20 Jahre Kinderurologie - Krankenhaus der Barmherzigen

Transcription

20 Jahre Kinderurologie - Krankenhaus der Barmherzigen
20 Jahre Kinderurologie
Leistungsbericht
EIN UNTERNEHMEN DER
Medizin mit Qualität und Seele
www.vinzenzgruppe.at
Inhalt
Kapitel I: Zur Abteilung
Editorial...................................................................... 05
Mitarbeiter.................................................................. 06
Frühere ärztliche Mitarbeiter...................................... 07
Aus- und Fortbildung.................................................. 07
Europäisch zertifiziertes Ausbildungszentrum........... 08
Kapitel II: Krankheitsbilder
Bildgebende und nuklearmedizinische
Diagnostik in der Kinderurologie.................................10
Nierenfehlbildungen....................................................13
Hydronephrose............................................................16
Posteriore Harnröhrenklappen ...................................20
Harnröhrenduplikatur................................................. 23
Harnwegsinfektionen im Kindesalter ......................... 25
Vesikoureteraler Reflux ............................................. 28
Harnsteine bei Kindern ............................................. 33
Enuresis..................................................................... 35
Neurogene Blasenfunktionsstörung .......................... 40
Epispadie und Blasenekstrophie................................ 44
Phimose..................................................................... 47
Hypospadie................................................................ 49
Hodenhochstand........................................................ 53
Varikozele................................................................... 57
Sexuelle Differenzierungsstörungen.......................... 60
Laparoskopie.............................................................. 63
Kapitel III: Anhang
Gastprofessoren......................................................... 67
Gastärzte ................................................................... 67
Soziales Engagement................................................ 68
Gästebuch.................................................................. 70
Impressum gem. § 24 Mediengesetz:
Medieninhaber und Herausgeber: Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz Betriebsgesellschaft m. b. H.,
Abteilung Kinderurologie; Anschrift von Medieninhaber und Herausgeber: Seilerstätte 4, 4010 Linz;
Redaktion: Prim. Univ.-Doz. Dr. Marcus Riccabona, OÄ Dr. Tanja Becker, OA Dr. Mark Koen, OA Dr. Christoph Berger;
Organisation, Koordination und Abwicklung: Sigrid Miksch, M. Sc.; Hersteller: TRAUNER Druck GmbH & Co KG;
Herstellungsort: 4020 Linz; Layout: upart Werbung und Kommunikation GmbH;
Fotos: Werner Harrer, BHS Linz, privat; Auflage: 1.000 Stück.
Wir bitten im Sinne einer verbesserten Lesbarkeit um Verständnis, dass auf die geschlechterspezifische Formulierung
teilweise verzichtet wird. Selbstverständlich sind Frauen und Männer gleichermaßen angesprochen.
03
I. Zur Abteilung
20 Jahre Kinderurologie
Die Geschichte des Krankenhauses der Barmherzigen
Schwestern in Linz ist auch ein geschichtlicher Streifzug durch die Medizin. Das Krankenhaus wurde 1841
gegründet und bereits zehn Jahre später wurde 1851
die Abteilung für Pädiatrie mit zwölf Betten errichtet. Die
Abteilung für Urologie entstand 1930. Es gab eine alte,
bewährte Kooperation beider Abteilungen über Jahrzehnte. Gründend auf dieser historischen Tradition war unser
Haus über die Landesgrenzen hinaus bekannt als eine
Institution, in der Kinder mit urologischen Problemen gut
versorgt wurden.
Einige Entwicklungen und Motive führten im Jahre 1992
zur Errichtung eines selbständigen Departments für Kinderurologie. Ein Grund war die medizinische Entwicklung.
Durch die verbesserte und umfassende medizinische
Betreuung des noch Ungeborenen, des Neugeborenen
und des kleinen Kindes, insbesondere durch neue Diagnosemöglichkeiten wie die Ultraschalluntersuchung, die
obligat in der Schwangerschaft und fakultativ am Neugeborenen eingesetzt wurde, konnten sehr früh kongenitale
Fehlbildungen in einem meist noch asymptomatischen
Stadium entdeckt werden. Bis zu 5 % aller Neugeborenen weisen urogenitale Fehlbildungen auf, wenn man
gezielt und routinemäßig danach fahndet. Diese angeborenen Fehlbildungen bedürfen einer wohlüberlegten,
fachspezifischen Abklärung und relativ häufig einer frühen operativen Korrektur. Ein weiterer Grund war, dass
immer mehr Eltern ihr Kind während des stationären
Aufenthaltes begleiten wollten, in einer Zeit, in der noch
sehr kurze und rigide Besuchszeiten herrschten. Schließlich wurde der Wunsch nach ausschließlich ambulanter
oder tagesklinischer Abklärung und Operation immer
dringlicher. Zum damaligen Zeitpunkt waren die ersten
rein kinderurologischen Abteilungen in den USA und in
wenigen europäischen Ländern schon Wirklichkeit.
Es war das historische Verdienst meines ehemaligen
Chefs und verehrten Lehrers, Prim. Dr. Schorn, primär
die Weichen gestellt zu haben und den wachsenden
Stellenwert der Kinderurologie innerhalb des Faches
Urologie erkannt zu haben. Der damaligen Leiterin der
Verwaltung, Sr. Sigharda Leitner, gebührt besonderer
Dank für die Bereitschaft, den Mut und die Hilfe, das
Projekt Kinderurologie verwirklicht zu haben.
