
diese Ausgabe auf eine
Reise zwischen Lausanne,
Zürich und Basel gemacht, von der er die Porträts der neuen Stil-Talente mitgebracht hat.
www.cedricwidmer.ch
Die in Zürich geborene Fotografin liess sich
am Art Center College of
Design Pasadena ausbilden. Sie pendelt zwischen
der Schweiz – wo sie die
Agentur 13 mitbegründet hat – und Los Angeles. Zwei Berufsmittelpunkte auf geografischen
Antipoden, aber dieselbe
Sensibilität für Farben
und die Menschen, die sie
porträtiert, vom chinesischen Künstler Ai Weiwei
bis zur Pornodarstellerin.
Vera Hartmann publiziert
ihre Arbeiten in den USA
in «GQ», «Rolling Stone»
und «Wired», in der
Schweiz in «Annabelle»,
«l’Hebdo» und «NZZ am
Sonntag».
www.verahartmann.com
S. 92-95
S. 66-69
S. 15
S. 22-24
DUOMÈTRE À QUANTIÈME LUNAIRE. Kaliber Jaeger-LeCoultre 381.
Das “Dual-Wing”-Konzept ist eine wahre uhrmacherische Revolution, die zwei
unabhängige Räderwerke beherbergt, welche über ein einziges Regulierorgan
synchronisiert werden. Die patentierte blitzende Sekunde ermöglicht Zeitmessungen
auf die 1/6 Sekunde genau.
S. 48-53
DR
HABEN SIE JEMALS EINE RICHTIGE UHR GETRAGEN?
12 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Im Rahmen der Kooperation zwischen Jaeger-LeCoultre und der UNESCO werden
maritime Schutzprojekte der Öffentlichkeit vorgestellt und gefördert.
Das richtige Engagement für eine wertvolle Sache.
www.jaeger-lecoultre.com
OUVERTURE
Gastkommentar
Im Lamborghini
zu Segantini
Gianni Motti
Er provoziert, ironisiert, bezeichnet sich als Urheber von Erdbeben, die für ihn
Skulpturen sind – Gianni Motti ist Katastrophenkünstler, Verfechter der etablierten
Unordnung, der sein eigenes Begräbnis filmt, an einer Ausstellung Tausende Dollar
regnen lässt und nur selten über seine Vergangenheit spricht. Ausser für «Luxe».
illustration: Nicolas Zentner
E
s ist das erste Mal, dass man mich gebeten hat, über Luxus zu schreiben.
Diese Bitte hat geradezu eine Krise ausgelöst. Bei meiner kurzen Rückschau auf
mein Leben verbrachte ich einen ziemlich deprimierten Vormittag. Ich verfluchte mich innerlich. Weshalb, um Himmels
willen, hast du nie eine Uhr, einen Ring, einen Goldkette oder gar Ohrringe getragen?
Weshalb hast du dich nie mit Tattoos geschmückt? Und warum trägst du nie taillierte Hemden? Dabei wäre ich aufgrund
meiner Kindheit für Luxus geradezu prädestiniert gewesen.
Ich kam erstmals mit Luxus in Berührung, als ich für die millionenschweren
Gäste des Grand Hotel Suvretta House, eines der St. Moritzer Fünfsternehäuser, Tennisbälle zusammenlas. Das Hotel war dieses
Jahr in den Schlagzeilen, weil es Tagungsort
der Bilderberg-Konferenz war, des geheimnisvollen Treffens der einflussreichsten
Personen der Welt. Meine Eltern arbeiteten
im Hotel, und die Direktion gestattete mir,
während der Schulferien bei ihnen zu weilen. Diese Sommeraufenthalte gaben mir
das Gefühl, auf einem andern Planeten, in
einer Parallelwelt gelandet zu sein. Ich beobachtete das Ballet der Rolls-Royce, die
Herren, die tagsüber in Fred-Perry-Polos,
abends im Smoking gekleidet waren, die alten Damen mit extravagant türkis oder violett gefärbten Haaren, die eigentlich wie die
heutigen Punks aussahen, hochmütige Pudel, die herausgeputzt, frisiert und chic gewandet promeniert wurden.
Ganz in der Nähe des Hotels befanden
sich die Chalets der Familien Agnelli, Gucci, De Benedetti, Onassis und von Sophia
Loren, denen ich regelmässig auf dem Tennisplatz begegnete. Sie wurden von einem
ehemaligen Schweizer Tennischampion
gecoacht und stellten sich unglaublich ungeschickt an. Und da ich zuschaute, wie sie
immer und immer wieder die gleichen Bewegungen wiederholten, lernte auch ich
das Spiel. Ich bemerkte, dass der Lehrer
sie ständig mit einem «Bravo» komplimentierte, selbst wenn sie den Ball verfehlten.
Obwohl ich nicht verstand, weshalb er sie
beglückwünschte, begann auch ich immer
wieder «Bravo! Bravo!» zu rufen. Je mehr
ich dies tat, desto höher fiel das Trinkgeld
aus. Eines Tages kam eine verzweifelte
Gräfin zu mir, sie hatte beim Himbeerpflücken im Wald einen riesigen Diamanten
verloren. Ich machte mich auf die Suche an
dem von ihr bezeichneten Ort und fand das
Schmuckstück. Sie bedankte sich und gab
mir einen Finderlohn in Höhe eines Monatssalärs meiner Eltern.
Eines der grossen Ereignisse im Leben
des Hotels war die Ankunft von Reza Pahlevi, dem letzten Schah von Persien und
Besitzer der legendären Villa Suvretta, die
sich ganz in der Nähe befand. Wir alle waren fasziniert, denn im kaiserlichen Gefolge befanden sich viele sehr schöne Damen.
Der Schah reiste jeweils in mehreren Privatjets nach St. Moritz. Begleitet war er von
seinem Hofstaat, Leibwächtern, Kurtisanen und Dienstpersonal. Da die Villa nur
über 30 Zimmer verfügte, musste ein Teil
seiner Begleitung im Hotel logieren.
Der Schah war nicht nur ein Liebhaber
schöner Frauen, er war auch ein grosser
Autofan. Er besass etwa 200 Fahrzeuge,
darunter den berühmten Mercedes-Benz
500K und den MPV Tehran Type (eine
Spezialanfertigung von Mercedes-Benz,
Porsche und Volkswagen). In St. Moritz
steuerte er meistens den Lamborghini Miura SVJ, das erste Modell einer Viererserie,
die vom italienischen Autobauer für TopVIP produziert wurde. Das Fahrzeug des
Schahs wurde übrigens 1995 vom Schauspieler Nicolas Cage erworben.
Nach der Abreise des Schahs und seiner Gäste, und weil ich den Wächter kannte, durfte ich jeweils den Wagenpark bewundern und auch einen Blick auf die
Bilder werfen, die er während der langen Hausmeisterstunden malte. Eines Tages wollte er mir eine Freude bereiten und
lud mich zu einem Ausflug im Lamborghini ein. Beim Segantini-Museum machten wir halt. Ich war aus dem Häuschen,
denn erstmals in meinem Leben hatte ich
Gelegenheit, ein Museum zu betreten. Auf
der Rückreise vergass ich alles, Luxusvilla,
Schah und das berühmte Gefährt. Das Einzige, woran ich dachte, war das Alpentriptychon «Werden – Sein – Vergehen» von
Segantini, das ich eben entdeckt hatte. An
jenem Abend blieb ich länger als üblich
in der Villa Survetta, und von Müdigkeit
übermannt, schlief ich im Bett im kaiserlichen Schlafzimmer. |
Finanz und Wirtschaft LU X E | 15
MUST HAVE
MUST HAVE
von Emmanuel Grandjean
1. PALLADIO,
EIN KINDERSPIEL
Der grosse Renaissance-Architekt Andrea Palladio wurde vor rund
500 Jahren in Padua geboren. Aus Anlass dieses Jubiläums legt das
Centro Internazionale di Studi di Architettura Andrea Palladio
zwei wunderschöne Baukästen für Sammler auf. Eine Art Lego
für Architekturliebhaber und Ästheten (die Steine sind aus
farbiger Keramik), die die Meisterwerke des grossen Baumeisters
in Miniaturform nachbauen möchten.
«Le jeu de la villa», 140 € pro Kasten, shop.cisapalladio.org
1
2. PANDA-FEDERHALTER
Twitter, Mail, MSN, Facebook, Menschen schreiben immer noch
gerne ihre Geschichten auf, einfach per Tastendruck. Was aber nicht
das Aus für Schreibinstrumente der Superluxusklasse bedeutet,
deshalb der Federhalter Panda aus der Kollektion 2011 der «Objets
Précieux de Cartier». Mit dem schwarz und weiss lackierten Korpus,
der Feder aus Massivgold und dem Kristallsockel ein einzigartiges,
kostbares Objekt und passend für die Signatur wichtiger Verträge.
4700 Fr., www.cartier.com
3
3. SCHULTERTASCHEN
BEGLEITEN DURCH DEN HERBST
Noch mehr Pep für Bally-Lederartikel. Lassen Sie sich diesen Herbst
von dieser topschicken Schultertasche begleiten. Ein echtes Musthave aus perforiertem Leder mit den legendären Bally-Streifen in
Rot und Weiss.
1295 Fr., www.bally.com
4. BREUNING-TÖPFE
FORMEL-1-TISCH
Zweite Auflage für das Atelier Pfister, eine Kollektion von Einrichtungsgegenständen, die von einem Dutzend Schweizer Designern
und einem Künstler gestaltet und von Alfredo Häberli selektioniert
werden. Nach dem Lausanner Stéphane Dafflon und seinen
Teppichen ist der Zürcher Olaf Breuning an der Reihe. Seine Töpfe
erinnern an die von Malern verwendeten Farbkübel. Chicky-PunkBehälter für die Rock’n’Roll-Küche.
Preis nicht mitgeteilt. Erhältlich bei Pfister ab Oktober 2011
Konstantin Grcic stammt aus München und gehört
zu den Top 10 der zeitgenössischen Gestalter. Der
Industrial Designer, Urheber legendärer Möbelstücke
(One Chair, Leuchte Mayday) arbeitet vorzugsweise
mit Hightech-Materialien und ist wegen seines
schlichten geometrischen Stils bekannt. In eine
ganz andere Richtung geht die Tischkollektion, die
er für die Pariser Galerie Kreo gestaltet hat. Sechs
Formel-1-Tische mit Beinen aus lackiertem Alu,
die an Rennboliden erinnern. Die «Champions»
verbinden den schlichten Stil eines Jean
Prouvé mit Memphis-Funky, technischen
Challenge mit einfachen Formen. Eine neue
Ästhetik für zeitgenössisches Wohnen.
Champion, Konstantin Grcic,
Preis auf Anfrage, www.kreo.fr
4
DER FOTOGRAF
Man kennt Hedi Slimane, der Chefdesigner, der bei Saint-Laurent
und Christian Dior für rockigen Schwung gesorgt hat. Weniger
bekannt ist Hedi Slimane, der Fotograf, dessen Aufnahmen aus den
2000er Jahren JRP Ringier in vier Bänden auflegt. 724 Seiten und
845 Schwarzweiss-Bilder illustrieren die Ästhetik des einflussreichsten Modemachers seiner Generation, der ein bedeutender Fotograf
war, bevor er in der Fashionwelt Karriere machte.
Anthology of a Decade, Box in limitierter Auflage, 724 Seiten, 300 Fr.
5. BLICK IN DEN RÜCKSPIEGEL
Unsichtbare Brillengestelle? Das ist passé. Seit ein paar Jahren
verlangt die Vintagemode nach Brillen, wie sie von den Werbern in Mad Men getragen werden. Der Blick zurück ist eine
Spezialität von Dita Eyewear. Das von John Juniper und Jeff
Solorio in Los Angeles kreierte Zero-Logo-Label hat zahllose
Fans (Brad Pitt, Jennifer Lopez, Snoop Dog, Beck). Die neue,
in Japan von Hand gefertigte Kollektion umfasst auch Modelle
in Lavendelblau für kühne TrägerInnen. Revolverblick garantiert.
455 €, www.dita.com, Fouchault l’Opticien, Genf,
(022 310 22 11) und Burrioptik, Zürich, www.burrioptik.ch
2
6
5
DR
©Fabrice Gousset Courtesy Galerie kreo
6. SLIMANE,
Finanz und Wirtschaft LU X E | 17
MUST HAVE
von Emmanuel Grandjean
Die Uhr des ultimativen Retrogamers? Bestimmt eine glühende
Hommage an Space Invaders. Die an der Baselword präsentierte Sammleruhr wurde von Romain Jérôme in Zusammenarbeit mit dem japanischen Unternehmen Taito Corporation, dem Pionier der Videospielindustrie und
noch immer Besitzer des Kult-Arcadegames
aus dem Jahr 1978, entwickelt. Der Genfer
Uhrenhersteller bietet diesen nerdigen,
wunderbar nostalgischen Zeitmesser in
zwei, jeweils auf 78 Stück limitierten Modellen an – mit farbigem oder schwarz-weiss
leuchtendem Zifferblatt. Weil es ein Leben
vor World of Warcraft gibt!
Space Invaders, Preis auf Anfrage,
www.romainjerome.com
ÄUSSERSTE DISKRETION
DR
PIAGET ALTIPLANO
18 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Die flachste Automatik-Uhr der Welt
Gehäuse aus Weissgold
Gehäusehöhe: 5,25 mm
Das flachste Automatik-Uhrwerk der Welt
Piaget Manufaktur Kaliber
Höhe des Uhrwerks: 2,35 mm
www.piaget-altiplano.com
TECHNOSOPHIE
von Emmanuel Grandjean
Scheitbox
FLUG ÜBERS WASSER
Finden Sie Jet Ski altmodisch? Dann versuchen
Sie’s doch mal mit JetLev, einem wasserstrahlgetriebenen Rucksack, der Sie mit 35 Stundenkilometer zehn Meter über die Wasserfläche
katapultiert. Mit 100 000 Fr. ist der Trip allerdings
nicht billig, weshalb Sie es sich gut überlegen
sollten, bevor Sie Ihren Meeresscooter auf Ricardo anbieten. JetLev R200 ist ausser in Europa
weltweit erhältlich und dürfte nächsten Sommer in
unsere Breitengrade gelangen.
www.jetlev.com
BETONKLÄNGE …
Der israelische Designer Shmuel Linski liebt Rohbeton. Nachdem er eine Lavazza-Kaffeemaschine
darin gekleidet hat, überrascht er jetzt mit in Beton
gegossenen Lautsprecherboxen. Jede Exposed
wiegt 56 kg und ist 96 cm hoch. «Das Nirwana für
jeden Musikliebhaber», meint der Designer, der
vorzugsweise für Anhänger der brutalistischen
Architektur arbeitet. Wir sind hell begeistert.
www.linskidesign.com
D
er iLog des kanadischen Designers
Judson Beaumont wirkt massig,
ist aber bestes, erstklassiges Design. Der
Holzhalter für iPod und iPhone garan-
tiert warmes Ambiente an kalten Winterabenden und kann direkt beim Designer
bestellt werden. Einzelstück ca. 2000 Fr.
www.straightlinedesigns.com
Smartes Smartphone
D
… UND AUDIOFAUTEUIL
Dem Kanadier John Greg Ball ist ein kühner Wurf
in Sachen Audiodesign gelungen. Der Subsonic
Chair ist mit je zwei gewaltigen Subwoofern und
Mittellautsprechern ausgerüstet, die wuchtige
1000 Watt leisten. Das Lärmmöbel wurde 2005
als Prototyp entwickelt und soll nun endlich auf
den Markt kommen.
www.johngregball.com
20 | Finanz und Wirtschaft LU X E
ie schnellste Uhrenmarke der Welt
baut den Bereich der Luxus-Mobiles weiter aus. Nach dem vor drei Jahren vorgestellten Meridiist will TAG
Heuer auch im Markt der TouchscreenSmartphones eine Rolle spielen. Zwar
findet Link, so der Name des Luxusgeräts, auf Technoblogs wenig Lob. Die
internationale Gemeinde kritisiert die
massige Form, aber auch den, angesichts
der verhältnismässig bescheidenen technischen Eigenschaften (5-MegapixelKamera, 256 MB interner Speicher, Speicherkarte 8 GB, OS Android 2.2 Froyo)
happigen Mindestpreis von 5600 Fr.
Die Stärken dieses Smartphones liegen
im luxuriösen Outfit – schwarzes oder
schokoladenbraunes Krokoleder, Roségold oder Titan – und in der Tatsache,
dass es in bester Schweizer Uhrenma-
chertradition hergestellt wird. Aber für
Geeks sind Chic und Eleganz halt eher
sekundär.
www.tagheuer.com
DA M E N M O D E | B E G E G N U N G | von Hans Uli von Erlach - Foto: Vera Hartmann
Albert Kriemler
«Das Wort Luxus wird
inflationär gebraucht»
MIT GUTSCHWEIZERISCHEM SINN FÜR QUALITÄT UND
UNSCHWEIZERISCHEM FLAIR FÜR EXKLUSIVITÄT MACHTE ALBERT
KRIEMLER AUS DEM ST. GALLER FAMILIENUNTERNEHMEN AKRIS EIN
MODEHAUS VON WELTRUF. OBWOHL AKRIS EIGENTLICH ZUNÄCHST
AUFFÄLLT DURCH UNAUFFÄLLIGKEIT.
A
ngelina Jolie inszeniert sich in Akris
auf dem Red Carpet, Madeleine Albright reist in Akris, Susan Sarandon entdeckte Akris bei Bergdorf Goodman in
New York und für die neue Fürstin Charlène von Monaco hat man schon vor der
Hochzeit mehrere Looks entworfen. Julia Roberts, Tilda Swinton, Königin Rania
von Jordanien: Die Liste liesse sich fortsetzen. Im traditionellen Backsteinhaus
in St. Gallen, wo Albert Kriemlers Grossmutter Alice vor bald 90 Jahren die Firma gründete (zunächst mit der Herstellung von Schürzen) und wo Albert und
sein Bruder Peter heute die Geschicke leiten, freut man sich diskret über solch prominente Auftritte der Marke. Aber mehr
eigentlich nicht. Man habe ja nichts aktiv
dazu getan, dass diese Ladies Akris tragen, heisst es mit gelebtem Understatement, in das sich auch etwas Stolz und
Selbstbewusstsein mischen. Weniger
über die Publicity, als über die exquisiten
Kleider, die, vorwiegend in der Schweiz
gefertigt, am 2. Oktober einmal mehr am
Défilé in Paris gezeigt werden. Albert
Kriemler verkörpert diese noble Zurückhaltung selber. Lieber spricht er (seit 1980
zuständig für Design und Marketing) von
den wundervollen Stoffen, ohne die er
gar nicht kreieren könnte. Oder von den
wunderbaren Händen seiner Mitarbeiter,
die so viel können. Und davon, dass seine Mode eigentlich dafür da sei, die Persönlichkeit der Trägerin hervorzuheben.
Nicht umgekehrt.
Herr Kriemler, von anderen Modedesignern
liest man in Peoples-Magazinen viel öfter,
die inszenieren sich wirkungsvoll auf Parties,
22 | Finanz und Wirtschaft LU X E
haben effektvolle Auftritte an ihren Modeschauen…
Finden Sie das so wichtig?
…Sie winken nach dem Defilé höchstens mal
kurz ins Publikum. Immerhin ist das, was über
den Laufsteg läuft, doch zu einem guten Teil
auch Sie ganz persönlich.
Natürlich. Ich verstecke mich auch nicht,
aber mir sagen Selbstinszenierungen nicht
viel.
Das passt zur diskreten Eleganz Ihrer Mode.
Welche Ihrer eigenen Eigenschaften finden
sich darin wieder?
In der Selbstreflektion ist das schwierig zu sagen. Sicher ist das, was in diesen
vier Wänden seit gut dreissig Jahren gelebt
wird, von meinem Bruder und mir geprägt.
Wir verlassen uns nicht auf das rein Visuelle, setzen nicht auf das Demonstrative.
Das blieb auch so, seit wir mit dem ersten
Auftritt in Paris 2004 in der Öffentlichkeit
wahrgenommen wurden.
Öffentlich seit 2004? Akris war doch schon
vorher erfolgreich und auch Sie waren da
schon 24 Jahre an dieser Position. Warum
war Paris so wichtig?
Der Weg dahin war einer der schwierigsten, den wir gegangen sind. Man vergisst
immer: Es gibt in der Modewelt einerseits
die Schnelllebigkeit, die uns alle sechs Monate wieder erneuert und daneben jene
Rhythmen, die Zeit brauchen. Wir befassten uns schon Mitte der Neunziger Jahre damit, was zu tun ist, um optimal mit
der Welt zu kommunizieren. Bisher präsentierten wir in unseren drei damaligen Showrooms in Paris, Düsseldorf und
Tokio. Aber als Schweizer Unternehmen
mussten wir unsere Kollektionen an den
grossen Shows entweder in Mailand, Paris oder New York zeigen. New York wollte uns ohnehin immer gerne haben. Seit
ich 2001 Anna Wintour, die Chefredaktorin der amerikanischen Vogue, erstmals
traf, sagte sie «you have to come to New
York». Und ich sagte: «I don’t think so, we
feel very european». Für mich war immer
klar: Paris war und ist die Welthauptstadt
der Mode.
Wann wagten Sie den Schritt an die Seine?
1996 haben wir uns erstmals um die Teilnahme an den Défilés in Paris bemüht.
Man kannte dort Akris noch nicht. Es
brauchte drei Jahre, bis wir 1999 Membre
associé wurden und Termine zur Präsentation erhielten. Aber nur Tage am Anfang
oder am Ende der Shows. Das wollten wir
nicht, weil da die wichtigsten Journalisten
bereits abgereist sind. Wir waren also in
der Warteschlaufe, riefen alle sechs Monate wieder an und erhielten dann 2004 erstmals einen Termin an einem der vier wichtigsten Tage.
Ziemlich selbstbewusst und hartnäckig!
Man muss in diesem Beruf wissen, was
man ist und was man im Vergleich zu den
Anderen sein will. Es ist eben nicht dasselbe, ob man Designer für eine etablierte
Marke ist oder weltweit eine Handschrift
aufbauen will, die erkennbar werden soll.
Da gibt es nur den konsequent eigenen
Weg. In den Achtzigerjahren machte ich
viel zu oft das, was man in der Branche
„machen muss“ – mit schlechtem Bauchgefühl. Und wenn ich dieses hatte, kam’s
meistens nicht gut heraus. Also hatte ich
den Mut, zu sagen: Ok, das fühle ich und
so wollen wir es erreichen. Wir mussten
da auch bereits viel weniger Rücksicht
nehmen, weil wir in den Neunzigerjahren
Jahren im amerikanischen und asiatischen
Markt bereits wachsen konnten.
Mode ist Bekleidung, aber nicht jede
Kleidung ist Mode. Wann wird ein Kleid zur
Mode?
Was für sie Mode ist, formuliert jede Frau
für sich selbst. Ist ein Stück für sie Mode,
oder High Fashion, oder modern, oder einfach für sie richtig…
Und diese Freiheit überlassen Sie jeder Frau?
Selbstverständlich! Kleider müssen der
Person selber entsprechen. Jeder trägt das
am besten, womit er sich selbst identifiziert und worin er sich wohl fühlt.
DA M E N M O D E | B E G E G N U N G
Sie sagten einmal: «Wenn eine Frau einen
Raum betritt und man als erstes ihr Kleid
sieht, dann ist es nicht von Akris.» Aber
Mode will doch gesehen werden?
Mode muss so sein, dass man zuerst die
Person wahrnimmt. Wenn man hinterher
feststellt, dass sie ein schönes Kleid trägt,
ist das wunderbar. Ob man dann weiss, ob
es Akris ist, ist sekundär.
Männermode zu machen hat Sie nie interessiert? Hätten Sie da eine ganz andere
Philosophie?
Die Grundsätze, nach denen sich ein Mann
kleidet, sind ganz andere als bei einer Frau.
Viel rationaler, viel praktischer. Aber Männermode beinhaltet auch viele Werte, die
Damenmode eigentlich auch haben sollte. Wir Männer tragen
unsere Jacke jahrelang, und unsere Lieblingshose… who cares!
Natürlich würde ich sehr gerne Männermode machen und es
gäbe durchaus eine Nische für einen Akris
Mann. Aber das macht man nicht einfach
im Vorbeigehen… Das verlangt ganz andere Produktionsgrundsätze, es braucht ein
neues Team, neue Distributionswege, wir
müssten ein Menswear-Team und Kunden
neu aufbauen. Das ist eine Frage von vielen
Jahren, bis ein neues Produkt stimmt und
dann eine Breite bekommt. Mein Bruder
Peter sagte jahrelang: Menswear kommt
für uns nie in Frage. Doch nach seiner letzten Chinareise analysierte er: Wenn wir
den Kontinent Asien wirklich bearbeiten
wollen, kommen wir wahrscheinlich nicht
darum herum. In Asien ist es eindeutig der
Mann, der in erster Linie konsumiert.
