als PDF - Finanz und Wirtschaft

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als PDF - Finanz und Wirtschaft
SOMMER 2011 – 7 franken
Taucheruhren: Mechanik
mit Tiefgang
Interieur:
Recycling der
schönen Art
Hotel:
Luxus mit
Seesicht
Gegenwartskunst:
Zeitgenossen
aus der
SCHWEIZ
SPEZIAL
KUNST & DESIGN
Gerade geschnittener
Blouson mit Reißverschluss
aus Etrivière-Leder,
gemustertes Futter.
EDITORIAL
Magazin zur Ausgabe Nummer
46 der «Finanz und Wirtschaft»
vom 11. Juni 2011. LUXE ist eine
gemeinsame Publikation von «Bilan»
und «Finanz und Wirtschaft»
und erscheint vier Mal jährlich.
–
Verlag Finanz und Wirtschaft AG
Hallwylstrasse 71,
Postfach, 8021 Zürich
Telefon 044 298 35 35,
Fax 044 298 35 00
www.fuw.ch, [email protected]
–
Die Kunst, den
Sommer zu geniessen
D
er Sommerauftakt ist grossartig, im doppelten
Wortspiel. Die Art Basel ist seit über vierzig Jahren
die Ouvertüre im sommerlichen Kulturprogramm der
Schweiz. Wenn nächste Woche Galeristen und Künstler,
Sammler und Kuratoren, Berühmte und Reiche aus aller
Welt ihren Walk of Fame abhalten, dann mag Ihnen als
Leserin und Leser der dritten Ausgabe von «Luxe» unser Überlebensführer erstens nützliche Lektüre sein und
zweitens Anregung, sich ins Kunstgewühl zu wagen.
Verleger
Pietro Supino
Geschäftsführer
Martin Coninx
Chefredaktor
Peter Schuppli
Redaktionelle Leitung
Konrad Koch
Anzeigenverkauf
Ruedi Minger
Marketing
Dana Massie
Anzeigen Deutschschweiz
Edipub SA
Mühlebachstrasse 43, 8032 Zürich
–
Art Director
Nicolas Zentner (enzed, Lausanne)
Bildredaktion
David Huc
–
Mitarbeiter dieser Ausgabe
Dominic Büttner, Vincent Calmel,
Christian von Faber-Castell,
Vincent Gillioz, Vera Hartmann,
Alban Kakulya, Blaise-Alexandre
Le Comte, Knut Schwander,
François Wavre, Myret Zaki
–
Übersetzung
Béatrice Aklin, Sabine Dröschel,
Gian Pozzy
–
Bilan LUXE
Verleger
Edipresse Développment SA
Geschäftsführer
Tibère Adler
Chefredaktor
Stéphane Benoit-Godet
Redaktionelle Leitung
Emmanuel Grandjean
Leitung Marketing
Bérangère Waver
Direktor Publikationen
Einen nur kleinen Ausschnitt aus der Vielfalt des zeitgenössischen Kunstschaffens in der
Schweiz bringt Ihnen unsere Galerie junger Künstlerinnen und
Künstler aus der Romandie und der Deutschschweiz näher. Sie beschreiben eines ihrer eigenen Werke und bestätigen damit, was im
Gespräch mit «Luxe» John Armleder, einer der ganz Grossen der Gegenwartskunst, sagt: «Das Werk ist interessanter als der Künstler.»
Die Tugend des Sommers, Gelassenheit zu zeigen, gar vieles mit etwas Ironie zu betrachten, beherrscht auf hohem Niveau Vincent Calmel. Der Fotograf hat fünf Ikonen der klassischen Malerei mit sommerlicher Leichtigkeit verfremdet, so wie das Titelbild mit Botticellis
«Geburt der Venus» aus dem Genfersee.
Der Sommer in der Schweiz macht gar Spötter zu Schwärmern. Es
sei der lieblichste Platz auf Erden, den er je gesehen habe, schrieb Mark
Twain in seinen Reiseberichten über Weggis. Neun Sommerwochen
hat der amerikanische Novellist am Vierwaldstättersee verbracht. Es
war zwar nicht im besten Haus am Ort. Das finden Sie dafür in unserer
Schweizer Reise zu den sechs schönsten Hotels mit Seeanstoss.
Sie sind auch Anlegestelle für beste Werftarbeit. Die Schweiz ist
nämlich auch eine Seenation. Es dürfte keine Binnennation geben, die
einen derart hochstehenden Bootsbau kennt. Von High-Tech-Segeljachten über Mahagoni-Runabouts bis zu Speedmonster, aus Werften
vom Bodensee bis an den Lac Léman findet sich jede Bootsklasse zur
kühlenden Flucht.
Marco Cataneo
Direktor Administration
und Finanzen
Sébastien Lamunière
–
Fotolitho
Konrad Koch
Verantwortlicher Redaktor
Images3, Lausanne
–
Druck
Ziegler Druck- und Verlags-AG,
Winterthur
Auflage 65 000;
ISSN 1664-0152
Piaget Manufaktur-Uhrwerk 880P
Automatischer Chronograph
Flyback, zweite Zeitzone
Bis 100M wasserdicht
Titanium, Saphirglasboden
Armband aus Kautschuk
www.piagetpolo.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 7
42
inhalt
Sommer 2011
54
72
62
32
78
H E R I TAG E I N T H E M A K I N G
74
10 mitwirkende
13 Gastkommentar
Kodex der Eleganz
von Matthias Zschokke
14 Must Have
20 Tech-Trends
22 automobil
Mattglanz
23 Olfaktorish
Spiel der Liebe und der Düfte
24 Begegnung
John Armleder : « Kunst
ist interessanter als der Künstler »
28 Austellungen
30 Treffpunkte
Restaurants & Shopping
32 galerie
Kunst erzählt von Künstlern
66 Trend
Männer und Parfum
40 ART BASEL 42
Ein Überlebensführer
69 POLO
High Goal und High Society
42 Shooting
Ars Futura
72 Sport Memorabilia
Sammeln statt schwitzen
51 Street Art
Von der Strasse in die Auktion
74 Taucheruhren
Non Plus Aqua
54 Möbel
Lust auf Wohnen mit Stil
78 Scanner
Schweizer Werftarbeit
58 Objekt
Design in Beton
80 Yachting
Flügel für Sieger
61 Begehren
Weshalb Sie diesen Stuhl
haben müssen
83 Bootsbau Schweiz
Karbon gegen Mahagoni
62 Stil
Willkommen bei Joan Billing
und Samuel Eberli
65 Dress Code
Stilvoll in den Sommer
86 Hotellerie
Luxus mit Seesicht
89 Luxe Adressen
91 Boudoir
Patricia Urquiola,
Enfant terrible des Designs
Main Partner
Titelbild: Vincent Calmel, Vera Hartmann, Courtesy Praz-Delavallade
07 Editorial
T H E TO N DA H E M I SPH E R E S CO LLEC T I O N
Entirely manufactured in
Les Ateliers Parmigiani
in Switzerland
Air Watch Center SA, Aéroport de Genève | L'Atelier du Temps SA, Crans-Montana
Benoît De Gorski, Genève, Gstaad | Brändli Creation & Co, Villars-sur-Ollon
Gold Time SA, Lugano, Chiasso | Gübelin AG, Basel, Bern, Genève, Lugano, Luzern, St. Moritz, Zürich
Guillard SA, Lausanne | Haute Horlogerie Schindler, Zermatt | Herschmann Doris, Ascona
Kirchhofer AG, Interlaken | Maissen & Co, Klosters | Zbinden, Montreux | Zeit Zone Zürich, Zürich
8 | Finanz und Wirtschaft LU X E
WWW.PARMIGIANI.CH
Finanz und Wirtschaft LU X E | 9
mitwirkende
Das neue
BMW 6er Cabrio
www.bmw.ch
François Wavre
In Genf geboren, studierte François Wavre Fotografie an der Fakultät für
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Abteilung
Unternehmensführung,
der Universität Genf. Er
liebt es, Bankiers abzulichten, möchte einen Roman
schreiben, befürchtet aber,
seine Meister in den Schatten zu stellen. Bärtig, häuslich, sammelt Schuhe und
lebt im Konkubinat mit einem Bullterrier.
Vera Hartmann
Die in Zürich geborene Fotografin liess sich
am Art Center College of
Design Pasadena ausbilden. Sie pendelt zwischen
der Schweiz – wo sie die
Agentur 13 mitbegründet hat – und Los Angeles.
Zwei Berufsmittelpunkte
auf geografischen Antipoden, aber dieselbe Sensibilität für Farben und die
Menschen, die sie porträtiert, vom chinesischen
Künstler Ai Weiwei bis zur
Pornodarstellerin. Vera
Hartmann publiziert ihre
Arbeiten in den USA in
«GQ», «Rolling Stone» und
«Wired», in der Schweiz
in «Annabelle», «l’Hebdo»
und «NZZ am Sonntag».
www.verahartmann.com
S. 58-60
Blaise-Alexandre
Le Comte
Ästhet und Sammler seltener Düfte, kultiviert BlaiseAlexandre Le Comte seine
kühne und sinnlich-dreiste
literarische Kunst. Vor einigen Jahren ist der Genfer
zu seiner wahren Passion –
Literatur und Philosophie
– zurückgekehrt, die er im
zarten Alter entdeckt und
später zu lange vernachlässigt hat. Für «Luxe» erforscht er die hintergründige Magie der Parfums im
Liebesspiel. Er publiziert
seine Feuilletons im Blog
«Chypre Rouge».
www.chyprerouge.wordpress.com
S. 23
Matthias Zschokke
Er ist Schriftsteller, Dramaturg (er war Schauspieler) und Filmemacher (er
hat drei Filme realisiert).
Matthias Zschokke, 1954
in Bern geboren, lebt seit
1980 in Berlin. Mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet (Robert Walser, Gerhart Hauptmann), erhielt
er 2009 den Prix Femina
Etranger für seinen Roman «Maurice mit Huhn»,
für den er bereits 2006
mit dem Schiller-Preis geehrt wurde. Der brillante,
ironische und feinsinnige Beobachter unserer
Gesellschaft schreibt in
«Luxe» über den diskreten
Charme der Luxusunterwäsche für den Mann.
Vincent Calmel
Autodidakt, den ein Art
Director der «Tribune de
Genève» zur Fotografie gebracht hat. Vincent Calmel
gründete 2004 Mitsu120,
eine Bildagentur für Werbung und Zeitschriften.
Für «Luxe» hat der Genfer
Fotograf fünf Meisterwerke der Kunstgeschichte
neu interpretiert, indem
er fünf mythische Nackte
mit der Zeitmaschine in
die Zukunft befördert hat.
Entstanden sind faszinierende Bilder von Gabrielle
d’Estrée als Androidin und
die Geburt der Venus am
Genfersee,
www.mitsu120.com
S. 13
BEWEGT SCHON IM STILLSTAND.
S. 42-49
Entdecken Sie ein Fahrzeug, das die Grenzen der Freude neu definiert. Klare Formen und
fliessende Bewegungen kreieren pure Ästhetik. Das perfekt abgestimmte Zusammenspiel
von Motor und Fahrwerk formt eine Komposition kompromissloser Dynamik. Ein Werk
der Perfektion, das man begehren kann. Aber erleben muss. Mehr Informationen bei Ihrem
BMW Partner oder unter www.bmw.ch
Zschokke, Hartmann, Calmel, Wavre
S. 62-64
10 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Freude am Fahren
DAS NEUE BMW 6er CABRIO.
640i Cabrio 7,9 l/100 km 235 kW (320 PS)
Tel. +41 44 361 0811 - [email protected] - www.canali.it
OUVERTURE
Gastkommentar
Luxus der
kleinen Dinge
Matthias Zschokke
Seine Bücher und Theaterstücke sind in der deutschen und französischen Sprachwelt
gleichermassen erfolgreich. In Deutschland wurde er 1981 mit dem Robert-Walser-Preis
ausgezeichnet, 2009 gewann er als erster deutschsprachiger Autor den französischen
Literaturpreis Prix Femina Etranger. Der Schweizer Schriftsteller Matthias Zschokke lebt
seit über dreissig Jahren in Berlin.
Gedanken über Qualität und Luxus die «hautnah» gehen oder
wie die Suche nach dem Besten zu einem idyllischen Ort führt,
wie ihn nur Mitglieder im Esse-Quam-Videri-Club finden.
Illustration: Nicolas Zentner
M
änner in Rohner-Socken; Frauen, die
ihre Augenbrauen morgens mit einer
Rubis-Pinzette zupfen; Geschäftsleute mit
einem Caran-d’Ache-Kugelschreiber in der
Brusttasche; Herren, die im Winter Kandahar-Schuhe an den Füssen tragen – lauter
Anhänger von Schweizer UnderstatementLuxus, der leider vom Aussterben bedroht
ist, weil er so wenig hermacht. Wer an ihm
festhält, gibt sich zu erkennen als Mitglied
des Esse-Quam-Videri-Clubs («mehr sein
als scheinen»).
Vor Jahren sah ich in einem Genfer Warenhaus einen Scheich in weissem, langem
Gewand, der sich stapelweise Damenunterwäsche aus Wolle einpacken ließ. Die Verkäuferin, die ich darauf ansprach, sagte, das
sei nichts Aussergewöhnliches; Araber seien ganz vernarrt in Schweizer Wollunterwäsche. Kurz darauf entdeckte ich zufällig
auf einem Foto Yehudi Menuhin beim Üben
auf seiner Geige – in einem Wollunterleibchen von Zimmerli. Seitdem bin ich nicht
mehr abzubringen von der Überzeugung,
dass Schweizer Unterwäsche zu den Accessoires dieses Clubs gehört.
Lange Zeit galt die von Hanro als der
Rolls-Royce auf dem Seiden- und Wollsektor. Leider hat ihre Qualität in letzter Zeit
nachgelassen. Eine verwerfliche, mammo-
nistische Firmenpolitik hat dazu geführt,
dass der Name nach Österreich verkauft
und die Produktion europaweit verstreut
wurde. Wenn ein Kunde sich im Dessousgeschäft heute über die Nähte seiner Seidenunterhose beklagt, seufzen die Verkäuferinnen wehmütig, raten ihm dann aber, die
Hose halt nicht wie ein Stier hochzureissen,
sie sei schliesslich aus zartestem Gewebe.
Und das stimmt auch.
Hanro-Wäsche bereitet nach wie vor
Lust beim Tragen und ist dementsprechend
teuer. Weil es sich bei den Modellen um modeunabhängige Klassiker handelt, kommen
sie kaum je in den Ausverkauf. Nur in Liestal, wo sie früher hergestellt wurden, kann
man sie im fabrikeigenen Laden zum halben Preis bekommen.
Zu den Regeln des Clubs gehört Sparsamkeit. Mitglieder fahren deswegen nach Liestal, um zum Beispiel lange Unterhosen aus
Seide/Wolle zu kaufen, das ultimative Kleidungsstück für den Herrn im Winter, oder
einen Kaschmirhausdress für die Dame,
wie sie in Hollywoodfilmen aus den Fünfzigerjahren manchmal getragen werden, an
der Côte d’Azur, im frühen Frühling.
Um das Passende zu finden, braucht man
Zeit. Es ist unsinnig, rasch den Laden aufzusuchen, die Regale durchzuwühlen, zu-
zuschlagen und dann weiterzurasen. Am
besten bleibt man über Nacht, zum Beispiel
im Hotel Bad Schauenburg ob Liestal, einem Idyll, das man sonst nie in seinem Leben entdecken würde.
Zuerst führt der Weg stadtauswärts
durch traurige Agglomeration, dann wird’s
friedlich. Hügeliges Ackerland, Weiden mit
Kühen drauf, vereinzelt daliegende Bauernhöfe. Nach etwa drei Kilometern taucht zwischen den welligen Wiesen und Wäldchen
ein herrschaftliches Gut auf, ein grosser
Teich mit Springbrunnen davor, drumherum ein parkartiger Garten: das dreihundert Jahre alte Hotel Bad Schauenburg. Der
Badebetrieb ist längst aufgegeben worden,
doch aus sämtlichen Hähnen fliesst nach
wie vor eigenes, gesundes Quellwasser. Die
Gästezimmer sind solide renoviert und behaglich eingerichtet wie die bei einem reichen Freund auf dem Land. Das Restaurant
des Hauses ist weit herum bekannt, die Atmosphäre in den beiden Salons, in denen
gespeist wird, festlich.
In der Nacht ist nichts als das Plätschern
des Brunnens zu hören, dann und wann die
Glocke einer grasenden Kuh, und man versinkt in tiefem, traumlosem Schlaf. Nach
dem Frühstück, das in einem Wintergarten
mitten in der Landwirtschaft eingenommen wird, reist man erholt ab, als hätte man
das ausgeklügeltste Wellnesswochenende hinter sich, umschmeichelt von feinsten
Hanro-Garnen – gewonnen für die Devisen
des Esse-Quam-Videri-Clubs. |
Finanz und Wirtschaft LU X E | 13
guebelin.ch
MUST HAVE
von Emmanuel Grandjean
Jambox
jukebox
Sommersound 2011, designt vom Lausanner
Yves Béhar. Der in San Francisco lebende und
arbeitende Gestalter hat bereits ein BluetoothHeadset für Jawbone, Hersteller schöner und
intelligenter Audioprodukte, kreiert. Die Jambox
ist ein schnurloser, ultrastarker Lautsprecher, der
via Bluetooth mit dem Rechner und dem iPod
betrieben wird. Am Computer angeschlossen,
kann das intelligente Gerät Audio-Apps und
Software direkt von der Site des Herstellers
herunterladen. Jawbox gibt’s in vier Modellen
und Farben. 200 Fr. www.jawbone.com
Inspiration
made by Gübelin.
Das Juwel verlangt nach ausserordentlichem Handwerk. Nach Erfahrung
und Wissen in der Wahl der wertvollsten
Edelsteine. Doch erst die inspirative
Kreation, das Spiel mit Material, Farbe
und Licht schafft die entscheidende
Qualität: Schafft es, dass das grösste
Glanzstück nicht der Schmuck ist.
DR
Sondern Ihr persönlicher Auftritt.
14 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Finanz und Wirtschaft LU X E | 15
MUST HAVE
Pack die Badehose ein!
Apropos Badehose: Überlassen Sie die Shorts mit Blumenmuster den Surfern, den Minislip den Schwimmsportlern.
Die Auswahl ist immer noch gross genug, das Angebot
riesig, der gute Geschmack nicht immer die Regel. Wir
empfehlen die knallblaue Hose von Kitsuné. Die Pariser
Kleidermarke ist gleichzeitig eines der momentan angesagtesten Musiklabels. In diesem cool-eleganten Modell aus
der neuen Kollektion «Reporter», eine Hommage an den
Filmemacher Michelangelo Antonioni, sehen Sie auch am
Strand wie ein echter Preppy aus. 200 Fr. www.colette.fr
1.
1
2
Schlangenschuhe
Wenn Ihnen die Weste aus Schlangenleder gefallen hat, in
die Nicolas Cage in «Sailor & Lula» gewandet war, werden
Sie sich für Sneakers aus schwarzem Schlangenleder des kalifornischen Glam-Trash-Designers Rick Owens begeistern.
Das richtige Schuhwerk, um auf der Terrasse echsenmässig
zu dösen.
1200 Fr. www.farfetch.fr
2.
3. Blauer Freitag
Der Zürcher Taschenhersteller ergänzt seine Luxuskollektion
Reference mit neuen Modellen (Bateau-Taschen, grosse
Umhängetasche) und zwei neuen Farben. Nach Grau und
Rot im Jahr 2010 lanciert Freitag die Farben Ultramarin und
Türkis. Schön, praktisch, Freitag. Wir sind begeistert.
Weekender Lovejoy, 560 Fr. www.freitag.ch
Runde Gläser
Die Zeiten sind schwierig, die Welt zittert. Vielleicht wäre
es der Moment, einen neuen Summer of Love zu erleben.
Im Ray-Ban-Katalog gibt es unter den Vintage-Brillen das
passende Accessoire dazu. Runde Brillen mit Metallfassung
sind wieder im Kommen, und John Lennons «Give Peace a
Chance» ist aktuell wie noch nie.
Ab 160 Fr. www.ray-ban.com
4.
3
5. Gottes Amulett
Paris Kain ist ein New Yorker Schmuckkünstler, der versilbertes Platin mit verschiedenen Materialien und Steinen
kombiniert. Abraxas Rex ist die Marke des Designers, ein
terrestrischer, mystischer Mix, der sich am Namen des gnostischen Gottes des Lichts und der Finsternis inspiriert. Für
dieses «Ramulette» hat Kain eine neue Religion erfunden,
indem er elektronische Komponenten mit einem massiven,
gebürsteten, mit zwei Diamanten besetzten Silberplättchen
verbindet. Gottes Amulett?
2500 Fr. www.colette.fr
5
6
16 | Finanz und Wirtschaft LU X E
6. Die Feder aus dem All
2011 ist das Jubiläumsjahr des ersten Menschen – Juri Gagarin – im Weltraum. Caran d’Ache (Russisch für Bleistift)
ist traditionell mit dem Reich der Zaren verbunden und ehrt
die Raumfahrt des sowjetischen Kosmonauten mit zwei
limitierten und nummerierten Editionen. Die Gedenkedition
1961 besteht aus 1961 versilbert-rhodinierten Füllfederhaltern
und Rollern, die Jubiläumsauflage aus 50 goldplattierten
Füllfederhaltern und Rollern, die mit einem schwarzen
Diamanten besetzt sind. Schwarz wie das All.
Preis zwischen 1250 und 2250 Fr. www.carandache.ch
Als Inbegriff traditioneller Uhrmacherkunst und zeitloser
Eleganz begleitet der Chronograph Capeland die wertvollsten
Augenblicke des Lebens in vollendeter Balance zwischen
Authentizität und Stil. www.baume-et-mercier.com
DR
4
Finanz und Wirtschaft LU X E | 17
MUST HAVE
Wer mit neuen
Energien spielt,
nimmt sie ernst.
Champagner auf
auf Eis
Eine Investition in Wind- oder andere erneuerbare
Energien ist nachhaltig im Sinne einer langfristig
betrachteten Rendite und zugleich ein klares Bekenntnis
zum verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen.
Die Bank Sarasin ist führend auf dem Gebiet des
nachhaltigen Investierens. Sie bietet auf Ihre persönlichen
Bedürfnisse zugeschnittene Dienstleistungen und Anlagelösungen an. Auch als Beitrag an die Welt von morgen.
Tel. 0800SARASIN, www.sarasin.ch
Nachhaltiges Schweizer Private Banking seit 1841.
Puristen sind schockiert,
Weinliebhaber schaudert’s.
Moët & Chandon bringt
auf den Sommer 2011 den
ersten Champagner heraus,
den man auf Eis trinkt. Mit
seinem zarten, nach roten
Beeren duftenden Aroma wurde der Moët Ice Imperial speziell
für die schöne Jahreszeit konzipiert. Die schneeweisse Flasche ist
nicht im Handel erhältlich, sie kann in
rund dreissig exklusiven, sorgfältig ausgesuchten Sommerlokalen geordert werden. Die
Adressen finden Sie auf
DR
www.moeticeexperience.com
18 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Finanz und Wirtschaft LU X E | 19
BASEL • BERN • DELHI • DOHA • DUBAI • DUBLIN • FRANKFURT • GENF • GUERNSEY • HONGKONG • KÖLN • LONDON
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TECH-trends
von Emmanuel Grandjean
Das passende
Köfferchen
für mein iPad
3D-Look
Finden Sie die 3D-Brillen ebenfalls unsäglich
hässlich? Sie fühlen sich damit wie ein verwirrter
Nerd in seinem Labor. Der Brillenhersteller
Marchon sorgt jetzt für Abhilfe. Der offizielle
Lieferant von Calvin Klein, Lacoste, Michael Kors
und Karl Lagerfeld bringt eine eigene Kollektion
auf den Markt. Kompatibel mit dem in Kinos
meistverwendeten 3D-System RealD, ist die Brille
so attraktiv und sexy, dass man sie sogar wie eine
normale Sonnebrille trägt. www.marchon.com
D
as teuerste und auch protzigste iPad-Accessoire der
Welt kostet die Kleinigkeit von
35'000 Fr., zu haben beim Pariser Gepäckhersteller T.T. Trunks.
Das teure Stück enthält eine Ladestation für Apple iPad (und alle
andern Mobilegeräte), einen Zigarrenhumidor, Pokertisch und
eine Whiskybar. Der New Dandy Trunk, so die Bezeichnung
des edlen Reisebegleiters, wird
selbstverständlich von Hand aus
den edelsten Materialien hergestellt, die auf unserer Hemisphäre zu finden sind.
www.tttrunks.com
Nostalgie-Tastatur
Peng, peng!
Das Design ist
schon ein bisschen
gewöhnungsbedürftig, und man
fragt sich, ob
es wirklich eine
Jahrhundertidee
ist, Kopfhörer wie
9- mm-Geschosse
aussehen zu lassen.
Der Einfall geht
auf das Konto von
Munitio, Spezialist für akustische Accessoires. Die
Ohrlautsprecher, mit denen Sie aussehen wie ein
Bad Boy, sind aus Titan oder 18-Karat-Gold (auf
500 Stück limitiert) und kosten 160 bzw. 250 Fr.
Erhältlich sind sie auch in der Version All Black
mit integriertem Mikrofon. www.munitio.com
20 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Hommage an Ferrari
D
ie Welt besteht nicht nur aus
iPhones, es gibt daneben eine ganze Reihe superluxuriöser Handys. Nokia hat ihre Kollektion hochpreisiger
Mobiles erweitert. Das jüngste Modell der Kollektion Vertu Ascent, eine
Hommage an den italienischen Autobauer, trägt das Ferrari-Wappen auf
dem mattschwarzen Gehäuse. Die
Spezialedition Scuderia ist mit den in
diesem Preissegment üblichen Funktionen ausgestattet (3G, 5-Megapixel-Kamera), inklusive sämtlicher Luxusdienstleistungen von Vertu wie
des berühmten Concierge-Service,
der Ihnen rund um die Uhr in allen Lebenslagen zur Seite steht. Limitierte Auflage von 2011 Exemplaren. Der Stückpreis ist noch geheim.
www.vertu.com
www.syzgroup.com
photos : DR
Haben Sie genug vom Minimal-Electro-Design?
Sehnen Sie sich nach üppig geschwungenen
Jugendstillinien? Inspiriert vom Chrysler Building hat der geniale amerikanische Designer,
Bastler und Technofreak Richard «Doc» Nagy
ein Retro-Keyboard konzipiert. Die Schale ist
aus Aluminium und gebürstetem Kupfer, die
runden Tasten erinnern an die Knöpfe im Lift des
nach der Zerstörung des World Trade Center
symbolträchtigsten Gebäudes New Yorks. Die Peripheriegeräte im 1930er-Stil sind schick, der Preis
ist allerdings auf 2011-Niveau: Ca. 2600 Fr. kostet
Sie das exklusive Gefühl, auf einer Remington zu
tippen. Tastatur The New Yorker für PC.
www.datamancer.net
welcome
to syzerland
BANK SYZ & CO AG
Genf | Zürich | Lugano | Locarno
Finanz und Wirtschaft LU X E | 21
a u to | m o d e fa r b e | von Emmanuel Grandjean
o l fa k to r i s c h | t i pps | von Blaise-Alexandre Comte
Spiel der Liebe und
der Düfte
Der gepflegte Mann, die gepflegte Frau
beherrschen die Sprache der Düfte und
wissen sie in ihrem Spiel um Verführung
meisterhaft anzuwenden.
matt
Für die Ehefrau
Im so wunderbar pariserisch-bürgerlichen Parfumgarten von
Hermès emanzipiert sich die Ehefrau in ein heiteres, treuvolles
Dasein. Als unbeschwerte Verlobte kostete sie die exaltierten,
exotischen Sinnlichkeiten von «Un Jardin sur le Nil», «Un Jardin
en Méditerranée» oder «Un Jardin après la Mousson». Heute
gibt sie sich ruhig und gelassen.
Milder Frühlingsabend, die Geräusche der Stadt verflüchtigen
sich, die Frau auf dem Dachgarten an der Rue Faubourg geniesst
ihre Sinnlichkeit, Düfte von Agrumen und Apfel vereinigen sich
mit aromatischen Gewürzen. Alles ist leicht, lustvoll, flüchtig.
Zart und komplizenhaft die Intimität mit dem Liebhaber einer
Nacht. Die Frau, schön und begehrt, möchte den Moment des
gestohlenen Glücks festhalten.
«Un Jardin sur le toit» von Hermès, sinnlich, nostalgisch, lustvoll.
Eau de Toilette ab 137 Fr.
