als PDF - Finanz und Wirtschaft
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SOMMER 2011 – 7 franken Taucheruhren: Mechanik mit Tiefgang Interieur: Recycling der schönen Art Hotel: Luxus mit Seesicht Gegenwartskunst: Zeitgenossen aus der SCHWEIZ SPEZIAL KUNST & DESIGN Gerade geschnittener Blouson mit Reißverschluss aus Etrivière-Leder, gemustertes Futter. EDITORIAL Magazin zur Ausgabe Nummer 46 der «Finanz und Wirtschaft» vom 11. Juni 2011. LUXE ist eine gemeinsame Publikation von «Bilan» und «Finanz und Wirtschaft» und erscheint vier Mal jährlich. – Verlag Finanz und Wirtschaft AG Hallwylstrasse 71, Postfach, 8021 Zürich Telefon 044 298 35 35, Fax 044 298 35 00 www.fuw.ch, [email protected] – Die Kunst, den Sommer zu geniessen D er Sommerauftakt ist grossartig, im doppelten Wortspiel. Die Art Basel ist seit über vierzig Jahren die Ouvertüre im sommerlichen Kulturprogramm der Schweiz. Wenn nächste Woche Galeristen und Künstler, Sammler und Kuratoren, Berühmte und Reiche aus aller Welt ihren Walk of Fame abhalten, dann mag Ihnen als Leserin und Leser der dritten Ausgabe von «Luxe» unser Überlebensführer erstens nützliche Lektüre sein und zweitens Anregung, sich ins Kunstgewühl zu wagen. Verleger Pietro Supino Geschäftsführer Martin Coninx Chefredaktor Peter Schuppli Redaktionelle Leitung Konrad Koch Anzeigenverkauf Ruedi Minger Marketing Dana Massie Anzeigen Deutschschweiz Edipub SA Mühlebachstrasse 43, 8032 Zürich – Art Director Nicolas Zentner (enzed, Lausanne) Bildredaktion David Huc – Mitarbeiter dieser Ausgabe Dominic Büttner, Vincent Calmel, Christian von Faber-Castell, Vincent Gillioz, Vera Hartmann, Alban Kakulya, Blaise-Alexandre Le Comte, Knut Schwander, François Wavre, Myret Zaki – Übersetzung Béatrice Aklin, Sabine Dröschel, Gian Pozzy – Bilan LUXE Verleger Edipresse Développment SA Geschäftsführer Tibère Adler Chefredaktor Stéphane Benoit-Godet Redaktionelle Leitung Emmanuel Grandjean Leitung Marketing Bérangère Waver Direktor Publikationen Einen nur kleinen Ausschnitt aus der Vielfalt des zeitgenössischen Kunstschaffens in der Schweiz bringt Ihnen unsere Galerie junger Künstlerinnen und Künstler aus der Romandie und der Deutschschweiz näher. Sie beschreiben eines ihrer eigenen Werke und bestätigen damit, was im Gespräch mit «Luxe» John Armleder, einer der ganz Grossen der Gegenwartskunst, sagt: «Das Werk ist interessanter als der Künstler.» Die Tugend des Sommers, Gelassenheit zu zeigen, gar vieles mit etwas Ironie zu betrachten, beherrscht auf hohem Niveau Vincent Calmel. Der Fotograf hat fünf Ikonen der klassischen Malerei mit sommerlicher Leichtigkeit verfremdet, so wie das Titelbild mit Botticellis «Geburt der Venus» aus dem Genfersee. Der Sommer in der Schweiz macht gar Spötter zu Schwärmern. Es sei der lieblichste Platz auf Erden, den er je gesehen habe, schrieb Mark Twain in seinen Reiseberichten über Weggis. Neun Sommerwochen hat der amerikanische Novellist am Vierwaldstättersee verbracht. Es war zwar nicht im besten Haus am Ort. Das finden Sie dafür in unserer Schweizer Reise zu den sechs schönsten Hotels mit Seeanstoss. Sie sind auch Anlegestelle für beste Werftarbeit. Die Schweiz ist nämlich auch eine Seenation. Es dürfte keine Binnennation geben, die einen derart hochstehenden Bootsbau kennt. Von High-Tech-Segeljachten über Mahagoni-Runabouts bis zu Speedmonster, aus Werften vom Bodensee bis an den Lac Léman findet sich jede Bootsklasse zur kühlenden Flucht. Marco Cataneo Direktor Administration und Finanzen Sébastien Lamunière – Fotolitho Konrad Koch Verantwortlicher Redaktor Images3, Lausanne – Druck Ziegler Druck- und Verlags-AG, Winterthur Auflage 65 000; ISSN 1664-0152 Piaget Manufaktur-Uhrwerk 880P Automatischer Chronograph Flyback, zweite Zeitzone Bis 100M wasserdicht Titanium, Saphirglasboden Armband aus Kautschuk www.piagetpolo.com Finanz und Wirtschaft LU X E | 7 42 inhalt Sommer 2011 54 72 62 32 78 H E R I TAG E I N T H E M A K I N G 74 10 mitwirkende 13 Gastkommentar Kodex der Eleganz von Matthias Zschokke 14 Must Have 20 Tech-Trends 22 automobil Mattglanz 23 Olfaktorish Spiel der Liebe und der Düfte 24 Begegnung John Armleder : « Kunst ist interessanter als der Künstler » 28 Austellungen 30 Treffpunkte Restaurants & Shopping 32 galerie Kunst erzählt von Künstlern 66 Trend Männer und Parfum 40 ART BASEL 42 Ein Überlebensführer 69 POLO High Goal und High Society 42 Shooting Ars Futura 72 Sport Memorabilia Sammeln statt schwitzen 51 Street Art Von der Strasse in die Auktion 74 Taucheruhren Non Plus Aqua 54 Möbel Lust auf Wohnen mit Stil 78 Scanner Schweizer Werftarbeit 58 Objekt Design in Beton 80 Yachting Flügel für Sieger 61 Begehren Weshalb Sie diesen Stuhl haben müssen 83 Bootsbau Schweiz Karbon gegen Mahagoni 62 Stil Willkommen bei Joan Billing und Samuel Eberli 65 Dress Code Stilvoll in den Sommer 86 Hotellerie Luxus mit Seesicht 89 Luxe Adressen 91 Boudoir Patricia Urquiola, Enfant terrible des Designs Main Partner Titelbild: Vincent Calmel, Vera Hartmann, Courtesy Praz-Delavallade 07 Editorial T H E TO N DA H E M I SPH E R E S CO LLEC T I O N Entirely manufactured in Les Ateliers Parmigiani in Switzerland Air Watch Center SA, Aéroport de Genève | L'Atelier du Temps SA, Crans-Montana Benoît De Gorski, Genève, Gstaad | Brändli Creation & Co, Villars-sur-Ollon Gold Time SA, Lugano, Chiasso | Gübelin AG, Basel, Bern, Genève, Lugano, Luzern, St. Moritz, Zürich Guillard SA, Lausanne | Haute Horlogerie Schindler, Zermatt | Herschmann Doris, Ascona Kirchhofer AG, Interlaken | Maissen & Co, Klosters | Zbinden, Montreux | Zeit Zone Zürich, Zürich 8 | Finanz und Wirtschaft LU X E WWW.PARMIGIANI.CH Finanz und Wirtschaft LU X E | 9 mitwirkende Das neue BMW 6er Cabrio www.bmw.ch François Wavre In Genf geboren, studierte François Wavre Fotografie an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Abteilung Unternehmensführung, der Universität Genf. Er liebt es, Bankiers abzulichten, möchte einen Roman schreiben, befürchtet aber, seine Meister in den Schatten zu stellen. Bärtig, häuslich, sammelt Schuhe und lebt im Konkubinat mit einem Bullterrier. Vera Hartmann Die in Zürich geborene Fotografin liess sich am Art Center College of Design Pasadena ausbilden. Sie pendelt zwischen der Schweiz – wo sie die Agentur 13 mitbegründet hat – und Los Angeles. Zwei Berufsmittelpunkte auf geografischen Antipoden, aber dieselbe Sensibilität für Farben und die Menschen, die sie porträtiert, vom chinesischen Künstler Ai Weiwei bis zur Pornodarstellerin. Vera Hartmann publiziert ihre Arbeiten in den USA in «GQ», «Rolling Stone» und «Wired», in der Schweiz in «Annabelle», «l’Hebdo» und «NZZ am Sonntag». www.verahartmann.com S. 58-60 Blaise-Alexandre Le Comte Ästhet und Sammler seltener Düfte, kultiviert BlaiseAlexandre Le Comte seine kühne und sinnlich-dreiste literarische Kunst. Vor einigen Jahren ist der Genfer zu seiner wahren Passion – Literatur und Philosophie – zurückgekehrt, die er im zarten Alter entdeckt und später zu lange vernachlässigt hat. Für «Luxe» erforscht er die hintergründige Magie der Parfums im Liebesspiel. Er publiziert seine Feuilletons im Blog «Chypre Rouge». www.chyprerouge.wordpress.com S. 23 Matthias Zschokke Er ist Schriftsteller, Dramaturg (er war Schauspieler) und Filmemacher (er hat drei Filme realisiert). Matthias Zschokke, 1954 in Bern geboren, lebt seit 1980 in Berlin. Mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet (Robert Walser, Gerhart Hauptmann), erhielt er 2009 den Prix Femina Etranger für seinen Roman «Maurice mit Huhn», für den er bereits 2006 mit dem Schiller-Preis geehrt wurde. Der brillante, ironische und feinsinnige Beobachter unserer Gesellschaft schreibt in «Luxe» über den diskreten Charme der Luxusunterwäsche für den Mann. Vincent Calmel Autodidakt, den ein Art Director der «Tribune de Genève» zur Fotografie gebracht hat. Vincent Calmel gründete 2004 Mitsu120, eine Bildagentur für Werbung und Zeitschriften. Für «Luxe» hat der Genfer Fotograf fünf Meisterwerke der Kunstgeschichte neu interpretiert, indem er fünf mythische Nackte mit der Zeitmaschine in die Zukunft befördert hat. Entstanden sind faszinierende Bilder von Gabrielle d’Estrée als Androidin und die Geburt der Venus am Genfersee, www.mitsu120.com S. 13 BEWEGT SCHON IM STILLSTAND. S. 42-49 Entdecken Sie ein Fahrzeug, das die Grenzen der Freude neu definiert. Klare Formen und fliessende Bewegungen kreieren pure Ästhetik. Das perfekt abgestimmte Zusammenspiel von Motor und Fahrwerk formt eine Komposition kompromissloser Dynamik. Ein Werk der Perfektion, das man begehren kann. Aber erleben muss. Mehr Informationen bei Ihrem BMW Partner oder unter www.bmw.ch Zschokke, Hartmann, Calmel, Wavre S. 62-64 10 | Finanz und Wirtschaft LU X E Freude am Fahren DAS NEUE BMW 6er CABRIO. 640i Cabrio 7,9 l/100 km 235 kW (320 PS) Tel. +41 44 361 0811 - [email protected] - www.canali.it OUVERTURE Gastkommentar Luxus der kleinen Dinge Matthias Zschokke Seine Bücher und Theaterstücke sind in der deutschen und französischen Sprachwelt gleichermassen erfolgreich. In Deutschland wurde er 1981 mit dem Robert-Walser-Preis ausgezeichnet, 2009 gewann er als erster deutschsprachiger Autor den französischen Literaturpreis Prix Femina Etranger. Der Schweizer Schriftsteller Matthias Zschokke lebt seit über dreissig Jahren in Berlin. Gedanken über Qualität und Luxus die «hautnah» gehen oder wie die Suche nach dem Besten zu einem idyllischen Ort führt, wie ihn nur Mitglieder im Esse-Quam-Videri-Club finden. Illustration: Nicolas Zentner M änner in Rohner-Socken; Frauen, die ihre Augenbrauen morgens mit einer Rubis-Pinzette zupfen; Geschäftsleute mit einem Caran-d’Ache-Kugelschreiber in der Brusttasche; Herren, die im Winter Kandahar-Schuhe an den Füssen tragen – lauter Anhänger von Schweizer UnderstatementLuxus, der leider vom Aussterben bedroht ist, weil er so wenig hermacht. Wer an ihm festhält, gibt sich zu erkennen als Mitglied des Esse-Quam-Videri-Clubs («mehr sein als scheinen»). Vor Jahren sah ich in einem Genfer Warenhaus einen Scheich in weissem, langem Gewand, der sich stapelweise Damenunterwäsche aus Wolle einpacken ließ. Die Verkäuferin, die ich darauf ansprach, sagte, das sei nichts Aussergewöhnliches; Araber seien ganz vernarrt in Schweizer Wollunterwäsche. Kurz darauf entdeckte ich zufällig auf einem Foto Yehudi Menuhin beim Üben auf seiner Geige – in einem Wollunterleibchen von Zimmerli. Seitdem bin ich nicht mehr abzubringen von der Überzeugung, dass Schweizer Unterwäsche zu den Accessoires dieses Clubs gehört. Lange Zeit galt die von Hanro als der Rolls-Royce auf dem Seiden- und Wollsektor. Leider hat ihre Qualität in letzter Zeit nachgelassen. Eine verwerfliche, mammo- nistische Firmenpolitik hat dazu geführt, dass der Name nach Österreich verkauft und die Produktion europaweit verstreut wurde. Wenn ein Kunde sich im Dessousgeschäft heute über die Nähte seiner Seidenunterhose beklagt, seufzen die Verkäuferinnen wehmütig, raten ihm dann aber, die Hose halt nicht wie ein Stier hochzureissen, sie sei schliesslich aus zartestem Gewebe. Und das stimmt auch. Hanro-Wäsche bereitet nach wie vor Lust beim Tragen und ist dementsprechend teuer. Weil es sich bei den Modellen um modeunabhängige Klassiker handelt, kommen sie kaum je in den Ausverkauf. Nur in Liestal, wo sie früher hergestellt wurden, kann man sie im fabrikeigenen Laden zum halben Preis bekommen. Zu den Regeln des Clubs gehört Sparsamkeit. Mitglieder fahren deswegen nach Liestal, um zum Beispiel lange Unterhosen aus Seide/Wolle zu kaufen, das ultimative Kleidungsstück für den Herrn im Winter, oder einen Kaschmirhausdress für die Dame, wie sie in Hollywoodfilmen aus den Fünfzigerjahren manchmal getragen werden, an der Côte d’Azur, im frühen Frühling. Um das Passende zu finden, braucht man Zeit. Es ist unsinnig, rasch den Laden aufzusuchen, die Regale durchzuwühlen, zu- zuschlagen und dann weiterzurasen. Am besten bleibt man über Nacht, zum Beispiel im Hotel Bad Schauenburg ob Liestal, einem Idyll, das man sonst nie in seinem Leben entdecken würde. Zuerst führt der Weg stadtauswärts durch traurige Agglomeration, dann wird’s friedlich. Hügeliges Ackerland, Weiden mit Kühen drauf, vereinzelt daliegende Bauernhöfe. Nach etwa drei Kilometern taucht zwischen den welligen Wiesen und Wäldchen ein herrschaftliches Gut auf, ein grosser Teich mit Springbrunnen davor, drumherum ein parkartiger Garten: das dreihundert Jahre alte Hotel Bad Schauenburg. Der Badebetrieb ist längst aufgegeben worden, doch aus sämtlichen Hähnen fliesst nach wie vor eigenes, gesundes Quellwasser. Die Gästezimmer sind solide renoviert und behaglich eingerichtet wie die bei einem reichen Freund auf dem Land. Das Restaurant des Hauses ist weit herum bekannt, die Atmosphäre in den beiden Salons, in denen gespeist wird, festlich. In der Nacht ist nichts als das Plätschern des Brunnens zu hören, dann und wann die Glocke einer grasenden Kuh, und man versinkt in tiefem, traumlosem Schlaf. Nach dem Frühstück, das in einem Wintergarten mitten in der Landwirtschaft eingenommen wird, reist man erholt ab, als hätte man das ausgeklügeltste Wellnesswochenende hinter sich, umschmeichelt von feinsten Hanro-Garnen – gewonnen für die Devisen des Esse-Quam-Videri-Clubs. | Finanz und Wirtschaft LU X E | 13 guebelin.ch MUST HAVE von Emmanuel Grandjean Jambox jukebox Sommersound 2011, designt vom Lausanner Yves Béhar. Der in San Francisco lebende und arbeitende Gestalter hat bereits ein BluetoothHeadset für Jawbone, Hersteller schöner und intelligenter Audioprodukte, kreiert. Die Jambox ist ein schnurloser, ultrastarker Lautsprecher, der via Bluetooth mit dem Rechner und dem iPod betrieben wird. Am Computer angeschlossen, kann das intelligente Gerät Audio-Apps und Software direkt von der Site des Herstellers herunterladen. Jawbox gibt’s in vier Modellen und Farben. 200 Fr. www.jawbone.com Inspiration made by Gübelin. Das Juwel verlangt nach ausserordentlichem Handwerk. Nach Erfahrung und Wissen in der Wahl der wertvollsten Edelsteine. Doch erst die inspirative Kreation, das Spiel mit Material, Farbe und Licht schafft die entscheidende Qualität: Schafft es, dass das grösste Glanzstück nicht der Schmuck ist. DR Sondern Ihr persönlicher Auftritt. 14 | Finanz und Wirtschaft LU X E Finanz und Wirtschaft LU X E | 15 MUST HAVE Pack die Badehose ein! Apropos Badehose: Überlassen Sie die Shorts mit Blumenmuster den Surfern, den Minislip den Schwimmsportlern. Die Auswahl ist immer noch gross genug, das Angebot riesig, der gute Geschmack nicht immer die Regel. Wir empfehlen die knallblaue Hose von Kitsuné. Die Pariser Kleidermarke ist gleichzeitig eines der momentan angesagtesten Musiklabels. In diesem cool-eleganten Modell aus der neuen Kollektion «Reporter», eine Hommage an den Filmemacher Michelangelo Antonioni, sehen Sie auch am Strand wie ein echter Preppy aus. 200 Fr. www.colette.fr 1. 1 2 Schlangenschuhe Wenn Ihnen die Weste aus Schlangenleder gefallen hat, in die Nicolas Cage in «Sailor & Lula» gewandet war, werden Sie sich für Sneakers aus schwarzem Schlangenleder des kalifornischen Glam-Trash-Designers Rick Owens begeistern. Das richtige Schuhwerk, um auf der Terrasse echsenmässig zu dösen. 1200 Fr. www.farfetch.fr 2. 3. Blauer Freitag Der Zürcher Taschenhersteller ergänzt seine Luxuskollektion Reference mit neuen Modellen (Bateau-Taschen, grosse Umhängetasche) und zwei neuen Farben. Nach Grau und Rot im Jahr 2010 lanciert Freitag die Farben Ultramarin und Türkis. Schön, praktisch, Freitag. Wir sind begeistert. Weekender Lovejoy, 560 Fr. www.freitag.ch Runde Gläser Die Zeiten sind schwierig, die Welt zittert. Vielleicht wäre es der Moment, einen neuen Summer of Love zu erleben. Im Ray-Ban-Katalog gibt es unter den Vintage-Brillen das passende Accessoire dazu. Runde Brillen mit Metallfassung sind wieder im Kommen, und John Lennons «Give Peace a Chance» ist aktuell wie noch nie. Ab 160 Fr. www.ray-ban.com 4. 3 5. Gottes Amulett Paris Kain ist ein New Yorker Schmuckkünstler, der versilbertes Platin mit verschiedenen Materialien und Steinen kombiniert. Abraxas Rex ist die Marke des Designers, ein terrestrischer, mystischer Mix, der sich am Namen des gnostischen Gottes des Lichts und der Finsternis inspiriert. Für dieses «Ramulette» hat Kain eine neue Religion erfunden, indem er elektronische Komponenten mit einem massiven, gebürsteten, mit zwei Diamanten besetzten Silberplättchen verbindet. Gottes Amulett? 2500 Fr. www.colette.fr 5 6 16 | Finanz und Wirtschaft LU X E 6. Die Feder aus dem All 2011 ist das Jubiläumsjahr des ersten Menschen – Juri Gagarin – im Weltraum. Caran d’Ache (Russisch für Bleistift) ist traditionell mit dem Reich der Zaren verbunden und ehrt die Raumfahrt des sowjetischen Kosmonauten mit zwei limitierten und nummerierten Editionen. Die Gedenkedition 1961 besteht aus 1961 versilbert-rhodinierten Füllfederhaltern und Rollern, die Jubiläumsauflage aus 50 goldplattierten Füllfederhaltern und Rollern, die mit einem schwarzen Diamanten besetzt sind. Schwarz wie das All. Preis zwischen 1250 und 2250 Fr. www.carandache.ch Als Inbegriff traditioneller Uhrmacherkunst und zeitloser Eleganz begleitet der Chronograph Capeland die wertvollsten Augenblicke des Lebens in vollendeter Balance zwischen Authentizität und Stil. www.baume-et-mercier.com DR 4 Finanz und Wirtschaft LU X E | 17 MUST HAVE Wer mit neuen Energien spielt, nimmt sie ernst. Champagner auf auf Eis Eine Investition in Wind- oder andere erneuerbare Energien ist nachhaltig im Sinne einer langfristig betrachteten Rendite und zugleich ein klares Bekenntnis zum verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen. Die Bank Sarasin ist führend auf dem Gebiet des nachhaltigen Investierens. Sie bietet auf Ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Dienstleistungen und Anlagelösungen an. Auch als Beitrag an die Welt von morgen. Tel. 0800SARASIN, www.sarasin.ch Nachhaltiges Schweizer Private Banking seit 1841. Puristen sind schockiert, Weinliebhaber schaudert’s. Moët & Chandon bringt auf den Sommer 2011 den ersten Champagner heraus, den man auf Eis trinkt. Mit seinem zarten, nach roten Beeren duftenden Aroma wurde der Moët Ice Imperial speziell für die schöne Jahreszeit konzipiert. Die schneeweisse Flasche ist nicht im Handel erhältlich, sie kann in rund dreissig exklusiven, sorgfältig ausgesuchten Sommerlokalen geordert werden. Die Adressen finden Sie auf DR www.moeticeexperience.com 18 | Finanz und Wirtschaft LU X E Finanz und Wirtschaft LU X E | 19 BASEL • BERN • DELHI • DOHA • DUBAI • DUBLIN • FRANKFURT • GENF • GUERNSEY • HONGKONG • KÖLN • LONDON LUZERN • LUGANO • MANAMA • MÜNCHEN • MUMBAI • MASKAT • NÜRNBERG • SINGAPUR • WARSCHAU • WIEN • ZÜRICH TECH-trends von Emmanuel Grandjean Das passende Köfferchen für mein iPad 3D-Look Finden Sie die 3D-Brillen ebenfalls unsäglich hässlich? Sie fühlen sich damit wie ein verwirrter Nerd in seinem Labor. Der Brillenhersteller Marchon sorgt jetzt für Abhilfe. Der offizielle Lieferant von Calvin Klein, Lacoste, Michael Kors und Karl Lagerfeld bringt eine eigene Kollektion auf den Markt. Kompatibel mit dem in Kinos meistverwendeten 3D-System RealD, ist die Brille so attraktiv und sexy, dass man sie sogar wie eine normale Sonnebrille trägt. www.marchon.com D as teuerste und auch protzigste iPad-Accessoire der Welt kostet die Kleinigkeit von 35'000 Fr., zu haben beim Pariser Gepäckhersteller T.T. Trunks. Das teure Stück enthält eine Ladestation für Apple iPad (und alle andern Mobilegeräte), einen Zigarrenhumidor, Pokertisch und eine Whiskybar. Der New Dandy Trunk, so die Bezeichnung des edlen Reisebegleiters, wird selbstverständlich von Hand aus den edelsten Materialien hergestellt, die auf unserer Hemisphäre zu finden sind. www.tttrunks.com Nostalgie-Tastatur Peng, peng! Das Design ist schon ein bisschen gewöhnungsbedürftig, und man fragt sich, ob es wirklich eine Jahrhundertidee ist, Kopfhörer wie 9- mm-Geschosse aussehen zu lassen. Der Einfall geht auf das Konto von Munitio, Spezialist für akustische Accessoires. Die Ohrlautsprecher, mit denen Sie aussehen wie ein Bad Boy, sind aus Titan oder 18-Karat-Gold (auf 500 Stück limitiert) und kosten 160 bzw. 250 Fr. Erhältlich sind sie auch in der Version All Black mit integriertem Mikrofon. www.munitio.com 20 | Finanz und Wirtschaft LU X E Hommage an Ferrari D ie Welt besteht nicht nur aus iPhones, es gibt daneben eine ganze Reihe superluxuriöser Handys. Nokia hat ihre Kollektion hochpreisiger Mobiles erweitert. Das jüngste Modell der Kollektion Vertu Ascent, eine Hommage an den italienischen Autobauer, trägt das Ferrari-Wappen auf dem mattschwarzen Gehäuse. Die Spezialedition Scuderia ist mit den in diesem Preissegment üblichen Funktionen ausgestattet (3G, 5-Megapixel-Kamera), inklusive sämtlicher Luxusdienstleistungen von Vertu wie des berühmten Concierge-Service, der Ihnen rund um die Uhr in allen Lebenslagen zur Seite steht. Limitierte Auflage von 2011 Exemplaren. Der Stückpreis ist noch geheim. www.vertu.com www.syzgroup.com photos : DR Haben Sie genug vom Minimal-Electro-Design? Sehnen Sie sich nach üppig geschwungenen Jugendstillinien? Inspiriert vom Chrysler Building hat der geniale amerikanische Designer, Bastler und Technofreak Richard «Doc» Nagy ein Retro-Keyboard konzipiert. Die Schale ist aus Aluminium und gebürstetem Kupfer, die runden Tasten erinnern an die Knöpfe im Lift des nach der Zerstörung des World Trade Center symbolträchtigsten Gebäudes New Yorks. Die Peripheriegeräte im 1930er-Stil sind schick, der Preis ist allerdings auf 2011-Niveau: Ca. 2600 Fr. kostet Sie das exklusive Gefühl, auf einer Remington zu tippen. Tastatur The New Yorker für PC. www.datamancer.net welcome to syzerland BANK SYZ & CO AG Genf | Zürich | Lugano | Locarno Finanz und Wirtschaft LU X E | 21 a u to | m o d e fa r b e | von Emmanuel Grandjean o l fa k to r i s c h | t i pps | von Blaise-Alexandre Comte Spiel der Liebe und der Düfte Der gepflegte Mann, die gepflegte Frau beherrschen die Sprache der Düfte und wissen sie in ihrem Spiel um Verführung meisterhaft anzuwenden. matt Für die Ehefrau Im so wunderbar pariserisch-bürgerlichen Parfumgarten von Hermès emanzipiert sich die Ehefrau in ein heiteres, treuvolles Dasein. Als unbeschwerte Verlobte kostete sie die exaltierten, exotischen Sinnlichkeiten von «Un Jardin sur le Nil», «Un Jardin en Méditerranée» oder «Un Jardin après la Mousson». Heute gibt sie sich ruhig und gelassen. Milder Frühlingsabend, die Geräusche der Stadt verflüchtigen sich, die Frau auf dem Dachgarten an der Rue Faubourg geniesst ihre Sinnlichkeit, Düfte von Agrumen und Apfel vereinigen sich mit aromatischen Gewürzen. Alles ist leicht, lustvoll, flüchtig. Zart und komplizenhaft die Intimität mit dem Liebhaber einer Nacht. Die Frau, schön und begehrt, möchte den Moment des gestohlenen Glücks festhalten. «Un Jardin sur le toit» von Hermès, sinnlich, nostalgisch, lustvoll. Eau de Toilette ab 137 Fr. Mein Auto strahlt V on weitem gleicht das Gefährt einem Batmobil, das zufällig in der blauen Zone der Genfer Altstadt gelandet ist. Tatsächlich handelt es sich um einen Porsche 911 GT3, dessen raketenförmigen Kurven mit einer seltsam stumpfen Textur überzogen sind. Matt lackierte Autos sind derzeit im Trend. Sie erinnern an Höllenmaschinen, Tarnflugzeuge und Boliden aus Comics. «Seit etwa eineinhalb Jahren sind solcherart getunte Fahrzeuge angesagt», stellt Christophe Mariou, Verkäufer im Porsche-Center in Genf, fest. «Bei uns haben wir jedoch nur wenige mattfarbige Fahrzeuge gesehen, wenn’s hochkommt, zwei, denn Porsche bietet diese Farben 22 | Finanz und Wirtschaft LU X E nicht serienmässig an.» Die Mode ist also noch jung und wird vermutlich nicht ewig dauern. Nur wenige Autohersteller haben Mattlackierungen im Angebot. Bei Citroën gibt es sie als Option, Peugeot offeriert das Coupé RCZ Asphalte matt lackiert in einer Auflage von 500 Stück. Mattfarben werden ohnehin eher von Besitzern von Luxussportwagen und 4x4Fahrzeugen – Audi, Bentley, Range Rover, Mercedes oder Lamborghini – gewählt. Wobei es nicht ganz klar ist, weshalb man gerne ein Fahrzeug steuert, das an einen Panzer erinnert. «Es ist der gewisse BadBoy-Look, der vielen Lenkern gefällt», glaubt Christophe Mariou zu wissen, denn «die Mattlackierung iVom deutschen Tulässt Karosserien ag- ner Gemballa: Porsche gressiv aussehen.» 