Mode vom Niveau, wie Sie sie machen,
steht für Luxus. Mal abgesehen vom Preis
Ihrer Kleider: welchen Luxus wollen Sie
Ihrer Kundin vermitteln?
Wir sehen heute den Begriff Luxus kritisch. Das Wort wird inzwischen inflationär verwendet. Bei uns haben wir es schon
seit Jahren aus dem Wortschatz gestrichen! Es geht uns eher um eine Form von
Refinement – für dieses Wort gibt es keine
gleichwertige deutsche Übersetzung.
Ich denke an Ihre Aussagen über das
Gefühl, Ihre Mode zu tragen, den Luxus,
sich mit ihr wohl zu fühlen.
Unsere Kleider reflektieren unsere Gefühle. Für mich ist es nicht nur wichtig,
dass eine Frau in ihren Kleidern gut aussieht, sondern dass sie sich wohl fühlt. Das
hat in erster Linie mit Stoff und Schnitt zu
tun: Ein Stoff soll angenehm auf der Haut
24 | Finanz und Wirtschaft LU X E
liegen, ein Schnitt soll für eine selbstverständliche Bequemlichkeit sorgen. Dazu
gehört auch eine gewisse Selbstverständlichkeit, die ein Kleid nicht nur in seiner Ausstrahlung, sondern auch in seiner
Funktionalität mitbringen muss. Wie man
das erreicht, ist mir auch nicht immer klar
– es ist etwas, das in der Arbeit mit meinem
kreativen Team immer wieder von innen
heraus entsteht.
Es ist dennoch interessant, dass in diesen
wirtschaftlich herausfordernden Zeiten gerade
die Luxuskonzerne boomten. Die Gesellschaft
braucht offenbar solche Luxusikonen.
Die Frage ist, wie wir den Begriff Luxus
verstehen. Wenn Sie sehen, was im Acces-
«Mode ist vergänglich,
darum ist es Mode. »
soire-Markt alles unter Luxus läuft und
wer das einkauft, dann ist es eher eine
Frage der Marke. Nehmen wir eine Louis Vuitton-Tasche und wer sie sich leistet.
Hier setzten wir ein Fragezeichen hinter
den Begriff Luxus. Ist es Luxus, wenn die
Leute vor einem Geschäft Schlange stehen, um dort etwas zu kaufen zu können?
Ein anderes Wort haben Sie aber nicht
gestrichen: Innovation. Sie entwickeln mit
spezialisierten Herstellern immer wieder
Stoffe und neue handwerkliche Methoden,
kultivieren zum Beispiel eine einzigartige
Verarbeitung von Doubleface-Geweben
oder Taschen aus Rosshaar-Stoff…
…Wunderbare Materialien! Sie müssen sich
ein Feld suchen, das nur Sie mehr oder weniger eigenständig bearbeiten können – das
ist ganz wichtig. Natürlich gibt es verschiedene Formen von Marketing. Für uns als
kleine Firma ist die wirkliche Botschaft immer das Produkt selbst. Die einzige Kraft,
die wir haben, ist jene, die da auf dem Kleiderbügel hängt, im Wettbewerb mit den
Besten der Welt. Dass dieses Kleid neben
dem anderen besteht, das einen bekannten
Namen trägt. Und dass es uns über die Jahre
gelingt, Freunde und Vertrauen aufzubauen, zuerst bei den Einkäufern, dann bei den
Verkäuferinnen und schliesslich bei den
Kundinnen, die sagen: I am proud to wear
Akris, and I feel good and I come back…
Sie müssen für die verschiedenen Kollektionen mehrmals im Jahr zu kreativer
Höchstform auflaufen. Wie motivieren und
inspirieren Sie sich immer wieder?
Man liebt, was man tut! Dafür bin ich da mit
meinem langjährigen, qualifizierten Team.
Sicher überlegt man sich nicht jede Konsequenz, wenn man sich entscheidet, Modedesigner zu werden. Inspiration ist eigentlich nie Pflicht sondern Passion. Wenn
etwas fertig ist, sofort an das Nächste zu gehen…. immer wieder ein schöner Moment.
Sie machen auch Kostüme für den Choreografen John Neumeier vom Hamburger
Ballett. Gibt es da Parallelen zur Mode?
Das ist tatsächlich sehr inspirierend auch
für meine Modekollektionen. Die Frage
war: Wie schaffen wir diese noch viel extremere Bewegungsfreiheit. Vieles musste ich
zusammen mit dem Kostümschneider des
Balletts erst lernen. Das war übrigens auch meine erste Erfahrung
mit Herrenbekleidung, da wir für
die Paare ja auch Herrenanzüge
erarbeiteten. Doch das schönste
war, dass sowohl Tänzerinnen wie
Tänzer die Kleider am liebsten gleich für ihren Alltag mitgenommen hätten!
Im Gegensatz zur Kunst ist Mode Vergänglichkeit – machen Sie sich darüber
Gedanken?
Manchmal werde ich gefragt: Sind Sie
Künstler? Nein, natürlich nicht! Ich mache etwas, das einen Zweck erfüllt. Mode
ist vergänglich, darum ist es Mode. Auch
wenn es bei Akris immer Teile gibt, die
man länger tragen kann. Mode ist heute
weniger zeitbezogen, als vielmehr menschenbezogen. Es ist eine grosse Eigenständigkeit möglich, die nicht in ein Gesamtbild passen muss. Es gibt auch nicht
mehr dieses Diktat der Saison. Und dennoch braucht es die überlagernde Formulierung einer Epoche, die eine Kollektion
richtig oder nicht richtig für die Saison erscheinen lässt. Nur dann bleibt Mode immer wieder modern.
Eine stete Gratwanderung zwischen eigener
Handschrift und Zeitgeist und Trend?
Nein, die Handschrift muss immer erkennbar sein, sie hat nichts mit Zeitgeist
zu tun. Sie baut sich über Jahre auf. Aber
es ist gleichzeitig die oberste Anforderung
an eine Kollektion, dass sie aktuell ist. Das
Vergängliche des Zeitgeistes formuliert die
Qualität des Moments in der übergeordneten Unverkennbarkeit der Marke. Diesem
Gesetz müssen sich alle Kreativen in diesem Beruf jede Saison von Neuem stellen.
Sonst bleibt es bei einer nationalen oder
regionalen Wahrnehmung der Kollektion
oder Marke. |
JULES AUDEMARS
DUAL TIME
L E B R A S S U S ( VA L L É E D E J O U X ) - S C H W E I Z - a u d e m a r s p i g u e t . c o m
AGENDA
AUSSTELLUNGEN IN DER SCHWEIZ
von Emmanuel Grandjean und Konrad Koch
Philippe Decrauzat ist vor allem für seine Op Art
bekannt. Er setzt sich aber auch mit Film und Ton
auseinander. Für seine Genfer Ausstellung hat das
Centre genevois d’édition contemporaine einen auf
400 Exemplare limitierten KünstlerBildband herausgegeben.
Philippe Decrauzat, bis zum
20. November 2011, Centre genevois
d’édition contemporaine, Genf, 022
310 51 70, www.c-e-c.ch
LOUISE BOURGEOIS ALS SAISONHÖHEPUNKT
FONDATION BEYELER
Philippe Decrauzat
DECRAUZAT, WIE ER
IM BUCHE STEHT
I
hre Riesenspinne ist bereits durch mehrere Schweizer Grossstädte getourt. Seit dem 2. September thront die Skulptur «Maman» in der Fondation Beyeler. Dort wird das Werk der gebürtigen Pariserin, die 1938 nach
New York zog und sich dort bald in den Kreis der vor dem Krieg geflüchteten Surrealisten integrierte, in einer konzentrierten Auswahl von 20 Exponaten gezeigt. Die Ausstellung zum 100. Geburtstag von Louise Bourgeois
wurde noch mit der Künstlerin selbst kurz vor ihrem Tod im Jahr 2010
geplant. Sie befasst sich mit den zentralen Themen ihres Schaffens – der
Weiblichkeit, der Sexualität und der Beziehung zur Mutter – und setzt sie
in Beziehung mit anderen Werken aus der Fondation Beyeler.
Louise Bourgeois, bis zum 8. Januar 2012, Fondation Beyeler,
Basel, 061 645 07 00 www.fondationbeyeler.ch
26 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Erstmals der Öffentlichkeit zugänglich: Auf einzigartige Weise dokumentiert die von den Brüdern Ruedi
und Thomas Bechtler initiierte
Fotosammlung der Firma Zellweger
Luwa den Wandel der Fotografie zur konzeptuellen
Kunstform. Vielfalt von Werkzyklen von John Baldessari, Jeff Wall über Sigmar Polke, Richard Prince bis
Roman Signer.
Through the looking Brain,
15. Oktober 2011 bis 29. Januar 2012, Kunstmuseum
St. Gallen, 071 242 06 71,
www.kunstmuseumsg.ch
MAXIMUM DAFFLON
Manchmal ist weniger mehr. Oder
wie man eine maximale visuelle
Spannung mit einem Minimum
an Farben schafft. Die im Fri-Art
in Freiburg gezeigten Werke des
Lausanners Stéphane Dafflon sind
eine Gratwanderung zwischen Op
Art und Minimalismus. Eines der
Highlights in diesem Herbst.
Stéphane Dafflon, bis zum
30. Oktober 2011, Fri-Art centre d’art
contemporain, Fribourg,
www.fri-art.ch
Als Inbegriff von Eleganz und Lebensart steht die Hampton
Kollektion für unverkennbares Design und klare Linienführung
– für Sie und für Ihn. www.baume-et-mercier.com
Stéphane Dafflon
Frédéric Delpech, © 2011, Louise Bourgeois Trust / ProLitteris, Zürich
FOTOS EINER
SAMMLUNG
Kunstmuseum St-Gallen
Die Ausstellung «Rectangle and Square», Erwerbungen der Rupf-Stiftung gibt nun zum ersten Mal
umfassenden Einblick in die Sammlungstätigkeit
der Stiftung seit deren Gründung.
Im Stiftungsgut finden sich neben
bedeutenden Werkgruppen von Picasso, Braque, Klee oder Kandinsky
auch grossartige Werke der Minimal
Art, der Zero, der Konkreten. Zu
den jüngsten Ankäufen gehört
eine Gruppe von Werken des in
Bern wohnhaften Konzeptkünstlers
Vaclav Pozarek sowie von Florian
Slotawa.
Rectangle and Square, bis zum
8. Januar 2012, Kunstmuseum Bern,
031 328 09 44,
www.kunstmuseumbern.ch
Kunstmuseum Bern
«RECTANGLE AND SQUARE» - VON
PICASSO BIS JUDD
TREFFPUNKTE
TREFFPUNKTE
von Emmanuel Grandjean und Konrad Koch
ZÜRICH
JAGDPAVILLON AM SEE
GENF
GANZ GROSSE KLASSE
Das elegante Gartenrestaurant des Luxushotels
Baur au Lac hat nach der grossen Erneuerung
jetzt das ganze Jahr Saison. In der verglasten
Rotonde lässt sich inmitten uralter Parkbäume
die Haute Cuisine von Chefkoch Lauren Eperon
geniessen. Seine frischen und dynamischen
Interpretationen machen selbst klassische Wildgerichte zu einem Contemporary Fine Dining.
Restaurant Pavillon, Baur au Lac, Talstrasse 1,
Zürich, 044 220 50 22, www.aupavillon.ch
Die Adresse ist der angesagte Treffpunkt der
Genfer Feinschmecker. Im Oktober wird das von
Michelin mit zwei Sternen dekorierte Haus von
Philippe und Magali Chevrier zum Jagdrelais.
Auf der Menükarte steht Köstliches vom Haarwild
(Hase, Reh und Hirsch) und vom Federwild
(Waldschnepfe, Ringeltaube, Wildhuhn, Wildente), begleitet von erstklassigen Crus aus dem
berühmten Keller. La grande classe!
Domaine de Châteauvieux, 16 chemin
de Châteauvieux, Peney-Dessus, Genf,
022 753 15 11, www.chateauvieux.ch
GUTE ADRESSEN ZWISCHEN GENF UND ZÜRICH
FÜR ALLE, DIE MODE UND DESIGN SCHÄTZEN.
ZÜRICH
WILD UND WEIN
Schiesst der Perfektionist Beat Caduff einen
Bock, freut sich der Wildgeniesser. Der Hausherr
von Caduff ’s Wine Loft geht selbst auf die Jagd.
Unübertreff bar sind seine Zubereitungen von
Hirsch, Gams und Reh. Eine besondere Liebe
des Bündners gilt dem Wein. Sein Angebot umfasst 2222 Gewächse aus aller Welt. Wer für die
Wildwochen bis 29. Oktober keinen Platz mehr
findet, sollte jetzt schon für die Metzgete vom
8. bis 12. November reservieren.
Caduff ’s Wine Loft, Kanzleistrasse 126,
Zürich, 044 240 22 55, www.wineloft.ch
DR
LUST AUF WILD? VIER RESTAURANTS,
UM DIE JAGDSAISON ZU ZELEBRIEREN
von Emmanuel Grandjean und Konrad Koch
GENF : DIE MÖBELKOMPANIE
Die Arkade liegt ganz oben an der Rue du Perron, in Richtung
Genfer Altstadt auf der linken Seite. Eine ziemlich präzise Beschreibung, aber das muss so sein. Meubles & Cie hat nämlich
kein richtiges Schaufenster. Das Möbelgeschäft ist in einem
der typischen Genfer Gebäude aus dem Mittelalter mit dicken
Mauern und schmalen Fenstern untergebracht. Dort bietet der
Innenarchitekt und genaue Beobachter der zeitgenössischen
Möbelszene einen Katalog aus Stücken etablierter Designer
(Moooi, Maarten Baas, Established & Sons), recherchierter
Marken (Cherner Chair, PP Møbler, Sawaya & Moroni) und
einer Little-Home-Ecke geführt von Rebecca Sirdey, damit die
Kids den Sinn für Schönes in die Wiege gelegt bekommen.
Meubles & Cie, 27 rue du Perron, 022 311 70 50,
www.meubles-cie.ch
GENF : DESIGN IM DETAIL
Mit ihren dunklen Wänden und dem urgemütlichen Ambiente
könnte die Boutique glatt als Boudoir durchgehen. Ein Boudoir
aber, in dem sich die Anwesenden nur über Möbel von heute
austauschen. Die Innenarchitektin und Eigentümerin Geneviève Vadi mischt grosse Namen des Designs (Cassna, Molteni,
Tom Dixon) mit Werken noch nicht ganz so bekannter kreativer Köpfe aus allen Teilen der Welt.
Détail, 16 rue Etienne-Dumont, 022 310 78 05
ARZIER
FÜR GOURMETS
DR
2010 renoviert, ist diese hübsche Auberge
ob Nyon in der ganzen Romandie für ihre
Wildspezialitäten berühmt. Georges Lelièvre
verarbeitet Federvieh zu Terrinen (RebhuhnRillette, Fasanenpastete Pantin) und grilliert,
gart und brät edle Stücke vom vierbeinigen
Wild (Hirschfilet, entbeinter Rehrücken,
Hasenentrecôte). Céline Lelièvre ist für den
schönen Keller zuständig, wo Terroirweine
(Wallis, Genf, Wallis) neben edlen Tropfen
aus der Champagne und dem Graubünden
(Heimat der Besitzer) reifen.
Auberge de l’Union, 9 route de Saint-Cergue,
Arzier, 022 366 25 04, www.auberge-arzier.ch
ZÜRICH : KLASSIKER UND NEWCOMER
DR
Sie navigieren gekonnt im Strom von Trends und Stilen: Bibiana Stoecklin und Gabrielle Mazurczak, die beiden Inhaberinnen der Agentur Modestrom. Am 1. Oktober haben sie an der
Seefeldstrasse 110 ihren neuen, 150 m2 grossen Laden eröffnet.
Dort finden sich für Damen und Herren Kleidungsstücke,
Schuhe, Accessoires und Schmuck von Marken wie Nina Ricci,
Issa London über Kandahar bis zu Arbeiten der Newcomerin
Aéthérée.
Modestrom, Seefeldstrasse 110 / Feldeggstrasse 53, 8008
Zürich, 044 499 91 91, www.modestrom.com
28 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Meisterwerke dänischer Möbeltischlerei aus der Zeit von 1920 bis 1970 finden sich in der
Galerie Dansk Møbelkunst, die ihren Hauptsitz von Kopenhagen nach Zürich verlegt hat.
Angeboten werden in dem grosszügigen Ausstellungsraum in der Nähe des Paradeplatzes
Originale aus der Frühzeit der dänischen Möbelkunst von Kaare Klingt und Rudolf Rasmussen bis zu Ikonen des Industriedesigns von Arne Jacobson oder Børge Mogensen.
Dansk Møbelkunst, Talacker 30, 8001 Zürich, 044 383 83 33, www.dmk.com
DR
photos: DR
ZÜRICH : DÄNISCHER PURISMUS
Finanz und Wirtschaft LU X E | 29
D O S S I E R | E L E G A N Z | von Emmanuel Grandjean und Konrad Koch - Fotos: Cédric Widmer
MODE
«LUXE» WÄHLT DIE VIER ELEGANTESTEN SCHWEIZER. BEKENNTNISSE
VON MÄNNERN, DIE DAS SCHÖNE LIEBEN UND TRAGEN.
MEN
W
ie jedes Jahr verteilt «Luxe» Punkte an stilbewusste Schweizer
Männer. Angesichts der nationalen Verbreitung unseres Magazins haben wir
das Jagdrevier auf das ganze Land ausgedehnt. Das Unterfangen war nicht
ganz einfach, galt es doch, zwischen den
Gruppen «kreative Hedonisten» (Designer, Grafiker, Architekten) und «Banker» zu wählen. Die Vertreter dieser
Kategorien gelten traditionell als die
bestangezogenen, die wissen, wie man
sich weder zu klassisch noch zu modisch, zu strikt oder zu cool kleidet. Aus
30 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Freude an der Abwechslung entschieden
wir uns für das kreative Segment. Wobei
es gar nicht so einfach war, sie aus der
Reserve zu locken. Oder wie die Grille
in der Fabel des französischen Dichters
Jean-Pierre Claris de Florin meint: «Um
hierzulande glücklich zu leben, muss die
Eleganz im Versteckten blühen.» Unsere
Auserwählten mögen weder die grosse
Show noch Bling-Bling und reden nicht
gerne lautstark über ihre vestimentären
Vorlieben. Denn Eleganz ist nicht nur
eine Sache der Mode, sondern vor allem
des Savoir-vivre.
GENF
PHILIPPE CRAMER,
DESIGNER, 41
Die Marke der Kleidung, die er
für das Foto gewählt hat? Keinen Schimmer. Philippe Cramer, Designer und alles andere
als Fashion Victim, mag nur
Basics, Unifarben und vor allem
keine dominanten Logos. «Es
stimmt, Labels sind mir ziemlich
egal.» Für den eleganten Touch
wählt er lieber ungewöhnliche,
amüsante Accessoires, eine
einfache, portemonnaiefreundliche Art, zu überraschen.
So ziehen die leuchtend
roten Lackschuhe Schule von
Schmoove Blicke auf sich «Es
ist einer der wenigen Schuhhersteller, an deren Name ich
mich erinnere. Und die Schuhe
sind bequem wie Pantoffeln.»
Philippe kauft seine Kleider am
liebsten in den Ferien oder auf
Geschäftsreisen. «Nie in Genf,
denn hier sind die Kleider für
Banker und Anwälte bestimmt.
Für mich sind sie zu klassisch,
ich bevorzuge Kreativität. Ich
lege Wert auf mein Äusseres,
weil es mir wichtig ist, optisch
einen vorteilhaften Eindruck zu
machen. Für mich ist Eleganz
vor allem eine Geisteshaltung.
Eine Mischung von tiefer
Achtung vor Traditionen und
diskreter, wohlmeinender Respektlosigkeit.»
www.philippecramer.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 31
AC T U | PA S S É - P R É S E N T | par David Chokron
32 | Finanz und Wirtschaft LU X E
LAUSANNE
GIORGIO PESCE
GRAFIKER, 45
ZÜRICH
MARK,
GASTGEBER, 46
Für Giorgio Pesce ist ein
Kleidungsstück dann schön,
wenn es gut geschnitten ist. Es
muss bequem sein, gut aussehen, aber nicht zwingend von
einem italienischen Designer
stammen. Allerdings tragen
das Karohemd und die Schuhe,
die der Grafiker aus Lausanne
für das Fotoshooting gewählt
hat, das Label Prada. «Ein
Zufall. Ich mag auch Jil Sander
und Maison Martin Margiela.
Auf Marken werde ich erst
aufmerksam, wenn mir etwas
auffällt. Aber eigentlich sind
sie mir eher unwichtig», gibt
der Chef des Atelier Poisson
zu, der das Glück hat, ein
Metier auszuüben, das keine
Uniform braucht, um Originalität auszudrücken. «Mein
Stil? Keine Ahnung. Man hat
schon von Dandy gesprochen.
Grundsätzlich mag ich Farben,
den Mix von Texturen und
Motiven. Ich bin somit kein
absoluter Fashionista. Mode
interessiert mich zwar, aber ich
bin ihr nicht verfallen», sagt der
Grafiker, für den Eleganz viel
mehr ist als nur gerade Aussehen. «Eleganz ist eine Frage
der Raffinesse, der Art zu
sprechen, sich zu bewegen und
sich in bestimmten Situationen
zu verhalten. Die Weise, wie
eine Person geht, zeigt ihren
Stil. Eleganz ist aber auch eine
Form von Humor und Nonchalance, sie ist die Fähigkeit, sich
nicht ernst zu nehmen.»
www.atelierpoisson.ch
Sein Stil, sich zu kleiden, ist wie
seine Art zu arbeiten. Bespoken
Hospitality – massgeschneiderte Gastfreundschaft – nennt
Mark seine Dienstleistung, die
er seinen Kunden als Caterer
bietet. Beste Grundstoffe, perfekt verarbeitet, machen jeden
Cocktail, jedes Diner aus seiner
Massfertigung zu einem Anlass
schlichter Eleganz. «Indem man
dem äusseren Erscheinungsbild
einen hohen Stellenwert gibt,
respektiert man das Innere und
das Gegenüber.» Die Maxime
für seine Arbeit ist auch die für
seine Kleidung. Hochwertige und diskrete Materialien,
im Design aufs Wesentliche
reduziert, sein Spektrum
reicht von klassisch, wie der
gewählte braune Anzug, bis
zu sportlich dezent. Für den
Bespoken-Tailoring-Anzug
bevorzugt er italienische und
englische Stoffe, während er in
der informellen Kleidung gar
High-Tech-Textilien trägt, die
er zusammen mit seiner Frau,
der schweizerisch-japanischen
Damenmodeschöpferin Kazu
Huggler, in Japan eingekauft
hat. Konservativer gibt er sich
bei den Schuhen: J. M. Weston
aus Frankreich und Ludwig
Reiter (Trainers) aus Wien.
Nur einige Modelle, aber von
jedem so viele Paare, dass jedes
getragen sich gut gepflegt
erholen kann. Achtung eben
allem gegenüber.
www.markcompany.net
www.kazuhuggler.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 33
34 | Finanz und Wirtschaft LU X E
ZÜRICH
MATHIAS RASTORFER,
GALERIST, 50
«Neue Hosen für neue Menschen!» Der Satz der russischen
Avantgardisten der Zwanzigerjahre ist für Mathias Rastorfer,
Direktor und Mitinhaber der
Modernegalerie Gmurzynska am
Zürcher Paradeplatz, Beleg für
die Wechselwirkung zwischen
Kunsttendenzen und Modeströmungen. Er beherrscht die Kunst
der Inszenierung. Den Arbeiten
der Künstler gehört in der Galerie
am Paradeplatz und besonders
an der Art Basel der grosse
Auftritt, er setzt mit seinem Stil,
der, wie er sagt, seiner Tageslaune
entsprechend wechselt, den Kontrapunkt. Nie laut, denn obwohl
ihm Marken wichtig sind, hat er
die gerne, «die durch Qualität
und Eigenständigkeit bestechen
und ohne grossformatige Logos
auskommen». Nennen mag er
sie weniger, denn bei Namen
zählen für ihn einzig die seiner
Künstler. Und dann haben Kunst
und Kleidung für ihn auch mit
Ästhetik und Genuss zu tun:
«Denn ohne Genuss keine gute
Kunst, keine gute Mode und kein
gutes Essen.» Kleidung, sagt
er, ist auch wie ein Curriculum
Vitae. Man kann andere dadurch
entweder korrekt oder aber falsch
einschätzen. Sich selbst sollte man
aber nicht all zu ernst nehmen.
www.gmurzynska.com
H E R I TAG E I N T H E M A K I N G
T H E TO N DA H E M I SPH E R E S CO L L EC T I O N
Entirely manufactured in
Les Ateliers Parmigiani
in Switzerland
Air Watch Center SA, Aéroport de Genève | L'Atelier du Temps SA, Crans-Montana
Benoît De Gorski, Genève, Gstaad | Brändli Creation & Co, Villars-sur-Ollon
Gold Time SA, Lugano, Chiasso | Gübelin AG, Basel, Bern, Genève, Lugano, Luzern, St. Moritz, Zürich
Guillard SA, Lausanne | Haute Horlogerie Schindler, Zermatt | Herschmann Doris, Ascona
Kirchhofer AG, Interlaken | Maissen & Co, Klosters | Zbinden, Montreux | Zeit Zone Zürich, Zürich
WWW.PARMIGIANI.CH
Finanz und Wirtschaft LU X E | 35
T R E N D | G U I D E | von Dino Auciello
FASHION
7/7
AUF EINEN BLICK: ALLE TRENDS DIESER SAISON FÜR JEDE SITUATION,
VON MONTAG BIS SONNTAG. VERANSTALTEN SIE IHRE PERSÖNLICHE
FASHION WEEK.