Mein Auto strahlt
V
on weitem gleicht das Gefährt einem
Batmobil, das zufällig in der blauen
Zone der Genfer Altstadt gelandet ist. Tatsächlich handelt es sich um einen Porsche
911 GT3, dessen raketenförmigen Kurven
mit einer seltsam stumpfen Textur überzogen sind. Matt lackierte Autos sind derzeit im Trend. Sie erinnern an Höllenmaschinen, Tarnflugzeuge und Boliden
aus Comics. «Seit etwa eineinhalb Jahren
sind solcherart getunte Fahrzeuge angesagt», stellt Christophe Mariou, Verkäufer
im Porsche-Center in Genf, fest. «Bei uns
haben wir jedoch nur wenige mattfarbige
Fahrzeuge gesehen, wenn’s hochkommt,
zwei, denn Porsche bietet diese Farben
22 | Finanz und Wirtschaft LU X E
nicht serienmässig an.» Die Mode ist also
noch jung und wird vermutlich nicht ewig
dauern. Nur wenige Autohersteller haben
Mattlackierungen im Angebot. Bei Citroën
gibt es sie als Option, Peugeot offeriert das
Coupé RCZ Asphalte matt lackiert in einer
Auflage von 500 Stück.
Mattfarben werden ohnehin eher von
Besitzern von Luxussportwagen und 4x4Fahrzeugen – Audi, Bentley, Range Rover,
Mercedes oder Lamborghini – gewählt.
Wobei es nicht ganz klar ist, weshalb man
gerne ein Fahrzeug steuert, das an einen
Panzer erinnert. «Es ist der gewisse BadBoy-Look, der vielen Lenkern gefällt»,
glaubt Christophe Mariou zu wissen, denn
«die Mattlackierung iVom deutschen Tulässt Karosserien ag- ner Gemballa: Porsche
gressiv aussehen.» 980 Carrera GT mit
matter Lackierung.
Was die einen mögen, verabscheuen die andern, weil die Autos wie Militärfahrzeuge aussehen. Dazu
kommt, dass matte Farben sehr anfällig
sind und sorgfältige Pflege verlangen. Diese Autos sind schwierig zu reinigen. Abspritzen oder durch die Waschanlage rollen machen dem Matteffekt den Garaus.
Das geht ins Geld, denn die Neulackierung
kostet gut und gerne 12 000 Fr. Es gibt allerdings ein günstigeres Verfahren mit
dem gleichen Effekt, das nur etwa 8000 Fr.
kostet. «Die Originallackierung wird mit
einer Spezialfolie überzogen. Die meisten
opaken Fahrzeuge sind heute mit diesem
Verfahren behandelt», erklärt Mariou. Der
Vinylüberzug hat überdies mehrere Vorteile: Er ist wasserbeständig, schützt vor
Kratzern, die herkömmliche Farbe wird
nicht beschädigt, und der Film kann später
problemlos entfernt werden – wenn Matt
nicht mehr Mode ist.
Für den Ehemann
Die Überschreitung von Grenzen setzt Raffinesse und die Beherrschung von Codes voraus. Der Mann von heute, der sich als
elegant bezeichnet, setzt dabei auf sein «Eau de Gloire». Animalische Noten unterstützen den Duft der Hesperiden, die traditionell im Eau de Cologne zu finden sind. Diese Komposition von
gegensätzlichen Düften ist von vieldeutiger Attraktivität. Die
vom Lavendel beherrschte Frische, die erquickende Sinnlichkeit
der Agrumen und des Neroli tarnen die dekadente Animalität
des Leders, das von hellem Tabak und Rauchtee Unterstützung
erhält. Vor diesem komplexen Duft wird die Umworbene kapitulieren, die Ehefrau zur zärtlichen Geliebten werden.
«Eau de Gloire» aus dem Hause Parfum d’Empire ist der Duft
des eleganten, klugen Verführers. Eau de Parfum, ab 100 Fr.,
www.parfumdempire.fr
Für die Geliebte
Der von seinen Begehren geleitete Mann sucht immer und immer wieder animalisches Empfinden. Die Intensität der Lilie verführt Körper und Seele, weder das jungfräuliche Neroli noch der
sanfte Weissdorn vermögen die Sinne zu beruhigen, und auch
Weihrauch rettet die Seele nicht. «Louanges profanes» von Parfumerie Générale steigert den Reiz der heimlichen Begegnung
und Hingabe. Die leidenschaftliche, sinnliche Geliebte verströmt
intensive holzige Süsse, ihre Haut duftet animalisch, verboten.
«Louanges profanes», das Parfum der gefährlichen Sinnlichkeit,
der duftende Lobgesang am Altar der Liebe.
Eau de Parfum ab 160 Fr. www.boutique-parfumerie-generale.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 23
z e i tg e n ö s s i s c h e k u n s t | b e g e g n u n g | von Emmanuel Grandjean – Fotos : Alban Kakulya
«Kunst ist interessanter als der Künstler»
John Armleder nennt Zufall und Zusammenarbeit die
Elemente des Kreationsprozesses. Gespräch mit einem
bedeutenden, spannenden Künstler, der sich selbst als
uninteressant bezeichnet.
Immer. Selbst wenn ich das genau gleiche
Bild male, gibt es immer Unterschiede. Interessant ist, immer mehr zu delegieren.
Was sonst ist das Ziel? In der Kunst, die ich
mache, bin ich fast nichts.
B
Sie beschreiben sich als uninteressant. Aber
die Kunst, die Sie machen, interessiert Sie?
Dies zeigt sich in meiner Arbeit. Mein Oeuvre drückt absolut nichts von meiner Person aus. Ich betrachte die Persönlichkeit
des Künstlers als eine Art Nebenschauplatz.
Sie ermöglicht Kommentare, hat aber mit
seiner Aktion nichts zu tun. Ich hege immer
noch die Hoffnung, dass die Kunst interessanter ist als der Künstler.
ücher, nichts als Bücher, bis unters
Dach. Auf dem Arbeitstisch Karten,
Plüschtiere, allerlei Objekte, Papier. Aber
keine Spur von einem Kunstwerk. Das
Atelier des Genfer Künstlers John Armleder ist mehr ein Dokumentationszentrum, ein Dojo als ein Ort der Kreation.
Beim Betreten hat man das Gefühl, in den
Kopf des Künstlers einzudringen. John
Armleder ist einer der bedeutendsten Akteure zeitgenössischer Kunst. Als Jugendlicher gelangte er zur Kunst, ohne sich
dessen wirklich bewusst zu sein, war in
den Sechzigerjahren Anhänger der Fluxus-Bewegung, bezeichnet sich heute als
wenig autoritären Künstler, der es sinnvoll findet, die Realisation eines Werks
zu delegieren bzw. zu verlagern. Er ist ein
Mann, für den sich Zufälle immer günstig
auswirken, dessen Missgeschicke in der
Malerei sich schliesslich stets als Glückfall entpuppen. Er ist aber auch ein Überlebender, der 13 lange Monate im Spital
zwischen Leben und Tod schwebte. Fast
genau ein Jahr nach seiner Genesung begegneten wir einem Künstler in Topform,
der in der Zwischenzeit die Pariser Boutique Hublot mit Riesengemälden ausgestattet, für den Genfer Uhrenhersteller
Romain Jérôme ein Uhr kreiert und die
Arbeit an einer Ausstellung wieder aufgenommen hat.
Monsieur Armleder, Sie stellen diesen Sommer in der Peggy Guggenheim Collection
in Venedig eine Skulptur aus, die Sie noch
vor Ihrer Krankheit begonnen haben. Es soll
sich um Glasobjekte handeln?
Ursprünglich ist es ein Projekt von Sandro Rumney, dem Herausgeber von «Art
of the Next Century», mit dem ich bereits
zwei Gehirne, ein silbriges und ein gläsernes, geschaffen habe. Peggy Guggenheim
war seine Grossmutter, und Sandro erhielt die Gelegenheit, eine Ausstellung im
Garten der Peggy Guggenheim Collection
zu organisieren. Die Idee, mit Glas zu arbeiten, drängte sich in Venedig geradezu
auf. Also gingen wir nach Murano, trafen
dort Glasbläser und diskutierten mit ihnen, was man machen könnte.
24 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Sie sind nach Murano gegangen, ohne ein
Projekt zu haben?
Natürlich hatte ich eine Idee. Ich wollte ein
Projekt aus reinem Glas mit Einschlüssen
von Metall oder vielleicht gar Wasser. Was
bei der Arbeit mit diesem Material schon an
sich ein Widerspruch ist. Die Glasmacher
haben sofort gesagt, dass dies völlig unmöglich ist, da das Glas zerspringt. Aber wir haben weiter diskutiert und insistiert, bis das
Unmögliche möglich wurde und die Glasbläser von der Idee, etwas Unrealisierbares
zu realisieren, total begeistert waren. Dann
entwarfen wir die Objekte in Funktion des
Ausstellungsortes. Es handelt sich dabei um
eine 2,3 m hohe Säule, die aus übereinandergesetzten Spiessen besteht – man denkt
an einen Igel aus geblasenem Glas –, und
zwei Wände mit Glasziegeln, die Einschlüsse von Luftblasen und Muranoglasscherben, zum Beispiel Fragmente der venezianischen Glasclowns, enthalten.
Bestimmt haben die Glasbläser Ihr Vorgehen
als seltsam betrachtet?
Glasbläser sind sehr offen für Kreativität. So
oder so, für sie war ich der Maestro. Wobei
ich ihnen immer wieder sagte, dass sie die
eigentlichen Künstler sind, da, objektiv gesehen, sie es sind, die meine Objekte produzieren. Das hat sie sehr amüsiert.
Sie arbeiten durch delegieren?
Absolut. In diesem Fall war die Arbeit schon
etwas speziell und für die Glasbläser recht
kompliziert. In der Regel erwarten sie Anweisungen bezüglich der Farbtöne. Ich hatte aber überhaupt keinen Plan, sodass ihr
Input fast wichtiger war als der meine. Es
ist schon oft vorgekommen, dass ich Handwerkern wenigstens eine Art Skizze vorlegte, in der Absicht, Raum für ihr Können
und ihre Qualitäten zu schaffen. Ich liebe
es, wenn man mir etwas gibt, das ich nicht
habe. Auf diese Weise beschränkt sich das
Werk nicht auf mich und meinen Charakter, den ich im Übrigen völlig uninteressant
finde.
Auf diese Weise entstehen Werke,
die sich nie gleichen.
Diese Haltung versteht aber nicht jedermann.
Ich begreife, dass diese Haltung nicht unbedingt verständlich ist. Auch habe ich durchaus Verständnis für die romantische Vision,
die man von Kunst und Künstler hat. Die
Idee des absoluten Schöpfers, des Künstlers, der die Tristesse des Lebens oder Ähnliches ausdrückt, stimmt ebenfalls. Diese
Option ist in Ordnung, auch wenn ich eine
andere Konzeption habe. Die meine ist einfach eine andere Art des Betrachtens, das
Resultat aber das gleiche. Wir beide sind
das Ergebnis eines kollektiven Gedankens
zu einem bestimmten Zeitpunkt. Wir sind
die Instrumente einer Epoche, für die wir
eine bestimmte Anzahl Objekte kreieren.
Diese werden uns später entgleiten und an
andere Personen in einem andern Kontext
übergehen.
Wie Ihre ersten «Furniture Sculptures», die
ein abstraktes Bild mit Möbelstücken assoziieren und die Sie seit 1979 ausstellen. Mit
dem Aufkommen des Vintage Design werden
diese Objekte auch anders betrachtet.
Anfänglich interessierten sich die Menschen nicht für die Möbel der «Furniture
Sculptures». Es waren einfache Möbelstücke, die ich bei Emmaus oder Caritas gefunden hatte, und noch keine Trendmöbel.
Nach und nach fand eine Weiterentwicklung des Stils statt, Möbel ohne Signatur aus
den Fünfziger- und Sechzigerjahren waren
wieder angesagt. Von diesem Moment an
glaubten die Menschen an die Renaissance
des aus der Mode gekommenen Modernismus. Eine der wichtigen Aussagen von
«Furniture Scuplture» ist, dass ein Gemälde
stets hinter einem Sofa gehängt wird. Deshalb die Idee, ein Ensemble von Möbel und
Bild zu kreieren. Nur, sobald Sie Bild und
Finanz und Wirtschaft LU X E | 25
z e i tg e n ö s s i s c h e k u n s t | b e g e g n u n g
Sofa liefern, getraut sich niemand mehr, darauf zu sitzen. Das Bild hingegen betrachtet
man immer wieder.
Marcel Duchamp sagte: «Es sind die Betrachter, die die Bilder machen.» Teilen Sie
die Meinung des offenen Bildes?
Ein Kunstwerk ist per Definition etwas
völlig Offenes. Es kommt vor, dass es in
einem Kontext gefangen ist, der dem
Werk diese und keine andere Bedeutung zugesteht. Was nicht zuletzt den
Tod des Werks bedeutet. Dies zeigt sich
auch in unserer kulturellen Erinnerung,
die bestimmte Momente im Werdegang eines Künstlers favorisiert und sie
dann weglegt.
Zum Beispiel?
Die Art, wie man sich mit dem Werk von
Francis Picabia befasst hat, hat mich immer verblüfft. In meiner Jugendzeit war
er ein Dadaist, der kleine, mechanische
Bilder machte.
Dann wechselte das allgemeine Interesse, und man
wandte sich seinen «Transparenzen» zu,
die wenige Jahre früher noch als grosser
Kitsch gegolten hatten. Später konzentrierte er sich auf Genremalerei, kreierte
phänomenale Bilder und am Ende seines
Lebens die verkrusteten Abstraktionen.
Übrigens hat man mir seine Werke en
masse und spottbillig angeboten.
Was einige Personen nicht davon abhalten
wird, Ihre Arbeit vor und nach der Krankheit
zu interpretieren.
Das ist so. Für einige Menschen hat die Tatsache, dass ich im Herbst bei Andrea Caratsch in Zürich Gehirne und Totenköpfe
ausstellen werde, natürlich eine bestimmte Bedeutung. Sie erkennen darin möglicherweise Intuition. Aber daran glaube ich
nicht, ebenso wenig, wie ich an Vorahnung
glaube. Gleichzeitig kann ich ihnen nicht
ganz unrecht geben.
Sie kultivieren eine sehr coole Haltung
gegenüber Ihrer Person und Ihrem Werk.
Es ist schwierig, Sie sich als autoritären
Mann vorzustellen.
Sagen wir so, ich bin nicht besonders autoritär. Aber wenn Sie ein Werk schaffen und
es aufs Spiel setzen, dann ist dies ein autoritärer Akt. Man muss sich immer bewusst
sein, dass jeder von uns eine enorme Wirkung auf sich selbst und die andern ausübt.
In einer gewissen Weise sind
wir wie in der
TV-Serie alle
Eindringlinge,
was unserem Dasein eine charmante Seite
verleiht. Man besitzt fest definierte Ansichten über das, was man gemeinhin als Realität bezeichnet. Wobei sich diese jeder Kontrolle entzieht und viele Dinge produziert,
die über uns hinaus geschehen und uns verwandeln.
« Ich glaube weder an Intuition
noch an Vorhersehung.»
Und haben Sie gekauft?
Nein, aber angesichts der heutigen Preise hätte ich es tun sollen. Wie auch immer, weder kaufe ich Bilder, noch kümmere ich mich um den Verkauf meiner
eigenen Sachen.
Sie haben über ein Jahr im Spital verbracht
und sind dort, wie Sie sagen, «fünfmal
gestorben». Wie findet man aus einem
solchen Erlebnis heraus?
Nach diesem langen Spitalaufenthalt,
während dessen man mich einige Male
für tot erklärt hatte, wurde ich oft gefragt, wie die Krankheit meine Arbeit beeinflussen wird. Ich sagte immer, dass
ich Dinge nicht auf diese Weise betrachte – auch als gesunder Mensch sehe ich
sie anders. Aber in diesem Fall hat sich
meine Wahrnehmung radikal geändert.
Was meine Arbeit angeht, wird sich allerdings nichts ändern. Denn so, wie ich
funktioniere, gibt es keinen Grund für
eine Änderung.
Objekte kreieren, die die Welt verändern –
war dies Ihr Ziel, als Sie beschlossen, Künstler
zu werden?
Ich war noch so jung, ich glaube, ich wusste
nicht, was mit mir geschah.
Das war zur Zeit der Gruppe Luc Bois.
Sie waren 16?
Ich habe mich immer vor der Idee gefürchtet, dass Dinge stabil, sicher sind. Es
war eine andere Zeit, die Epoche der Hippies. In den Sechzigerjahren hatten wir
alle den Eindruck, dass wir die Welt verändern mussten. Eine der Möglichkeiten bestand darin, dazu das freieste Instrument
überhaupt zu finden. Kunst vermittelte uns
nicht nur den Eindruck von Freiheit, sie
machte uns tatsächlich frei. Für uns war
Kunst eine Waffe. Damals standen uns zwei
Möglichkeiten offen: Wir wurden entweder
Teil der Gesellschaft oder wir wählten den
Widerstand, indem wir einen neuen Weg
gingen. Mein Weg war vorbestimmt, meine
Familie besass ein Hotel, ich sollte Hotelier
werden. Letztendlich wurde es schwieriger
Realwirtschaft
Transparentes
Konzept
Swiss
Finish
Die 500 besten Unternehmen
der Welt in Ihrem Portfolio
für meinen Bruder, der das Familienunternehmen übernahm, während ich es vorzog,
Künstler zu werden.
Wenn Sie diese Überzeugungen teilen, sollten wir
miteinander sprechen:
Eine Ihrer Einladungen zu einer Ausstellung in
Zürich ist mit elektrischen Gitarren illustriert,
sehr Pop, sehr Hardrock. Das Instrument
entdeckt man häufig in Ihren Werken. Wegen
seiner Ästhetik oder wegen seines Klangs ?
Elektrische Gitarren interessieren mich insofern, als sie unnötigerweise aussehen wie
akustische Gitarren. Mehr als die klassische
Gitarre wird die elektrische mit einem bestimmten Musiker assoziiert. Es handelt
sich um ein Objekt, das auf verschiedenen
Ebenen interpretiert werden kann. Wenn
ich Streifen auf einem Bild mit einer Gitarre verbinde, die mit konzentrischen Kreisen dekoriert ist, erkennen einige Betrachter auf Anhieb den Gitarristen, während
andere nur gerade die Zeichnung mit der
Zielscheibe sehen oder vielleicht an einen
Bienenschwarm denken. Dies genau ist das
Ziel des Kunstwerks: Keine Interpretation
privilegieren, alles hängt von der Kultur des
Betrachters und der Betrachterin ab. Mit
andern Worten, ich kann Ihnen nicht sagen,
welches Instrument ich bevorzuge, denn
ich spiele keines.
1 Finanzen sind eine angewandte Kunst, bei der
es nicht nur um quantitative Technik geht
2 Die Performance wird von der Realwirtschaft
und ihren Unternehmen erzielt
3 Kritische Auswahl und definierte Ausschlusskriterien machen die gute Asset Allocation aus
4 Die besten Anlagewerte werden dank der
offenen Architektur entdeckt
5 Die starke Diversifizierung erhöht die Rendite
und verringert das Risiko
6 Eine einfache Struktur macht ein Portfolio
robuster
7 Der Anleger bestimmt seine Ziele, seinen
Zeithorizont und seine Risikofähigkeit
8 Die Anlagephilosophie entscheidet über die
Portfolio-Performance, nicht die Grösse der
Bank oder das individuelle Talent der Verwalter
Die Berater der Banque Cantonale de Genève
stehen Ihnen zur Verfügung, um mit Ihnen darüber
zu diskutieren sowie ihre Überzeugungen und
Erfahrungen in der Vermögensverwaltung mit
Ihnen zu teilen.
Nicht mal Klavier ?
Nein.
Und doch sieht man Sie auf einem Foto am
Klavier anlässlich einer Performance in St.
Gallen im Jahr 1981.
Ich reinterpretierte die «4’33“»-Stille von
John Cage. |
John Armleder stellt diesen Sommer in der
Peggy Guggenheim Collection in Venedig
aus, www.guggenheim-venice.it, im Herbst
in der Galerie Andrea Caratsch, Zürich,
www.galeriecaratsch.com
Genève Zürich Lausanne Lugano Lyon Annecy Paris
26 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Satellit Galileo: 34°00’13,19”N – 17°25’14,69”O – 23’222 km
www.bcge.ch/bestofFinanz und Wirtschaft LU X E | 27
Gertsch
kunsthaus ZÜrich
kunst
28 | Finanz und Wirtschaft LU X E
54e Biennale venedig
D
Mai-Thu Perret «Donna Come Me»,
photo : The Kitchen, New York
ie älteste Biennale der Welt wird dieses Jahr von
einer Schweizerin kuratiert. Bice Curiger aus
Zürich stellt den internationalen Mammutevent unter
das Motto ILLUMInations. Dahinter steht die Idee,
die Kunst als Mittel der universellen Kommunikation
darzustellen, die unsere Gedanken erhellt. 82 Künstler aus allen Bereichen werden Venedig zum Leuchten bringen.
London
Miró in der Tate
Für Miró fährt die Tate Modern
schweres Geschütz auf. Sie zeigt
150 Gemälde, Zeichnungen und
Skulpturen aus den 60 Schaffensjahren des Künstlers. Die erste
Retrospektive des Surrealisten seit
50 Jahren in London und das «must
see» der Saison.
Bis zum 11. September 2011, Tate
Modern, www.tate.org.uk
Karlsruhe
Bollinger
wiederentdecken
In einer gross angelegten Werkschau
werden 30 Skulpturen und 100 Arbeiten auf Papier des amerikanischen
Bildhauers präsentiert. Bollinger,
der in einem Atemzug mit Bruce
Nauman, Robert Smithson, Richard
Serra und Eva Hesse genannt wird,
hatte sich 1975 aus der künstlerischen
Szene verabschiedet.
Bis zum 25. September 2011, ZKM –
Museum für Neue Kunst, on1.zkm.de
Foto: Harry Shunk Roy Lichtenstein Foundation
DR
Bis zum 27. November 2011, labiennale.org
Joan Miró and
Fundació Joan Miró,
Barcelona
Franz Gertsch, Jahreszeiten – Werke 1983 bis 2011, bis zum 18. September, Kunsthaus
Zürich, Heimplatz 1, 8001 Zürich, 044 253 84 84
Valloton, Van Gogh, Hodler, Bonnard:
ein sensationelles Casting, das die
Fondation de l’Hermitage diesen
Sommer an ihre Wände hängt. Alle
gezeigten Meisterwerke stammen aus
der Sammlung von Arthur und Hedy
Hahnloser aus Winterthur. Sie haben die
Werke teils direkt von den Malern oder
bei grossen Kunsthändlern von damals
wie Ambroise Vollard erstanden.
Sammlung Arthur und Hedy Hahnloser,
vom 24. Juni bis 23. Oktober,
Fondation de l’Hermitage, Lausanne,
route du Signal 2, 021 312 50 13,
www.fondation-hermitage.ch
Reto Predini, Zurich
Franz Gertsch
Das Zürcher Rietberg-Museum schreibt
zusammen mit dem New Yorker Metropolitan Museum of Art Weltkunstgeschichte. Über 240 Meisterwerke, viele
davon noch nie im Westen gezeigt,
geben Einblick in 800 Jahre indische
Malerei.
Der Weg des Meisters, Die grossen
Künstler Indiens 1100–1900,
bis 21. August, Museum Rietberg,
Gablerstrasse 15, 8002 Zürich
044 206 31 31, www.rietberg.ch
Meisterwerke in
der Hermitage
erhellt
Serra Studio, New York / Nancy Lee Katz,
2011 ProLitteris, Zürich
Grosse Kunst aus Indien
ine schwarze Weste, ein Mädchen und eine Gitarre: 1979 porträtierte
der Schweizer Franz Gertsch Rockstar Patti Smith im Grossformat.
Gertsch ist einer der wichtigsten Vertreter der in den USA entstandenen Bewegung des Hyperrealismus. Diesen Sommer zeigt das Kunsthaus
Zürich einen Rückblick auf das Schaffen des Berner Künstlers. Seine in
ihrer fotografischen Präzision einzigartigen Portraits und Landschaften
umfassen neben Gemälden auch Holzschnitte. Einer davon ist der eben
vollendete Vier-Jahreszeiten-Zyklus, der im Zentrum der Ausstellung
steht.
ausstellungen im ausland
Brancusi im
Zwiegespräch mit Serra
Der Bildhauer der endlosen Säule trifft
auf den des Tilted Arc. Hinter dieser
genialen Kombination steht, wie könnte
es anders sein, die Fondation Beyeler.
Eine Doppelausstellung in Zusammenarbeit mit dem Guggenheim-Museum
in Bilbao.
Constantin Brancusi und Richard Serra,
bis zum 21. August, Fondation Beyeler,
Baselstrasse 101, 4125 Riehen/Basel,
061 645 07 00, www.fondationbeyeler.ch
E
agenda
Bregenz
Ai Weiwei als Architekt
Eine Ausstellung über die Kooperation zwischen dem von den Behörden seines Landes meistgeächteten
chinesischen Künstler und Architekten. Auch Herzog & De Meuron
gehören dazu. Mit ihnen hat Ai
Weiwei das Olympiastadion in
Beijing realisiert.
16. Juli bis 16. Oktober 2011,
Kunsthaus Bregenz,
www.kunsthaus-bregenz.at
Paris
Manet, der Moderne
Manet kehrt nach Paris zurück.
Dem Maler, der die Kunst seiner
Zeit radikal verändert hatte, wurde
in Paris seit 1983 keine Retrospektive mehr gewidmet. Eine
spannende Ausstellung über das
Werk eines künstlerischen Wegbereiters mit einer bahnbrechenden
ästhetischen Weltanschauung.
Bis zum 3. Juli 2011, Musée d’Orsay,
www.musee-orsay.fr
Museo Thyssen-Bornemisza,
Madrid
Hyperrealismus à la
Mai-Thu Perret reproduziert sich
selbst. Die Genfer Künstlerin ist diesen
Sommer an drei Fronten gleichzeitig
aktiv: an der Biennale Venedig, im
Kunsthaus Aarau und als diesjährige
Gewinnerin des Manor-Preises im
Mamco in Genf. Drei Gelegenheiten,
ihr vielfältiges künstlerisches Werk zu
bestaunen, in dem Kunsthandwerk und
Theater genauso aufeinandertreffen
wie moderne Utopien und Tanz. Und in
dem aus dem Kult-Comic Krazy Kat ein
geniales Ballett wird.
Mai-Thu Perret, bis zum 18. September,
Mamco, 10 rue des Vieux-Grenadiers,
1205 Genf, 022 320 61 22, www.mamco.
ch, bis zum 31. Juli, Kunsthaus Aarau,
Aargauerplatz, 5000 Aarau,
062 835 23 30, www.aargauerkunsthaus
DR
ausstellungen in der Schweiz
von Emmanuel Grandjean und Konrad Koch
Copyright by The Irving Penn Foundation
agenda
Ein Sommer mit
Mai-Thu Perret
Finanz und Wirtschaft LU X E | 29
TREFFPUNKTE
TREFFPUNKTE
von Emmanuel Grandjean und Konrad Koch
von Emmanuel Grandjean und Konrad Koch
Gute Adressen zwischen Genf und Zürich
für alle, die Mode und Design schätzen
DR
Bars und Restaurants, die schönsten Terrassen für
Businesslunch oder gastronomisches Zwischendurch
Lausanne und Genf: Design mit Stil
Genf:
der Genfersee zu Ihren Füssen
Wunderschöne Lage für den Pool im ersten
Stock des Hôtel Président Wilson, vor den
Augen nur der See und das Bergpanorama.
Sobald die Sonne aufgeht, eilt Tout Genève
herbei, um den Poolgarden, die Bar und das
Restaurant zu geniessen. Küchenchef Ulrich
Behringer verwöhnt die Gäste mit mediterranen
Köstlichkeiten. Bei schlechtem Wetter ist der
Poolgarden geschlossen.
Poolgarden, Hôtel Président Wilson,
Quai Wilson 47, 022 906 66 66,
www.hotelpwilson.com
Lausanne:
Champagner mit Aussicht
Wenn Sie Lust auf atemberaubende Sicht auf
Alpen und Genfersee haben und die raffinierte
Ambiance einer Bar mit Bibliothek geniessen
möchten, empfiehlt sich der Krug Room (nach Paris und Rom der dritte der Welt) auf der obersten
Etage des Lausanne Palace & Spa. Sie entspannen
sich bei einem Glas Champagner – was denn
sonst – oder stillen den kleinen Hunger mit einem
der köstlichen Club Sandwiches, die ebenfalls zum
Ruhm des Ortes beitragen.
Krug Room, Lausanne-Palace, Grand Chêne 7-9,
021 331 31 31, www.lausanne-palace.com
Zeitgenössische Möbel und gefragte Vintage-Wohnaccessoires auf 800 Quadratmetern: Das finden Sie bei Uniquement vôtre, dem pfiffigen Einrichtungshaus an der Avenue
de Sévelin im jungen, pulsierenden Quartier hinter dem
Lausanner Bahnhof. Die Fundstücke tragen die Handschrift
aktueller Label (Moroso, Established & Sons, Danese Milano,
Hay) und grosser Designer von gestern. Auch in Genf betreibt
Uniquement vôtre in der Arkade, in der früher Alexandre
Mottier seine Kunstgalerie führte, einen Showroom mit Laden.