980 Carrera GT mit matter Lackierung. Was die einen mögen, verabscheuen die andern, weil die Autos wie Militärfahrzeuge aussehen. Dazu kommt, dass matte Farben sehr anfällig sind und sorgfältige Pflege verlangen. Diese Autos sind schwierig zu reinigen. Abspritzen oder durch die Waschanlage rollen machen dem Matteffekt den Garaus. Das geht ins Geld, denn die Neulackierung kostet gut und gerne 12 000 Fr. Es gibt allerdings ein günstigeres Verfahren mit dem gleichen Effekt, das nur etwa 8000 Fr. kostet. «Die Originallackierung wird mit einer Spezialfolie überzogen. Die meisten opaken Fahrzeuge sind heute mit diesem Verfahren behandelt», erklärt Mariou. Der Vinylüberzug hat überdies mehrere Vorteile: Er ist wasserbeständig, schützt vor Kratzern, die herkömmliche Farbe wird nicht beschädigt, und der Film kann später problemlos entfernt werden – wenn Matt nicht mehr Mode ist. Für den Ehemann Die Überschreitung von Grenzen setzt Raffinesse und die Beherrschung von Codes voraus. Der Mann von heute, der sich als elegant bezeichnet, setzt dabei auf sein «Eau de Gloire». Animalische Noten unterstützen den Duft der Hesperiden, die traditionell im Eau de Cologne zu finden sind. Diese Komposition von gegensätzlichen Düften ist von vieldeutiger Attraktivität. Die vom Lavendel beherrschte Frische, die erquickende Sinnlichkeit der Agrumen und des Neroli tarnen die dekadente Animalität des Leders, das von hellem Tabak und Rauchtee Unterstützung erhält. Vor diesem komplexen Duft wird die Umworbene kapitulieren, die Ehefrau zur zärtlichen Geliebten werden. «Eau de Gloire» aus dem Hause Parfum d’Empire ist der Duft des eleganten, klugen Verführers. Eau de Parfum, ab 100 Fr., www.parfumdempire.fr Für die Geliebte Der von seinen Begehren geleitete Mann sucht immer und immer wieder animalisches Empfinden. Die Intensität der Lilie verführt Körper und Seele, weder das jungfräuliche Neroli noch der sanfte Weissdorn vermögen die Sinne zu beruhigen, und auch Weihrauch rettet die Seele nicht. «Louanges profanes» von Parfumerie Générale steigert den Reiz der heimlichen Begegnung und Hingabe. Die leidenschaftliche, sinnliche Geliebte verströmt intensive holzige Süsse, ihre Haut duftet animalisch, verboten. «Louanges profanes», das Parfum der gefährlichen Sinnlichkeit, der duftende Lobgesang am Altar der Liebe. Eau de Parfum ab 160 Fr. www.boutique-parfumerie-generale.com Finanz und Wirtschaft LU X E | 23 z e i tg e n ö s s i s c h e k u n s t | b e g e g n u n g | von Emmanuel Grandjean – Fotos : Alban Kakulya «Kunst ist interessanter als der Künstler» John Armleder nennt Zufall und Zusammenarbeit die Elemente des Kreationsprozesses. Gespräch mit einem bedeutenden, spannenden Künstler, der sich selbst als uninteressant bezeichnet. Immer. Selbst wenn ich das genau gleiche Bild male, gibt es immer Unterschiede. Interessant ist, immer mehr zu delegieren. Was sonst ist das Ziel? In der Kunst, die ich mache, bin ich fast nichts. B Sie beschreiben sich als uninteressant. Aber die Kunst, die Sie machen, interessiert Sie? Dies zeigt sich in meiner Arbeit. Mein Oeuvre drückt absolut nichts von meiner Person aus. Ich betrachte die Persönlichkeit des Künstlers als eine Art Nebenschauplatz. Sie ermöglicht Kommentare, hat aber mit seiner Aktion nichts zu tun. Ich hege immer noch die Hoffnung, dass die Kunst interessanter ist als der Künstler. ücher, nichts als Bücher, bis unters Dach. Auf dem Arbeitstisch Karten, Plüschtiere, allerlei Objekte, Papier. Aber keine Spur von einem Kunstwerk. Das Atelier des Genfer Künstlers John Armleder ist mehr ein Dokumentationszentrum, ein Dojo als ein Ort der Kreation. Beim Betreten hat man das Gefühl, in den Kopf des Künstlers einzudringen. John Armleder ist einer der bedeutendsten Akteure zeitgenössischer Kunst. Als Jugendlicher gelangte er zur Kunst, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein, war in den Sechzigerjahren Anhänger der Fluxus-Bewegung, bezeichnet sich heute als wenig autoritären Künstler, der es sinnvoll findet, die Realisation eines Werks zu delegieren bzw. zu verlagern. Er ist ein Mann, für den sich Zufälle immer günstig auswirken, dessen Missgeschicke in der Malerei sich schliesslich stets als Glückfall entpuppen. Er ist aber auch ein Überlebender, der 13 lange Monate im Spital zwischen Leben und Tod schwebte. Fast genau ein Jahr nach seiner Genesung begegneten wir einem Künstler in Topform, der in der Zwischenzeit die Pariser Boutique Hublot mit Riesengemälden ausgestattet, für den Genfer Uhrenhersteller Romain Jérôme ein Uhr kreiert und die Arbeit an einer Ausstellung wieder aufgenommen hat. Monsieur Armleder, Sie stellen diesen Sommer in der Peggy Guggenheim Collection in Venedig eine Skulptur aus, die Sie noch vor Ihrer Krankheit begonnen haben. Es soll sich um Glasobjekte handeln? Ursprünglich ist es ein Projekt von Sandro Rumney, dem Herausgeber von «Art of the Next Century», mit dem ich bereits zwei Gehirne, ein silbriges und ein gläsernes, geschaffen habe. Peggy Guggenheim war seine Grossmutter, und Sandro erhielt die Gelegenheit, eine Ausstellung im Garten der Peggy Guggenheim Collection zu organisieren. Die Idee, mit Glas zu arbeiten, drängte sich in Venedig geradezu auf. Also gingen wir nach Murano, trafen dort Glasbläser und diskutierten mit ihnen, was man machen könnte. 24 | Finanz und Wirtschaft LU X E Sie sind nach Murano gegangen, ohne ein Projekt zu haben? Natürlich hatte ich eine Idee. Ich wollte ein Projekt aus reinem Glas mit Einschlüssen von Metall oder vielleicht gar Wasser. Was bei der Arbeit mit diesem Material schon an sich ein Widerspruch ist. Die Glasmacher haben sofort gesagt, dass dies völlig unmöglich ist, da das Glas zerspringt. Aber wir haben weiter diskutiert und insistiert, bis das Unmögliche möglich wurde und die Glasbläser von der Idee, etwas Unrealisierbares zu realisieren, total begeistert waren. Dann entwarfen wir die Objekte in Funktion des Ausstellungsortes. Es handelt sich dabei um eine 2,3 m hohe Säule, die aus übereinandergesetzten Spiessen besteht – man denkt an einen Igel aus geblasenem Glas –, und zwei Wände mit Glasziegeln, die Einschlüsse von Luftblasen und Muranoglasscherben, zum Beispiel Fragmente der venezianischen Glasclowns, enthalten. Bestimmt haben die Glasbläser Ihr Vorgehen als seltsam betrachtet? Glasbläser sind sehr offen für Kreativität. So oder so, für sie war ich der Maestro. Wobei ich ihnen immer wieder sagte, dass sie die eigentlichen Künstler sind, da, objektiv gesehen, sie es sind, die meine Objekte produzieren. Das hat sie sehr amüsiert. Sie arbeiten durch delegieren? Absolut. In diesem Fall war die Arbeit schon etwas speziell und für die Glasbläser recht kompliziert. In der Regel erwarten sie Anweisungen bezüglich der Farbtöne. Ich hatte aber überhaupt keinen Plan, sodass ihr Input fast wichtiger war als der meine. Es ist schon oft vorgekommen, dass ich Handwerkern wenigstens eine Art Skizze vorlegte, in der Absicht, Raum für ihr Können und ihre Qualitäten zu schaffen. Ich liebe es, wenn man mir etwas gibt, das ich nicht habe. Auf diese Weise beschränkt sich das Werk nicht auf mich und meinen Charakter, den ich im Übrigen völlig uninteressant finde. Auf diese Weise entstehen Werke, die sich nie gleichen. Diese Haltung versteht aber nicht jedermann. Ich begreife, dass diese Haltung nicht unbedingt verständlich ist. Auch habe ich durchaus Verständnis für die romantische Vision, die man von Kunst und Künstler hat. Die Idee des absoluten Schöpfers, des Künstlers, der die Tristesse des Lebens oder Ähnliches ausdrückt, stimmt ebenfalls. Diese Option ist in Ordnung, auch wenn ich eine andere Konzeption habe. Die meine ist einfach eine andere Art des Betrachtens, das Resultat aber das gleiche. Wir beide sind das Ergebnis eines kollektiven Gedankens zu einem bestimmten Zeitpunkt. Wir sind die Instrumente einer Epoche, für die wir eine bestimmte Anzahl Objekte kreieren. Diese werden uns später entgleiten und an andere Personen in einem andern Kontext übergehen. Wie Ihre ersten «Furniture Sculptures», die ein abstraktes Bild mit Möbelstücken assoziieren und die Sie seit 1979 ausstellen. Mit dem Aufkommen des Vintage Design werden diese Objekte auch anders betrachtet. Anfänglich interessierten sich die Menschen nicht für die Möbel der «Furniture Sculptures». Es waren einfache Möbelstücke, die ich bei Emmaus oder Caritas gefunden hatte, und noch keine Trendmöbel. Nach und nach fand eine Weiterentwicklung des Stils statt, Möbel ohne Signatur aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren waren wieder angesagt. Von diesem Moment an glaubten die Menschen an die Renaissance des aus der Mode gekommenen Modernismus. Eine der wichtigen Aussagen von «Furniture Scuplture» ist, dass ein Gemälde stets hinter einem Sofa gehängt wird. Deshalb die Idee, ein Ensemble von Möbel und Bild zu kreieren. Nur, sobald Sie Bild und Finanz und Wirtschaft LU X E | 25 z e i tg e n ö s s i s c h e k u n s t | b e g e g n u n g Sofa liefern, getraut sich niemand mehr, darauf zu sitzen. Das Bild hingegen betrachtet man immer wieder. Marcel Duchamp sagte: «Es sind die Betrachter, die die Bilder machen.» Teilen Sie die Meinung des offenen Bildes? Ein Kunstwerk ist per Definition etwas völlig Offenes. Es kommt vor, dass es in einem Kontext gefangen ist, der dem Werk diese und keine andere Bedeutung zugesteht. Was nicht zuletzt den Tod des Werks bedeutet. Dies zeigt sich auch in unserer kulturellen Erinnerung, die bestimmte Momente im Werdegang eines Künstlers favorisiert und sie dann weglegt. Zum Beispiel? Die Art, wie man sich mit dem Werk von Francis Picabia befasst hat, hat mich immer verblüfft. In meiner Jugendzeit war er ein Dadaist, der kleine, mechanische Bilder machte. Dann wechselte das allgemeine Interesse, und man wandte sich seinen «Transparenzen» zu, die wenige Jahre früher noch als grosser Kitsch gegolten hatten. Später konzentrierte er sich auf Genremalerei, kreierte phänomenale Bilder und am Ende seines Lebens die verkrusteten Abstraktionen. Übrigens hat man mir seine Werke en masse und spottbillig angeboten. Was einige Personen nicht davon abhalten wird, Ihre Arbeit vor und nach der Krankheit zu interpretieren. Das ist so. Für einige Menschen hat die Tatsache, dass ich im Herbst bei Andrea Caratsch in Zürich Gehirne und Totenköpfe ausstellen werde, natürlich eine bestimmte Bedeutung. Sie erkennen darin möglicherweise Intuition. Aber daran glaube ich nicht, ebenso wenig, wie ich an Vorahnung glaube. Gleichzeitig kann ich ihnen nicht ganz unrecht geben. Sie kultivieren eine sehr coole Haltung gegenüber Ihrer Person und Ihrem Werk. Es ist schwierig, Sie sich als autoritären Mann vorzustellen. Sagen wir so, ich bin nicht besonders autoritär. Aber wenn Sie ein Werk schaffen und es aufs Spiel setzen, dann ist dies ein autoritärer Akt. Man muss sich immer bewusst sein, dass jeder von uns eine enorme Wirkung auf sich selbst und die andern ausübt. In einer gewissen Weise sind wir wie in der TV-Serie alle Eindringlinge, was unserem Dasein eine charmante Seite verleiht. Man besitzt fest definierte Ansichten über das, was man gemeinhin als Realität bezeichnet. Wobei sich diese jeder Kontrolle entzieht und viele Dinge produziert, die über uns hinaus geschehen und uns verwandeln. « Ich glaube weder an Intuition noch an Vorhersehung.» Und haben Sie gekauft? Nein, aber angesichts der heutigen Preise hätte ich es tun sollen. Wie auch immer, weder kaufe ich Bilder, noch kümmere ich mich um den Verkauf meiner eigenen Sachen. Sie haben über ein Jahr im Spital verbracht und sind dort, wie Sie sagen, «fünfmal gestorben». Wie findet man aus einem solchen Erlebnis heraus? Nach diesem langen Spitalaufenthalt, während dessen man mich einige Male für tot erklärt hatte, wurde ich oft gefragt, wie die Krankheit meine Arbeit beeinflussen wird. Ich sagte immer, dass ich Dinge nicht auf diese Weise betrachte – auch als gesunder Mensch sehe ich sie anders. Aber in diesem Fall hat sich meine Wahrnehmung radikal geändert. Was meine Arbeit angeht, wird sich allerdings nichts ändern. Denn so, wie ich funktioniere, gibt es keinen Grund für eine Änderung. Objekte kreieren, die die Welt verändern – war dies Ihr Ziel, als Sie beschlossen, Künstler zu werden? Ich war noch so jung, ich glaube, ich wusste nicht, was mit mir geschah. Das war zur Zeit der Gruppe Luc Bois. Sie waren 16? Ich habe mich immer vor der Idee gefürchtet, dass Dinge stabil, sicher sind. Es war eine andere Zeit, die Epoche der Hippies. In den Sechzigerjahren hatten wir alle den Eindruck, dass wir die Welt verändern mussten. Eine der Möglichkeiten bestand darin, dazu das freieste Instrument überhaupt zu finden. Kunst vermittelte uns nicht nur den Eindruck von Freiheit, sie machte uns tatsächlich frei. Für uns war Kunst eine Waffe. Damals standen uns zwei Möglichkeiten offen: Wir wurden entweder Teil der Gesellschaft oder wir wählten den Widerstand, indem wir einen neuen Weg gingen. Mein Weg war vorbestimmt, meine Familie besass ein Hotel, ich sollte Hotelier werden. Letztendlich wurde es schwieriger Realwirtschaft Transparentes Konzept Swiss Finish Die 500 besten Unternehmen der Welt in Ihrem Portfolio für meinen Bruder, der das Familienunternehmen übernahm, während ich es vorzog, Künstler zu werden. Wenn Sie diese Überzeugungen teilen, sollten wir miteinander sprechen: Eine Ihrer Einladungen zu einer Ausstellung in Zürich ist mit elektrischen Gitarren illustriert, sehr Pop, sehr Hardrock. Das Instrument entdeckt man häufig in Ihren Werken. Wegen seiner Ästhetik oder wegen seines Klangs ? Elektrische Gitarren interessieren mich insofern, als sie unnötigerweise aussehen wie akustische Gitarren. Mehr als die klassische Gitarre wird die elektrische mit einem bestimmten Musiker assoziiert. Es handelt sich um ein Objekt, das auf verschiedenen Ebenen interpretiert werden kann. Wenn ich Streifen auf einem Bild mit einer Gitarre verbinde, die mit konzentrischen Kreisen dekoriert ist, erkennen einige Betrachter auf Anhieb den Gitarristen, während andere nur gerade die Zeichnung mit der Zielscheibe sehen oder vielleicht an einen Bienenschwarm denken. Dies genau ist das Ziel des Kunstwerks: Keine Interpretation privilegieren, alles hängt von der Kultur des Betrachters und der Betrachterin ab. Mit andern Worten, ich kann Ihnen nicht sagen, welches Instrument ich bevorzuge, denn ich spiele keines. 1 Finanzen sind eine angewandte Kunst, bei der es nicht nur um quantitative Technik geht 2 Die Performance wird von der Realwirtschaft und ihren Unternehmen erzielt 3 Kritische Auswahl und definierte Ausschlusskriterien machen die gute Asset Allocation aus 4 Die besten Anlagewerte werden dank der offenen Architektur entdeckt 5 Die starke Diversifizierung erhöht die Rendite und verringert das Risiko 6 Eine einfache Struktur macht ein Portfolio robuster 7 Der Anleger bestimmt seine Ziele, seinen Zeithorizont und seine Risikofähigkeit 8 Die Anlagephilosophie entscheidet über die Portfolio-Performance, nicht die Grösse der Bank oder das individuelle Talent der Verwalter Die Berater der Banque Cantonale de Genève stehen Ihnen zur Verfügung, um mit Ihnen darüber zu diskutieren sowie ihre Überzeugungen und Erfahrungen in der Vermögensverwaltung mit Ihnen zu teilen. Nicht mal Klavier ? Nein. Und doch sieht man Sie auf einem Foto am Klavier anlässlich einer Performance in St. Gallen im Jahr 1981. Ich reinterpretierte die «4’33“»-Stille von John Cage. | John Armleder stellt diesen Sommer in der Peggy Guggenheim Collection in Venedig aus, www.guggenheim-venice.it, im Herbst in der Galerie Andrea Caratsch, Zürich, www.galeriecaratsch.com Genève Zürich Lausanne Lugano Lyon Annecy Paris 26 | Finanz und Wirtschaft LU X E Satellit Galileo: 34°00’13,19”N – 17°25’14,69”O – 23’222 km www.bcge.ch/bestofFinanz und Wirtschaft LU X E | 27 Gertsch kunsthaus ZÜrich kunst 28 | Finanz und Wirtschaft LU X E 54e Biennale venedig D Mai-Thu Perret «Donna Come Me», photo : The Kitchen, New York ie älteste Biennale der Welt wird dieses Jahr von einer Schweizerin kuratiert. Bice Curiger aus Zürich stellt den internationalen Mammutevent unter das Motto ILLUMInations. Dahinter steht die Idee, die Kunst als Mittel der universellen Kommunikation darzustellen, die unsere Gedanken erhellt. 82 Künstler aus allen Bereichen werden Venedig zum Leuchten bringen. London Miró in der Tate Für Miró fährt die Tate Modern schweres Geschütz auf. Sie zeigt 150 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen aus den 60 Schaffensjahren des Künstlers. Die erste Retrospektive des Surrealisten seit 50 Jahren in London und das «must see» der Saison. Bis zum 11. September 2011, Tate Modern, www.tate.org.uk Karlsruhe Bollinger wiederentdecken In einer gross angelegten Werkschau werden 30 Skulpturen und 100 Arbeiten auf Papier des amerikanischen Bildhauers präsentiert. Bollinger, der in einem Atemzug mit Bruce Nauman, Robert Smithson, Richard Serra und Eva Hesse genannt wird, hatte sich 1975 aus der künstlerischen Szene verabschiedet. Bis zum 25. September 2011, ZKM – Museum für Neue Kunst, on1.zkm.de Foto: Harry Shunk Roy Lichtenstein Foundation DR Bis zum 27. November 2011, labiennale.org Joan Miró and Fundació Joan Miró, Barcelona Franz Gertsch, Jahreszeiten – Werke 1983 bis 2011, bis zum 18. September, Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, 8001 Zürich, 044 253 84 84 Valloton, Van Gogh, Hodler, Bonnard: ein sensationelles Casting, das die Fondation de l’Hermitage diesen Sommer an ihre Wände hängt. Alle gezeigten Meisterwerke stammen aus der Sammlung von Arthur und Hedy Hahnloser aus Winterthur. Sie haben die Werke teils direkt von den Malern oder bei grossen Kunsthändlern von damals wie Ambroise Vollard erstanden. Sammlung Arthur und Hedy Hahnloser, vom 24. Juni bis 23. Oktober, Fondation de l’Hermitage, Lausanne, route du Signal 2, 021 312 50 13, www.fondation-hermitage.ch Reto Predini, Zurich Franz Gertsch Das Zürcher Rietberg-Museum schreibt zusammen mit dem New Yorker Metropolitan Museum of Art Weltkunstgeschichte. Über 240 Meisterwerke, viele davon noch nie im Westen gezeigt, geben Einblick in 800 Jahre indische Malerei. Der Weg des Meisters, Die grossen Künstler Indiens 1100–1900, bis 21. August, Museum Rietberg, Gablerstrasse 15, 8002 Zürich 044 206 31 31, www.rietberg.ch Meisterwerke in der Hermitage erhellt Serra Studio, New York / Nancy Lee Katz, 2011 ProLitteris, Zürich Grosse Kunst aus Indien ine schwarze Weste, ein Mädchen und eine Gitarre: 1979 porträtierte der Schweizer Franz Gertsch Rockstar Patti Smith im Grossformat. Gertsch ist einer der wichtigsten Vertreter der in den USA entstandenen Bewegung des Hyperrealismus. Diesen Sommer zeigt das Kunsthaus Zürich einen Rückblick auf das Schaffen des Berner Künstlers. Seine in ihrer fotografischen Präzision einzigartigen Portraits und Landschaften umfassen neben Gemälden auch Holzschnitte. Einer davon ist der eben vollendete Vier-Jahreszeiten-Zyklus, der im Zentrum der Ausstellung steht. ausstellungen im ausland Brancusi im Zwiegespräch mit Serra Der Bildhauer der endlosen Säule trifft auf den des Tilted Arc. Hinter dieser genialen Kombination steht, wie könnte es anders sein, die Fondation Beyeler. Eine Doppelausstellung in Zusammenarbeit mit dem Guggenheim-Museum in Bilbao. Constantin Brancusi und Richard Serra, bis zum 21. August, Fondation Beyeler, Baselstrasse 101, 4125 Riehen/Basel, 061 645 07 00, www.fondationbeyeler.ch E agenda Bregenz Ai Weiwei als Architekt Eine Ausstellung über die Kooperation zwischen dem von den Behörden seines Landes meistgeächteten chinesischen Künstler und Architekten. Auch Herzog & De Meuron gehören dazu. Mit ihnen hat Ai Weiwei das Olympiastadion in Beijing realisiert. 16. Juli bis 16. Oktober 2011, Kunsthaus Bregenz, www.kunsthaus-bregenz.at Paris Manet, der Moderne Manet kehrt nach Paris zurück. Dem Maler, der die Kunst seiner Zeit radikal verändert hatte, wurde in Paris seit 1983 keine Retrospektive mehr gewidmet. Eine spannende Ausstellung über das Werk eines künstlerischen Wegbereiters mit einer bahnbrechenden ästhetischen Weltanschauung. Bis zum 3. Juli 2011, Musée d’Orsay, www.musee-orsay.fr Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid Hyperrealismus à la Mai-Thu Perret reproduziert sich selbst. Die Genfer Künstlerin ist diesen Sommer an drei Fronten gleichzeitig aktiv: an der Biennale Venedig, im Kunsthaus Aarau und als diesjährige Gewinnerin des Manor-Preises im Mamco in Genf. Drei Gelegenheiten, ihr vielfältiges künstlerisches Werk zu bestaunen, in dem Kunsthandwerk und Theater genauso aufeinandertreffen wie moderne Utopien und Tanz. Und in dem aus dem Kult-Comic Krazy Kat ein geniales Ballett wird. Mai-Thu Perret, bis zum 18. September, Mamco, 10 rue des Vieux-Grenadiers, 1205 Genf, 022 320 61 22, www.mamco. ch, bis zum 31. Juli, Kunsthaus Aarau, Aargauerplatz, 5000 Aarau, 062 835 23 30, www.aargauerkunsthaus DR ausstellungen in der Schweiz von Emmanuel Grandjean und Konrad Koch Copyright by The Irving Penn Foundation agenda Ein Sommer mit Mai-Thu Perret Finanz und Wirtschaft LU X E | 29 TREFFPUNKTE TREFFPUNKTE von Emmanuel Grandjean und Konrad Koch von Emmanuel Grandjean und Konrad Koch Gute Adressen zwischen Genf und Zürich für alle, die Mode und Design schätzen DR Bars und Restaurants, die schönsten Terrassen für Businesslunch oder gastronomisches Zwischendurch Lausanne und Genf: Design mit Stil Genf: der Genfersee zu Ihren Füssen Wunderschöne Lage für den Pool im ersten Stock des Hôtel Président Wilson, vor den Augen nur der See und das Bergpanorama. Sobald die Sonne aufgeht, eilt Tout Genève herbei, um den Poolgarden, die Bar und das Restaurant zu geniessen. Küchenchef Ulrich Behringer verwöhnt die Gäste mit mediterranen Köstlichkeiten. Bei schlechtem Wetter ist der Poolgarden geschlossen. Poolgarden, Hôtel Président Wilson, Quai Wilson 47, 022 906 66 66, www.hotelpwilson.com Lausanne: Champagner mit Aussicht Wenn Sie Lust auf atemberaubende Sicht auf Alpen und Genfersee haben und die raffinierte Ambiance einer Bar mit Bibliothek geniessen möchten, empfiehlt sich der Krug Room (nach Paris und Rom der dritte der Welt) auf der obersten Etage des Lausanne Palace & Spa. Sie entspannen sich bei einem Glas Champagner – was denn sonst – oder stillen den kleinen Hunger mit einem der köstlichen Club Sandwiches, die ebenfalls zum Ruhm des Ortes beitragen. Krug Room, Lausanne-Palace, Grand Chêne 7-9, 021 331 31 31, www.lausanne-palace.com Zeitgenössische Möbel und gefragte Vintage-Wohnaccessoires auf 800 Quadratmetern: Das finden Sie bei Uniquement vôtre, dem pfiffigen Einrichtungshaus an der Avenue de Sévelin im jungen, pulsierenden Quartier hinter dem Lausanner Bahnhof. Die Fundstücke tragen die Handschrift aktueller Label (Moroso, Established & Sons, Danese Milano, Hay) und grosser Designer von gestern. Auch in Genf betreibt Uniquement vôtre in der Arkade, in der früher Alexandre Mottier seine Kunstgalerie führte, einen Showroom mit Laden. Uniquement vôtre, 54 av. de Sévelin, 1004 Lausanne, 021 626 06 06, und 17 bd. Georges-Favon, 1204 Genf, 022 310 27 42, www.uniquementvotre.ch Zürich: intime Stadtoase Als wär’s ein Stück von Tschechow. Der Birkenhain im Innenhof des Stadthotels Greulich entführt in eine Welt weit weg von aller urbanen Geschäftigkeit. Ein Ort vollkommener Ruhe. Am Mittag kühlt ein Brunnenbecken die Atmosphäre, Hofmauern speichern die Tageswärme für den Abend. Seit vergangenem Sommer sorgt der junge Spitzenkoch Marco Hartmann für eine saisonale, frische Küche mit einer Prise mediterranem Einfluss. Greulich Hotel Restaurant, Herman-GreulichStrasse 56, 8004 Zürich, 043 243 42 43, www.greulich.ch Zürich: Biedermeier und Country Look Es ist eine noble Kombination: beste Antiquitäten und feine Gesellschaftskleidung. Ruth und Rudolf Bosch präsentieren für die Dame, den Herrn und den Nachwuchs Kleider im Look der Hamptons, mit italienischer Grandezza oder im adligen Landhausstil von Ralph Lauren über Pamela Henson bis Habsburg. Drapiert werden die Outfits auf in der eigenen Werkstatt vollendet restaurierten Möbeln aus Barock bis Biedermeier. Bosch Antiquitäten & Fashion, Kirchgasse 22, 8001 Zürich, 044 260 24 24, www.rudolf-bosch.ch Dominic Büttner Zürich: mondäne Stadtsicht St. Moritz: Mondän sportiv Nicolas Zentner Es ist die weltweit am höchsten vor Anker liegende PedrazziniJacht. 