WEEK
3
1.Hermès
2.Roberto Cavalli
3.Ermanno Scervino
1.Versace
2.Louis Vuitton
3.Giorgio Armani
MONTAG
AUF DEM
BÖRSENPARKETT
3
1
2
36 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Schlicht und sachlich. Die Wolken, die seit
dem Sommer die Stimmung an den Finanzmärkten trübten, haben sich noch nicht verzogen und verkünden einen kapriziösen Herbst
mit hoch- und tieffliegenden Aktienkursen.
Nichts mit locker und leger, dezente Erscheinung und gerade geschnittener Anzug sind
de rigueur. Wer’s einen Hauch innovativer
mag, schaut bei Mad Men rein – knöchellange Hose, da und dort ein bisschen Lammfell,
Trenchcoat – es leben die Seventies!
DIENSTAG
IN DER OPER
Sehen und gesehen werden. Die Oper ist nicht
nur ein Spektakel für Aug und Ohr, sondern
auch ein Ort der Selbstinszenierung. Wenn Sie
die Blicke auf sich ziehen wollen, wählen Sie den
Redingote-Look. Zu theatralisch? Nicht, wenn
das Teil zu Ihnen passt, denn Sie wissen, dass
ein reüssierter Auftritt leicht tragisch-komisch
werden kann. Weniger Mutige setzen auf den
farblichen Kontrast, Zurückhaltende fühlen sich
im taillierten, dunklen, schicken Outfit wohl.
1
2
S P O R T | C YC L E S
Ein Reich
v o n Trä u m e n
We i s s g o l d
Spinell
Jade
B r i l l a nte n
3
1.Bottega Veneta
2.Viktor & Rolf
3.Yves Saint Laurent
MITTWOCH
BUSINESSLUNCH
1
2
Geschäftsessen als Rahmen für Ihre ganz persönliche Modenschau? Why not, denn es ist
eine exzellente Gelegenheit, den strengen
Büroanzug abzulegen und dennoch perfekt
businesslike zu wirken (vor und nach dem
Lunch rasch zum Umziehen nach Hause ist
eine Frage der Gewohnheit). Die Neuinterpretation männlicher Eleganz basiert auf subtilen Details: Schichtenlook, weite, gerade,
kurze Schnitte, atemfreundliche Hemden. Der
wahre, ewige Dandy, in jeder Situation virtuos.
TIS
Anh
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Sarina
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www.guebelin.ch
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n te
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au
toi
r
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iss
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TREND | GUIDE
1
1
1.Salvatore Ferragamo
2.Dolce & Gabbana
3.Salvatore Ferragamo
1.D & G
2.Paul Smith
3.D & G
DONNERSTAG
FREITAG
AN DER
VERNISSAGE
SHOPPING
IN DER STADT
Klingende Gläser, die Besucher bewundern
ein Werk – oder vielleicht einen aufregenden
Look? Raffinesse ist angesagt– flamboyant
(ein monothematisches Ensemble, im Sonntagsstaat quasi) oder subtil (weite Hose mit
Umschlägen oder ein Leder-Overall). Hier ein
Grüsschen, dort ein Küsschen – und das Publikum staunt, wertet, lässt sich inspirieren und
fragt sich, wer wohl der Künstler ist.
3
2
Eleganz, Flexibilität, Kontraste – dies sind die
Schlüsselworte für den erfolgreichen Stadtbummel. Sportliches Sakko/Krawatte, übergrosse Daunenjacke über dem Hemd, die Hose
wadeneng und grosszügig am Schritt. So wird
Shophüpfen zum ultimativen Vergnügen, jedes
urbane Hindernis eine sportlich-amüsante Herausforderung. Beige, Gelb und Orange, die
Farben knallen, und die Sneakers haben Vortritt.
2
3
Finanz und Wirtschaft LU X E | 41
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TREND | GUIDE
1.Bally
2.Marc Jacobs
3.Burberry Prorsum
SAMSTAG
LANDPARTIE
1
Die ländliche Umgebung verlangt nach der
richtigen Kleidung, denn es herrschen harte
Sitten. Jäger- und Fischerlook sind nichts Ungewöhnliches für den, der das Gewehr schultert und weiss, wann die Fische beissen. Warm
gefütterter Mantel, hohe Schnürschuhe, robuste Stiefel und die richtigen Accessoires
machen das Abenteuer perfekt. Wenn auch
nichts Ihre Stadtgarderobe ersetzen kann, die
schmale Hose unter dem Maximantel ist das
absolute Must dieses Winters.
2
3
1.Prada
2.Gucci
3.Junya Watanabe
SONNTAG
BEI MAMA
Sie denkt zurück an die Zeit, als ihr kleiner
Junge ganz von ihr abhängig war, als er später seine ersten Schrittchen tat. Kein Wunder,
Ihr Outfit ruft nostalgische Gefühle geradezu
hervor. Diese Saison unverzichtbar die gerade
geschnittene, eine Spur kurze Hose, die die
Schüler der 1950er Jahre so adrett kleidete.
Sie sehen aus wie ein junger, kaum erwachsener Dandy und passen vorzüglich ins sonntägliche Familienidyll. Vom Hemd bis zum Duffle
Coat – Mamas braver Liebling ist da.
1
3
2
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42 | Finanz und Wirtschaft LU X E
M O D E | R AT G E B E R | von Christel Flach - Illustration: Nicolas Zentner
STILVOLL
IN DEN
WINTER
SCHAL ODER FOULARD?
D? BUSINESS
BAG ODER AKTENKOFFER?
FER? MÄNNERMODE IST MANCHMAL
MAL KOMPLIZIERT. MIT UNSEREN
N RATSCHLÄGEN WEISS MANN SICH
H COOL UND
STYLISH ZU KLEIDEN, AUCH IN DER
KALTEN JAHRESZEIT.
S
oll man Modetrends folgen? Obwohl der männliche
Kleiderschrank deutlich weniger spektakulären Veränderungen
unterworfen ist als sein weibliches Gegenstück, wartet jede Saison mit einer Menge
manchmal tragbarer, manchmal ausserhalb
des Laufstegs völlig untauglicher Neuheiten und Revivals auf. Kleiner Stilratgeber
der brauchbaren Saisontrends, damit Sie
die schlimmsten modischen Fehltritte vermeiden und trotzdem nicht zum Fashion
Victim verkommen.
01
DANDY-LOOK,
LOOK,
ZEITLOS ELEGANT?
EG
GANT?
Anhänger werden das bestätigen:
estätigen: Dandyismus ist weit mehr als nur ein Look, er ist ein
son ist der DandyLebensstil. In dieser Saison
n Retro-Chic angeLook im leicht dekadenten
n: In den darauffolsagter denn je. Will heissen:
ermutlich völlig out
genden Saisons wird er vermutlich
ng aber ist zeitlos.
sein. Die Lebenseinstellung
44 | Finanz und Wirtschaft LU X E
02
OVERSIZE-STIL
IM BÜRO,
EIN NO-GO?
Einer der Haupttrends der Saison. Er
gehört eindeutig zu den Looks, die man
in den Hochglanzmagazinen bewundert, aber auf keinen Fall im Büro tragen
sollte – es sei denn, man will als Clown
durchgehen. Eine gut verarbeitete, an
den Knöcheln geraffte Pumphose mit
der passenden Jacke über einem eng anliegenden Pullover kann aber durchaus
modisch und elegant wirken.
03
DUFFLE COAT, NUR ETWAS
FÜR JAGDAUSFLÜGE?
Ursprünglich war der Duffle Coat der Mantel der Royal Navy, diesen Winter verdrängt er die Daunenjacke. Kein Wunder, es spricht eigentlich alles für ihn: Er
trägt weniger auf, ist praktisch, angenehm zu tragen und strapazierfähig. Bunt, aus
Lammfell, klassisch oder in Pepita – es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Doch
wer die Wahl hat, hat die Qual …
04
WELCHER KRAGEN PASST WANN?
Yves Saint Laurent setzt diesen Winter auf poloartige, runde und sehr kurze Kragen, Louis Vuitton dagegen auf Mao-Kragen. Gerade Kragen stehen bei allen Modedesignern hoch im Kurs. Hemden werden bis oben zugeknöpft und mit oder
ohne Krawatte getragen. Aber nicht vergessen: Kragen nur unter der Jacke tragen! Auch kombiniert mit einem Pullover gehört der Kragen nicht darüber, sondern darunter.
05
WAS SOLLTE IM WINTER 2011/12
IM SCHUHSCHRANK STEHEN?
Egal, ob Schnürstiefel, Turnschuhe oder Halbstiefel für die Stadt, die bis zum
Knöchel oder sogar bis unter das Knie reichen, Schuhe werden diesen Winter
hoch getragen. In den Schuhschrank gehört ein hohes, regen- und schneefestes Paar aus schwarzem Leder, ein klassisches Paar für die Stadt, bequeme Mokassins und Turnschuhe aus Leder für die Freizeit. Männer bevorzugen dunkle
Braun-, Schwarz- oder Grautöne, die farblich gut zu allen Kleidern passen.
06
BUSINESS BAG ODER
AKTENKOFFER?
Der gute, alte Aktenkoffer mit seinen
Ecken und Kanten gehört einfach zur
Uniform eines Businessman. Bislang zumindest, denn der Business Bag könnte
das unverwüstliche Teil schon bald entthronen. Er ist nicht nur trendiger und auf
Geschäftsreisen viel praktischer, sondern
verleiht dem klassischen Outfit auch eine
lässig-schicke Note.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 45
M O D E | R AT G E B E R
11
07
KANN MAN IM
WINTER 2011/12
WIEDER PELZ
TRAGEN?
FOULARD ODER KRAWATTE?
Beides! Foulards setzen allerdings eine natürliche Lässigkeit
voraus, damit Mann nicht allzu aristokratisch daherkommt.
Diesen Winter sind schmale, aber nicht allzu feine Krawatten
besonders angesagt. Zeigen Sie Mut zu Farbe und zu glänzenden Stoffen!
Pelze sind umstritten, bei eisigen
Temperaturen führt trotzdem nichts
an ihnen vorbei. Kein anderes Material ist im Winter angenehmer zu
tragen. Den Nerz-Totallook aber unbedingt vermeiden, er ist Laufstegen
und amerikanischen Rappern vorbehalten. Gefütterte Mäntel oder ein
Pelzkragen tun‘s auch.
08
BRILLEN MIT
GROSSEN RETROGLÄSERN, HAS BEEN
OR NOT?
12
Brillen wurden zum ultimativen Modeaccessoire erhoben
und schrecken vor keiner Extravaganz zurück. Retro ist
noch immer zeitgemäss. Sogar die kreisrunden Gläser erleben ein Revival. Ein Muss für alle Retro-Fans.
IST TWEED
TATSÄCHLICH IN?
09
DER SCHAL: SCHMAL, LANG,
KURZ, DICK …?
Bei Burberry Prorsum und John Galliano ist der Schal leicht
und wird nicht geknotet, sondern pfadfinderartig mit einer Schnalle gehalten. An kalten Tagen ist ein schön dicker
Schal in der gleichen Farbe wie der Pullover und wie ein
Snood oder ein Rollkragenpulli eng um den Hals gewickelt
genau das Richtige.
10
70ER-STIL ZURÜCK AUF DEN
LAUFSTEGEN, EIN WAGNIS?
Samtanzüge, Foulards, Schlaghosen, Federkette: Roberto Cavalli hat für den Catwalk ziemlich dick aufgetragen.
Auch wenn Sie sich in Ihrem Job kleidungstechnisch ein
paar Fantasien erlauben können, übertreiben Sie es nicht!
Ein rostbrauner Maschenpulli, eine Samthose oder -jacke
mit einem Foulard sind Seventies genug.
46 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Tweed steht für die feine englische Art.
Dem klassischen, total angesagten Stoff
haftet etwas Nostalgisches an. Tweed ist
schick, schön und in. Es gibt also keinen
Grund, sich zurückzuhalten. Als Mantel,
Jacke, Anzug oder Beret, der GentlemanStoff passt immer.
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WIRD DIE CHAPKA DEN WINTER
ÜBERLEBEN?
In den Bergen mag sie noch durchgehen, überall sonst hat die Chapka ausgedient, E
lega verpflichtet! Ein breiter Filzhut oder ein Beret aus Tweed,
Eleganz
Pers
r ianer oder einem anderen Pelz kann die Chapka vorteilhaft ersetzen.
Persianer
14
DARF DIE FLIEGE NUR MIT EINEM
SMOKING AUS DEM KLEIDERSM
SCHRANK GEHOLT WERDEN?
Keineswegs! Diese Saison feiert sie nämlich ihr grosses Comeback und lässt sich auch mit weniger strengen Outfits ein. Dandy-Look lässt grüssen! Die Fliege wird entweder in der gleichen Farbe wie das Hemd oder in Schwarz getragen.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 47
M AC H E R I N N E N | K R E AT I O N E N | von Emmanuel Grandjean - Fotos: Cédric Widmer
M
ode ist weiblich – eine Binsenwahrheit und eine paradoxe dazu. Denn
die Kreation von Damenmode liegt mehrheitlich in Männerhänden. Umgekehrt
wird Männerfashion auch häufig von
Frauen gemacht. Stylistinnen, Schmuckund Schuhdesignerinnen widmen sich immer mehr dem männlichen Erscheinungsbild. Männermode gewinnt in der Tat
zunehmend an Bedeutung, aber so richtig wichtig ist sie noch lange nicht. Männer kaufen, was sie brauchen, komfortable, günstige und pflegeleichte Kleider
– und sie sind zufrieden damit. Tant pis
für modebewusste Männer: Sie finden ihre
Meisterinnen. Vier Stylistinnen erklären,
weshalb sie sich entschieden haben, für
männlichen Kleiderstil zu sorgen.
DAMEN
QUARTETT
EIN MÄNNER
SCHÖN
MACHENDES
SIE SIND STYLISTINNEN,
EINE JUWELIERIN UND
EINE SCHUHDESIGNERIN
UND LEBEN ZWISCHEN
GENF UND BASEL.
BEGEGNUNG MIT VIER
SCHWEIZERINNEN,
DIE FÜR MÄNNERCHIC
SORGEN.
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CLAUDIA GÜDEL, STYLISTIN
Fragen sie Claudia Güdel nicht, ob sie Mode
macht. Sie schaltet dann auf stur. Claudia Güdel
entwirft Jeans, T-Shirts, Hosen, Shorts, Gürtel,
sie konstruiert Kleider. «Mode hat eine Lebenszeit von sechs Monaten, ich aber entwickle Teile, die mehrere Jahre überdauern. Mindestens»,
sagt sie selbstbewusst. Zum Beweis nimmt die
Basler Stylistin eine schwarze Kapuzenjacke
vom Ständer in ihrem ShowroomAtelier-Shop. «Das Modell Ninja
ist seit acht Jahren ein Bestseller.»
Ein zeitloses, von den Fans heissgeliebtes Kleidungsstück. «Vor
acht Jahren habe ich begonnen,
Kleider zu entwerfen. Ausschliesslich für Herren, denn ich habe die
praktische Seite der Männerkleidung – viele Taschen auf Hosen
und im Innern der Jackets – stets
bevorzugt.»
2008 begann sich Claudia Güdel auch für die
Frau zu interessieren. «Tatsächlich waren viele
meiner Kunden eigentlich Kundinnen. Aber bei
den Proportionen der Kleider klappte es nicht
wirklich, was mich bewog, die Modelle auf den
weiblichen Körper zu adaptieren. Eigentlich sind
es die gleichen Stücke, nur kleiner und taillierter.
Und heute biete ich auch eine exklusiv weibliche
Kollektion an», führt die Stylistin aus, die sich am
Institut Modedesign der HGK Basel ausbilden
liess. Später ging sie in die USA, wo sie an
der Metropolitan Opera von New York und
beim Fashion Designer Eduardo Lucero – der
damals noch nicht so bekannt war – in Los Angeles Stages absolvierte. «Die Gestaltung von
Objekten hat mich immer fasziniert, ebenso
die Architektur und die Bildhauerei. Dies bringe ich in meinen Kreationen zum Ausdruck,
die zwar immer strukturiert, aber dennoch chic
sind. Und auch witzig. Humor in der Kleidung
ist mir wichtig.»
Die grafisch anmutenden Teile sind meistens
auch beidseitig tragbar. Daher auch das subtile
Spiel der Nähte, die ein ganz anderes Kleidungsstück ergeben, je nachdem, wie man es
anzieht. Wer sind die Leute, die sich in Claudia
Güdel kleiden? «Es sind vor allem Architekten
und Kreative, weniger Banker, es sind Menschen, die sich gerne gut anziehen, aber nicht
zeigen möchten, dass sie sich um ihren Look
kümmern.»
Claudia Güdel, Informationen und
Bezugsadressen unter www.claudiagudel.ch
Finanz und Wirtschaft LU X E | 49
M AC H E R I N N E N | K R E AT I O N E N
JENIFER BURDET, STYLISTIN
Sie wohnt in Orzens ob Yverdon,
in einem kleinen
ZweihundertSeelen-Dorf,
das nicht wie
New York, Paris,
London oder
Mailand zu den
Stationen der
Fashion Weeks
zählt. Eine
Abgelegenheit, die durchaus ein Vorteil sein
kann, um den Durchbruch in der Modewelt
zu schaffen. «Ich beziehe meine Inspirationen
nicht von dem, was ich an diesen Orten sehen
50 | Finanz und Wirtschaft LU X E
könnte. Sondern von meiner Umwelt, von Dingen, auf die mein Blick fällt.» Jenifer Burdet ist
Stylistin und entwirft ausschliesslich Herrenmode. «Ich bin in einem männlichen Umfeld
aufgewachsen. Es hat mir immer gefallen,
wie sich die Buben kleiden konnten. Ich liebte
die Kleider meines Bruders, denn sie waren
weiter und komfortabler, um auf die Bäume zu
klettern», beschreibt sie ihren Werdegang.
Vor vier Jahren begann sie mit der Ausbildung
als Fashion Designer. «Eigentlich komme
ich aus der Welt des Sports, aber ich fühlte
mich vom Künstler- und Kreativmilieu stets
angezogen. Vor allem faszinierte mich die
Idee, via Kleider Geschichten erzählen zu können.» Weshalb aber die männliche Schiene?
«Wenn ich für Frauen kreiere, bin ich hin- und
hergerissen zwischen Stücken, die ich liebe
und tragen möchte und jenen, die ich eigentlich kreieren will. Bei den Männerkleidern
beschäftige ich mich ausschliesslich mit der
Kreation. Ausserdem bin ich der Ansicht, dass
Männermode angenehmer zu tragen ist.»
Ihre an der Haute Ecole d’Art et de Design
de Genève präsentierte Diplomkollektion
inspiriert sich an der Welt des Sports und der
Hobos (amerikanische Wanderarbeiter des
19./20. Jahrhunderts). Weite, mehrschichtige
Hüllen in Weiss oder Grau, Baggy-Pants und
grossmaschige Pullis verleihen den Models
seltsame Silhouetten. «Als hätten sie verlängerte, hybride Körper. In meinen Recherchen
entdeckte ich das Foto eines Landstreichers,
dessen Schatten ein völlig verformtes Bild
ergab. Dies ist das Milieu, das mich fasziniert.
Denn es ist ein Universum der Freiheit, in dem
jeder seine eigenen Codes entwickeln muss
um zu überleben.»
Eine weitere Besonderheit ihrer wunderschönen Kollektion mit der Bezeichnung I8 (I hate)
ist: Sie ist völlig unabhängig von Jahreszeiten.
Jedes Teil ist mit einem Reissverschluss ausgestattet und kann so je nach Wetter oder auch
nach Lust und Laune kombiniert werden. «Ich
liebe es, verschiedene Formen und Genres
zu kombinieren. Kris van Assche, Hussein
Chalayan, Jan-Jan van Essche, Rei Kawakubo
sind nicht nur Stylisten, sie sind auch Künstler,
Designer und Videofilmer. Meine Arbeit
ziehlt auf diese Form der Interdisziplinarität.
Der Sport lehrte mich Körperbewegungen.
Während des Studiums absolvierte ich ein
Praktikum in einem Architekturatelier, wo ich
mich mit dem Thema Struktur auseinandersetzte. Auch Kleider sind Konstruktionen.»
Zurzeit sucht Jenifer Burdet nach einem
Namen für ihr Label und kümmert sich um
ihre erste kommerzielle Kollektion.
An der Wand ihres Ateliers gibt das Moodboard einen Einblick in die Gedankenwelt.
Vom Sport in die Berge, von Menschen von
der Strasse zu Gipfelstürmern, Aufnahmen
des Eigers, alte Fotos von Bergsteigerpionieren. «Die Kreation von Männerkleidern lässt
mir totale Freiheit. Dies ist ein Bereich, wo
alles möglich ist. Man hat mir noch nie gesagt,
dass diese oder jene meiner Kreationen an
einen bestimmten Modeschöpfer erinnern.»
Ihre Devise, gut sichtbar über dem Computer
angebracht, ist ein Zitat von Walt Disney:
«Um ausserordentliche Dinge zu schaffen,
muss man von diesen träumen. Dann wacht
man langsam auf und realisiert den Traum
vom Anfang bis zum Ende, ohne sich jemals
entmutigen zu lassen.»
www.jeniferburdet.blogspot.com
MURIEL LAURENT, JUWELIERIN
Noch ist Männerschmuck ein
winziger Markt, der nur darauf
wartet, entwickelt zu werden.
Erste Anzeichen dafür sind
jedenfalls da und werden sich
hoffentlich konkretisieren. «Obwohl ich nicht spezifisch Männerschmuck entwerfe, gibt es
Stücke, die beiden Geschlechtern gefallen», erklärt Juwelierin
Muriel Laurent, die von der
Marktnische profitieren möchte.
Wie geht sie vor? Es ist ein Unterschied,
ob man Schmuck exklusiv für Männer oder
Frauen gestaltet. «Formen und Proportionen
sind verschieden, ebenso die Materialien. Für
Herren eignen sich eher dichte Materialien wie
Holz und Silber», erklärt die Kreateurin und
blättert im neuesten Kollektionsbook. Es ent-
hält Objekte von einer bizarren Erhabenheit,
die sich an der Pflanzenwelt orientieren. «Dies
ist eine Möglichkeit, der Natur ihren Platz auf
dem menschlichen Körper zurückzugeben. Für
mich muss ein Schmuckstück eine Botschaft
vermitteln, es muss Persönlichkeit besitzen»,
beschreibt die Schmuckmacherin ihre Arbeit.
Ihre Kreationen inspirieren sich an Motiven
aus der Natur. Sie zieren Handschuhe, die
mit Baumrindenmotiven serigrafiert sind
und bis zu den Schultern reichen. Ringe aus
geschwärztem Silber sind mit Moosachat
besetzt, in weissen Achat aus Finnland
gemeisselte Pilze klammern sich an das Kleidungsstück. Jedes Objekt ist ein Einzelstück
oder Teil einer Miniserie. «Ich arbeite allein
und bin experimentierfreudig. In ein paar
Monaten würde ich gerne mit Ingenieuren
zusammenarbeiten. Mit dem Preis, den ich
vor kurzem vom ‹Fond Municipal d’Art Contemporain de Genève› erhalten habe, werde
ich die Serie Bryum weiterentwickeln. Denn
ich möchte eine technische Möglichkeit finden, um das Metall dauerhaft zu kolorieren»,
beschreibt sie ihre Ziele.
Bryum ist nicht nur die botanische Bezeichnung für ein Birnmoos, es ist auch der Name
für attraktive Schmuckstücke. Etwa der Ring
aus Uwarowit, einem grünen Malachitmineral, der einem das Gefühl gibt, sich ein
Stück Natur über den Finger zu streifen. «Ich
interessiere mich für die Wechselwirkung
zwischen Kreation und Wissenschaft, für
Künstler wie Eduardo Kac und sein genetisch
modifiziertes Leuchtkaninchen oder für Designer wie Dunne & Raby, die unser Verhältnis
zu Objekten unter einem anderen, nämlich
kritischen und ironischen Gesichtspunkt
betrachten, was mir total gefällt», erzählt
sie. Diplomiert in Schmuckdesign der Haute
Ecole d’Art et de Design de Genève (Head),
ist sie in den Design Incubator der Fondation
Ahead aufgenommen worden. Die Stiftung
unterstützt junge Kreative im Aufbau einer
eigenen Marke und eines eigenen Geschäfts.