04
Sie nahm ihre leibliche Schwester, die ehrwürdige Sr.
Generaloberin, beim Wort, als diese anlässlich der
150-Jahr-Feier des Ordens meinte: „Ohne Fortschritt
bleiben wir stehen, der Fortschritt darf aber nicht nur
die Medizintechnik, sondern soll v. a. die menschliche
Beziehung betreffen.“ Für diese menschliche Begegnung
mit Kindern und deren Eltern benötigten wir ein freundliches Umfeld, eine kind- und elterngerechte Infrastruktur,
hochqualifizierte Ärzte und Pflegepersonen. Durch viel
persönlichen Einsatz eines wachsenden Teams und
durch großzügige Unterstützung des Ordens gelang es,
eine kinderurologische Einheit zu entwickeln.
Nach langwierigen, mühsamen Verhandlungen mit dem
Land und mit tatkräftiger Unterstützung des damaligen
Ärztlichen Direktors Dr. Krauter wurde 2004 das Department in eine Abteilung mit Primariat umgewandelt. Die
Leistungszahlen nahmen stetig zu, das Einzugsgebiet
hatte sich auf alle Bundesländer und über die österreichischen Grenzen hinaus ausgeweitet. Im Jahre 2008
erfolgte die Akkreditierung als europäisches Ausbildungszentrum für Kinderurologie.
Dieses kleine Buch soll anhand wichtiger kinderurologischer Krankheitsbilder die medizinische Entwicklung
der letzten 20 Jahre und den aktuellen Wissensstand
aufzeigen. Es dokumentiert unser Krankengut und gibt
Rechenschaft über Geleistetes im internationalen Vergleich. Jedem Kapitel sind die wichtigsten Publikationen
und Vorträge zugeordnet – wissenschaftliche Aktivitäten,
primär verstanden als Reflexion der eigenen Arbeit, gepaart mit der einen oder anderen neuen Idee.
Marcus Riccabona
05
Mitarbeiter
Frühere ärztliche Mitarbeiter
Prim. Univ.-Doz. Dr.
Marcus Riccabona,
FEAPU
OÄ Dr. Tanja Becker,
FEAPU
FA Dr. Mazen Zeino,
Fellow
Dr. Michaela
Wurzinger,
Sekundarärztin
Lucia Schürz,
Bereichsleitung
Renate Schober,
Chefsekretärin
Theresia Breitenfellner,
Administrations­
assistentin
DGKS Natascha Holl,
Koordinatorin
OA Dr. Mark Koen,
FEAPU
OA Dr. Christoph
Berger,
FEAPU, FEBU
Margit Hofer,
Sekretärin
Claudia Riedl,
Sekretärin
DGKS Sieglinde Gratzl,
Kinder-Urotherapeutin
DGKS Marion Zauner
Dr. Maria Schmid-Aichberger
Linz | 01.06.1992–28.02.1993
Dr. Stefan Deluggi
Linz | 01.01.1994–30.06.1994
Dr. Thomas Kroiss
Vöcklabruck | 01.12.1994–30.06.1995
Dr. Josef Girstmair
Wels | 01.01.1995–30.06.1995
Dr. Armin Pycha
Wien | 30.06.1995–30.10.1995
Dr. Walter Costamoling
Linz | 01.07.1996–30.09.1996
Dr. Johannes Lunger
Meran | 01.01.1997–30.06.1997
Dr. Franz Stoiber
Linz | 01.04.1997–30.09.1997
Dr. Peter Rheder
Kapstadt | 01.08.1997–31.12.1998
Dr. Bernd Posch
Wien | 01.01.1998–31.10.1998
Dr. Bettina Schnopfhagen-Matura
Linz | 01.04.1998–01.10.1999
Dr. Iris Körner
Essen | 01.01.1999–31.03.2000
Dr. Heinz Jussl
Bludenz | 01.07.1999–31.12.1999
Dr. Juliane Sezer
Linz | 01.02.2000–31.03.2002
Aus- und Fortbildung
Ausbildung und kontinuierliche Fortbildung haben wir
stets auf unsere Fahne geschrieben. Die Ausbildung
zum Kinderurologen erfordert viel theoretisches Wissen,
handwerklich-operatives Geschick und Spaß an der
rekonstruktiven (Mikro-)Chirurgie sowie einen offenen,
freundlichen Umgang mit Kindern und Eltern. Jedes Jahr
werden in Zielvereinbarungen mit allen Teammitgliedern
die Ausbildungsschritte bzw. Fortbildungen und Spezialisierungen als persönliche und/oder Abteilungsziele
vereinbart und festgehalten. Schwierigere Therapieentscheidungen werden grundsätzlich nahezu täglich im
Team erarbeitet, wobei jeder Stellung beziehen muss.
Jeder bekommt Gelegenheit, die wichtigsten nationalen und
internationalen Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen.