1860 Meter über Meer symbolisiert das Mahagoniboot im neu gestylten Flagshipstore der St. Moritzer Modemarke Jet Set, dass das Label sowohl funktionale Sportswear als auch das ganze Sortiment an Bekleidung für den sportiven Lifestyle in der Stadt anbietet. Jet Set, Via Maistra 28, 7500 St. Moritz, 081 839 81 46 www.jetset.ch 30 | Finanz und Wirtschaft LU X E In Lausanne ist er eine Institution. Camille, Inhaber der gleichnamigen Boutique, kennt die von ihm verkaufte Mode, als wäre es seine eigene. Sein Sortiment stammt von exklusiven Topdesignern für den Mann (Philippe Alvergne, Dries van Noten, Notify, Maison Martin Margiela, Roberto Collina und Pierre Hardy) und für die Frau (Les Suisses, Collection 66, Van Bery, Isabel Marant, Vanessa Bruno, Dries van Noten und viele andere). Was ihn so besonders macht? Camille hat den Durchblick. Mit seinen Adleraugen findet er auf Anhieb das passende Kleidungsstück. Camille, 5 rue Caroline, 1003 Lausanne, 021 312 85 15 DR Zwei Michelin-Sterne hat das Restaurant, in der Fünfsternekategorie ist das Hotel, doch den Sternenhimmel einer Sommernacht verdient die Terrasse des Garden Restaurant vom The Dolder Grand. Hoch über Zürich gelegen, ist am Abend das Lichtermeer der Stadt so spektakulär wie die Küche mit ihren 17 Gault-Millau-Punkten. An sonnigen Tagen macht das Alpenpanorama jeden Lunch zu einem Ereignis mit Fernsicht. Wer nur von der Hektik der Stadt ausspannen will, kann das bei Drinks in der Lounge-Ecke. The Dolder Grand, Kurhausstrasse 65, 8032 Zürich, 044 456 60 00, www.thedoldergrand.com Fotos: DR Lausanne: Camille mit dem Blick fürs Wesentliche Finanz und Wirtschaft LU X E | 31 galerie d o s s i e r | Z e i t g e n ö s s i s c h e K u n s t | von Emmanuel Grandjean von Emmanuel Grandjean Kunst erzählt von Künstlern Unsere subjektive Galerie zeitgenössischer Kunst in 17 Werken E s wäre naheliegend gewesen, anlässlich der Art Basel und der Biennale in Venedig, an denen die Schweiz auch dieses Jahr wieder gut vertreten ist, die erfolgreichsten einheimischen Künstler aufzulisten, Punkte zu verteilen und die Top 50 der aufstrebenden Namen zu veröffentlichen. Genau das wollten wir aber nicht. Denn Künstler nach diesem Prinzip zu werten macht keinen Sinn. Kunst ist schliesslich kein Schönheitswettbewerb, bei dem der Verkaufserfolg der Autoren ausschlaggebend ist. Wir wollten einen anderen Weg gehen und haben Schweizer oder in der Schweiz lebende Künstler gebeten, aus ihrem Bestand ihr Lieblingswerk auszuwählen und es mit einem Wort, einem Satz oder einem kurzen Text zu kommentieren. Die so entstandene Galerie ist eine vollkommen subjektive Auswahl des Kunstschaffens in unserem Land. Sie rückt die Qualität und die fantastische Vielfalt der Schweizer Kunstszene ins richtige Licht. i Stéphane Dafflon «AST162-168», 2010 sechs Acrylgemälde auf Leinwand «Synthese des aktuellen Projekts.» Stéphane Dafflon lebt und arbeitet in Lausanne. Die geometrischen, bunten Motive seiner Gemälde am Rande von Op und Minimal Art schaffen mit wenig Mitteln gigantische visuelle Spannungsfelder. f Pierre Vadi «Zérophobie», 2010 Kokosnuss, Kunstleder Schlange Annik Wetter «Zérophobie – Kokosnüsse, mit silbernem, schwarzem oder Schlangen-Kunstleder überspannt – ist eine Art Telepathen-Ball zum Thema Angst vor dem Dunkeln, vor Geld, Schlangen, Werten, Ideen, Kopfschmerzen, vor der Stille und vor der Null. Zérophobie vereint diese Objekte und zerstreut sie gleich wieder. Ihr Verhältnis zueinander ist umso beständiger, als sie scheinbar nur über ihr eigenes Wesen nachdenken.» 32 |32Finanz | Finanz undund Wirtschaft Wirtschaft LU X LU E XE s Emmanuelle Antille Bild aus dem Video «Strings of Affection», 2009 «Dieses Video zeigt die spezielle Verbundenheit einer Frau mit ihrer häuslichen Umgebung. Die Frau benutzt einen Knäuel Schnur und beginnt, Fäden durch alle Zimmer des Hauses zu spinnen. So erzeugt sie ein Netz innerhalb der Wohnung. Nach und nach nimmt eine fremdartige innere Geometrie Form an, die zunächst sehr befreiend wirkt, dann aber schnell total einengt. Die Wohnung wird zum geistigen Raum, und die Architektur erscheint als Ort der Veränderung und des Umbruchs, sehr offen für die Aussenwelt und dennoch sich selbst einschliessend wie in einer Falle. Ich mag diese Arbeit sehr, weil ich es das erste Mal wirklich geschafft habe, einen Geisteszustand, etwas völlig Abstraktes zu materialisieren, indem ich ihn körperlich gemacht habe, ohne dass dabei die Emotionen auf der Strecke bleiben. Im Gegenteil!» Emmanuelle Antille lebt und arbeitet in Lausanne. Ihre Videos und Fotos an der Grenze zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein erzählen Träume und magische Geschichten, die sie von ihrem Bekanntenkreis immer und wieder vorführen lässt. 2003 vertrat sie die Schweiz an der 50. Biennale Venedig. Ihre Videos sind bis zum 16. Juni im Helmhaus Zürich zu sehen. www.cafedesreves.ch Pierre Vadi lebt und arbeitet in Genf. Motorsäge aus transparentem Harz, verhüllte Kokosnüsse, labyrinthartige Installationen: In seinen Arbeiten setzt sich Pierre Vadi mit Wunschvorstellungen und dem Raum, mit Geschichte und Genrekino, mit Wirtschaft und inneren Reisen auseinander. Er stellt bis zum 23. Juli im Espace d’art contemporain La Tôlerie in Clermont-Ferrand aus. Finanz und Wirtschaft LU X E | 33 G A L E RI E | Z e i t g e n ö s s i s c h e K u n s t p Philippe Decrauzat «Ohne Titel (Frame)», 2009 Acryl auf Leinwand Philippe Decrauzat lebt und arbeitet in Lausanne. In seinen optischen Malereien, Filmen, Klang- und Videoinstallationen setzt er sich mit der Beziehung des Betrachters mit der Abstraktion und ihrer räumlichen Wahrnehmung auseinander. Philippe Decrauzat ist Mitbegründer des Künstlerkollektivs Circuit in Lausanne. Er stellt bis zum 25. Juni in der Galerie Nymphius Projekte in Berlin aus. www.nymphiusprojekte.de Thilo Fuchs «Ich habe diese Skulptur während eines zweiwöchigen künstlerischen Aufenthalts in der schönen Region Meuse bei Paris mit der Motorsäge aus dem Stamm einer hundertjährigen Eiche geschnitten. Normalerweise transportiere ich die fertigen Skulpturen an den Ausstellungsort. Diese wird aber immer an ihrem Entstehungsort bleiben, den ich wegen seiner Umweltqualitäten ausgewählt habe. Meine Holz- und Steinskulpturen sind eine Art moderne Totempfähle aus aufeinandergeschichteten abstrakten Formen, die ganz intuitiv entstehen. Ich fange immer mit einer Zeichnung oder einem Tonmodell an, bevor ich die Skulpturen in Originalgrösse anfertige. Ich mag es, edles Material in seinem natürlichen Raum zu bearbeiten. Aus praktischen Gründen arbeite ich im Wald. Er regt nicht nur den Schaffensprozess an, ich fühle mich dort auch wohl. Die Skulpturen entwickeln sich nach und nach zu Personen. Ich gebe ihnen deshalb auch Namen, die auf ihren Entstehungsprozess verweisen. Diese hier heisst Saphira.» Catherine Ceresole lebt und arbeitet in Rolle. Die Autodidaktin fing in den Achtzigerjahren mit ihrer Kamera die Band der New Yorker No Wave in Schwarzweissbildern ein. Damit wurde sie zu einer wichtigen Zeitzeugin der Musikszene. Ihre dokumentarisch-künstlerische Arbeit taucht noch heute in vielen Büchern und Bildbänden über diese Epoche auf. Catherine Ceresole wird ihre Fotos an den nächsten Urbaines in Lausanne (www.urbaines.ch) und diesen Sommer in der Boutique und Galerie Pasatiempos in Mallorca www.pasatiempos.net) ausstellen. 34 | Finanz und Wirtschaft LU X E Claudia Comte lebt und arbeitet in Lausanne. Sie verknüpft ihre geometrischen Malereien und ihre Skulpturen mit der Natur, der einheimischen Tradition und mit persönlichen Erinnerungen. Claudia Comte stellt diesen Sommer an der 11. Triennale Bex & Arts aus. Bis zum 25. September, www.bexarts.ch «Ich habe die schlechte Angewohnheit, das Flugzeug immer als Letzter zu verlassen. In Wahrheit nutze ich die Zeit, um vor den fragenden Blicken der Stewardessen die Unordnung in der Kabine zu fotografieren. Für einmal habe ich diese Manie überwunden und mein Objektiv auf das Rollfeld von JFK gerichtet. Die Twin Towers im Hintergrund erinnern daran, dass wir uns in einem anderen Jahrhundert befinden. Ich habe oft gedacht, dass Flugzeuge eine Seele haben und ihre Reaktoren sehen können.» Patrick Weidmann lebt und arbeitet in Genf. Innenansichten von Flugzeugen, Kitschbilder aus dicht aneinandergereihten Gläsern in einem Schaufenster, zerknitterte Seiten eines Pornohefts: Seine Aufnahmen zeigen das Chaos an der Oberfläche, als wollte er seinen Abscheu vor Luxus kundtun. Patrick Weidmann arbeitet an einer Monografie über sein künstlerisches Schaffen, die Ende Juni im Verlag jrp-ringier erscheint, und nimmt an der vom Museum Tinguely organisierten Gruppenshow «Auto Fetisch» zur Ästhetik des Autos des 20. Jahrhunderts teil (bis 9. Oktober). www.tinguely.ch Courtesy Praz-Delavallade i Catherine Ceresole «Sonic Youth (Kim Gordon), Zürich», 1996 Schwarzweissfotografie «Diese Schwarzweissaufnahme von Kim Gordon wurde während eines Konzerts der Sonic Youth in Zürich aufgenommen und bringt treffend auf den Punkt, was ich mit meinen Szenebildern auszudrücken versuche, nämlich Emotionen und die Augenblicklichkeit der Momentaufnahmen, verbunden mit Lichtspielen und Kontrasten, denn ich arbeite hauptsächlich mit Analogfilm und ohne Blitz. Ich hätte auch ein anderes Bild wählen können, beispielsweise von Iggy Pop, Suicide oder Lou Reed. Aber Kim passt besser zur Künstlerszene, wo sie auch sehr aktiv geblieben ist. Ausserdem gehört sie zu den Personen, die meine Leidenschaft geweckt haben. Das war in den frühen Achtzigerjahren, als ich mit meinem Mann Nicolas nach New York kam. Wir waren echte Rockfans und richteten es so ein, dass wir möglichst viele Konzerte besuchen konnten. Eines Tages stand ich vor der Bühne, auf der zum ersten Mal die Sonic Youth auftraten. Ich zog meine Kamera und begann wie wild zu knipsen. Danach gab ich ihnen die Bilder. So habe ich es mit allen Künstlern gehalten, damit sie die Fotos für die Presse verwenden konnten. Ich verlangte keine Gegenleistung, nur einen Backstage-Pass, damit ich die Konzerte besuchen konnte. Auf diese Weise habe ich alle Musiker fotografiert, die diese Epoche geprägt haben – von Lydia Lunch über Alan Vega bis zu den Swans und den Beastie Boys, die ganz am Anfang ihrer Karriere standen.» s Patrick Weidmann «301-31-1998», 1998 Fotografie s Claudia Comte «Saphira», 2010 Motorsägenskulptur «Ein im Zentrum ausgestanztes Gemälde, das sich gegen aussen weiterentwickelt.» f Fabian Marti «THE RISE», 2008 Tintenstrahldruck «Ich habe dieses Bild ausgewählt, weil es alles enthält, was mir wichtig ist.» Fabian Marti lebt und arbeitet in Zürich. Seine gescannten Bilder, die er aufeinanderschichtet und dann ritzt, und seine Installationen wecken Assoziationen zu Man Ray und Francis Picabia. Ein gewisser Surrealismus, den der Künstler auch durch die von ihm behandelten Themen Tod, Sex und Mystik heraufbeschwört. Er nimmt diesen Sommer an der 54. Biennale Venedig teil, labiennale.org. Er stellt bis zum 2. Oktober in der Migrosmuseum aus, www.migrosmuseum.ch. Finanz und Wirtschaft LU X E | 35 G A L E RI E | Z e i t g e n ö s s i s c h e K u n s t f Renée Levi «Ivry», 2011 Gemälde auf Leinwand «6. Januar 2011, 15:42–15:43 Uhr, featuring Claire, Jean-Louis, Rémy und Mathieu, Eran, Lucie.» Renée Levi lebt und arbeitet in Basel. Mit ihren grossformatigen «Gemälden», auf denen sie sprayt, Karton, Vinyl und sogar Beton verwendet, sprengt sie Räume und untersucht die unzähligen Existenzmöglichkeiten der Malerei im Ausstellungsraum. Ihre Werke sind energiegeladene Kraftfelder, die den Betrachter zum Handeln anregen. Renée Levi stellt bis zum 31. Juli im Jüdischen Museum der Schweiz aus. www.juedisches-museum.ch p Marta Riniker-Radich «Glenn McCarthy goes to Sea», 2010 Farbstift und Bleistift auf Papier «Als Frank Lloyd Wright die Halle sah, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Er wollte schon lange wissen, wie eine Jukebox von innen aussah.» Marta Riniker-Radich lebt und arbeitet in Genf. Ihre Bleistift- und Farbstiftzeichnungen stellen verblüffende, oft von den USA inspirierte Landschaften dar. Sie zeichnet schön-bizarre Szenen, die irgendwie an die Serie «Twin Peaks» und die Fotografien von William Eggleston erinnern. Marta Riniker-Radich hat an der Ausstellung Voici un dessin suisse 1990-2010 im Musée Rath, Genf, und im Aargauer Kunsthaus teilgenommen. Ihre jüngsten Arbeiten zeigt sie im espace 1m3 in Lausanne, www.1m3.ch 36 | Finanz und Wirtschaft LU X E p Francis Baudevin «The Only Truth», 2010 Wallpainting «Diese Wandmalerei habe ich Ende des letzten Jahres zu einem ganz besonders wunderbaren Zeitpunkt in Zürich gemacht. Sie stammt aus «The Only Truth», einer Schallplatte von Paul Haig. Ich habe den Titel zwar für die Ausstellung gewählt, suche aber nach einem anderen, der etwas unbeschwerter ist…» Francis Baudevin lebt und arbeitet in Lausanne. Der Maler und Sammler von Underground-Rock-Platten setzt grafische Kompositionen auf Leinwand um. Er verwendet dabei Motive von Verpackungen und Musiklabeln, die sich an die Zürcher Abstraktion der Fünfzigerund Sechzigerjahre anlehnen. Von ihm stammt auch das Poster des Montreux Jazz Festival 2011. Er stellt bis zum 19. Juni in der Galerie für zeitgenössische Kunst Bureau in New York aus. www.bureau-inc.com f The Chapuisat Brothers «Destruction créatrice», 2008 diverse Materialien «Das ist eine Aufnahme der Installation ‹Destruction créatrice› (‹Schöpferische Zerstörung›, Wartesaal, Zürich, 2008), die uns sehr berührt. Sie zeigt eine wichtige Passage, eine Bewusstseinswerdung innerhalb unserer Arbeit. Die Akzeptanz einer Art Unverständnis der Gründe, die uns antreiben, ohne dass wir wissen, warum. So etwas wie eine zerstörerische Obsession, Neues zu schaffen, ohne es zu konzeptualisieren, nur um uns zu beruhigen, und ohne es in der zeitgenössischen Kunstszene, die sich allzu oft in den Schwanz beisst, zu rechtfertigen.» Gregory und Cyril Chapuisat leben und arbeiten in Genf. Ihre spielerischen, urigen Installationen in Form von bewohnbaren oder unbewohnbaren Kokons füllen den Ausstellungsraum meistens komplett aus. The Chapuisat Brothers stellen bis September im Rahmen von Vent des Forêts aus. www.leventdesforets.com Finanz und Wirtschaft LU X E | 37 G A L E RI E | Z e i t g e n ö s s i s c h e K u n s t s Andreas Dobler «Raumschiff im Herbst», 2010 i Vidya Gastaldon «Esprit et son ombre», 2008 Aquarell, Gouache, Acryl, Farbstift und Bleistift auf altem Papier «Esprit et son ombre (Geist und sein Schatten) läutete eine neue Etappe meiner Arbeit ein. Als ich die Zeichnung fotografiert und kopiert hatte, fiel mir auf, dass sie aussah wie ein Gemälde. Ich zeichnete und malte zwei weitere Jahre auf Papier. Die Zeichnungen wurden immer schwerer, das Papier litt und wellte sich kläglich unter dem Material. Langsam gewöhnte ich mich an die Idee, dass ich eines Tages, mit 70 vielleicht, auf Leinwand malen würde, konnte mich mit dieser Idee aber überhaupt noch nicht anfreunden. Im letzten Jahr habe ich an einem Morgen im Mai auf dem Trottoir direkt vor einem Geschäft für Künstlerartikel geparkt, den Kofferraum geöffnet, habe den Laden betreten, dort in nur drei Minuten acht Leinwände ausgewählt, bezahlt, sie im Auto verstaut und mich dann an die Leinwandmalerei gemacht. So einfach war das. Daneben habe ich weiter gezeichnet.» Vidya Gastaldon lebt und arbeitet in Genf. Seine Zeichnungen, Filme und Skulpturen aus Wolle und Stoffen bilden eine persönliche Kosmogonie, in der halluzinatorische Fabelgärten von orientalischer Weisheit in Verbindung mit Ökologie, Biologie und Trance bevölkert werden. Vidya ist Mitglied von Zabriskie Point, dem gleichnamigen, in einer ehemaligen überdachten Bushaltestelle untergebrachten Ausstellungsraum in Genf. www.zabriskiepoint.ch 38 | Finanz und Wirtschaft LU X E «Ich kann mich nur mit Mühe auf ein Lieblingsstück festlegen. Ich glaube, dass ich zu der Sorte Künstler gehöre, die ihr jeweils jüngstes Projekt für das beste halten. ‹A Dying Generation› besteht aus acht Schwarzweissfotografien von riesigen Palmen. Die Arbeit ist als Typologie, als etwas fast Wissenschaftliches, Frontales und Neutrales gedacht, im Stil von Bernd und Hilla Bescher. Ich hatte auch Ed Ruschas Bildband ‹A Few Palm Trees› aus dem Jahr 1971 im Hinterkopf, aber eigentlich war es die Geschichte der für Los Angeles typischen Palmen, die mich zu dieser Arbeit veranlasst hat. Die ersten Palmen wurden in den Dreissigerjahren, mitten im Boom der Traumfabrik Hollywood, gepflanzt und sind neben dem Hollywood Sign zum Wahrzeichen der Stadt geworden. Da die Palmensorte 70 bis 80 Jahre alt wird, stirbt die erste Generation gerade oder wird in Kürze sterben. Ed Ruscha hat einige von ihnen (nicht nur die ältesten) in der Mitte ihres Lebens dokumentiert. Heute, 40 Jahre später, sind aus ihnen 20 Meter hohe Greise geworden, die nicht nur monumental und majestätisch, sondern zugleich zerbrechlich und etwas verblasst wirken. Ich kann mir meine Begeisterung für Palmen eigentlich nicht erklären. Vielleicht rührt sie daher, dass sie ein Symbol der Tropen sind oder dass sie irgendwie schräg aussehen.» Adrien Missika lebt und arbeitet in Genf. Seine halb realistischen, halb fiktiven Fotografien reproduzieren so gut wie möglich die ersten Aufnahmen der Geschichte der Fotografie oder stellen auffällige Objekte dar, die der Künstler, Architektur- und Archäologiefan von seinen Reisen mitbringt. Er stellt bis zum 30. Juni in der Spazio Gallery in Pistoia aus. www.spazioa.it Courtesy Paula Cooper Gallery i Amy O’Neill «Deconstructing 13 Stripes and a Rectangle», 2010 mit Sand gefüllter Stoffsack «Inspirationsquelle für diese Serie waren die sogenannten Victory Gardens. Das Konzept dieser im Ersten und im Zweiten Weltkrieg in den USA, in England, Kanada und Deutschland angelegten Gemeinschafts- oder Familiengärten bestand darin, der Bevölkerung öffentliche Parks und Privatgärten für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung zu stellen, um gegen die Lebensmittelknappheit anzugehen. Amy O’Neills in Form der amerikanischen Flagge entworfene und angefertigte Skulpturen sollen genau diese Gärten darstellen, wobei sie ihnen mit wenigen Mitteln höchste Ausdruckskraft verleiht.» «In der poetischen Tradition symbolisiert der Garten Frieden. Doch Frieden gibt es auf dieser Welt keinen mehr. Wenn wir keine Strausse sind, die ihren Kopf bei der kleinsten Gelegenheit in den Sand stecken, dann müssen unsere Gärten mehr sein als nur grüne Oasen, die dazu dienen, der Realität zu entfliehen.» Auszug aus «Gardens for Victory», Jean-Marie Putnam & Lloyd C. Cosper, 1942 Amy O’Neill lebt und arbeitet in New York. Die amerikanisch-schweizerische Künstlerin beschäftigt sich mit den schrägen Seiten der Kultur und des Brauchtums der USA, die sie so inszeniert, dass der Unterschied zwischen Echtheit und Kitsch verschwimmt. Das Centre Culturel Suisse in Paris widmet ihr eine grosse Einzelausstellung mit dem Titel «Forest, Gardens & Joes», zu sehen bis zum 27. Juli, www.ccsparis.com p Delphine Coindet «Poudrier», 1998-2011 lackiertes Holz, Plexiglas und diverse Materialien Andreas Dobler lebt und arbeitet in Zürich. In seinen halluzinierenden, von Psychedelik und Popkultur (Graffiti, Kitsch, Erotik) geprägten Werken schafft er eine Science-Fiction-Welt, in der Gärten auf anderen Planeten wachsen und Gebäude auf organischen Fundamenten stehen. Er stellt bis zum 2. Juli in der Galerie Evergreene in Genf aus. www.evergreene.ch «Die Puderdose stellt eine Komprimierung der Zeit dar. Sie besteht aus Elementen, die über einen Zeitraum von über zehn Jahren entworfen, gefunden, gezeichnet und zusammengefügt wurden. Bezogen auf Make-up drückt sie die Idee des Künstlichen, übertragen auf einen architektonischen Massstab, aus.» Delphine Coindet lebt und arbeitet in Lausanne. In ihren Kollagen-Skulpturen mischt sie moderne Formengeschichte mit der zeitgenössischen Feinfühligkeit einer Künstlerin. Wenn Delphine Coindet die Avantgarde weckt, dann geschieht das immer mit Stil. Derzeit residiert sie in der Villa Medici in Rom. Annik Wetter Courtesy art: concept, Paris, Privatsammlung, Brüssel «A Dying Generation», 2011 Laserdruck auf Papier Anna Kanai i Adrien Missika «Ein Raumschiff schwebt in meinem Schlafzimmer und landet nie. Während die ausgebreiteten Flügel des Wäschegestells schwer an der noch zu trocknenden Wäsche tragen, tut sich dahinter galaktischer Raum auf. Der Wunsch aufzubrechen, mit unbestimmten Ziel, und den überladenen Alltag hinter sich zu lassen, ist in diesem Gemälde ausgedrückt. Als Vorlage hat mir dazu das Cover einer italienischen Discoscheibe gedient. Die Nostalgie einer imaginierten Zukunft aus den späten Siebzigerjahren wird so zum Wohnungsschmuck und persönlichen Fetisch. In der Fotografie des Gemäldes in situ wird die Utopie zurückgeholt in den Alltag im Sinn eines einvernehmlichen Nebeneinanders. Nicht zuletzt sind es die warmen Farbtöne des gesprühten Kosmos, die mir ein Gefühl von Geborgenheit geben. Sicherlich mit ein Grund, dass dieses eines der wenigen eigenen Werke ist, die ich in meinen eigenen vier Wänden ertrage.» Finanz und Wirtschaft LU X E | 39 dossier | Zeitgenössische Kunst | von Emmanuel Grandjean - Illustration : Nicolas Zentner Art Basel 42 Ein Überlebensführer Was anschauen, was kaufen, wo starten. Geführte Tour durch die weltgrösste Messe zeitgenössischer Kunst, die am 15. Juni ihre Tore öffnet. S eit Jahren hören Sie von der Art Basel und haben es noch nie geschafft hinzugehen. Jetzt ist es so weit, Sie sind gewappnet für die Begegnung mit den Superstars des Kunstbusiness und bereit, an den abendlichen Happenings ein Bad in der Menge zu nehmen. Der informierte Besucher findet sich an diesem Treffpunkt der Kunstwelt leichter zurecht. Daher ein paar Tipps, wie Sie vom einzigartigen Angebot der weltweit renommiertesten Messe für zeitgenössische Kunst am besten profitieren können. Wo starten? Auf den erstmaligen Besucher wirkt die Art Basel einschüchternd. 