Uniquement vôtre, 54 av. de Sévelin, 1004 Lausanne,
021 626 06 06, und 17 bd. Georges-Favon, 1204 Genf,
022 310 27 42, www.uniquementvotre.ch
Zürich:
intime Stadtoase
Als wär’s ein Stück von Tschechow. Der Birkenhain
im Innenhof des Stadthotels Greulich entführt in
eine Welt weit weg von aller urbanen Geschäftigkeit. Ein Ort vollkommener Ruhe. Am Mittag kühlt
ein Brunnenbecken die Atmosphäre, Hofmauern
speichern die Tageswärme für den Abend. Seit
vergangenem Sommer sorgt der junge Spitzenkoch
Marco Hartmann für eine saisonale, frische Küche
mit einer Prise mediterranem Einfluss.
Greulich Hotel Restaurant, Herman-GreulichStrasse 56, 8004 Zürich, 043 243 42 43,
www.greulich.ch
Zürich: Biedermeier und Country Look
Es ist eine noble Kombination: beste Antiquitäten und feine
Gesellschaftskleidung. Ruth und Rudolf Bosch präsentieren
für die Dame, den Herrn und den Nachwuchs Kleider im Look
der Hamptons, mit italienischer Grandezza oder im adligen
Landhausstil von Ralph Lauren über Pamela Henson bis Habsburg. Drapiert werden die Outfits auf in der eigenen Werkstatt
vollendet restaurierten Möbeln aus Barock bis Biedermeier.
Bosch Antiquitäten & Fashion, Kirchgasse 22,
8001 Zürich, 044 260 24 24, www.rudolf-bosch.ch
Dominic Büttner
Zürich:
mondäne Stadtsicht
St. Moritz: Mondän sportiv
Nicolas Zentner
Es ist die weltweit am höchsten vor Anker liegende PedrazziniJacht. 1860 Meter über Meer symbolisiert das Mahagoniboot
im neu gestylten Flagshipstore der St. Moritzer Modemarke
Jet Set, dass das Label sowohl funktionale Sportswear als auch
das ganze Sortiment an Bekleidung für den sportiven Lifestyle
in der Stadt anbietet.
Jet Set, Via Maistra 28, 7500 St. Moritz, 081 839 81 46
www.jetset.ch
30 | Finanz und Wirtschaft LU X E
In Lausanne ist er eine Institution. Camille, Inhaber der gleichnamigen Boutique, kennt die
von ihm verkaufte Mode, als wäre es seine eigene. Sein Sortiment stammt von exklusiven
Topdesignern für den Mann (Philippe Alvergne, Dries van Noten, Notify, Maison Martin
Margiela, Roberto Collina und Pierre Hardy) und für die Frau (Les Suisses, Collection 66,
Van Bery, Isabel Marant, Vanessa Bruno, Dries van Noten und viele andere). Was ihn so
besonders macht? Camille hat den Durchblick. Mit seinen Adleraugen findet er auf Anhieb
das passende Kleidungsstück.
Camille, 5 rue Caroline, 1003 Lausanne, 021 312 85 15
DR
Zwei Michelin-Sterne hat das Restaurant, in der Fünfsternekategorie ist das Hotel, doch den Sternenhimmel einer Sommernacht verdient die Terrasse des Garden Restaurant vom The Dolder Grand. Hoch
über Zürich gelegen, ist am Abend das Lichtermeer der Stadt so spektakulär wie die Küche mit ihren 17
Gault-Millau-Punkten. An sonnigen Tagen macht das Alpenpanorama jeden Lunch zu einem Ereignis
mit Fernsicht. Wer nur von der Hektik der Stadt ausspannen will, kann das bei Drinks in der Lounge-Ecke.
The Dolder Grand, Kurhausstrasse 65, 8032 Zürich, 044 456 60 00, www.thedoldergrand.com
Fotos: DR
Lausanne: Camille mit dem Blick fürs Wesentliche
Finanz und Wirtschaft LU X E | 31
galerie
d o s s i e r | Z e i t g e n ö s s i s c h e K u n s t | von Emmanuel Grandjean
von Emmanuel Grandjean
Kunst
erzählt
von
Künstlern
Unsere subjektive Galerie
zeitgenössischer Kunst in 17 Werken
E
s wäre naheliegend gewesen, anlässlich der Art Basel und
der Biennale in Venedig, an denen die Schweiz auch dieses
Jahr wieder gut vertreten ist, die erfolgreichsten einheimischen
Künstler aufzulisten, Punkte zu verteilen und die Top 50 der
aufstrebenden Namen zu veröffentlichen. Genau das wollten
wir aber nicht. Denn Künstler nach diesem Prinzip zu werten
macht keinen Sinn. Kunst ist schliesslich kein Schönheitswettbewerb, bei dem der Verkaufserfolg der Autoren ausschlaggebend ist. Wir wollten einen anderen Weg gehen und haben
Schweizer oder in der Schweiz lebende Künstler gebeten, aus
ihrem Bestand ihr Lieblingswerk auszuwählen und es mit einem Wort, einem Satz oder einem kurzen Text zu kommentieren. Die so entstandene Galerie ist eine vollkommen subjektive Auswahl des Kunstschaffens in unserem Land. Sie rückt die
Qualität und die fantastische Vielfalt der Schweizer Kunstszene
ins richtige Licht.
i Stéphane Dafflon
«AST162-168», 2010
sechs Acrylgemälde auf
Leinwand
«Synthese des aktuellen Projekts.»
Stéphane Dafflon lebt und arbeitet in Lausanne. Die
geometrischen, bunten Motive seiner Gemälde am
Rande von Op und Minimal Art schaffen mit wenig
Mitteln gigantische visuelle Spannungsfelder.
f Pierre Vadi
«Zérophobie», 2010
Kokosnuss, Kunstleder
Schlange
Annik Wetter
«Zérophobie – Kokosnüsse, mit silbernem,
schwarzem oder Schlangen-Kunstleder
überspannt – ist eine Art Telepathen-Ball zum
Thema Angst vor dem Dunkeln, vor Geld,
Schlangen, Werten, Ideen, Kopfschmerzen,
vor der Stille und vor der Null. Zérophobie
vereint diese Objekte und zerstreut sie gleich
wieder. Ihr Verhältnis zueinander ist umso beständiger, als sie scheinbar nur über ihr eigenes
Wesen nachdenken.»
32 |32Finanz
| Finanz
undund
Wirtschaft
Wirtschaft
LU X
LU
E XE
s Emmanuelle Antille
Bild aus dem Video «Strings of Affection», 2009
«Dieses Video zeigt die spezielle Verbundenheit einer Frau mit ihrer häuslichen Umgebung. Die Frau benutzt einen Knäuel Schnur und beginnt, Fäden durch alle Zimmer
des Hauses zu spinnen. So erzeugt sie ein Netz innerhalb der Wohnung. Nach und
nach nimmt eine fremdartige innere Geometrie Form an, die zunächst sehr befreiend
wirkt, dann aber schnell total einengt. Die Wohnung wird zum geistigen Raum, und die
Architektur erscheint als Ort der Veränderung und des Umbruchs, sehr offen für die Aussenwelt und dennoch sich selbst einschliessend wie in einer Falle. Ich mag diese Arbeit
sehr, weil ich es das erste Mal wirklich geschafft habe, einen Geisteszustand, etwas völlig
Abstraktes zu materialisieren, indem ich ihn körperlich gemacht habe, ohne dass dabei
die Emotionen auf der Strecke bleiben. Im Gegenteil!»
Emmanuelle Antille lebt und arbeitet in Lausanne. Ihre Videos und Fotos an der Grenze zwischen
Bewusstsein und Unterbewusstsein erzählen Träume und magische Geschichten, die sie von ihrem Bekanntenkreis immer und wieder vorführen lässt. 2003 vertrat sie die Schweiz an der 50. Biennale Venedig.
Ihre Videos sind bis zum 16. Juni im Helmhaus Zürich zu sehen. www.cafedesreves.ch
Pierre Vadi lebt und arbeitet in Genf. Motorsäge aus
transparentem Harz, verhüllte Kokosnüsse, labyrinthartige Installationen: In seinen Arbeiten setzt sich Pierre
Vadi mit Wunschvorstellungen und dem Raum, mit
Geschichte und Genrekino, mit Wirtschaft und inneren
Reisen auseinander. Er stellt bis zum 23. Juli im Espace
d’art contemporain La Tôlerie in Clermont-Ferrand aus.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 33
G A L E RI E | Z e i t g e n ö s s i s c h e K u n s t
p Philippe Decrauzat
«Ohne Titel (Frame)», 2009
Acryl auf Leinwand
Philippe Decrauzat lebt und arbeitet in Lausanne. In seinen optischen
Malereien, Filmen, Klang- und Videoinstallationen setzt er sich mit der
Beziehung des Betrachters mit der Abstraktion und ihrer räumlichen
Wahrnehmung auseinander. Philippe Decrauzat ist Mitbegründer des
Künstlerkollektivs Circuit in Lausanne. Er stellt bis zum 25. Juni in der
Galerie Nymphius Projekte in Berlin aus. www.nymphiusprojekte.de
Thilo Fuchs
«Ich habe diese Skulptur während eines zweiwöchigen künstlerischen Aufenthalts in der
schönen Region Meuse bei Paris mit der Motorsäge aus dem Stamm einer hundertjährigen
Eiche geschnitten. Normalerweise transportiere ich die fertigen Skulpturen an den Ausstellungsort. Diese wird aber immer an ihrem Entstehungsort bleiben, den ich wegen seiner
Umweltqualitäten ausgewählt habe. Meine Holz- und Steinskulpturen sind eine Art moderne
Totempfähle aus aufeinandergeschichteten abstrakten Formen, die ganz intuitiv entstehen.
Ich fange immer mit einer Zeichnung oder einem Tonmodell an, bevor ich die Skulpturen
in Originalgrösse anfertige. Ich mag es, edles Material in
seinem natürlichen Raum zu bearbeiten. Aus praktischen
Gründen arbeite ich im Wald. Er regt nicht nur den
Schaffensprozess an, ich fühle mich dort auch wohl. Die
Skulpturen entwickeln sich nach und nach zu Personen.
Ich gebe ihnen deshalb auch Namen, die auf ihren Entstehungsprozess verweisen. Diese hier heisst Saphira.»
Catherine Ceresole lebt und arbeitet in Rolle. Die Autodidaktin fing
in den Achtzigerjahren mit ihrer Kamera die Band der New Yorker No
Wave in Schwarzweissbildern ein. Damit wurde sie zu einer wichtigen
Zeitzeugin der Musikszene. Ihre dokumentarisch-künstlerische Arbeit
taucht noch heute in vielen Büchern und Bildbänden über diese Epoche
auf. Catherine Ceresole wird ihre Fotos an den nächsten Urbaines in
Lausanne (www.urbaines.ch) und diesen Sommer in der Boutique und
Galerie Pasatiempos in Mallorca www.pasatiempos.net) ausstellen.
34 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Claudia Comte lebt und arbeitet in Lausanne. Sie verknüpft ihre
geometrischen Malereien und ihre Skulpturen mit der Natur, der
einheimischen Tradition und mit persönlichen Erinnerungen. Claudia
Comte stellt diesen Sommer an der 11. Triennale Bex & Arts aus. Bis
zum 25. September,
www.bexarts.ch
«Ich habe die schlechte Angewohnheit, das
Flugzeug immer als Letzter zu verlassen. In Wahrheit nutze ich die Zeit, um vor den fragenden
Blicken der Stewardessen die Unordnung in der
Kabine zu fotografieren. Für einmal habe ich
diese Manie überwunden und mein Objektiv
auf das Rollfeld von JFK gerichtet. Die Twin
Towers im Hintergrund erinnern daran, dass wir
uns in einem anderen Jahrhundert befinden. Ich
habe oft gedacht, dass Flugzeuge eine Seele
haben und ihre Reaktoren sehen können.»
Patrick Weidmann lebt und arbeitet in Genf.
Innenansichten von Flugzeugen, Kitschbilder aus dicht
aneinandergereihten Gläsern in einem Schaufenster,
zerknitterte Seiten eines Pornohefts: Seine Aufnahmen
zeigen das Chaos an der Oberfläche, als wollte er seinen
Abscheu vor Luxus kundtun. Patrick Weidmann arbeitet
an einer Monografie über sein künstlerisches Schaffen, die
Ende Juni im Verlag jrp-ringier erscheint, und nimmt an der
vom Museum Tinguely organisierten Gruppenshow «Auto
Fetisch» zur Ästhetik des Autos des 20. Jahrhunderts teil
(bis 9. Oktober). www.tinguely.ch
Courtesy Praz-Delavallade
i Catherine Ceresole
«Sonic Youth (Kim Gordon), Zürich», 1996
Schwarzweissfotografie
«Diese Schwarzweissaufnahme von Kim Gordon wurde
während eines Konzerts der Sonic Youth in Zürich aufgenommen und bringt treffend auf den Punkt, was ich mit
meinen Szenebildern auszudrücken versuche, nämlich
Emotionen und die Augenblicklichkeit der Momentaufnahmen, verbunden mit Lichtspielen und Kontrasten, denn ich
arbeite hauptsächlich mit Analogfilm und ohne Blitz. Ich
hätte auch ein anderes Bild wählen können, beispielsweise
von Iggy Pop, Suicide oder Lou Reed. Aber Kim passt
besser zur Künstlerszene, wo sie auch sehr aktiv geblieben
ist. Ausserdem gehört sie zu den Personen, die meine
Leidenschaft geweckt haben. Das war in den frühen Achtzigerjahren, als ich mit meinem Mann Nicolas nach New York
kam. Wir waren echte Rockfans und richteten es so ein, dass
wir möglichst viele Konzerte besuchen konnten. Eines Tages
stand ich vor der Bühne, auf der zum ersten Mal die Sonic
Youth auftraten. Ich zog meine Kamera und begann wie
wild zu knipsen. Danach gab ich ihnen die Bilder. So habe
ich es mit allen Künstlern gehalten, damit sie die Fotos für
die Presse verwenden konnten. Ich verlangte keine Gegenleistung, nur einen Backstage-Pass, damit ich die Konzerte
besuchen konnte. Auf diese Weise habe ich alle Musiker
fotografiert, die diese Epoche geprägt haben – von Lydia
Lunch über Alan Vega bis zu den Swans und den Beastie
Boys, die ganz am Anfang ihrer Karriere standen.»
s Patrick Weidmann
«301-31-1998», 1998
Fotografie
s Claudia Comte
«Saphira», 2010
Motorsägenskulptur
«Ein im Zentrum ausgestanztes Gemälde, das sich gegen
aussen weiterentwickelt.»
f Fabian Marti
«THE RISE», 2008
Tintenstrahldruck
«Ich habe dieses Bild ausgewählt, weil es
alles enthält, was mir wichtig ist.»
Fabian Marti lebt und arbeitet in Zürich. Seine
gescannten Bilder, die er aufeinanderschichtet
und dann ritzt, und seine Installationen wecken
Assoziationen zu Man Ray und Francis Picabia.
Ein gewisser Surrealismus, den der Künstler
auch durch die von ihm behandelten Themen
Tod, Sex und Mystik heraufbeschwört. Er nimmt
diesen Sommer an der 54. Biennale Venedig teil,
labiennale.org. Er stellt bis zum 2. Oktober in der
Migrosmuseum aus, www.migrosmuseum.ch.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 35
G A L E RI E | Z e i t g e n ö s s i s c h e K u n s t
f Renée Levi
«Ivry», 2011
Gemälde auf Leinwand
«6. Januar 2011, 15:42–15:43 Uhr,
featuring Claire, Jean-Louis, Rémy
und Mathieu, Eran, Lucie.»
Renée Levi lebt und arbeitet in Basel.
Mit ihren grossformatigen «Gemälden»,
auf denen sie sprayt, Karton, Vinyl und
sogar Beton verwendet, sprengt sie
Räume und untersucht die unzähligen
Existenzmöglichkeiten der Malerei im
Ausstellungsraum. Ihre Werke sind
energiegeladene Kraftfelder, die den
Betrachter zum Handeln anregen. Renée
Levi stellt bis zum 31. Juli im Jüdischen
Museum der Schweiz aus.
www.juedisches-museum.ch
p Marta Riniker-Radich
«Glenn McCarthy goes to Sea», 2010
Farbstift und Bleistift auf Papier
«Als Frank Lloyd Wright die Halle sah, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen:
Er wollte schon lange wissen, wie eine Jukebox von innen aussah.»
Marta Riniker-Radich lebt und arbeitet in Genf. Ihre Bleistift- und Farbstiftzeichnungen stellen verblüffende, oft von den USA inspirierte Landschaften dar. Sie zeichnet schön-bizarre Szenen, die irgendwie
an die Serie «Twin Peaks» und die Fotografien von William Eggleston erinnern. Marta Riniker-Radich hat
an der Ausstellung Voici un dessin suisse 1990-2010 im Musée Rath, Genf, und im Aargauer Kunsthaus
teilgenommen. Ihre jüngsten Arbeiten zeigt sie im espace 1m3 in Lausanne, www.1m3.ch
36 | Finanz und Wirtschaft LU X E
p Francis Baudevin
«The Only Truth», 2010
Wallpainting
«Diese Wandmalerei habe ich Ende
des letzten Jahres zu einem ganz
besonders wunderbaren Zeitpunkt
in Zürich gemacht. Sie stammt aus
«The Only Truth», einer Schallplatte
von Paul Haig. Ich habe den Titel
zwar für die Ausstellung gewählt,
suche aber nach einem anderen, der
etwas unbeschwerter ist…»
Francis Baudevin lebt und arbeitet in
Lausanne. Der Maler und Sammler
von Underground-Rock-Platten setzt
grafische Kompositionen auf Leinwand
um. Er verwendet dabei Motive von Verpackungen und Musiklabeln, die sich an
die Zürcher Abstraktion der Fünfzigerund Sechzigerjahre anlehnen.
Von ihm stammt auch das Poster des
Montreux Jazz Festival 2011. Er stellt bis
zum 19. Juni in der Galerie für zeitgenössische Kunst Bureau in New York aus.
www.bureau-inc.com
f The Chapuisat Brothers
«Destruction créatrice», 2008
diverse Materialien
«Das ist eine Aufnahme der Installation ‹Destruction créatrice› (‹Schöpferische Zerstörung›,
Wartesaal, Zürich, 2008), die uns sehr berührt. Sie zeigt eine wichtige Passage, eine Bewusstseinswerdung innerhalb unserer Arbeit. Die Akzeptanz einer Art Unverständnis der Gründe,
die uns antreiben, ohne dass wir wissen, warum. So etwas wie eine zerstörerische Obsession,
Neues zu schaffen, ohne es zu konzeptualisieren, nur um uns zu beruhigen, und ohne es in
der zeitgenössischen Kunstszene, die sich allzu oft in den Schwanz beisst, zu rechtfertigen.»
Gregory und Cyril Chapuisat leben und arbeiten in Genf. Ihre spielerischen, urigen Installationen in Form
von bewohnbaren oder unbewohnbaren Kokons füllen den Ausstellungsraum meistens komplett aus. The
Chapuisat Brothers stellen bis September im Rahmen von Vent des Forêts aus. www.leventdesforets.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 37
G A L E RI E | Z e i t g e n ö s s i s c h e K u n s t
s Andreas Dobler
«Raumschiff im Herbst», 2010
i Vidya Gastaldon
«Esprit et son ombre», 2008
Aquarell, Gouache, Acryl, Farbstift und Bleistift
auf altem Papier
«Esprit et son ombre (Geist und sein Schatten) läutete eine neue Etappe meiner Arbeit ein. Als
ich die Zeichnung fotografiert und kopiert hatte, fiel mir auf, dass sie aussah wie ein Gemälde.
Ich zeichnete und malte zwei weitere Jahre auf Papier. Die Zeichnungen wurden immer schwerer, das Papier litt und wellte sich kläglich unter dem Material. Langsam gewöhnte ich mich an
die Idee, dass ich eines Tages, mit 70 vielleicht, auf Leinwand malen würde, konnte mich mit
dieser Idee aber überhaupt noch nicht anfreunden.
Im letzten Jahr habe ich an einem Morgen im Mai auf dem Trottoir direkt vor einem Geschäft
für Künstlerartikel geparkt, den Kofferraum geöffnet, habe den Laden betreten, dort in nur
drei Minuten acht Leinwände ausgewählt, bezahlt, sie im Auto verstaut und mich dann an die
Leinwandmalerei gemacht. So einfach war das. Daneben habe ich weiter gezeichnet.»
Vidya Gastaldon lebt und arbeitet in Genf. Seine Zeichnungen, Filme und Skulpturen aus Wolle und Stoffen bilden eine persönliche Kosmogonie, in der halluzinatorische Fabelgärten von orientalischer Weisheit in Verbindung
mit Ökologie, Biologie und Trance bevölkert werden. Vidya ist Mitglied von Zabriskie Point, dem gleichnamigen, in
einer ehemaligen überdachten Bushaltestelle untergebrachten Ausstellungsraum in Genf.
www.zabriskiepoint.ch
38 | Finanz und Wirtschaft LU X E
«Ich kann mich nur mit Mühe auf ein Lieblingsstück festlegen. Ich glaube, dass ich zu der
Sorte Künstler gehöre, die ihr jeweils jüngstes
Projekt für das beste halten. ‹A Dying Generation› besteht aus acht Schwarzweissfotografien von riesigen Palmen. Die Arbeit ist als
Typologie, als etwas fast Wissenschaftliches,
Frontales und Neutrales gedacht, im Stil von
Bernd und Hilla Bescher. Ich hatte auch Ed
Ruschas Bildband ‹A Few Palm Trees› aus dem
Jahr 1971 im Hinterkopf, aber eigentlich war es
die Geschichte der für Los Angeles typischen
Palmen, die mich zu dieser Arbeit veranlasst
hat. Die ersten Palmen wurden in den Dreissigerjahren, mitten im Boom der Traumfabrik
Hollywood, gepflanzt und sind neben dem
Hollywood Sign zum Wahrzeichen der Stadt
geworden. Da die Palmensorte 70 bis 80 Jahre
alt wird, stirbt die erste Generation gerade
oder wird in Kürze sterben. Ed Ruscha hat
einige von ihnen (nicht nur die ältesten) in der
Mitte ihres Lebens dokumentiert. Heute, 40
Jahre später, sind aus ihnen 20 Meter hohe
Greise geworden, die nicht nur monumental
und majestätisch, sondern zugleich zerbrechlich und etwas verblasst wirken. Ich kann mir
meine Begeisterung für Palmen eigentlich
nicht erklären. Vielleicht rührt sie daher, dass
sie ein Symbol der Tropen sind oder dass sie
irgendwie schräg aussehen.»
Adrien Missika lebt und arbeitet in Genf. Seine
halb realistischen, halb fiktiven Fotografien reproduzieren so gut wie möglich die ersten Aufnahmen
der Geschichte der Fotografie oder stellen auffällige
Objekte dar, die der Künstler, Architektur- und Archäologiefan von seinen Reisen mitbringt. Er stellt
bis zum 30. Juni in der Spazio Gallery in Pistoia aus.
www.spazioa.it
Courtesy Paula Cooper Gallery
i Amy O’Neill
«Deconstructing 13 Stripes and a Rectangle», 2010
mit Sand gefüllter Stoffsack
«Inspirationsquelle für diese Serie waren die sogenannten Victory Gardens. Das Konzept dieser
im Ersten und im Zweiten Weltkrieg in den USA, in England, Kanada und Deutschland angelegten Gemeinschafts- oder Familiengärten bestand darin, der Bevölkerung öffentliche Parks und
Privatgärten für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung zu stellen, um gegen die Lebensmittelknappheit anzugehen. Amy O’Neills in Form der amerikanischen Flagge entworfene
und angefertigte Skulpturen sollen genau diese Gärten darstellen, wobei sie ihnen mit wenigen
Mitteln höchste Ausdruckskraft verleiht.»
«In der poetischen Tradition symbolisiert der Garten Frieden. Doch Frieden gibt es auf dieser Welt
keinen mehr. Wenn wir keine Strausse sind, die ihren Kopf bei der kleinsten Gelegenheit in den Sand
stecken, dann müssen unsere Gärten mehr sein als nur grüne Oasen, die dazu dienen, der Realität
zu entfliehen.» Auszug aus «Gardens for Victory», Jean-Marie Putnam & Lloyd C. Cosper, 1942
Amy O’Neill lebt und arbeitet in New York. Die amerikanisch-schweizerische Künstlerin beschäftigt sich
mit den schrägen Seiten der Kultur und des Brauchtums der USA, die sie so inszeniert, dass der Unterschied
zwischen Echtheit und Kitsch verschwimmt. Das Centre Culturel Suisse in Paris widmet ihr eine grosse Einzelausstellung mit dem Titel «Forest, Gardens & Joes», zu sehen bis zum 27. Juli, www.ccsparis.com
p Delphine Coindet
«Poudrier», 1998-2011
lackiertes Holz, Plexiglas
und diverse Materialien
Andreas Dobler lebt und arbeitet in Zürich. In
seinen halluzinierenden, von Psychedelik und Popkultur (Graffiti, Kitsch, Erotik) geprägten Werken
schafft er eine Science-Fiction-Welt, in der Gärten
auf anderen Planeten wachsen und Gebäude auf
organischen Fundamenten stehen. Er stellt bis zum
2. Juli in der Galerie Evergreene in Genf aus.
www.evergreene.ch
«Die Puderdose stellt eine Komprimierung der Zeit
dar. Sie besteht aus Elementen, die über einen Zeitraum von über zehn Jahren entworfen, gefunden,
gezeichnet und zusammengefügt wurden. Bezogen
auf Make-up drückt sie die Idee des Künstlichen, übertragen auf einen architektonischen Massstab, aus.»
Delphine Coindet lebt und arbeitet in Lausanne. In ihren
Kollagen-Skulpturen mischt sie moderne Formengeschichte
mit der zeitgenössischen Feinfühligkeit einer Künstlerin.
Wenn Delphine Coindet die Avantgarde weckt, dann
geschieht das immer mit Stil. Derzeit residiert sie in der
Villa Medici in Rom.
Annik Wetter
Courtesy art: concept, Paris, Privatsammlung, Brüssel
«A Dying Generation», 2011
Laserdruck auf Papier
Anna Kanai
i Adrien Missika
«Ein Raumschiff schwebt in meinem Schlafzimmer und landet nie. Während die ausgebreiteten Flügel des Wäschegestells schwer an der
noch zu trocknenden Wäsche tragen, tut sich
dahinter galaktischer Raum auf. Der Wunsch
aufzubrechen, mit unbestimmten Ziel, und den
überladenen Alltag hinter sich zu lassen, ist in
diesem Gemälde ausgedrückt. Als Vorlage
hat mir dazu das Cover einer italienischen
Discoscheibe gedient. Die Nostalgie einer
imaginierten Zukunft aus den späten Siebzigerjahren wird so zum Wohnungsschmuck und
persönlichen Fetisch. In der Fotografie des
Gemäldes in situ wird die Utopie zurückgeholt
in den Alltag im Sinn eines einvernehmlichen
Nebeneinanders. Nicht zuletzt sind es die
warmen Farbtöne des gesprühten Kosmos,
die mir ein Gefühl von Geborgenheit geben.
Sicherlich mit ein Grund, dass dieses eines der
wenigen eigenen Werke ist, die ich in meinen
eigenen vier Wänden ertrage.»
Finanz und Wirtschaft LU X E | 39
dossier | Zeitgenössische Kunst
| von Emmanuel Grandjean - Illustration : Nicolas Zentner
Art Basel 42
Ein Überlebensführer
Was anschauen, was kaufen, wo starten. Geführte
Tour durch die weltgrösste Messe zeitgenössischer
Kunst, die am 15. Juni ihre Tore öffnet.
S
eit Jahren hören Sie von der Art Basel und haben es noch nie geschafft
hinzugehen. Jetzt ist es so weit, Sie sind
gewappnet für die Begegnung mit den
Superstars des Kunstbusiness und bereit, an den abendlichen Happenings
ein Bad in der Menge zu nehmen. Der
informierte Besucher findet sich an diesem Treffpunkt der Kunstwelt leichter
zurecht. Daher ein paar Tipps, wie Sie
vom einzigartigen Angebot der weltweit renommiertesten Messe für zeitgenössische Kunst am besten profitieren können.
Wo starten?
Auf den erstmaligen Besucher wirkt die
Art Basel einschüchternd. 300 der wichtigsten Galerien der Welt, 2500 Künstler, 11 Sektionen – es ist entscheidend,
den richtigen Zugang zu der gewaltigen
Fülle Kunst zu finden. Unser Tipp: Beginnen Sie in der Art Unlimited. Diese
Sonderschau, die seit ihrer Eröffnung
vor elf Jahren vom Genfer Kurator Simon Lamunière organisiert wird, ist
grossformatigen Arbeiten gewidmet, die
oft speziell für die Art Basel kreiert werden. Im riesigen Raum kommen diese
Installationen wunderbar zur Geltung
und stimmen den Besucher auf den weiteren Kunstgenuss ein.