«Meine Arbeiten positionieren sich zwischen
Juwelierhandwerk und zeitgenössischer
Kunst. Sie machen eine eigene Präsentation
erforderlich, passen also eher in eine Galerie
oder an ein Happening als in eine Boutique»,
definiert Muriel Laurent ihre Bijoux, die man
wie kleine Kunstwerke auf sich trägt.
www.muriellaurent-bijoux.blogspot.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 51
LUST
AC T U | PA S S É - P R É S E N T | par David Chokron
von Emmanuel Grandjean
NACH RAF SIMMONS, RICK OWENS UND GASPARD
YURKIEVICH LÄSST AUCH KRIS VAN ASSCHE FÜR
EASTPAK DIE KATZE AUS DEM SACK.
WARUM SIE
DIESE TASCHE
UNBEDINGT
HABEN MÜSSEN
1. WEIL SIE COOL IST. Mit Eastpak und Kris
van Assche trifft die breite Öffentlichkeit auf
Männermode vom Feinsten und der lässige
Rucksack aus unseren Schuljahren auf den
It Bag der neuen Stilbewussten. Sackstark!
2. WEIL SIE VON KRIS VAN ASSCHE
STAMMT. Wie Hussein Chalayan und
Viktor & Rolf ist auch er Künstler – er
hat bereits mehrfach bei Analix in Genf
und in der Galerie von Barbara Polla ausgestellt – und Fashion Designer in einem.
Diese Doppelspurigkeit macht seine Kreationen zusätzlich intelligent.
ANITA MOSER,
MASSSCHUHMACHERIN
Wie viele Massschuhmacher gibt es in der
Schweiz, abgesehen von den Armee- oder
Orthopädie-Schuhmachern? Sie sind an einer
Hand abzuzählen. Und wie viele Herrenschuhmacher gibt es? Anita Moser in ihrem
kleinen Atelier an der französischen Grenze
überlegt. Wahrscheinlich ist die Bernerin die
einzige in der Schweiz. «Ursprünglich war
ich klassische Tänzerin von Beruf, beendete
aber meine Karriere, um etwas, sagen wir,
Bodenständigeres zu machen.» Sie beginnt
bei Bally in Schönenwerd eine Lehre als
Modellzeichnerin, lässt sich später in Basel
zur Kleiderstylistin ausbilden. «Dann ging
ich zu Bally zurück. Es war eine fantastische
Zeit, allerdings waren die Leute nicht sehr
offen. Jedes Mal, wenn ich mit einer Idee
kam, sagte man mir, dass man diese schon in
52 | Finanz und Wirtschaft LU X E
den 1960er Jahren umsetzen wollte, leider erfolglos. Ich brauchte mehr Freiheit, ich wollte
meine eigenen Projekte ausloten. Ich wählte
die Schuhmacherei, denn in diesem Bereich
verfügte ich über die meisten technischen
Kenntnisse.»
2003 lanciert die Gestalterin ihre eigene
Marke Anita Moser. Zunächst produziert sie
Damenmodelle, sieben Jahre später auch
Schuhe für den Mann. «Die Herausforderung
ist völlig verschieden. Die Damenkollektion muss in jeder Saison für Überraschung
sorgen. Die Männer bleiben sich und dem zu
ihnen passenden Schuhwerk treu. Sie haben
nicht den Wunsch nach Neuem, sondern
wählen stets das ähnliche Modell.»
Ihr Stil? Ländlicher Dandy, urban-ruraler Chic
für jede Gelegenheit, solide Lederschuhe.
Abnehmbare Gamaschen aus Lackleder oder
geflochtenem Stoff sorgen für das gewisse
elegante Etwas und den typischen Anita-Mo-
ser-Stil. «Ich begann mich für Herrenbottinen
zu interessieren, weil ich Gelegenheit erhielt,
mit Kandahar zu arbeiten. Die Manufaktur
bei Thun stellt Après-Skischuhe her und
kann jede Lederdicke nähen.» Die 100% in
der Schweiz produzierten Schuhe kosten
zwischen 650 und 750 Fr. «Männer sind
bereit, verhältnismässig viel für Schuhe zu
bezahlen, weil sie wissen, dass sie diese lange
Zeit tragen werden. Für mich sind Schuhe
wie Uhren, ein Basic, das mit dem Besitzer
lebt und dessen Geschichten miterlebt.
Ausserdem werden Schuhe mit dem Tragen
immer schöner.» Vorausgesetzt, sie erhalten
die richtige Pflege. Anita Moser bestätigt,
dass Männer diesbezüglich sorgfältiger sind
als die Frauen.
Anita Moser Herrenschuhe sind nur auf
Bestellung erhältlich. Adressen und Auskünfte
www.anitamoser.ch
3. WEIL SIE MODISCH IST. Kris van Assche wurde von Hedi Slimane bei Dior
Homme ausgebildet, das er neben seiner
eigenen Marke noch immer als Artistic Director leitet. Er konzentriert sich
ganz auf Männermode und legt Klassiker aus der Vergangenheit mit seinem
unverwechselbaren, hocheleganten
Stil neu auf, wobei er sie erfinderisch und minimalistisch
mit cleveren und schicken Details aufpeppt.
4. WEIL SIE ZWECKMÄSSIG IST.
Mit ihrer Fülle an unsichtbaren,
tiefen Fächern und frechen Details
(schauen Sie sich den Schlüsselanhänger
an!) ist die Tasche wunderbar praktisch. Erhältlich in mehreren Versionen (Rucksack, Tragetasche, Schultertasche und Weekender) und in zwei Farbkombinationen (Beige und Schwarz).
5. WEIL SIE ERSCHWINGLICH IST. Eine Designertasche
für 199 Fr.? Ja, das gibt es tatsächlich!
Exklusiv erhältlich bei Brachard Contemporain in Genf,
18 rue de la Cité, 022 311 70 70, www.brachard.com,
und unter www.eastpak.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 53
PA S S I O N | P O RT R ÄT S | von Emmanuel Grandjean - Fotos: François Wavre
Schuhe
und
Leute
SIE SAMMELN, REPARIEREN, PFLEGEN – BEGEGNUNG MIT DREI LEIDENSCHAFTLICHEN
LIEBHABERN UND KENNERN VON SCHÖNEM SCHUHWERK.
54 | Finanz und Wirtschaft LU X E
YOHAN SEROR:
DER SCHUHMACHER
Genf ist eine schicke und mondäne Stadt,
deren Bewohner auch zu Fuss gern luxuriös unterwegs sind. «Multinationale Unternehmen, internationale Organisationen beschäftigen Manager, Anwälte,
Banker, für die es ein Must ist, gut gekleidet und beschuht zu sein», beschreibt Yohan Seror, der angesagte Luxusschuhmacher der Rhône-Stadt seine Klientel. In
seinem Atelier im Quartier Eaux-Vives
kümmert sich der aus Paris stammende
Handwerksmeister um das Wohlergehen
müder Treter, die ihm stilbewusste Kunden anvertrauen. Hier warten Topmarken
für Männer (John Lobb, Weston, Santoni, Crockett & Jones) neben Damenlabels
(Chanel, Vuitton und Louboutin) auf erstklassige Wartung.
«Am meisten haben wir es mit Damenschuhen zu tun. Sie nutzen sich zwar
schneller ab, die Reparaturen sind aber
einfacher», beschreibt Schuhmacher Seror
seine Arbeit. Fakt ist, dass Frauen grundsätzlich mehr Schuhe besitzen, modebewusster sind und deshalb in jeder Saison
unzählige Highheels hinzukaufen müssen. Anders die Männer. Für sie sind Schuhe weniger Modeartikel, sondern vielmehr
eine Frage des Dresscodes. «Ein Mann, der
seine Schuhe pflegt, kann diese zwanzig
bis dreissig Jahre tragen. Deshalb sind die
Reparaturen auch viel aufwändiger», erklärt Yohan Seror, der die Schuhmacherei
in Strassburg, Nevers, Angers und in Paris
gelernt hat und diese Ausbildung als unumgängliche Voraussetzung bezeichnet,
um Schuhe nach allen Regeln der Kunst
zu reparieren. «In Sachen Schuhflicken
bin ich Spitze. Ich hätte auch Schuhe herstellen können, aber die Möglichkeiten für
erstklassige Massschuhmacher sind limitiert, denn die Kundschaft ist klein, die Arbeitsplätze rar. Frankreich hat in zwanzig
Jahren nur gerade zwei, allerdings geniale Meister hervorgebracht: Anthony Delos
und Pierre Corthay.»
Seit einiger Zeit befindet sich die Luxusschuhmacherei jedoch im Aufwind. «Am
Anfang meiner Gesellenjahre war das Metier wenig sicher. Heute ist alles anders. Das
Luxus-Know-how zieht immer mehr Lehrlinge an», erklärt der französische Schuhmachergeselle Johnny Piot, der seit einem
Jahr bei Seror arbeitet und bald wieder auf
Wanderschaft von einer Schuhmacherei
zur andern aufbrechen wird. «Es war Allessandro Berluti, der in den 1990er Jahren das
Schuhmachergewerbe aufgeweckt hat», erzählt Seror, der die einzige Schuhmacherin
der Romandie, Joséphine Bailat, ausbildet.
«Berluti hat die weibliche Schuhphilosophie auf die männliche umgesetzt und junge Marken motiviert, diesen Markt zu bearbeiten. Vor zwanzig Jahren waren es sechs,
heute sind es bereits dreissig Labels, die
ihre Kreationen anbieten. Wie häufig der
Fall, hat auch hier das Internet vieles verändert, es hat das Interesse für das Schuh-
handwerk entfacht und damit den Käuferkreis vergrössert. Als ich Lehrling war,
waren die Kunden durchschnittlich fünfzig Jahre alt. Heute ist die Hälfte meiner
Kundschaft um die zwanzig, hervorragend
informiert und sich bewusst, dass der Kauf
von Luxusschuhen eine Investition in ein
dauerhaftes Produkt darstellt.»
Yohan Seror, 6 rue des Marronniers, Genf,
022 735 83 01, www.cordonnerie-seror.ch
Finanz und Wirtschaft LU X E | 55
PA S S I O N | P O RT R ÄT S
OLIVIER DE MESTRAL:
DER SCHUHSAMMLER
«Wir hatten die Idee», erzählt Brunno
Gomes, «ein fast verschwundenes Metier aufleben zu lassen und die Tätigkeit
des aus der Mode gekommenen Strassenschuhputzers aufzupolieren. Hierzulande hat dieser Beruf ein schlechtes Image,
im Gegensatz zu den USA, wo es sich um
ein angesehenes Handwerk handelt.» Vor
allem, wenn es mit jener Sorgfalt ausgeübt wird, wie Brunno es tut. Dieser erteilt
in genau dreissig Minuten eine Schuhputzlektion: «Als Erstes trage ich die Pflegecreme auf, die das Leder nährt. Dann
die Farbcreme zur Auffrischung. Schliesslich glänze ich den Schuh mit der Bürste
und appliziere farblose Wachscreme, die
den Schuh schützt.» Jetzt wird der Schuh
auf Hochglanz poliert und zwar nur die
festen Teile, Spitze und Kappe. Um die
Schuhe spiegelblank glänzen zu lassen,
gibt man auf die einzelne Wachsschicht
ein paar winzige Wassertropfen. Wie viele? «Das ist eben der Trick, wie überall gilt
es auch hier, das richtige Mass zu finden.»
www.shine-my-shoes.ch,
Boutique Brogue,
4 rue de la Tour de l’Ile, Genf,
022 310 70 03 und 022 735 83 01
BRUNNO GOMES:
DER SCHUHPFLEGER
Er heisst Brunno – richtig, mit zwei n –
und ist Schuhpfleger von Beruf. Brunno
ist ein Meister seines Fachs, ein Experte in Sachen Glänzen und Polieren, der
selbst lebensmüde Schuhe wieder auf
Trab bringt. Man trifft ihn jeweils von
12 bis 15 Uhr in der Boutique Brogue an,
wo er für den Schuhputzschemel verant56 | Finanz und Wirtschaft LU X E
wortlich ist. Schuhmachermeister Yohan
Seror (siehe Beitrag oben) und Gary Levy,
Boutiquebesitzer und Genfer Luxusschuhe-Papst, haben das mobile Arbeitsmöbel
bei einem Handwerker in Bordeaux anfertigen lassen. Geboten wird die Dienstleistung «Shine». Der Kunde opfert eine
Viertelstunde und geht dann mit Schuhen
von dannen, die wunderbar gepflegt, ja
geradezu wie neu sind.
Sein Atelier befindet sich in einem ruhigen Gässchen in Nyon. Nach zehn Jahren
Vermögensverwaltung verabschiedete sich
Olivier de Mestral von der Bank, um sich
seiner Passion, der Verarbeitung von Leder,
zu widmen. «Ich erfüllte mir einen Kindertraum», erzählt der Sattler, der das Metier bei Jean Müller in Genf gelernt hat. Seit
zwei Jahren in der Pferdesattlerei arbeitend, fabriziert der Waadtländer nun auch
Lederaccessoires, Gepäckstücke, arbeitet
für die Segelschifffahrt und nimmt auch
Spezialaufträge entgegen.
So hat er für einen MG-Oldtimer einen
Koffer für auf die Heckklappe hergestellt.
Schuhe fabriziert er keine, aus dem einfachen Grund, weil sich die Gelegenheit dazu
nicht ergeben hat. «In der Schweiz gibt es
keine Ausbildung für Massschuhmacher.
Man legt hier den Akzent auf seriöse, sorgfältige Arbeit. Stil und Ästhetik kommen
erst in zweiter Linie», weiss er um hiesige
Schuhmacherkunst, um fortzufahren, «die
Armee besitzt eine einzigartige Tradition in
der Schuhmacherei – sie liefert solide, gut
gemachte und dauerhafte Produkte, kümmert sich aber nicht ums Aussehen. Wir
haben nicht die gleiche Kultur des Schönen wie beispielsweise Frankreich und
Deutschland.»
Olivier de Mestral stellt keine Schuhe her,
aber er sammelt sie. «Ich liebe deren Zeitlosigkeit. Schuhe sind unsere Verbindung
zur Erde. Oder wie man so schön sagt, wie
beschuht, so läuft man.» Er ist stolzer Besitzer von etwa 45 Paaren, 30 davon trägt
er eigentlich nie. «Ich kaufe sie aus purer
Sammlerleidenschaft. Sie gefallen mir, weil
sie einen Markstein in der Geschichte der
Massschuhmacherei darstellen oder weil
sie mit einer einzigartigen Technik produziert und genäht wurden.»
Farblich liebts der Schuhliebhaber eher
traditionell – braun, schwarz, manchmal
bordeaux. Er bevorzugt klassische Formen, die keiner Mode unterworfen sind.
«Calceophil ist eine Wortschöpfung, die
die Liebe zu schönen Schuhen bezeichnet und die nichts mit Fetischismus zu
tun hat», präzisiert Olivier de Mestral, der
sich noch sehr gut an seine ersten Church erinnert, seine Leidenschaft. «Sie gehörten meinem Vater. Ich war etwa fünfzehn und habe sie wochenlang poliert.»
Sie sind immer noch Teil seiner Kollektion, die hochpreisige Labels wie Weston,
Edward Green, Maxwell, Anthony Delos,
Pierre Corthay und viele andere mehr
umfasst. Und man beginnt die Freude an
kostbarem, teurem Leder zu begreifen.
«Kostbar ja, teuer nein, ich bestehe auf
dieser Unterscheidung. Wenn ein Bottier
für ein Paar Schuhe 4000 Fr. verlangt,
die aus besten Materialien von besten
Arbeitskräften hergestellt wurden, die
vielleicht vierzig bis fünfzig Stunden daran gearbeitet haben, dann ist das nicht
teuer, sondern ein korrekter Preis. Wahrscheinlich kann er damit nicht mal seine
Kosten decken.» |
www.olivierdemestral.ch
Finanz und Wirtschaft LU X E | 57
Fotograf: Marc Ninghetto
Post-Produktion: Karim Nassar
Haare & Make-up: Francis Ases
Styling: Pascale hug
Models: Ben, Manuela & Melanie
@UnitedModels
AD: Francesca Serra & Emmanuel Grandjean
STILDUELL
DIE GESCHWUNGENEN LINIEN IM ROLEX
LEARNING CENTER IN LAUSANNE SIND DAS
TERRAIN DER KONFRONTATIONEN: SCHWARZ
GEGEN WEISS, RATIO GEGEN EMOTION.
ER
Anzug und Hemd: Dries Van Noten
Schuhe: Bally
Uhr: ROLEX Oyster Perpetual
Submariner Date, Stahl
SIE
Seidenhemd: Chanel
Reithose und Gürtel: Jean Paul Gaultier
Schuhe: Fendi
Uhr: ROLEX Oyster Perpetual Datejust
Lady 31, Everose-Gold,
Lünette mit 24 Brillanten
SIE
Kleid: Bally
Body: La Perla
Pelz: Bally
Uhr: ROLEX Oyster Perpetual
Datejust Lady 31, Everose-Gold,
Lünette mit 24 Brillanten
ER
Hemd: Balenciaga
Uhr: ROLEX Oyster Perpetual
Cosmograph Daytona,
Everose-Gold
SIE (links)
Kasack: Alexander McQueen
SIE (rechts)
Cape: Fendi
Short: Miu Miu
Uhr: ROLEX Oyster Perpetual Datejust,
Rolesor-WeissGold, Lünette mit 46 Brillanten
SIE
Gilet: Simonetta Ravizza
Gürtel: Jean Paul Gaultier
Uhr: ROLEX Oyster Perpetual
Datejust Special Edition,
Weissgold, Lünette,
Zifferblatt
und Armband
mit Diamanten
Hemd: Dior
Hose: Jean Paul Gaultier
Schuhe: Bally
Gürtel: Firma
ER
Hose: Neil Barrett
Rollkragenpullover: Dior
Uhr: ROLEX Oyster
Perpetual Day-Date II,
Platin, Ice-Blue-Zifferblatt
W E B K U N S T | S AVO I R FA I R E | von Konrad Koch - Fotos: Vera Hartmann
Traumstoff
ORGANZASEIDE, KASCHMIR UND
YANGIR, DAS GOLDENE VLIES
ZENTRALASIENS: IN BESTER MANUFAKTURTRADITION VERARBEITET
DIE WEBERIN KAROLA KAUFFMANN
NATURGARNE ZU TEXTILEN KOSTBARKEITEN, DIE IN IHRER EINZIGARTIGKEIT KLEIDUNGSOBJEKTE
UND KUNSTWERKE IN EINEM SIND.
66 | Finanz und Wirtschaft LU X E
R
aunende heissen sie, die germanischen Schicksalsgöttinnen. Von Göttern und Elfen sollen sie abstammen, die
Nornen, die den Lebensfaden der Menschen zum Schicksalsnetz verweben.
Feenkleid nennt denn auch Karola Kauffmann das Kinderkleid, das in einem Stück
gewoben ist. Es ist aus Organzaseide, ein
Hauch nur, luzider Nebelschleier, wie sie
diesen regenschweren Sommer über dem
Moorteich vor ihrer Werkstatt hangen.
Der Weg zur Weberin ist eine Reise in
Mythen. An der Strasse von Laufenburg in
den Hochschwarzwald führt am Dorfende
des deutschen Hottingen eine unscheinbare Abzweigung wenige hundert Meter weiter in einer Waldlichtung zu ihrem
Haus, direkt an der Murg, die tief unten in
den Rhein mündet. Was die Raunenden er-
zählen, muss an einem solchen Ort zu Geschichten verwoben worden sein.
Selbst die Seide für ihren Organzastoff
hat eine Geschichte. Gekauft hat sie die
Seidenspulen von einem Händler, der sie
aus einem gesunkenen Handelsschiff geborgen hatte. Was keine Weberei zu verarbeiten wagte, ist die langsam zur Neige
gehende Prima Materia ihrer Arbeit.
SEIDE UND MYTHEN
Schwer sei es, erzählt sie, Garn und Zwirn
von solcher Qualität zu finden, wie sie sie
für ihre Stoffe brauche. In der Schweiz gibt
es keine einzige Spinnerei mehr, Grossisten
nur noch wenige. Sie hütet denn auch ihren
Fundus von Kisten voller Spulen der einstigen Seidenzwirnereien Dürsteler und Zwiki wie ihren Nibelungenschatz. Immer auf
der Suche, kann gar Industrieabfall veredelt
werden. In einen Seideni Waldidyll an
stoff hat sie kupferne Wider Murg: Karola
ckeldrähte von ElektroKauffmann in
motoren zusammen mit
einem von ihr
Goldfäden eingearbeitet.
entworfenen
Es ist oft der Zufall
Organza-Kleid.
des Materialfindens, der sie inspiriert, beschreibt sie ihre Arbeitsweise und greift
einen Schal, der in den Farben Schwarz
und Gold fliesst wie die Murg im Sonnenlicht. Erst aus der Widerspenstigkeit der
Garne, die Kette aus Seide, der Schuss aus
feinstem Kaschmir und grober Rohseide,
ergab sich ein Gewebe, das atmend sich
ausdehnt und wieder zusammenzieht. Zu
einem bäurischen Stoff verwoben hat sie
Leinen aus Wien und Leipzig von 1880,
die sie in einem Lager entdeckt hatte. Viele ihre Arbeiten sind wie Bilder, gar Objekte, die nicht nur getragen werden können als Schal oder Kleid, sondern sich an
die Wand hängen oder im Raum aufstellen lassen. Verständlich, dass einige als
zeitgenössische Kunst von Sammlungen
angekauft wurden.
KUNST UND HANDWERK
Es ist eine alte Handwerkstechnik, die
sie auf ihren manuellen Webstühlen immer wieder neu interpretiert. Das Webmuster entsteht durch die Verkreuzung
von Kette und Schuss, der Bindung. Die
Kettfäden sind die auf dem iImpressionen
aus dem
Kettbaum aufgewickelten,
Webatelier
in Längsrichtung gespannten Träger des Stoffes. Gehoben und gesenkt wird zwischen den Kettfäden der
Schussfaden mit einem Schiffchen oder
von Hand eingetragen.
Drei Bindungen sind das Fundament,
aus denen sich alle Muster ableiten. In
der einfachsten Form, der Leinwandbindung, wird der Schussfaden abwechselnd über und unter den Kettfäden geführt. Der Stoff sieht auf beiden Seiten
gleich aus. Geht der Schuss unter einem
Kettfaden durch und dann über mindestens zwei Ketten hinweg und so fort, wobei der nächste Schussfaden den Rhythmus verlagert, entsteht ein diagonales
Muster, die Köperbindung. Bekannteste Reliefmuster sind der Diamantköper
und der Fischgratköper. Die beiden Seiten des Stoffes sind dabei unterschiedlich. Die Atlasbindung liefert Stoffe, deren
Oberfläche das Licht irisierend spiegelt.
Erreicht wird dieser Effekt, der der Damastseide ihren glanzvollen Auftritt ver-
schafft, indem der Schussfaden erst unter
einer Kette hindurch und dann über mehr
als zwei hinweg geht.
Mit den drei Grundbindungen lassen
sich auf der Klaviatur des Webstuhls alle
Musterakkorde spielen. Zu einer stummen Kollage hat Karola Kauffmann vor
über zwanzig Jahren gar Magnetbänder aus Tonbandkassetten, bespielt mit
Pink-Floyd-Konzerten, Vorträgen von
Baghwan und Heidi-Hörspielen, verwoben. Grün bis anthrazit schillert der Diamantköper des Ton-Rocks.
In den Anfangsjahren ihrer schon fast
dreissigjährigen Schaffenszeit hat sie die
Arbeit, den Webstuhl mit den bis zu 3400
Kettfäden einzurichten, als furchtbar
empfunden. Heute ist für sie die teilweise wochenlang dauernde Arbeit, Ketten
aus Seide, Kaschmir oder Leinen in bis zu
100 Meter Länge zu machen und am Kettbaum aufzuwickeln, zu einer meditativen
Vorbereitungsphase geworden. «Ein Augenblick der Vorfreude», wie sie sagt.
Gelassenheit hat sie auch Fehlern gegenüber entwickelt. Aus ihnen entsteht
Finanz und Wirtschaft LU X E | 67
TA U C H E R U H R E N | WA S S E R D I C H T
W E B K U N S T | S AVO I R FA I R E
« Jeder Stoff ist einmalig und ist dadurch
die Substanz gewordene Definition für Luxus. »
immer Neues. Bewusst macht sie Musterbrüche, um Spannung und Irritation aufzubauen. Was dabei wie Verläufe in der
Färbung aussehen kann, sind fliessende Übergänge von Leinwandbindung zu
Köperbindung. Stoffe, die schwer von
der Optik wirken, können federleicht
zum Tragen sein. Edelstes Material –
und in aller Bescheidenheit einzige Weberin, die es verarbeiten kann – ist dabei
das Haar des Mongolischen Steinbocks,
des Yangirs. Bis zu vier Tage webt sie an
einem Schal aus dieser Kostbarkeit.