300 der wichtigsten Galerien der Welt, 2500 Künstler, 11 Sektionen – es ist entscheidend, den richtigen Zugang zu der gewaltigen Fülle Kunst zu finden. Unser Tipp: Beginnen Sie in der Art Unlimited. Diese Sonderschau, die seit ihrer Eröffnung vor elf Jahren vom Genfer Kurator Simon Lamunière organisiert wird, ist grossformatigen Arbeiten gewidmet, die oft speziell für die Art Basel kreiert werden. Im riesigen Raum kommen diese Installationen wunderbar zur Geltung und stimmen den Besucher auf den weiteren Kunstgenuss ein. Reicht ein Tag? Die Messe öffnet um elf Uhr. Für eine schnelle, oberflächliche Besichtigung der Haupthalle brauchen Sie vier Stunden. Mindestens! Dann haben Sie einen ersten Überblick. Es ist allerdings schon fünfzehn Uhr, und Sie haben weder Art Unlimited noch Design/Mia40 | Finanz und Wirtschaft LU X E mi gesehen, ganz zu schweigen von den drei interessanten Parallelausstellungen Liste, Volta und Scope. Um wirklich auf die Rechnung zu kommen, sollten Sie zwei Tage einplanen. Wann? Natürlich ist die Versuchung gross, gleich am Eröffnungstag nach Basel zu fahren. Denn noch immer herrscht die Meinung, dass die besten Geschäfte am ersten Tag gemacht werden. Es ist wie auf der Jagd: Frühaufsteher werden belohnt, da Händler wie Jäger ihr bestes Pulver gerne möglichst früh verschiessen. Aber nicht alle, denn es ist wichtig, dass die Sammler auch nach der Vernissage in Käuferlaune bleiben. Um den Grossansturm zu organisieren und vor allem um leere Ausstellungsflächen zu verhindern, hat das Ausstellungskomitee das Programm Art Basel Weekend auf die Beine gestellt und motiviert Galerien, Spezialevents zu organisieren (Premieren, für den Anlass konzipierte monografische Ausstellungen, Performances usw.), um so die Aufmerksamkeit der privaten und der professionellen Besucher bis zum Schluss zu sichern. Mit 100 Fr. eine Sammlung beginnen Sie glauben, dass sich die Art Basel nur an millionenschwere Sammler richtet und dass zeitgenössische Kunst sehr teuer, ja unerschwinglich ist. Wie anderswo ist auch hier alles eine Frage des Geschmacks und des Budgets. Als Erstes gilt: Kaufen Sie ein Werk, weil es Ihnen gefällt, und nicht, weil Sie es in sechs Jahren zum zwölffachen Preis verkaufen wollen. In Basel kann man sein Glück schon für weniger als 100 Fr. finden. Wie? Bitte weiterlesen! Erwerben Sie eine Edition Man vergisst gerne, dass auch eine Edition ein Kunstwerk ist, das in den meisten Fällen signiert und nummeriert in mehreren Exemplaren produziert wurde. Was seinen Wert aber nicht beeinträchtigt. Bei einer Edition kann es sich um ein Objekt, ein Künstlerbuch, eine Lithografie, einen Siebdruck, ein Foto oder ein Video handeln. Der nicht unwichtige Vorteil: Verglichen mit Unikaten sind die Preise moderat, weshalb Editionen ein guter Weg sind, mit wenig Geld eine eigene Sammlung aufzubauen. Ein guter Ort, um fündig zu werden, ist der Stand der von AA Bronson gegründeten Art Metropol. Der kanadische Künstler ist der einzige Überlebende der Künstlergruppe General Idea, deren Programm wahre Trouvaillen enthält. Unter der Ägide der Künstlerorganisation Printed Matters ist Bronson ausserdem zusammen mit dem Zürcher Christoph Schifferli Mitorganisator der Sektion Artists Books. Auch der Stand Ecart ist eine exzellente Adresse. Zeichnungen sind in, Videos out Schon länger führen verschiedene Medien und Ausdrucksformen in der Kunst ein fröhliches Mit- und Nebeneinander. Nach den Höhenflügen ist die Fotografie weiterhin aktuell, Zeichnungen und Malerei sind wieder schwer im Kommen, das Interesse für Skulpturen ist neu entfacht. Schwerer haben es die Videos, denn sie leiden unter dem unübersichtlichen Angebot der Formate – VHS-Kassetten, DVD, Blu-Ray. Zudem haben die Sammler wieder mehr Lust auf Authentizität, was zulasten der digitalen Kunst geht. * * Sie sind hier Meisterwerke auf allen Etagen Man muss nicht unbedingt die Absicht haben, ein Bild zu kaufen, um die Art Basel zu besuchen. Das Vergnügen ist auch sonst garantiert. Denn in keinem Museum der Welt sind Donald Judd, Francis Bacon, Egon Schiele, Picasso, Jeff Koons und Marcel Duchamp so nahe beieinander. Zwar ist das Erdgeschoss traditionell für moderne Kunst reserviert, aber immer mehr Galerien für zeitgenössische Kunst lassen sich hier nieder. Im ersten Stock sind allerdings ausschliesslich zeitgenössische Künstler zu bewundern. Soll man sich einen Warhol leisten? Neben Picasso ist Andy Warhol einer der meistpräsenten Künstler der Messe. Seine Werke werden in den verschiedensten Preiskategorien – von ein paar tausend Franken für eine signierte Litho bis mehrere Millionen für die «Campbell Soup» – angeboten. Der Besucher hat die Wahl der Qual. Nach dem Grounding der Wirtschaft 2008 sind die Kunstpreise wieder im Steigflug. Ein Warhol ist und bleibt eine Investition, die überlegt sein will. Besuchen Sie die Parallelmessen Die Art Basel ist ein sicherer Wert. Parallel dazu gibt es einige junge Kunstmessen, an denen weniger bekannte, aber durchaus hervorragende Talente ausstellen. Die Werke sind manchmal gewagt, die Trouvaillen oft abenteuerlich (die Galerien sind selten älter als fünf Jahre, die meisten Künstler meistens jünger als vierzig). Entdeckungen sind aber in jedem Fall möglich, und es kann sein, dass Sie gerade hier Ihr Glück finden. Die Liste ist die älteste Satellitenausstellung und hält in der ehemaligen Brauerei Warteck Hof. Scope und Volta schliessen sich seit ein paar Jahren grossen internationalen Ausstellungen an. Unter den Galerien, die bei der Liste zu finden sind, empfehlen sich Bugada & Cargnel, Paris, Fluxia, Mailand, Karma International, Zürich, Elizabeth Dee und Wallspace, New York, sowie Peres Project, Berlin. Nach der Kunst zum Design Seit 2006 findet parallel zur Messe die Art Design/Miami Basel statt, die nun in der nahen Halle 5 zu finden ist. Damit es ganz klar ist, hier gibt es Aussergewöhnliches zu sehen, von historischen Designerstücken, die den Markt förmlich verrückt machen (Jean Prouvé und Charlotte Perriand), bis zu zeitgenössischen Kreationen in Kleinstauflagen, die teuer sind wie eine Skulptur (Zaha Hadid, Studio Job). Während man an der Art Basel durchaus preisgünstige Objekte finden kann, ist der Kauf eines Designerstücks an der Design/Miami geradezu eine Investition. Art Basel 42, 15. bis 19. Juni, Messe Basel, Messeplatz, www.art.ch Es gibt viele nützliche Art-Basel-Apps für iPhone und Blackberry. Liste 16, 14. bis 19. Juni, Burgweg 15, www.liste.ch Scope Basel, 15. bis 19. Juni, Kaserne Basel, Klybeckstr. 1, www.scope-art.com Volta 7, 13. bis 18. Juni, Dreispitz Areal, Helsinki Str. 5, www.voltashow.com Finanz und Wirtschaft LU X E | 41 Var iat io n en von fü nf M eist erw er k en de r Male re i ARS FUTURA Fotos : Vincent Calmel Post-Produktion und CGI : Karim Nassar s h o ot i n g | n o t i z e n | von Emmanuel Grandjean D OSSI E R | Z e i t g e n ö ss i sch e K u n s t | von Emmanuel Grandjean «Die Geburt der Venus» von Sandro Botticelli (um 1485) Schönheit, Eleganz, Mythologie und Intelligenz. Das Meisterwerk aus der Frührenaissance verdanken wir dem Reichtum von Lorenzo de Medici, genannt der Prächtige. Der aufgeklärte Mäzen machte Florenz zum Zentrum einer neuen ästhetischen Ordnung, unterstützt vom Genie eines Michelangelo, Leonardo da Vinci und Botticelli. Dieser hatte Simonetta Vespucci, die Frau von Marco Vespucci und Geliebte von Giuliano de Medici, als Modell für die aus der Muschel geborene Venus erkoren. Simonetta galt als die schönste Frau ihrer Zeit, sie starb im Alter von 22 Jahren an Tuberkulose. Models : Florian@Kaizen, Barbara@Time-Model, Alexia@Kaizen Styling : Lucie Notari Coiffure & Make-up : Christophe Durand Assistantin : Johanna Pariente Kabel : Jean-Claude Blaser «Gabrielle d’Estrée und ihre Schwester, die Herzogin von Villars», anonym, Schule von Fontainebleau (um 1594) Die Geste ist rätselhaft. Weshalb kneift die Herzogin von Villars die Brustwarze ihrer Schwester Gabrielle d’Estrée? Die übliche Interpretation ist, dass Erstere damit auf die Schwangerschaft der Zweiten aufmerksam macht. Die Favoritin Heinrichs IV., als «blonde Schönheit mit wunderschön gezeichneten Brauen, gefällig und mollig» beschrieben, war schwanger. Sie wird dem König drei Kinder gebären und stirbt, zum vierten Mal schwanger, in der Nacht vom 9. auf den 10. April 1599 vermutlich an den Folgen eines Hirnschlags. Die Zeitgenossen der «Beinahekönigin» vermuteten als Todesursache eher Gift oder gar die Hand des Teufels. Model : Sandy@Kaizen Dekor & Zubehör : Laurent C. Coiffure : Christophe Durand Make-up : Fred Bouffet «Der Tod des Marat» von Jacques-Louis David (1793) Am 13. Juli 1793 wurde Jean-Paul Marat, zentrale Figur der Montagnards und der Jakobiner, von der Girondisten-Anhängerin Charlotte Corday ermordet. Es herrschte Revolution, weshalb der Mord am «Ami du peuple», der wegen eines Hautleidens in der Badewanne leben musste, auch als Attentat bezeichnet werden kann. Vier Tage später verlor Charlotte ihr Leben unter der Guillotine, wo Hochbetrieb herrschte. Der Nationalkonvent bestellte umgehend bei Jacques-Louis David, dem persönlichen Freund von Marat, ein Erinnerungsgemälde. Dar Maler kreierte mehr als eine Hommage, er machte den im neuenburgischen Boudry geborenen Revolutionär zum Märtyrer der Freiheit. Street Art Strassenkunst i Trompe l’oeil von Banksy in den Strassen von London. Model : Marek Dekor & Zubehör : Laurent C. Coiffure & Make-up : Carole Bienfait «Ophelias Tod» von John Everett Millais (1852) Eine unmögliche Liebe, die im Bach ihr Ende findet. Es ist die Geschichte Ophelias, die Hamlet bis zum Wahnsinn liebt und deren Leichnam inmitten von Blumen im Fluss gefunden wird. Mitte des 19. Jahrhunderts inspiriert sich die Schwarze Romantik an unglücklichen Liebesgeschichten und klassischen Dramen (Tristan und Isolde, Shakespeare, mittelalterliche Sagen). Die tote Ophelia wurde von Eugène Delacroix und John Everett Millais verewigt. Millais war Begründer der Präraffaelitischen Brüderschaft, einer Gruppe englischer Maler, welche die italienischen Renaissance-Meister, darunter Raffael, bewunderten und die versuchten, die von der industriellen Revolution verdorbene Gesellschaft wieder zu Moral und Schönheit hinzuführen. Banksy und JR sind Strassenkünstler, deren Werke an Auktionen teuer gehandelt werden. Ob die nächste Spekulationsblase von der Strasse kommt? «Die Grosse Odaliske» von Jean-Auguste-Dominique Ingres (1814) 1814 bestellte Caroline Murat, Königin von Neapel und Schwester Bonapartes, das Gemälde «Die Grosse Odaliske» bei Ingres. «Grosse» ist dabei ein keineswegs überflüssiges Wort, denn der Maler liebte nicht nur die fülligen weiblichen Formen, er malte die Haremsdame (Odaliske ist das türkische Wort für Haremsdienerin) gar mit drei zusätzlichen Rückenwirbeln. Weshalb er als Wegbereiter des Photoshop bezeichnet werden könnte. Die Reaktion der Kritiker auf den von der «Venus vor dem Spiegel» von Velazquez inspirierten Rücken war gemischt. Liste der Accessoires und Kleider auf Seite 89 50 | Finanz und Wirtschaft LU X E Unser dank geht an : Alexandre Leveau de Kaizen, Angela de Time Model, Michel und Harry d’Usine Kugler, Greg pour usfprod, Georges Cabrera, Elena Vyshnevskaya. DR Model : Sophie@Kaizen Dekor & Zubehör : Laurent C. Styling : Lucie Notari Coiffure & Make-up : Johanna Pariente Fotos: Emily Anne Epstein / Corbis, Richard Bryant / Arcaid / Corbis Model : Aline@Kaizen Styling : Lucie Notari Coiffure : Carole Bienfait Make-up : Francis Ases Assistantin Fotograf : Elena Vyshnevskaya S ie nennen sich Banksy und JR, zeigen ihr Gesicht nur selten und geben sozusagen nie Interviews. Aber sie profitieren von ihrer Berühmtheit, um Dokumentarfilme zu drehen. Banksy erzählt in «Exit Through the Gift Shop» von seinem Leben als anonymer Künstler, JR widmet «Women Are Heroes» dem Kampf der Frauen im globalisierten Chaos. Der Engländer Banksy und der Franzose JR arbeiten im Geheimen, denn ihre Kunstform ist eigentlich verboten. Street Art, eine Kunst für und in der Strasse, ist vielmehr ein Protest, ein Aufruf zu Agitation, Vandalismus und Unordnung. Auch die Gruppe Voina hat diesbezüglich einschlägige Erfahrungen gemacht. Das russische Kollektiv nimmt bei jeder Aktion massive Risiken auf sich. Eines der jüngsten Werke ist ein gigantischer Phallus auf der Zugbrücke direkt vor den Fenstern des FSB-Geheimdienstgebäudes in St. Petersburg. Dafür riskieren die Künstler bis zu sieben Jahre Gefängnis. Zwar sind die USA nicht Russland, Strassenkunst wird dort aber ebenso wenig toleriert, selbst wenn sie signiert ist und von einem renommierten Künstler stammt. Am 20. April 2011 wurde der aus Paris stammende Space Invader – ein renommierter Street Artist, der seinen fressenden Videogames-Pacman überall platziert – von der Polizei in Los Angeles während einer Aktion erwischt. Dabei war er offizieller Teilnehmer der Art-in-the-Streets-Ausstellung des Museum of Contemporary Art. Es ist heute gang und gäbe, dass diese Künstlerrebellen in renommierten Häusern ein- und ausgehen. Sotheby’s kümmert sich um Banksys Werke. 2008 wurde «Keep It Spotless» in New York für 1,2 Mio. $ versteigert. Anlässlich der JahresFinanz und Wirtschaft LU X E | 51 D OSSI E R | Z e i t g e n ö ss i sch e K u n s t gene Marketing. André, Serial-Graffeur aus Paris, verziert seit 1989 nicht nur die Hauptstand, sondern auch Gegenstände (Videokonsolen, Handys in limitierter Auflage, Wodkaflaschen) mit seinem Monsieur A. Street Marketing Auch Keith Haring wusste über Derivatprodukte in der Kunst bestens Bescheid. Das Merchandising von Banksy floriert ebenfalls bestens, wobei er selbst dazu nichts beiträgt. Tatsächlich warnt er davor, unter seinem Namen und mit seiner Kunst Teetassen, T-Shirts und Taschen zu verkaufen. Banksy kommerzialisiert seine Werke nicht, bietet aber die Möglichkeit, von seiner Website Bilder gratis herunterzuladen und sie auf irgendwelche Gegenstände zu drucken. Uneigennützigkeit ist eine der grundlegenden Gemeinsamkeiten der Street Artists. «Lädt Banksy die besten Strassenartisten ein, einen verlassenen Tunnel der Waterloo Station in London zu verzieren, so tut er dies keineswegs aus kommerziellen Gründen», betont Caroline Lang. «Street Art ist kostenlos, gehört allen und niemandem. Übrigens: Eine Woche nach Banksys Aktion war die Originalfreske verschwunden, Taggers hatten sie mit ihren Werken übermalt.» Populäre Kunst Mauern an Auktionen Tatsächlich mag es seltsam anmuten, wie Strassenkunst von bedeutenden Auktionshäusern und den damit verbundenen Grossanlässen vereinnahmt wird, und man fragt sich, ob Street Art die nächste Spekulationsblase des Kunstmarktes sein wird. Analog der zeitgenössischen chinesischen Kunst, die kurz vor der Krise an Versteigerungen Furore machte. «Wissen Sie, alles wird zum Markt», erklärt Caroline Lang, Direktorin 52 | Finanz und Wirtschaft LU X E Sotheby’s Genève. Ihr Auktionshaus war das erste, das Banksys Werke versteigerte und dabei die fünf höchsten Zuschläge erzielte. «Das Web hat alles umgekrempelt. Die Menschen sind besser informiert, wissen sofort, was wo passiert, und multiplizieren so Modeerscheinungen. Für mich ist der Unterscheid zu den Zeiten, als die englischen Aristokraten auf grosse Italienreise gingen, gar nicht so gross. Einzig das Tempo hat sich geändert», beschreibt sie die Veränderungen im Kunstgeschehen . Für Philippe Davet, Direktor von BFAS Blondeau Fine Art Services in Genf, ist diese plötzliche Begeisterung für urbane Kunst immer noch ein Rätsel: «Es ist schon eigenartig. Plötzlich waren diese Künstler auf dem Markt, aufgetaucht aus dem Nichts, ohne jegliche Unterstützung von wichtigen Kunsthändlern oder Galerien.» Graffiti sind nicht wirklich etwas Neues. Man muss ja nicht bis zu den alten Römern zurückgehen, die auf den Säulen des Kolosseums ihre Meinung über den verhassten Cäsar kundtaten. Oder auf SAMO, Synonym von Jean-Michel Basquiat, der in seinen Anfängen die Mauern der tristen New Yorker Quartiere mit Graffiti bepflasterte. Street Art ist so alt wie die Welt. Neu ist das gewaltige Interesse an dieser Kunstform. «Wie die ursprüngliche Hip-Hop-Kultur, die schliesslich ins hochkommerzielle R’n’B mündete», befürchtet Philippe Davet. Graffiti-Künstler haben das Klandestine abgestreift und haben jetzt ihre eigenen Kunsthändler. Space Invader hat 2003 in Paris eine eigene Galerie eröffnet, wird in prestigereichen Ausstellungen gezeigt – «Naissance du graffiti» der Fondation Cartier im Jahr 2009 – und organisiert das ei- Foto: JR / Agence VU konferenz von Technology Entertainement Design wurde JR mit dem mit 100 000 $ dotierten TED-Preis 2011 ausgezeichnet. Preisträger dieses Anlasses müssen dabei jeweils drei Wünsche formulieren, die die Welt verändern sollen. i Fassadenbild von Banksy in den Strassen von New York. Fotos: Emily Anne Epstein / Corbis, Richard Bryant / Arcaid / Corbis Slum-Bilder von JR in Kibera, Kenia. Selbstverständlich spielen die Medien auch in dieser Kunstart eine wichtige Rolle. Sie sind die Multiplikatoren des phänomenalen Erfolgs. Ein Blick auf die Artisten, die im medialen Rampenlicht stehen, genügt – Jeff Koons, Takashi Murakami, Damien Hirst sind Spektakelkünstler, deren farbenfrohe, amüsante, mit der richtigen Prise Provokation versehene Pop-Kunst für Aufsehen sorgt und damit perfekt TV-kompatibel ist. Diese Kriterien passen auch auf die Street Art, die aber noch eine weitere Dimension – die politische Botschaft – besitzt. Wie JR, der seine riesigen Schwarzweissportraits links und rechts der Sicherheitsschranken zwischen Israel und Palästina anbringt. Er, den die Presse schon als «Cartier-Bresson des 21. Jahrhunderts» betitelt, stellt in «der grössten Galerie der Welt» aus, in besetzten Gebieten und in den Städten Frankreichs. Sein Opportunismus ist kampferprobt. Für Caroline Lang besteht ein Unterschied zwischen den beiden Künstlern: «JR definiert sich nicht als Street Artist, sondern als urbaner Artivist. Seine Arbeiten illustrieren ein anderes Bild unserer Welt. Anders bei Banksy, der seit langem die englische Gesellschaft mit einem zynischen, nonchalanten Blick betrachtet und ihre Codes und Regeln verfremdet. Er kennt sich darin so gut aus, dass seine Zugehörigkeit zu einer Familie der High Society ziemlich wahrscheinlich ist.» Banksy arbeitet seit 1989, ein Teil seines weniger bekannten Schaffens besteht aus den typisch britischen NonsensBildern und -Skulpturen. JR begann erst im Jahr 2004, als er in den Strassen von Paris Grossabzüge seiner Serie «Portrait de générations» aufhängte. Der nichtoffzielle Aushang wurde schliesslich von der Stadt genehmigt, die Fassaden eigener Gebäude zur Verfügung stellte. Street Art gefällt und kommt an. Caroline Lang meint dazu: «Es stimmt, Banksy und JR produzieren populäre Kunst, was an sich ja nichts Negatives ist. Jedenfalls gelingt es ihnen, Menschen jeglicher Kultur und Generation anzusprechen.» Eine Meinung, die auch Philippe Davet teilt: «Dies ist eine Kunstform, die junge Menschen lieben. Und das Geheimnis, mit dem sich die Künstler mit ihrem Pseudonym umgeben, verstärkt die Wirkung. Wobei das Publikum, das diese Werke kauft, bezüglich Geschmack eher ein klassisches ist. Es wird jedenfalls den Wert der Werke eines Kelley Walker oder Wade Guyton nicht in die Höhe treiben.» Wird die Kunst von der Strasse von Dauer sein? «Wissen Sie, jede Epoche hat ihre eigene Mode», sagt die Kunstkennerin Lang. «Könige und Päpste bedienten sich der Kunst, um ihre Macht zu zeigen und die Menschen zu beeindrucken. Street Art erkennen die Menschen als Zeichen unserer Zeit. Ob Street Art repräsentativer ist als ein anderes Phänomen? Ich glaube nicht. Für mich ist Strassenkunst heute der Gipfel unsef Slum-Bilder von rer Popkultur.» | JR in Kibera, Kenia. Finanz und Wirtschaft LU X E | 53 Design 2011 Lust auf Wohnen mit Stil m ö b el | t r e n d s | von Emmanuel Grandjean Leuchten aus Holz, Fauteuils aus Hanffaser, Schlafsofas und Vintage-Tapeten – die Bilanz nach der Mailänder Möbelmesse. *Die Preise der vorgestellten Objekte sind auf Anfrage erhältlich. W ie sitzt man 2011, womit lassen wir uns erleuchten? An der Möbelmesse in Mailand war kein einheitlicher Trend feststellbar, es gab von allem etwas. Natürlich sind da Materialien, die häufiger verwendet werden als andere. Helles Holz ist ebenso aktuell wie Filz, Ökokunststoff oder die Vorliebe für die Nostalgiefarben Grau, Gelb und Petrol. Andere Elemente sind weniger häufig. So hat die vor drei Jahren omnipräsente LED-Lampe der organischen Leuchtdiode OLED Platz gemacht. Die dünnen Leuchtkörper verbrauchen wenig Energie und eignen sich für alle Formen. Sie bieten den Designern ein absolut neues Spielfeld, nämlich aus Sparleuchten kreative Lichtquellen zu machen. Die wichtigen Möbelhersteller setzen weiterhin auf Sicherheit. Solange die Krise noch die Märkte beherrscht, ziehen sie es vor, ihre Entwicklungskosten tief zu halten und ihren Geld bringenden Möbelikonen einfach einen neuen Touch zu verleihen. Von den Grossen des Möbeldesigns gibt es daher nichts Aufregendes zu melden. Anders bei kleineren Herstellern, die experimentierfreudig sind und verschiedene Materialien auf überraschende Weise verwenden. So entdeckt man etwa eine Bank aus wiederverwertetem Stahl (Piet Hein Eek) oder einen Schrank, gefertigt aus alten Koffern vom Estrich (James Plumb). Recycling der schönen Art.* www.pietheineek.nl www.jamesplumb.com Holz – denn Noblesse oblige Holz ist das Designmaterial par excellence und in Mailand allgegenwärtig. Helle Farbtöne, zarte, berührungsfreundliche Oberflächen sorgen für Chic und verleihen Räumen einen modern rustikalen Anstrich. Wie die Wood Lamp, von der schwedischen TAF für die skandinavische Muuto gestaltet, die Position Lamp von Rooms 2010, bei Moooi erhältlich, oder die Konsole Double Side aus Birkenholz, ein MinimalMinimum-Möbel von Matali Crasset für Danese Milano. Holz ist auch das Material des Luxushauses Hermès, das seine ersten Möbel lanciert. La Maison ist die Kollektion exklusivster Home-Accessoires, für die Pierre-Alexis Dumas verantwortlich zeichnet. Der Stuhl besteht selbstverständlich aus Leder, assoziiert mit Canaletto-Nussholz. Das Wunderwerk des Know-how stammt von Enzo Mari, dem ebenso berühmten wie eigenwilligen Designer und Objektkünstler aus Italien. www.muuto.com, www.moooi.com, www.danesemilano.com, france.hermes.com 54 | Finanz und Wirtschaft LU X E Nachhaltiges Design Früher verstand man unter nachhaltigem Design Mobiliar aus wiederverwertetem Karton. Verantwortungsvolle Ökokreationen, die in den meisten Fällen aber nicht besonders ästhetisch waren. Der biologische Anstrich war oft auch nur Etikette, um dem Publikum das Argument «Nachhaltigkeit» zu vermitteln. Die Zeiten haben sich geändert. Recycling ist jetzt überall, aber nicht also solches erkennbar. Es braucht ein Kennerauge, um festzustellen, dass das luxuriöse Filzgewebe eigentlich zerstampftes Pet oder der Kunststoff ein Kartoffelstärkederivat ist. Die Industrie hat die Vorteile der erdölfreien Produkte erkannt. So unterstützt das Chemieunternehmen BASF ein Projekt des Deutschen Werner Aisslinger. Der Hemp Chair ist in einem Block aus Hanffaser gegossen und federleicht. www.aisslinger.de Kommunikationsobjekt Tisch Der Tisch ist im eigentlichen Sinn ein Kommunikationsobjekt, ein Ort, wo man sich zum Gespräch versammelt. Design ist somit ein Faktor der Geselligkeit, ein wertvolles Element der zwischenmenschlichen Beziehungen. 2003 lancierte Martino Gamper die Trattoria al Capello, eine Gastro-Design-Performance, an der der Designer aus Italien zu einem Essen lud, das er rund um seine Kreationen konzipierte. 2011 führt das deutsche Kollektiv Postfossil die Idee «Design und Essen im Dienste der Lebensart» weiter. Die Trattoria Utopia ist auch eine «Metapher der Gesellschaft von morgen». Mit den runden Gabelspitzen ist es unmöglich, Fleisch zu essen. Feine, auf dem Tellerboden aufgedruckte Zeiger bedeuten, dass man sich Zeit nimmt beim Essen. www.postfossil.ch Haute Couture Der Designboom hat das edle Kunsthandwerk wieder ins Zentrum gerückt. Einlegearbeiten, Tischlerei, Glas, Quadersteine, Weben, Tapeten sind hochaktuell. Thomas Eyck, Hersteller und Distributor in Holland, hegt eine grosse Passion für Know-how, edle Materialien, Design und Haute Couture und beauftragt jedes Jahr einen oder zwei Designer mit einer exklusiven Kollektion. 