Reicht ein Tag?
Die Messe öffnet um elf Uhr. Für eine
schnelle, oberflächliche Besichtigung
der Haupthalle brauchen Sie vier Stunden. Mindestens! Dann haben Sie einen ersten Überblick. Es ist allerdings
schon fünfzehn Uhr, und Sie haben weder Art Unlimited noch Design/Mia40 | Finanz und Wirtschaft LU X E
mi gesehen, ganz zu schweigen von den
drei interessanten Parallelausstellungen Liste, Volta und Scope. Um wirklich auf die Rechnung zu kommen, sollten Sie zwei Tage einplanen.
Wann?
Natürlich ist die Versuchung gross,
gleich am Eröffnungstag nach Basel zu
fahren. Denn noch immer herrscht die
Meinung, dass die besten Geschäfte am
ersten Tag gemacht werden. Es ist wie
auf der Jagd: Frühaufsteher werden belohnt, da Händler wie Jäger ihr bestes
Pulver gerne möglichst früh verschiessen. Aber nicht alle, denn es ist wichtig, dass die Sammler auch nach der
Vernissage in Käuferlaune bleiben. Um
den Grossansturm zu organisieren und
vor allem um leere Ausstellungsflächen
zu verhindern, hat das Ausstellungskomitee das Programm Art Basel Weekend auf die Beine gestellt und motiviert
Galerien, Spezialevents zu organisieren
(Premieren, für den Anlass konzipierte
monografische Ausstellungen, Performances usw.), um so die Aufmerksamkeit der privaten und der professionellen Besucher bis zum Schluss zu
sichern.
Mit 100 Fr. eine Sammlung
beginnen
Sie glauben, dass sich die Art Basel nur
an millionenschwere Sammler richtet
und dass zeitgenössische Kunst sehr teuer, ja unerschwinglich ist. Wie anderswo ist auch hier alles eine Frage des Geschmacks und des Budgets. Als Erstes
gilt: Kaufen Sie ein Werk, weil es Ihnen
gefällt, und nicht, weil Sie es in sechs
Jahren zum zwölffachen Preis verkaufen wollen. In Basel kann man sein Glück
schon für weniger als 100 Fr. finden.
Wie? Bitte weiterlesen!
Erwerben Sie eine Edition
Man vergisst gerne, dass auch eine Edition ein Kunstwerk ist, das in den meisten Fällen signiert und nummeriert in
mehreren Exemplaren produziert wurde.
Was seinen Wert aber nicht beeinträchtigt. Bei einer Edition kann es sich um
ein Objekt, ein Künstlerbuch, eine Lithografie, einen Siebdruck, ein Foto oder
ein Video handeln. Der nicht unwichtige
Vorteil: Verglichen mit Unikaten sind die
Preise moderat, weshalb Editionen ein
guter Weg sind, mit wenig Geld eine eigene Sammlung aufzubauen. Ein guter Ort,
um fündig zu werden, ist der Stand der
von AA Bronson gegründeten Art Metropol. Der kanadische Künstler ist der
einzige Überlebende der Künstlergruppe General Idea, deren Programm wahre
Trouvaillen enthält. Unter der Ägide der
Künstlerorganisation Printed Matters ist
Bronson ausserdem zusammen mit dem
Zürcher Christoph Schifferli Mitorganisator der Sektion Artists Books. Auch der
Stand Ecart ist eine exzellente Adresse.
Zeichnungen sind
in, Videos out
Schon länger führen verschiedene Medien und Ausdrucksformen in der Kunst
ein fröhliches Mit- und Nebeneinander. Nach den Höhenflügen ist die Fotografie weiterhin aktuell, Zeichnungen und Malerei sind wieder schwer im
Kommen, das Interesse für Skulpturen
ist neu entfacht. Schwerer haben es die
Videos, denn sie leiden unter dem unübersichtlichen Angebot der Formate –
VHS-Kassetten, DVD, Blu-Ray. Zudem
haben die Sammler wieder mehr Lust
auf Authentizität, was zulasten der digitalen Kunst geht.
* * Sie sind hier
Meisterwerke auf
allen Etagen
Man muss nicht unbedingt die Absicht
haben, ein Bild zu kaufen, um die Art Basel zu besuchen. Das Vergnügen ist auch
sonst garantiert. Denn in keinem Museum der Welt sind Donald Judd, Francis
Bacon, Egon Schiele, Picasso, Jeff Koons
und Marcel Duchamp so nahe beieinander. Zwar ist das Erdgeschoss traditionell
für moderne Kunst reserviert, aber immer mehr Galerien für zeitgenössische
Kunst lassen sich hier nieder. Im ersten
Stock sind allerdings ausschliesslich zeitgenössische Künstler zu bewundern.
Soll man sich einen
Warhol leisten?
Neben Picasso ist Andy Warhol einer
der meistpräsenten Künstler der Messe. Seine Werke werden in den verschiedensten Preiskategorien – von ein
paar tausend Franken für eine signierte Litho bis mehrere Millionen für die
«Campbell Soup» – angeboten. Der Besucher hat die Wahl der Qual. Nach dem
Grounding der Wirtschaft 2008 sind die
Kunstpreise wieder im Steigflug. Ein
Warhol ist und bleibt eine Investition,
die überlegt sein will.
Besuchen Sie die
Parallelmessen
Die Art Basel ist ein sicherer Wert. Parallel dazu gibt es einige junge Kunstmessen, an denen weniger bekannte, aber
durchaus hervorragende Talente ausstellen. Die Werke sind manchmal gewagt,
die Trouvaillen oft abenteuerlich (die
Galerien sind selten älter als fünf Jahre,
die meisten Künstler meistens jünger als
vierzig). Entdeckungen sind aber in jedem Fall möglich, und es kann sein, dass
Sie gerade hier Ihr Glück finden. Die Liste ist die älteste Satellitenausstellung und
hält in der ehemaligen Brauerei Warteck
Hof. Scope und Volta schliessen sich seit
ein paar Jahren grossen internationalen
Ausstellungen an. Unter den Galerien,
die bei der Liste zu finden sind, empfehlen sich Bugada & Cargnel, Paris, Fluxia,
Mailand, Karma International, Zürich,
Elizabeth Dee und Wallspace, New York,
sowie Peres Project, Berlin.
Nach der Kunst zum Design
Seit 2006 findet parallel zur Messe die
Art Design/Miami Basel statt, die nun in
der nahen Halle 5 zu finden ist. Damit es
ganz klar ist, hier gibt es Aussergewöhnliches zu sehen, von historischen Designerstücken, die den Markt förmlich
verrückt machen (Jean Prouvé und Charlotte Perriand), bis zu zeitgenössischen
Kreationen in Kleinstauflagen, die teuer
sind wie eine Skulptur (Zaha Hadid, Studio Job). Während man an der Art Basel
durchaus preisgünstige Objekte finden
kann, ist der Kauf eines Designerstücks
an der Design/Miami geradezu eine Investition.
Art Basel 42, 15. bis 19. Juni, Messe Basel,
Messeplatz, www.art.ch
Es gibt viele nützliche Art-Basel-Apps
für iPhone und Blackberry.
Liste 16, 14. bis 19. Juni, Burgweg 15,
www.liste.ch
Scope Basel, 15. bis 19. Juni, Kaserne Basel, Klybeckstr. 1, www.scope-art.com
Volta 7, 13. bis 18. Juni, Dreispitz Areal,
Helsinki Str. 5, www.voltashow.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 41
Var iat io n en von fü nf
M eist erw er k en de r Male re i
ARS FUTURA
Fotos : Vincent Calmel
Post-Produktion und CGI : Karim Nassar
s h o ot i n g | n o t i z e n | von Emmanuel Grandjean
D OSSI E R | Z e i t g e n ö ss i sch e K u n s t | von Emmanuel Grandjean
«Die Geburt der Venus» von Sandro Botticelli (um 1485)
Schönheit, Eleganz, Mythologie und Intelligenz. Das Meisterwerk aus der Frührenaissance
verdanken wir dem Reichtum von Lorenzo de Medici, genannt der Prächtige. Der aufgeklärte
Mäzen machte Florenz zum Zentrum einer neuen ästhetischen Ordnung, unterstützt vom
Genie eines Michelangelo, Leonardo da Vinci und Botticelli. Dieser hatte Simonetta Vespucci,
die Frau von Marco Vespucci und Geliebte von Giuliano de Medici, als Modell für die aus der
Muschel geborene Venus erkoren. Simonetta galt als die schönste Frau ihrer Zeit, sie starb im
Alter von 22 Jahren an Tuberkulose.
Models : Florian@Kaizen, Barbara@Time-Model, Alexia@Kaizen
Styling : Lucie Notari Coiffure & Make-up : Christophe Durand
Assistantin : Johanna Pariente Kabel : Jean-Claude Blaser
«Gabrielle d’Estrée und ihre Schwester, die Herzogin von Villars», anonym, Schule von Fontainebleau (um 1594)
Die Geste ist rätselhaft. Weshalb kneift die Herzogin von Villars die Brustwarze ihrer Schwester Gabrielle d’Estrée? Die übliche Interpretation ist, dass Erstere damit auf die Schwangerschaft der Zweiten aufmerksam macht. Die Favoritin Heinrichs IV., als «blonde Schönheit mit
wunderschön gezeichneten Brauen, gefällig und mollig» beschrieben, war schwanger. Sie wird
dem König drei Kinder gebären und stirbt, zum vierten Mal schwanger, in der Nacht vom
9. auf den 10. April 1599 vermutlich an den Folgen eines Hirnschlags. Die Zeitgenossen der
«Beinahekönigin» vermuteten als Todesursache eher Gift oder gar die Hand des Teufels.
Model : Sandy@Kaizen Dekor & Zubehör : Laurent C.
Coiffure : Christophe Durand Make-up : Fred Bouffet
«Der Tod des Marat» von Jacques-Louis David (1793)
Am 13. Juli 1793 wurde Jean-Paul Marat, zentrale Figur der Montagnards und der Jakobiner,
von der Girondisten-Anhängerin Charlotte Corday ermordet. Es herrschte Revolution,
weshalb der Mord am «Ami du peuple», der wegen eines Hautleidens in der Badewanne
leben musste, auch als Attentat bezeichnet werden kann. Vier Tage später verlor Charlotte ihr
Leben unter der Guillotine, wo Hochbetrieb herrschte. Der Nationalkonvent bestellte umgehend bei Jacques-Louis David, dem persönlichen Freund von Marat, ein Erinnerungsgemälde. Dar Maler kreierte mehr als eine Hommage, er machte den im neuenburgischen Boudry
geborenen Revolutionär zum Märtyrer der Freiheit.
Street Art
Strassenkunst
i Trompe l’oeil von Banksy in
den Strassen von London.
Model : Marek Dekor & Zubehör : Laurent C.
Coiffure & Make-up : Carole Bienfait
«Ophelias Tod» von John Everett Millais (1852)
Eine unmögliche Liebe, die im Bach ihr Ende findet. Es ist die Geschichte Ophelias, die
Hamlet bis zum Wahnsinn liebt und deren Leichnam inmitten von Blumen im Fluss gefunden
wird. Mitte des 19. Jahrhunderts inspiriert sich die Schwarze Romantik an unglücklichen
Liebesgeschichten und klassischen Dramen (Tristan und Isolde, Shakespeare, mittelalterliche
Sagen). Die tote Ophelia wurde von Eugène Delacroix und John Everett Millais verewigt.
Millais war Begründer der Präraffaelitischen Brüderschaft, einer Gruppe englischer Maler,
welche die italienischen Renaissance-Meister, darunter Raffael, bewunderten und die
versuchten, die von der industriellen Revolution verdorbene Gesellschaft wieder zu Moral und
Schönheit hinzuführen.
Banksy und JR sind Strassenkünstler, deren Werke an
Auktionen teuer gehandelt werden. Ob die nächste
Spekulationsblase von der Strasse kommt?
«Die Grosse Odaliske» von Jean-Auguste-Dominique Ingres (1814)
1814 bestellte Caroline Murat, Königin von Neapel und Schwester Bonapartes, das Gemälde
«Die Grosse Odaliske» bei Ingres. «Grosse» ist dabei ein keineswegs überflüssiges Wort, denn
der Maler liebte nicht nur die fülligen weiblichen Formen, er malte die Haremsdame (Odaliske
ist das türkische Wort für Haremsdienerin) gar mit drei zusätzlichen Rückenwirbeln. Weshalb
er als Wegbereiter des Photoshop bezeichnet werden könnte. Die Reaktion der Kritiker auf
den von der «Venus vor dem Spiegel» von Velazquez inspirierten Rücken war gemischt.
Liste der Accessoires und
Kleider auf Seite 89
50 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Unser dank geht an : Alexandre Leveau de Kaizen, Angela de Time Model, Michel und
Harry d’Usine Kugler, Greg pour usfprod, Georges Cabrera, Elena Vyshnevskaya.
DR
Model : Sophie@Kaizen Dekor & Zubehör : Laurent C.
Styling : Lucie Notari Coiffure & Make-up : Johanna Pariente
Fotos: Emily Anne Epstein / Corbis, Richard Bryant / Arcaid / Corbis
Model : Aline@Kaizen Styling : Lucie Notari Coiffure : Carole Bienfait
Make-up : Francis Ases Assistantin Fotograf : Elena Vyshnevskaya
S
ie nennen sich Banksy und JR, zeigen
ihr Gesicht nur selten und geben sozusagen nie Interviews. Aber sie profitieren
von ihrer Berühmtheit, um Dokumentarfilme zu drehen. Banksy erzählt in «Exit
Through the Gift Shop» von seinem Leben
als anonymer Künstler, JR widmet «Women Are Heroes» dem Kampf der Frauen im globalisierten Chaos. Der Engländer Banksy und der Franzose JR arbeiten
im Geheimen, denn ihre Kunstform ist eigentlich verboten. Street Art, eine Kunst
für und in der Strasse, ist vielmehr ein Protest, ein Aufruf zu Agitation, Vandalismus
und Unordnung.
Auch die Gruppe Voina hat diesbezüglich einschlägige Erfahrungen gemacht.
Das russische Kollektiv nimmt bei jeder
Aktion massive Risiken auf sich. Eines der
jüngsten Werke ist ein gigantischer Phallus
auf der Zugbrücke direkt vor den Fenstern
des FSB-Geheimdienstgebäudes in St. Petersburg. Dafür riskieren die Künstler bis zu
sieben Jahre Gefängnis.
Zwar sind die USA nicht Russland, Strassenkunst wird dort aber ebenso wenig toleriert, selbst wenn sie signiert ist und von
einem renommierten Künstler stammt. Am
20. April 2011 wurde der aus Paris stammende Space Invader – ein renommierter
Street Artist, der seinen fressenden Videogames-Pacman überall platziert – von der
Polizei in Los Angeles während einer Aktion erwischt. Dabei war er offizieller Teilnehmer der Art-in-the-Streets-Ausstellung
des Museum of Contemporary Art.
Es ist heute gang und gäbe, dass diese
Künstlerrebellen in renommierten Häusern ein- und ausgehen. Sotheby’s kümmert sich um Banksys Werke. 2008 wurde «Keep It Spotless» in New York für 1,2
Mio. $ versteigert. Anlässlich der JahresFinanz und Wirtschaft LU X E | 51
D OSSI E R | Z e i t g e n ö ss i sch e K u n s t
gene Marketing. André, Serial-Graffeur aus
Paris, verziert seit 1989 nicht nur die Hauptstand, sondern auch Gegenstände (Videokonsolen, Handys in limitierter Auflage,
Wodkaflaschen) mit seinem Monsieur A.
Street Marketing
Auch Keith Haring wusste über Derivatprodukte in der Kunst bestens Bescheid.
Das Merchandising von Banksy floriert
ebenfalls bestens, wobei er selbst dazu
nichts beiträgt. Tatsächlich warnt er davor, unter seinem Namen und mit seiner
Kunst Teetassen, T-Shirts und Taschen zu
verkaufen. Banksy kommerzialisiert seine
Werke nicht, bietet aber die Möglichkeit,
von seiner Website Bilder gratis herunterzuladen und sie auf irgendwelche Gegenstände zu drucken.
Uneigennützigkeit ist eine der grundlegenden Gemeinsamkeiten der Street Artists.
«Lädt Banksy die besten Strassenartisten
ein, einen verlassenen Tunnel der Waterloo Station in London zu verzieren, so tut er
dies keineswegs aus kommerziellen Gründen», betont Caroline Lang. «Street Art ist
kostenlos, gehört allen und niemandem.
Übrigens: Eine Woche nach Banksys Aktion
war die Originalfreske verschwunden, Taggers hatten sie mit ihren Werken übermalt.»
Populäre Kunst
Mauern an Auktionen
Tatsächlich mag es seltsam anmuten, wie
Strassenkunst von bedeutenden Auktionshäusern und den damit verbundenen Grossanlässen vereinnahmt wird, und man fragt
sich, ob Street Art die nächste Spekulationsblase des Kunstmarktes sein wird. Analog
der zeitgenössischen chinesischen Kunst,
die kurz vor der Krise an Versteigerungen
Furore machte. «Wissen Sie, alles wird zum
Markt», erklärt Caroline Lang, Direktorin
52 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Sotheby’s Genève. Ihr Auktionshaus war
das erste, das Banksys Werke versteigerte
und dabei die fünf höchsten Zuschläge erzielte. «Das Web hat alles umgekrempelt.
Die Menschen sind besser informiert, wissen sofort, was wo passiert, und multiplizieren so Modeerscheinungen. Für mich ist
der Unterscheid zu den Zeiten, als die englischen Aristokraten auf grosse Italienreise
gingen, gar nicht so gross. Einzig das Tempo
hat sich geändert», beschreibt sie die Veränderungen im Kunstgeschehen .
Für Philippe Davet, Direktor von BFAS
Blondeau Fine Art Services in Genf, ist diese plötzliche Begeisterung für urbane Kunst
immer noch ein Rätsel: «Es ist schon eigenartig. Plötzlich waren diese Künstler auf
dem Markt, aufgetaucht aus dem Nichts,
ohne jegliche Unterstützung von wichtigen
Kunsthändlern oder Galerien.»
Graffiti sind nicht wirklich etwas Neues.
Man muss ja nicht bis zu den alten Römern
zurückgehen, die auf den Säulen des Kolosseums ihre Meinung über den verhassten
Cäsar kundtaten. Oder auf SAMO, Synonym von Jean-Michel Basquiat, der in seinen Anfängen die Mauern der tristen New
Yorker Quartiere mit Graffiti bepflasterte.
Street Art ist so alt wie die Welt. Neu ist das
gewaltige Interesse an dieser Kunstform.
«Wie die ursprüngliche Hip-Hop-Kultur,
die schliesslich ins hochkommerzielle R’n’B
mündete», befürchtet Philippe Davet.
Graffiti-Künstler haben das Klandestine abgestreift und haben jetzt ihre eigenen Kunsthändler. Space Invader hat 2003
in Paris eine eigene Galerie eröffnet, wird
in prestigereichen Ausstellungen gezeigt ­­­–
«Naissance du graffiti» der Fondation Cartier im Jahr 2009 – und organisiert das ei-
Foto: JR / Agence VU
konferenz von Technology Entertainement Design wurde JR mit dem
mit 100 000 $ dotierten
TED-Preis 2011 ausgezeichnet. Preisträger
dieses Anlasses müssen dabei jeweils drei
Wünsche formulieren, die die Welt verändern sollen.
i Fassadenbild
von Banksy in
den Strassen von
New York.
Fotos: Emily Anne Epstein / Corbis, Richard Bryant / Arcaid / Corbis
Slum-Bilder von JR in
Kibera, Kenia.
Selbstverständlich spielen die Medien
auch in dieser Kunstart eine wichtige Rolle. Sie sind die Multiplikatoren des phänomenalen Erfolgs. Ein Blick auf die Artisten,
die im medialen Rampenlicht stehen, genügt – Jeff Koons, Takashi Murakami, Damien Hirst sind Spektakelkünstler, deren
farbenfrohe, amüsante, mit der richtigen
Prise Provokation versehene Pop-Kunst für
Aufsehen sorgt und damit perfekt TV-kompatibel ist.
Diese Kriterien passen auch auf die Street
Art, die aber noch eine weitere Dimension
– die politische Botschaft – besitzt. Wie JR,
der seine riesigen Schwarzweissportraits
links und rechts der Sicherheitsschranken
zwischen Israel und Palästina anbringt. Er,
den die Presse schon als «Cartier-Bresson
des 21. Jahrhunderts» betitelt, stellt in «der
grössten Galerie der Welt» aus, in besetzten
Gebieten und in den Städten Frankreichs.
Sein Opportunismus ist kampferprobt.
Für Caroline Lang besteht ein Unterschied zwischen den beiden Künstlern: «JR
definiert sich nicht als Street Artist, sondern
als urbaner Artivist. Seine Arbeiten illustrieren ein anderes Bild unserer Welt. Anders
bei Banksy, der seit langem die englische
Gesellschaft mit einem zynischen, nonchalanten Blick betrachtet und ihre Codes und
Regeln verfremdet. Er kennt sich darin so
gut aus, dass seine Zugehörigkeit zu einer
Familie der High Society ziemlich wahrscheinlich ist.» Banksy arbeitet seit 1989,
ein Teil seines weniger bekannten Schaffens
besteht aus den typisch britischen NonsensBildern und -Skulpturen.
JR begann erst im Jahr 2004, als er in
den Strassen von Paris Grossabzüge seiner
Serie «Portrait de générations» aufhängte.
Der nichtoffzielle Aushang wurde schliesslich von der Stadt genehmigt, die Fassaden eigener Gebäude zur Verfügung stellte. Street Art gefällt und kommt an. Caroline
Lang meint dazu: «Es stimmt, Banksy und
JR produzieren populäre Kunst, was an sich
ja nichts Negatives ist. Jedenfalls gelingt es
ihnen, Menschen jeglicher Kultur und Generation anzusprechen.» Eine Meinung,
die auch Philippe Davet teilt: «Dies ist eine
Kunstform, die junge Menschen lieben. Und
das Geheimnis, mit dem sich die Künstler
mit ihrem Pseudonym umgeben, verstärkt
die Wirkung. Wobei das Publikum, das diese
Werke kauft, bezüglich Geschmack eher ein
klassisches ist. Es wird jedenfalls den Wert
der Werke eines Kelley Walker oder Wade
Guyton nicht in die Höhe treiben.»
Wird die Kunst von der Strasse von Dauer
sein? «Wissen Sie, jede Epoche hat ihre eigene Mode», sagt die Kunstkennerin Lang.
«Könige und Päpste bedienten sich der
Kunst, um ihre Macht zu zeigen und die
Menschen zu beeindrucken. Street Art erkennen die Menschen als Zeichen unserer
Zeit. Ob Street Art repräsentativer ist als ein
anderes Phänomen? Ich glaube nicht. Für
mich ist Strassenkunst
heute der Gipfel unsef Slum-Bilder von
rer Popkultur.» |
JR in Kibera, Kenia.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 53
Design
2011
Lust auf Wohnen mit Stil
m ö b el | t r e n d s | von Emmanuel Grandjean
Leuchten aus Holz, Fauteuils
aus Hanffaser, Schlafsofas
und Vintage-Tapeten – die
Bilanz nach der Mailänder
Möbelmesse.
*Die Preise der vorgestellten Objekte
sind auf Anfrage erhältlich.
W
ie sitzt man 2011, womit lassen wir
uns erleuchten? An der Möbelmesse in Mailand war kein einheitlicher Trend
feststellbar, es gab von allem etwas. Natürlich sind da Materialien, die häufiger verwendet werden als andere. Helles Holz ist
ebenso aktuell wie Filz, Ökokunststoff oder
die Vorliebe für die Nostalgiefarben Grau,
Gelb und Petrol. Andere Elemente sind weniger häufig. So hat die vor drei Jahren omnipräsente LED-Lampe der organischen
Leuchtdiode OLED Platz gemacht. Die
dünnen Leuchtkörper verbrauchen wenig
Energie und eignen sich für alle Formen.
Sie bieten den Designern ein absolut neues
Spielfeld, nämlich aus Sparleuchten kreative Lichtquellen zu machen.
Die wichtigen Möbelhersteller setzen
weiterhin auf Sicherheit. Solange die Krise
noch die Märkte beherrscht, ziehen sie es
vor, ihre Entwicklungskosten tief zu halten
und ihren Geld bringenden Möbelikonen
einfach einen neuen Touch zu verleihen.
Von den Grossen des Möbeldesigns gibt es
daher nichts Aufregendes zu melden. Anders bei kleineren Herstellern, die experimentierfreudig sind und verschiedene
Materialien auf überraschende Weise verwenden. So entdeckt man etwa eine Bank
aus wiederverwertetem Stahl (Piet Hein
Eek) oder einen Schrank, gefertigt aus alten
Koffern vom Estrich (James Plumb). Recycling der schönen Art.*
www.pietheineek.nl www.jamesplumb.com
Holz – denn Noblesse oblige
Holz ist das Designmaterial par excellence und in
Mailand allgegenwärtig. Helle Farbtöne, zarte, berührungsfreundliche Oberflächen sorgen für Chic und
verleihen Räumen einen modern rustikalen Anstrich.
Wie die Wood Lamp, von der schwedischen TAF
für die skandinavische Muuto gestaltet, die Position
Lamp von Rooms 2010, bei Moooi erhältlich, oder
die Konsole Double Side aus Birkenholz, ein MinimalMinimum-Möbel von Matali Crasset für Danese
Milano. Holz ist auch das Material des Luxushauses
Hermès, das seine ersten Möbel lanciert. La Maison ist
die Kollektion exklusivster Home-Accessoires, für die
Pierre-Alexis Dumas verantwortlich zeichnet. Der Stuhl
besteht selbstverständlich aus Leder, assoziiert mit
Canaletto-Nussholz. Das Wunderwerk des Know-how
stammt von Enzo Mari, dem ebenso berühmten wie
eigenwilligen Designer und Objektkünstler aus Italien.
www.muuto.com, www.moooi.com,
www.danesemilano.com, france.hermes.com
54 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Nachhaltiges Design
Früher verstand man unter nachhaltigem Design Mobiliar aus wiederverwertetem Karton. Verantwortungsvolle Ökokreationen, die in den meisten Fällen aber nicht besonders ästhetisch waren. Der
biologische Anstrich war oft auch nur Etikette, um dem Publikum das Argument «Nachhaltigkeit» zu
vermitteln. Die Zeiten haben sich geändert. Recycling ist jetzt überall, aber nicht also solches erkennbar.
Es braucht ein Kennerauge, um festzustellen, dass das luxuriöse Filzgewebe eigentlich zerstampftes Pet
oder der Kunststoff ein Kartoffelstärkederivat ist. Die Industrie hat die Vorteile der erdölfreien Produkte
erkannt. So unterstützt das Chemieunternehmen BASF ein Projekt des Deutschen Werner Aisslinger.
Der Hemp Chair ist in einem Block aus Hanffaser gegossen und federleicht. www.aisslinger.de
Kommunikationsobjekt Tisch
Der Tisch ist im eigentlichen Sinn ein Kommunikationsobjekt, ein Ort, wo
man sich zum Gespräch versammelt. Design ist somit ein Faktor der Geselligkeit, ein wertvolles Element der zwischenmenschlichen Beziehungen. 2003
lancierte Martino Gamper die Trattoria al Capello, eine Gastro-Design-Performance, an der der Designer aus Italien zu einem Essen lud, das er rund um
seine Kreationen konzipierte. 2011 führt das deutsche Kollektiv Postfossil die
Idee «Design und Essen im Dienste der Lebensart» weiter. Die Trattoria Utopia ist auch eine «Metapher der Gesellschaft von morgen». Mit den runden
Gabelspitzen ist es unmöglich, Fleisch zu essen. Feine, auf dem Tellerboden
aufgedruckte Zeiger bedeuten, dass man sich Zeit nimmt beim Essen.
www.postfossil.ch
Haute Couture
Der Designboom hat das edle
Kunsthandwerk wieder ins Zentrum gerückt. Einlegearbeiten,
Tischlerei, Glas, Quadersteine,
Weben, Tapeten sind hochaktuell. Thomas Eyck, Hersteller
und Distributor in Holland,
hegt eine grosse Passion für
Know-how, edle Materialien,
Design und Haute Couture und
beauftragt jedes Jahr einen
oder zwei Designer mit einer
exklusiven Kollektion. 2011
profitiert Christien Meindertsma
vom grosszügigen Angebot.