68 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Es gibt jedoch keine zwei Stoffbahnen,
die gleich sind. «Ich will nichts wiederholen», rechtfertigt sie die Einmaligkeit ihrer Arbeit; auch Auftragsarbeiten
macht sie nicht. Jeder Stoff ist dadurch
die Substanz gewordene Definition von
Luxus: von bester Materialqualität in
vollendeter Arbeit ausgeführt – ein Unikat eben, das seinen berechtigten Preis
hat. Ein Yangirschal kostet bis zu 4000
€. Kaufen kann man ihre Arbeiten im
Atelier oder an Vernissagen und Ausstellungen. «Stoffe sind unsere zweite
Haut», philosophiert Karola Kauffmann,
«und sie zeigen, wie wir wahrgenommen werden wollen.» Ihre haben ein besonderes Label, das der Schönheit und
der Individualität. |
Information und Adresse
unter www.karolakauffmann.ch.
Ab dem 5. Oktober sind an
der Triennale im Museum
für Angewandte Kunst
in Frankfurt Arbeiten von
ihr ausgestellt.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 69
U H R E N | W E LT Z E I T | von Michel Jeannot - Illustration: Nicolas Zentner
Der Jetlag
der Uhrmacher
WIRD MAN EINEN TAG ÄLTER, WENN MAN VON SAMOA NACH
TONGA REIST, ODER JÜNGER IM UMGEKEHRTEN FALL? DIE BEIDEN
INSELGRUPPEN TRENNEN ZWAR NUR 950 KM, DER ZEITUNTERSCHIED
BETRÄGT ABER 23 STUNDEN UND ILLUSTRIERT DIE KOMPLEXITÄT
DER WELTZEITGEOGRAFIE.
D
ie Inselgruppe Tonga und die Samoa-Inseln im Südpazifik sind nur
950 km voneinander entfernt. Aber wenn
die Bewohner auf Samoa am Sonntagmorgen aufwachen, starten die Tongaer
schon in die Arbeitswoche. Die internationale Datumsgrenze zerschneidet den
Pazifik in zwei Teile und verläuft exakt
zwischen den beiden Ländern. Im Osten
gilt die Tonga-Zeitzone (+12 Stunden in
Relation zur Universal Time Coordinated, UTC), im Westen die Samoa-Zeitzo-
pDie Tambour
von Louis Vuitton verbindet die
Zweizonenfunktion mit
der Poesie des
MinutenRepetierwerkes.
ppPatrimony
Traditionelle
World Time von
Vacheron
Constantin: die
einzige Uhr, die
die 37 Zeitzonen
der Welt anzeigt.
70 | Finanz und Wirtschaft LU X E
ne (–11 Stunden in Bezug zur UTC). Die
gleichzeitig mit den Zeitzonen geschaffene Linie verläuft ungefähr dem Antipoden-Meridian von Greenwich entlang
und durchquert eine der wirtschaftlich
ärmsten Regionen der Welt.
An der Internationalen Meridiankonferenz im Oktober 1884 in Washington D.C. wurde die Erdoberfläche in 24
Stundenzonen von je 15 Längengraden
eingeteilt mit dem Greenwich-Merdian
(Längengrad 0) als Ausgangspunkt. Das
System wurde in der Folge bald von den
meisten Ländern übernommen. Aus einleuchtenden Gründen hat jedes Land
den Wunsch, die Zeit in seinem Gebiet
zu vereinheitlichen und legt eine einzige
gesetzliche Zeit fest. Diese ist auch dann
gültig, wenn einige seiner Gebiete leicht
in die benachbarte Zeitzone hineinragen. So etwa in Frankreich mit dem im
äussersten Osten liegenden Elsass und
Korsika. Während Länder mit grosser
Ost-West-Ausdehnung sich über meh-
rere Zeitzonen erstrecken, gehören beispielsweise China oder Indien nur einer
einzigen Zeitzone an, wodurch im ganzen Land die gleiche Zeit gilt. In dieser
überaus breiten Zone steht die Sonne im
Westen um 15 Uhr, im Osten um 11 Uhr
im Zenith.
JEDEM LAND SEINE EIGENE ZEIT
Die meisten grossen Länder (USA,
Russland, Brasilien, Australien usw.)
sind willkürlich mehreren Zonen zuge-
ferenz zur koordinierten Weltzeit. Wenn
also in Zürich die Mittagsglocken läuten
(Sommerzeit), ist es in Kabul 14.30 Uhr
und in Katmandu 15.45 Uhr. Eine der
jüngsten Zeitzonenänderungen hat Präsident Hugo Chavez eingeführt, der im
Dezember 2007 beschloss, die venezolanische Standardzeit um 30 Minuten zurückzustellen.
Für die Uhrmacher eröffneten sich mit
der Aufteilung unseres Planeten in Zeitzonen viele neue Horizonte, aber die
–An der Internationalen Meridiankonferenz
1884 wurde die Welt in 24 Stundenzonen mit
dem Nullmeridian in Greenwich eingeteilt.–
ordnet, um so eine zu beträchtliche Differenz zwischen der gesetzlichen und
der Sonnenzeit möglichst zu verringern.
Während die Mehrheit der Länder die
westliche Aufteilung übernommen hat,
gibt es im Osten noch solche, die ihre eigene Zeitrechnung regeln. Unter ihnen
Indien, Afghanistan oder der Iran, die in
Bezug zu ihrer jeweiligen Zeitzone eine
halbe Stunde Differenz haben. Andere
wiederum wie etwa Nepal gehen noch
weiter und haben eine Viertelstunde Dif-
landesspezifischen Ausnahmen machen
ihr Handwerk komplizierter. Viel Innovations- und Erfindergeist ist erforderlich, um immer komplexere Systeme zu
entwickeln, damit die Uhren zwei, drei,
vier und mehr Zeitzonen anzeigen können und so den Bedürfnissen der mobilen Gesellschaft entsprechen.
Das einfachste System, gleichzeitig
zwei Zonen anzuzeigen, ist ein zweiter
Stundenzeiger im Zentrum des Zifferblattes, der sich in Form und Farbe von
den anderen unterscheidet. Die 1955 vorgestellte Rolex Oyster Perpetual GMTMaster ist und bleibt die symbolträchtigste dieser Kategorie. Dem gleichen Geist
verpflichtet ist die besonders anwenderfreundliche Zweizonen-Uhr von Ulysse Nardin mit dem in den 1990er Jahren
patentierten System Dual Time, einer mit
der Schnelleinstellung der Lokalzeit über
die beiden Drücker (+) und (–) überaus
intelligenten Technik. Das neue Modell
Executive Dual Time basiert auf diesem
Konzept, allerdings wurde der zweite
Zeiger durch ein Fenster bei 9 Uhr ersetzt.
Bei manchen Zeitzonenuhren steht der
zweite Stundenzeiger nicht mehr zentral
auf dem Zifferblatt, sondern dreht sich
in einem kleinen Zusatzfenster. So gesehen bei der neuen Portofino Dual Time
von IWC, die die zweite Zeitzone auf dem
Zähler bei 12 Uhr anzeigt. Weniger konventionelle Modelle haben für jede der
beiden Zeitzonen ein eigenes Zifferblatt.
Die Manufaktur Jaeger-LeCoultre nutzt
die Vorteile ihres berühmten Drehgehäuses geschickt für die Reverso Grande
GMT. Auf der Vorderseite liest man die
kleine Sekunde, Grossdatum und Tag-/
Nachtanzeige, auf der Rückseite Stunden,
Minuten der zweiten Zeitzone, 24-Stunden-Anzeige, Gangreserve von 8 Tagen
und Zeitverschiebung in Bezug auf die
Finanz und Wirtschaft LU X E | 71
U H R E N | W E LT Z E I T
international
gültige GMT. Mit den beiden Rücken an Rücken
sitzenden Zifferblättern und dem einzigen
Uhrwerk macht das legendäre Jaeger-LeCoulte-Kaliber 878 grosse Zeitsprünge
möglich.
fZwei Zeiten, ein
Werk: Reverso
Grande GMT, der
Klassiker von
Jaeger-LeCoultre.
TÖNENDE GMT
Statt mit Zeigern können auch mit
Scheiben und Fenster oder deren Kombinationen die verschiedenen Zonenzeiten
dargestellt werden. Bei bestimmten Modellen sind die 24 Referenzmetropolen
auf einer Drehlünette oder einem drehbaren Zifferblattring angezeigt. Die Lange 1 Zeitzone von A. Lange & Söhne ist mit
zwei Zifferblättern mit Stunden-Minutenzeigern und Tag-/Nacht-Indikation ausgestattet. Die Heimzeit wird normalerweise auf dem Hauptzifferkreis angegeben.
Durch Betätigen des Zeitzonen-Drückers
weist der Zeiger auf die gewünschte Stadt
auf dem Städtering, synchron dazu springt
auch der Stundenzeiger der Zonenzeitanzeige weiter. Im Weiteren besteht die
Möglichkeit, statt der Heimzeit die Lokalzeit auf dem grossen Zähler anzuzeigen
und mit der brevetierten Grossdatumsanzeige zu synchronisieren.
RUND UM DIE WELT MIT 37 ZEITZONEN
Von Innovation zeugt auch die jüngste Tambour von Louis Vuitton. Via Koppelung der Zeitzonenfunktion an das Minuten-Repetierwerk ertönt die Heimzeit.
Das komplexe KafZweite Zeitzone
liber ist ein erneudezentral auf 12 Uhr
der Portofino Dual Time ertes Konzept des
GMT-Zeitmessers,
von IWC.
der so eine wunderschön poetische Dimension erhält. Die
Zeit des «Anderswo» (wo man sich gerade
befindet) wird mit normalen Zeigern angezeigt, während das «Hier» (Heimzeit)
im Fenster im Zentrum des Zifferblatts
erscheint. Bei Aktivierung des MinutenRepetierwerks gibt das Läutwerk mit tiefen und hohen Tönen die Zeit zuhause an.
Die Angabe der Zeit in zwei, drei und
gar vier Zeitzonen ist an sich schon eine
bemerkenswerte technische Leistung,
noch beeindruckender sind die sogenannten Welt- oder Universalzeituhren, die in
72 | Finanz und Wirtschaft LU X E
den 1930er Jahren vom Genfer Uhrenmacher Louis Cottier entwickelt pLange 1
wurden. Diese sind in der Lage, Zeitzone von A.
gleichzeitig die Zeit in mindes- Lange & Söhne:
zwei zusätzliche
tens 24 Zeitzonen anzuzeigen. Zifferblätter
Die symbolträchtigste Weltzeit- mit Stunden-/
uhr ist zweifellos die Patek Phi- Minutenzeiger
lippe Referenz 1415. Ein Mo- und Tag-/
dell in Platin aus dem Jahr 1946 Nachtanzeige.
wechselte 2002 an einer Auktion von Antiquorum für 6,6 Mio. Fr. den
Besitzer. Ein Weltrekord für eine Armbanduhr.
Auch im Genfer Uhrmacherhaus
Vacheron Constantin haben pDie Weltzeituhr
Weltzeituhren eine lange Tra- Ref. 1415 von
dition. In Zusammenarbeit mit Patek Philippe
erzielte 2002 an
Louis Cottier entwickelte die einer Auktion von
Manufaktur ab den 1930er Jah- Antiquorum den
ren diese technischen Wunder- Rekordpreis von
werke. Dieses Jahr präsentierte 6,6 Mio. Fr.
Vacherin Constantin die ebenfalls von Louis Cottier inspirierte Patrimony Traditionelle Worldtime. Diese zeigt
die Ortszeiten aller 37 Weltzeitzonen an
und damit nicht nur die vollen Stunden,
sondern auch jene, die um eine halbe oder
Viertelstunde von der benachbar- pDie Rolex
ten Zeitzone differieren.
Oyster PerDieses Glanzstück ist das kom- petual GMTplexeste seiner Art. Es informiert Master II ist die
auch über die Zeitzone des Sa- symbolträchtige
Uhr mit zweiter
moa-Archipels, der jetzt noch Zeitzone.
östlich der Datumsgrenze liegt,
wo aber gemäss Entscheidung des Premierministers Tuilaepa Sailele Malielegaoi ab Ende 2011 das gleiche Datum gültig sein soll wie auf den vier benachbarten
Tonga-Inseln. Ziel ist es, sich den westlichen Wirtschaftspartnern zu nähern.
«Wir treiben Handel mit Neuseeland und
Australien und verlieren jeweils zwei
Geschäftstage pro Woche», er- pAnwenderklärt der Regierungschef den Be- freundlich:
schluss. Über die Neuerung sind Ulysse Nardin
nicht alle Inselbewohner glück- und das patenlich, die sich bisher rühmten, an tierte System
einem der wenigen Orte der Welt Dual Time.
zu leben, wo die Sonne am spätesten untergeht. Dafür werden sie am 1. Januar
2012 unter den Ersten sein, die die Sonne aufgehen sehen. Gleichzeitig bescheren sie mit ihrem 23-Stunden-Sprung
der Uhrenindustrie eine neue Knacknuss. |
ZONENZEITEN IN ABWEICHUNG
ZU DEN VOLLEN STUNDEN
Referenz GMT
– 9 h 30: Polynesien: Marquisen-Inseln
– 4 h 30: Venezuela (seit 2007)
– 3 h 30: Kanada: Neufundland
und Labrador
+ 3 h 30: Iran
+ 4 h 30: Afghanistan
+ 5 h 30: Indien, Sri Lanka
+ 5 h 45: Nepal
+ 6 h 30: Kokosinseln; Myanmar (Birma)
+ 8 h 45: Westaustralien Eyre Highway
(Central Western Time)
+ 9 h 30: Zentralaustralien (Australien
Central Standard Time)
+ 10 h 30: Australien: Lord-Howe-Inselgruppe
+ 11 h 30: Norfolk-Inseln (Norfolk Time: NFT)
+ 12 h 40: Chatham-Inseln (Neuseeland)
RUSSLAND SCHAFFT
DIE WINTERZEIT AB
D Ölkrise 1974 veranlasste die Europäische
Die
U
Union dazu, für alle Mitgliederländer die
Sommerzeit einzuführen, denn Energiesparen
war angesagt. Um Transport, Kommunikation
und Austausch innerhalb der EU zu erleichtern,
legten Parlament und Rat die verbindlichen
Daten fest. Seit 1998 schalten alle EU-Länder
am letzten Märzsonntag um 2 Uhr morgens
auf die Sommerzeit, die Winterzeit beginnt
am letzten Sonntag im Oktober um 3 Uhr. Zu
Beginn der Sommerzeit wird die Uhr von 2 Uhr
auf 3 Uhr um eine Stunde vorgestellt. Am Ende
der Sommerzeit geht’s dann wieder eine Stunde
zurück. Ab diesem Jahr hat der russische Präsident Dmitri Medvedev beschlossen, von nun an
auf die Zeitumstellung zu verzichten. Begründet
wurde die Massnahme mit Gesundheitsargumenten. «Wie gewohnt stellen wir im Frühling
und im Herbst die Zeit um, und wie gewohnt
beklagen wir uns darüber. Denn die Umstellung
bringt den menschlichen Biorhythmus durcheinander, und das irritiert.» Damit nimmt Russland
in Zukunft in Europa eine Sonderstellung ein.
Da in der Europäischen Union weiterhin die
Sommer- bzw. Winterzeit gelten wird, beträgt
also in Zukunft der Zeitunterschied zwischen
Mitteleuropa und dem europäischen Russland
im Winterhalbjahr drei Stunden, im Sommer wie
gehabt zwei Stunden.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 73
H A U T E H O R LO G E R I E | C A R T I E R A R T T I M E | von Michel Jeannot
Der Juwelier
der Uhrmacher
DAS SCHMUCK- UND UHRENHAUS CARTIER PRÄSENTIERT IN ZÜRICH
EINE GANZ DER UHRMACHERKUNST GEWIDMETE AUSSTELLUNG.
I
n der Haute Horlogerie ist Cartier
eine der derzeit aktivsten Marken. Sie
gehört zusammen mit Rolex und Omega
zu den drei Schweizer Giganten der Uhrmacherei, geniesst aber vor allem auch
aufgrund ihrer Juwelierkunst, Lederwaren und Accessoires hohes Ansehen.
Auf diesem Image will Cartier aufbauen, nicht zuletzt mit seiner ersten
exklusiv der hohen Uhrmacherkunst
gewidmeten Wanderausstellung im Museum Bellerive in Zürich. «Cartier Time
Art» macht nach ihrer einzigen europäischen Station auch in den USA und in
Asien Halt.
FEHLENDE LEGIMITÄT ERWERBEN
Die vom japanischen Designer Tokujin Yoshioka inszenierte Ausstellung
«Cartier Time Art» vereint die grösste Anzahl Cartier-Uhren, die jemals
der Öffentlichkeit gezeigt wurden. Insgesamt 158 historische Uhren aus der
Cartier-Sammlung und 17 moderne Uhren (sowie 10 aktuelle Uhrwerke und
Einblicke in das Know-how der Kunst-
handwerker) können in Zürich bewunndert werden.
es
Die Cartier-Sammlung als sichtbares
er
Vermächtnis der Marke wurde seit der
rt.
Gründung im Jahr 1983 stetig erweitert.
le
Sie enthält heute ungefähr gleich viele
re
Uhren wie Schmuckstücke und andere
in
Objekte. Pascale Lepeu, die Kuratorin
t,
der Ausstellung, hat Stücke ausgewählt,
ft
die von der kreativen Schaffenskraft
avon Cartier im Bereich der Uhrenmaie
cherkunst zeugen, wie zum Beispiel die
ge
bisher in diesem Ausmass einzigartige
Auswahl «geheimnisvoller» Uhren.
ät
Trotz der unbestrittenen Kreativität
lliess Cartier ihre Uhrwerke und vollmständigen Kreationen lange von namrhaften Manufakturen wie etwa Jaegerte
LeCoultre herstellen. Historisch fehlte
iCartier deshalb die volle Legitimität einer Uhrenmanufaktur. Um diesen Mangel zu beheben, haben die Richemont
Gruppe, zu der Cartier gehört, und die
Geschäftsführung von Cartier mit dem
Vorstandsvorsitzenden Bernard Fornas
beschlossen, hauseigene, hochkomplexe
Fotos: Cartier
Cartier Art Time
bis 6. November 2011
Museum Bellerive
Höschgasse 3, Zürich
043 446 44 69
www.museumbellerive.ch
Offen:
Di-So: 10 bis 17 Uhr
Do: 10 bis 20 Uhr
74 | Finanz und Wirtschaft LU X E
und bahnbrechende Uhrwerke zu entwickeln. So hat sich die wirkungsvolle Geschäftsmaschinerie Cartier in wenigen
Jahren zu einer der kreativsten Marken
der hohen Uhrmacherkunst gemausert.
ZEHN NEUE UHRWERKE
Heute beschäftigt Cartier Horlogerie an sieben Schweizer Standorten fast
1700 Mitarbeitende. 1000 davon sind allein in der Manufaktur in Crêt-du-Locle
tätig. Carole Forestier-Kasapi, die Chefin der Werkkonstruktion bei Cartier
(und einzige Frau in einer derartigen
Position in der Uhrenbranche) leitet ein
30-köpfiges Entwicklungsteam sowie
ein Dutzend weitere Mitarbeitende in
der Forschung und Entwicklung, die an
einer langfristigeren Vision arbeiten.
Die Haute-Horlogerie-Sammlung von
Cartier wurde in den letzten vier Jahren stark ausgebaut. Neben zehn modernen Uhrenmodellen kamen auch Uhrwerke für seltene Damenuhren hinzu.
Ausserdem hat die Manufaktur Cartier
ihr eigenes Automatikwerk, das Kaliber
1004MC, entwickelt und damit ihre Ambitionen in der hohen Uhrmacherkunst
einmal mehr deutlich gemacht. Die Ausstellung «Cartier Time Art» im Museum
Bellerive inZürich ist ein eindrücklicher
Beweis dafür. |
Finanz und Wirtschaft LU X E | 75
S T I L | Z U B E S U C H | von Konrad Koch - Foto: Dominic Büttner
Willkommen bei
Hannes B.
ER IST DER DOYEN DER SCHWEIZER MÄNNERMODE. SEIT ÜBER 40 JAHREN ENTWIRFT HANNES BÜHLER IN SEINEM ATELIER IN ZÜRICH JÄHRLICH
EINE SOMMER- UND EINE WINTERKOLLEKTION, JEDES MAL ANDERS UND
IMMER ERKENNBAR MIT DER HANDSCHRIFT VON HANNES B.
«D
f Der Mode-Champ
in seinem Atelier:
Das Markenzeichen
von Hannes B.
ist der Boxer.
Im Hintergrund
sichtbar auf der von
ihm entworfenen
Tragtasche.
er Winter wird unglaublich
schön!» Es ist nicht die Aussicht
auf Schnee, es ist seine Kollektion Winter 2011/12, die Hannes Bühler in seinem Atelier so euphorisch stimmt. Orientalische Impressionen nennt er sie.
Verarbeitet hat er darin Kaschmir, Seide, Baumwollstoffe, feinstes Ziegenleder. Die Schnitte sind inspiriert von seiner Reise durch Rajasthan letztes Jahr.
Fotografiert hat er sie für den Katalog in
einem maurischen Grand Hotel in Marrakesch.
«Ich lasse mich schnell entflammen»,
rechtfertigt der durch Stile und Kulturen
Reisende seine Begeisterungsfähigkeit
und greift nach dem Katalog der letzten
Sommerkollektion. Farben und Muster
von rousseauschem Tropenfieber. Entstanden ist sie nach einer Reise durch
Indonesien, auf der er Stoffe eingekauft
habe wie im Rausch.
Sein Atelier hat der beständigste der
Schweizer Modeschöpfer nur wenige
Schritte von seinem Laden im Zunfthaus zur Meisen in einem Altstadthaus
am Münsterhof in Zürich. Der Stundenschlag von St. Peter vibriert in der
Schneiderstube, von der man auf die
Fraumünster-Kirche blickt. Den Lichtwurf ihrer Chagall-Fenster glaubt man
auf dem Arbeitstisch zu sehen, ob der
Farbenpracht der Stoffmuster und der
Lebendigkeit der Skizzen.
Aufgewachsen ist Hannes Bühler in
Chur. Dass er neben seiner schöpferischen Natur eine gesunde merkantile
Haltung hat, verdankt er dem Beharren
seines Vaters, erst einen seriösen Beruf
zu lernen. Er macht eine Lehre als Kaufmann, bevor er sich an der Kunstgewerbeschule Basel zum Damenschneider
ausbilden liess. Sein Handwerk vervollkommnete er dann im Haute-CoutureHaus von Hubert de Givenchy in Paris.
Da wurde ihm beigebracht, was Qualität
der Stoffe und der Verarbeitung heisst.
LEHRJAHRE BEI GIVENCHY
1969 kehrte er nach Zürich zurück.
«Ihre Knopflöcher sind zu teuer, Herr
Bühler», hiess es von der Direktion des
Damenkonfektionshauses in Zürich, für
das er als Modelist arbeitete. Was blieb
ihm anderes übrig, als sich selbständig zu
machen? Weil mit Haute Couture an ein
Auskommen in der Zwinglistadt nicht zu
denken war, entschied er sich für Prêt-àporter-Männermode.
Sakes Fifth Avenue in New York gehörte zu seinen Abnehmern, er träumte
von Amerika. Doch gegen den Zerfall des
Dollars von 4 auf unter 2 Fr. war auch
mit Kreativität nicht anzukommen.
Ich bin nicht der Typ fürs grosse Geschäft, gestand er sich ein. Statt Filialen in Paris und Mailand mietete er sich
an der Wühre 1 im Untergeschoss des
Zunfthauses zur Meisen eine Lokalität.
Was befristet auf wenige Jahre begann,
ist seit über 40 Jahren eine der ersten
Adressen für Männermode in Zürich.
So grossartig kann Bescheidenheit
sein, dass er heute in opulenten Materialien für seine Kollektion schwelgt. Ein
Finanz und Wirtschaft LU X E | 77
STIL | ZU BESUCH
Sakko aus Baumwolle und Seide aus der
kommenden Winterkollektion heisst mit
Recht Maharadscha.
Verziert ist es mit fünf
Knöpfen aus Diamanten und Rubinen. Eingekauft hat er mehrere Etuis davon auf seiner Indienreise bei
einem Juwelier in Jaipur. Massgeschneidert kostet das Jackett rund 8000 Fr.
Indische Stilelemente ziehen sich
durch die ganze Winterkollektion, von
Jodphur-Hosen in erdfarbenem Ziegenleder, eng geknöpft an den Waden und
bequem weit an den Oberschenkeln,
über Hemden mit Stehkragen bis zu seinen Klassikern, den Bademänteln, jetzt
mit Kaschmirmotiven. Es wird ein taillierter Winter werden. Doch schmaler
geschnitten kann die Männermode nicht
mehr werden, bereits zeigen sich erste
cabana. So heiss findet
er die Stoffe.