2011 profitiert Christien Meindertsma vom grosszügigen Angebot. Der 31-jährige Designer, dessen Kreationen Teil der Sammlungen des Victoria & Albert Museum in London und des MOMA New York sind, hat traditionsreiche Möbelstücke neu interpretiert, indem er das Strohgeflecht durch Flechten aus der dicken Wolle der holländischen Texelaarschafe ersetzt hat. www.thomaseyck.com Finanz und Wirtschaft LU X E | 55 m ö b el | t r e n d s Filz und Stoffe zum Zudecken Einst wurde Filz aus Wolle hergestellt, heute wird das robuste Material auch aus rezyklierten Plastikflaschen gefertigt. Der Werkstoff zeichnet sich durch seine vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten aus. Ronan und Erwan Bourroullec bedecken damit ihr Büchergestell, Benjamin Hubert hat daraus einen Sessel entworfen, der vom niederländischen Hersteller De Vorm angeboten wird. Im Pod sitzt man von der Umwelt abgeschirmt wie in einem Miniaturheim. Konstantin Grcic überzieht damit seine neuen Sofas, die vom englischen Möbelhersteller Established & Sons produziert werden. Er liess sich von Hotelmöbeln inspirieren, die mit Tüchern geschützt wie kleine Gespenster aussehen. Die Kollektion des Münchner Designers trägt die Bezeichnung Cape. Es erinnert nicht an den Umhange von Mandrake dem Zauberer oder von Superman, vielmehr an den ärmellosen Mantel des Dandys, der die Kunst beherrscht, elegante Kühnheit mit moderner Bequemlichkeit zu verbinden. Entstanden ist ein spektakuläres Möbelstück, dessen Falten perfekt wie ein Vorhang fallen. www.establishedandsons.com, www.devorm.com Multitasking a uf dem Sofa Was macht gutes Design aus? Grundsätzlich ist gutes Design zeitlos und keinen Moden unterworfen, es muss dazu das Bedürfnis nach Komfort erfüllen und sich neuen Verhaltensmustern der Menschen anpassen. So geschehen beim Fauteuil, der früher die Sitzgelegenheit fürs Fernsehen war. Heute räkelt man sich darin, checkt Mails, lädt Apps herunter, telefoniert und geniesst die Gesellschaft der Familie, man ist aktiv. Deshalb sind die Armlehnen breiter geworden, dienen als Ablagefläche für das Smartphone oder das Tablet. Der Capo, eine Kreation des indisch-britischen Designerpaars Doshi Levien für Cappellini, ist eine der Designsensationen dieses Jahres. www.cappellini.com, 56 | Finanz und Wirtschaft LU X E Aus Alt mach Neu Seit der Krise pflegen die Möbelhersteller die Politik der kleinen Schritte, sie halten sich zurück und illustrieren ihre Kataloge nicht mit einer Unzahl von Neuheiten. Kühne Würfe, die sich manchmal durchaus bezahlt machen, sind dünn gesät. Die grossen Häuser warten bessere Zeiten ab und konzentrieren sich auf ihre Möbelikonen, die sie neu interpretieren. Cassina, offizieller Produzent von Le Corbusier, lanciert dieses Jahr die erste Kollektion von Aussenmöbeln. Die aus gewölbtem Holz geformten Möbel erinnern an die Liege B306 des Neuenburger Architekten und von Charlotte Perriand. Weiter zurück in die Vergangenheit sind die Designer des niederländischen Studio Job gegangen, denn sie haben den mittelalterlichen Stuhl neu erfunden. Der Gothic Chair ist die Kopie eines neugotischen Stuhls aus dem 16. Jahrhundert, den sie auf dem Flohmarkt aufgetrieben und wie ein Kindermöbel interpretiert haben. Aus Propyethylen rotationsgeformt und von Moooi produziert, ist der Stuhl in zehn Farbtönen erhältlich. Moooi gehört zu den Möbelverlegern, die in den 2000er Jahren das Design massgeblich geprägt haben. Der robuste Gothic Chair ist ein Schmuckstück in der Wohnung und auf der Terrasse und hat das Zeug zum Klassiker. www.cassina.com, www.moooi.com Neuentdeckte Nostalgie Vintage ist der Blick in den Rückspiegel, der uns zeigt, dass Design von gestern noch heute aktuell ist. Tafelstukken von Daphna Laurens verbindet Holz und Keramik, ruhige Farben sorgen für nostalgische Poesie. Die Leuchte der holländischen Designerin ist zudem praktisch, da mit einem Ablagefach ausgestattet. Die berühmten Stoffarbeiten von Klaus Haapaniemi und Mia Wallenius erinnern an Jean Lurçat, der als Bildwirker der Tapisserie des 20. Jahrhunderts entscheidende Impulse verliehen hat. Das finnische Duo zeichnet das Chaos des Universums. Die Textilkollektionen Mammoth, Meteor & Volcano inspirieren sich an der Folklore, der Natur und der Geschichte Finnlands und illustrieren die Welt, wie sie heute ist. www.daphnaisaacs.nl, www.klaush.com Tom Dixon, der Unabhängige Alle Jahre wieder zieht der britische Designer in der hochfrequentierten Mailänder Messezone Tortona seine Show ab. Er mietet dazu einen riesigen Raum mit dazugehörendem VIP-Restaurant und präsentiert seine umfangreiche Produktion. Tom Dixon bestätigt seinen Status als Topshot des unabhängigen Designs. Der Engländer, der den Zwischenhandel ausgeschaltet hat und auf den direkten Kontakt zwischen Créateur und Konsument setzt, verbindet Werkstoffe, die für die britische Industriegeschichte stehen, mit dekorativen Elementen. Tische mit Beinen aus Gusseisen, Leuchten aus Pressglas treffen zusammen mit Bulb, seinem neuen futuristischen Kerzenständer. www.tomdixon.net trons thron Cassina pflegt seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Partnerschaft mit den DisneyStudios. Nach dem Stuhl mit den MickeyOhren präsentiert das italienische Möbelhaus nun massive Fauteuils des New Yorkers Dror Benshetrit, die aus dem Cyberuniversum des Films Tron stammen könnten. Die seltsamen Objekte von roher und dekonstruierter Ästhetik (erinnern entfernt an einen Mix aus Richard Hutten und Franck Gerry) werden aus dem unverwüstlichen Polymer Corian fabriziert. www.cassina.com Skulpturen fürs Heim Kennen Sie das Spiel, bei dem Sie ein Haus in einem Strich zeichnen müssen? Der Berliner Jerszy Seymour hat die Idee übernommen, jedoch um in einem Strich einen Stuhl zu machen. Entstanden ist das Modell Flux, bestehend aus nur zwei gekrümmten Metalldrähten. Das von Magis produzierte Stück sieht wie eine zum Objekt gewordene Skizze aus. In einem anderen Genre, aber ebenfalls spektakulär ist der Stuhl Souviens-toi que tu vas mourir mit dem Bild eines Schädels. Ein echter Vanity Chair und eine der ersten Kreationen von Pool, einem jungen Designerteam aus Paris. Der italienische Architekt Andrea Branzi liess sich von Animismus und Ikebana inspirieren, als er für die italienischen Editions Superego zwölf Behältnisse – Kerzenhalter, Vasen usw. – in Form von Holzscheiten mit Zweigen gestaltete. Entstanden sind eine Art Altare aus Keramik, Hommagen an die Natur, die in einer Auflage von je 33 Stück produziert werden. www.magisdesign.com, www.poolhouse.eu, www.superegodesign.com Finanz und Wirtschaft LU X E | 57 o b j e k t | s avo i r fa i r e | von Emmanuel Grandjean - Fotos : François Wavre Design in Beton Der Faserzementhersteller Eternit produziert auch Designobjekte. Der Lausanner Nicolas Le moigne und der Österreicher Rainer Mutsch erklären, weshalb sie gerne mit dem Bauwerkstoff arbeiten. D ie klatschenden Geräusche erinnern an die Arbeit der Waschfrauen, die die Wäsche aufs Wasser schlagen (zumindest stellen wir uns dies so vor, denn es sind doch viele Jahre vergangen, seit ausser Haus am See, Fluss oder Brunnen gewaschen wurde). Im Eternit-Werk in Payerne klopfen starke Arme keine Wäschestücke, sondern Faserzement, woraus Eternit, ursprünglich ein deutsches Unternehmen, vor allem Blumenkisten und Häuserfassaden fabriziert. Rainer Mutsch beobachtet, wie zwei starke Männer seinen Fauteuil Dune formen. «Man muss sehr schnell und präzis arbeiten. Zwischen dem Empfang der Platten, die im danebenliegenden Atelier hergestellt werden, und dem fertigen Objekt dürfen nicht mehr als vierzig Minuten vergehen. Wenn das Material trocken ist, kann man es nicht mehr bearbeiten», beschreibt der Designer aus Österreich den Herstellungsprozess und reibt den Werkstoff, der wie nasser Filz aussieht. Hier ist alles Handarbeit. «Maschinen, die diese Arbeit machen könnten, gibt es nicht. Dune wurde speziell für Faserzement konzipiert, aus Plastik wäre das Stück völlig uninteressant.» Einzige Konzession an die Modernisierung im Herstellungsvorgang ist die baldige Einrichtung eines riesigen Ofens, der die Trocknungszeit von drei Wochen auf vier Tage verkürzt. Derzeit werden die Objekte noch an der Luft getrocknet. Von Loop zu Dune Das 1901 gegründete Unternehmen Eternit produziert nicht nur Bauelemente, sondern auch ganze Kollektionen von Designerobjekten. Und dies schon seit den Fünfzigerjahren, so den berühmten Strandstuhl Loop Chair von Willy Guhl, der nicht nur die Geschichte des Unternehmens, sondern das internationale Design massgeblich geprägt hat. «Wir arbeiten ausschliesslich mit Gestaltern, die dieses sehr spezielle Material verstehen», erklärt Daniel Hauri, Verantwortlicher für die Abteilung Design. «Wir erhalten viele Vorschläge, aber nur ganz wenige, einer oder zwei, sind wirklich geeignet. Wir sind auch nicht auf der Suche nach neuen Talenten, wir möchten auch in Zukunft mit den sechzehn aktuellen f Die FaserzementDesignern arbeiten.» Rainer Mutsch platten werden zu wurde mit dem Dune-Fauteuil für den einem Stuhl gefaltet. Brit Insurance Design of the Year 2011 nominiert. «Eine prestigereiche Ausp Trash Cube von zeichnung, die auch Herzog & De MeuNicolas Le Moigne 58 | Finanz und Wirtschaft LU X E Finanz und Wirtschaft LU X E | 59 begehren o b j e k t | s avo i r fa i r e von Emmanuel Grandjean pGrüne Modellierform für den Garten fauteuil Dune. ron erhalten haben», erklärt der ÖsterreipRainer Mutsch am cher, dem den Preis nur knapp entgangen Formen des von ihm entworfenen Dune. ist. Was ihn aber nicht weiter bekümmert. Sein Fauteuil wird demnächst in ausgewählten Brico-Shops und Garden-Centern erhältlich sein. Es ist dies das erste Mal, dass Eternit im grossen Rahmen in den Detailhandel einsteigt. Das Unternehmen will so die Bekanntheit steigern und von einer neuen Kommunikationsform profitieren. Besteht nicht auch die Absicht, sich endlich des Asbestproblems zu entledigen, mit dem Eternit noch immer in Verbindung gebracht wird, obwohl seit Ende der Siebzigerjahre die krebserregende Faser durch acht gesundheitsunschädliche Komponenten ersetzt wurde? «Absolut nicht, denn dieses Problem haben wir schon vor langer Zeit geregelt», verteidigt sich Anders Holte, Generaldirektor Eternit Schweiz und Österreich. «Es ist vielmehr der Erfolg des Designs beim breiten Publikum, der uns motiviert hat, weitere Absatzkanäle zu prüfen.» Grosser Würfel Einen solchen gibt’s auch für den Trash Cube von Nicolas Le Moigne. Der Designer aus Lausanne arbeitet regelmässig für Eternit. «Die Beziehung zu Eternit begann», erzählt er, «als ich an der ECAL studierte. Im Rahmen meiner Masterarbeit prüfte ich verschiedene Möglichkeiten, den faszinierenden Werkstoff Faserzement zu formen. Eternit interessierte mich schon seit langem.» Voraussetzung für die Durchführung des Projekts war der intensive Dialog zwischen Designer, Unternehmen und Arbeitenden. Das Konzept basierte auf einem unterschiedlichen Fabrikationsprozess. Statt die Stücke auf einer Schablone zu formen, füllt Nicolas Le Moigne eine kubische Form mit Faserzement. «Ich produziere ein neues Objekt – einen Hocker, eine Skulptur –, indem ich Formereiabfälle verwerte.» Reststücke finden so eine neue Verwendung, es entsteht ein Unikat, ein Designobjekt, das für sensationelle 97 Fr. erhältlich ist. «Die Produktionsvorgaben waren streng. Da der Arbeiter höchstens zwölf Minuten für das Projekt aufwenden darf, musste die Form möglichst einfach sein. Wir erzielen einen spannenden Kontrast zwischen einem industriell anmutenden, aber handwerklich hergestellten Objekt, das einzigartig ist und das fast zufällig entsteht.» Sein nächstes Faserzementprojekt ist bereits unter Dach. Ein niedriger Tisch, dessen Fuss in Payerne geformt wird, die farbige Platte ist ein bei Eternit Deutschland industriell hergestelltes Bauelement. «Ich kann mit den Farbtönen spielen. Mich fasziniert die Idee, dass erstmals zwei HerpNicolas Le Moigne stellungsverfahren für ein einziges Obmit der Pressform für jekt angewendet werden.» | den Trash Cube. 60 | Finanz und Wirtschaft LU X E Weshalb Sie diesen Stuhl haben müssen A m Anfang waren zwei britische Designer, die von der Royal Society of Arts um ihre Meinung zum Kauf von Stühlen für eine neue Schule gebeten wurden. Edward Barber und Jay Osgerby besuchten eine Primarschule in Tipton in den Midlands und waren vom Gesehenen nicht gerade begeistert. So entstand die Idee, das seit über vierzig Jahren unveränderte Schulstuhldesign zu überdenken. Dann galt es einen Hersteller zu finden. Rolf Fehlbaum, Chef von Vitra, dem Schweizer Unternehmen für Design, das die Entwürfe von Charles & Ray Eames produziert, mit Frank Gerry und den Brüdern Campana arbeitet und im Hauptquartier in Weil am Rhein den wunderschönen Vitra Campus betreibt, war auf AnProduziert von Vitra erfindet der «Tip hieb von Tip Ton begeistert. Tatsächlich kommt es im Ton» von Barber & Osgerby das Sitzen neu. Leben nicht oft vor, dass ein Stuhl neu erfunden wird. 1. Weil er schaukelt. Nicht nach hinten, sondern nach vorn, wo er um exakt neun Grad geneigt stehen bleibt. Schaukeln hat aber nur wenig mit spielen zu tun: Dieser Stuhl ist auch gut für Köper und Geist. 2. Weil die nach vorne geneigte Sitzposition vorteilhaft ist. Eine Studie der ETH Zürich aus dem Jahr 2010 belegt nämlich, dass dies die Bauch- und Rückenmuskulatur stärkt, die Durchblutung verbessert, was sich insgesamt günstig auf die Konzentrationsfähigkeit auswirkt. Weil er für die Schule konzipiert wurde. Dieser Stuhl erfüllt alle Ansprüche des zeitgenössischen Designs: Er ist leicht, stapelbar, robust, lässt sich rezyklieren und ist preiswert. 3. Weil er originell ist. Sein innovatives kufenförmiges Untergestell macht ihn einzigartig. Eine Meisterleistung, wenn man weiss, wie viele neue Designerstühle jedes Jahr auf den Markt kommen. 4. Weil er die Handschrift von Barber & Osgerby trägt. Das britische Designerduo Edward Barber und Jay Osgerby wurde 1996 von Giulio Cappellini entdeckt. Für die Umsetzung ihres einfachen, eleganten Stils nutzen sie die grosstechnischen Verfahren aus der Kunststoffverarbeitung. Der Tip Ton wird in einem Stück aus Kunststoff gegossen. Die beiden Londoner gehören zu dem Kreis von Gestaltern, die in verschiedenen Disziplinen stark sind. So arbeiten sie für Unternehmen wie Established & Sons, Magis, Flos und Panasonic. 5. Tip Ton, 278 Fr., www.vitra.com Finanz und Wirtschaft LU X E | 61 s t i l | z u b e s u c h | von Emmanuel Grandjean - Fotos: Vera Hartmann Willkommen bei Joan Billing und Samuel Eberli ff Audiogerät Audio 1 (Braun 1962, Dieter Rams) Metallfüsse und Standlautsprecher L60-4 (Braun 1964, Dieter Rams) Tisch ECAL Limited Edition D+D (Eternit 2008, Nicolas Le Moigne) f Liege LC4 (Wohnbedarf/Embru Modell 40/2072 Entwurf 1933, Le Corbusier) Regal Schweizer Design 50er Jahre Leuchte Tripode (Santa & Cole 1997) Weltempfänger T1000 (Braun 1963, Dieter Rams) Sie lieben Design, Architektur, Kunst, Bücher und BraunGeräte. Begegnung mit zwei Koryphäen des Stils und Organisatoren der Messe Design+Design in Zürich. D as Appartement im kubusförmigen Haus in Ennetbaden, 15 Minuten von Zürich entfernt, scheint über dem Fluss zu schweben. Das einzige Geräusch, das die Bewohner hören, ist das Rauschen der Limmat. Joan Billing und Samuel Eberli, beide 39 Jahre alt, sind die Organisatoren von Design+Design, der grössten Messe von Vintage-Möbeln in der Schweiz. Er ist Architekt, sie Designerin und Trendforscherin. Er arbeitet mit dem Schwiegervater, sie führt mit der Mutter und Lidewij Edelkoort, Trendguru aus Holland und Vorhersager der Mode von morgen, ein Trendforschungsbüro. Joan und Samuel sind ein Paar mit ausgeprägtem Familiensinn und total verrückt nach Design. «Wir lieben das zeitlose Design. Es reicht nicht, dass ein Objekt nur schön ist, es muss auch eine Seele besitzen. Oft ist gerade die Einfachheit, die Moden überdauert», erklärt Joan, die sich schon als kleines Mädchen für Design interessierte, als ihre Freundinnen von ganz anderen Dingen träumten. «Ich war zwölf Jahre alt, als ich Bauhaus entdeckte, und ich setzte mir in den Kopf, einen Metalltisch zu fabrizieren. Mit 13 sah ich die Arbeiten von Eileen Gray, und von diesem Moment wurde Design zum bestimmenden Teil meines Lebens.» Lange vor Apple Zum Wunsch, Objekte zu entwerfen, gesellte sich bald die Leidenschaft, sie auch zu sammeln. Nicht zuletzt ein typischer Charakterzug der Familie Billing, wo die Designpassion von den Eltern auf die Tochter überging. Joan und Vater Rolf sind die schweizweit grössten Sammler der Arbei62 |62Finanz | Finanz undund Wirtschaft Wirtschaft LU X LU E XE ten von Dieter Rams, ihre Sammlung umfasst über 800 Stücke. Der deutsche Designer hat die zu Kultobjekten gewordenen Braun-Geräte gestaltet. Plattenspieler, Fernsehapparate und Kofferradios sind heute Teil der Geschichte des Designs. «Schön und einfach», erklärt Samuel und dreht das Transistorradiomodell TP1 aus dem Jahr 1959 in den Händen, «ein einmaliges, gescheites Objekt, Plattenspieler und Radio in einem. Ein einziger Knopfdruck, und das Gerät ist betriebsbereit.» Dieter Rams besass den berühmten Geist von Apple, nur eben 40 Jahre früher. Im Übrigen sind Jonathan Ives, Designer des iMac und des iPod, und Dieter Rams gute Bekannte, weiss Samuel Eberli zu erzählen. Die jährlich stattfindende Wallfahrt nach Kronberg im deutschen Bundesland Hessen, wo stets am 14. Mai die BraunBörse stattfindet, ist ein Muss. «Als ich das erste Mal dort war, war ich 19 Jahre alt, die übrigen Besucher alle um die 60», erinnert sich Joan. «Es war ein unglaubliches Erlebnis, so viele Menschen mit der gleichen Passion zu treffen. Damals gab es das Internet ja noch nicht. Es war aufwendig, Menschen mit den gleichen Interessen ausfindig zu machen. Man musste die entsprechenden Fachbücher aufspüren, die richtigen Personen kontaktieren», beschreibt sie die vergangene Zeit. Der Salon Design+Design ist das Resultat dieses früheren Networking. «Wir hatten die Idee, Menschen mit der gleiche Designleidenschaft zusammenzuführen, indem wir Vorträge und eine grosse Ausstellung Finanz und Wirtschaft LU X E | 63 DRESS CODE stil | zu besuch von Emmanuel Grandjean ff Pyramid Chair (De Cirkel Pyramid 1956, Wim Rietveld) Shanghai Chair (INCH Furniture, 2009 Yves Raschle/ Thomas Wüthrich) f Afrikanische Masken s Bogenleuchte Arco (Flos Entwurf 1962, P.&G. Castiglioni) Tischleuchte WA 24 «Bauhauslampe» (Tecnolumen, Entwurf 1924 W. Wagenfeld) Sidechair (Hermann Miller, Charles & Ray Eames) Teeservice (Jenaer Glaswerk Schott & Gen. Entwurf 1931 Wilhelm Wagenfeld) « Designobjekte sind nicht dazu bestimmt, herumzustehen, sie wollen benutzt werden. » organisierten, einen Katalog publizierten und die Beziehungen zwischen Liebhabern, Händlern, Fachleuten und Designgaleristen förderten. Aber vor 20 Jahren war das Interesse noch nicht so gross wie heute. Erst vor etwa sieben Jahren gelangten wir zur Überzeugung, dass ein solcher Event das Publikum interessieren könnte», erzählt Samuel bei unserem Gespräch im Wohnzimmer, wo sich Vintage-Möbel mit zeitgenössischen Stücken und afrikanischer Kunst mischen. Teezeremonie Hier hat man den Mut, Stil, Epochen, Kulturen und Kontinente zu kombinieren. Die vom Lausanner Designer Nicolas Le Moigne für Eternit gestaltete Konsole koexistiert problemlos mit dem mit Nägeln bespickten afrikanischen Stammesfetisch. «Unser Geld investieren wir natürlich in Möbel, aber auch in Architektur- und Kunstbücher, Reisen und Restaurant. Wir lieben die gute Küche, lassen uns aber eher vom Feeling leiten, der Name des Kochs oder die Anzahl Sterne sind uns eigentlich gleichgültig. Uns interessieren vielmehr originelle Gerichte, wie sie im Noma in Kopenhagen, dem zurzeit angesagten Lokal, aufgetischt werden. Allerdings muss man seinen Tisch mittlerweise mindestens einen Monat im Voraus reservieren», erzählt Samuel. «Und wir kaufen auch Tee, wir sind absolute Teefans.» Tatsächlich servierte uns das Paar Rosentee mit Akazienhonig in einem papierfeinen Glas von Wilhelm Wagenfeld aus den Dreissigerjahren. «Wir leben mit Design, deshalb ist es normal, dass Design mit uns lebt. Diese 64 | Finanz und Wirtschaft LU X E Objekte sind nicht dazu bestimmt, herumzustehen, sondern sie wollen benutzt werden», sagt Joan, die mit Samuel die gleichen ästhetischen Vorlieben teilt. «Das ist natürlich die Voraussetzung, damit es zwischen uns klappt», meint Samuel. «Wir kaufen jährlich mindestens zwei bis drei Stücke. Joan hat diese Stühle von Wim Rietveld, dem Sohn des niederländischen Architekten Gerriet Rietveld, gefunden, ich habe mir einen kleinen Holztisch gekauft.» Ein stilvoll harmonisches Leben verlangt auch den entsprechen Kleiderlook. «Wir mögen die grossen klassischen Häuser wie Yves Saint-Laurent, Hermès und Lanvin, aber auch jüngere Labels – APC, Marc Jacobs, Bless –, und wir haben ein Faible für Raf Simmons und Hussein Chalayan. Ich erinnere mich an die Kollektion Winter 2000, ein unglaublicher Mix von Architektur, Design und Mode. Es war wie an einer Ausstellung fantastischer Kunst», typisiert Joan die gemeinsamen Vorlieben. Mit anderen Worten, sie bevorzugen Stylisten, die wunderschöne Sachen anbieten. «Wir reisen mindestens zweimal jährlich nach Paris oder Wien, wo wir uns eindecken. Wir tragen einfache Kleider, gut geschnittene Basics. Uniqlo und Muji gehören zu unseren bevorzugten Adressen», verrät sie. Das Paar, das sich von Skandinavien und Japan besonders angezogen fühlt, hat sein Herz für Wien entdeckt. Die während langer Zeit verschlafene Stadt erwacht zu neuem Leben, vor allem in Sachen Design. Und dann ist Wien auch die Stadt von Erwin Wurm. Der Künstler des Fat Car – eines echten Boliden, der aussieht wie eine Fettwurst – und der One Minute Sculpture, mit der er zeigt, wie man zum Kunstwerk wird, indem man Kleider andersrum anzieht, ist ebenfalls ein grosser Vintage-Sammler. Er gehört mit Thomas Demand, Matthew Barney und Beat Zoderer zu den PlastikerIkonen, die Joan und Samuel gerne in ihrer traumhaften Wohnungsinsel über dem Wasser hätten. | Design+Design 2011, 25. bis 27. November 2011 in Zürich, www.designunddesign.ch Stilvoll in den Sommer Bermudas ja oder nein ? Ärmel kurz oder lang? Alle Jahre wieder, pünktlich zum Sommeranfang, stellt sich die gleiche Frage des Stils. Unsere Tipps, damit Mann auch diesen Sommer bella figura macht. Ave Sandale Sonne, Sand und Meer – für Sie der ideale Moment, Ihre alten Sebagos hervorzuholen. Besser, Sie lassen die Bootsschuhe im Schrank. Denn Docksides sind mittlerweile wirklich aus der Mode, das Angebot an sommerlich-schicker Fussbekleidung ist riesig. Baskets (Converse) sind nach wie vor topaktuell und immer passend. Auch die Sandale kommt nie aus der Mode. Letztes Jahr hatte die Ledergladiatorensandale noch einen scheuen Auftritt, diesen Sommer dürfte ihr der Durchbruch gelingen, ja sie wird Furore machen. Willkommen in der Arena. Sandale Femerus von Damir Doma, 190 Fr. Ärmel hochkrempeln M an kann es nicht genug wiederholen: Kurzärmlige Hemden sind eine Stilstünde. Für junge Menschen, die alles tragen dürfen und können, mögen Kurzarmhemden erlaubt sein, Sie aber wählen lieber einen feinen Stoff – Voile de coton oder Leinen – und krempeln bei steigenden Temperaturen und strahlender Sonne einfach die Ärmel hoch. Wenn Sie es wirklich kurzärmlig mögen, entscheiden Sie sich für ein Poloshirt. Chemise Maison Martin Margiela, 320 Fr. Panamakanal Im Sommer ist Kopfbedeckung ein Muss, aber nicht irgendeine. Ganz sicher nicht das unsägliche Mützchen, das Sie wahrscheinlich wegen des drohenden Sonnenstichs – oder danach? – gekauft haben. Ebenso wenig das mit Pailletten verziehrte Cap (tut uns leid, die R’n’B-Kultur ist für Sie definitiv passé). Entscheiden Sie sich besser für einen Stroh-Trilby, sehr mondän und seit zwei Jahren fashionable. Es gibt ihn in zahllosen Versionen, zum Beispiel von Stetson und Paul Smith. Der stets aktuelle Panama verleiht Ihnen den ultimativen Retro-Latino-Look. Trilby Floral von Paul Smith, 90 Fr. Vade Retro Bermuda Die Temperaturen steigen und damit die Lust, nackte Beine zu zeigen. Sie zögern zwischen Shorts und Bermudas. Sie liegen bereits falsch. Denn die kurze Hose ist ein Stilbruch erster Güte. Es gibt zwar Luxusmarken, die ganze Kollektionen anbieten. Vergessen Sie’s – es bleibt modisches Teufelszeug, auch wenn die Bermudas grosse Namen tragen. Die muten dem Herrn ja auch zu, sich in unsäglichen Farben wie Türkis, zerstossene Himbeeren oder Kanariengelb zu kleiden und darin auszusehen wie ein bunter Vogel, der sich am Strand verirrt hat. Die Alternative? Weit geschnittene Hosen aus leichten Stoffen, die die Haut atmen lassen und Sie garantiert unwiderstehlich aussehen lassen. Hose aus Seide und Baumwolle, Haider Ackermann, 1240 Fr. LU X E | 65 t r e n d | M ä n n e r pa r f u m | von Myret Zaki - Fotos: François Wavre Wuchtig und verwegen denste Düfte zu erforschen und zu komponieren.» Seine erste Kreation, Féminité du Bois, war eine Hommage an die Atlaszeder und sollte die Welt der Parfümerie revolutionieren. Als «Orientalist» bezeichnet, spezialisierte sich Serge Lutens auf würzige, honigtönige, holzige Noten. «Der Erfolg stellte sich sehr schnell ein», erzählt die Besitzerin von rund 60 Parfums. «Er profitierte von der wachsenden Nachfrage nach natürlichen Düften, gemixt aus edlen Rohstoffen – Holz, Harze – und ohne die in den Achtzigerjahren typischen süsslichen Ingredienzien.» Wobei darauf hingewiesen werden muss, dass selbst Nischenparfums mit einem hohen Anteil an natürlichen Stoffen nicht ohne Syntheseprodukte auskommen, weil beispielsweise natürlicher Moschus oder Zibet verboten sind. Unabhängige Männer, mit Mut zur eigenen Note, ziehen seltene Düfte auf Basis natürlicher Ingredienzien kommerziellen Parfums vor. Begegnung im Universum der Düfte mit Liebhabern und Kreateuren. B etritt Blaise-Alexandre Le Comte die Parfümerie Théodora, nimmt ein Abenteuer seinen Anfang. Vielleicht wird er einen neuen Duft, eine neue Geschichte kennenlernen. «Für neugierige Nasen sind der Aufenthalt in einer Parfümerie und das Erschnuppern unbekannter Düfte ein aufregendes Vergnügen», betont der elegante Genfer und Sammler sogenannter Nischendüfte. Diese sind die Spezialität der Boutique Théodora an der GrandRue 38 im Herzen der Genfer Altstadt. Der Duftentdecker betastet die Flacons, hält inne bei Cologne Bigarade, einem hesperidischen Duft, dann bei Carnal Flower, basierend auf sinnlicher Tuberose. Beide Parfums sind Kreationen