Der 31-jährige Designer,
dessen Kreationen Teil der
Sammlungen des Victoria &
Albert Museum in London und
des MOMA New York sind, hat
traditionsreiche Möbelstücke
neu interpretiert, indem er das
Strohgeflecht durch Flechten
aus der dicken Wolle der
holländischen Texelaarschafe
ersetzt hat.
www.thomaseyck.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 55
m ö b el | t r e n d s
Filz und Stoffe zum Zudecken
Einst wurde Filz aus Wolle hergestellt, heute wird das robuste Material auch aus rezyklierten Plastikflaschen gefertigt. Der
Werkstoff zeichnet sich durch seine vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten aus. Ronan und Erwan Bourroullec bedecken
damit ihr Büchergestell, Benjamin Hubert hat daraus einen Sessel entworfen, der vom niederländischen Hersteller De Vorm
angeboten wird. Im Pod sitzt man von der Umwelt abgeschirmt wie in einem Miniaturheim. Konstantin Grcic überzieht
damit seine neuen Sofas, die vom englischen Möbelhersteller Established & Sons produziert werden. Er liess sich von Hotelmöbeln inspirieren, die mit Tüchern geschützt wie kleine Gespenster aussehen. Die Kollektion des Münchner Designers
trägt die Bezeichnung Cape. Es erinnert nicht an den Umhange von Mandrake dem Zauberer oder von Superman, vielmehr
an den ärmellosen Mantel des Dandys, der die Kunst beherrscht, elegante Kühnheit mit moderner Bequemlichkeit zu
verbinden. Entstanden ist ein spektakuläres Möbelstück, dessen Falten perfekt wie ein Vorhang fallen.
www.establishedandsons.com, www.devorm.com
Multitasking a uf dem Sofa
Was macht gutes Design aus? Grundsätzlich ist gutes Design
zeitlos und keinen Moden unterworfen, es muss dazu das
Bedürfnis nach Komfort erfüllen und sich neuen Verhaltensmustern der Menschen anpassen. So geschehen beim
Fauteuil, der früher die Sitzgelegenheit fürs Fernsehen war.
Heute räkelt man sich darin, checkt Mails, lädt Apps herunter,
telefoniert und geniesst die Gesellschaft der Familie, man ist
aktiv. Deshalb sind die Armlehnen breiter geworden, dienen
als Ablagefläche für das Smartphone oder das Tablet. Der
Capo, eine Kreation des indisch-britischen Designerpaars
Doshi Levien für Cappellini, ist eine der Designsensationen
dieses Jahres.
www.cappellini.com,
56 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Aus Alt mach Neu
Seit der Krise pflegen die Möbelhersteller die Politik der kleinen Schritte,
sie halten sich zurück und illustrieren ihre Kataloge nicht mit einer Unzahl
von Neuheiten. Kühne Würfe, die sich manchmal durchaus bezahlt
machen, sind dünn gesät. Die grossen Häuser warten bessere Zeiten ab
und konzentrieren sich auf ihre Möbelikonen, die sie neu interpretieren.
Cassina, offizieller Produzent von Le Corbusier, lanciert dieses Jahr die
erste Kollektion von Aussenmöbeln. Die aus gewölbtem Holz geformten
Möbel erinnern an die Liege B306 des Neuenburger Architekten und von
Charlotte Perriand.
Weiter zurück in die Vergangenheit sind die Designer des niederländischen
Studio Job gegangen, denn sie haben den mittelalterlichen Stuhl neu erfunden. Der Gothic Chair ist die Kopie eines neugotischen Stuhls aus dem
16. Jahrhundert, den sie auf dem Flohmarkt aufgetrieben und wie ein Kindermöbel interpretiert haben. Aus Propyethylen rotationsgeformt und von
Moooi produziert, ist der Stuhl in zehn Farbtönen erhältlich. Moooi gehört
zu den Möbelverlegern, die in den 2000er Jahren das Design massgeblich
geprägt haben. Der robuste Gothic Chair ist ein Schmuckstück in der
Wohnung und auf der Terrasse und hat das Zeug zum Klassiker.
www.cassina.com, www.moooi.com
Neuentdeckte
Nostalgie
Vintage ist der Blick in den Rückspiegel, der uns zeigt, dass Design
von gestern noch heute aktuell ist.
Tafelstukken von Daphna Laurens
verbindet Holz und Keramik, ruhige
Farben sorgen für nostalgische
Poesie. Die Leuchte der holländischen Designerin ist zudem praktisch, da mit einem Ablagefach
ausgestattet. Die berühmten Stoffarbeiten von Klaus Haapaniemi
und Mia Wallenius erinnern an Jean Lurçat, der als Bildwirker der
Tapisserie des 20. Jahrhunderts entscheidende Impulse verliehen
hat. Das finnische Duo zeichnet das Chaos des Universums. Die
Textilkollektionen Mammoth, Meteor & Volcano inspirieren sich
an der Folklore, der Natur und der Geschichte Finnlands und
illustrieren die Welt, wie sie heute ist.
www.daphnaisaacs.nl, www.klaush.com
Tom Dixon, der Unabhängige
Alle Jahre wieder zieht der britische Designer in der hochfrequentierten Mailänder Messezone Tortona seine Show ab. Er mietet
dazu einen riesigen Raum mit dazugehörendem VIP-Restaurant
und präsentiert seine umfangreiche Produktion. Tom Dixon
bestätigt seinen Status als Topshot des unabhängigen Designs.
Der Engländer, der den Zwischenhandel ausgeschaltet hat und
auf den direkten Kontakt zwischen Créateur und Konsument setzt,
verbindet Werkstoffe, die für die britische Industriegeschichte stehen, mit dekorativen Elementen. Tische mit Beinen aus Gusseisen,
Leuchten aus Pressglas treffen zusammen mit Bulb, seinem neuen
futuristischen Kerzenständer. www.tomdixon.net
trons thron
Cassina pflegt seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Partnerschaft mit den DisneyStudios. Nach dem Stuhl mit den MickeyOhren präsentiert das italienische Möbelhaus
nun massive Fauteuils des New Yorkers Dror
Benshetrit, die aus dem Cyberuniversum des Films
Tron stammen könnten. Die seltsamen Objekte von roher und dekonstruierter Ästhetik
(erinnern entfernt an einen Mix aus Richard Hutten und Franck Gerry) werden aus dem
unverwüstlichen Polymer Corian fabriziert.
www.cassina.com
Skulpturen fürs Heim
Kennen Sie das Spiel, bei dem Sie ein Haus in einem Strich
zeichnen müssen? Der Berliner Jerszy Seymour hat die Idee
übernommen, jedoch um in einem Strich einen Stuhl zu
machen. Entstanden ist das Modell Flux, bestehend aus nur
zwei gekrümmten Metalldrähten. Das von Magis produzierte
Stück sieht wie eine zum Objekt gewordene Skizze aus. In
einem anderen Genre, aber ebenfalls spektakulär ist der Stuhl
Souviens-toi que tu vas mourir mit dem Bild eines Schädels.
Ein echter Vanity Chair und eine der ersten Kreationen von
Pool, einem jungen Designerteam aus Paris. Der italienische
Architekt Andrea Branzi liess sich von Animismus und Ikebana inspirieren, als er für die italienischen Editions Superego
zwölf Behältnisse – Kerzenhalter, Vasen usw. – in Form von
Holzscheiten mit Zweigen gestaltete. Entstanden sind eine
Art Altare aus Keramik, Hommagen an die Natur, die in einer
Auflage von je 33 Stück produziert werden.
www.magisdesign.com, www.poolhouse.eu,
www.superegodesign.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 57
o b j e k t | s avo i r fa i r e | von Emmanuel Grandjean - Fotos : François Wavre
Design in
Beton
Der Faserzementhersteller Eternit produziert auch Designobjekte. Der Lausanner
Nicolas Le moigne und der Österreicher
Rainer Mutsch erklären, weshalb sie gerne
mit dem Bauwerkstoff arbeiten.
D
ie klatschenden Geräusche erinnern an die Arbeit der
Waschfrauen, die die Wäsche aufs Wasser schlagen (zumindest stellen wir uns dies so vor, denn es sind doch viele Jahre vergangen, seit ausser Haus am See, Fluss oder Brunnen gewaschen
wurde). Im Eternit-Werk in Payerne klopfen starke Arme keine
Wäschestücke, sondern Faserzement, woraus Eternit, ursprünglich ein deutsches Unternehmen, vor allem Blumenkisten und
Häuserfassaden fabriziert. Rainer Mutsch beobachtet, wie zwei
starke Männer seinen Fauteuil Dune formen. «Man muss sehr
schnell und präzis arbeiten. Zwischen dem Empfang der Platten,
die im danebenliegenden Atelier hergestellt werden, und dem
fertigen Objekt dürfen nicht mehr als vierzig Minuten vergehen.
Wenn das Material trocken ist, kann man es nicht mehr bearbeiten», beschreibt der Designer aus Österreich den Herstellungsprozess und reibt den Werkstoff, der wie nasser Filz aussieht.
Hier ist alles Handarbeit. «Maschinen, die diese Arbeit machen
könnten, gibt es nicht. Dune wurde speziell für Faserzement
konzipiert, aus Plastik wäre das Stück völlig uninteressant.» Einzige Konzession an die Modernisierung im Herstellungsvorgang
ist die baldige Einrichtung eines riesigen Ofens, der die Trocknungszeit von drei Wochen auf vier Tage verkürzt. Derzeit werden die Objekte noch an der Luft getrocknet.
Von Loop zu Dune
Das 1901 gegründete Unternehmen Eternit produziert nicht
nur Bauelemente, sondern auch ganze Kollektionen von Designerobjekten. Und dies schon seit den Fünfzigerjahren, so den
berühmten Strandstuhl Loop Chair von Willy Guhl, der nicht
nur die Geschichte des Unternehmens, sondern das internationale Design massgeblich geprägt hat. «Wir arbeiten ausschliesslich mit Gestaltern, die dieses sehr spezielle Material
verstehen», erklärt Daniel Hauri, Verantwortlicher für die Abteilung Design. «Wir erhalten viele Vorschläge, aber nur ganz
wenige, einer oder zwei, sind wirklich geeignet. Wir sind auch
nicht auf der Suche nach neuen Talenten, wir möchten auch
in Zukunft mit den sechzehn aktuellen
f Die FaserzementDesignern arbeiten.» Rainer Mutsch
platten werden zu
wurde mit dem Dune-Fauteuil für den
einem Stuhl gefaltet.
Brit Insurance Design of the Year 2011
nominiert. «Eine prestigereiche Ausp Trash Cube von
zeichnung, die auch Herzog & De MeuNicolas Le Moigne
58 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Finanz und Wirtschaft LU X E | 59
begehren
o b j e k t | s avo i r fa i r e
von Emmanuel Grandjean
pGrüne Modellierform für den Garten
fauteuil Dune.
ron erhalten haben», erklärt der ÖsterreipRainer Mutsch am
cher, dem den Preis nur knapp entgangen
Formen des von ihm
entworfenen Dune.
ist. Was ihn aber nicht weiter bekümmert.
Sein Fauteuil wird demnächst in ausgewählten Brico-Shops und Garden-Centern erhältlich sein.
Es ist dies das erste Mal, dass Eternit im grossen Rahmen
in den Detailhandel einsteigt. Das Unternehmen will so die
Bekanntheit steigern und von einer neuen Kommunikationsform profitieren. Besteht nicht auch die Absicht, sich endlich
des Asbestproblems zu entledigen, mit dem Eternit noch immer in Verbindung gebracht wird, obwohl seit Ende der Siebzigerjahre die krebserregende Faser durch acht gesundheitsunschädliche Komponenten ersetzt wurde? «Absolut nicht,
denn dieses Problem haben wir schon vor langer Zeit geregelt», verteidigt sich Anders Holte, Generaldirektor Eternit
Schweiz und Österreich. «Es ist vielmehr der Erfolg des Designs beim breiten Publikum, der uns motiviert hat, weitere
Absatzkanäle zu prüfen.»
Grosser Würfel
Einen solchen gibt’s auch für den Trash Cube von Nicolas Le
Moigne. Der Designer aus Lausanne arbeitet regelmässig für
Eternit. «Die Beziehung zu Eternit begann», erzählt er, «als ich
an der ECAL studierte. Im Rahmen meiner Masterarbeit prüfte
ich verschiedene Möglichkeiten, den faszinierenden Werkstoff
Faserzement zu formen. Eternit interessierte mich schon seit
langem.» Voraussetzung für die Durchführung des Projekts
war der intensive Dialog zwischen Designer, Unternehmen
und Arbeitenden. Das Konzept basierte auf einem unterschiedlichen Fabrikationsprozess. Statt die Stücke auf einer Schablone zu formen, füllt Nicolas Le Moigne eine kubische Form mit
Faserzement. «Ich produziere ein neues Objekt – einen Hocker, eine Skulptur –, indem ich Formereiabfälle verwerte.»
Reststücke finden so eine neue Verwendung, es entsteht ein
Unikat, ein Designobjekt, das für sensationelle 97 Fr. erhältlich ist. «Die Produktionsvorgaben waren streng. Da der Arbeiter höchstens zwölf Minuten für das Projekt aufwenden darf,
musste die Form möglichst einfach sein. Wir erzielen einen
spannenden Kontrast zwischen einem industriell anmutenden, aber handwerklich hergestellten Objekt, das einzigartig
ist und das fast zufällig entsteht.» Sein nächstes Faserzementprojekt ist bereits unter Dach. Ein niedriger Tisch, dessen Fuss
in Payerne geformt wird, die farbige Platte ist ein bei Eternit
Deutschland industriell hergestelltes Bauelement. «Ich kann
mit den Farbtönen spielen. Mich fasziniert die Idee, dass erstmals zwei HerpNicolas Le Moigne
stellungsverfahren für ein einziges Obmit der Pressform für
jekt angewendet werden.» |
den Trash Cube.
60 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Weshalb Sie
diesen Stuhl
haben müssen
A
m Anfang waren zwei britische Designer, die von der
Royal Society of Arts um ihre Meinung zum Kauf von
Stühlen für eine neue Schule gebeten wurden. Edward Barber und Jay Osgerby besuchten eine Primarschule in Tipton in den Midlands und waren vom Gesehenen nicht gerade begeistert. So entstand die Idee, das seit über vierzig
Jahren unveränderte Schulstuhldesign zu überdenken.
Dann galt es einen Hersteller zu finden. Rolf Fehlbaum,
Chef von Vitra, dem Schweizer Unternehmen für Design, das die Entwürfe von Charles & Ray Eames produziert, mit Frank Gerry und den Brüdern Campana
arbeitet und im Hauptquartier in Weil am Rhein den
wunderschönen Vitra Campus betreibt, war auf AnProduziert von Vitra erfindet der «Tip hieb von Tip Ton begeistert. Tatsächlich kommt es im
Ton» von Barber & Osgerby das Sitzen neu. Leben nicht oft vor, dass ein Stuhl neu erfunden wird.
1. Weil er schaukelt. Nicht nach hinten, sondern
nach vorn, wo er um exakt neun Grad geneigt stehen bleibt. Schaukeln hat aber nur wenig mit spielen
zu tun: Dieser Stuhl ist auch gut für Köper und Geist.
2. Weil die nach vorne geneigte Sitzposition
vorteilhaft ist. Eine Studie der ETH Zürich aus dem
Jahr 2010 belegt nämlich, dass dies die Bauch- und
Rückenmuskulatur stärkt, die Durchblutung verbessert, was sich insgesamt günstig auf die Konzentrationsfähigkeit auswirkt.
Weil er für die Schule konzipiert wurde.
Dieser Stuhl erfüllt alle Ansprüche des zeitgenössischen Designs: Er ist leicht, stapelbar, robust, lässt
sich rezyklieren und ist preiswert.
3.
Weil er originell ist. Sein innovatives kufenförmiges Untergestell macht ihn einzigartig.
Eine Meisterleistung, wenn man weiss, wie
viele neue Designerstühle jedes Jahr auf
den Markt kommen.
4.
Weil er die Handschrift von Barber &
Osgerby trägt. Das britische Designerduo
Edward Barber und Jay Osgerby wurde 1996
von Giulio Cappellini entdeckt. Für die
Umsetzung ihres einfachen, eleganten Stils
nutzen sie die grosstechnischen Verfahren
aus der Kunststoffverarbeitung. Der Tip
Ton wird in einem Stück aus Kunststoff
gegossen. Die beiden Londoner gehören
zu dem Kreis von Gestaltern, die in
verschiedenen Disziplinen stark sind.
So arbeiten sie für Unternehmen
wie Established & Sons, Magis, Flos
und Panasonic.
5.
Tip Ton, 278 Fr., www.vitra.com
Finanz und Wirtschaft LU X E | 61
s t i l | z u b e s u c h | von Emmanuel Grandjean - Fotos: Vera Hartmann
Willkommen bei Joan Billing
und Samuel Eberli
ff Audiogerät Audio 1
(Braun 1962, Dieter Rams)
Metallfüsse und Standlautsprecher
L60-4 (Braun 1964, Dieter Rams) Tisch ECAL Limited Edition D+D
(Eternit 2008, Nicolas Le Moigne)
f Liege LC4 (Wohnbedarf/Embru
Modell 40/2072 Entwurf 1933,
Le Corbusier)
Regal Schweizer Design 50er Jahre
Leuchte Tripode
(Santa & Cole 1997)
Weltempfänger T1000
(Braun 1963, Dieter Rams)
Sie lieben Design, Architektur,
Kunst, Bücher und BraunGeräte. Begegnung mit zwei
Koryphäen des Stils und
Organisatoren der Messe
Design+Design in Zürich.
D
as Appartement im kubusförmigen
Haus in Ennetbaden, 15 Minuten von
Zürich entfernt, scheint über dem Fluss zu
schweben. Das einzige Geräusch, das die
Bewohner hören, ist das Rauschen der Limmat. Joan Billing und Samuel Eberli, beide 39 Jahre alt, sind die Organisatoren von
Design+Design, der grössten Messe von
Vintage-Möbeln in der Schweiz.
Er ist Architekt, sie Designerin und
Trendforscherin. Er arbeitet mit dem
Schwiegervater, sie führt mit der Mutter
und Lidewij Edelkoort, Trendguru aus Holland und Vorhersager der Mode von morgen, ein Trendforschungsbüro. Joan und
Samuel sind ein Paar mit ausgeprägtem
Familiensinn und total verrückt nach Design. «Wir lieben das zeitlose Design. Es
reicht nicht, dass ein Objekt nur schön ist,
es muss auch eine Seele besitzen. Oft ist gerade die Einfachheit, die Moden überdauert», erklärt Joan, die sich schon als kleines
Mädchen für Design interessierte, als ihre
Freundinnen von ganz anderen Dingen
träumten. «Ich war zwölf Jahre alt, als ich
Bauhaus entdeckte, und ich setzte mir in
den Kopf, einen Metalltisch zu fabrizieren.
Mit 13 sah ich die Arbeiten von Eileen Gray,
und von diesem Moment wurde Design
zum bestimmenden Teil meines Lebens.»
Lange vor Apple
Zum Wunsch, Objekte zu entwerfen, gesellte sich bald die Leidenschaft, sie auch zu
sammeln. Nicht zuletzt ein typischer Charakterzug der Familie Billing, wo die Designpassion von den Eltern auf die Tochter überging. Joan und Vater Rolf sind die
schweizweit grössten Sammler der Arbei62 |62Finanz
| Finanz
undund
Wirtschaft
Wirtschaft
LU X
LU
E XE
ten von Dieter Rams, ihre Sammlung umfasst über 800 Stücke. Der deutsche Designer hat die zu Kultobjekten gewordenen
Braun-Geräte gestaltet. Plattenspieler,
Fernsehapparate und Kofferradios sind
heute Teil der Geschichte des Designs.
«Schön und einfach», erklärt Samuel und
dreht das Transistorradiomodell TP1 aus
dem Jahr 1959 in den Händen, «ein einmaliges, gescheites Objekt, Plattenspieler und
Radio in einem. Ein einziger Knopfdruck,
und das Gerät ist betriebsbereit.» Dieter
Rams besass den berühmten Geist von Apple, nur eben 40 Jahre früher.
Im Übrigen sind Jonathan Ives, Designer des iMac und des iPod, und Dieter
Rams gute Bekannte, weiss Samuel Eberli
zu erzählen.
Die jährlich stattfindende Wallfahrt
nach Kronberg im deutschen Bundesland
Hessen, wo stets am 14. Mai die BraunBörse stattfindet, ist ein Muss. «Als ich das
erste Mal dort war, war ich 19 Jahre alt,
die übrigen Besucher alle um die 60», erinnert sich Joan. «Es war ein unglaubliches Erlebnis, so viele Menschen mit der
gleichen Passion zu treffen. Damals gab es
das Internet ja noch nicht. Es war aufwendig, Menschen mit den gleichen Interessen ausfindig zu machen. Man musste die
entsprechenden Fachbücher aufspüren,
die richtigen Personen kontaktieren», beschreibt sie die vergangene Zeit.
Der Salon Design+Design ist das Resultat
dieses früheren Networking. «Wir hatten
die Idee, Menschen mit der gleiche Designleidenschaft zusammenzuführen, indem
wir Vorträge und eine grosse Ausstellung
Finanz und Wirtschaft LU X E | 63
DRESS CODE
stil | zu besuch
von Emmanuel Grandjean
ff Pyramid Chair (De Cirkel
Pyramid 1956, Wim Rietveld)
Shanghai Chair (INCH
Furniture, 2009 Yves Raschle/
Thomas Wüthrich)
f Afrikanische Masken
s Bogenleuchte Arco (Flos Entwurf 1962, P.&G. Castiglioni)
Tischleuchte WA 24 «Bauhauslampe» (Tecnolumen, Entwurf
1924 W. Wagenfeld)
Sidechair (Hermann Miller,
Charles & Ray Eames)
Teeservice (Jenaer Glaswerk
Schott & Gen. Entwurf 1931
Wilhelm Wagenfeld)
« Designobjekte sind nicht dazu
bestimmt, herumzustehen,
sie wollen benutzt werden. »
organisierten, einen Katalog publizierten
und die Beziehungen zwischen Liebhabern,
Händlern, Fachleuten und Designgaleristen
förderten. Aber vor 20 Jahren war das Interesse noch nicht so gross wie heute. Erst vor
etwa sieben Jahren gelangten wir zur Überzeugung, dass ein solcher Event das Publikum interessieren könnte», erzählt Samuel
bei unserem Gespräch im Wohnzimmer, wo
sich Vintage-Möbel mit zeitgenössischen
Stücken und afrikanischer Kunst mischen.
Teezeremonie
Hier hat man den Mut, Stil, Epochen, Kulturen und Kontinente zu kombinieren. Die
vom Lausanner Designer Nicolas Le Moigne für Eternit gestaltete Konsole koexistiert
problemlos mit dem mit Nägeln bespickten
afrikanischen Stammesfetisch. «Unser Geld
investieren wir natürlich in Möbel, aber
auch in Architektur- und Kunstbücher, Reisen und Restaurant. Wir lieben die gute Küche, lassen uns aber eher vom Feeling leiten,
der Name des Kochs oder die Anzahl Sterne
sind uns eigentlich gleichgültig. Uns interessieren vielmehr originelle Gerichte, wie sie
im Noma in Kopenhagen, dem zurzeit angesagten Lokal, aufgetischt werden. Allerdings muss man seinen Tisch mittlerweise
mindestens einen Monat im Voraus reservieren», erzählt Samuel. «Und wir kaufen
auch Tee, wir sind absolute Teefans.» Tatsächlich servierte uns das Paar Rosentee mit
Akazienhonig in einem papierfeinen Glas
von Wilhelm Wagenfeld aus den Dreissigerjahren. «Wir leben mit Design, deshalb ist
es normal, dass Design mit uns lebt. Diese
64 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Objekte sind nicht dazu bestimmt, herumzustehen, sondern sie wollen benutzt werden», sagt Joan, die mit Samuel die gleichen
ästhetischen Vorlieben teilt. «Das ist natürlich die Voraussetzung, damit es zwischen
uns klappt», meint Samuel. «Wir kaufen
jährlich mindestens zwei bis drei Stücke.
Joan hat diese Stühle von Wim Rietveld,
dem Sohn des niederländischen Architekten Gerriet Rietveld, gefunden, ich habe mir
einen kleinen Holztisch gekauft.»
Ein stilvoll harmonisches Leben verlangt
auch den entsprechen Kleiderlook. «Wir
mögen die grossen klassischen Häuser wie
Yves Saint-Laurent, Hermès und Lanvin,
aber auch jüngere Labels – APC, Marc Jacobs, Bless –, und wir haben ein Faible für
Raf Simmons und Hussein Chalayan. Ich
erinnere mich an die Kollektion Winter
2000, ein unglaublicher Mix von Architektur, Design und Mode. Es war wie an einer
Ausstellung fantastischer Kunst», typisiert
Joan die gemeinsamen Vorlieben. Mit anderen Worten, sie bevorzugen Stylisten, die
wunderschöne Sachen anbieten. «Wir reisen mindestens zweimal jährlich nach Paris
oder Wien, wo wir uns eindecken. Wir tragen einfache Kleider, gut geschnittene Basics. Uniqlo und Muji gehören zu unseren
bevorzugten Adressen», verrät sie.
Das Paar, das sich von Skandinavien und
Japan besonders angezogen fühlt, hat sein
Herz für Wien entdeckt. Die während langer Zeit verschlafene Stadt erwacht zu
neuem Leben, vor allem in Sachen Design.
Und dann ist Wien auch die Stadt von Erwin Wurm. Der Künstler des Fat Car – eines
echten Boliden, der aussieht wie eine Fettwurst – und der One Minute Sculpture, mit
der er zeigt, wie man zum Kunstwerk wird,
indem man Kleider andersrum anzieht,
ist ebenfalls ein grosser Vintage-Sammler.
Er gehört mit Thomas Demand, Matthew
Barney und Beat Zoderer zu den PlastikerIkonen, die Joan und Samuel gerne in ihrer traumhaften Wohnungsinsel über dem
Wasser hätten. |
Design+Design 2011,
25. bis 27. November 2011 in Zürich,
www.designunddesign.ch
Stilvoll
in den
Sommer
Bermudas ja oder nein ?
Ärmel kurz oder lang? Alle
Jahre wieder, pünktlich zum
Sommeranfang, stellt sich
die gleiche Frage des Stils.
Unsere Tipps, damit Mann
auch diesen Sommer bella
figura macht.
Ave Sandale
Sonne, Sand und Meer – für Sie der ideale
Moment, Ihre alten Sebagos hervorzuholen.
Besser, Sie lassen die Bootsschuhe im Schrank.
Denn Docksides sind mittlerweile wirklich aus
der Mode, das Angebot an sommerlich-schicker
Fussbekleidung ist riesig. Baskets (Converse)
sind nach wie vor topaktuell und immer passend.
Auch die Sandale kommt nie aus der Mode.
Letztes Jahr hatte die Ledergladiatorensandale
noch einen scheuen Auftritt, diesen Sommer
dürfte ihr der Durchbruch gelingen,
ja sie wird Furore machen.
Willkommen in der Arena.
Sandale Femerus
von Damir Doma,
190 Fr.
Ärmel hochkrempeln
M
an kann es nicht genug wiederholen: Kurzärmlige Hemden sind eine Stilstünde. Für junge Menschen, die alles
tragen dürfen und können, mögen Kurzarmhemden erlaubt
sein, Sie aber wählen lieber einen feinen Stoff – Voile de coton
oder Leinen – und krempeln bei steigenden Temperaturen und
strahlender Sonne einfach die Ärmel hoch. Wenn Sie es wirklich
kurzärmlig mögen, entscheiden Sie sich für ein Poloshirt.
Chemise Maison Martin Margiela, 320 Fr.
Panamakanal
Im Sommer ist Kopfbedeckung ein Muss, aber nicht
irgendeine. Ganz sicher nicht das unsägliche Mützchen, das Sie wahrscheinlich wegen des drohenden
Sonnenstichs – oder danach? – gekauft haben.
Ebenso wenig das mit Pailletten verziehrte Cap (tut
uns leid, die R’n’B-Kultur ist für Sie definitiv passé).
Entscheiden Sie sich besser für einen Stroh-Trilby,
sehr mondän und seit zwei Jahren fashionable. Es
gibt ihn in zahllosen Versionen, zum Beispiel von
Stetson und Paul Smith. Der stets aktuelle Panama
verleiht Ihnen den ultimativen Retro-Latino-Look.
Trilby Floral von Paul Smith, 90 Fr.
Vade Retro Bermuda
Die Temperaturen steigen und damit die Lust, nackte
Beine zu zeigen. Sie zögern zwischen Shorts und Bermudas. Sie liegen bereits falsch. Denn die kurze Hose
ist ein Stilbruch erster Güte. Es gibt zwar Luxusmarken,
die ganze Kollektionen anbieten. Vergessen Sie’s – es
bleibt modisches Teufelszeug, auch wenn die Bermudas
grosse Namen tragen. Die muten dem Herrn ja auch
zu, sich in unsäglichen Farben wie Türkis, zerstossene
Himbeeren oder Kanariengelb
zu kleiden und darin auszusehen
wie ein bunter Vogel, der sich am
Strand verirrt hat. Die Alternative?