Doch das Diktat
der Modefabrikation
verlangt, dass er sich
bereits Anfang Oktober mit den Musterkollektionen der
Stoffhersteller
für
den Winter 2012/13 beschäftigen muss.
Und als ob er nicht genug Verpflichtungen in seiner Agenda hätte, will er noch
einen Katalog mit 24 Geschenkideen für
Weihnachten entwerfen. «Wenn Freunde mich fragen, wie lange machst du das
noch mit», erzählt er, «dann sage ich ihnen: Mit der Erfahrung, die ich habe –
ich fange erst richtig an!»
«In Sack und Asche zu
gehen, macht die Welt
nicht besser - aber hässlicher.»
78 | Finanz und Wirtschaft LU X E
ELEGANTE EXTRAVAGANZ
Es ist die Freude an Farben, Mustern
und Stoffen, erklärt Hannes B. seine
Kontinuität, und dass er streng mit sich
Fotos: Hannes B.
Oversize-Kleidungsstücke.
Wer wie er über 40 Jahre im Modegeschäft ist, ahnt Gegenbewegungen voraus. Auf seinem Arbeitstisch sind schon
die Stoffbahnen für die Sommerkollektion 2012. Nur so viel sei verraten, Hannes
B. wird es bunt treiben. An einer Büste ist
ein doppelreihiger Trench abgesteckt, die
Skizzen an den Wänden zeigen Entwürfe für Badehosen und Sommerjacketts.
Noch hat er nicht mal alle Ideen zu Papier
gebracht, da schwärmt Hannes B. schon
von der Location, wo er die Kollektion fotografieren möchte: in Rio, an der Copa-
selbst sei und ambitiös. Noch heute, gesteht er, werde er, wann immer er in Paris sei, vom gleichen Eifer erfasst wie
in seinen Lehrjahren bei Givenchy, mit
den Besten mithalten zu wollen.
Mit farbigen Manchesterhosen und
Pullovern in Neonfarben hat Hannes B.
in den Siebzigerjahren den Zürchern
beigebracht, sich casual zu kleiden. Mit
bunten Gilets und gemusterten Innenfuttern in den Sakkos zeigte er ihnen,
wie tragbar elegant gemachte Extravaganz sein kann. Ein Must in jeder seiner
Kollektionen ist der Smoking, diesen
Winter indisch mit Edelsteinköpfen.
«Die Männer sind nicht mutiger geworden», beschreibt er die modische Entwicklung des Schweizer Mannes über
die letzten Jahrzehnte, «aber modebewusster.»
Die Regeln, was in der Geschäftswelt
erlaubt ist, haben sich gelockert, pariert
Hannes B. Etikettenfragen. «Ein gut geschnittener Anzug aus leichter Wolle ist
immer perfekt», ist sein Ratschlag für
den gut angezogenen Mann. Entscheidend sind dabei die Details. Pflicht ist
das Einstecktuch. Wenn er aber durch
die Bahnhofstrasse flaniere, falle ihm
immer noch auf, wie viele Männer einen schlecht sitzenden Anzug tragen.
«Das Auto darf viel kosten», spottet er,
«aber beim Anzug wird gespart.» «Es
muss ja nicht immer massgeschneidert
sein», meint er. Aber der Mehrwert, den
Masskleidung biete, wiege den höheren
Preis auf. «Ich bin auch nicht jeden Tag
euphorisch», gesteht er. Doch wenn er
sich am Morgen von seiner Stadtwohnung zu Fuss auf den Weg ins Atelier
mache, «dann gibt mir das Wissen, gut
angezogen zu sein, Sicherheit für den
Tag». Und weil er um die tiefere Kraft
guter Kleidung weiss, nimmt er auch
gleich die Antwort vorweg auf die stetige Frage nach der Legitimation von
Mode. «In Sack und Asche zu gehen ob
all der Tristesse dieser Welt, macht diese nicht besser, nur hässlicher.»
Und dann erwähnt er in einer Modewelt, in der heute alles erlaubt ist, doch
eine typische Deutschschweizer Eigenart, die ihn mehr amüsiert als ärgert: die
zu langen Hosenbeine, diese unsäglichen Hosenhandorgeln auf dem Schuhrist. «Selbst Kunden von mir», erzählt
er händeringend, «loben bei der Anprobe massgeschneiderter Hosen Schnitt,
Stoff und Verarbeitung, um dann zu sagen: Aber die Hosenbeine müssen länger sein, Herr Bühler!» |
f Wildlederslippers im
indischen Stil.
p Indianstil: Sakko
aus Baumwoll-Samt,
Seidenhemd mit
Stehkragen zu Hose aus
Seidenshantung.
p Bademäntel sind die
Klassiker von Hannes
B. Orientalische
Impression aus Baumwolle mit Kaschmirmotiven.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 79
SCANNER
WERKZEUG
von Konrad Koch
FÜR HANDWERKER: OBJET D’ART
Für Männer, die genug haben von Elektronikspielzeug
und Touchscreens. Für jede Holzbearbeitung das richtige
Utensil findet sich im Werkzeugkasten der Schreinerei
Wohngeist. Sei’s um Planken auf der Mahagonijacht zu
schleifen, den Keilrahmen des Renoir zu spannen oder die
Schublade aus Rosenholz am Louis-XV-Bureua-plat zu
richten, gutes Werkzeug ist die halbe Arbeit. Schraubenzieher mit Palisandergriffen, Stechbeitel, Wasserwaage,
Gehrungswinkel, japanische Furniersägen, Simshobel mit
extraharter Maracaiboholzsohle, Reibahlen, Schnitzmesser,
Schleifsteine, Zangen und Hämmer, über 100 Gerätschaften finden ihren geordneten Platz in dem handgefertigten
Werkzeugkasten. Aus poliertem Birnbaumholz kostet das
Schmuckstück ca. 12 000 Fr.
Wohngeist, Rheinstrasse 41, 4402 Frenkendorf,
061 272 18 18, www.wohngeist.ch
FÜR OLDTIMER-FAHRER:
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Zeitgenössisches Design für die Wartung
alter Automobilmechanik. Der Werkzeugwagen Assisten 179 vom deutschen
Werkzeughersteller Hazet wurde mit dem
Reddot Design Award ausgezeichnet. Mit
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kostet er ab 6500 Fr.
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und Fixies-Fahrer finden im Professional
Travel & Event Kit vom amerikanischen
Edelwerkzeughersteller Park Tool alles, um
ihr Gefährt in Schuss zu halten. Preis je
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FÜR DEN HERRN:
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Gutes Schuhwerk will gut gepflegt sein.
Das dunkel polierte Luxury Wooden Shoe
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80 | Finanz und Wirtschaft LU X E
K U N S T M A R K T | M Ö B E L | von Christian von Faber-Castell
DER SCHWEIZER KUNSTMARKT
HAT ÜBERRASCHENDE FACETTEN, DIE FÜR SPRACHGEWANDTE
SAMMLER ATTRAKTIVE EINKAUFSCHANCEN BIETEN KÖNNEN. SO
HAT SICH GENF ZU DEM AUKTIONSPLATZ FÜR ZEITGENÖSSISCHES MÖBELDESIGN ENTWICKELT, WÄHREND ZÜRICH DIE
HOCHBURG FRANZÖSISCHER
MÖBELKUNST IST.
K
enner wissen es: Am Kunstmarkt
herrschen zuweilen andere Regeln
als in andern Märkten. Die vertraute Abhängigkeit zwischen Angebot, Nachfrage
und Preis scheint hier zuweilen auf den
Kopf gestellt: Drastische Preiserhöhungen dämpfen hier nicht notwendigerweise die Nachfrage, sondern können sie
sogar kräftig schüren. Um einen 30 Mio.
$ teuren Picasso beispielsweise entbrennt
wahrscheinlich eine heissere Bieterschlacht als um ein nur 3 Mio. $ schweres
Bild dieses Künstlers.
Aber auch die Orte, an denen manche
Spezialgebiete bevorzugt gehandelt werden, können mit dem Kunstmarkt wenig
vertraute Laien überraschen und überlieferte kulturgeografische Grenzen wie
etwa den Röschtigraben zwischen welscher und deutscher Schweiz ausser Kraft
setzen. Ein Beispiel hierfür liefern die
Kunstmärkte von Genf und Zürich.
VERKEHRTE KUNSTWELT
Dass sich die Rhônestadt in den letzten
40 Jahren zu einem weltweit führenden
Markt- und Auktionsplatz für Sammleruhren, Juwelen und Diamanten entwickelt hat, scheint zwar angesichts der
historischen Rolle Genfs als Uhrmacherzentrum ohne weiteres erklärlich. Aber
selbst hier sind die wirklichen Gründe
etwas anders gelagert: Seine erste Niederlassung in der Schweiz, und damit sogar
die erste auf dem Kontinent überhaupt,
82 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Design
in
Genf
Barock
in
Zürich
gründete das Auktionshaus Sotheby’s
nämlich 1969 hauptsächlich aus zolltechnischen Motiven im Zusammenhang mit
einer grossen Juwelenversteigerung, und
zwar – wegen fremdenpolizeilicher und
arbeitsrechtlicher Schwierigkeiten – nicht in Genf, sondern in Zürich.
Erst nachdem Erzrivale Christie’s kurz
darauf diese Schwierigkeiten umschifft
und eine eigene Niederlassung in Genf
errichtet hatte, wechselte Sotheby’s mit
seinen Juwelenversteigerungen einige Jahre später ebenfalls nach Genf. Allerdings
standen dahinter nicht etwa industriegeschichtliche, sondern hauptsächlich sprachliche Gründe. Ein wichtiger Teil der
Oben:
Canapé «Big Easy 2 for 2»
von Ron Arad in poliertem
Edelstahl, Design 1989,
signiert, nummeriert 10/20,
Zuschlagspreis: 146 400 Fr.
(Koller, Genf, 2009; alle Preis
inkl. Käuferaufgeld)
Unten:
Louis-XIV-Kommode von G.
M. Oppenordt mit üppiger
Boulle-Einlegearbeit in
Messing und Schildpatt,
Paris, um 1700, Zuschlagspreis: 549 000 Fr. (Koller,
Zürich, März 2011).
Bilan LU X E | 83
KUNSTMARKT | MÖBEL
damaligen Juwelen- und Luxuskundschaft rekrutierte sich nämlich aus den überwiegend französischsprachigen Ländern
Nordafrikas und des Vorderen Orients.
Auch für Kunstmarktinsider weniger
leicht zu erklären ist dagegen eine andere Röschtigrabenanomalie: Wie kam es
dazu, dass die nüchterne Zwingli-, Banken- und Konstruktivistenstadt Zürich
zu einem international geachteten Auktions- und Handelsplatz für das reiche
Kunsthandwerk des prunkverliebten
Pariser Barocks, Rokokos und Empires
avancierte – und die frankophone Goldemailstadt Genf im Gegenzug zu einem
Marktzentrum für Juwelen, Möbel und
verwandte Designerkunstwerke vom Art
déco bis zum 21. Jh. aufstieg?
1
2
3
4
5
84 | Finanz und Wirtschaft LU X E
1: Louis-XV-Bergkristalldeckenleuchter, Paris,
um 1750, Zuschlagspreis:
235 000 Fr. (Koller,
Zürich)
4 : Imperiales EmpireKombinationskartenpult,
F.-H.-G. Jacob-Desmalter
zugeschrieben, Paris, um
1810, Zuschlagspreis:
292 500 Fr. (Koller, Zürich,
2006)
2 : Louis-XVLacknamenbureau
in blauem «Vernis
Martin», Bernard II
van Riesenburgh zugeschrieben, Paris, um 1755,
Zuschlagspreis:
591 500 Fr. (Koller,
Zürich)
6
5 : Louis-XV-Lackkommode,
von Jacques Dubois, signiert,
Paris, um 1750, Zuschlagspreis: 235 500 Fr. (Koller,
Zürich, 2006)
6 : Venini-Glasparavent von
Fulvio Bianconi, um 1970,
vier Flügel, Breite: 168 cm,
Zuschlagspreis: 20 620 Fr.
(Koller, Genf, 2011)
3: Bemalter Louis-XVIKlappsekretär (Secretaire
à abattant) von Nicolas
Petit, Paris, um 1780, Zuschlagspreis: 925 000 Fr.
(Koller, Zürich, 2007)
7: Bar «Nautilius», Modell
2081, von Gabriella Crespi in
poliertem Messing, signiert,
um 1960er bis 1980er Jahre,
Zuschlagspreis: 26 840 Fr.
(Koller, Genf, 27. Mai 2011)
ANOMALIE DER SCHÖNEN DINGE
Dass dies so ist, spiegelt sich vielleicht
am deutlichsten in den jeweiligen Versteigerungen von Koller Auktionen, das als
grösstes Auktionshaus der Schweiz seine
Auktionsangebote strategisch zwischen
Zürich und Genf aufteilt. Barocke Altmeistermalerei, aber auch französische
Rokokomöbel, Empire-Prunkuhren und
verwandte Zierstücke des 18. und 19. Jh.
versteigern Vater und Sohn Pierre und Cyril Koller jeweils im März und im September in der Limmatstadt. Internationale Designermöbel und weitere dekorative Kunst
des 20. und 21. Jh. von Ron Arad bis Shiro
Kuramata bringt das Auktionshaus jeweils
im Mai und im November in Genf unter
den Hammer.
Auffallend daran ist, dass diese Gebietsaufteilung zwischen Genf und Zürich nicht etwa künstlich vom Auktionshaus Koller eingeführt wurde. Vielmehr spiegelt sie
sich – wenn auch keineswegs in ausschliessender Strenge – auch im nichtversteigernden Kunsthandel der beiden Städte
bis hinauf in den Vorstand der Verbands
Schweizerischer Antiquare und Kunsthändler VSAK.
Seine Präsidentin, Jacqueline Aden
Hürst, unterhält im Herzen des Zürcher
Antiquitätenquartiers an der Kirchgasse
eine geradezu unzürcherisch elegante Galerie für französisches Kunsthandwerk und
Meistermöbel der Pariser Haute Epoque
des 18. und 19. Jh. vom Sonnenkönig Louis
XIV bis hin zu Empire, Diréctoire und Napoleon III. VSAK-Vizepräsident Lionel Latham dagegen führt an der zentralen Genfer Rue de la Corraterie mit seiner Galerie
Latham ein international anerkanntes Spezialgeschäft für dekorative Kunst, Möbel
und Design des 20. und 21. Jh. |
8 : Stuhl «Loop Loop»
von Ron Arad, poliertes
Edelstahlgewebe, signiert
und datiert 1994, aus einer
Edition von 5 Exemplaren,
Zuschlagspreis: 134 200 Fr.
(Koller, Genf, 2009)
7
9
9: Armlehnstuhl «Buddy et
Flappo» von Gerald Poussin,
1986, Einzelstück, Zuschlagspreis: 13 420 Fr. (Koller, Genf,
2009)
10: Liege «Daybed», Modell
PK 80, von Poul Kjaerholm,
1957, Verchromtes Metallgestell und schwarzes Leder,
Zuschlagspreis: 11 590 Fr.
(Koller, Genf, 2010)
8
10
Finanz und Wirtschaft LU X E | 85
C L A S S I C C A R | JA G UA R E -T Y P E | von Konrad Koch
Es ist zwar in den Roaring Twenties
noch kein Jaguar die Schotterpiste hochgedonnert. Rennwagen von Swallow Sidecars, wie der Sportwagenhersteller
vor seiner Namensänderung 1945 hiess,
haben aber damals schon für britischen
Sportgeist gesorgt, zusammen mit den
Rennkarossen von Bentley, MG und Riley.
Am 15. März 1961 im Parc des Eaux Vives in Genf wurde der E-Type von Jaguar vorgestellt. Zwei Wagen hatten der
Firmengründer Sir William Lyons an
den Lac Léman fahren lassen, einen für
den Stand am Autosalon, den zweiten für
Testfahrten auf einer abgesperrten Bergrennstrecke ausserhalb der Stadt Genf.
Indes hatten sich derart viele Journalisten für eine Mitfahrgelegenheit angemeldet, dass Lyons einen dritten Wagen
aus England anforderte. Cheftestfahrer
Norman Dewis brachte ihn mit der Fähre von Dover nach Calais und dann in einer Parforcefahrt quer durch Frankreich
in nur 14 Stunden von der Jaguar-Fabrik
Browns Lane bei Coventry in die Calvinstadt.
Fotos: D. Reinhard
AUF LEGENDÄRER PISTE
Britisches Bestiarium
DER JAGUAR E-TYPE IST EINE IKONE DES AUTOMOBILBAUS
UND EINER GANZEN ÄRA, DEN SWINGING SIXTIES. SEIN DEBÜT
HATTE ER VOR 50 JAHREN AM AUTOSALON IN GENF. TROTZ
SEINER RAUBKATZENGENE, DIE IN DEN XK-MODELLEN DER BRITISCHEN SPORTWAGENMARKE WEITERLEBEN, ZEIGT EIN JAG
BIS HEUTE VOR ALLEM EINES: SPORTLICHE NOBLESSE.
86 | Finanz und Wirtschaft LU X E
E
s war einer der wenigen Sommertage im Juni 2011. Vom Dauerregen british racing green gewaschen glänzten die
Matten des oberen Linthtals. 303 Kurven
einer legendären Strecke waren bereit für
eine Legende - einen Jaguar E-Type 5.3
Liter V 12 Convertible.
Der Tag schien wie gemacht für eine
Fahrt in einem Jaguar Cabriolet über den
Klausen, den Pass zwischen Glarus und
Uri, der so geschichtsträchtig ist wie die
Traditionsmarke aus Coventry. Kein anderes Bergrennen ist nämlich zu einem
derartigen Mythos geworden wie das
Klausenrennen, das in den Jahren 1922
bis 1934 auf der 21,5 Kilometer Kiesstrasse zwischen Linthal und der Passhöhe
ausgetragen wurde.
Als Hommage an 50 Jahre E-Type standen zur Klausenfahrt 2011 der Serie III
Convertible von 1972 zusammen mit seinem Ururenkel, dem XK 5.0 V8 Convertible zur Verfügung. Den Pass hoch am
Steuer des Oldtimer aus der Sammlung
von Autoimporteur Walter Frey, talwärts
nach Altdorf mit einem für die Schweiz
auf 50 Exemplare limitierten Jubiläumsmodell 50E. Und ganz englische Höflichkeit mit ein paar Kurvenlängen Abstand
folgten zwei Mechaniker in einem Land
Rover Discovery.
40 Jahre Automobiltechnik trennen die
beiden Wagen - Spitzenfahrzeuge ihrer
Zeit sind beide. Die Serie III des E-Type,
die in den Jahren 1971 bis 1974 in 7990 Exemplaren als Convertible und in 7297 Coupés gebaut wurden, war der Leistungshöhepunkt der E-Serie und gleichzeitig ihr
Abgesang. Als ob er es geahnt hätte: Im
Kultfilm «Harold and Maud» von 1971 lies
Regisseur Hal Ashby den morbid-dekadenten Harold einen Jaguar E-Type fahren, umgebaut als Leichenwagen. Spektakulär katapultierte er das Unikat zum
Filmschluss über die Klippen. Zerstört
und ausgebrannt blieb nur ein Haufen
schrottreife Filmgeschichte.
Das Produktionsende in Raten für den
E-Type leitete Anfang der Siebzigerjahre die Ölkrise ein. Der Durchschnittsverbrauch lag bei rund 20 Liter auf 100 Kilometer. Abgas- und Sicherheitsvorschriften
in den USA, dem wichtigsten Markt für
Jaguar, verschärften die Absatzprobleme.
1974 lief der letzte E-Type vom Band.
Der in der Serie III bewährte 12-Zylindermotor blieb aber noch bis 1997 das
Mass der Dinge im Jaguar Motorenprogramm. 160 000 V12-Motorenblocks wurden in den Serienmodellen XJ verbaut.
Die 5,3 Liter Hubraum treiben mit 314
PS den Serie III in 6,6 Sekunden auf 100
km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei
240 km/h. Überzeugend sind selbst nach
heutigem Motorenmassstab die Laufkultur und die Elastizität des V12. Wäre nicht
die Freude am Schalten des vollsynchronisierten Vierganggetriebes und der Hörgenuss der Orchestrierung durch den Motor, der Serie III liesse sich im dritten Gang
über den Klausen fahren – was zudem
eine Unsportlichkeit gewesen wäre.
f f Jaguar
Coupé 2+2 E-Type
aus der Serie 1
von 1961.
f Cabrio Jaguar
E-Type Serie 3 auf
der gepflästerten
Zufahrt zum
Klausenpass.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 87
W I S S E N S C H A F T | E I N E R FA H R U N G S B E R I C H T | von Stéphane Benoît-Godet - Illustration: Mathieu Moret
C L A S S I C C A R | JA G UA R E -T Y P E
DAS SCHÖNSTE AUTO DER WELT
Der Jaguar E-Type wurde mit seiner
Form vom Start weg zum Inbegriff des
Sportwagens. Entworfen hatte die zur
Stilikone gewordene Karosserie der Luftfahrtingenieur Malcom Sayer. Er hatte
zuvor schon die Le-Mans-Siegerwagen
C- und D-Type aerodynamisch gezeichnet. Sogar Enzo Ferrari bezeichnete den
Engländer als «das schönste Auto der
Welt». In den Listen der schönsten Autos
aller Zeiten belegt er regelmässig den ersten Platz. Nicht nur mit Schönheit deklassierte der E-Type von 1961 seine Konkurrenten. Mit einem Preis von damals 1550
£ (heute rund 40 000 £) war er auch nur
halb so teuer wie ein Aston Martin DB4
oder Ferrari 250.
Unter der nicht enden wollenden Motorhaube des Serie I E-Type war ein Reihensechszylinder eingebaut, der mit 3,8
Liter Hubraum 265 PS Leistung brachte.
Mit der vom Werk angegebenen Höchstgeschwindigkeit von ebenfalls 240 km/h
verdiente er sich damals das Prädikat
«Schnellster Serienwagen der Welt».
Über die Nachfolgemodelle Serie I und II
mit 4,2-Liter-Motor kulminierte die Leistung im 1971 vorgestellten V12. Vergleichbare Zwölfzylinder gab es zu jener Zeit
nur von Ferrari und Lamborghini.
EIN KUNSTWERK
Revolutionär in seiner Form war der
E-Type als kompromissloser Sportwagen gebaut. Die Kombination aus Kraft
und Eleganz machten ihn jedoch zu einer
Raubkatze mit britischen Manieren, die
88 | Finanz und Wirtschaft LU X E
i Eine gemeinsame
Geschichte:
Jaguar E-Type 5,3
V12 Serie 3 und
Jaguar XK 5.0 V8.
man sich gerne hielt.
Brigitte Bardot fuhr ihn,
Tony Curtis sowie Steve
McQueen und der Privatdetektiv Jerry Cotton steuerte ihn in den gleichnamigen
Kriminalromanen durch die Strassenschluchten New Yorks. In 14 Jahren hatte
Jaguar 38 519 Coupés und 33 996 Roadster verkauft. Offizieller Schluss war im
April 1975 mit einer Sonderserie von dreissig Wagen in Schwarz.
Zum Classic Car avanciert, lebt der Jaguar E-Type weiter. In der Schweiz widmen sich dem Fortbestand des Kultwagens der Jaguar Driver’s Club Switzerland
(www.jdcs.ch) und der Jaguar E-Club
(www.jaguar-e.ch). Auktionen, an denen
regelmässig E-Types zum Zuschlag kommen, führt die Oldtimer Galerie Toffen
durch (www.oldtimergalerie.ch). Roadster der ersten Serie und Convertibles mit
V12-Motor sind am teuersten. Original restauriert und strassentauglich kostet ein
Zwölfer ab 75 000 Fr. Schon unter 50 000
Fr. sind E-Type 2+2-Coupés zu finden.
Vorsicht ist gegenüber Importen aus den
USA angesagt. Stammt der Wagen aus Kalifornien wurde er entlang der Küste gefahren – und ist in den Hohlräumen voll
mit Salz. Besser wäre da schon einer aus
dem Wüstenklima von Vegas und Reno.
Vollendet konserviert ist dagegen der EType, der 1996 wurde zum Kunstwerk geadelt wurde. Das Museum of Modern Art
nahm einen stahlblauen Roadster als eines der ganz wenigen Automobile in die
Dauerausstellung auf. |
VOM SPORTS CAR ZUM
GRAND TOURER
In der Geschichte der Sportwagen von
Jaguar war der E-Type ein Intermezzo
zwischen den XK-Modellen von 1948 bis
1991 und den XJ-S Modellen ab Mitte der
Siebzigerjahre. Abgelöst wurden diese
durch die Modellfamilie der Grand Tourer
XK. Neben den rabiaten Zweisitzern baute
Jaguar immer auch sportliche Limousinen.