Die aktive Teilnahme (Vortrag, Poster, Vorsitz) ist immer
anzustreben. Regelmäßig werden international anerkannte
Persönlichkeiten an die Abteilung eingeladen (visiting professorship). Wir sind aber auch immer bereit, unser Wissen und
unsere Erfahrungen weiterzugeben. Seit Jahren hospitieren
zahlreiche Ärzte aus verschiedensten Ländern bei uns.
DKKS Elisabeth Nobis
06
DKKP Mario Stelzer
DKKS Margot Haas
Mallnushe Gashi,
Stationsgehilfin
Dr. Thomas Bes
Linz | 01.04.2000–30.09.2000
Dr. Paul Engelhardt
Wien | 01.10.2000–31.12.2001
Dr. Lukas Lusuardi
Bozen | 01.07.2001–29.02.2004
Dr. Christian Gozzi
Brixen | 01.11.2001–28.02.2002
Dr. Monika Schober
Wien | 01.01.2002–09.02.2004
Dr. Markus Mayr
Schwertberg | 01.03.2002–30.09.2002
Dr. Goedele Beckers
Amsterdam | 01.10.2002–30.05.2004
Dr. Andreas Nader
Linz | 01.04.2003–30.09.2003
Dr. Ulrike Necknig
Garmisch-Partenkirchen | 01.04.2004–31.03.2005
Dr. Achim Lusch
Mannheim | 01.03.2006–31.05.2006
Dr. Ingrid Dinhobl
Linz | 01.05.2006–03.10.2006
Dr. Sonja Wakolbinger
Linz | 01.05.2005–30.11.2006
Dr. Verena Traxlmayr
Linz | 28.07.2003–31.12.2004
Dr. Katharina Mitter
Linz | 01.12.2006–30.11.2008
Dr. Gudrun Böhm
Linz | (Karenz) 01.01.2009–01.06.2010
In den 20 Jahren Kinderurologie wurden vom gesamten
Team national und international ca. 350 Vorträge gehal-
ten. Zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen wurden von
uns organisiert. Dr. Becker und Dr. Riccabona waren an
zahlreichen Kliniken im In- und Ausland als Gastoperateure eingeladen.
Studienaufenthalte
OÄ Dr. Tanja Becker
• 7/2005 Regensburg/D
KH der Barmherzigen Brüder, Abteilung Kinderurologie, Klinik St. Hedwig (Prof. W. Rösch)
• 2–3/2007 Philadelphia/USA
Children’s Hospital Philadelphia, Division of Urology
(Prof. D. A. Canning)
• 11/2011 Zürich/CH
Universitätsklinik für Kinderchirurgie,
Abteilung Kinderurologie (Prof. R. Gobet)
OA Dr. Mark Koen
• 5/2005 Utrecht/NL
Wilhemina Children’s Hospital, Abteilung Kinderurologie
(Prof. T. de Jong)
• 6/2008 Ankara/T
Hacettepe University, Division of Paediatric Urology
(Prof. Serdar Tekgul)
07
II. Krankheitsbilder
OA Dr. Christoph Berger
• 11/2008 Göteborg/S
Königin-Silvia-Kinderkrankenhaus (Prof. Ulla Sillen)
FA Dr. Mazen Zeino
• 11/2011 London/GB
Great Ormond Street Hospital, Paediatric Urology
(Prof. Peter Cuckow)
Fortbildungsveranstaltungen
Ein bis zwei Sitzungen des Arbeitskreises für Kinderurologie der Österreichischen Gesellschaft für Urologie
und Andrologie werden seit 20 Jahren jährlich z. T. mit
Live-Übertragungen aus dem Operationssaal in unserem Krankenhaus veranstaltet. Alle drei Jahre wird ein
„Kinderurologie-Update“ für unsere zuweisenden Kinderärzte und Urologen im Ars Electronica Center mit über
100 Teilnehmern organisiert. Alle zwei Jahre veranstalten
wir gemeinsam mit der Urologischen Universitätsklinik
in Hamburg abwechselnd in Linz oder in Hamburg das
LULU (= länderübergreifender Lehrunterricht für Assistenten in Ausbildung zur Urologie in Deutschland und
Österreich). Diese sehr gesuchte und praxisbezogene
Veranstaltung für maximal 60 Teil­nehmer mit Seminaren,
Hands-on-Trainingseinheiten und wenigen Vorträgen ist
immer rasch ausgebucht.
Gemeinsam mit der Kinderurologischen Abteilung von
Philadelphia gestalten wir alle drei Jahre ein einwöchi-
ges CHOP-Pediatric-Urology-Seminar für Teilnehmer
aus Osteuropa, Asien und Afrika in Schloss Arenberg
in Salzburg unter der Patronanz des Salzburg-MedicalSeminars und der American Austrian Foundation.
Im Jahre 2009 haben wir einen Mikrochirurgiekurs für
Urologen in Kooperation mit der Plastischen Chirurgie
im MAZ (Mikrochirurgisches Ausbildungs- und Forschungszentrum) in Linz veranstaltet. Die Teilnehmer
hatten die Möglichkeit, an Schweine- und Lammorganen
mikrochirurgische Techniken und Operationen unter dem
Mikroskop zu trainieren.
Auszeichnungen
Zwei Vorträge unserer Residents wurden international
ausgezeichnet.