Weit geschnittene Hosen aus
leichten Stoffen, die die Haut
atmen lassen und Sie garantiert
unwiderstehlich aussehen lassen.
Hose aus Seide und Baumwolle, Haider Ackermann,
1240 Fr.
LU X E | 65
t r e n d | M ä n n e r pa r f u m | von Myret Zaki - Fotos: François Wavre
Wuchtig und verwegen
denste Düfte zu erforschen und zu komponieren.» Seine erste Kreation, Féminité du
Bois, war eine Hommage an die Atlaszeder
und sollte die Welt der Parfümerie revolutionieren.
Als «Orientalist» bezeichnet, spezialisierte sich Serge Lutens auf würzige, honigtönige, holzige Noten. «Der Erfolg
stellte sich sehr schnell ein», erzählt die
Besitzerin von rund 60 Parfums. «Er profitierte von der wachsenden Nachfrage
nach natürlichen Düften, gemixt aus edlen Rohstoffen – Holz, Harze – und ohne
die in den Achtzigerjahren typischen
süsslichen Ingredienzien.» Wobei darauf
hingewiesen werden muss, dass selbst Nischenparfums mit einem hohen Anteil an
natürlichen Stoffen nicht ohne Syntheseprodukte auskommen, weil beispielsweise natürlicher Moschus oder Zibet verboten sind.
Unabhängige Männer, mit
Mut zur eigenen Note, ziehen
seltene Düfte auf Basis
natürlicher Ingredienzien
kommerziellen Parfums vor.
Begegnung im Universum der
Düfte mit Liebhabern und
Kreateuren.
B
etritt Blaise-Alexandre Le Comte
die Parfümerie Théodora, nimmt ein
Abenteuer seinen Anfang. Vielleicht wird
er einen neuen Duft, eine neue Geschichte kennenlernen. «Für neugierige Nasen
sind der Aufenthalt in einer Parfümerie
und das Erschnuppern unbekannter Düfte ein aufregendes Vergnügen», betont der
elegante Genfer und Sammler sogenannter Nischendüfte. Diese sind die Spezialität der Boutique Théodora an der GrandRue 38 im Herzen der Genfer Altstadt. Der
Duftentdecker betastet die Flacons, hält
inne bei Cologne Bigarade, einem hesperidischen Duft, dann bei Carnal Flower,
basierend auf sinnlicher Tuberose. Beide
Parfums sind Kreationen von Editions de
Parfums Frédéric Malle.
Weniger kommerzielle
Düfte sind im Trend
Dann besprüht er eine Mouillette, riecht
konzentriert daran und legt den Papierstreifen sorgfältig in seinem Notizbuch ab.
Später wird er darauf zurückgreifen. Manche Parfums beschnuppert er zum dritten,
vierten Mal, der Duft lässt ihn nicht mehr
los, und schliesslich wird er ihm erliegen.
Seine Abenteuer und spannenden Duftgeschichten beschreibt er in einem Blog.
Manchmal braucht es zehn, zwanzig Anläufe, bis er sich schliesslich für ein Parfum entscheidet. Um die Nase auszulüften,
empfiehlt es sich, an einer mit Kaffeebohnen gefüllten Tasse zu riechen. Dann kann
die Degustation weitergehen.
Blaise-Alexandre Le Comte ist ein Duftentdecker.
Seine Trouvaillen beschreibt er im eigenen Blog.
66 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Blaise-Alexandre Le Comte ist kategorisch, für ihn gibt es ausschliesslich Nischenparfums. «Solche Düfte sind authentische Kreationen des Parfümeurs,
sie müssen also nicht einem möglichst
breiten Publikum gefallen, sie sind das Ergebnis der Arbeit mit eleganten Rohstoffen. Man wird Anhänger – oder eben nicht
– des Universums eines bestimmten Kreateurs», erklärt der Perfumista, der seine
Freizeit damit verbringt, Düfte zu suchen
und ensprechende Blogs ausfindig zu machen. Serge Lutens, Parfum d’Empire,
Parfumerie Générale, Etat Libre d’Orange
sind etwa die Marken der Duftinsider, die
immer auf der Suche nach authentischen,
weniger kommerziellen Düften sind.
Während langer Zeit benutzte Blaise-Alexandre Le Comte überhaupt kein
Parfum, da er die Massenprodukte als
«banal» und «zu sauber riechend» einstufte. Eines Tages stiess ihn der Zufall
auf Chypre Rouge, einen Duft von Serge
Lutens. «Es war eine Offenbarung!» Sie
machte ihn auf Anhieb zum Fan seltener, schöner Düfte, mit denen er sich jeden Morgen und auch am Abend von Kopf
bis Fuss, inklusive Haare, besprüht. Seine
Präferenzen sind ledrige und holzige Aro-
men sowie orientalische Gewürze. Wuchtige Odeurs also, die auffallen.
Im Laufe seiner Karriere als Parfumliebhaber hat sich Blaise-Alexandre Le
Comte eine Kollektion mit Dutzenden
Flacons angelegt. So gönnte er sich kürzlich die aus dem Jahr 1919 stammende
Version Tabac Blond von Caron, «um die
Originalformel zu riechen».
Wegbereiter Serge Lutens
Er und Mitpassionierte bezeichnen als
ihre Lieblingsmarke Serge Lutens. Für sie
ist es geradezu Kult, sich mit den Düften
des in Marrakesch lebenden Pariser Parfümeurs zu schmücken. Der Komponist seltener Düfte schaut auf eine beeindruckende Künstlerlaufbahn zurück. «Nachdem er
für grosse Marken wie Shiseido gearbeitet
hatte, begann er in den Neunzigerjahren,
seine eigene Handschrift
durchzusetzen», erzählt
Der französische
Sylvie Raphoz, schon in
Parfümeur Serge
Lutens ist ein
jungen Jahren passiokreativer Exzennierte Parfumliebhabetriker. Er gilt als
rin. «Heute wird er als der Wegbereiter einer
Wegebereiter angesehen, neuen Generation
denn er war der Erste, der
von Düften mit
Naturaromen.
begonnen hatte, verschie-
Unisex-Marken dominieren
Beflügelt vom Erfolg des Nischenparfümeurs begannen grosse Luxusmarken wie
Armani, Dior und Chanel, den Meister zu
imitieren, und brachten ihrerseits exklusive Parfums in limitierter Auflage auf
den Markt. Wer das Universum dieser seltenen Düfte näher kennenlernen möchte,
beginnt mit leichten, sinnlichen Parfums
wie L’Eau von Serge Lutens, Prelude To
Love von Kilian oder Iskander von Parfum d’Empire. Einen leicht subversiven
Touch verleiht beispielsweise Putain des
Palaces von Etat Libre d’Orange.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 67
t r e n d | M ä n n e r pa r f u m
Bei den Nischenparfums wird nicht
zwischen Mann und Frau unterschieden.
Männer wie Blaise-Alexandre Le Comte
fühlen sich in «ihrer männlichen Identität durchaus wohl», haben aber kein
Problem, Düfte wie Putain des Palaces
zu tragen. «Der moderne Mann scheut
nicht mehr davor zurück, eine Parfümerie zu betreten», freut sich Marc-Antoine
Corticchiato, Gründer und Kreateur von
Parfum d’Empire, fest. Er stellt fest, dass
die Männer durchaus offen sind, ihre olfaktive Kultur zu entwickeln.
Damit entsprechen sie ganz dem
Trend, geschlechterübergreifende Bereiche zu besetzen. Siehe Gastronomie.
In der Nischenparfümerie dominieren
Unisexprodukte, eine Tendenz, die jetzt
auch von den grossen Marken entdeckt
wurde und die entsprechende Produkte anbietet. Für Marc-Antoine Corticchiato ist die Unterscheidung in Herren- und Damenparfums lediglich ein
Marketingargument. Einer Meinung,
der sich der berühmte Serge Lutens absolut anschliesst. Er schreibt dazu: «Es
ist schlimm, wenn die Virilität nur gerade vom Parfum abhängt. Es braucht auch
keine CD oder Biskuits, die sich exklusiv an Männer bzw. Frauen richten. Ob
in der Musik oder bei den Parfums – für
mich gibt’s nur eine gemeinsame Sensibilität, ein gemeinsamer Geschmack.
Das ist alles.» (Das ganze Gespräch ist
auf dem Blog von Blaise-Alexandre Le
Comte nachzulesen)
Die neuen Werte
der Maskulinität
«Der heutige Mann hat keine Scheu
sich zu parfümieren. Auch sind die Zeiten vorbei, als seine Frau den Duft für ihn
s p o r t | p olo | von Konrad Koch
auswählte», meint Marc-Antoine Corticchiato. Der moderne Mann ist wie die
Frau figurbewusst, möchte in Schönheit
altern, mag Parfum, Essen, Wellness. Dies
sind die neuen Werte des Mannes. Und
der Pariser Parfümeur staunt, wie die modernen Männer ihre feminine Seite leben,
sich pflegen und schön machen. «Selbst
Homosexuelle gehen nicht so weit.»
Auch für Sylvie Raphoz stellt die Benutzung von Parfum die heterosexuelle Virilität nicht in Frage. «Es gibt bei
den Nischenparfums extrem virile Düfte. Baudelaire von Byredo ist berauschend und sehr männlich. French Lover von Frédéric Mall ist ebenfalls ein
wunderbar männliches Parfum. Düfte
auf Basis von Weihrauch, Sandelholz
und Leder wie Cuir Ottoman von Parfum d’Empore sind unglaublich maskulin.» «Ich lasse mich von Düften
tragen, die mich anziehen», sagt BlaiseAlexandre Le Compte. Iris Poudré von
Frédéric Malle oder Equistrius von Parfum d’Empire sind zwar eher für Frauen konzipiert, aber wunderschön am
Abend beim Zubettgehen. |
Blogs Blaise-Alexandre Le Comte, Chypre Rouge
chyprerouge.wordpress.com
Poivre Bleu
poivrebleu.com
Olfactorum
olfactorum.blogspot.com
Ambre Gris
ambregris.blogspot.com
Grain de Musc
graindemusc.blogspot.com
My Blue Hour
mybluehour.blogspot.com.
Wie wählt man ein Nischenparfum?
«Wirkliche Ausnahmesituationen ausgenommen, sollte man nie sofort entscheiden, ob
man ein Parfum mag oder nicht», empfiehlt Blaise-Alexandre Le Comte. «Man muss es
quasi domestizieren, indem man mehrere Tage den Papierstreifen beschnuppert. Denn
zwischen dem Parfum und dem Träger findet eine echte Begegnung statt. Es lässt sich
nicht voraussagen, wie sich der Duft auf der Haut entwickeln wird.» Parfum erzählt eine
Geschichte, die mit den Kopfnoten beginnt, die sich als Erste verflüchtigen. Weiter geht
sie mit den Herznoten, die ein paar Stunden halten, und schliesslich mit den Basisnoten,
die, so erklärt der Perfumista, durchaus einige Tage halten können. Auch der Name des
Parfums erzählt eine Geschichte. «Cuir Mauresque» erinnert an die orientalische Vision
des Parfümeurs Serge Lutens. Bei dieser Art Parfum braucht es nur wenige Tropfen. «Auch
sollte man im Laufe des Tages nicht nachsprühen, denn so unterbricht man die natürliche
Evolution, da sich die Kopfnoten auf die Basisnoten legen», rät der Duftfachmann.
68 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Sommerdüfte
Eine Auswahl von Nischenparfums mit
leichten, sinnlichen Noten für diesen Sommer.
Erhältlich bei Théodora, Genf, oder Bon
Génie Grieder in Zürich.
fL’Eau
Guerrière
Pikante pflanzliche
Note von Chinarindenbaum, Aloe, Weihrauch,
Basis animalischer
Moschus.
Parfumerie Générale.
fPrelude
To Love
Bouquet von Hesperiden, die Süsse der
Bergamotte, die Delikatesse der Bitterorange,
die Ausstrahlung der
Zitrone.
By Kilian.
fPutain
des Palaces
Rose, Veilchen, Leder,
Maiglöckchen, Mandarine, Ingwer.
Etat Libre d’Orange.
fIskander
Agrumen, Estragon,
Koriander, Orangenblüte. Basis Moos und
Moschus.
Parfum d’Empire.
fCologne
Bigarade
Orange, Kardamom,
Kümmel, ein Hauch
Wodka.
Frédéric Malle.
fL’Eau
Parfümierte Frische.
Salbeinoten und eine
zitronige Brise.
Serge Lutens.
High
Goal
und
High
Society
Polo gilt als Spiel der Könige
– und der Reichen und Berühmten. Hockey zu Pferd ist aber
mehr als nur ein glamouröses
Gesellschaftsspiel, das
auch in der Schweiz immer
populärer wird: Es ist ein Leistungssport, einer mit Stil.
E
s gibt ihn doch, den feinen Unterschied. Stürzt im Polo ein Reiter vom
Pferd, geht das Spiel weiter; stürzt ein
Pferd, wird der Chukker – wie eine Spielrunde im Polo heisst – unterbrochen. Die
Regeln ordnen alles dem Wohl des Pferdes unter. So darf ein Pferd nicht in zwei
sich folgenden Chukkas eingesetzt werden. Das bedeutet, dass jeder Spieler
mit zwei Pferden für ein Match antreten
muss, was Polo wiederum den Ruf einbringt, ein Sport nur für Reiche zu sein.
«Nur der Tod lässt einen Polospieler
vom Pferd steigen – oder Schulden», mag
daher eines der Bonmots mit wahrem
Hintergrund in Polokreisen sein. «Polo ist
nicht teurer als jede andere Art von Pferdesport», kontert Markus W. Gräff, Gründer und Präsident des Polo Park Zürich,
jedoch die stete Frage, ob Polo ein kostspieliger Sport sei. Man muss zwei Pferde
kaufen, und man muss sich den Unterhalt
von zwei Pferden leisten können, rechnet
Gräff vor, der die von ihm 1995 gegründete Vermögensverwaltung Gräff Capital
Management leitet und ein eigenes Poloteam führt.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 69
s p o r t | p olo
Kodifiziert haben die Regeln des Polospiels die britischen Offiziere, die den
Mannschaftssport in der indischen Kronkolonie kennengelernt hatten. Die Amerikaner waren es, die dem Polo das dem
Golfspiel vergleichbare Handicap-System
zufügten. Winston Churchill, der wegen
seiner Härte ein gefürchteter Polospieler
war, hatte nur Spott übrig für Golf. Polo
war für ihn Wettkampf, Golfspielen dagegen die beste Art, sich einen Spaziergang
zu vermiesen.
Das offizielle Spielfeld ist 274 Meter
lang und 182 Meter breit. Hinter den beiden 7,3 Meter breiten, von geflochtenen
Weidenpfosten markierten Toren ist eine
Sicherheitszone. Ein Match setzt sich aus
je 7,5 Minuten Spielzeit dauernden Chukkas zusammen. Nach jeder Periode werden die Pferde gewechselt. An grossen
Turnieren werden acht Chukkas gespielt,
in Europa in der Regel nur vier.
Handicap und Fairplay
Ein gut ausgebildetes Polopferd kostet
ab 15 000 bis 30 000 Fr. Stammbaum und
Zuchtgestüt lassen den Preis für Toppferde schnell in Liebhaberregionen steigen. Das erste Zuchtgestüt für Polopferde
in der Schweiz hat Markus Gräff zusammen mit seiner Frau Irene, die wie er aktiv Polo spielt, im Zürcher Weinland aufgebaut, die La Irenita Stud Farm.
Erstes Pologestüt in der Schweiz
Polo hat seinen Ursprung um 700 v.
Chr. in Persien. Seine Hochblüte erlebte
das Reiterkampfspiel im Indien der Moguln und Maharadschas. Die Pferde, mit
denen seit den Zeiten des britischen Em70 | Finanz und Wirtschaft LU X E
pire in Indien modernes Polo gespielt
wurde, sind Kreuzungen aus lokalen Gebrauchspferdrassen mit englischem und
arabischem Vollblut. Allein der Grösse
wegen werden sie Pony genannt.
Mit der Verbreitung von Polo fanden
sich gute Zuchtbedingungen in den USA,
wo Vollblut mit Quarter Horses gekreuzt
werden, und in Argentinien. In den Weiten der Pampas werden seit über hundert
Jahren die besten Polopferde gezüchtet. Die einheimische Rasse Criollo wurde mit Vollblut gekreuzt. Die Pferde mit
einem Stockmass zwischen 150 und 160
Zentimeter sind reaktionsschnell und für
Rennen über kurze Distanzen geeignet.
Gespielt wird mit vier Spielern pro
Mannschaft. Mit dem Mallet oder Schläger,
der immer rechts gehalten werden muss,
wird versucht, einen Kunstharzball ins Tor
zu schlagen. Was für den Polo-unerfahrenen Zuschauer verwirrend ist: Nach jedem
Tor wechselt die Spielrichtung.
«Polo verlangt am meisten Kondition
und Kraft von fast allen Pferdesportarten», beschreibt Gräff die Herausforderung, die sich an Reiterin und Reiter auf
den wendigen Ponys stellt. Und er weiss,
wovon er spricht.
Er war einer der
Impressionen vom
Topturnier im Polo Park
erfolgreichsten
Zürich, den Sarasin
Schweizer RennSwiss Open-Polo Chamreiter im Amateurpionships.
status und ist der
einzige
Schweizer, der das Grand National geritten ist,
das legendäre englische Hindernisrennen. Er spielt aktiv Polo und übt fast täglich im Polo Park Zürich. Mit einem Handicap von 1 gehört zu den zehn Schweizer
Top-Spielern.
Die Spielerstärke reicht von –2 für Anfänger bis 10 für Profis. Bereits Handicap 3 wird fast nur von Profis erreicht.
Die Handicapliste des Schweizerischen
Poloverbands
(www.spa-swisspolo.ch)
führt rund 140 Spielerinnen und Spieler.
Der beste Schweizer Spieler ist mit Handicap 3 Simon Luginbühl aus der Besitzerfamilie der Domaine de Veytay am
Genfersee (www.poloclubdeveytay.ch).
Höhere Handicaps haben in der Schweiz
engagierte Profispieler aus Argentinien. Turniere werden nach der Stärke der
Mannschaften bezeichnet. Low Goal ist
Medium-MannschafAmateurniveau,
ten setzen sich aus Amateuren mit ein bis
zwei Profis zusammen und High-GoalTurniere sind für Teams mit drei Profis
und einem Amateur.
Es sind die High-Goal-Events, die Sponsoren anziehen wie etwa die Uhren- und
Schmuckhäuser Cartier in St. Moritz,
Hublot in Gstaad oder Jaeger-LeCoultre
in Veytay. Zum gesellschaftlichen Amüsement wird das Treat-in. In der Pause zwischen dem zweiten und dem dritten Chukker ist es Pflicht des Publikums, die von
den Pferdehufen losgeschlagenen Grasnarben festzutreten.
Polo Park Zürich
Wer Polo kennen lernen will, kann dies
im Polo Park Zürich (www.polopark.ch)
bei Winterthur/Seuzach. Für Interessierte mit Reiterfahrung gibt es Einführungskursen. Als VIP Mitglieder (Jahresgebühr:
500 Fr.) können dann fünf Probelektionen pro Saison gebucht werden. Infiziert
vom Polovirus folgt die Mitgliedschaft als
«Stick and Ball Member». Für 3500 Fr.
Jahresgebühr darf an den Trainings und
den gesellschaftlichen Club-Anlässen
teilgenommen werden. Die Club Chukkas sind den aktiven Full Members vorbehalten (Einmalige Eintrittsgebühr: 5000
Fr.; Jahresgebühr: 5500 Fr. PPZ ist nicht
nur der erste Polo
Club der Schweiz
mit einem professionellen Trainer,
seit 2006 gibt es
gar eine Kids Polo
Club, wo Kinder auf Ponys langsam an
Spiel der Könige herangeführt werden.
Noch ist die Schweiz jedoch keine Polonation. Mit dem Ausbau des Polo Park
Zürich mit Clubhaus, Gästestallungen sowie Allwetterplatz und Trainingsfeldern
wird jedoch eine Infrastruktur vollendet, die jedem internationalen Vergleich
standhält. Im Jahr 2012 wird der Ausbau
abgeschlossen sein und der Polo Park Zürich wird als Gastgeber der Europameisterschaft auf Topniveau mitspielen. |
Polopferde werden
wegen ihrer Grösse
Pony genannt. Sie sind
kompakt, athletisch
und von blitzschneller
Wendigkeit.
Eine Legende wird 80
Der Mythos der Uhrenmanufaktur JaegerLeCoultre lebt von Anekdoten, wie der
Entstehung der Reverso. 1930 reiste der
Schweizer Geschäftsmann César de Trey
nach Indien, um Freunde zu besuchen. Er
vertrieb hochwertige Schweizer Uhren.
Nach einem Polomatch zeigte ein Spieler
de Trey seine Uhr, deren Glas zerbrochen
war. Er bat ihn, eine Uhr zu entwickeln, die
robust genug war, um den harten Bedingungen eines Polospiels standzuhalten.
Zurück in Europa, sprach de Trey mit
seinem Freund und Uhrmacher JacquesDavid LeCoultre, der gemeinsam mit dem
Pariser Uhrenatelier Jaeger die Duoplan
entworfen hatte. Am 4. März 1931 meldete
Alfred Chauvot, Ingenieur bei Jaeger, ein
Patent an für eine Uhr, «die auf ihrer Halterung gleitet und sich so vollständig drehen
lässt». Das Zifferblatt der Reverso, wie er
die Uhr nannte, wird dadurch geschützt, dass das Gehäuse gedreht wird
und Schläge nur die Metallrückseite
treffen. Das erste Kapitel einer grossartigen Uhrengeschichte war geschrieben.
Ursprünglich für den harten Sporteinsatz
gebaut, ist die Reverso dank ihrem hohen
Erkennungswert je nach Gehäusegrösse
und Zusatzfunktionen zu einem Inbegriff
von Eleganz und Sportlichkeit geworden.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 71
s p o r t s M E M OR A B I L I A | K U LT G U T | von Christian von Faber-Castell
Sammeln
statt
schwitzen
Mit dem Aufstieg von Spitzensportlern zu Superstars haben
Trophäen von prominenten Sportlern Kultstatus erlangt
und sind zu begehrten Sammelobjekten geworden. Und wie es
sich für Souvenirs gehört, hat sich um Sports Memorabilia –
so der Fachausdruck – ein eigener Handel entwickelt.
S
ie sind Devotionalien sportlicher Verehrung, die mit dem Schweiss von Siegern durchtränken Sports Memorabilia.
Die Auswahl reicht von Klassikern wie
Bällen und Schlaghölzern aus berühmten
Baseball-Spielen, die von noch berühmteren Pitchern signiert sind, über ein besonders weites Feld von Golfsouvenirs bis zu
den signierten Helmen bekannter Formel1-Piloten und den Leibchen gefeierter Fussballstars. Bei Fussballmemorabilia halten
Skeptiker eine eigenhändige Spielersignatur allerdings eher für fälschungsverdächtig, was zu behaupten aber fast eine Unsportlichkeit ist.
Handel im Internet
Zwar haben sich die beiden führenden
Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s
in jüngster Zeit aus diesem Sammelgebiet
weitgehend zurückgezogen. Von den grossen Auktionatoren hält heute nur noch Bonhams (www.bonhams.com) in London regelmässige Versteigerungen mit Sport- und
Sportlerandenken ab, während Sotheby’s
dieses Nischengebiet an den Londoner Spezialisten Graham Budd (www.grahambuddauctions.co.uk) delegiert hat. Umso reger
ist dafür der entsprechende Handel im Internet. So findet man etwa auf der Website
von www.sportsmemorabilia.com zum Namen Roger Federer insgesamt 159 Angebote, darunter neben zahlreichen signierten
Fotografien auch einige signierte Tennisbälle zum Preis von je 220 $.
72 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Wesentlich teurer wird’s dagegen für Golfandenkensammler, kostet ein Paar NikeGolfhandschuhe, die Tiger Woods während
eines Spiels getragen und anschliessend signiert hat, bei www.sportsmemorabilia.com
doch immerhin bereits 3370 $. Für einen
frühen, mit Federn gefüllten und mit dem
Spielernamen gestempelten Golfball des
Golfprofipioniers Sandy Pirie aus der Zeit
um 1906 hatte Christie’s am 5. Juli 2005 in
London sogar 15'600 £ erzielt.
Auffällig billiger sind dagegen Erinnerungsstücke aus dem Formel-1-Rennsport
zu haben: Ein signiertes und datiertes
Helmvisier, das der 1994 in Bologna verunglückte Brasilianer Ayrton Senna während
der Rennsaison 1986 verwendet hatte, kostete in einer Londoner Auto- und Automobiliaauktion von Christie’s am 26. Juni 2006
gerade einmal 940 £.
Ein auf der Felge von keinem Geringeren
als Michael Schuhmacher signiertes Ferrari-Formel-1-Rad mit einem Goodyear-Intermediate-Reifen aus dem Jahr 1997 war
in einer Londoner Christie’s-Auktion am
29. März 1999 sogar schon für bescheidene
690 £ zu haben.
Aus dem Blickwinkel der Kapitalanlage
schliesslich erscheinen die meisten dieser
Sportmemorabilien zwar eher spekulativ
und kaum längerlebig als der Ruhm und die
Bekanntheit der jeweiligen Sportler. Daneben gibt es aber auch Erinnerungsstücke
von sportgeschichtlicher Bedeutung, deren Sammlerwert weniger von Einzelper-
2
sonen abhängt und die mindestens so lange
begehrt sein dürften, wie es die betreffende Sportart gibt. Eigenartigerweise lässt der
aktuelle Marktpreis von Sportmemorabilien jedoch kaum Rückschlüsse auf ihre langfristige Wertbeständigkeit zu.
So kostete etwa ein rotes Spielertrikot,
das der populäre zahnlose englische Mittelfeldspieler Nobby Stiles im siegreichen
Endspiel der Fussballweltmeisterschaft
1966 getragen hatte, in einer Versteigerung
von Graham Budd Auctions in London am
8. November 2010 überraschende 75'000 £.
Ob es diesen Preis auch in fünfzig Jahren noch erzielen wird, wenn sich kaum
ein dannzumal lebender Fussballfan und
Sammler mehr an dieses legendäre Spiel
aus eigener Anschauung erinnern kann, ist
allerdings fraglich. Eine wenige Lose zuvor
in derselben Auktion für 60'000 £ versteigerte Goldmedaille für die Gewinner des
weltweit ersten Football Association Challenge Cup von 1872, mit dem diese Art von
Verbandsturnieren überhaupt erst begann,
könnte dagegen ihren Wert und ihre fussballgeschichtliche Bedeutung durchaus
halten oder sogar steigern.
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Kurzlebige Kapitalanlagen
Von ihrer Wertbeständigkeit und Wertentwicklung her besonders interessant sind
schliesslich auch hier Sammelgegenstände,
die nicht nur das enge spezialisierte Sammlerpublikum des betreffenden Gebiets, sondern auch noch Liebhaber und Kenner anderer Bereiche ansprechen. Eine Fotografie
Roger Federers beispielsweise, die nicht
von irgendeinem anonymen Sportfotografen, sondern vom international geschätzten
Basler Fotokünstler Christian Vogt angefertigt wurde, ist eben nicht nur als Tennismemorabilium für Sportsammler, sondern als
Fotokunstwerk auch für Fotografiesammler
begehrenswert und entsprechend teurer.
Auch Werbeplakate für historische
Sportanlässe oder die in England so beliebten Gemälde erfolgreicher Rennpferde
gewinnen an Kunstmarktwert und Wertsicherheit, wenn sie von einem prominenten Künstler stammen. Sinngemäss Ähnliches gilt für eine seltene Luxusarmbanduhr,
die einst von einem berühmten Golfspieler getragen oder gar als Tournierpreis erkämpft wurde, oder für einen klassischen
Sportwagen, auf dem Rennsportgeschichte gefahren wurde. Solche Cross-over-Raritäten findet man allerdings kaum in den
spezialisierten Sports-Memorabilia-Angeboten, sondern eher in den jeweiligen Fotografie-, Gemälde-, Plakate-, Uhren- oder
Automobilauktionen. |
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1. Fussball-Leibchen von Pele,
getragen im WM-Endspiel 1958
(Christie’s, 70'000 £)
2. Von Roger Federer signierter Tennisball
(sportsmemorabilia.com, 220 $)
3. Golfball von Sandy Pirie
(Christie’s, 15'600 £)
4. Golfbälle, Silver Town No. 4 von 1878
(Bonhams, 2640 £)
5. F1-Visier von Ayrton Senna
(Christie’s, 940 £)
6. Goldmedaille 1. FA-Cup von 1872
(Graham Budd, 60'000 £)
7. Vom Uruguay-Nationalteam,
Gewinner der WM 1950, signierter Fussball
(Bonhmas, 1200£)
8. Von Tiger Woods signierter Nike-Handschuh
(sportsmemorabilia.com, 4300 $)
9. Slazenger Tennisbälle von 1916, ungeöffnet
(Bonhams, 102 £)
10.Kollektion von historischen Golf-Eisen
(Bonhams, ab 300 £)
Finanz und Wirtschaft LU X E | 73
m o n t r e s | t e s t | par Konrad Koch - photos : Dominic Büttner
Ta u c h e r u h r e n | Wa s s e rdich t | von Konrad Koch - Fotos : Dominic Büttner
Non
plus
aqua
Der Urkraft Wasser zu trotzen,
ist für einen mechanischen
Chronometer der Leistungsbeweis
schlechthin. Taucheruhren sind aber
nicht nur die Uhren der Abenteurer
und Entdecker, sie sind auch bestens
geeignet für Golfer.