Saloon oder Sedan genannt, waren die
Mk-Modelle und die späteren XJ12 S die
Vorfahren der heutigen Sportlimousinen
XF und der Luxuslimousine XJ. An der
New York Auto im Frühjahr zeigt Jaguar die
Modelle des Jahrgangs 2012. Spitzenmodell
ist der Jaguar XKR-S. Er ist mit einem
550 PS starken 5.0-Liter V8 Kompressormotor ausgestattet und erreicht eine
Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h. Auf
100 km/h beschleunigt er in 4,4 Sekunden,
was ihn zum stärksten Serienfahrzeug der
Unternehmensgeschichte macht. Sportliche
Leistung mit Luxus verbindet in der oberen
Mittelklasse der neue XF 2.2-Liter Diesel.
Der neue Vierzylinder-Dieselmotor schöpft
aus 2,2 Liter Hubraum 190 PS. Mit nur 5,4
Liter Durchschnittsverbrauch ist es der sparsamste je von Jaguar verbaute Motor. Alles
Schwarz: Das bisher nur den XKR-Modellen
vorbehaltene Black Pack wird ab 2012 für
alle Modelle angeboten. Alle normalerweise
in Chrom gehaltenen Karosserieteile sind in
der mattschwarzen Wagenfarbe gehalten.
Auch die 20 Zoll grossen Felgen. Auf was
aber die E-Type-Enthusiasten auch nach
der Vorstellung der neuen Modelle warten,
ist ein kleiner Roadster, ein Sportwagen in
bester englischer Tradition.
Wie viel
Zeit
bleibt mir
noch?
ZWAR ERMÖGLICHT UNS DIE
MEDIZIN, GESUND ZU BLEIBEN, ABER
SIE SAGT UNS NICHT, WIE LANGE
WIR LEBEN. DIE ERFAHRUNG EINES
CHECK-UPS. ,
W I S S E N S C H A F T | E I N E R FA H R U N G S B E R I C H T
. Juli 2011, 8.30 Uhr, Clinique La Prairie
in Montreux. Ich betrete das luxuriöse
Medizinzentrum an der Waadtländer Riviera, um eine Reihe von Untersuchungen
über mich ergehen zu lassen. Ich bin weder krank noch bin ich ein Manager, den
sein Unternehmen zur umfassenden medizinischen Kontrolle schickt, wie es in
der Schweiz immer mehr üblich wird. Ich
bin hierhergekommen, um Antwort auf
eine Frage zu erhalten, die geradezu eine
Obsession geworden ist. «Wie viel Zeit
bleibt mir noch zu leben?» Tatsächlich
steht das Thema seit Jahren auf der Agenda der Redaktion. Aber niemand fühlte
sich davon wirklich angesprochen, schon
gar nicht diejenigen, die gewisse Altersgrenzen überschritten haben. Da es meine
Idee war, lag es nun an mir, die Herausforderung anzunehmen.
«Ein Traum für die Medizin,
ein Albtraum für Hypochonder»
Meine Frage entspricht nicht den Überzeugungen des mich empfangenden Doktors. Denn Kardiologe Mikael Rabaeus
fühlt sich dazu berufen, Menschen zu heilen und nicht mit einem Migros-Verfalldatum zu versehen. Mit Artikeln über die
Genanalysen durch Biotech-Unternehmen wie 23andme, die versprechen, in den
Chromosomen quasi Vorwarnungen lesen
zu können, haben die Medien falsche Erwartungen geweckt. Mein Gesprächspartner lehnt es ab, Patienten lebenslänglich
Medikamente wie Statine zu verschreiben, er zieht es vor, sie zu einer andern Lebensweise zu motivieren.
Meine Lebensfrage quittiert er liebenswürdig und amüsiert. Nach der ersten Untersuchung kann er schon mal bestätigen,
dass meine Gesundheit nicht schlecht ist,
obwohl ich keinen Sport treibe. Zwar fühle ich mich in guter Form, aber rennen/
hüpfen/leiden – nein, das ist nicht mein
Ding. «Sie sind jedoch für Bewegung programmiert», sagt der fünfzigjährige, kräftig gebaute Schwede.
Ohne böse Absicht lässt er mich dann
auf dem Ergometer einen Ausdauertest
machen. Just in dem Moment, als er den
Widerstand des Velos erhöht, stürze ich
ab. Kreislaufkollaps, wie Nicolas Sarkozy anlässlich des präsidialen Joggings im
Kreise seiner Leibwächter im Juli 2009.
90 | Finanz und Wirtschaft LU X E
«Ihr Herz muss fähig sein, eine intensive
und plötzliche Leistung zu erbringen, zum
Beispiel um vor einem Bären zu fliehen.
Vergessen Sie nicht, dass unsere Körperkonzeption derjenigen der Höhlenbewohner entspricht, weshalb wir nicht für ein
bewegungsarmes Leben konzipiert sind.»
GRÜNTEE, KOHL UND WARMES WASSER
In meinem Kopf bohrt sich der Gedanke fest, dass ich jetzt zur Kategorie der
Menschen gehöre, die gesundheitlich
überwacht werden müssen. Ich verlasse die Praxis und starte zu einem rasanten Parcours von möglichen und unmöglichen Tests und Untersuchungen. Wobei
es mir nur um eines geht, nämlich mein
wahrscheinliches Sterbedatum zu erfahren. Das Blut ? Alles o. k. Ultraschalluntersuchung der Organe? Perfekt. Fettmasse? Optimal. Scanner? Top. Oder fast.
Es gibt da zwei kleine Verkalkungen ganz
in der Nähe des Herzens. Sie sind Anzeichen dafür, dass sich die Arterie langsam
verhärtet. Für den Kardiologen, der im
Untersuchungsraum tätig ist, ist eine lebenslängliche Therapie angebracht. In einem solchen Moment fühlt man sich sehr
dumm und sehr nackt, denn der Arzt hat
jedes Detail im Körper gesehen. Unter
dem unerbittlichen Auge der eines Palomar-Observatoriums würdigen Scanner
und MRI gibt es den 100% gesunden Körper nicht. Ein Traum für die Medizin, ein
Albtraum für Hypochonder.
La Prairie führt auch genetische Diagnosen durch. Dies bedeutet nicht, dass
man daraus ableiten könnte, an welcher
Krankheit jemand sterben wird. Es handelt sich vielmehr um einen Test, der
zeigt, wie unser Körper Toxine und Medikamente verarbeitet. Dies sind überaus
nützliche Daten, denn die Medikamentenverträglichkeit ist von Mensch zu Mensch
unterschiedlich. 10% aller Notfälle in Spitälern sind auf Nebenwirkungen von korrekt verschriebenen Medikamenten zurückzuführen.
Die Untersuchung basiert auf einem
Zungenabstrich, der von Doktor Thierry Pache vorgenommen wird. Er hat mit
Partnern ein Testkit (Cypass) entwickelt
und mit Gene Predictis ein Start-up-Unternehmen gegründet, das diese Technologie anbietet. Anhand der Resultate,
die ich einige Tage später erhalte, eliminiert mein Körper Abbauprodukte sehr
schlecht. Wäre ich Raucher, würde ich der
Gruppe der klassischen Lungenkrebskan-
didaten angehören. Im Gegensatz zu denjenigen starken Rauchern, die 80 Jahre
und älter werden und die diese genetische
Schwäche nicht haben, weshalb ihnen die
Zigarettenschadstoffe weniger anhaben
können. Diese genetische Ungerechtigkeit
ist reines Zufallsprinzip. Nach Vorliegen
der Untersuchungsergebnisse empfiehlt
mir Doktor Pache, die Assimilationsunfähigkeit zu kompensieren, indem ich natürliche Antioxidantien – Kreuzblütlergemüse, Grüntee – zu mir nehme. Kohl, heisses
Wasser…
CHURCHILLS HERZ
Zurück zu Doktor Mikael Rabaeus, der
sich von meinem Herz-Scan unbeeindruckt zeigt. Für ihn kommt eine Therapie
nicht in Frage. «Ich verschreibe keine Medikamente, dafür eine neue Lebensart», erklärt der Kardiologe in seiner schönen Praxis mit Blick auf die Rasenfläche, die jedem
Golfplatz Ehre machen würde. «Winston
Churchill hatte keine Herzprobleme, weil
er sich auf den Schlachtfeldern bewegte. Es
ist besser, etwas füllig zu sein und sich zu
bewegen, als mager und inaktiv zu sein.»
Dies ist eine geradezu historische Aussage, die mein Gesprächspartner fast tiefsinnig ergänzt: «Die Menschen möchten nicht
wissen, wie viel Zeit ihnen noch bleibt. Es
interessiert sie zu erfahren, wie sie die Last
der Jahre leichter tragen können.»
Später sitze ich an der Bar, die mehr einem Luxushotel als einer Klinik entspricht,
und unterhalte mich mit dem Chefarzt, der
dieselbe Meinung vertritt. «Die
Menschen möchten mehr Leben
und nicht unbedingt mehr Jahre »,
philosophiert Adrian Heini, «wir
leben in der Zeit des Better Aging,
eine Haltung, die mehr mit Lebensqualität als mit Quantität zu tun hat.
Deshalb wird Ihre Frage über das wahrscheinliche Todesdatum so nie gestellt.
Ausgenommen vielleicht von Patienten,
denen wir sagen müssen, dass sie schwer
krank sind.»
Ich bin mit dieser Antwort nicht ganz
zufrieden, geniesst doch La Prairie weltweite Bekanntheit als Spezialistin für Revitalisierung, ein Programm, bei dem
Stammzellen von Lämmern injiziert werden, um den Alterungsprozess zu verlangsamen. Wenn ich eine Antwort auf meine Frage erhalten kann, dann doch hier.
Denn was wäre der Sinn des Behandlungsprogramms, das die Klinik Patienten ab 40 Jahren für 20 000 Fr. die Wo-
Roman Opalka
6
che anbietet? Die Therapie besteht in der
Einnahme von Wunderpastillen auf Basis
von Lammleberextrakten (die Injektionen sind Vergangenheit, die Kur wird oral
verabreicht). Offensichtlich ist die LifeEnhancing-Therapie begehrt, denn der
Zustrom an Interessenten, vor allem aus
China, ist ungebrochen hoch. Also, Herr
Doktor, wie viel Zeit bleibt mir noch?
DIE STUNDE DER WAHRHEIT
Der Chefarzt wechselt das Thema. Ich
beobachte eine Gruppe bei einer Runde
Fruchtsaft an der Bar. Immer mehr Unternehmen verpflichten ihre Kadermitglieder zum Check-up und bezahlen für
Wie aber steht es um mich? «Sie sind in
bester Gesundheit», bestätigt Mikael Rabaeus, den ich am Ende des Tages aufsuche.
Und den es immer noch erstaunt, dass ich
die gleiche Frage stelle. Schliesslich macht
er für mich die Kalkulation. «Sie sind gesund, rauchen und trinken nicht. Ihr dunkler Punkt ist, dass Sie sich nicht bewegen.
Regelmässige körperliche Bewegung wird
Ihr Leben um sieben bis acht Jahre verlängern. Ohne werden Sie mit 78 Jahren sterben.» Ich bin 41 Jahre alt, habe somit die
Hälfte meiner Lebenszeit hinter mir.
Deprimierend? Ja und nein. Ich könnte beginnen, Sport zu treiben, was angesichts meines Gesundheitstests nicht
die schlechteste Option wäre. Ich
kann aber meine Lebenserwartung auch unter einem anderen
Gesichtspunkt betrachten. «Menschen, die Anfang des 17. Jahrhunderts 80 Jahre alt wurden, hatten
noch sechs Jahre vor sich, erklärt
Mikael Rabaeus. Vier Jahrhunderte später
haben diese gleichen Achtzigjährigen nur
gerade zwei Jahre mehr zu leben.» Die Genetik ist gnadenlos, sie bestimmt, wann die
letzte Stunde schlägt. Das Einzige, was wir
Menschen kontrollieren können, ist der
Lebensmodus. Also – ab zum Joggen! |
«Wir leben in der Zeit
des Better Aging.»
den halben Tag 4000 Fr. «Wir identifizieren Risikofaktoren bei Mitarbeitenden,
um Lebensstil und Prävention zu optimieren», erklärt Adrian Heini. Dieser Ansatz
kommt aus den USA, wo die Unternehmen oft die Gesundheitskosten ihrer Kader
übernehmen. Das System findet auch in der
Schweiz Anhänger. Mikael Rabaeus, der bis
vor kurzem in einer anderen Klinik der Region tätig war, hat in La Prairie vor allem
die Aufgabe, diesen Bereich aufzubauen.
Multinationale Unternehmen senden nicht
nur einen oder mehrere Topleute, sondern
oft das ganze Management. Wie eine Genfer Gesellschaft, die kürzlich 100 Mitarbeitende nach Montreux geschickt hat.
iSelbstportraits von Roman Opalka. Seit 1972
arbeitete der polnische Maler an der Vollendung
eines Werkes, indem er sich selbst fotografierte, von
vorne und ohne Gesichtsausdruck. So versuchte der
Künstler, die Zeit einzufangen und zu malen, so wie
er während 46 Jahren die Zahlen 0 bis unendlich auf
die Bilder geschrieben hat. Mit dem Tod des Künstlers am 6. August 2011 ging das Lebenswerk zu Ende.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 91
Von Emmanuel Grandjean - Fotos: Nicolas Righetti | V E L O S | S P O R T
s FIXIE «COLNAGO
MASTER PISTE»,
Eines der berühmten
Velos à la carte made
in Vélosophe. Der Vintage Colnago-Rahmen
wird auf Bestellung bei
seinem italienischen
Fabrikanten fabriziert.
Ein legendäres Teil
in den Farben des
Molteni-Teams von
Eddy Merckx (1972).
Original-Bahnfelge von
Wolber mit Campagnolo-Nabe. Lieferfrist:
drei Monate. Doch wer
liebt, der wartet nicht.
Kunde: Vélosophe
Velofahrer mit Sinn
für Ästhetik. Grafiker
oder Webmaster zum
Beispiel, die schlichtes
Design mögen, sich
in der Geschichte des
Fahrrads auskennen
und Ansprüche auf ein
Unikat erheben.
Preis: 4700 Fr.
Stilvoll treten
M
acht Velo fahren weise? Im Vélosophe ist man davon überzeugt. Erstens, weil sich das Luxus-Fahrradgeschäft
mitten in der Natur, nämlich im Dorf
Chambésy hoch über dem Genfersee befindet, zweitens, weil dessen Chef Velo
fahren im Blut hat. Damien Bisetti, 43 Jahre, ist ein eingefleischter Fan von Drahteseln – «Bücher, Zeitschriften, Geschichte,
meine ganze Kultur dreht sich ums Fahrrad», wie er sagt. Er gehört zur dritten Generation einer Hardcore-Velofahrerfamilie. «Mein Grossvater war Präsident des
Vereins Pédale von Eaux-Vives, das ist kein
92 |92Finanz
| Finanz
undund
Wirtschaft
Wirtschaft
LU X
LU
E XE
Witz», grinst er. Bisetti leitet das edle Geschäft im Kanton Genf, wo im Sommer
vor dem Fernseher alles bei der Tour de
France mitfiebert. Der gelernte Wirt – ihm
gehören zwei Restaurants in Genf – war
einer der ersten, der in der Schweiz Fixies
vertrieb. Eigentlich handelte es sich dabei
ursprünglich um ein Rad ohne Bremse und
Gangschaltung, das von den Kurieren San
Franciscos von der Bahn auf die Strasse
gebracht wurde. Der Vorteil: Das Fixie besteht aus einem Rahmen, zwei Rädern und
einer Kette. Einfacher und pflegeleichter
gehts nicht. Ein minimalistischer, schicker
Gebrauchsgegenstand, der sich zum stylischen Accessoire gemausert hat, den man
nach Lust und Laune tunen kann, indem
man alle möglichen Elemente hinzufügt.
Velos à la carte sind aber nicht dem Fixie
vorbehalten. Egal, ob Bahn-, Renn- oder
Strassenräder, im Vélosophe kann jedes
Gefährt nach den Wünschen des Kunden
zusammengebaut werden. Wie sieht Ihr
Traumvelo aus?
Le Vélosophe, 24 chemin Roilbot,
1292 Chambésy, [email protected]
www.velosophe.blogspot.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 93
SPORT | VELOS
f CERVÉLO R5
CALIFORNIA
Cervélo-Karbonrahmen, auf 200 Exemplare limitiert,
leichtgewichtige RARRäder (à la carte und
massgeschneidert),
Sram Black Umwerfer
(Bremse, Gangschaltung, Kettenblatt)
– die Marke, mit der
Contador 2010 die
Tour de France gewann. Gesamtgewicht:
federleichte 5,8 kg
Kunden: Velo der
Spitzenklasse für extrem hohe Ansprüche,
selten und sehr teuer.
Für zahlungskräftige
Kenner, Männer
zwischen 40 und 60,
die ein leistungsstarkes, rassiges und
solides Rad wollen. Der
Bentley Continental
der Velos.
Preis: 20000 Fr.
s PRICE
Ein schönes, echtes
Schweizer Velo, hergestellt in Uster bei Zürich und ausgestattet
mit einer elektrischen
Shimano-Gangschaltung. Mit dem
besten Preis-LeistungsVerhältnis auf dem
Velomarkt der höheren
Qualitätsklasse.
Kunden: Stilbewusste
Velofahrer, die ein
hochwertiges Rennrad
zu einem unschlagbaren Preis suchen.
Preis: 7995 Fr.
CERVÉLO CONTRE
LA MONTRE p
Achtung ausserirdisch! Ein futuristisches Rad für
Tempofreaks mit aerodynamischem Profil, halbvollen Rädern
und einem Rahmen
mit minimalem Luftwiderstand. Dadurch
lassen sich gegenüber einem klassischen Velo 4 bis
5 km/h gewinnen.
2008 wurde Cancellara mit diesem Rad
in Peking Olympiasieger.
Kunden: Definitiv
kein Velo für Wochenendausfahrten.
Es setzt eine gewisse
Übung voraus und
ist deshalb klar für
Profis gedacht, die
Rennen bestreiten
wollen.
Preis: 10500 Fr.
94 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Finanz und Wirtschaft LU X E | 95
P F L EG E | T I P P S | von Cristina d'Agostino - Illustration: Nicolas Zentner
Mister
Perfect
ACHT EMPFEHLUNGEN, UM DIE GEHEIMNISSE DER
MÄNNLICHEN SCHÖNHEIT ZU ERGRÜNDEN UND DIE
JÜNGSTEN TRENDS ZU ERPROBEN.
HAARKOLORATION
Alle im Handel erhältlichen Haarkolorationen versprechen, dass sie 50
bis 100% der weissen Haare abdecken und sie garantieren eine harmonische Ansatzkaschierung! Das Tönungsgel Excell5 von L’Oréal Men
Expert und die in der Packung enthaltene Bürste können eine schnelle,
unkomplizierte Alternative sein. Einfach auftragen, egal, ob stellenweise oder auf dem ganzen Kopf. Wer einen speziellen Grauton möchte,
verwendet am besten das L’Oréal Professionnel Homme Grey Shampoo.
Es neutralisiert sogar den Gelbstich im Haar und ist weniger riskant.
L’Oréal Professionnel Homme Grey Shampoo, 23 Fr.
SERUM
Seren sind hochkonzentrierte Wirkstoffe. Sie werden vor der Feuchtigkeitscreme aufgetragen, unterstützen die Regeneration des Bindegewebes (bei Anti-Aging-Seren) oder schützen vor freien Radikalen. Meistens reichen einige
Tropfen. Zum Glück, schliesslich sind sie alles andere als billig. La Prairie bringt
mit Cellular Power Infusion ein innovatives Serum, das in einer einmonatigen
Kur zur Reaktivierung der epidermalen Stammzellen angewendet wird, auf den
Markt. Giorgio Armani bietet mit dem Fortifying Serum aus der Skin-MineralsFor-Men-Linie ein kräftigendes Serum mit Mineralien, Vitamin E und B5.
Cellular Power Infusion La Prairie, 544 Fr.
SCRUB
Wenn Ihre Haut wie die Kroko-Tasche Ihrer Mutter aussieht und sich auch
so anfühlt, dann ist es höchste Zeit für ein Peeling. Die in den Cremes oder
Duschgels enthaltenen Partikel oder Mikroperlen lösen beim Einmassieren
abgestorbene Hautzellen und klären so die Haut; danach aber unbedingt eine
Feuchtigkeitscreme auftragen, da sie sonst unangenehm spannt. Clarins Men
bietet mit seinem Douche Exfoliante Shower Crub ein äusserst praktisches
2-in-1-Duschpeeling. Zur Entfernung von Unreinheiten und überschüssigem
Talg im Gesicht ein sanftes Peeling verwenden. Es beugt Mitessern vor und
löst eingewachsene Barthaare. Désincrustant Visage von Biotherm Homme
überzeugt durch seine angenehme Duschformel. Einmal pro Woche reicht.
Shower Crub Clarins Men, 35 Fr.
FEUCHTIGKEITSCREME
Männerhaut ist bis zu 22% dicker als Frauenhaut und produziert mehr Talg.
Ausserdem hat sie den Vorteil, dass sie mehr Kollagen enthält und so weniger schnell Falten bildet. Das tägliche Rasieren setzt ihr allerdings ziemlich
arg zu. Eine feuchtigkeitsspendende Creme kann sie nähren, pflegen und sie
wieder geschmeidig machen. Eine mattierende Formel wie die des Hydratant Gels von Clinique verbessert das nicht sonderlich ästhetische Erscheinungsbild der meist fettigen und grossporigen männlichen Haut. Skin Supplies for Men Clinique, 49 Fr.
SELBSTBRÄUNER
GESICHTSMASKE
Es müssen ja nicht gleich die berühmten Gurkenscheiben auf den Augen sein. Eine dick aufgetragene Gesichtsmaske sorgt auch so für ein
angenehm frisches Feuchtigkeitsgefühl. Am Wohltuendsten ist die
Wirkung nach zu viel Sonne oder durchzechter Nacht. In nur zehn Minuten wird die Haut wieder strahlend frisch. Vor dem Auftragen den
überschüssigen Talg mit einem Peeling entfernen, damit die Maske ihre
volle Wirkung entfalten kann. Die Masken Coup de gueule von Nickel
(erhältlich in Instituten) gibt es als Anti-Aging- und als feuchtigkeitsspendende Formel. Nickel «Coup de gueule», 28 Fr.
Man braucht nicht mehr in der Sonne zu braten, um schön braun zu werden.
Dank des Oxydationsprozesses der oberen Hautzellen, der vom Wirkstoff Dihydroxyaceton (DHA) ausgelöst wird, wird die Haut bereits nach wenigen
Stunden braun und bleibt das im Durchschnitt auch bis sechs Tage lang. Ein
Wunder! Ja, aber eines, das mit Vorsicht zu geniessen ist. Da Selbstbräuner
kein Melanin produzieren, bieten sie auch keinen Schutz vor UV-Strahlen.
Also unbedingt eincremen! Am besten peelen Sie Ihre Haut vor der Anwendung. Dadurch vermeiden Sie unschöne Flecken, die durch die Anhäufung
von abgestorbenen Hautzellen entstehenden. L’Oréal hat mit Sublime Bronze eine Selbstbräunungscreme entwickelt, die sich sogar trotz Barthaaren
einfach auftragen lässt. Sublime Bronze L'Oréal, 19, 90 Fr.
RASUR
EPILATION
Seit einigen Jahren sind Dreitagebärte hoch im Trend. Trefflich debattieren lässt sich dabei darüber, wie der Bartwuchs an den verschiedenen Gesichtspartien am besten gestutzt werden kann. Einige schwören
auf die beim Coiffeur erhältlichen Barttrimmer mit speziellem Rasierkopf, die scheinbar einzige wirksame Waffe, um dem Gestrüpp auf den
Leib zu rücken. In dieser Sparte neu ist der Babyliss E870XE mit einem um 25 Grad schwenkbaren, flexiblen Rasierkopf, 15 Schnittstufen
und Schnittlängen von 0,4 bis 5 mm und 0,2 mm Präzision. Was Mann
wissen sollte: Nach Auskunft von Guillaume Lehut, Herrencoiffeur im
Lausanne Palace, hat ein richtiger Dreitagebart eine Länge von 1,5 bis
höchstens 4 mm, muss täglich gepflegt werden und wird genau 15 Minuten nach dem Erwachen und der Dusche, wenn das Haar entspannt
ist, getrimmt. Babyliss E870XE, 100 Fr.