2003 am Europäischen
Kinderurologiekongress in Madrid:
Lukas Lusuardi: „Botulinum A-Toxin – an alternative save
option in the treatment of detrusor hyperreflexia in MMC
children“ – Second best oral clinical presentation.
2004 am Europäischen
Kinderurologiekongress in Regensburg:
Goedele Beckers: „Prophylactic Antibiotics in Hydronephrosis: fashion or must?“ – Best oral clinical presentation.
Europäisch zertifiziertes Ausbildungszentrum
deren Aufgabe es war, das Fachgebiet zu definieren,
einen Syllabus zu erstellen, Kriterien zur Erlangung des
Fellow of the EAPU zu konzipieren und die Voraussetzungen zur Zertifizierung als kinderurologisches Zentrum
festzulegen.
Jeder Facharzt für Urologie oder Kinderchirurgie kann
durch eine zweijährige Ausbildung (Fellowship) an einem
zertifizierten Zentrum und anschließende schriftliche
und mündliche Prüfung den Europäischen Facharzt für
Kinderurologie (FEAPU) erreichen.
Vor 22 Jahren wurde die Europäische Gesellschaft für
Kinderurologie (ESPU) gegründet, 2002 wurde Kinderurologie als eigene Fachdisziplin (Subspezialität) von
der EUMS in Brüssel anerkannt. Zeitgleich wurde die
European Association of Paediatric Urology gegründet,
08
Die Kinderurologie Linz wurde als sechste Abteilung
in Europa zertifiziert und ist mittlerweile eines von
17 europäischen Ausbildungszentren (Regensburg,
Utrecht, Ankara, Kopenhagen, Prag, Linz, Warschau, Rom,
Nijmegen, Madrid, London, Leeds, Gent, Göteburg,
Istanbul, Paris, Zürich).
Fellowship in Linz
Dr. Christoph Berger 6/2006–6/2008
Dr. Evi Comploj 7/2008–7/2010
Dr. Mazen Zeino 7/2010–12/2012
09
Bildgebende und nuklearmedizinische
Diagnostik in der Kinderurologie
Ein großer Teil unserer Patienten kommt wegen Harnwegsinfekten oder Hydronephrosen an unsere Abteilung.
Asymptomatische Hydronephrosen werden zunehmend
im Rahmen des Organscreenings während der Schwangerschaft oder perinatal als Zufallsbefund festgestellt. In
diesen Fällen ist es unsere Aufgabe, zu entscheiden, ob
eine weitere Diagnostik notwendig ist, sowie die Eltern
über vorliegende Befunde und mögliche Risiken aufzuklären. Neben der ausführlichen Anamnese und der erneuten
Ultraschalluntersuchung kann eine weitere bildgebende
und nuklearmedizinische Diagnostik notwendig werden.
Ultraschall (US)
Jeder Ambulanzraum ist mit einem hochwertigen Ultraschallgerät ausgestattet, da der Ultraschall als tägliches
Werkzeug in unserem kinderurologischen Alltag nicht
mehr wegzudenken ist. Das Ausmaß der Hydronephrose, der mögliche Ort einer Stenose (subpelvin oder
prävesikal), Doppelbildung und gelegentlich auch ektope
Harnleitermündung sind bereits bei der ersten Ambulanzvorstellung erkennbar. Eine Nierenbeckenwandverdickung
erhöht die Wahrscheinlichkeit für einen vesikorenalen
Reflux. Mittels Doppler-Ultraschall kann ein so genannter Ureterjet zur Lokalisation der Harnleiterostien oder
können akzessorische Polgefäße als mögliche Ursache
einer extrinsischen Subpelvinstenose dargestellt werden.
Der Power-Doppler kommt zunehmend zur Detektion
infektbedingter Nierenschäden in Betracht. Im Gegensatz zu gängigen Guidelines, die dem US hinsichtlich des
Kryptorchismus keinen Stellenwert beimessen, können wir
nicht tastbare Leistenhoden immer und Bauchhoden gelegentlich im US darstellen und damit die Eltern-Aufklärung
und Planung der Operation (konventionelle Orchidopexie
oder Laparoskopie) vereinfachen.
MCU (Miktionszysturethrografie)
Die Indikation wird vorwiegend nach fieberhaftem HWI
und bei Neugeborenenhydronephrose ab Grad 3 gestellt.
In der Regel werden die Kinder transurethral katheterisiert (Fütterungssonden Ch. 4 oder Ch. 6). Anschließend
werden – wenn möglich – mehrere Füll- und Miktionszyklen durchgeführt, um das Risiko falsch negativer MCUs
(10–20 %) zu senken. Buben mit Reflux oder Hydronephrose erhalten zur HWI-Prophylaxe ein Antibiotikum.
Eine Sedierung ermöglicht bei Bedarf eine entspannte
Untersuchung (Midazolam <0,5 mg/kg KG, Kind darf
essen und trinken).
Konventionelles Röntgen-MCU: Standard-Untersu-
chung beim ersten MCU. Einschränkung der Strahlenbelastung durch digitale gepulste (1 B/s) Low-dose
Durchleuchtung, gute anatomische Detailgenauigkeit.