L
och 17 im Valderrama Golf Club in
Andalusien ist für den Zürcher Juwelier und Uhrenhändler Franz Türler,
er ist mit Handicap 6,6 der beste Golfer
der Schweizer Uhrenszene, eines der am
schwierigsten zu spielenden Greens. Vor
allem bei Gegenwind. Das Green fällt zu
einem vor ihm liegenden Teich ab. Da
die Böschung auf Rasenhöhe getrimmt
ist, rollt der Ball allzu leicht ins Wasser.
Das Missgeschick passierte Tiger Woods
beim Ryder Cup 1997 und zwei Jahre
später nochmals in dem zur World Golf
Championship zählenden Turnier.
«Wenn ein Golfer während eines
Spiels schon eine Uhr tragen will, sollte es wenigstens eine Taucheruhr sein»,
sinniert Franz Türler über die Krux von
Loch 17 in Valderrama. Beim Griff nach
dem im nur unterarmtiefen Wasser liegenden verschlagenen Ball ist nämlich schon mehr als einem Golfer die
Uhr nassgelaufen.
Wasserdicht ist
nicht wasserdicht
Wie wasserdicht eine Uhr ist, zeigt
sich weniger in grossen Tiefen, sondern im Alltag und im Sportgebrauch.
In wenigen Metern Tauchtiefe genügt
74 | Finanz und Wirtschaft LU X E
der Wasserdruck, um Dichtungsringe
und Gehäuse fest zu verpressen. In der
Gischt am Strand und beim Segeln, beim
Händewaschen und Duschen oder beim
schnellen Griff ins Wasser dagegen diffundiert die kleinste Menge Feuchtigkeit
durch schwache Abdichtungen.
Nach langen internationalen Querelen einigten sich die Uhrenhersteller im
Jahr 2009 auf einen Minimalstandard,
die Norm ISO 22810. Sie regelt, wie widerstandsfähig eine Uhr sein muss gegen Schweiss, Wassertropfen, Regen und
wie gut die Dichtigkeit sein muss bei ei-
«Wenn ein Golfer während
eines Spiels schon eine Uhr tragen will, sollte
es wenigstens eine Taucheruhr sein»
Eine Uhr wasserdicht zu machen,
ist eine technische Herausforderung.
Schwachstelle ist jede Gehäuseöffnung.
Und jede Uhr hat nur schon zum Stellen
der Zeiger und für den Aufzug eine Welle, die das Gehäuse durchstösst. Chronographen und Funktionsuhren haben mit
ihren zahlreichen Drückern gar mehrere
Eintrittspforten, die es mit technischem
Aufwand spritzwasserfest und tiefensicher zu machen gilt.
Wasserdicht heisst daher nicht wasserdicht. Was für eine Standarduhr genügt, ist für eine Sportuhr untauglich.
ner Eintauchtiefe von zehn Zentimetern
für über eine Stunde und bei einer Tiefe
von zwanzig Metern für über zehn Minuten. Uhren, die nach dieser Norm geprüft wurden, dürfen die Bezeichnung
«wasserdicht», «étanche» oder «water
resistant» tragen. Dabei geben die Hersteller die Wasserdichtigkeit in Feet (ft.),
Metern oder Bar an.
Als Richtlinie gilt: Damit eine Uhr im
Alltag und unter normalen Bedingungen
zu Wassersportaktivitäten wie Schwimmen oder Segeln getragen werden kann,
sollte sie «water resistant 100 meter/10
Finanz und Wirtschaft LU X E | 75
Ta u c h e r u h r e n | Wa s s e rdich t
bar» sein. Eine solche Uhr gilt aber ausdrücklich nicht als Tauchuhr.
Taucheruhren müssen die Standards
ISO 6425 oder NIHS 92-11 erfüllen. Mindestanforderung ist «water resistant
ter den Rädern haben. Klassische Taucheruhren sind im Zeitalter der Tauchcomputer deswegen kein Relikt, sondern
mechanischer Back-up, sollte die Elektronik versagen. Die Druckfestigkeit ei-
– Jede schnelle Druckänderung kann geringste
Gehäusedeformationen auslösen –
330 ft.» Zusätzlich gibt es Vorschriften
über die Ablesbarkeit des Zifferblatts, die
Schockunempfindlichkeit, die Uhr muss
antimagnetisch sein und, ganz wichtig,
eine gekerbte Lünette haben, die nur in
eine Richtung drehbar ist, damit jedes
unbeabsichtigte Verlängern der eingestellten Tauchzeit vermieden wird.
Für Alltag und Sportler
Tatsache ist zwar, dass Taucheruhren
so wenig ins Wasser kommen, wie all die
Offroader je Schlamm und Schotter un-
ner Taucheruhr ist auch von Vorteil für
Bergsteiger, Segel- und Motorflugpiloten und andere Extremsportler. Jede
schnelle Druckänderung kann geringste Gehäusedeformationen auslösen, die
zu Lecks führen, über die Feuchtigkeit
eindringt.
Dass eine Taucheruhr undicht geworden ist, zeigt sich nicht daran, dass Wasser
sichtbar eingedrungen ist, sondern daran,
dass sich nach der Dekompression ein feiner Schleier von Kondenswasser auf der
Glasinnenseite bildet.
Sportsman und Gentleman, hat Franz
Türler für «Luxe» aus seinem Sortiment
mit Blancpain, IWC, Jaeger-LeCoultre
und Omega vier Taucheruhren von bestem Markenrenommee ausgesucht. Von
hohem All-Sports-Gebrauchswert und
dank schlichter Eleganz selbst zum Anzug tragbar sind die die beiden Klassiker in Schwarz, die Blancpain Fifty Fathoms und die Jaeger-LeCoultre Master
Compressor Diving Navy Seal. Für den
ambitionierten Flaschentaucher und
mit garantiertem Aufmerksamkeitswert im Alltagsgebrauch sind die IWC
Aquatimer Deep Two mit mechaniTiefenmess Die eleganteste Ku- schem
lisse für beste mecha- ser sowie die Omega
nische Taucheruhren: Ploprof 1200M, das
Das 630 PS starke
professionelle
Ar10-Meter-Runabout
beitsinstrument für
«Spezial» der YachtTaucher, die aus der
und Bootswerft
Taucherglocke herPedrazzini am
aus arbeiten. |
Zürichsee.
Die Legende
Am Anfang war die Auster: RolexGründer Hans Wilsdorf hat 1926
die erste Armbanduhr der Welt, die
hermetisch geschlossen war gegen
Staub und Feuchtigkeit, patentieren lassen, die Rolex Oyster. Im Prospekt stand geschrieben, «sie kann
getragen werden im Meer und beim
Baden, ohne dass sie Schaden nimmt
oder die wunderbare Genauigkeit
leidet». Aus der Oyster entwickelte sich die Urmutter aller Taucheruhren, die ab 1953 als erste Uhr mit
Drehlünette für Froschmänner gebaute Oyster Submariner. Zum Klassiker macht die Submariner ihr seit
über einem halben Jahrhundert nur
unmerklich von Modeströmungen
beeinflusstes Äusseres. Aus der Zusammenarbeit mit dem französiTiefseetauchunternehmen
schen
Comex entstand 1971 die Submari-
Blancpain Fifty
Fathoms Automatique
Schwarzer Klassiker
In den Fünfzigerjahren für die
französische Marine entwickelt
und bis 50 Faden wasserdicht –
die Nachfolgerin der Legende
ist wasserdicht bis 300 Meter
und hat ein Automatikwerk mit
Datumsanzeige. Unidirektionale
Drehlünette. Gehäuse in Weissgold ab 13'600 Fr.
76 | Finanz und Wirtschaft LU X E
ner-Linie Sea-Dweller, mit der
damaligen Rekordtiefe für die
Wasserdichtigkeit von 610 Meter. Versionen aus den 1970er
Jahren mit dem Firmenlogo sind
begehrte Sammelobjekte. Eine
Rolex Oyster Perpetual Submariner Comex aus dem Jahr 1977 erzielte beim Genfer Auktionshaus
Antiquorum vergangenen Herbst
bei einem Schätzpreis von 52 000
bis 60 000 Fr. den Zuschlagspreis
von 92 000 Fr. Zum Kultobjekt
wurde die Submariner jedoch durch
James Bond. Auf der Leinwand trug
sie Sean Connery. Legendär ist die
Submariner mit eingebauter Kreissäge
von Roger Moore in «Leben und sterben
lassen». Die Submariner ist auch die
einzige Taucheruhr, die zum Smoking
getragen werden darf – wenn man Bond
heisst, James Bond.
Omega Seamaster
Ploprof 1200M
Das Profiteil
Neuauflage einer Ikone, der
robusten Taucheruhr Ploprof.
COSC-zertifiziertes Automatikwerk mit Coaxialhemmung.
Zwei Federgehäuse sorgen für 60
Stunden Gangreserve. Drehlünette mit orangem Arretierknopf.
Verschraubte Krone. HeliumDekompressionssystem für lange
Arbeiten in Taucherglocken und
Überdruckkabinen. Wasserdicht
bis 1200 Meter. In Stahl mit Stahlband 8750 Fr.
IWC Aquatimer
Deep Two
Der Tiefenmesser
Der mechanische Tiefenmesser
zeigt bis zu einer Tauchtiefe
von 50 Metern die aktuelle und
die während eines Tauchgangs
maximal erreichte Tiefe an.
Wasserdicht bis 120 Meter.
Automatikwerk mit Sekunde und
Datumsanzeige. Drehlünette.
In Stahl mit Kautschukband
ab 17'000 Fr.
Jaeger Le-Coultre
Master Compressor
Diving
Für Kampfschwimmer
In Zusammenarbeit mit der Eliteeinheit US Navy Seal entwickelte
Taucheruhr. Wasserdicht bis 300
Meter. Superluminova-Beschichtung für beste Ablesbarkeit unter
Wasser und in der Dunkelheit.
Drehlünette aus Keramik. Limitiert
auf 1500 Exemplare. In Stahl mit
Kautschukband ab 8550 Fr.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 77
scanner
von Konrad Koch
Pedrazzini Vivale, der Klassiker
Sie sind die Patek Philippes der Schweizer Bootsbaukunst: die Runabouts von Claudio
Pedrazzini, der in dritter Generation die Werft im schwyzerischen Bäch am Zürichsee
führt. Höchstens acht der Mahagoniboote werden pro Jahr hergestellt. Vom Rumpf
bis zu den verchromten Messingschrauben wird jedes Teil der Bootsklassiker in eigener
Regie konstruiert, gefertigt, zusammengebaut und veredelt. Bis zu zwanzig von Hand
aufgetragene Lackschichten geben den typischen Pedrazzini-Glanz. Die zweimotorige
und 9 Meter lange Viale gibt es ab 390 000 Fr. Mit zwei Yanmar-Turbodieseln kostet die 10
Meter lange Special gegen 800 000 Fr. Yacht- und Bootswerft C. Pedrazzini, 8806 Bäch,
www.pedrazziniboat.ch
«Rumrunner» Schmugglerboot
Mit Schnellbooten brachten zur Zeit der
Prohibition Schwarzhändler Brandy von Schiffen
auf hoher See an die Ostküste der USA. Eines
der schnellsten Schmugglerboote war der
«Baby Bootlegger». Nach den «Bootlegger»Originalplänen liess sich von zehn Jahren
ein Westschweizer Financier vom Luzerner
Bootskonstrukteur Pius Wäger den «Rumrunner»
bauen. Die Form des Originals wurde detailgetreu gewahrt, das in Mahagoni und Stahl gebaute
78 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Boot ist mit 10,2 Meter Länge und 1,95 Meter
Breite aber grösser als das Vorbild mit seinen
nur 8,8 Meter. Angetrieben wird der Bolide von
einem 7,4-Liter-V8-Mercrusier. 370 PS sorgen
für 55 Knoten Höchstgeschwindigkeit, rund 100
Stundenkilometer. Der Waadtländer Millionär
ist mit dem «Rumrunner» in den Morgenstunden oft über den Léman zur Arbeit nach Genf
gedonnert. Jetzt sucht das nautische Unikat
einen neuen Kapitän. In der Werft von Pius
Wäger am Vierwaldstättersee generalüberholt, ist
der «Rumrunner» bereit für ein weiters Kapitel
in der Geschichte «Ein Mann, ein Boot». Die
Schreibkosten dürften rund 400 000 Fr. sein.
Pius Wäger, Holzboote, 6015 Luzern,
041 260 82 40, www.holzboote.ch
Boesch Electric Power
High Tech
Die Flotte des traditionsreichen Bootsbauers vom Zürichsee hat innovativen
Zuwachs erhalten: Runabouts mit Elektroantrieb. Die Höchstgeschwindigkeit von
über 35 Stundenkilometer reicht spielend,
um die Boesch-typische Gleitfahrt zu
erreichen. Je nach Kapazität der LithiumAkkus ab 250 000 Fr.
Boesch Motorboote, 8802 Kilchberg,
www.boesch-boats.ch
Rapp Lake Constance 760
Understatement
Mehr als nur ein schönes Mahagoniboot.
Die Lake Constance gleitet mit bis zu 40
Knoten und bis zu sieben Personen an
Bord über das Schwäbische Meer. Die
elegante Badeplattform ist damit leistungsstark genug für jeden Zwischenspurt
mit Wasserski. Als Cabrio mit Turbodiesel
ab 305 000 Fr.
Boots- und Yachtwerft Rapp, 9425 Thal,
www.rappwerft.ch
Heinrich Tender 08
Design und Kraft
Der Tender 08 von der Heinrichwerft am
Bodensee ist das stilvolle Begleitboot für
Superjachten. Dank seiner Motorisierung
und besten Rauwassereigenschaften ist
das rund 200 000 Fr. teure und mit dem
Reddot Design Award ausgezeichnete
Boot auch für Wasserskifahrer und Wakeboarder geeignet.
Bootswerft Heinrich, 8280 Kreuzlingen,
www.heinrichwerft.ch
Finanz und Wirtschaft LU X E | 79
Yac h t i n g | T ec h nik | von Vincent Gillioz
Starre Flügelsegel sind die
Zukunft des
Segelsports.
Zurzeit werden
zwei Projekte
mit dieser bahnbrechenden
Technologie am
Genfersee entwickelt, wo ein
revolutionärer
Wind weht.
M
oderne Segelboote sind immer
mehr statt mit einem traditionellen Mast und herkömmlichen Tuchsegeln mit einem starren Flügelsegel
ausgestattet. Einige fliegen sogar im
wahrsten Sinne des Wortes übers Wasser. Der letzte America’s Cup hat selbst
Skeptikern vor Augen geführt, dass im
Regattasport die Zukunft starren Segeln
gehört. Es sieht auch ganz danach aus,
dass Flügelsegel sich in den nächsten
Jahren auf anderen Bootsklassen durchsetzen werden. Mittelfristig könnten sie
sogar zum Standard werden.
Fotos: J.Kaufmann/Mirabaud
Wie ein Flugzeug
80 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Um zu begreifen, warum moderne Boote
aussehen wie Flugzeuge, kann eine kleine
Auffrischung in Physik nicht schaden. Prinzip Nummer eins: Segelboote werden nicht
vom Wind geschoben, sondern gezogen.
Ihre Antriebskraft wird vom Unterdruck
erzeugt, der durch das Segelprofil entsteht.
Genauso liegt ein Flugzeug nicht auf, sondern hängt in der
Luft. Es ist die Form
f Revolutionäres
des Flügels mit seiüber und unter
Wasser: Der Foiler
ner unterschiedlich
«Mirabaud LX» hat
langen Ober- und
ein starres Flügelrigg
Unterseite, die dazu
und vollgetauchte
führt, dass das FlugSchwert- und
zeug fliegt. Dies erRuder-Tragflügel mit
klärt auch, weshalb
Trimmklappen.
Flügel
für
Sieger
das breite, asymmetrische Profil eines Flügels höhere Geschwindigkeiten garantiert
als das flache Profil eines Segeltuchs und
Forscher sowie Regattasegler nach Lösungen suchen, die für eine bessere Aerodynamik des Riggs sorgen.
Die Idee, die traditionellen Segel durch
ein starres Flügelsegel zu ersetzen, ist daher nicht neu. Entgegen der weit verbreiteten Meinung war der Trimaran «USA»,
mit dem Larry Ellison im vergangenen
Jahr die älteste Segelregatta der Welt gewonnen hat, gar nicht so innovativ. Die Katamarane der C-Klasse verwendeten nämlich schon in den frühen Siebzigerjahren
ähnliche Segel. Es war schliesslich kein Zufall, dass BMW Oracle für das letztjährige
America’s-Cup-Projekt Spezialisten dieser
hierzulande kaum bekannten Segelklasse
angeheuert hatte.
Bereits 1988 hatte Dennis Conners
America’s-Cup-Syndikat Stars & Stripes einen 18-Meter-Katamaran mit einem 32 Meter hohen Flügelsegel gebaut. Er war damit
in San Diego gegen den 36-Meter-Einrümpfer «K Z 1» angetreten und den chancenlosen Neuseeländern regelrecht um die
Nase gefahren. Der denkwürdige Wettkampf hat gezeigt, welches Potenzial in der
Struktur steckt und dass sie sich auch im
Grossformat umsetzen lässt. Was folgte, ist
allgemein bekannt. Der überragende Sieg
des Trimaran «USA» gegen den Katama-
ran «Alinghi 5» hat deutlich gemacht, dass
die Grenzen des technisch Möglichen noch
lange nicht erreicht sind. Überzeugt von
der Technologie, hat der neue Defender beschlossen, auch den nächsten Cup auf solchen Booten zu segeln. Damit sich die Syndikate mit dem System vertraut machen
können, wurden 45-One-Design-Boote mit
einer Länge von 45 Fuss (14 Meter) gebaut.
Darauf sollen die Teams erste Erfahrungen
sammeln, bis ihre 72-Fuss-Prototypen (22
Meter) segeltüchtig sind. Das sollte spätestens im Frühling 2012 der Fall sein.
Hart, aber heikel
Parallel zu den speziell für die internationalen Grossanlässe gebauten Riesenschiffen sind im Genferseeraum in den Neunzigerjahren die innovativsten Boote dieser
Generation entstanden. Philippe Stern, Geschäftsführer von Patek Philippe, hatte die
«Stars & Stripes» in Genf gesehen und war
von ihr so angetan, dass er beschloss, ein
ähnliches Boot zu bauen, das sich mit den
hiesigen Reglementen sowie den speziellen Wind- und Wetterbedingungen vereinbaren liess. Entstanden ist die «Altaïr XII»,
ein Katamaran aus Sperrholz mit einem
wunderschönen Flügelsegel, konstruiert
von der Bootswerft Philippe Durr. Sie sorgte im Genferseeraum für Furore, wurde
dann aber bei einem denkwürdigen Sturm
in Kleinholz verwandelt.
Finanz und Wirtschaft LU X E | 81
Yac h t i n g | T ec h nik
B o ot s b a u S c h w e i z | K ulturbruc h | von Vincent Gillioz - Fotos: François Wavre
«Das Flügelsegel ist viel stabiler, feiner
und fester. Es wird uns vor allem am Wind
deutlich schneller machen.»
i Konstrukteur und Skipper
des fliegenden Segelboots
«Mirabaud LX» ist der Genfer
Ingenieur Thomas Jundt.
82 | Finanz und Wirtschaft LU X E
bis Z selbst entwarf, war er in die USA gereist und hatte sich dort mit Eignern von CClass-Katamaranen unterhalten.
Mit der Herstellung beauftragte er dann
einen Handwerker aus Yverdon. Unglaublich, aber wahr: Die Klarsichtfolie, mit der
die Struktur überzogen ist, stammt aus einem Geschäft für Modellbau. Sein Inhaber
staunte nicht schlecht, als er die gigantische
Bestellung entgegennahm. Im Übrigen ist
das Handling bei der «Mirabaud LX» nicht
wirklich ein Problem, denn das Boot muss
zum Aufriggen so oder so auf die Seite gelegt werden.
Karbon gegen Mahagoni
d Das Speedboot
P28, entworfen
von Hughes de
Turkheim, wird
diesen Sommer
seine Jungfernfahrt auf
dem Genfersee
haben.
Die Segelbootbauer der Romandie setzen auf
Mehrrumpfboote aus High-Tech-Verbundwerkstoffen, die Deutschschweizer Werften
hingegen mögen es traditioneller. «Luxe»
wollte mehr wissen über den Kulturunterschied im schweizerischen Bootsbau und hat
auf den seen nachgeforscht.
Segeltüchtig in 20 Minuten
Im späten Sommer dürfte ein weiteres
Projekt Schlagzeilen machen. Auch es setzt
auf die Technologie der starren Segel. Allerdings haben die Designer nach einem
Kompromiss gesucht, damit das Boot ein
breiteres Publikum anspricht. Die Struktur besteht aus Stoff, ist aber mit starren
und beweglichen Elementen verstärkt. Dadurch besitzt das System die Vorteile eines
Flügels, aber nicht die Nachteile der Handhabung. Bis das verwegene Projekt Form
angenommen hatte, waren mehrmonatige
komplizierte Recherchen nötig.
DR
Genau darin liegt nämlich der Schwachpunkt der seglerischen Wunderwerke. Ihre
Wartung, die Lagerung und der Transport
sind ziemlich aufwendig. Starre Segel lassen sich nicht reffen und zusammenlegen wie Tuchsegel. Sie müssen nach jeder
Fahrt abgeriggt werden. Unter schwierigen
Bedingungen und noch mehr bei grossen
Flügeln ist das ein echtes Problem. Die Mitglieder von BMW Oracle erinnern sich bestimmt noch gut an die schlaflosen Nächte,
die sie in ständiger Angst vor einem fatalen
Wind an Bord des im Hafen von Valencia
vertäuten Trimarans verbracht haben.
Ingenieur Thomas Jundt, Designer und
Skipper des berühmten Foilers «Mirabaud
LX», liess sich durch diese Schwierigkeiten nicht entmutigen. Er gab für sein fliegendes Boot den Bau eines Flügelsegels
in Auftrag, um dessen unglaubliches Potenzial noch besser ausschöpfen zu können. «Unser traditionelles Rigg reagiert
nicht schnell genug, und wir können uns
der Windentwicklung wegen der flexiblen Struktur nicht präzis genug anpassen»,
erklärt er. «Das Flügelsegel ist viel stabiler, feiner und fester. Es wird uns vor allem
am Wind deutlich schneller machen.» Bevor Thomas Jundt das Flügelsegel von A
Der in der Segelszene wohlbekannte
Hugues de Turkheim hat mehrere Patente eingereicht. «Unser Ziel ist es, ein Boot
anzubieten, das in zwanzig Minuten segeltüchtig ist, was mit herkömmlichen Segeln
schlicht unmöglich ist», erklärt der Ingenieur. Ende August soll das Speedboot, das
einem Eignerkonsortium (u.a. der Genfer
Privatbankier Nicolas Gonet) gehört, seine
ersten Bahnen auf dem Genfersee ziehen.
Adrenalinhungrige Segler könnten an dem
mit Foilern (den Tragflächen, dank denen
es auf dem Wasser fliegt) ausgestatteten
Boot durchaus Gefallen finden. Sogar eine
kleine Bootsklasse ist geplant.
Läutet das Aufkommen dieser Boote auch
das Ende der traditionellen Tuchsegel ein?
Wahrscheinlich doch eher nicht. Zumindest aber haben die Verwegenheit und die
Kreativität einiger Passionierter vom Genfersee eine Revolution ins Rollen gebracht. |
D
er Röstigraben zwischen West- und
Deutschschweizern tut sich nicht nur
bei eidgenössischen Abstimmungen auf.
Er ist auch auf den Schweizer Seen augenfällig. Selbst im Segelsport klaffen nämlich die schweizerischen Kulturen deutlich
auseinander, denn je nach Herkunft segeln
Schweizer Nautiker auf einem anderen, in
ihrer Region aber typischen Bootstyp.
Ein Blick in die Hafenanlagen an den
Ufern der Schweizer Seen und die Lektüre der Segelpresse der beiden Sprachregionen sprechen Bände. Am Genfersee
werden seit Jahrzehnten regelmässig seglerische Leistungsträger zu Wasser gelassen, die zu den verwegensten und schnellsten der Welt zählen. Jenseits der Saane
aber werden Karbonkonstruktionen misstrauisch, wenn nicht sogar herablassend
beäugt. Denn dort huldigt man lackierten,
mit Hirschleder auf Hochglanz polierten
Holzrümpfen.
g Der Genfer Alexandre
Schneiter ist zusammen
mit Patrick Firmenich
Eigner des Foilerkatamarans «Syz & Co.»:
«Ich bin jedes Mal
überrascht, wenn
ich die Boote auf den
anderen Schweizer Seen
betrachte. Bei uns ist es
irgendwie anders.»
i Der Luzerner Mark
Buchecker auf seiner
SNS-Holzjacht: «Auch
wenn wir Regattasegler
voller Kampfgeist
sind, für uns zählt vor
allem die Schönheit
der Boote.»
Finanz und Wirtschaft LU X E | 83
B o ot s b a u S c h w e i z | K ulturbruc h
Zugegeben, das Bild ist überzogen, ein
Funken Wahrheit ist aber trotzdem dran.
Das wohl aussagekräftigste Beispiel sind
die Regatta-Mehrrümpfer. Auf dem Genfersee führt nichts mehr um diese Boliden
herum, während sie auf dem Zürich-, dem
Boden-, dem Thuner- und dem Vierwaldstättersee Seltenheitswert haben. Ähnliches gilt für regattagetrimmte Einrumpfboote aus Verbundwerkstoffen von den es
zwischen Genf und Lausanne eine ganze Flottille gibt, die aber auf den Deutschschweizer Mittellandseen noch immer die
Ausnahme sind.
Selbstverständlich ist diese Kluft nicht
wirtschaftlich bedingt, denn die Zürcher
Finanzleute stehen ihren Genfer Berufskollegen in nichts nach. Und doch haben
sich Dengel, Schiess oder Marazzi für die
schlichten, diskreten und in Amateurwertungen segelnden Bootstypen der Meterklassen entschieden, während De Piocciotto, Gonet, Firmenich oder Bertarelli auf
Tempo, Sponsoring und Medienwirksamkeit setzen.
andere Situation im Hochbau
Vielfach wird diese Situation als logisch
und repräsentativ für die konservative Einstellung der Deutschschweizer gesehen,
der die typisch welsche Extravaganz gegenübersteht. So einfach ist es nicht, und
wie in allen Fällen ist gegenüber solchen
grob vereinfachenden kulturellen Stereotypen Vorsicht geboten. Die Situation im
Segelsport lässt sich nämlich nicht wahllos auf andere Bereiche übertragen. Umso
wichtiger ist es deshalb, die Beobachtungen zu nuancieren.
Sébastien Schmidt, ein im Genfer Raum
angesehener Bootsdesigner, hat seine berufliche Karriere im Hochbau begonnen.
Er zieht Parallelen zwischen den beiden
Bereichen: «Es stimmt schon, dass die
Deutschschweizer bei der Entwicklung
von Segelbooten nicht sehr innovativ sind,
aber dafür sind sie uns in Hochbau und Architektur bestimmt dreissig Jahre voraus.»
Als Beispiel nennt er das Kultur- und Kongresszentrum Luzern. In Genf sei es extrem schwierig, solch bahnbrechende Pläne
durchzusetzen, denn dort werde praktisch
jedes Kulturprojekt nach den üblichen
demokratischen Vernehmlassungen seiner Substanz beraubt. Seine Beobachtung
gilt nicht nur für grosse Bauwerke, auch
Wohngebäude sind ein Paradebeispiel.
pBernard Haissly: «Im Segelsport interessieren
sich die Deutschschweizer nicht für Neues und
reines Tempo. Sie mögen schöne Boote.»
84 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Architektonisch ausgefallene MinergiePassivhäuser schiessen in der Deutschschweiz wie Pilze aus dem Boden, in der
Romandie steckt das Energielabel hingegen noch in den Anfängen. Begrünte
Flachdächer verursachen bei den Waadtländer Designern Ausschlag, in den Zürcher Villenquartieren sind sie bereits
wieder überholt. «Schlagen Sie einem
Deutschschweizer eine neue Art des Wohnens vor, und seine Augen glänzen. Ein Romand aber bekommt es mit der Angst zu
tun», beschreibt der Genfer Bootskonstrukteur seine Miteidgenossen.