Meine Herren, glatt epilierte Oberkörper sind in. Das einfache Abrasieren der
Haare reizt aber die Haut. Benutzen Sie anstelle eines speziellen Brusthaar-Rasierers, der wie Juckpulver wirkt und das Haar danach nur noch kräftiger nachwachsen lässt, eine Enthaarungscreme (Veet for Men). Sie müssen aber trotzdem damit rechnen, dass schon nach drei Tagen wieder die ersten Stoppeln
spriessen. Wachs ist und bleibt deshalb auch die wirksamste Methode, auch für
den Intimbereich. Er ist zwar ausser im Institut nicht sehr praktisch in der Anwendung, sorgt aber zumindest für einen Monat Ruhe. Eine weitere Möglichkeit
ist die endgültige Laser-Epilation, die allerdings sehr schmerzhaft ist und nur bei
schwarzem Haar auf heller Haut funktioniert. Das vorherige Einschmieren mit
Emla-Betäubungscreme ist da kein Luxus. Einziges Problem: Damit die Creme
wirkt, muss man sich während einer Stunde vor der Epilation in Folie einpacken
lassen. Haarentfernungs Gelcrem Veet for Men, 14, 90 Fr.
96 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Finanz und Wirtschaft LU X E | 97
PA R F U M | H E R B S T | von Blaise-Alexandre Le Comte
Dufthölzer
DER SOMMER NEIGT SICH DEM ENDE ENTGEGEN, BÄUMT SICH EIN
LETZTES MAL AUF, VERGEBLICH, DENN DER HERBST IST DA. DIE
VEGETATION VERSTRÖMT JETZT HERBE, ERDIGE DÜFTE, DIE VON DER
SÜSSE ÜBERREIFER FRÜCHTE HARMONISCH GEMILDERT
ERT WERDEN.
Die herbstliche, in ihrer Überschwänglichkeit wunderbar
ar
bit
sublime Natur lädt Reiterinnen und Reiter ein, sich in Habit
niRouge zu kleiden. Der ledrige, orientalische Duft von feminirt.
ner Maskulinität wurde 1965 von Jean-Paul Guerlain kreiert.
nEr öffnet auf hesperidischen Noten, denen zart würzige Orangenblüten Finesse verleihen. Auf diese – möglicherweise – zu
ersaubere Frische folgt mit Stil und Eleganz die Welt des Pferdes. Wuchtiges Leder lässt an Stiefel und Sättel denken, an
ld,
Ausritte im Morgennebel durch schimmernden Herbstwald,
nd
voll erdigem Duft von Patschuli und holzigem von Zeder. Und
nd
dann erinnert diese Guerlinade mit der vanillierten Iris und
es
Ambernoten daran, dass Reiterinnen und Reiter echte Ladies
und Gentlemen sind.
Habit Rouge, Eau de toilette, Spray 50ml (88 Fr.) et 100ml (121 Fr.)
uft
Sie steigen vom Pferd und werden sofort umhüllt vom Duft
de
und von der Animalität des Reitstalls, wo angeschirrte Pferde
ar,
ungeduldig auf den Ausritt warten. Die Spannung ist spürbar,
eit
denn der tierische Instinkt möchte sich endlich in der Freiheit
ilentfalten. Diese besondere Stimmung eingefangen hat Mathilude Laurent in L’Heure fougueuse, der vierten Edition der Heuelt,
res de Cartier. Sie hat das ungestüme Pferd elegant gezügelt,
nd
an der Mähne des unabhängigen Hengstes geschnuppert und
en
schliesslich den Duft milde auf Stroh und Vetiver ausklingen
ner
lassen. Der Vollblüter ist gebändigt, ruht sich jetzt in seiner
Box aus, wo es nach Eichenmoos riecht.
L’Heure Fougueuse, 75ml, 320 Fr.
er
Nach dem morgendlichen Ritt und der Begegnung mit der
nd
animalischen Kraft erholen sich die müden Reiterinnen und
as
Reiter am Kamin bei einem feinen Tässchen Weisstee. Das
Feuer knistert, im hellen Flammenlicht zeichnen sich die
her
flüchtigen, traumhaften Silhouetten bezaubernder weiblicher
paWesen ab. Féminité du bois von Serge Lutens bedeutet japamänische Ästhetik, die Entführung in Traumwälder, wo Chimären den Reitern Pfirsiche und Pflaumen anbieten und sie errte
muntern, ihre Lungen mit Blütendüften zu füllen, deren zarte
ge
Würze für einen sinnlich-trägen Genuss sorgen. Die geistige
Fülle klingt dann im gleichen Rhythmus ab wie die holzige, legere, sorglose Feminität sich verflüchtigt, zurück bleiben feine
Hölzer, Zeder und Sandelholz, überdeckt von intensivem, erdigem Patschuli.
Féminité du bois, Spray 50ml, 124 Fr.
98 | Finanz und Wirtschaft LU X E
« LU X E » A D R E S S E N
FA S H I O N W E E K , S. 36
Bally Genf : 80-82 rue du Rhône, 022 310
22 87 – Lausanne : 9 place Saint-François,
021 312 31 95 – Zürich : Bahnhofstrasse 66,
044 224 39 39 Burberry Prosum Genf :
Burberry, 8 rue Céard, 022 311 34 25 –
Zürich : Burberry, Bahnhofstrasse 44, 044
221 05 18 D&G Genf: Anita Smaga, 49-51
rue du Rhône, 022 310 26 55; Drake Store,
13 rue des Alpes, 022 732 24 42; Bongénie,
34 rue du Marché, 022 818 11 11 - Lausanne: Drake Store, 22 rue de Bourg,
021 320 08 20; Bongénie, 10 place
Saint-François, 021 345 27 27 – Zürich:
Grieder, Bahnhofstrasse 30, 044 224 36 36
Dolce & Gabbana Genf: Anita Smaga,
49-51 rue du Rhône, 022 310 26 55; Drake
Store, 13 rue des Alpes, 022 732 24 42 Lausanne: Drake Store, 22 rue de Bourg,
021 320 08 20 - Bern: Ciolina, Marktgasse
51, 031 328 64 64 – Zürich, Dolce &
Gabbana, Weinplatz 10, 044 211 55 05
Bottega Veneta Genf : Bongénie, 34 rue du
Marché, 022 818 11 11 - Lausanne: Bongénie,
10 place Saint-François, 021 345 27 27 Zürich: Grieder, Bahnhofstrasse 30, 044
224 36 36 Ermanno Scervino
www.ermannoscervino.it Giorgio Armani
Genf : Giorgio Armani, 2 place Métropole,
022 310 43 50 ; Bongénie, 34 rue du Marché,
022 818 11 11 – Lausanne : Olivier François
Ausoni, 5 place Saint-François, 021 312 94
12 ; Bongénie, 10 place Saint-François, 021
345 27 27 – Zürich : Giorgio Armani,
Bahnhofstrasse 25, 043 960 08 00Grieder,
Bahnhofstrasse 30, 044 224 36 36 Hermès
Genf : Hermès, 43 rue du Rhône, 022 819 07
19 – Zürich, Hermès, Bahnhofstrasse 31,
044 211 41 77 Junya Watanabe
www.mrporter.com Louis Vuitton Genf :
Louis Vuitton, 2 place du Lac, 022 311 02 32
– Lausanne : Louis Vuitton, 30 rue de
Bourg, 021 312 76 60 – Zürich : Louis
Vuitton, Bahnhofstrasse 30, 044 221 11 00
Marc Jacobs www.marcjacobs.com
Paul Smith Genf: Drake Store, 13 rue des
Alpes, 022 732 24 42; 15Ter, 15 rue de la Terrassière, 022 735 70 87; Bongénie, 34 rue du
Marché, 022 818 11 11 - Lausanne: Camille,
5 rue Caroline, 021 312 85 15 ; Walpurgis, 6
rue Enning, 021 312 96 21; Drake Store, 22
rue de Bourg, 021 320 08 20 - Zürich:
Fidelio, Münzplatz 1, 044 211 13 11; Grieder,
Bahnhofstrasse 30, 044 224 36 36 Prada
Genf: Anita Smaga, 49-51 rue du Rhône, 022
310 26 55; Drake Store, 13 rue des Alpes, 022
732 24 42 - Lausanne: Drake Store, 22 rue
de Bourg, 021 320 08 20 – Zürich, Prada
Uomo, Storchengasse 12, 044 211 10 80;
Prada Donna, Bahnhofstrasse 18, 044 211 09
43 Roberto Cavalli Genf : Roberto Cavalli,
49 rue du Rhône, 022 310 26 55 Salvatore
Ferragamo Genf : Salvatore Ferragamo, 104
rue du Rhône, 022 310 15 08 - Zürich :
Salvatore Ferragamo, Bahnhofstrasse 40,
044 211 23 91 Versace Genf : Versace, rue
du Rhône, 022 310 34 14 Victor & Rolf
Genf: Boutique Apollinaire, 61 rue du
Rhône, 022 311 77 21 Yves Saint Laurent
Genf : Drake Store, 13 rue des Alpes, 022
732 24 42 - Lausanne: Drake Store, 22 rue
de Bourg, 021 320 08 20
S H O OT I N G
S T I L D U E L L S. 58
Balenciaga Genf :Drake Store, 13 rue des
Alpes, 022 732 24 42 - Lausanne: Drake
Store, 22 rue de Bourg, 021 320 08 20 Bally
Genf : 80-82 rue du Rhône, 022 310 22 87
– Lausanne : 9 place Saint-François, 021 312
31 95 – Zürich : Bahnhofstrasse 66, 044 224
39 39 Chanel Genf : Chanel, Rue du Rhône
43, 022 311 08 62 ; Bongénie, 34 rue du
Marché, 022 818 11 11 - Zürich: Grieder,
Bahnhofstrasse 30, 044 224 36 36 Dior
Genf :Drake Store, 13 rue des Alpes, 022 732
24 42; Bongénie, 34 rue du Marché, 022 818
11 11 - Lausanne: Drake Store, 22 rue de
Bourg, 021 320 08 20; Bongénie, 10 place
Saint-François, 021 345 27 27 – Zürich:
Grieder, Bahnhofstrasse 30, 044 224 36 36
Dries Van Noten Lausanne: Camille, 5 rue
Caroline, 021 312 85 15 - Bern: Ciolina,
Marktgasse 51, 031 328 64 64 – Zürich:
Boutique Roma, Lintheschergasse 17, 044
222 18 81 Fendi Genf: Boutique Fendi, 62
rue du Rhône, 022 319 30 10; Bongénie, 34
rue du Marché, 022 818 11 11 – Lausanne:
Bongénie, 10 place Saint-François, 021 345
27 27 – Zürich: Grieder, Bahnhofstrasse 30,
044 224 36 36 Firma Lausanne: Camille, 5
rue Caroline, 021 312 85 15 Jean Paul
Gaultier Genf: Jean Paul Gaultier, 19 rue
du Rhône, 022 310 33 22 - Zürich : Grieder,
Bahnhofstrasse 30, 044 224 36 36 La Perla
Genf : rue du Rhône 106, 022 310 33 27
- Zürich : Grieder, Bahnhofstrasse 30, 044
224 36 36 Alexander McQueen Genf :
Anita Smaga, 49-51 rue du Rhône, 022 310
26 55 - Zürich : Trois Pommes,
Storchengasse 13, 044 212 02 04 Miu Miu
Anita Smaga, 49-51 rue du Rhône, 022 310
26 55 Neil Barrett Genf :Drake Store, 13
rue des Alpes 022 732 24 42 - Lausanne:
Drake Store, 22 rue de Bourg, 021 320 08 20
Simonetta Ravizza Genf: Anita Smaga,
49-51 rue du Rhône, 022 310 26 55
Rolex www.rolex.com
D E R J E T L AG
D E R U H R M AC H E R , S. 70
A. Lange & Soehne Genf: Les
Ambassadeurs, 62 rue du Rhône, 022 318
62 22 – Zürich: Türler, Bahnhofstrasse 28,
044 221 06 08 Jaeger-LeCoultre Genf:
Boutique Jaeger-LeCoultre, 2 rue du
Rhône, 022 310 62 17; Les Ambassadeurs,
62 rue du Rhône, 022 318 62 22;
Chimento, 19 quai du Mont-Blanc, 022 731
16 51 – Lausanne: A l’Emeraude, 12 place
Saint-François, 021 312 95 83; Bijouterie
Junod, 8 place Saint-François, 021 312 83
66 - Zürich: Stahel, Gerbergasse 5, 044 211
28 04 Louis Vuitton Genf: Louis Vuitton,
2 place du Lac, 022 311 02 32 – Lausanne:
Louis Vuitton, 30 rue de Bourg, 021 312 76
60 – Zürich: Louis Vuitton, Bahnhofstrasse 30, 044 221 11 00 Patek Philippe
Genf : Salon Patek Philippe, 41 rue du
Rhône, 022 Gübelin SA, 60 rue du Rhône,
022 365 53 80 - Lausanne : A l’Emeraude,
12 place Saint-François, 021 312 95 83Zürich : Beyer Chronometrie,
Bahnhofstrasse 31, 043 344 63 63 ;
Gubelin AG, Bahnhofstrasse 36, 044 37 52
20 Rolex www.rolex.com Ulysse Nardin
Genf: Les Ambassadeurs, 62 rue du
Rhône, 022 318 62 22; La Maison de
l’Horlogerie, 24 rue du Cendrier, 022 732
09 54 – Lausanne: A l’Emeraude, 12 place
Saint-François, 021 312 95 83; Bijouterie
Junod, 8 place Saint-François, 021 312 83
66 - Zürich: Les Ambassadeurs,
Bahnhofstrasse 64, 044 227 17 17
Vacheron Constantin Les Ambassadeurs,
62 rue du Rhône, 022 318 62 22 ;
Chimento, 19 quai du Mont-Blanc,
022 731 16 51 - Zürich : Les Ambassadeurs,
Bahnhofstrasse 64, 044 227 17 17
Finanz und Wirtschaft LU X E | 99
BOUDOIR
MAKING OF
I N T E R V I E W | von Francesca Serra
Abel
STILDUELL
Mittwoch,
24.August
Impressionen vom Shooting
im Rolex Learning Center
an der ETH Lausanne.
Ferrara
the King of New York
A
bel Ferrara spricht wie einer seiner
Filmgangster, schweren New Yorker
Slang, die Wörter verschluckend. New York
ist seine Stadt, sie ist Hintergrund seiner
Geschichten und seine Muse. Der aus dem
Arbeitermilieu stammende Cineast aus
der Bronx verbindet in seinen Werken
Ursprüngliches mit Philosophischem und
erforscht die Niedertracht des menschlichen Wesens.
Die Filme, die ihn zu einem der massgeblichen Akteure des zeitgenössischen amerikanischen Kinos gemacht haben, sind zweifellos die beiden Epen King of New York
mit Christopher Walken als gespenstischer
Bösewicht sowie Bad Lieutenant mit Harvey Keitel in der Rolle eines heruntergekommenen Polizisten, der schlussendlich
Vergebung erhält. Vergebung und Erlösung
sind ebenso Schlüsselbegriffe seines Schaffens wie Abhängigkeit (Addiction), Liebe
(China Girl), Sinnlichkeit (New Rose Hotel
und Go Go Tales), ja sogar Feminismus (Ms.
45). Während seine düsteren, atemberaubend schnellen Filme von der europäischen
Kritik bewundert werden, stören sie das
konformistische Amerika und Hollywood,
dessen Codes sie nicht befolgen.
Mister Ferrara, hier in Europa gelten Sie als
künstlerischer Regisseur. Warum aber versucht man Sie in New York immer wieder dem
reisserischen Genre zuzuordnen?
In Amerika existiert mein Filmgenre eben
nicht. Ich habe versucht, andere Regisseure
davon zu überzeugen, aber sie wollten davon nichts wissen. Als ich mit David Lynch
darüber sprach, schaute er mich an, als ob
ich verrückt geworden sei. So ist es eben in
Amerika. Die Leute haben mit künstlerischen Filmen nichts am Hut. Ich bin dort
aufgewachsen und, obwohl jugendlicher
Filmfan, kannte ich damals keinen einzigen
Regisseur. Kino ist Nervenkrieg, bei dem
es einzig um die Frage geht, ob ein Film
ein Kassenschlager wird oder nicht. In den
Jahren 1990 bis 1994 gab’s zwar ein Fenster
100 | Finanz und Wirtschaft LU X E
für den unabhängigen Film, das sich aber in
der Folge wieder schloss. Heute gehen weniger Leute ins Kino, was nicht zuletzt den
x-ten Versuch erklärt, den 3D-Film zu lancieren, um die Säle zu füllen. Ich bin aber
überzeugt, dass es nicht klappt.
Vielleicht bedeutet Erlösung ganz einfach die
zweite Chance?
Vielleicht. Aber kann man dann auch eine
dritte, vierte Chance erhalten? Geht es bis
zur neunten? Vielleicht ist es auch eine Frage der verschiedenen Religionen.
Hat das Internet die Situation verändert?
Alle meine Filme sind auf Internet. Möglicherweise ist das Netz mein grösster Verleiher. Aber ich will im Web keinen Film
finden, der noch nicht im Kino gezeigt wurde. Das Medium verlangt eine ganz andere
Schnitttechnik. Es gibt Filme, die man auf
dem Handy betrachten kann, andere wiederum werden von 8500 Personen im Kino
gesehen. Früher machten wir Filme für
ein präzises Publikum, wir wussten genau,
was dieses sehen wollte. Diese Filme waren
kein Produkt unseres Hirns. Drilling Killer
beispielsweise wurde für ein zweitklassiges Publikum gedreht und entsprach ganz
dessen Vorstellungen. Es ist eine verkehrte
Welt, die Nachfrage erzeugt das Angebot.
Welches ist Ihre Beziehung zur Religion?
Ich bin mit der Religion gross geworden. Als
Kind wurde ich von katholischen Schwestern erzogen, ich kniete beim Beten. Die
Erziehung war hart, nach alter Väter Sitte.
Wenn die Religion einmal in Ihnen ist, dann
bleibt sie es.
Erzählen Sie uns von Ihrem Film 4:44 Last Day
on Earth, den Sie eben in Venedig vorgestellt
haben.
Es ist ein Film über den Weltuntergang, der
um 4.44 Uhr morgens eintreffen wird. Er
erzählt das Leben eines Paars, interpretiert
von Shanyn Leigh und Willem Dafoe, das in
einem schicken Appartement in Manhattan
lebt und über alle technischen Hilfsmittel,
iPad, iPhone, Skype, Multichannel-TV, verfügt. Man beobachtet, wie die beiden auf die
drohende Realität reagieren. Ursprünglich
habe ich nicht eigentlich an einen ScienceFiction-Film gedacht. Herausgekommen ist
wohl der schlimmste Albtraum von Al Gore.
In Zusammenhang mit Ihren Filmen spricht
man oft von Erlösung.
Man bezeichnet mich als den König der Erlösung, aber ich weiss nicht, was das eigentlich bedeutet. Ich kann beziehungsweise
will diese Bedeutung nicht erkennen.
Musik ist für Sie ebenfalls sehr wichtig.
Musik ist der Schlüssel zu allem. Sie kann
einen Film kaputtmachen, Musik ist 50%
des Films. Deshalb sollte jeder Regisseur
eigentlich Musiker sein beziehungsweise
gute musikalische Kenntnisse besitzen.
Sie arbeiten oft mit den gleichen Schauspielern. Wie ist Ihre Beziehung zu ihnen?
Man muss die Schauspieler lieben und respektieren. Ich bin immer für sie da, denn
beim Drehen muss jedermann perfekt
im Prozess integriert sein. Am Set bin ich
gleichzeitig das stärkste und schwächste
Glied. Wenn niemand an dich glaubt, bist
du nichts.
Das war aber nicht immer so, siehe Zusammenarbeit mit Madonna in Snake Eyes?
Sie wollte um jeden Preis Schauspielerin
sein, aber sie war nicht gut. Man ist nicht
Anna Magnani, nur weil man es so will.
So geht es nicht. Zwischen Regisseur und
Schauspieler muss ein Vertrauensverhältnis bestehen. Madonna hat mir nie wirklich
vertraut, weshalb es irgendwann einfach
nicht mehr ging. Filmarbeit ist Teamarbeit.
Man muss sein Ego draussen lassen, eine
andere Wahl gibt es nicht.
Weshalb zwingen Sie Ihren Figuren extreme
Situationen auf?
Finanz und Wirtschaft LU X E | 101
@SDKHDQYTOOHMFDQBG
B O U D O I R | I N T E RV I E W
te ich einfach nie die Idee, dorthin zu gehen. Wenn man aus New York kommt, kann
man sich keinen andern Ort vorstellen. Die
Stadt hat etwas Magisches, sie übt eine
Macht über dich aus, unabhängig davon, wo
du dich gerade befindest. Eine Redewen-
Rudy Waks/Corbis Outline
«Film ist Teamarbeit.
Man muss sein Ego
draussen lassen. »
Ich mache Filme über Dinge, die ich erlebe,
denen ich ausgesetzt bin. Ich selber bin nur
das Instrument.
Sie planen ein Projekt über Pasolini?
Ja, das Drehbuch ist bereits geschrieben und
ich habe auch schon einen italienischen Produzenten. Das ist schon ein guter Anfang. Es
ist hart, in Italien als Produzent zu arbeiten,
ausser man heisst Silvio Berlusconi.
Was fasziniert Sie an Pasolini?
Pasolini war eine einzigartige Persönlichkeit. Es gibt niemanden wie ihn.
Sie machen einen Film über einen italienischen Regisseur in englischer Sprache?
Ja, die Hauptrolle wird von Willem Defoe
interpretiert. Ich kann keinen Film über Pasolini drehen ohne amerikanische Schauspieler. Ich habe lange gekämpft, denn für
mich setzte eine italienische Geschichte
auch italienische Schauspieler voraus. Aber
es ist unmöglich. Ich habe es aufgegeben
und will nicht mehr diskutieren. Es ist unmöglich mit italienischen Akteuren zu drehen. Ein italienischer Film würde nie die
notwendigen Geldmittel erhalten, um die
Ambiance des Jahres 1975 auferstehen zu
lassen.
102 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Haben Sie von der ständigen Suche nach Geld
nicht genug?
Natürlich, aber wir haben keine Wahl. Wir
sind mit all diesen Aspekten der Geldbeschaffung konfrontiert. Dies ist ein Fakt und
sehr kompliziert. Go Go Tales war eine einzigartige Erfahrung. Wir haben so viel Zeit
aufgewendet, um den Film zu realisieren,
letztendlich mit Erfolg. Der Gedanke, dass
es möglich wurde, macht mich sehr glücklich. Wenn ich an all die Schwierigkeiten
zurückdenke… Der Drehort wurde zerstört,
weil wir nicht alle Zahlungen leisten konnten. Irgendwann sagte ich mir, dass der Film
nicht geboren werden wollte. Und dann ist
er mir trotz aller Schwierigkeiten gelungen.
Es war sehr hart. Aber man kann sich nicht
einerseits den Hollywood-Regeln widersetzen und sich anderseits beklagen. Wer einen Film machen will, muss nach Los Angeles gehen und vor einem Agenten in die
Knie gehen.
Sie haben lange in Italien gelebt, nicht zuletzt
wegen der Schwierigkeiten, einen Verleger zu
finden. Hat Sie diese Erfahrung verändert?
Die Erfahrung in Italien war wunderbar.
Und ich habe mich gefragt, weshalb ich
nicht schon viel früher daran gedacht habe.
Als Teil der Hollywood-Maschinerie hat-
dung sagt: «Bist du nicht in New York, campierst du vorübergehend an einem andern
Ort.» Es gibt keine andere Stadt, die diese
Wirkung hat. Wenn du an das Leben rund
um die Uhr, an sieben Tagen die Woche gewohnt bist, ist es schwierig, diesen Rhythmus zu brechen. Deshalb ist das Leben anderswo nicht einfach, vor allem in Europa.
Wenn du hier nicht gleichzeitig wie die andern zu Bett gehst, riskierst du, verhaftet zu
werden.
Sie haben einen Dokumentarfilm über das
legendäre Chelsea Hotel, Bastion der Underground-Kultur, gedreht, wo Persönlichkeiten
wie Andy Warhol, Janis Joplin, Jean-Paul
Sartre und Patti Smith abgestiegen sind. Eine
amüsante Erfahrung?
Ja, und eine sehr intensive dazu, was angesichts des Themas klar war. Jede Aufnahme
war eine richtige Bombe.
Die Zerstörung des Gebäudes ist entschieden.
Können Sie nichts für die Rettung tun?
Nein, leider kann man nichts tun. Ausserdem habe ich schon genug damit zu
tun, meine eigene Haut zu retten. Das
Chelsea Hotel ist ein legendärer Ort, gefüllt mit unglaublichen Geschichten. Wie
jene über Milos Forman, der zwei Jahre hier gewohnt haben soll. So oder so, es
ist traurig, aber man kann nichts machen.
Die Immobilienbesitzer sind die wahren
Bosse der Stadt.
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Der Künstlerstatus wird oft verherrlicht. Ihre
Meinung?
Als Künstler hast du gar keine Wahl, etwas
anderes zu sein.
In letzter Zeit arbeiten Sie mit jüngeren
Produzenten zusammen. Eine Möglichkeit,
mit dem Neuen, dem Wechsel in Kontakt zu
bleiben?
Ich hoffe es. So oder so, heute sind alle jünger als ich. |
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