Sono-MCU:
Als Verlaufskontrolle vorwiegend bei
kooperativen oder sedierten Kindern. Ideal beurteilbar bei Hydronephrose, dann eher sensitiver als das
Röntgen-MCU. Keine Strahlenbelastung. Weniger
sichere Erfassung von niedriggradigen Refluxen.
Nuk-MCU (Abteilung für Nuklearmedizin; der Katheter
wird aber an der Kinderuro gelegt): Vorwiegend als
Kontrolle nach endoskopischer Refluxtherapie. Eher
sensitiver als das Röntgen-MCU, weniger Strahlenbelastung, aber schlechte Detailauflösung.
PIC-Zystografie: Sekundäre Option bei rezidivieren-
den fieberhaften HWI und fehlendem Refluxnachweis
im MCU, vorwiegend bei nachgewiesenen Nierennarben in der DMSA-Szinti. Während einer Zystoskopie
in Narkose wird Kontrastmittel direkt ans Ostium herangespült (s. auch Kapitel „Vesikoureteraler Reflux“).
Zystotonometrie/Videourodynamik
a)
b)
Power-Doppler des Nieren-Unterpols (Konvexschallkopf 5–9 MHz):
a) Normalzustand mit homogener Perfusion bis in die Peripherie
b) schüttere Minderperfusion bei massiver Pyelonephrits
Untersuchungen
Indikation vorwiegend bei neurogenen Blasenentleerungsstörungen (jährliche Verlaufskontrollen bei Kindern), seltener bei unklarer Harninkontinenz. KEINE
Routineuntersuchung bei Reflux, kindlicher Harninkontinenz oder Enuresis.
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
446
452
363
384
367
322
314
303
298
16
16
25
38
26
11
17
19
23
Sono-MCU
-
-
-
-
-
19
14
9
28
PIC-Zystografie
-
-
-
-
15
30
15
21
16
71
80
84
80
86
80
72
91
98
Rö-MCU
Nuk-MCU
Videourodynamik
Isotopenuntersuchungen
(Abteilung für Nuklearmedizin)
rakteristik aus dem Nierenbeckenkelchsystem und hilft,
obstruktive von nicht obstruktiven Hydronephrosen zu
unterscheiden. Wir indizieren eine MAG3-Szintigrafie
ab Hydronephrose Grad 3 bzw. Nierenbecken a. p.
– Durchmesser über 12 mm. Die Substanz wird i. v.
injiziert und innerhalb von Minuten vorwiegend über
tubuläre Sekrektion in den Harn ausgeschieden. Der
Aktivitätsverlauf über die Nieren wird als Kurve aufgezeichnet und die relative Nieren-Seitenfunktion berechnet (so genannte split function; normal: li/re ~50/50 %,
bei einer Messgenauigkeit von ca. 5 %). Die Methode
ist aufgrund der Nierenreife erst ab einem Alter von
4–6 Wochen aussagekräftig (bei Frühgeborenen entsprechend später).
Diurese-Renografie mit MAG3: Die rote Kurve (linke Niere) zeigt einen normalen Abfall der Aktivität. Die grüne Kurve (rechte Niere) ist eine obstruktive
„Kletterkurve“ und spricht für eine Abflussstörung aus dem rechten Nierenbecken. Trotz Furosemid-(Lasix® -)Injektion (türkise Linie) nach 20 min kann
das Kontrastmittel kaum aus dem rechten Nierenbecken ausgeschieden
werden. Zur Beurteilung einer Obstruktion werden aber auch Spätaufnahmen
bis 120 min nach Injektion evaluiert.
Je nach Fragestellung werden unterschiedliche Sub­
stanzen und Protokolle durchgeführt:
Dynamische Diurese-Renografie mit Tc99-Mercaptoacetyltriglycerol, kurz MAG3 (Abeilung für Nuklearmedizin): Sie dient der Beurteilung der Abflusscha-
Untersuchungen
succinylsäure, kurz DMSA: Sie dient der Beurteilung
der relativen Nierenseiten sowie postinfektiöser Nierenschäden insbesondere nach fieberhaften Harnwegsinfekten. Auch kleine oder zystisch veränderte
Nieren können recht genau hinsichtlich ihrer eventuell
eingeschränkten Nierenfunktion beurteilt werden. Die
Substanz wird i. v. gespritzt, sie reichert sich in proximalen Tubuluszellen an und ermöglicht nach 2–3
Stunden eine bildgebende Auswertung des funktionierenden Nierengewebes.
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
DMSA
142
210
237
281
248
301
287
309
306
MAG3
239
254
182
240
224
232
222
202
146
MR-Urografie (MRU): Methode der Wahl bei komplexer/
unklarer Anatomie und Harnleiterektopie. Auch kleine
Nierenknospen, funktionslose Nierenanteile und die Gefäßversorgung sind sichtbar. Bei suspizierter Subpelvin­
stenose (mit Obstruktion in der MAG3) und gleichzeitiger
Harnleitererweiterung wird das MRU zur Lokalisation der
Stenose eingesetzt. Die Hoffnung, die MAG3 durch die
MRU zu ersetzen, hat sich bislang nicht bestätigt. Kleine
oder unruhige Kinder benötigen eine Narkose.
heute in vielen Fällen früher routinemäßig durchgeführte
invasivere bildgebende Verfahren. Z. B. ist eine weitere
Bildgebung mittels IVP oder MR-Urografie vor Nierenbeckenplastik bei den meisten Kindern nicht mehr
notwendig. Die gute Detailgenauigkeit ermöglicht die Lokalisation der Stenose sowie die Darstellung kreuzender
Polgefäße und bietet auch postoperativ die Möglichkeit
zu einem guten Follow-up. Durch den Power-DopplerUS mit Nachweis infektbedingter Nierenschäden ist
in Zukunft mit einem zunehmenden Stellenwert auch
bei Kindern mit rezidivierenden Harnwegsinfekten zu
rechnen.