von Editions de Parfums Frédéric Malle. Weniger kommerzielle Düfte sind im Trend Dann besprüht er eine Mouillette, riecht konzentriert daran und legt den Papierstreifen sorgfältig in seinem Notizbuch ab. Später wird er darauf zurückgreifen. Manche Parfums beschnuppert er zum dritten, vierten Mal, der Duft lässt ihn nicht mehr los, und schliesslich wird er ihm erliegen. Seine Abenteuer und spannenden Duftgeschichten beschreibt er in einem Blog. Manchmal braucht es zehn, zwanzig Anläufe, bis er sich schliesslich für ein Parfum entscheidet. Um die Nase auszulüften, empfiehlt es sich, an einer mit Kaffeebohnen gefüllten Tasse zu riechen. Dann kann die Degustation weitergehen. Blaise-Alexandre Le Comte ist ein Duftentdecker. Seine Trouvaillen beschreibt er im eigenen Blog. 66 | Finanz und Wirtschaft LU X E Blaise-Alexandre Le Comte ist kategorisch, für ihn gibt es ausschliesslich Nischenparfums. «Solche Düfte sind authentische Kreationen des Parfümeurs, sie müssen also nicht einem möglichst breiten Publikum gefallen, sie sind das Ergebnis der Arbeit mit eleganten Rohstoffen. Man wird Anhänger – oder eben nicht – des Universums eines bestimmten Kreateurs», erklärt der Perfumista, der seine Freizeit damit verbringt, Düfte zu suchen und ensprechende Blogs ausfindig zu machen. Serge Lutens, Parfum d’Empire, Parfumerie Générale, Etat Libre d’Orange sind etwa die Marken der Duftinsider, die immer auf der Suche nach authentischen, weniger kommerziellen Düften sind. Während langer Zeit benutzte Blaise-Alexandre Le Comte überhaupt kein Parfum, da er die Massenprodukte als «banal» und «zu sauber riechend» einstufte. Eines Tages stiess ihn der Zufall auf Chypre Rouge, einen Duft von Serge Lutens. «Es war eine Offenbarung!» Sie machte ihn auf Anhieb zum Fan seltener, schöner Düfte, mit denen er sich jeden Morgen und auch am Abend von Kopf bis Fuss, inklusive Haare, besprüht. Seine Präferenzen sind ledrige und holzige Aro- men sowie orientalische Gewürze. Wuchtige Odeurs also, die auffallen. Im Laufe seiner Karriere als Parfumliebhaber hat sich Blaise-Alexandre Le Comte eine Kollektion mit Dutzenden Flacons angelegt. So gönnte er sich kürzlich die aus dem Jahr 1919 stammende Version Tabac Blond von Caron, «um die Originalformel zu riechen». Wegbereiter Serge Lutens Er und Mitpassionierte bezeichnen als ihre Lieblingsmarke Serge Lutens. Für sie ist es geradezu Kult, sich mit den Düften des in Marrakesch lebenden Pariser Parfümeurs zu schmücken. Der Komponist seltener Düfte schaut auf eine beeindruckende Künstlerlaufbahn zurück. «Nachdem er für grosse Marken wie Shiseido gearbeitet hatte, begann er in den Neunzigerjahren, seine eigene Handschrift durchzusetzen», erzählt Der französische Sylvie Raphoz, schon in Parfümeur Serge Lutens ist ein jungen Jahren passiokreativer Exzennierte Parfumliebhabetriker. Er gilt als rin. «Heute wird er als der Wegbereiter einer Wegebereiter angesehen, neuen Generation denn er war der Erste, der von Düften mit Naturaromen. begonnen hatte, verschie- Unisex-Marken dominieren Beflügelt vom Erfolg des Nischenparfümeurs begannen grosse Luxusmarken wie Armani, Dior und Chanel, den Meister zu imitieren, und brachten ihrerseits exklusive Parfums in limitierter Auflage auf den Markt. Wer das Universum dieser seltenen Düfte näher kennenlernen möchte, beginnt mit leichten, sinnlichen Parfums wie L’Eau von Serge Lutens, Prelude To Love von Kilian oder Iskander von Parfum d’Empire. Einen leicht subversiven Touch verleiht beispielsweise Putain des Palaces von Etat Libre d’Orange. Finanz und Wirtschaft LU X E | 67 t r e n d | M ä n n e r pa r f u m Bei den Nischenparfums wird nicht zwischen Mann und Frau unterschieden. Männer wie Blaise-Alexandre Le Comte fühlen sich in «ihrer männlichen Identität durchaus wohl», haben aber kein Problem, Düfte wie Putain des Palaces zu tragen. «Der moderne Mann scheut nicht mehr davor zurück, eine Parfümerie zu betreten», freut sich Marc-Antoine Corticchiato, Gründer und Kreateur von Parfum d’Empire, fest. Er stellt fest, dass die Männer durchaus offen sind, ihre olfaktive Kultur zu entwickeln. Damit entsprechen sie ganz dem Trend, geschlechterübergreifende Bereiche zu besetzen. Siehe Gastronomie. In der Nischenparfümerie dominieren Unisexprodukte, eine Tendenz, die jetzt auch von den grossen Marken entdeckt wurde und die entsprechende Produkte anbietet. Für Marc-Antoine Corticchiato ist die Unterscheidung in Herren- und Damenparfums lediglich ein Marketingargument. Einer Meinung, der sich der berühmte Serge Lutens absolut anschliesst. Er schreibt dazu: «Es ist schlimm, wenn die Virilität nur gerade vom Parfum abhängt. Es braucht auch keine CD oder Biskuits, die sich exklusiv an Männer bzw. Frauen richten. Ob in der Musik oder bei den Parfums – für mich gibt’s nur eine gemeinsame Sensibilität, ein gemeinsamer Geschmack. Das ist alles.» (Das ganze Gespräch ist auf dem Blog von Blaise-Alexandre Le Comte nachzulesen) Die neuen Werte der Maskulinität «Der heutige Mann hat keine Scheu sich zu parfümieren. Auch sind die Zeiten vorbei, als seine Frau den Duft für ihn s p o r t | p olo | von Konrad Koch auswählte», meint Marc-Antoine Corticchiato. Der moderne Mann ist wie die Frau figurbewusst, möchte in Schönheit altern, mag Parfum, Essen, Wellness. Dies sind die neuen Werte des Mannes. Und der Pariser Parfümeur staunt, wie die modernen Männer ihre feminine Seite leben, sich pflegen und schön machen. «Selbst Homosexuelle gehen nicht so weit.» Auch für Sylvie Raphoz stellt die Benutzung von Parfum die heterosexuelle Virilität nicht in Frage. «Es gibt bei den Nischenparfums extrem virile Düfte. Baudelaire von Byredo ist berauschend und sehr männlich. French Lover von Frédéric Mall ist ebenfalls ein wunderbar männliches Parfum. Düfte auf Basis von Weihrauch, Sandelholz und Leder wie Cuir Ottoman von Parfum d’Empore sind unglaublich maskulin.» «Ich lasse mich von Düften tragen, die mich anziehen», sagt BlaiseAlexandre Le Compte. Iris Poudré von Frédéric Malle oder Equistrius von Parfum d’Empire sind zwar eher für Frauen konzipiert, aber wunderschön am Abend beim Zubettgehen. | Blogs Blaise-Alexandre Le Comte, Chypre Rouge chyprerouge.wordpress.com Poivre Bleu poivrebleu.com Olfactorum olfactorum.blogspot.com Ambre Gris ambregris.blogspot.com Grain de Musc graindemusc.blogspot.com My Blue Hour mybluehour.blogspot.com. Wie wählt man ein Nischenparfum? «Wirkliche Ausnahmesituationen ausgenommen, sollte man nie sofort entscheiden, ob man ein Parfum mag oder nicht», empfiehlt Blaise-Alexandre Le Comte. «Man muss es quasi domestizieren, indem man mehrere Tage den Papierstreifen beschnuppert. Denn zwischen dem Parfum und dem Träger findet eine echte Begegnung statt. Es lässt sich nicht voraussagen, wie sich der Duft auf der Haut entwickeln wird.» Parfum erzählt eine Geschichte, die mit den Kopfnoten beginnt, die sich als Erste verflüchtigen. Weiter geht sie mit den Herznoten, die ein paar Stunden halten, und schliesslich mit den Basisnoten, die, so erklärt der Perfumista, durchaus einige Tage halten können. Auch der Name des Parfums erzählt eine Geschichte. «Cuir Mauresque» erinnert an die orientalische Vision des Parfümeurs Serge Lutens. Bei dieser Art Parfum braucht es nur wenige Tropfen. «Auch sollte man im Laufe des Tages nicht nachsprühen, denn so unterbricht man die natürliche Evolution, da sich die Kopfnoten auf die Basisnoten legen», rät der Duftfachmann. 68 | Finanz und Wirtschaft LU X E Sommerdüfte Eine Auswahl von Nischenparfums mit leichten, sinnlichen Noten für diesen Sommer. Erhältlich bei Théodora, Genf, oder Bon Génie Grieder in Zürich. fL’Eau Guerrière Pikante pflanzliche Note von Chinarindenbaum, Aloe, Weihrauch, Basis animalischer Moschus. Parfumerie Générale. fPrelude To Love Bouquet von Hesperiden, die Süsse der Bergamotte, die Delikatesse der Bitterorange, die Ausstrahlung der Zitrone. By Kilian. fPutain des Palaces Rose, Veilchen, Leder, Maiglöckchen, Mandarine, Ingwer. Etat Libre d’Orange. fIskander Agrumen, Estragon, Koriander, Orangenblüte. Basis Moos und Moschus. Parfum d’Empire. fCologne Bigarade Orange, Kardamom, Kümmel, ein Hauch Wodka. Frédéric Malle. fL’Eau Parfümierte Frische. Salbeinoten und eine zitronige Brise. Serge Lutens. High Goal und High Society Polo gilt als Spiel der Könige – und der Reichen und Berühmten. Hockey zu Pferd ist aber mehr als nur ein glamouröses Gesellschaftsspiel, das auch in der Schweiz immer populärer wird: Es ist ein Leistungssport, einer mit Stil. E s gibt ihn doch, den feinen Unterschied. Stürzt im Polo ein Reiter vom Pferd, geht das Spiel weiter; stürzt ein Pferd, wird der Chukker – wie eine Spielrunde im Polo heisst – unterbrochen. Die Regeln ordnen alles dem Wohl des Pferdes unter. So darf ein Pferd nicht in zwei sich folgenden Chukkas eingesetzt werden. Das bedeutet, dass jeder Spieler mit zwei Pferden für ein Match antreten muss, was Polo wiederum den Ruf einbringt, ein Sport nur für Reiche zu sein. «Nur der Tod lässt einen Polospieler vom Pferd steigen – oder Schulden», mag daher eines der Bonmots mit wahrem Hintergrund in Polokreisen sein. «Polo ist nicht teurer als jede andere Art von Pferdesport», kontert Markus W. Gräff, Gründer und Präsident des Polo Park Zürich, jedoch die stete Frage, ob Polo ein kostspieliger Sport sei. Man muss zwei Pferde kaufen, und man muss sich den Unterhalt von zwei Pferden leisten können, rechnet Gräff vor, der die von ihm 1995 gegründete Vermögensverwaltung Gräff Capital Management leitet und ein eigenes Poloteam führt. Finanz und Wirtschaft LU X E | 69 s p o r t | p olo Kodifiziert haben die Regeln des Polospiels die britischen Offiziere, die den Mannschaftssport in der indischen Kronkolonie kennengelernt hatten. Die Amerikaner waren es, die dem Polo das dem Golfspiel vergleichbare Handicap-System zufügten. Winston Churchill, der wegen seiner Härte ein gefürchteter Polospieler war, hatte nur Spott übrig für Golf. Polo war für ihn Wettkampf, Golfspielen dagegen die beste Art, sich einen Spaziergang zu vermiesen. Das offizielle Spielfeld ist 274 Meter lang und 182 Meter breit. Hinter den beiden 7,3 Meter breiten, von geflochtenen Weidenpfosten markierten Toren ist eine Sicherheitszone. Ein Match setzt sich aus je 7,5 Minuten Spielzeit dauernden Chukkas zusammen. Nach jeder Periode werden die Pferde gewechselt. An grossen Turnieren werden acht Chukkas gespielt, in Europa in der Regel nur vier. Handicap und Fairplay Ein gut ausgebildetes Polopferd kostet ab 15 000 bis 30 000 Fr. Stammbaum und Zuchtgestüt lassen den Preis für Toppferde schnell in Liebhaberregionen steigen. Das erste Zuchtgestüt für Polopferde in der Schweiz hat Markus Gräff zusammen mit seiner Frau Irene, die wie er aktiv Polo spielt, im Zürcher Weinland aufgebaut, die La Irenita Stud Farm. Erstes Pologestüt in der Schweiz Polo hat seinen Ursprung um 700 v. Chr. in Persien. Seine Hochblüte erlebte das Reiterkampfspiel im Indien der Moguln und Maharadschas. Die Pferde, mit denen seit den Zeiten des britischen Em70 | Finanz und Wirtschaft LU X E pire in Indien modernes Polo gespielt wurde, sind Kreuzungen aus lokalen Gebrauchspferdrassen mit englischem und arabischem Vollblut. Allein der Grösse wegen werden sie Pony genannt. Mit der Verbreitung von Polo fanden sich gute Zuchtbedingungen in den USA, wo Vollblut mit Quarter Horses gekreuzt werden, und in Argentinien. In den Weiten der Pampas werden seit über hundert Jahren die besten Polopferde gezüchtet. Die einheimische Rasse Criollo wurde mit Vollblut gekreuzt. Die Pferde mit einem Stockmass zwischen 150 und 160 Zentimeter sind reaktionsschnell und für Rennen über kurze Distanzen geeignet. Gespielt wird mit vier Spielern pro Mannschaft. Mit dem Mallet oder Schläger, der immer rechts gehalten werden muss, wird versucht, einen Kunstharzball ins Tor zu schlagen. Was für den Polo-unerfahrenen Zuschauer verwirrend ist: Nach jedem Tor wechselt die Spielrichtung. «Polo verlangt am meisten Kondition und Kraft von fast allen Pferdesportarten», beschreibt Gräff die Herausforderung, die sich an Reiterin und Reiter auf den wendigen Ponys stellt. Und er weiss, wovon er spricht. Er war einer der Impressionen vom Topturnier im Polo Park erfolgreichsten Zürich, den Sarasin Schweizer RennSwiss Open-Polo Chamreiter im Amateurpionships. status und ist der einzige Schweizer, der das Grand National geritten ist, das legendäre englische Hindernisrennen. Er spielt aktiv Polo und übt fast täglich im Polo Park Zürich. Mit einem Handicap von 1 gehört zu den zehn Schweizer Top-Spielern. Die Spielerstärke reicht von –2 für Anfänger bis 10 für Profis. Bereits Handicap 3 wird fast nur von Profis erreicht. Die Handicapliste des Schweizerischen Poloverbands (www.spa-swisspolo.ch) führt rund 140 Spielerinnen und Spieler. Der beste Schweizer Spieler ist mit Handicap 3 Simon Luginbühl aus der Besitzerfamilie der Domaine de Veytay am Genfersee (www.poloclubdeveytay.ch). Höhere Handicaps haben in der Schweiz engagierte Profispieler aus Argentinien. Turniere werden nach der Stärke der Mannschaften bezeichnet. Low Goal ist Medium-MannschafAmateurniveau, ten setzen sich aus Amateuren mit ein bis zwei Profis zusammen und High-GoalTurniere sind für Teams mit drei Profis und einem Amateur. Es sind die High-Goal-Events, die Sponsoren anziehen wie etwa die Uhren- und Schmuckhäuser Cartier in St. Moritz, Hublot in Gstaad oder Jaeger-LeCoultre in Veytay. Zum gesellschaftlichen Amüsement wird das Treat-in. In der Pause zwischen dem zweiten und dem dritten Chukker ist es Pflicht des Publikums, die von den Pferdehufen losgeschlagenen Grasnarben festzutreten. Polo Park Zürich Wer Polo kennen lernen will, kann dies im Polo Park Zürich (www.polopark.ch) bei Winterthur/Seuzach. Für Interessierte mit Reiterfahrung gibt es Einführungskursen. Als VIP Mitglieder (Jahresgebühr: 500 Fr.) können dann fünf Probelektionen pro Saison gebucht werden. Infiziert vom Polovirus folgt die Mitgliedschaft als «Stick and Ball Member». Für 3500 Fr. Jahresgebühr darf an den Trainings und den gesellschaftlichen Club-Anlässen teilgenommen werden. Die Club Chukkas sind den aktiven Full Members vorbehalten (Einmalige Eintrittsgebühr: 5000 Fr.; Jahresgebühr: 5500 Fr. PPZ ist nicht nur der erste Polo Club der Schweiz mit einem professionellen Trainer, seit 2006 gibt es gar eine Kids Polo Club, wo Kinder auf Ponys langsam an Spiel der Könige herangeführt werden. Noch ist die Schweiz jedoch keine Polonation. Mit dem Ausbau des Polo Park Zürich mit Clubhaus, Gästestallungen sowie Allwetterplatz und Trainingsfeldern wird jedoch eine Infrastruktur vollendet, die jedem internationalen Vergleich standhält. Im Jahr 2012 wird der Ausbau abgeschlossen sein und der Polo Park Zürich wird als Gastgeber der Europameisterschaft auf Topniveau mitspielen. | Polopferde werden wegen ihrer Grösse Pony genannt. Sie sind kompakt, athletisch und von blitzschneller Wendigkeit. Eine Legende wird 80 Der Mythos der Uhrenmanufaktur JaegerLeCoultre lebt von Anekdoten, wie der Entstehung der Reverso. 1930 reiste der Schweizer Geschäftsmann César de Trey nach Indien, um Freunde zu besuchen. Er vertrieb hochwertige Schweizer Uhren. Nach einem Polomatch zeigte ein Spieler de Trey seine Uhr, deren Glas zerbrochen war. Er bat ihn, eine Uhr zu entwickeln, die robust genug war, um den harten Bedingungen eines Polospiels standzuhalten. Zurück in Europa, sprach de Trey mit seinem Freund und Uhrmacher JacquesDavid LeCoultre, der gemeinsam mit dem Pariser Uhrenatelier Jaeger die Duoplan entworfen hatte. Am 4. März 1931 meldete Alfred Chauvot, Ingenieur bei Jaeger, ein Patent an für eine Uhr, «die auf ihrer Halterung gleitet und sich so vollständig drehen lässt». Das Zifferblatt der Reverso, wie er die Uhr nannte, wird dadurch geschützt, dass das Gehäuse gedreht wird und Schläge nur die Metallrückseite treffen. Das erste Kapitel einer grossartigen Uhrengeschichte war geschrieben. Ursprünglich für den harten Sporteinsatz gebaut, ist die Reverso dank ihrem hohen Erkennungswert je nach Gehäusegrösse und Zusatzfunktionen zu einem Inbegriff von Eleganz und Sportlichkeit geworden. Finanz und Wirtschaft LU X E | 71 s p o r t s M E M OR A B I L I A | K U LT G U T | von Christian von Faber-Castell Sammeln statt schwitzen Mit dem Aufstieg von Spitzensportlern zu Superstars haben Trophäen von prominenten Sportlern Kultstatus erlangt und sind zu begehrten Sammelobjekten geworden. Und wie es sich für Souvenirs gehört, hat sich um Sports Memorabilia – so der Fachausdruck – ein eigener Handel entwickelt. S ie sind Devotionalien sportlicher Verehrung, die mit dem Schweiss von Siegern durchtränken Sports Memorabilia. Die Auswahl reicht von Klassikern wie Bällen und Schlaghölzern aus berühmten Baseball-Spielen, die von noch berühmteren Pitchern signiert sind, über ein besonders weites Feld von Golfsouvenirs bis zu den signierten Helmen bekannter Formel1-Piloten und den Leibchen gefeierter Fussballstars. Bei Fussballmemorabilia halten Skeptiker eine eigenhändige Spielersignatur allerdings eher für fälschungsverdächtig, was zu behaupten aber fast eine Unsportlichkeit ist. Handel im Internet Zwar haben sich die beiden führenden Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s in jüngster Zeit aus diesem Sammelgebiet weitgehend zurückgezogen. Von den grossen Auktionatoren hält heute nur noch Bonhams (www.bonhams.com) in London regelmässige Versteigerungen mit Sport- und Sportlerandenken ab, während Sotheby’s dieses Nischengebiet an den Londoner Spezialisten Graham Budd (www.grahambuddauctions.co.uk) delegiert hat. Umso reger ist dafür der entsprechende Handel im Internet. So findet man etwa auf der Website von www.sportsmemorabilia.com zum Namen Roger Federer insgesamt 159 Angebote, darunter neben zahlreichen signierten Fotografien auch einige signierte Tennisbälle zum Preis von je 220 $. 72 | Finanz und Wirtschaft LU X E Wesentlich teurer wird’s dagegen für Golfandenkensammler, kostet ein Paar NikeGolfhandschuhe, die Tiger Woods während eines Spiels getragen und anschliessend signiert hat, bei www.sportsmemorabilia.com doch immerhin bereits 3370 $. Für einen frühen, mit Federn gefüllten und mit dem Spielernamen gestempelten Golfball des Golfprofipioniers Sandy Pirie aus der Zeit um 1906 hatte Christie’s am 5. Juli 2005 in London sogar 15'600 £ erzielt. Auffällig billiger sind dagegen Erinnerungsstücke aus dem Formel-1-Rennsport zu haben: Ein signiertes und datiertes Helmvisier, das der 1994 in Bologna verunglückte Brasilianer Ayrton Senna während der Rennsaison 1986 verwendet hatte, kostete in einer Londoner Auto- und Automobiliaauktion von Christie’s am 26. Juni 2006 gerade einmal 940 £. Ein auf der Felge von keinem Geringeren als Michael Schuhmacher signiertes Ferrari-Formel-1-Rad mit einem Goodyear-Intermediate-Reifen aus dem Jahr 1997 war in einer Londoner Christie’s-Auktion am 29. März 1999 sogar schon für bescheidene 690 £ zu haben. Aus dem Blickwinkel der Kapitalanlage schliesslich erscheinen die meisten dieser Sportmemorabilien zwar eher spekulativ und kaum längerlebig als der Ruhm und die Bekanntheit der jeweiligen Sportler. Daneben gibt es aber auch Erinnerungsstücke von sportgeschichtlicher Bedeutung, deren Sammlerwert weniger von Einzelper- 2 sonen abhängt und die mindestens so lange begehrt sein dürften, wie es die betreffende Sportart gibt. Eigenartigerweise lässt der aktuelle Marktpreis von Sportmemorabilien jedoch kaum Rückschlüsse auf ihre langfristige Wertbeständigkeit zu. So kostete etwa ein rotes Spielertrikot, das der populäre zahnlose englische Mittelfeldspieler Nobby Stiles im siegreichen Endspiel der Fussballweltmeisterschaft 1966 getragen hatte, in einer Versteigerung von Graham Budd Auctions in London am 8. November 2010 überraschende 75'000 £. Ob es diesen Preis auch in fünfzig Jahren noch erzielen wird, wenn sich kaum ein dannzumal lebender Fussballfan und Sammler mehr an dieses legendäre Spiel aus eigener Anschauung erinnern kann, ist allerdings fraglich. Eine wenige Lose zuvor in derselben Auktion für 60'000 £ versteigerte Goldmedaille für die Gewinner des weltweit ersten Football Association Challenge Cup von 1872, mit dem diese Art von Verbandsturnieren überhaupt erst begann, könnte dagegen ihren Wert und ihre fussballgeschichtliche Bedeutung durchaus halten oder sogar steigern. 2 3 4 5 1 8 Kurzlebige Kapitalanlagen Von ihrer Wertbeständigkeit und Wertentwicklung her besonders interessant sind schliesslich auch hier Sammelgegenstände, die nicht nur das enge spezialisierte Sammlerpublikum des betreffenden Gebiets, sondern auch noch Liebhaber und Kenner anderer Bereiche ansprechen. Eine Fotografie Roger Federers beispielsweise, die nicht von irgendeinem anonymen Sportfotografen, sondern vom international geschätzten Basler Fotokünstler Christian Vogt angefertigt wurde, ist eben nicht nur als Tennismemorabilium für Sportsammler, sondern als Fotokunstwerk auch für Fotografiesammler begehrenswert und entsprechend teurer. Auch Werbeplakate für historische Sportanlässe oder die in England so beliebten Gemälde erfolgreicher Rennpferde gewinnen an Kunstmarktwert und Wertsicherheit, wenn sie von einem prominenten Künstler stammen. Sinngemäss Ähnliches gilt für eine seltene Luxusarmbanduhr, die einst von einem berühmten Golfspieler getragen oder gar als Tournierpreis erkämpft wurde, oder für einen klassischen Sportwagen, auf dem Rennsportgeschichte gefahren wurde. Solche Cross-over-Raritäten findet man allerdings kaum in den spezialisierten Sports-Memorabilia-Angeboten, sondern eher in den jeweiligen Fotografie-, Gemälde-, Plakate-, Uhren- oder Automobilauktionen. | 7 6 9 10 1. Fussball-Leibchen von Pele, getragen im WM-Endspiel 1958 (Christie’s, 70'000 £) 2. Von Roger Federer signierter Tennisball (sportsmemorabilia.com, 220 $) 3. Golfball von Sandy Pirie (Christie’s, 15'600 £) 4. Golfbälle, Silver Town No. 4 von 1878 (Bonhams, 2640 £) 5. F1-Visier von Ayrton Senna (Christie’s, 940 £) 6. Goldmedaille 1. FA-Cup von 1872 (Graham Budd, 60'000 £) 7. Vom Uruguay-Nationalteam, Gewinner der WM 1950, signierter Fussball (Bonhmas, 1200£) 8. Von Tiger Woods signierter Nike-Handschuh (sportsmemorabilia.com, 4300 $) 9. Slazenger Tennisbälle von 1916, ungeöffnet (Bonhams, 102 £) 10.Kollektion von historischen Golf-Eisen (Bonhams, ab 300 £) Finanz und Wirtschaft LU X E | 73 m o n t r e s | t e s t | par Konrad Koch - photos : Dominic Büttner Ta u c h e r u h r e n | Wa s s e rdich t | von Konrad Koch - Fotos : Dominic Büttner Non plus aqua Der Urkraft Wasser zu trotzen, ist für einen mechanischen Chronometer der Leistungsbeweis schlechthin. Taucheruhren sind aber nicht nur die Uhren der Abenteurer und Entdecker, sie sind auch bestens geeignet für Golfer. L och 17 im Valderrama Golf Club in Andalusien ist für den Zürcher Juwelier und Uhrenhändler Franz Türler, er ist mit Handicap 6,6 der beste Golfer der Schweizer Uhrenszene, eines der am schwierigsten zu spielenden Greens. Vor allem bei Gegenwind. Das Green fällt zu einem vor ihm liegenden Teich ab. Da die Böschung auf Rasenhöhe getrimmt ist, rollt der Ball allzu leicht ins Wasser. Das Missgeschick passierte Tiger Woods beim Ryder Cup 1997 und zwei Jahre später nochmals in dem zur World Golf Championship zählenden Turnier. «Wenn ein Golfer während eines Spiels schon eine Uhr tragen will, sollte es wenigstens eine Taucheruhr sein», sinniert Franz Türler über die Krux von Loch 17 in Valderrama. Beim Griff nach dem im nur unterarmtiefen Wasser liegenden verschlagenen Ball ist nämlich schon mehr als einem Golfer die Uhr nassgelaufen. Wasserdicht ist nicht wasserdicht Wie wasserdicht eine Uhr ist, zeigt sich weniger in grossen Tiefen, sondern im Alltag und im Sportgebrauch. In wenigen Metern Tauchtiefe genügt 74 | Finanz und Wirtschaft LU X E der Wasserdruck, um Dichtungsringe und Gehäuse fest zu verpressen. In der Gischt am Strand und beim Segeln, beim Händewaschen und Duschen oder beim schnellen Griff ins Wasser dagegen diffundiert die kleinste Menge Feuchtigkeit durch schwache Abdichtungen. Nach langen internationalen Querelen einigten sich die Uhrenhersteller im Jahr 2009 auf einen Minimalstandard, die Norm ISO 22810. Sie regelt, wie widerstandsfähig eine Uhr sein muss gegen Schweiss, Wassertropfen, Regen und wie gut die Dichtigkeit sein muss bei ei- «Wenn ein Golfer während