Tradition trifft auf Technik
Der Genfer Anwalt Bernard Haissly, in
seiner Freizeit begnadeter Regatteur und
grosser Fan der in der Deutschschweiz beliebten Meterklassen, stimmt mit Schmidt
teilweise überein: «Im Segelsport interessieren sich die Deutschschweizer nicht
für Neues und reines Tempo. Sie mögen
schöne Boote und messen dem emotionalen Wert einer Jacht grosse Bedeutung
zu.» Er bezeichnet die Deutschschweizer
Bootseigner als Perfektionisten der Tradition und nicht der Technologie: «Sie lieben ihr Boot, während die Romands es
eher als Freizeit- oder Sportgerät betrachten. Ich siedle mich irgendwo dazwischen
an. Ich mag die Boote der Amateurklassen. Aber wenn auch einige Klassen selbst
für meine Begriffe auf dem Genfersee zu
professionell geworden sind, ich stelle
trotzdem die Leistung über die Ästhetik,
was bei unseren Compatriotes nicht immer der Fall ist.»
Für Mark Buchecker, Kadermitglied des Luzerner Gastronomiebedarf-
unternehmens Hunkeler Gastro und Eigner einer wunderschönen 15-m²-SNSSegeljacht aus Holz, ist dieser Kulturunterschied ebenfalls nicht von der Hand
zu weisen. «Auch wenn wir Regattasegler voller Wettkampfgeist sind, so steht
unsere Liebe für schöne Boote doch im
Vordergrund. Es finden sich immer wieder Bootsliebhaber, die für den Bau eines
Lacustre (klassisches Genfersee-Segelboot von 9,5 Meter Länge, dessen Konstruktionsvorschriften aus dem Jahr 1938
stammen) 200 000 Fr. zu bezahlen bereit
sind», hält er fest und fügt dann an: «Die
sammen mit Patrick Firmenich Eigner des
revolutionären Foilerkatamarans «Syz &
Co.»: «Ich bin jedes Mal überrascht, wenn
ich die Boote auf den anderen Schweizer
Seen betrachte. Bei uns ist es irgendwie
anders.» Er führt diese Situation teilweise auf Pierre Fehlmanns Einfluss zurück.
Der prominente Hochseesegler hat in
den Siebziger- und den Neunzigerjahren
das Aufkommen einer Generation junger,
heissblütiger Regattasegler gefördert, die
ausschliesslich im Genferseeraum rekrutiert wurden. Die Cardis, Gautiers und
Ravussins, Zugpferde zahlreicher Ent-
«Die Deutschschweizer sind Perfektionisten,
die ihre Boote lieben, während die Romands
sie eher als Sportgeräte sehen.»
unglaubliche Entwicklung in der Genferseeregion ist einigen wenigen Menschen
zu verdanken. Sébastien Schmidt ist einer von ihnen, aber auch Ernesto Bertarelli und vor ihm Philippe Stern gehören
dazu. Die Nähe zur ETH Lausanne und
zur Werft Décision spielen dabei ebenfalls eine Rolle.» Wie Bernard Haissly ist
auch er der Ansicht, dass diese kulturelle Differenz nur auf den Segelsport und
technische Bereiche wie die Uhrenindustrie zutrifft. Die Westschweizer seien dafür im Handel viel konservativer.
Auf den nautischen Graben angesprochen, meint Alexandre Schneiter, Vizepräsident von Lundin-Petroleum und zu-
Westschweizer Wind an den Voiles de St-Tropez
An den Voiles de St-Tropez, dem grossen Herbsttreffen der Traditionsjachten am Mittelmeer, finden sich jedes Jahr zahlreiche Boote unterschiedlichster
Grösse ein. Auch einige Liebhaber alter Schiffe aus der Schweiz gehören zu den
Stammgästen. «Mariska», die prachtvolle 15-Meter-Jacht von Christian Niels,
Geschäftsführer der Liegenschaftenverwaltung Rilsa in Lausanne, hatte nach
einer Komplettrenovation 2010 ihren grossen Auftritt im französischen JetsetOrt. Die nach Plänen von Nicholson gebaute 20-Meter-Jacht «Oiseau de feu»,
Eigentum von Jean-Philippe L’Huillier aus Versoix, lässt es sich nicht nehmen,
jeden Herbst gegen die Konkurrenten ihres Kalibers zu segeln. Und das 8-Meter-Boot «Elsinor» des Anwalts Bernard Duc sorgt in dem kleinen südfranzösischen Hafen Varois jedes Mal für Aufsehen.
Die in St-Tropez anwesenden, liebevoll gepflegten Traditionsjachten sind, ganz
im Gegensatz zur Situation in der Schweiz, fast alle im Besitz von Romands.
Die Deutschschweizer, die gerne auf dem Meer segeln und auch das herbstliche
Oldtimer-Treffen sehr schätzen, sind dagegen eher am Steuer moderner Jachten anzutreffen.
wicklungen, haben sich ihre Sporen alle
mit dem Skipper aus Morges abverdient,
bevor sie flügge wurden und ihre eigenen
Projekte lancierten.
Fehlmann sei dank
Der Segelmacher und mehrfache
Schweizermeister in der 5,5-Meter-Klasse Daniel Stampfli sieht den Hauptgrund
für den regionalen Kontrast hauptsächlich im Einfluss der Nachbarländer. «Wir
orientieren uns verständlicherweise
Richtung Westen, wo die Regatta-Mehrrümpfer am aktivsten sind. Sogar die bretonischen Seeleute segeln bei uns. Klassen wie die Drachen oder die Lacustre
sind dagegen in Deutschland und auch
in der Deutschschweiz sehr erfolgreich.»
Weiter weist er darauf hin, dass das
Sponsoring und der Profisegelsports in
Frankreich stark verbreitet sind und seit
einigen Jahren auch in der Westschweiz
Einzug gehalten haben, bei den Deutschschweizer Regattaseglern aber so gut wie
nicht existieren. Dennoch glaubt Daniel
Stampfli nicht, dass man von Gegensätzlichkeit zwischen konservativer und innovativer Kultur sprechen kann. «In der
Deutschschweiz gibt es viele avantgardistische Boote. Die Vorstellungen von
dem, wie ein Boot aussehen soll, gehen
zwar auseinander, aber Kreativität ist bei
den Seglern im ganzen Land zu finden»,
meint er ganz Sportsmann. |
Finanz und Wirtschaft LU X E | 85
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von Knut Schwander
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Sommerferien in der
Schweiz? Alles spricht
dafür: statt traumatisierender Sicherheitskontrollen
am Flughafen traumhafte
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Seehotel, Unbeschwertheit und Erholung pur. Wir
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Hôtel des Trois Couronnes
Luzerner Seebecken
Palace Luzern
Polynesien in der Schweiz, aber in Designerversion. Einmal sollte man sich
eine Nacht in einem der luxuriösen
Pfahlhäuser gönnen. Die für die Expo
02 errichteten Pavillons sind kostspielig eingerichtet und bieten eine atemberaubende Sicht auf den See, selbst
aus der für zwei Personen konzipierten
Badewanne. Jedes Zimmer besitzt eine
eigene Holzterrasse, auf der man sich
fast wie ein Luxus-Robinson auf Bora
Bora fühlt. Die sanfte Gegend und die
Nähe der Stadt erinnern wiederum an
Deauville.
Amüsant die Fahrt im Elektroauto
zum Pavillon, schmackhaft die Küche
im Gastrorestaurant (14 Gault-MillauPunkte), absolut sensationell das Vergnügen, zu jeder Tages- und Nachtzeit
in den See zu tauchen, Fische und Enten zu beobachten, sich beim Wellengeplätscher zu entspannen. Und bei Vollmond ist die Nacht unirdisch schön, für
den Schlaf fast zu schade.
Die Terrasse des historischen Hauses ist
märchenhaft, der gediegene Ort für Apéro und Essen. Bäume und Pflanzen, ein
Springbrunnen und das grandiose Panorama sorgen für ein unwiderstehliches
Ambiente. Ein Dekor wie aus einem Roman, man meint das Flüstern der russischen Aristokraten zu hören, die während
der Revolution hierher geflohen sind. Im
Innern locken das grossartige Atrium, Salonfluchten, Stuck und Säulen, modernes Mobiliar und ein überaus liebenswürdiger Service. Wunderschön schlichter
Pool, bestens eingerichteter, in einem
Belle-Epoque-Salon untergebrachter Fitnessbereich.
Ob auf der traumhaften Terrasse oder in
den eleganten Speisesälen, man fühlt sich
rundum wohl und gut aufgehoben. Die
Karte ist intelligent zusammengestellt,
glutenfreie Gerichte sind speziell gekennzeichnet. Da die Strasse, die den Quai
fortsetzt, autofrei ist, ist in den auf den
See blickenden Zimmern nur gerade das
Wellengeplätscher zu hören. Es herrscht
Ruhe wie zur Eröffnung anno 1843.
Grandioses Monument der Belle Epoque, ist das Palace Luzern mit seinen
imposanten Säulen und der wunderbaren Sicht auf das Luzerner Seebecken,
die Berge und die Dampfschiffe ein Ort
der Sonderklasse, dabei aber keineswegs steif oder altmodisch. Im Gegenteil, hier gibt’s alle Leistungen, die der
moderne Reisende begehrt: Spa, hervorragende Küche (Restaurant Japser,
16 Gault-Millau-Punkte), grosszügige
Zimmer. Ein Palast, wo sich die Grandezza vergangener Zeiten mit avantgardistischem Luxus aufs Schönste verbindet.
Während das Private Spa (Jacuzzi und
Massagen in der privaten Suite) etwas
kostet, ist der Fitnessbereich frei zugänglich. Für Jogger hat das Haus die
Palace-Jogging-Map erstellt. Wer Lust
auf einen Sprung in den Vierwaldstättersee hat, zieht den Bademantel an,
überquert den Quai und begibt sich ins
1884 erbaute Bad direkt vor dem Hotel.
Exotik, Harmonie
+Natur,
- ohne Fitnessbereich, Sauna, Hamam
2000 Neuenburg,
Route des Gouttes-d’Or 2, 032 723 02 02,
Pavillon am See 705 Fr. www.palafitte.ch
86 | Finanz und Wirtschaft LU X E
einzigartig schöne Terrasse
Die nach hinten liegenden Zimmer
gehen auf die Strasse.
+
-
1800 Vevey, Rue d’Italie 49, 021 923 32 00
Doppelzimmer Seeseite ab 440 Fr.
www.hoteltroiscouronnes.ch
+ Harmonie von Nostalgie
und Avantgarde
- Die hinten liegenden Zimmer sind
zwar günstiger, gehen aber auf die
Strasse hinaus.
6002 Luzern, Haldenstrasse 10,
041 416 16 16, Doppelzimmer Seeseite ab
460 Fr. www.palace-luzern.ch
Finanz und Wirtschaft LU X E | 87
h Otelle r i e | G U TE A D RESSEN
Luxe Adressen
Lago Maggiore
Castello del Sole
Vierwaldstättersee
Park Hotel Weggis
Murtensee
Vieux Manoir au Lac
Das Castello del Sole ist vermutlich der
luxuriöseste direkt am See gelegene Hotelpalast dies- und jenseits der Grenze.
Welches Hotel kann sich schon rühmen,
über seine eigenen Reisfelder, Weinberge und einen riesigen subtropischen Park
direkt am Lago Maggiore zu verfügen,
dazu über einen eigenen Bauernhof, einen botanischen Garten, eine Golfanlage,
Tennisplätze – das Castello braucht den
Vergleich mit grossen Häusern der Costa Smeralda keineswegs zu scheuen. Die
Gäste lustwandeln im Park zu den eleganten Pavillons, inmitten gigantischer
Kamelienbouquets, hoher Zypressen, geniessen den Privatstrand oder eine der
bezaubernden Terrassen. In den exzellenten Restaurants wird jeder gastronomische Wunsch erfüllt. Hervorragende
Bedienung, die Zimmer bieten jeden erdenklichen Luxus. Der Aufenthalt in einem der grosszügigen, lichtdurchfluteten Apartments im Pavillon Locarno mit
ihrem einzigartigen Blick auf die Gärten
ist garantiert unvergesslich. Für das neue
Spa wurde ein spezieller Pavillon gebaut:
auf 2500 m² nichts als Wohlergehen, Entspannung. Die 14 Hektar grosse Anlage
vereint das Beste, was die Schweiz und
Italien zu bieten haben. Unwiderstehlich!
In seinem sanft abfallenden 22 000 m²
grossen Park am dunkelgrün leuchtenden Vierwaldstättersee bezaubert das
Park Hotel mit seinem Landgasthofcharme, der schon Anfang des 20. Jahrhunderts die englischen Touristen entzückte. Trotz seines nostalgischen Aussehens
ist das Traditionshaus ein avantgardistisches Mitglied der Kette Relais & Châteaux. Vom See aus (die Anfahrt mit dem
Schiff ist unbedingt empfehlenswert) erblickt man die attraktive Architektur des
in trendigen Farben leuchtenden Spa. Der
Wellness- und Wohlfühlbereich ist denn
auch die Visitenkarte des Hauses. Vom
traumhaften Pool blickt man auf den See,
fünf private Spa-Cottages sind erlesen
eingerichtet, inkl. Sauna, Hamam, Sprudelbad und Massagetisch. Liebhaber modernen Designs bewundern das elegante
Interieur, das perfekt mit den alten Mauern harmoniert. Und Liebhaber kulinarischer Genüsse kommen in einem der Restaurants garantiert auf die Rechnung. Was
will man noch mehr?
Eine Nacht im Glasdiamanten in den
Baumkronen oder im Seehaus mit der
Fünfzigerjahre-Architektur ist unvergesslich. Auf dem Bootssteg lässt es sich
schön träumen, im Schilf nisten Enten,
im Hintergrund das vornehme Herrenhaus aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts mit seinen topmodern ausgestatteten Zimmern. Das Vieux Manoir ist
und bleibt ein Paradies auf Erden
Im Speisesaal mit Sicht auf den See und
die jahrhundertealten Bäume oder in
der weissen, offenen Veranda freut man
sich über lukullische Genüsse. Einfachere Küche wird in der Pinte im nahen
Cottage geboten. Für ein intimes Dinner zu zweit zieht man sich in die Voliere zurück oder lässt sich direkt auf dem
Schiffssteg bedienen. Das Erlebnis ist
einzigartig. Natur, See und umliegende
Golfplätze laden zur körperlichen Betätigung, und um die nahe Umgebung zu
erkunden, bucht man die hoteleigene
Jacht oder den Jaguar.
+unzählige
ein Hauch
- vielleicht
«kalifornische» Residenz
6612 Ascona, Via Muraccio 142,
091 791 02 02, Doppelzimmer ab 660 Fr.
www.castellodelsole.ch
88 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Design der Anlagen
+ geschmackvolles
Das Hotel liegt an einer kleinen
-Strasse.
Ausserhalb der privaten
Spa-Cottages weder Sauna
noch Hamam.
Park
+ idyllischer
Spa
kein
-
6363 Weggis, Hertensteinstrasse 34,
041 392 05 05, Doppelzimmer ab 523 Fr.
www.phw.ch
3280 Murten, Rue de Lausanne 18,
026 678 61 61, Doppelzimmer Seeseite
ab 420 Fr. www.vieuxmanoir.ch
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Die Geburt der Venus, S.42
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Lausanne: Drake Store, 22 rue de Bourg,
021 320 08 20; Schmuck, Claire’s
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Lausanne: Maniak, 4 rue du Port-Franc,
021 312 58 40; Armband, Poggi Genf:
Bongénie, 34 rue du Marché, 022 818 11
11 – Lausanne: Bongénie, 10 place
Saint-François, 021 345 27 27 – Zürich:
Grieder, Bahnhofstrasse 30, 044 224 36
36; Rotes Tuch, Modesa, Lausanne: 4
rue Saint-François, 021 323 61 90 –
Zürich: Löwenstrasse 2, 043 497 20 85
– Basel: Gerbergase 14, 061 261 49 30;
Hemd, Chenaski Lausanne: Maniak, 4
rue du Port-Franc, 021 312 58 40; Jean’s
und Weste, Neil Barrett Drake Store, 13
rue des Alpes, 022 732 24 – Lausanne:
Drake Store, 22 rue de Bourg, 021 320 08
20, Schal, Altea Genf: Bongénie, 34 rue
du Marché, 022 818 11 11 – Lausanne:
Bongénie, 10 place Saint-François, 021
345 27 27 – Zürich: Grieder,
Bahnhofstrasse 30, 044 224 36 36
Gabrielle d’Estrées und ihre
Schwester, S.44
Gewebe Modesa, Lausanne : 4 rue
Saint-François, 021 323 61 90 – Zürich:
Löwenstrasse 2, 043 497 20 85 – Basel:
Gerbergase 14, 061 261 49 30
Der Tod der Ophelia, S.47
Kleid, Mango Genf: Bongénie, 34 rue du
Marché, 022 818 11 11 - Lausanne: 23 rue
de Bourg, 021 311 86 53 – Zürich:
Bahnhofstrasse 82A, 044 210 27 77;
Schal, Zebra
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Modesa Lausanne: 4 rue Saint-François,
021 323 61 90 – Zürich: Löwenstrasse 2,
043 497 20 85 – Basel: Gerbergase 14,
061 261 49 30; Schal, Globus Essentials
Genf : Globus, 48 rue du Rhône, 058 578
50 50 – Lausanne: Globus, 5 rue du Pont,
021 342 90 90 – Zürich: Globus,
Schweizergasse 11, 043 344 82 52 – Basel: Globus, Marktplatz 2, 058 578 45 45;
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Terra, Schmuck-Art et Amazone Genf:
Globus, 48 rue du Rhône, 058 578 50 50
– Lausanne: Globus, 5 rue du Pont, 021
342 90 90 – Zürich: Globus,
Schweizergasse 11, 043 344 82 52 – Basel: Globus, Marktplatz 2, 058 578 45 45
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Society, S.69
Jaeger-LeCoultre Genf: Boutique
Jaeger-LeCoultre, 2 rue du Rhône, 022 310
62 17; Les Ambassadeurs, 62 rue du Rhône,
022 318 62 22; Chimento, 19 quai du
Mont-Blanc, 022 731 16 51 – Lausanne: A
l’Emeraude, 12 place Saint-François, 021
312 95 83; Bijouterie Junod, 8 place
Saint-François, 021 312 83 66 - Zürich:
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aqua, S.74
Blancpain Genf: Blancpain Les Boutiques,
40 rue du Rhône, 022 312 59 39; Les
Ambassadeurs, 62 rue du Rhône, 022 318
62 22; Bijouterie Zbinden, 17 rue du
Mont-Blanc, 022 311 42 28 - Lausanne –
Bijouterie Junod, 8 place Saint-François,
021 312 83 66; Boutique Tourbillon, 4 place
Saint-François, 021 323 51 45 - Zürich:
Blancpain Les Boutiques, Bahnhofstrasse
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Bahnhofstrasse 64, 044 227 17 17; Meister
Uhren, Bahnhofstrasse 30, 044 211 93 33 IWC Schaffhausen Genf, IWC
Schauffhausen Boutique, 2 rue du Rhône,
022 310 36 86; La Maison de l’Horlogerie,
24 rue du Cendrier, 022 732 09 54 – Lausanne: A l’Emeraude, 12 place
Saint-François, 021 312 95 83 - Zürich:
IWC Schauffhausen Boutique,
Bahnhofstrasse 37, 043 521 14 94; Galli
Uhren Bijouterie, Theaterstrasse 16, 044
262 04 10; Stahel, Gerbergasse 5, 044 211
28 04 Jaeger-LeCoultre Genf: Boutique
Jaeger-LeCoultre, 2 rue du Rhône, 022 310
62 17; Les Ambassadeurs, 62 rue du Rhône,
022 318 62 22; Chimento, 19 quai du
Mont-Blanc, 022 731 16 51 – Lausanne: A
l’Emeraude, 12 place Saint-François, 021
312 95 83; Bijouterie Junod, 8 place
Saint-François, 021 312 83 66 - Zürich:
Stahel, Gerbergasse 5, 044 211 28 04
Omega www.omegawatches.com
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MAKING OF
BOUDOIR
I N T E R V I E W | von Emmanuel Grandjean
Urquiola
Patricia
Enfant terrible
P
atricia Urquiola arbeitet für die grössten Häuser des internationalen Designs.
Für Moroso und Cappellini, Flos und B&B.
Sie hat das Talent, einen Palast im Zentrum
von Barcelona in ein wohnliches Paradies,
einen Champagnerkorken in ein kostbares
Schmuckstück zu verwandeln.
Die 1961 in Orviedo geborene Spanierin
ist sozusagen die Designkönigin von Mailand, ihre Kreationen zieren die Stände der
grössten Möbelmessen der Welt. Die Meisterin des Designs studierte vorerst Architektur, lernte später Achille Castiglioni kennen und begann sich für das Design von
Gegenständen zu interessieren. Castiglioni ist der massgebende Meister des Nachkriegsdesigns, genialer Fabrikant und Gestalterlegende, verehrt von jedermann und
jederfrau, die das Privileg hatten, ihm zu
begegnen. Renommiert und berühmt sind
auch die Kreateure Vico Magistretti und
Maddalena de Padova, zwei weitere Grössen des Designs, mit denen Urquiola lange Zeit gearbeitet hat. Von diesen beiden
Koryphäen lernte die Spanierin schlichte
Formgebung, die Liebe zur sorgfältigen Arbeit und Know-how. Wie lässt sich der Urquiola-Stil definieren? Er ist reüssiert bürgerlich, wirkt teuer, unglaublich elegant, ist
von poetischer Leichtigkeit und humorvoll
dazu. Ihre Objekte sind grosszügig, warmherzig, feminin, aber nicht girly. Wie die
Uhr, die Patricia Urquiola für Maurice Lacroix neu gestaltet hat und deren drei Exemplare demnächst an einer Auktion versteigert werden.
ARS FUTURA
Zephyr im Schwebeflug, wartend auf die Geburt der Venus im
Studio von Fotograf Vincent Calmel, Genf, April 2011.
Moroso, Flos, Kartell – Señora Urquiola, Sie
arbeiten für die bedeutendsten Möbellabels,
gestalten sowohl Objekte für die Industrie
als auch Einzelstücke für Galerien.
des Designs
Und jetzt haben Sie eine Uhr designt?
Nicht zum ersten Mal. Vor einigen Jahren
habe ich schon einen Zeitmesser für Alessi
kreiert. Damals handelte es sich allerdings
vielmehr um eine Vorbereitungsarbeit, die
dann zu einem weiteren Uhrenprojekt in
Zusammenarbeit mit Piero Lissoni von
Alessi führte.
Die Uhr ist ein funktionelles Objekt, das sehr
präzise ist und bestimmten Regeln entsprechen muss, wodurch der Kreativität enge
Grenzen gesetzt sind. Ist es für jemanden wie
Sie interessant, eine Uhr neu zu designen?
Ja, selbstverständlich. Aber es ist wie überall, es hängt sehr viel von der Freiheit ab,
die man Ihnen zugesteht, und vom Dialog,
den Sie mit Ihrem Auftraggeber führen.
Bei Maurice Lacroix war es noch etwas anders, da es nicht darum ging, eine neue Uhr
zu kreieren, sondern ein bestehendes Modell zu überdenken. Ich durfte mich nicht
zu weit vom Original entfernen, das immer
noch erkennbar sein sollte. Wir entfernten
alle metallischen Teile, Farben, Ringe und
bewahrten das Essenzielle. Wir nannten
die Uhr Caldera, in Anlehnung an Vulkankrater, die durch die drei typischen Zähler
auf dem Zifferblatt symbolisiert werden.
Bestimmt ist es weniger aufregend, ein
Objekt zu redesignen, als ein Projekt von
A bis Z durchzuführen.
Es ist dann interessant, wenn Sie ein unerwartetes Element oder eine überraschende Lösung einbringen können. Ich bin bei
diesem Projekt ziemlich weit gegangen,
obwohl ich recht viele Parameter berücksichtigen musste. Zudem wurde diese Uhr
in nur drei Exemplaren hergestellt, die an
Auktionen versteigert werden.
Design ist heute also eine Art Luxus?
Ursprünglich war dies nicht so. Man muss
immer daran denken, dass Design die Art
und Weise darstellt, wie man an ein alltägliches Objekt herangeht. Diese Disziplin
hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Einerseits ist der Anteil der industriell hergestellten Produkte nach wie
vor gross. Anderseits beobachten wir das
Aufkommen neuer Kreationsplattformen
wie Galerien, die den Designern ein neues,
emotionelles Betrachten des funktionellen
Aspekts ermöglichen.
Design ist wie Kunst hochaktuell?
In der Tat interessiert sich die Modewelt
immer mehr für Design. So hat mich H&M
mit der Neugestaltung ihrer Shops beauftragt. Letztes Jahr habe ich für Ferragamo
eine Tasche entworfen, die nicht zum Verkauf, sondern als Ausstellungselement für
die Schaufenster bestimmt war. Dies sind
Zeichen, dass Design in unserer Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle spielt
und quasi omnipräsent ist. Junge Designer
wollen heute nicht mehr ausschliesslich
für die Automobilindustrie arbeiten. Was
sie als Gestalter reizt, ist die Herausforderung, Grenzen auszuloten. Die Arbeiten
des spanischen Designers Nacho Carbonell etwa: Seine Möbel mit den Kokonformen stossen in Bereiche vor, die das Design noch nie erforscht hat.
Vico Magistretti, mit dem Sie gearbeitet haben, sagte einmal, dass gutes Design in zwei
Worten am Telefon erklärbar sein müsse.
Er wollte damit sagen, dass Design ein Prozess ist. Dass ein Designer wohl die Ideen
hat, sie aber denjenigen kommunizieren
muss, die das Projekt letztendlich realiFinanz und Wirtschaft LU X E | 91
B O U D O I R | I N T E RV I E W
« Die Begegnung mit
einem Kunstwerk ist
der grösser Luxus
überhaupt »
sieren. Das Konzept muss daher möglichst
einfach und klar sein, damit es jedermann
in zwei Worten verständlich gemacht werden kann. Der Designer arbeitet nie solo.
Ihr Projekt Maurice Lacroix in zwei Worten…
Die sehr bourgeoise Uhr vereinfachen und
gleichzeitig die klassische, luxuriöse Eleganz bewahren.
Luxus bedeutet für Sie...
Zeit. Ich führe ein Leben in einfachen
Jeans, mein Metier nimmt mich ganz in
Anspruch, auch weil ich es liebe. Zeit für
meine Familie, die sehr wichtig ist: meine
Kinder, Alberto, mein Mann, mit dem ich
arbeite.
In Ihrer Arbeit sprechen Sie oft von Ihrem
Privatleben, von den Menschen, die Sie
umgeben.
Meine Arbeit für ein Haus wie Rosenthal
erfüllt mich mit grossem Stolz. Denn meine Eltern besassen seit ihrer Hochzeit
ein Service dieses berühmten Porzellanherstellers. Diese Qualität hat allerdings
nichts mit Luxus zu tun. Die Zusammenarbeit mit wichtigen, traditionsreichen
Häusern bedeutet Engagement für Qualität. Desgleichen, wenn ich für Flos eine
Lampe kreiere, setze ich mich für ein Haus
ein, das Topqualität liefert. Oder für das
Unternehmen, für das Achille Castiglioni,
mein Mentor, der mich alles gelehrt hat,
unwahrscheinliche, einzigartige Leuchten
geschaffen hat.
92 | Finanz und Wirtschaft LU X E
Neil Winder / Corbis Outline
Ein Paar im Leben und im Büro. Kann das
funktionieren?
Es muss, es gibt keine andere Möglichkeit.
Für Alberto und mich sind Reisen unser
Luxus zu zweit. Qualität ist ebenfalls Luxus, und ein wichtiger dazu. Denn sie bedeutet Fortbestand, Dauerhaftigkeit der
Dinge. Einer meiner spanischen Freunde besitzt einen von einem Mailänder Architekten gestalteten Stuhl, ein Erbstück
seines Vaters, das auch der Bruder beanspruchte. Neben Qualität ist für mich auch
Weitergabe sehr wichtig.
Diesen Sommer nehmen Sie an Glasstress
2011 teil, einer Ausstellung von Design aus
Glas, die während der Biennale von Venedig
stattfindet. Fühlen Sie sich von moderner
Kunst angezogen?
Sehr. Wenn Alberto und ich nach New
York reisen, besuchen wir als Erstes
Chelsea und die Galerien. Die Begegnung mit einem Kunstwerk ist möglicherweise der grösste Luxus überhaupt.
Aber ein unerreichbarer, unantastbarer,
der im Augenblick spielt. Deshalb besitzen wir nichts von alledem.
Weder zeitgenössische Kunst noch
Designerstücke?
Absolut nichts. Wir sind nicht an Besitz interessiert. Hingegen liebe ich es, zur Kunst
zu reisen, sie zu besuchen. Das Anschauen moderner Kunst in einer Galerie ist ein
höchst privilegierter Moment, der in meiner Erinnerung weiterlebt. |
Finanz und Wirtschaft LU X E | 93