CT: Indikation fast nur im Rahmen der Steindiagnostik.
Einschränkung der Strahlenbelastung durch strenge Indikationsstellung, Low-Dose-Protokoll, ggf. Einschränkung
des Bildfeldes auf die Nieren.
MCU: Durch die Einführung von NUK-MCU und Sono-
IVP: In der Abklärung der Hydronephrose bei Kindern
obsolet geworden, hat in der Steindiagnostik aber noch
einen gewissen Stellenwert.
Isotopenuntersuchung
Was hat sich geändert?
Ultraschall: Der Ultraschall hat als nicht invasive Diag-
nostik zunehmend an Bedeutung gewonnen und ersetzt
10
Statische Nierenszintigrafie mit Tc99-Dimercapto-
MCU – insbesondere im Follow-up – konnte die Strahlenbelastung für die Kinder deutlich reduziert werden.
(MAG3 und DMSA): V. a.
die DMSA-Szintigrafie gewinnt zur Risikoeinschätzung
einer Refluxerkrankung und somit für die weitere Therapieplanung zunehmend an Bedeutung. Als Akut-DMSA
(Durchführung der Isotopenuntersuchung innerhalb von
11
Nierenfehlbildungen
48 Stunden nach Auffiebern) dient sie in Einzelfällen
der Diagnosesicherung eines fieberhaften Harnwegsinfektes und kann bei unauffälliger Darstellung das MCU
ersetzen („top-down approach“). Konsequenz dieser
Entwicklung ist die schrittweise Erhöhung der Kapazitäten – seit 2002 sind täglich Isotopenuntersuchungen bei
Kindern möglich. Durch eine kindgerechte Adaptation
der Infrastruktur (Räumlichkeiten, technische Hilfsmittel
wie Vakuummatratze bei Säuglingen, obligate Begleitung durch die Eltern) kann bei den meisten Kindern auf
eine Sedierung verzichtet werden.
Publikationen
Oswald J., Riccabona M., Lusuardi L., Ulmer H., Bartsch G.,
Radmayr C. Voiding cystourethrography using the suprapubic vs.
transurethral route in infants and children results of a prospective
pain scale oriented study. J Urol 2002
Riccabona M., Koen M., Beckers G., Schindler M., Heinisch M.,
Maier C., Langsteger W., Lusuardi L. Magnetic resonance urography – a new gold standard for evaluation of solitary kidneys and
renal buds? J Urol 2004; 171(4):1642–1646
Riccabona Mi., Ruppert-Kohlmayr A., Ring E., Maier C., Lusuardi
L., Riccabona Ma. Potential impact of pediatric mr-urography on
the imaging algorithm in patients with a functional single kidney.
Am J Roentgenol 2004; 183(3):795–800
Nur wenige kinderurologische Abteilungen führen Ultraschall- und Röntgendiagnostik selbst durch. Dies hat bei
uns die fachspezifische Weiterentwicklung dieser Diagnostik gefördert und vereinfacht den Ablauf für die Patienten.
Von den Eltern wird geschätzt, dass Diagnostik und Therapie in einer Hand bleiben.
Definition und Inzidenz
Bei der einseitigen Nierenagenesie fehlt die Nierenanlage, sie hat eine Inzidenz von 1:1.100 und ist oft mit einer
Begleitpathologie vergesellschaftet (Reflux, obstruktiver
Megaureter, Ureterabgangsstenose). Unter dem Begriff
Nierenaplasie (Nierenknospe) versteht man eine kleine
Nierenanlage, die sich nicht weiterentwickelt hat. Die
Nierendysplasie ist eine histologische Diagnose mit
dem Nachweis unreifer Nephrone und Glomeruli, sie ist
oft mit einem Reflux assoziiert. Von einer Nierenhypoplasie spricht man, wenn die Niere sonografisch und
histologisch unauffällig ist, jedoch die normal definierte
Nierengröße nicht erreicht. Eine Sonderform stellt die
segmentale Nierenhypoplasie (Ask-Upmark-Niere) dar.
Pädiatrisch-Nephrologischer Arbeitskreis, Mistelbach,
November 2008
MCU … was dann? Eine interdisziplinäre Herausforderung (MR)
Nierenagenesie r.
Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Linz, Mai 2009
Kinderurologischer Ultraschallkurs (CB)
Hufeisenniere
Qmed Satellite Symposium, 20. Kongress der ESPU,
Amsterdam, Mai 2009
PIC-Zystogramm (CB)
Diagnostik
22. Kongress der ESPU, Kopenhagen, April 2011
PIC-Zystogramm (CB)
Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Linz, Mai 2011
Workshop Bildgebung (CB)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2005
Pränatal diagnostizierte Raumforderung der Niere (MK)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2012
PIC-Zystogramm (CB)
Ultraschall-Dreiländertreffen, Graz, Oktober 2006
Stellenwert der Sonographie in der Abklärung von Pathologien
des kindlichen Genitale aus der Sicht der Kinderurologie (MR)
Alpenländisches Urologensymposium, Leogang, April 2012
PIC-Zystogramm (CB)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2008
Die Nierenbecken-Wandverdickung im Ultraschall und deren
prädiktiver Wert für einen vesikorenalen Reflux (CB)
Daneben gibt es vielfältige Lage- und Verschmelzungsanomalien: lumbale, pelvine (Beckenniere),
thorakale Ektopie, gekreuzte Ektopie, Hufeisenniere,
Sigmaniere, Kuchenniere etc.
Nierenaplasie r.
Nierendysplasie mit Reflux
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2009
PIC-Zystogramm (CB)
Berger C. Offensive Refluxdiagnostik: Das PIC-Zystogramm.
NÖGU 12/2009; 1:18–20
Vorträge:
Bei der polyzystischen Nierendegeneration unterscheiden wir die infantile Form (1:10.000) mit infauster
Prognose von der adulten Form (1:1.200) mit günstiger
Prognose.
Symposium Kontroverses in der Kinderurologie, Nürnberg,
November 2008
PIC-Zystogramm (CB)
Update Kinderurologie, Ars Electronica Center, Linz, März 2009
Neue diagnostische Methoden in der Kinderurologie (CB)
Berger C., Becker T., Koen M., Zeino M., Haim S., Beheshti M.,
Wolf I., Fitz F., Riccabona M. Positioning irrigation of contrast
cystography for diagnosis of occult vesicoureteric reflux: Association with technetium-99m dimercaptosuccinic acid scans. J
Pediatr Urol eingereicht
Die multizystische Nierendysplasie entsteht durch
eine fehlende Verbindung zwischen Sammelrohren und
Nierenkelchen und hat eine Inzidenz von 1:4.000.
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für
Urologie und Andrologie (ÖGU), Linz, November 2008
Die Nierenbecken-Wandverdickung im Ultraschall und deren
prädiktiver Wert für einen vesikorenalen Reflux (CB)
Engelhardt P. F., Lusuardi L., Riedl C. R., Riccabona M. Die
kindliche Beckenniere – eine retrospektive Analyse. Aktuelle Urol
2006; 37:272–276
Berger C. Tricks und Besonderheiten beim kindlichen Ultraschall.
Urologik 1/2010; 1:34–36
12
Internationaler Vergleich
38. Gemeinsame Tagung der Bayerischen Urologen­
vereinigung sowie der Österreichischen Gesellschaft für
Urologie und Andrologie, Nürnberg, Juni 2012
PIC-Zystogramm (CB)
Große multizystische Dysplasie: MRI, US
Die Verdachtsdiagnose Nierenagenesie wird sonografisch
gestellt (fehlende Niere, kompensatorisch vergrößerte kontralaterale Niere) und mittels DMSA-Scan bestätigt.
Die Nierenaplasie kann sonografisch entdeckt, letztlich
mittels MRI bestens dargestellt werden. Die Nierenhypoplasie, die multizystische Nierendysplasie sowie andere
zystische Nierenerkrankungen werden mittels Ultraschall
entdeckt, Letztere meist schon pränatal. Die Lage- und
Verschmelzungsanomalien werden auch überwiegend
sonografisch aufgespürt, im DMSA-Scan bestätigt und
im Einzelfall mittels MR-Urografie detailliert samt Gefäßversorgung dargestellt.
Therapie
Eine aplastische oder dysplastische Niere wird nur dann
entfernt, wenn sie symptomatisch wird. Dies kann der Fall
Kleine multizystische Dysplasie
sein, wenn sie mit einem Reflux oder einer Harnleiter­
ektopie vergesellschaftet ist. Die multizystische Niere
wird heute überwiegend nur kontrolliert (halbjährlicher
Ultraschall) und wenn sie sich rückbildet, in situ belassen.
Große, organverdrängende multizystische Nieren werden
noch im ersten Lebensjahr entfernt. Als Alternative zum
konservativen Management wird Eltern auch die laparoskopische Nephrektomie angeboten, da ein geringes
Risiko der Hypertonieentwicklung und der malignen Entartung, die wir einmal auch an unserer Abteilung erlebt haben, besteht. Kinder mit einer polyzystischen bilateralen
Nierendegeneration gehen in eine kindernephrologische
Betreuung (symptomatische Therapie, Dialyse, Nierentransplantation). Verschmelzungsanomalien und Lageanomalien sind mit einer häufigeren Begleitpathologie, wie
Hydronephrose, Steinbildung oder Reflux, assoziiert und
bedürfen dann einer spezifischen kausalen Therapie.
13
a)
b)
c)
d)
Offene (a, b) und laparoskopische (c, d) Nephrektomie einer multicystischen Dysplasie
Statistik
Jahr
Agenesie
Hypoplasie
Multicyst.