eines Spiels schon eine Uhr tragen will, sollte es wenigstens eine Taucheruhr sein» Eine Uhr wasserdicht zu machen, ist eine technische Herausforderung. Schwachstelle ist jede Gehäuseöffnung. Und jede Uhr hat nur schon zum Stellen der Zeiger und für den Aufzug eine Welle, die das Gehäuse durchstösst. Chronographen und Funktionsuhren haben mit ihren zahlreichen Drückern gar mehrere Eintrittspforten, die es mit technischem Aufwand spritzwasserfest und tiefensicher zu machen gilt. Wasserdicht heisst daher nicht wasserdicht. Was für eine Standarduhr genügt, ist für eine Sportuhr untauglich. ner Eintauchtiefe von zehn Zentimetern für über eine Stunde und bei einer Tiefe von zwanzig Metern für über zehn Minuten. Uhren, die nach dieser Norm geprüft wurden, dürfen die Bezeichnung «wasserdicht», «étanche» oder «water resistant» tragen. Dabei geben die Hersteller die Wasserdichtigkeit in Feet (ft.), Metern oder Bar an. Als Richtlinie gilt: Damit eine Uhr im Alltag und unter normalen Bedingungen zu Wassersportaktivitäten wie Schwimmen oder Segeln getragen werden kann, sollte sie «water resistant 100 meter/10 Finanz und Wirtschaft LU X E | 75 Ta u c h e r u h r e n | Wa s s e rdich t bar» sein. Eine solche Uhr gilt aber ausdrücklich nicht als Tauchuhr. Taucheruhren müssen die Standards ISO 6425 oder NIHS 92-11 erfüllen. Mindestanforderung ist «water resistant ter den Rädern haben. Klassische Taucheruhren sind im Zeitalter der Tauchcomputer deswegen kein Relikt, sondern mechanischer Back-up, sollte die Elektronik versagen. Die Druckfestigkeit ei- – Jede schnelle Druckänderung kann geringste Gehäusedeformationen auslösen – 330 ft.» Zusätzlich gibt es Vorschriften über die Ablesbarkeit des Zifferblatts, die Schockunempfindlichkeit, die Uhr muss antimagnetisch sein und, ganz wichtig, eine gekerbte Lünette haben, die nur in eine Richtung drehbar ist, damit jedes unbeabsichtigte Verlängern der eingestellten Tauchzeit vermieden wird. Für Alltag und Sportler Tatsache ist zwar, dass Taucheruhren so wenig ins Wasser kommen, wie all die Offroader je Schlamm und Schotter un- ner Taucheruhr ist auch von Vorteil für Bergsteiger, Segel- und Motorflugpiloten und andere Extremsportler. Jede schnelle Druckänderung kann geringste Gehäusedeformationen auslösen, die zu Lecks führen, über die Feuchtigkeit eindringt. Dass eine Taucheruhr undicht geworden ist, zeigt sich nicht daran, dass Wasser sichtbar eingedrungen ist, sondern daran, dass sich nach der Dekompression ein feiner Schleier von Kondenswasser auf der Glasinnenseite bildet. Sportsman und Gentleman, hat Franz Türler für «Luxe» aus seinem Sortiment mit Blancpain, IWC, Jaeger-LeCoultre und Omega vier Taucheruhren von bestem Markenrenommee ausgesucht. Von hohem All-Sports-Gebrauchswert und dank schlichter Eleganz selbst zum Anzug tragbar sind die die beiden Klassiker in Schwarz, die Blancpain Fifty Fathoms und die Jaeger-LeCoultre Master Compressor Diving Navy Seal. Für den ambitionierten Flaschentaucher und mit garantiertem Aufmerksamkeitswert im Alltagsgebrauch sind die IWC Aquatimer Deep Two mit mechaniTiefenmess Die eleganteste Ku- schem lisse für beste mecha- ser sowie die Omega nische Taucheruhren: Ploprof 1200M, das Das 630 PS starke professionelle Ar10-Meter-Runabout beitsinstrument für «Spezial» der YachtTaucher, die aus der und Bootswerft Taucherglocke herPedrazzini am aus arbeiten. | Zürichsee. Die Legende Am Anfang war die Auster: RolexGründer Hans Wilsdorf hat 1926 die erste Armbanduhr der Welt, die hermetisch geschlossen war gegen Staub und Feuchtigkeit, patentieren lassen, die Rolex Oyster. Im Prospekt stand geschrieben, «sie kann getragen werden im Meer und beim Baden, ohne dass sie Schaden nimmt oder die wunderbare Genauigkeit leidet». Aus der Oyster entwickelte sich die Urmutter aller Taucheruhren, die ab 1953 als erste Uhr mit Drehlünette für Froschmänner gebaute Oyster Submariner. Zum Klassiker macht die Submariner ihr seit über einem halben Jahrhundert nur unmerklich von Modeströmungen beeinflusstes Äusseres. Aus der Zusammenarbeit mit dem französiTiefseetauchunternehmen schen Comex entstand 1971 die Submari- Blancpain Fifty Fathoms Automatique Schwarzer Klassiker In den Fünfzigerjahren für die französische Marine entwickelt und bis 50 Faden wasserdicht – die Nachfolgerin der Legende ist wasserdicht bis 300 Meter und hat ein Automatikwerk mit Datumsanzeige. Unidirektionale Drehlünette. Gehäuse in Weissgold ab 13'600 Fr. 76 | Finanz und Wirtschaft LU X E ner-Linie Sea-Dweller, mit der damaligen Rekordtiefe für die Wasserdichtigkeit von 610 Meter. Versionen aus den 1970er Jahren mit dem Firmenlogo sind begehrte Sammelobjekte. Eine Rolex Oyster Perpetual Submariner Comex aus dem Jahr 1977 erzielte beim Genfer Auktionshaus Antiquorum vergangenen Herbst bei einem Schätzpreis von 52 000 bis 60 000 Fr. den Zuschlagspreis von 92 000 Fr. Zum Kultobjekt wurde die Submariner jedoch durch James Bond. Auf der Leinwand trug sie Sean Connery. Legendär ist die Submariner mit eingebauter Kreissäge von Roger Moore in «Leben und sterben lassen». Die Submariner ist auch die einzige Taucheruhr, die zum Smoking getragen werden darf – wenn man Bond heisst, James Bond. Omega Seamaster Ploprof 1200M Das Profiteil Neuauflage einer Ikone, der robusten Taucheruhr Ploprof. COSC-zertifiziertes Automatikwerk mit Coaxialhemmung. Zwei Federgehäuse sorgen für 60 Stunden Gangreserve. Drehlünette mit orangem Arretierknopf. Verschraubte Krone. HeliumDekompressionssystem für lange Arbeiten in Taucherglocken und Überdruckkabinen. Wasserdicht bis 1200 Meter. In Stahl mit Stahlband 8750 Fr. IWC Aquatimer Deep Two Der Tiefenmesser Der mechanische Tiefenmesser zeigt bis zu einer Tauchtiefe von 50 Metern die aktuelle und die während eines Tauchgangs maximal erreichte Tiefe an. Wasserdicht bis 120 Meter. Automatikwerk mit Sekunde und Datumsanzeige. Drehlünette. In Stahl mit Kautschukband ab 17'000 Fr. Jaeger Le-Coultre Master Compressor Diving Für Kampfschwimmer In Zusammenarbeit mit der Eliteeinheit US Navy Seal entwickelte Taucheruhr. Wasserdicht bis 300 Meter. Superluminova-Beschichtung für beste Ablesbarkeit unter Wasser und in der Dunkelheit. Drehlünette aus Keramik. Limitiert auf 1500 Exemplare. In Stahl mit Kautschukband ab 8550 Fr. Finanz und Wirtschaft LU X E | 77 scanner von Konrad Koch Pedrazzini Vivale, der Klassiker Sie sind die Patek Philippes der Schweizer Bootsbaukunst: die Runabouts von Claudio Pedrazzini, der in dritter Generation die Werft im schwyzerischen Bäch am Zürichsee führt. Höchstens acht der Mahagoniboote werden pro Jahr hergestellt. Vom Rumpf bis zu den verchromten Messingschrauben wird jedes Teil der Bootsklassiker in eigener Regie konstruiert, gefertigt, zusammengebaut und veredelt. Bis zu zwanzig von Hand aufgetragene Lackschichten geben den typischen Pedrazzini-Glanz. Die zweimotorige und 9 Meter lange Viale gibt es ab 390 000 Fr. Mit zwei Yanmar-Turbodieseln kostet die 10 Meter lange Special gegen 800 000 Fr. Yacht- und Bootswerft C. Pedrazzini, 8806 Bäch, www.pedrazziniboat.ch «Rumrunner» Schmugglerboot Mit Schnellbooten brachten zur Zeit der Prohibition Schwarzhändler Brandy von Schiffen auf hoher See an die Ostküste der USA. Eines der schnellsten Schmugglerboote war der «Baby Bootlegger». Nach den «Bootlegger»Originalplänen liess sich von zehn Jahren ein Westschweizer Financier vom Luzerner Bootskonstrukteur Pius Wäger den «Rumrunner» bauen. Die Form des Originals wurde detailgetreu gewahrt, das in Mahagoni und Stahl gebaute 78 | Finanz und Wirtschaft LU X E Boot ist mit 10,2 Meter Länge und 1,95 Meter Breite aber grösser als das Vorbild mit seinen nur 8,8 Meter. Angetrieben wird der Bolide von einem 7,4-Liter-V8-Mercrusier. 370 PS sorgen für 55 Knoten Höchstgeschwindigkeit, rund 100 Stundenkilometer. Der Waadtländer Millionär ist mit dem «Rumrunner» in den Morgenstunden oft über den Léman zur Arbeit nach Genf gedonnert. Jetzt sucht das nautische Unikat einen neuen Kapitän. In der Werft von Pius Wäger am Vierwaldstättersee generalüberholt, ist der «Rumrunner» bereit für ein weiters Kapitel in der Geschichte «Ein Mann, ein Boot». Die Schreibkosten dürften rund 400 000 Fr. sein. Pius Wäger, Holzboote, 6015 Luzern, 041 260 82 40, www.holzboote.ch Boesch Electric Power High Tech Die Flotte des traditionsreichen Bootsbauers vom Zürichsee hat innovativen Zuwachs erhalten: Runabouts mit Elektroantrieb. Die Höchstgeschwindigkeit von über 35 Stundenkilometer reicht spielend, um die Boesch-typische Gleitfahrt zu erreichen. Je nach Kapazität der LithiumAkkus ab 250 000 Fr. Boesch Motorboote, 8802 Kilchberg, www.boesch-boats.ch Rapp Lake Constance 760 Understatement Mehr als nur ein schönes Mahagoniboot. Die Lake Constance gleitet mit bis zu 40 Knoten und bis zu sieben Personen an Bord über das Schwäbische Meer. Die elegante Badeplattform ist damit leistungsstark genug für jeden Zwischenspurt mit Wasserski. Als Cabrio mit Turbodiesel ab 305 000 Fr. Boots- und Yachtwerft Rapp, 9425 Thal, www.rappwerft.ch Heinrich Tender 08 Design und Kraft Der Tender 08 von der Heinrichwerft am Bodensee ist das stilvolle Begleitboot für Superjachten. Dank seiner Motorisierung und besten Rauwassereigenschaften ist das rund 200 000 Fr. teure und mit dem Reddot Design Award ausgezeichnete Boot auch für Wasserskifahrer und Wakeboarder geeignet. Bootswerft Heinrich, 8280 Kreuzlingen, www.heinrichwerft.ch Finanz und Wirtschaft LU X E | 79 Yac h t i n g | T ec h nik | von Vincent Gillioz Starre Flügelsegel sind die Zukunft des Segelsports. Zurzeit werden zwei Projekte mit dieser bahnbrechenden Technologie am Genfersee entwickelt, wo ein revolutionärer Wind weht. M oderne Segelboote sind immer mehr statt mit einem traditionellen Mast und herkömmlichen Tuchsegeln mit einem starren Flügelsegel ausgestattet. Einige fliegen sogar im wahrsten Sinne des Wortes übers Wasser. Der letzte America’s Cup hat selbst Skeptikern vor Augen geführt, dass im Regattasport die Zukunft starren Segeln gehört. Es sieht auch ganz danach aus, dass Flügelsegel sich in den nächsten Jahren auf anderen Bootsklassen durchsetzen werden. Mittelfristig könnten sie sogar zum Standard werden. Fotos: J.Kaufmann/Mirabaud Wie ein Flugzeug 80 | Finanz und Wirtschaft LU X E Um zu begreifen, warum moderne Boote aussehen wie Flugzeuge, kann eine kleine Auffrischung in Physik nicht schaden. Prinzip Nummer eins: Segelboote werden nicht vom Wind geschoben, sondern gezogen. Ihre Antriebskraft wird vom Unterdruck erzeugt, der durch das Segelprofil entsteht. Genauso liegt ein Flugzeug nicht auf, sondern hängt in der Luft. Es ist die Form f Revolutionäres des Flügels mit seiüber und unter Wasser: Der Foiler ner unterschiedlich «Mirabaud LX» hat langen Ober- und ein starres Flügelrigg Unterseite, die dazu und vollgetauchte führt, dass das FlugSchwert- und zeug fliegt. Dies erRuder-Tragflügel mit klärt auch, weshalb Trimmklappen. Flügel für Sieger das breite, asymmetrische Profil eines Flügels höhere Geschwindigkeiten garantiert als das flache Profil eines Segeltuchs und Forscher sowie Regattasegler nach Lösungen suchen, die für eine bessere Aerodynamik des Riggs sorgen. Die Idee, die traditionellen Segel durch ein starres Flügelsegel zu ersetzen, ist daher nicht neu. Entgegen der weit verbreiteten Meinung war der Trimaran «USA», mit dem Larry Ellison im vergangenen Jahr die älteste Segelregatta der Welt gewonnen hat, gar nicht so innovativ. Die Katamarane der C-Klasse verwendeten nämlich schon in den frühen Siebzigerjahren ähnliche Segel. Es war schliesslich kein Zufall, dass BMW Oracle für das letztjährige America’s-Cup-Projekt Spezialisten dieser hierzulande kaum bekannten Segelklasse angeheuert hatte. Bereits 1988 hatte Dennis Conners America’s-Cup-Syndikat Stars & Stripes einen 18-Meter-Katamaran mit einem 32 Meter hohen Flügelsegel gebaut. Er war damit in San Diego gegen den 36-Meter-Einrümpfer «K Z 1» angetreten und den chancenlosen Neuseeländern regelrecht um die Nase gefahren. Der denkwürdige Wettkampf hat gezeigt, welches Potenzial in der Struktur steckt und dass sie sich auch im Grossformat umsetzen lässt. Was folgte, ist allgemein bekannt. Der überragende Sieg des Trimaran «USA» gegen den Katama- ran «Alinghi 5» hat deutlich gemacht, dass die Grenzen des technisch Möglichen noch lange nicht erreicht sind. Überzeugt von der Technologie, hat der neue Defender beschlossen, auch den nächsten Cup auf solchen Booten zu segeln. Damit sich die Syndikate mit dem System vertraut machen können, wurden 45-One-Design-Boote mit einer Länge von 45 Fuss (14 Meter) gebaut. Darauf sollen die Teams erste Erfahrungen sammeln, bis ihre 72-Fuss-Prototypen (22 Meter) segeltüchtig sind. Das sollte spätestens im Frühling 2012 der Fall sein. Hart, aber heikel Parallel zu den speziell für die internationalen Grossanlässe gebauten Riesenschiffen sind im Genferseeraum in den Neunzigerjahren die innovativsten Boote dieser Generation entstanden. Philippe Stern, Geschäftsführer von Patek Philippe, hatte die «Stars & Stripes» in Genf gesehen und war von ihr so angetan, dass er beschloss, ein ähnliches Boot zu bauen, das sich mit den hiesigen Reglementen sowie den speziellen Wind- und Wetterbedingungen vereinbaren liess. Entstanden ist die «Altaïr XII», ein Katamaran aus Sperrholz mit einem wunderschönen Flügelsegel, konstruiert von der Bootswerft Philippe Durr. Sie sorgte im Genferseeraum für Furore, wurde dann aber bei einem denkwürdigen Sturm in Kleinholz verwandelt. Finanz und Wirtschaft LU X E | 81 Yac h t i n g | T ec h nik B o ot s b a u S c h w e i z | K ulturbruc h | von Vincent Gillioz - Fotos: François Wavre «Das Flügelsegel ist viel stabiler, feiner und fester. Es wird uns vor allem am Wind deutlich schneller machen.» i Konstrukteur und Skipper des fliegenden Segelboots «Mirabaud LX» ist der Genfer Ingenieur Thomas Jundt. 82 | Finanz und Wirtschaft LU X E bis Z selbst entwarf, war er in die USA gereist und hatte sich dort mit Eignern von CClass-Katamaranen unterhalten. Mit der Herstellung beauftragte er dann einen Handwerker aus Yverdon. Unglaublich, aber wahr: Die Klarsichtfolie, mit der die Struktur überzogen ist, stammt aus einem Geschäft für Modellbau. Sein Inhaber staunte nicht schlecht, als er die gigantische Bestellung entgegennahm. Im Übrigen ist das Handling bei der «Mirabaud LX» nicht wirklich ein Problem, denn das Boot muss zum Aufriggen so oder so auf die Seite gelegt werden. Karbon gegen Mahagoni d Das Speedboot P28, entworfen von Hughes de Turkheim, wird diesen Sommer seine Jungfernfahrt auf dem Genfersee haben. Die Segelbootbauer der Romandie setzen auf Mehrrumpfboote aus High-Tech-Verbundwerkstoffen, die Deutschschweizer Werften hingegen mögen es traditioneller. «Luxe» wollte mehr wissen über den Kulturunterschied im schweizerischen Bootsbau und hat auf den seen nachgeforscht. Segeltüchtig in 20 Minuten Im späten Sommer dürfte ein weiteres Projekt Schlagzeilen machen. Auch es setzt auf die Technologie der starren Segel. Allerdings haben die Designer nach einem Kompromiss gesucht, damit das Boot ein breiteres Publikum anspricht. Die Struktur besteht aus Stoff, ist aber mit starren und beweglichen Elementen verstärkt. Dadurch besitzt das System die Vorteile eines Flügels, aber nicht die Nachteile der Handhabung. Bis das verwegene Projekt Form angenommen hatte, waren mehrmonatige komplizierte Recherchen nötig. DR Genau darin liegt nämlich der Schwachpunkt der seglerischen Wunderwerke. Ihre Wartung, die Lagerung und der Transport sind ziemlich aufwendig. Starre Segel lassen sich nicht reffen und zusammenlegen wie Tuchsegel. Sie müssen nach jeder Fahrt abgeriggt werden. Unter schwierigen Bedingungen und noch mehr bei grossen Flügeln ist das ein echtes Problem. Die Mitglieder von BMW Oracle erinnern sich bestimmt noch gut an die schlaflosen Nächte, die sie in ständiger Angst vor einem fatalen Wind an Bord des im Hafen von Valencia vertäuten Trimarans verbracht haben. Ingenieur Thomas Jundt, Designer und Skipper des berühmten Foilers «Mirabaud LX», liess sich durch diese Schwierigkeiten nicht entmutigen. Er gab für sein fliegendes Boot den Bau eines Flügelsegels in Auftrag, um dessen unglaubliches Potenzial noch besser ausschöpfen zu können. «Unser traditionelles Rigg reagiert nicht schnell genug, und wir können uns der Windentwicklung wegen der flexiblen Struktur nicht präzis genug anpassen», erklärt er. «Das Flügelsegel ist viel stabiler, feiner und fester. Es wird uns vor allem am Wind deutlich schneller machen.» Bevor Thomas Jundt das Flügelsegel von A Der in der Segelszene wohlbekannte Hugues de Turkheim hat mehrere Patente eingereicht. «Unser Ziel ist es, ein Boot anzubieten, das in zwanzig Minuten segeltüchtig ist, was mit herkömmlichen Segeln schlicht unmöglich ist», erklärt der Ingenieur. Ende August soll das Speedboot, das einem Eignerkonsortium (u.a. der Genfer Privatbankier Nicolas Gonet) gehört, seine ersten Bahnen auf dem Genfersee ziehen. Adrenalinhungrige Segler könnten an dem mit Foilern (den Tragflächen, dank denen es auf dem Wasser fliegt) ausgestatteten Boot durchaus Gefallen finden. Sogar eine kleine Bootsklasse ist geplant. Läutet das Aufkommen dieser Boote auch das Ende der traditionellen Tuchsegel ein? Wahrscheinlich doch eher nicht. Zumindest aber haben die Verwegenheit und die Kreativität einiger Passionierter vom Genfersee eine Revolution ins Rollen gebracht. | D er Röstigraben zwischen West- und Deutschschweizern tut sich nicht nur bei eidgenössischen Abstimmungen auf. Er ist auch auf den Schweizer Seen augenfällig. Selbst im Segelsport klaffen nämlich die schweizerischen Kulturen deutlich auseinander, denn je nach Herkunft segeln Schweizer Nautiker auf einem anderen, in ihrer Region aber typischen Bootstyp. Ein Blick in die Hafenanlagen an den Ufern der Schweizer Seen und die Lektüre der Segelpresse der beiden Sprachregionen sprechen Bände. Am Genfersee werden seit Jahrzehnten regelmässig seglerische Leistungsträger zu Wasser gelassen, die zu den verwegensten und schnellsten der Welt zählen. Jenseits der Saane aber werden Karbonkonstruktionen misstrauisch, wenn nicht sogar herablassend beäugt. Denn dort huldigt man lackierten, mit Hirschleder auf Hochglanz polierten Holzrümpfen. g Der Genfer Alexandre Schneiter ist zusammen mit Patrick Firmenich Eigner des Foilerkatamarans «Syz & Co.»: «Ich bin jedes Mal überrascht, wenn ich die Boote auf den anderen Schweizer Seen betrachte. Bei uns ist es irgendwie anders.» i Der Luzerner Mark Buchecker auf seiner SNS-Holzjacht: «Auch wenn wir Regattasegler voller Kampfgeist sind, für uns zählt vor allem die Schönheit der Boote.» Finanz und Wirtschaft LU X E | 83 B o ot s b a u S c h w e i z | K ulturbruc h Zugegeben, das Bild ist überzogen, ein Funken Wahrheit ist aber trotzdem dran. Das wohl aussagekräftigste Beispiel sind die Regatta-Mehrrümpfer. Auf dem Genfersee führt nichts mehr um diese Boliden herum, während sie auf dem Zürich-, dem Boden-, dem Thuner- und dem Vierwaldstättersee Seltenheitswert haben. Ähnliches gilt für regattagetrimmte Einrumpfboote aus Verbundwerkstoffen von den es zwischen Genf und Lausanne eine ganze Flottille gibt, die aber auf den Deutschschweizer Mittellandseen noch immer die Ausnahme sind. Selbstverständlich ist diese Kluft nicht wirtschaftlich bedingt, denn die Zürcher Finanzleute stehen ihren Genfer Berufskollegen in nichts nach. Und doch haben sich Dengel, Schiess oder Marazzi für die schlichten, diskreten und in Amateurwertungen segelnden Bootstypen der Meterklassen entschieden, während De Piocciotto, Gonet, Firmenich oder Bertarelli auf Tempo, Sponsoring und Medienwirksamkeit setzen. andere Situation im Hochbau Vielfach wird diese Situation als logisch und repräsentativ für die konservative Einstellung der Deutschschweizer gesehen, der die typisch welsche Extravaganz gegenübersteht. So einfach ist es nicht, und wie in allen Fällen ist gegenüber solchen grob vereinfachenden kulturellen Stereotypen Vorsicht geboten. Die Situation im Segelsport lässt sich nämlich nicht wahllos auf andere Bereiche übertragen. Umso wichtiger ist es deshalb, die Beobachtungen zu nuancieren. Sébastien Schmidt, ein im Genfer Raum angesehener Bootsdesigner, hat seine berufliche Karriere im Hochbau begonnen. Er zieht Parallelen zwischen den beiden Bereichen: «Es stimmt schon, dass die Deutschschweizer bei der Entwicklung von Segelbooten nicht sehr innovativ sind, aber dafür sind sie uns in Hochbau und Architektur bestimmt dreissig Jahre voraus.» Als Beispiel nennt er das Kultur- und Kongresszentrum Luzern. In Genf sei es extrem schwierig, solch bahnbrechende Pläne durchzusetzen, denn dort werde praktisch jedes Kulturprojekt nach den üblichen demokratischen Vernehmlassungen seiner Substanz beraubt. Seine Beobachtung gilt nicht nur für grosse Bauwerke, auch Wohngebäude sind ein Paradebeispiel. pBernard Haissly: «Im Segelsport interessieren sich die Deutschschweizer nicht für Neues und reines Tempo. Sie mögen schöne Boote.» 84 | Finanz und Wirtschaft LU X E Architektonisch ausgefallene MinergiePassivhäuser schiessen in der Deutschschweiz wie Pilze aus dem Boden, in der Romandie steckt das Energielabel hingegen noch in den Anfängen. Begrünte Flachdächer verursachen bei den Waadtländer Designern Ausschlag, in den Zürcher Villenquartieren sind sie bereits wieder überholt. «Schlagen Sie einem Deutschschweizer eine neue Art des Wohnens vor, und seine Augen glänzen. Ein Romand aber bekommt es mit der Angst zu tun», beschreibt der Genfer Bootskonstrukteur seine Miteidgenossen. Tradition trifft auf Technik Der Genfer Anwalt Bernard Haissly, in seiner Freizeit begnadeter Regatteur und grosser Fan der in der Deutschschweiz beliebten Meterklassen, stimmt mit Schmidt teilweise überein: «Im Segelsport interessieren sich die Deutschschweizer nicht für Neues und reines Tempo. Sie mögen schöne Boote und messen dem emotionalen Wert einer Jacht grosse Bedeutung zu.» Er bezeichnet die Deutschschweizer Bootseigner als Perfektionisten der Tradition und nicht der Technologie: «Sie lieben ihr Boot, während die Romands es eher als Freizeit- oder Sportgerät betrachten. Ich siedle mich irgendwo dazwischen an. Ich mag die Boote der Amateurklassen. Aber wenn auch einige Klassen selbst für meine Begriffe auf dem Genfersee zu professionell geworden sind, ich stelle trotzdem die Leistung über die Ästhetik, was bei unseren Compatriotes nicht immer der Fall ist.» Für Mark Buchecker, Kadermitglied des Luzerner Gastronomiebedarf- unternehmens Hunkeler Gastro und Eigner einer wunderschönen 15-m²-SNSSegeljacht aus Holz, ist dieser Kulturunterschied ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. «Auch wenn wir Regattasegler voller Wettkampfgeist sind, so steht unsere Liebe für schöne Boote doch im Vordergrund. Es finden sich immer wieder Bootsliebhaber, die für den Bau eines Lacustre (klassisches Genfersee-Segelboot von 9,5 Meter Länge, dessen Konstruktionsvorschriften aus dem Jahr 1938 stammen) 200 000 Fr. zu bezahlen bereit sind», hält er fest und fügt dann an: «Die sammen mit Patrick Firmenich Eigner des revolutionären Foilerkatamarans «Syz & Co.»: «Ich bin jedes Mal überrascht, wenn ich die Boote auf den anderen Schweizer Seen betrachte. Bei uns ist es irgendwie anders.» Er führt diese Situation teilweise auf Pierre Fehlmanns Einfluss zurück. Der prominente Hochseesegler hat in den Siebziger- und den Neunzigerjahren das Aufkommen einer Generation junger, heissblütiger Regattasegler gefördert, die ausschliesslich im Genferseeraum rekrutiert wurden. Die Cardis, Gautiers und Ravussins, Zugpferde zahlreicher Ent- «Die Deutschschweizer sind Perfektionisten, die ihre Boote lieben, während die Romands sie eher als Sportgeräte sehen.» unglaubliche Entwicklung in der Genferseeregion ist einigen wenigen Menschen zu verdanken. Sébastien Schmidt ist einer von ihnen, aber auch Ernesto Bertarelli und vor ihm Philippe Stern gehören dazu. Die Nähe zur ETH Lausanne und zur Werft Décision spielen dabei ebenfalls eine Rolle.» Wie Bernard Haissly ist auch er der Ansicht, dass diese kulturelle Differenz nur auf den Segelsport und technische Bereiche wie die Uhrenindustrie zutrifft. Die Westschweizer seien dafür im Handel viel konservativer. Auf den nautischen Graben angesprochen, meint Alexandre Schneiter, Vizepräsident von Lundin-Petroleum und zu- Westschweizer Wind an den Voiles de St-Tropez An den Voiles de St-Tropez, dem grossen Herbsttreffen der Traditionsjachten am Mittelmeer, finden sich jedes Jahr zahlreiche Boote unterschiedlichster Grösse ein. Auch einige Liebhaber alter Schiffe aus der Schweiz gehören zu den Stammgästen. «Mariska», die prachtvolle 15-Meter-Jacht von Christian Niels, Geschäftsführer der Liegenschaftenverwaltung Rilsa in Lausanne, hatte nach einer Komplettrenovation 2010 ihren grossen Auftritt im französischen JetsetOrt. Die nach Plänen von Nicholson gebaute 20-Meter-Jacht «Oiseau de feu», Eigentum von Jean-Philippe L’Huillier aus Versoix, lässt es sich nicht nehmen, jeden Herbst gegen die Konkurrenten ihres Kalibers zu segeln. Und das 8-Meter-Boot «Elsinor» des Anwalts Bernard Duc sorgt in dem kleinen südfranzösischen Hafen Varois jedes Mal für Aufsehen. Die in St-Tropez anwesenden, liebevoll gepflegten Traditionsjachten sind, ganz im Gegensatz zur Situation in der Schweiz, fast alle im Besitz von Romands. Die Deutschschweizer, die gerne auf dem Meer segeln und auch das herbstliche Oldtimer-Treffen sehr schätzen, sind dagegen eher am Steuer moderner Jachten anzutreffen. wicklungen, haben sich ihre Sporen alle mit dem Skipper aus Morges abverdient, bevor sie flügge wurden und ihre eigenen Projekte lancierten. Fehlmann sei dank Der Segelmacher und mehrfache Schweizermeister in der 5,5-Meter-Klasse Daniel Stampfli sieht den Hauptgrund für den regionalen Kontrast hauptsächlich im Einfluss der Nachbarländer. «Wir orientieren uns verständlicherweise Richtung Westen, wo die Regatta-Mehrrümpfer am aktivsten sind. Sogar die bretonischen Seeleute segeln bei uns. Klassen wie die Drachen oder die Lacustre sind dagegen in Deutschland und auch in der Deutschschweiz sehr erfolgreich.» Weiter weist er darauf hin, dass das Sponsoring und der Profisegelsports in Frankreich stark verbreitet sind und seit einigen Jahren auch in der Westschweiz Einzug gehalten haben, bei den Deutschschweizer Regattaseglern aber so gut wie nicht existieren. Dennoch glaubt Daniel Stampfli nicht, dass man von Gegensätzlichkeit zwischen konservativer und innovativer Kultur sprechen kann. «In der Deutschschweiz gibt es viele avantgardistische Boote. Die Vorstellungen von dem, wie ein Boot aussehen soll, gehen zwar auseinander, aber Kreativität ist bei den Seglern im ganzen Land zu finden», meint er ganz Sportsmann. | Finanz und Wirtschaft LU X E | 85 AC h Otelle T U | parsiseé -| pG rU é TE s e nAtD RESSEN | par David |Chokron von Knut Schwander f luxus mit seesicht Sommerferien in der Schweiz? Alles spricht dafür: statt traumatisierender Sicherheitskontrollen am Flughafen traumhafte Entspannung im luxuriösen Seehotel, Unbeschwertheit und Erholung pur. Wir empfehlen sechs Schweizer Spitzenhotels direkt am See – Idylle, Ruhe, Genuss! Neuenburgersee Hotel Palafitte Genfersee Hôtel des Trois Couronnes Luzerner Seebecken Palace Luzern Polynesien in der Schweiz, aber in Designerversion. Einmal sollte man sich eine Nacht in einem der luxuriösen Pfahlhäuser gönnen. Die für die Expo 02 errichteten Pavillons sind kostspielig eingerichtet und bieten eine atemberaubende Sicht auf den See, selbst aus der für zwei Personen konzipierten Badewanne. Jedes Zimmer besitzt eine eigene Holzterrasse, auf der man sich fast wie ein Luxus-Robinson auf Bora Bora fühlt. Die sanfte Gegend und die Nähe der Stadt erinnern wiederum an Deauville. Amüsant die Fahrt im Elektroauto zum Pavillon, schmackhaft die Küche im Gastrorestaurant (14 Gault-MillauPunkte), absolut sensationell das Vergnügen, zu jeder Tages- und Nachtzeit in den See zu tauchen, Fische und Enten zu beobachten, sich beim Wellengeplätscher zu entspannen. Und bei Vollmond ist die Nacht unirdisch schön, für den Schlaf fast zu schade. Die Terrasse des historischen Hauses ist märchenhaft, der gediegene Ort für Apéro und Essen. Bäume und Pflanzen, ein Springbrunnen und das grandiose Panorama sorgen für ein unwiderstehliches Ambiente. Ein Dekor wie aus einem Roman, man meint das Flüstern der russischen Aristokraten zu hören, die während der Revolution hierher geflohen sind. Im Innern locken das grossartige Atrium, Salonfluchten, Stuck und Säulen, modernes Mobiliar und ein überaus liebenswürdiger Service. Wunderschön schlichter Pool, bestens eingerichteter, in einem Belle-Epoque-Salon untergebrachter Fitnessbereich. Ob auf der traumhaften Terrasse oder in den eleganten Speisesälen, man fühlt sich rundum wohl und gut aufgehoben. Die Karte ist intelligent zusammengestellt, glutenfreie Gerichte sind speziell gekennzeichnet. Da die Strasse, die den Quai fortsetzt, autofrei ist, ist in den auf den See blickenden Zimmern nur gerade das Wellengeplätscher zu hören. Es herrscht Ruhe wie zur Eröffnung anno 1843. Grandioses Monument der Belle Epoque, ist das Palace Luzern mit seinen imposanten Säulen und der wunderbaren Sicht auf das Luzerner Seebecken, die Berge und die Dampfschiffe ein Ort der Sonderklasse, dabei aber keineswegs steif oder altmodisch. Im Gegenteil, hier gibt’s alle Leistungen, die der moderne Reisende begehrt: Spa, hervorragende Küche (Restaurant Japser, 16 Gault-Millau-Punkte), grosszügige Zimmer. Ein Palast, wo sich die Grandezza vergangener Zeiten mit avantgardistischem Luxus aufs Schönste verbindet. Während das Private Spa (Jacuzzi und Massagen in der privaten Suite) etwas kostet, ist der Fitnessbereich frei zugänglich. Für Jogger hat das Haus die Palace-Jogging-Map erstellt. Wer Lust auf einen Sprung in den Vierwaldstättersee hat, zieht den Bademantel an, überquert den Quai und begibt sich ins 1884 erbaute Bad direkt vor dem Hotel. Exotik, Harmonie +Natur, - ohne Fitnessbereich, Sauna, Hamam 2000 Neuenburg, Route des Gouttes-d’Or 2, 032 723 02 02, Pavillon am See 705 Fr. www.palafitte.ch 86 | Finanz und Wirtschaft LU X E einzigartig schöne Terrasse Die nach hinten liegenden Zimmer gehen auf die Strasse. + - 1800 Vevey, Rue d’Italie 49, 021 923 32 00 Doppelzimmer Seeseite ab 440 Fr. www.hoteltroiscouronnes.ch + Harmonie von Nostalgie und Avantgarde - Die hinten liegenden Zimmer sind zwar günstiger, gehen aber auf die Strasse hinaus. 6002 Luzern, Haldenstrasse 10, 041 416 16 16, Doppelzimmer Seeseite ab 460 Fr. www.palace-luzern.ch Finanz und Wirtschaft LU X E | 87 h Otelle r i e | G U TE A D RESSEN Luxe Adressen Lago Maggiore Castello del Sole Vierwaldstättersee Park Hotel Weggis Murtensee Vieux Manoir au Lac Das Castello del Sole ist vermutlich der luxuriöseste direkt am See gelegene Hotelpalast dies- und jenseits der Grenze. Welches Hotel kann sich schon rühmen, über seine eigenen Reisfelder, Weinberge und einen riesigen subtropischen Park direkt am Lago Maggiore zu verfügen, dazu über einen eigenen Bauernhof, einen botanischen Garten, eine Golfanlage, Tennisplätze – das Castello braucht den Vergleich mit grossen Häusern der Costa Smeralda keineswegs zu scheuen. Die Gäste lustwandeln im Park zu den eleganten Pavillons, inmitten gigantischer Kamelienbouquets, hoher Zypressen, geniessen den Privatstrand oder eine der bezaubernden Terrassen. In den exzellenten Restaurants wird jeder gastronomische Wunsch erfüllt. Hervorragende Bedienung, die Zimmer bieten jeden erdenklichen Luxus. Der Aufenthalt in einem der grosszügigen, lichtdurchfluteten Apartments im Pavillon Locarno mit ihrem einzigartigen Blick auf die Gärten ist garantiert unvergesslich. Für das neue Spa wurde ein spezieller Pavillon gebaut: auf 2500 m² nichts als Wohlergehen, Entspannung. Die 14 Hektar grosse Anlage vereint das Beste, was die Schweiz und Italien zu bieten haben. Unwiderstehlich! In seinem sanft abfallenden 22 000 m² grossen Park am dunkelgrün leuchtenden Vierwaldstättersee bezaubert das Park Hotel mit seinem Landgasthofcharme, der schon Anfang des 20. Jahrhunderts die englischen Touristen entzückte. Trotz seines nostalgischen Aussehens ist das Traditionshaus ein avantgardistisches Mitglied der Kette Relais & Châteaux. Vom See aus (die Anfahrt mit dem Schiff ist unbedingt empfehlenswert) erblickt man die attraktive Architektur des in trendigen Farben leuchtenden Spa. Der Wellness- und Wohlfühlbereich ist denn auch die Visitenkarte des Hauses. Vom traumhaften Pool blickt man auf den See, fünf private Spa-Cottages sind erlesen eingerichtet, inkl. Sauna, Hamam, Sprudelbad und Massagetisch. Liebhaber modernen Designs bewundern das elegante Interieur, das perfekt mit den alten Mauern harmoniert. Und Liebhaber kulinarischer Genüsse kommen in einem der Restaurants garantiert auf die Rechnung. Was will man noch mehr? Eine Nacht im Glasdiamanten in den Baumkronen oder im Seehaus mit der Fünfzigerjahre-Architektur ist unvergesslich. Auf dem Bootssteg lässt es sich schön träumen, im Schilf nisten Enten, im Hintergrund das vornehme Herrenhaus aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts mit seinen topmodern ausgestatteten Zimmern. Das Vieux Manoir ist und bleibt ein Paradies auf Erden Im Speisesaal mit Sicht auf den See und die jahrhundertealten Bäume oder in der weissen, offenen Veranda freut man sich über lukullische Genüsse. Einfachere Küche wird in der Pinte im nahen Cottage geboten. Für ein intimes Dinner zu zweit zieht man sich in die Voliere zurück oder lässt sich direkt auf dem Schiffssteg bedienen. Das Erlebnis ist einzigartig. Natur, See und umliegende Golfplätze laden zur körperlichen Betätigung, und um die nahe Umgebung zu erkunden, bucht man die hoteleigene Jacht oder den Jaguar. +unzählige ein Hauch - vielleicht «kalifornische» Residenz 6612 Ascona, Via Muraccio 142, 091 791 02 02, Doppelzimmer ab 660 Fr. www.castellodelsole.ch 88 | Finanz und Wirtschaft LU X E Design der Anlagen + geschmackvolles Das Hotel liegt an einer kleinen -Strasse. Ausserhalb der privaten Spa-Cottages weder Sauna noch Hamam. Park + idyllischer Spa kein - 6363 Weggis, Hertensteinstrasse 34, 041 392 05 05, Doppelzimmer ab 523 Fr. www.phw.ch 3280 Murten, Rue de Lausanne 18, 026 678 61 61, Doppelzimmer Seeseite ab 420 Fr. www.vieuxmanoir.ch Ars Futura Die Geburt der Venus, S.42 Seidenkleid, 3.1 Phillip Lim Genf: Drake Store, 13 rue des Alpes, 022 732 24 – Lausanne: Drake Store, 22 rue de Bourg, 021 320 08 20; Schmuck, Claire’s www-claires.com; Jacke, Spin Doctor Lausanne: Maniak, 4 rue du Port-Franc, 021 312 58 40; Armband, Poggi Genf: Bongénie, 34 rue du Marché, 022 818 11 11 – Lausanne: Bongénie, 10 place Saint-François, 021 345 27 27 – Zürich: Grieder, Bahnhofstrasse 30, 044 224 36 36; Rotes Tuch, Modesa, Lausanne: 4 rue Saint-François, 021 323 61 90 – Zürich: Löwenstrasse 2, 043 497 20 85 – Basel: Gerbergase 14, 061 261 49 30; Hemd, Chenaski Lausanne: Maniak, 4 rue du Port-Franc, 021 312 58 40; Jean’s und Weste, Neil Barrett Drake Store, 13 rue des Alpes, 022 732 24 – Lausanne: Drake Store, 22 rue de Bourg, 021 320 08 20, Schal, Altea Genf: Bongénie, 34 rue du Marché, 022 818 11 11 – Lausanne: Bongénie, 10 place Saint-François, 021 345 27 27 – Zürich: Grieder, Bahnhofstrasse 30, 044 224 36 36 Gabrielle d’Estrées und ihre Schwester, S.44 Gewebe Modesa, Lausanne : 4 rue Saint-François, 021 323 61 90 – Zürich: Löwenstrasse 2, 043 497 20 85 – Basel: Gerbergase 14, 061 261 49 30 Der Tod der Ophelia, S.47 Kleid, Mango Genf: Bongénie, 34 rue du Marché, 022 818 11 11 - Lausanne: 23 rue de Bourg, 021 311 86 53 – Zürich: Bahnhofstrasse 82A, 044 210 27 77; Schal, Zebra www.zebrafashion.ch Die Grosse Odaliske, S.48 Kissen und Gewebe, Fly www.fly.ch, Modesa Lausanne: 4 rue Saint-François, 021 323 61 90 – Zürich: Löwenstrasse 2, 043 497 20 85 – Basel: Gerbergase 14, 061 261 49 30; Schal, Globus Essentials Genf : Globus, 48 rue du Rhône, 058 578 50 50 – Lausanne: Globus, 5 rue du Pont, 021 342 90 90 – Zürich: Globus, Schweizergasse 11, 043 344 82 52 – Basel: Globus, Marktplatz 2, 058 578 45 45; Mantel, Ventcouvert www.ventcouvert. com Metallkette, Gio Bernardes www. giobernardes.com.br ; Armband, Art da Terra, Schmuck-Art et Amazone Genf: Globus, 48 rue du Rhône, 058 578 50 50 – Lausanne: Globus, 5 rue du Pont, 021 342 90 90 – Zürich: Globus, Schweizergasse 11, 043 344 82 52 – Basel: Globus, Marktplatz 2, 058 578 45 45 Design 2011: Lust auf Wohnen mit Stil, S.54 Andrea Branzi www.andreabranzi.it Benjamin Hubert www.benjaminubert. co.uk Cappellini Genf: Teo Jakob Tagliabue, 8 place de l’Octroi, 022 342 23 23 ; Arcadia, 20 rue des Eaux-Vives, 022 700 13 60 – Lausanne: Lumière et objets, 4 place du Tunnel, 021 312 66 16 – Zürich: Teo Jakob, Seidengasse 1, 044 222 09 30; Zingg-Lamprecht, Am Stampfenbachplatz, 044 368 41 41 Cassina Genf: Teo Jakob Tagliabue, 8 place de l’Octroi, 022 342 23 23; Arcadia, 20 rue des Eaux-Vives, 022 700 13 60 – Lausanne: Wohnshop Projecto, 8 rue Neuve, 021 323 12 18 – Zürich: Teo Jakob, Seefeldstrasse 231, 044 421 18 18; Neumarkt 17, Neumarkt 17, 044 254 38 38 Christien Meindertsma www. christienmeindertsma.com Doshi Levien www.doshilevien.com Danese Milano Genf: Detail, 6 rue Etienne-Dumont, 022 310 78 13 – Lausanne: Jean-Pierre Goumaz, 11 rue Saint-Martin, 021 323 05 11 – Zürich: Hugo Peters, Limmatquai 3, 043 265 11 01 Daphna Laurens www. daphnaisaacs.nl De Vorm www.devorm.com Established & Sons Genf: Meubles & Cie, 27 rue du Perron, 022 311 70 50; What Else Gallery, 25 rue Jacques-Dalphin, 022 300 53 91- Zürich: Artiana, Nüschelerstrasse 31, 044 211 56 66 Hermès Maison france.hermes.com Jerszy Seymour wwwjerszyseymour.com Klaus Haapaniemi & Mia Wallenus www.klaush.com Konstantin Grcic www. konstantin-grcic.com Magis Genf: Teo Jakob Tagliabue, 8 place de l’Octroi, 022 342 23 23; Arcadia, 20 rue des Eaux-Vives, 022 700 13 60; Variations, 4 rue des Rois, 022 820 00 60 – Lausanne: Jean-Pierre Goumaz, 11 rue Saint-Martin, 021 323 05 11; Uniquemment Vôtre, 54 avenue de Sévelin, 021 626 06 06 – Zürich: Teo Jakob, Seefeldstrasse 231, 044 421 18 18; Hugo Peters, Limmatquai 3, 043 265 11 01; Redbox, Seestrasse 455, 044 480 15 91; Colombo La Famiglia, Brandschenkenstrasse 130, 043 305 06 30 Matali Crasset www.matalicrasset.com Moooi Genf: Teo Jakob Tagliabue, 8 place de l’Octroi, 022 342 23 23; Meubles & Cie, 27 rue du Perron, 022 311 70 50 – Lausanne: Jean-Pierre Goumaz, 11 rue Saint-Martin, 021 323 05 11 – Zürich: Teo Jakob, Seefeldstrasse 231, 044 421 18 18; Zingg-Lamprecht, Am Stampfenbachplatz, 044 368 41 41; Redbox, Seestrasse 455, 044 480 15 91; Colombo La Famiglia, Brandschenkenstrasse 130, 043 305 06 30 Muuto www.muuto.com Pool www. poolhouse.eu Postfossil www.postfossil.ch Ronan & Erwan Bouroullec www.bouroullec.com Superego www.superegodesign.com TAF www. tafarkitektkontor.se Tom Dixon Genf : Teo Jakob Tagliabue, 8 place de l’Octroi, 022 342 23 23; Detail, 6 rue Etienne-Dumont, 022 310 78 13 – Lausanne: Jean-Pierre Goumaz, 11 rue Saint-Martin, 021 323 05 11 – Zürich: Colombo La Famiglia, Brandschenkenstrasse 130, 043 305 06 30; Artiana Nüschelerstrasse 31, 044 211 56 66; The Chair, Im Viadukt 7, 044 463 14 72 Thomas Eyck www.thomaseyck.com Werner Alsslinger www.alsslinger.de SporT: High Goal und High Society, S.69 Jaeger-LeCoultre Genf: Boutique Jaeger-LeCoultre, 2 rue du Rhône, 022 310 62 17; Les Ambassadeurs, 62 rue du Rhône, 022 318 62 22; Chimento, 19 quai du Mont-Blanc, 022 731 16 51 – Lausanne: A l’Emeraude, 12 place Saint-François, 021 312 95 83; Bijouterie Junod, 8 place Saint-François, 021 312 83 66 - Zürich: Stahel, Gerbergasse 5, 044 211 28 04 Taucheruhren : Non plus aqua, S.74 Blancpain Genf: Blancpain Les Boutiques, 40 rue du Rhône, 022 312 59 39; Les Ambassadeurs, 62 rue du Rhône, 022 318 62 22; Bijouterie Zbinden, 17 rue du Mont-Blanc, 022 311 42 28 - Lausanne – Bijouterie Junod, 8 place Saint-François, 021 312 83 66; Boutique Tourbillon, 4 place Saint-François, 021 323 51 45 - Zürich: Blancpain Les Boutiques, Bahnhofstrasse 28, 044 220 11 80; Les Ambassadeurs, Bahnhofstrasse 64, 044 227 17 17; Meister Uhren, Bahnhofstrasse 30, 044 211 93 33 IWC Schaffhausen Genf, IWC Schauffhausen Boutique, 2 rue du Rhône, 022 310 36 86; La Maison de l’Horlogerie, 24 rue du Cendrier, 022 732 09 54 – Lausanne: A l’Emeraude, 12 place Saint-François, 021 312 95 83 - Zürich: IWC Schauffhausen Boutique, Bahnhofstrasse 37, 043 521 14 94; Galli Uhren Bijouterie, Theaterstrasse 16, 044 262 04 10; Stahel, Gerbergasse 5, 044 211 28 04 Jaeger-LeCoultre Genf: Boutique Jaeger-LeCoultre, 2 rue du Rhône, 022 310 62 17; Les Ambassadeurs, 62 rue du Rhône, 022 318 62 22; Chimento, 19 quai du Mont-Blanc, 022 731 16 51 – Lausanne: A l’Emeraude, 12 place Saint-François, 021 312 95 83; Bijouterie Junod, 8 place Saint-François, 021 312 83 66 - Zürich: Stahel, Gerbergasse 5, 044 211 28 04 Omega www.omegawatches.com Rolex www.rolex.com MAKING OF BOUDOIR I N T E R V I E W | von Emmanuel Grandjean Urquiola Patricia Enfant terrible P atricia Urquiola arbeitet für die grössten Häuser des internationalen Designs. Für Moroso und Cappellini, Flos und B&B. Sie hat das Talent, einen Palast im Zentrum von Barcelona in ein wohnliches Paradies, einen Champagnerkorken in ein kostbares Schmuckstück zu verwandeln. Die 1961 in Orviedo geborene Spanierin ist sozusagen die Designkönigin von Mailand, ihre Kreationen zieren die Stände der grössten Möbelmessen der Welt. Die Meisterin des Designs studierte vorerst Architektur, lernte später Achille Castiglioni kennen und begann sich für das Design von Gegenständen zu interessieren. Castiglioni ist der massgebende Meister des Nachkriegsdesigns, genialer Fabrikant und Gestalterlegende, verehrt von jedermann und jederfrau, die das Privileg hatten, ihm zu begegnen. Renommiert und berühmt sind auch die Kreateure Vico Magistretti und Maddalena de Padova, zwei weitere Grössen des Designs, mit denen Urquiola lange Zeit gearbeitet hat. Von diesen beiden Koryphäen lernte die Spanierin schlichte Formgebung, die Liebe zur sorgfältigen Arbeit und Know-how. Wie lässt sich der Urquiola-Stil definieren? Er ist reüssiert bürgerlich, wirkt teuer, unglaublich elegant, ist von poetischer Leichtigkeit und humorvoll dazu. Ihre Objekte sind grosszügig, warmherzig, feminin, aber nicht girly. Wie die Uhr, die Patricia Urquiola für Maurice Lacroix neu gestaltet hat und deren drei Exemplare demnächst an einer Auktion versteigert werden. ARS FUTURA Zephyr im Schwebeflug, wartend auf die Geburt der Venus im Studio von Fotograf Vincent Calmel, Genf, April 2011. Moroso, Flos, Kartell – Señora Urquiola, Sie arbeiten für die bedeutendsten Möbellabels, gestalten sowohl Objekte für die Industrie als auch Einzelstücke für Galerien. des Designs Und jetzt haben Sie eine Uhr designt? Nicht zum ersten Mal. Vor einigen Jahren habe ich schon einen Zeitmesser für Alessi kreiert. Damals handelte es sich allerdings vielmehr um eine Vorbereitungsarbeit, die dann zu einem weiteren Uhrenprojekt in Zusammenarbeit mit Piero Lissoni von Alessi führte. Die Uhr ist ein funktionelles Objekt, das sehr präzise ist und bestimmten Regeln entsprechen muss, wodurch der Kreativität enge Grenzen gesetzt sind. Ist es für jemanden wie Sie interessant, eine Uhr neu zu designen? Ja, selbstverständlich. Aber es ist wie überall, es hängt sehr viel von der Freiheit ab, die man Ihnen zugesteht, und vom Dialog, den Sie mit Ihrem Auftraggeber führen. Bei Maurice Lacroix war es noch etwas anders, da es nicht darum ging, eine neue Uhr zu kreieren, sondern ein bestehendes Modell zu überdenken. Ich durfte mich nicht zu weit vom Original entfernen, das immer noch erkennbar sein sollte. Wir entfernten alle metallischen Teile, Farben, Ringe und bewahrten das Essenzielle. Wir nannten die Uhr Caldera, in Anlehnung an Vulkankrater, die durch die drei typischen Zähler auf dem Zifferblatt symbolisiert werden. Bestimmt ist es weniger aufregend, ein Objekt zu redesignen, als ein Projekt von A bis Z durchzuführen. Es ist dann interessant, wenn Sie ein unerwartetes Element oder eine überraschende Lösung einbringen können. Ich bin bei diesem Projekt ziemlich weit gegangen, obwohl ich recht viele Parameter berücksichtigen musste. Zudem wurde diese Uhr in nur drei Exemplaren hergestellt, die an Auktionen versteigert werden. Design ist heute also eine Art Luxus? Ursprünglich war dies nicht so. Man muss immer daran denken, dass Design die Art und Weise darstellt, wie man an ein alltägliches Objekt herangeht. Diese Disziplin hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Einerseits ist der Anteil der industriell hergestellten Produkte nach wie vor gross. Anderseits beobachten wir das Aufkommen neuer Kreationsplattformen wie Galerien, die den Designern ein neues, emotionelles Betrachten des funktionellen Aspekts ermöglichen. Design ist wie Kunst hochaktuell? In der Tat interessiert sich die Modewelt immer mehr für Design. So hat mich H&M mit der Neugestaltung ihrer Shops beauftragt. Letztes Jahr habe ich für Ferragamo eine Tasche entworfen, die nicht zum Verkauf, sondern als Ausstellungselement für die Schaufenster bestimmt war. Dies sind Zeichen, dass Design in unserer Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle spielt und quasi omnipräsent ist. Junge Designer wollen heute nicht mehr ausschliesslich für die Automobilindustrie arbeiten. Was sie als Gestalter reizt, ist die Herausforderung, Grenzen auszuloten. Die Arbeiten des spanischen Designers Nacho Carbonell etwa: Seine Möbel mit den Kokonformen stossen in Bereiche vor, die das Design noch nie erforscht hat. Vico Magistretti, mit dem Sie gearbeitet haben, sagte einmal, dass gutes Design in zwei Worten am Telefon erklärbar sein müsse. Er wollte damit sagen, dass Design ein Prozess ist. Dass ein Designer wohl die Ideen hat, sie aber denjenigen kommunizieren muss, die das Projekt letztendlich realiFinanz und Wirtschaft LU X E | 91 B O U D O I R | I N T E RV I E W « Die Begegnung mit einem Kunstwerk ist der grösser Luxus überhaupt » sieren. Das Konzept muss daher möglichst einfach und klar sein, damit es jedermann in zwei Worten verständlich gemacht werden kann. Der Designer arbeitet nie solo. Ihr Projekt Maurice Lacroix in zwei Worten… Die sehr bourgeoise Uhr vereinfachen und gleichzeitig die klassische, luxuriöse Eleganz bewahren. Luxus bedeutet für Sie... Zeit. Ich führe ein Leben in einfachen Jeans, mein Metier nimmt mich ganz in Anspruch, auch weil ich es liebe. Zeit für meine Familie, die sehr wichtig ist: meine Kinder, Alberto, mein Mann, mit dem ich arbeite. In Ihrer Arbeit sprechen Sie oft von Ihrem Privatleben, von den Menschen, die Sie umgeben. Meine Arbeit für ein Haus wie Rosenthal erfüllt mich mit grossem Stolz. Denn meine Eltern besassen seit ihrer Hochzeit ein Service dieses berühmten Porzellanherstellers. Diese Qualität hat allerdings nichts mit Luxus zu tun. Die Zusammenarbeit mit wichtigen, traditionsreichen Häusern bedeutet Engagement für Qualität. Desgleichen, wenn ich für Flos eine Lampe kreiere, setze ich mich für ein Haus ein, das Topqualität liefert. Oder für das Unternehmen, für das Achille Castiglioni, mein Mentor, der mich alles gelehrt hat, unwahrscheinliche, einzigartige Leuchten geschaffen hat. 92 | Finanz und Wirtschaft LU X E Neil Winder / Corbis Outline Ein Paar im Leben und im Büro. Kann das funktionieren? Es muss, es gibt keine andere Möglichkeit. Für Alberto und mich sind Reisen unser Luxus zu zweit. Qualität ist ebenfalls Luxus, und ein wichtiger dazu. Denn sie bedeutet Fortbestand, Dauerhaftigkeit der Dinge. Einer meiner spanischen Freunde besitzt einen von einem Mailänder Architekten gestalteten Stuhl, ein Erbstück seines Vaters, das auch der Bruder beanspruchte. Neben Qualität ist für mich auch Weitergabe sehr wichtig. Diesen Sommer nehmen Sie an Glasstress 2011 teil, einer Ausstellung von Design aus Glas, die während der Biennale von Venedig stattfindet. Fühlen Sie sich von moderner Kunst angezogen? Sehr. Wenn Alberto und ich nach New York reisen, besuchen wir als Erstes Chelsea und die Galerien. Die Begegnung mit einem Kunstwerk ist möglicherweise der grösste Luxus überhaupt. Aber ein unerreichbarer, unantastbarer, der im Augenblick spielt. Deshalb besitzen wir nichts von alledem. Weder zeitgenössische Kunst noch Designerstücke? Absolut nichts. Wir sind nicht an Besitz interessiert. Hingegen liebe ich es, zur Kunst zu reisen, sie zu besuchen. Das Anschauen moderner Kunst in einer Galerie ist ein höchst privilegierter Moment, der in meiner Erinnerung weiterlebt. | Finanz und Wirtschaft LU X E | 93
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