Dysplasie
Hufeisenniere
Becken­
niere
Aplasie
Verschmelzungsniere
1993
2
3
0
0
0
1
0
1994
3
1
6
2
2
2
2
1995
2
3
7
1
1
2
0
1996
0
3
2
0
2
0
4
1997
7
3
2
2
3
0
0
1998
7
2
3
4
2
1
1
1999
8
3
6
2
5
7
0
2000
8
1
4
2
1
1
1
2001
4
3
2
3
1
0
0
2002
9
3
6
1
5
1
5
2003
10
0
7
6
7
1
6
2004
10
3
7
4
2
3
1
2005
8
3
12
1
3
0
2
2006
7
1
6
3
7
2
1
2007
12
0
4
3
4
0
0
2008
9
2
3
2
4
2
3
2009
7
0
14
2
2
1
1
2010
8
1
2
3
3
1
3
2011
12
0
6
2
6
1
0
2012
5
0
4
5
1
1
0
Total
158
35
103
48
61
27
33
Internationaler Vergleich
Unsere Inzidenzzahlen decken sich mit denen der internationalen Literatur. Im Management der multizystischen
Nierendysplasie sind Institutionen im angloamerikani-
14
Publikationen
Vorträge
Riccabona Mi., Rupper-Kohlmayr A., Ring E., Maier C., Lusuardi
L., Riccabona Ma. Potential impact of pediatric MR Urography on
the imaging algorithm in patients with a functional single kidney.
Am J Roentgenol 2004 183(3):795–800
Pädiatrisches Kolloquium, Eisenstadt, Juni 2000
Angeborene Fehlbildungen des Urogenitaltraktes (MR)
Riccabona Ma., Riccabona Mi., Koen M., Beckers G., Schindler
M., Heinisch M., Maier C., Langsteger W., Lusuardi L. Magnetic
resonance urography – a new gold standard for evaluation of
solitary kidneys and renal buds? J Urol 2004; 171(4):1642–1646
Engelhardt P., Lusuardi L., Riedl C., Riccabona M. Die kindliche
Beckenniere – eine retroperspektive Analyse. Aktuelle Urol 2006;
37:272–276
Österreichischer Arbeitskreis für Perinatologie, Wien,
November 1995
Urogenitale Fehlbildungen – Abklärung und Management aus der
Sicht des Kinderurologen (MR)
54. Deutscher Urologenkongress, Wiesbaden,
September 2002
Die kindliche Beckenniere – was soll man beachten? (Poster) (PE)
Fortbildungstagung der österreichischen Gynäkologen,
Soma/Ägypten, Oktober 2004
Urogenitale Fehlbildungen: Früherkennung und Therapie (MR)
schen Raum absolut konservativ, in Europa sind einige
namhafte Abteilungen mit obligater Nephrektomie deutlich radikaler als wir.
15
Hydronephrose
Definition, Inzidenz und Ursachen
Diagnostik
„Hydronephrose“ bedeutet Erweiterung des Nierenbeckens (NB) und/oder der Nierenkelche (K). Wenn
auch der Harnleiter erweitert ist, spricht man von
„Megaureter“.
(s. auch Kapitel Bildgebende und Nuklearmedizinische Diagnostik in der Kinderurologie)
Ultraschall: Geringgradige Hydronephrosen (Grad
1 und 2) werden nur sonografisch kontrolliert, höhergradige weiter abgeklärt.
Isotopenuntersuchung (MAG3, Abteilung für Nuklearmedizin): Ab Hydronephrose Grad 3 bzw. Nierenbecken a. p. – Durchmesser über 12 mm.
Grad 1
Grad 2
Grad 3
Subpelvinstenose: Inzidenz ca. 1–8/1.000 Neuge-
borene (Buben : Mädchen = 3:1). Sie wurde früher als
die häufigste Ursache der fetalen Hydronephrose betrachtet. Durch die immer zurückhaltendere Definition
der Obstruktion fallen immer mehr Kinder unter den
Begriff der transienten Dilatation.
16
Megaureter l. (MRU)
Megaureter (kann obstruktiv, refluxiv, obstruktiv-
refluxiv und nicht obstruktiv, nicht refluxiv sein):
Problemzone ist der ureterovesikale Übergang. Erweitert sind Harnleiter, Nierenbecken und Nierenkelche.
Manchmal steht der Megaureter mit einer Ureterozele
in Zusammenhang, bei Doppelhohlsystemen betrifft
er den oberen Anteil.
Posteriore Harnröhrenklappen (nur bei Buben):
Ca. 1:8.000. Schwerste Form der angeborenen Harnstauung (s. eigenes Kapitel). Anteriore Harnröhrenklappen sind sehr selten.
Untersuchungen
len Hydronephrosen haben einen Reflux, unabhängig
vom Grad der Hydronephrose (s. eigenes Kapitel).
Posteriore HR-Klappe (MCU)
oder unklarer Anatomie zur Lokalisation einer Stenose oder Harnleiterektopie.
500
Vesikoureteraler Reflux (VRR): Ca. 16 % der neonata-
VRR beidseitig (MCU)
Magnetresonanz-Urografie (MRU): Bei komplexer
600
400
300
200
100
0
2003
2004
2005
2006
2007
Anteriore HR-Klappe (MCU)
2008
2009
2010
2011
P atienten mit
Hydronephrose
MCUs gesamt
MAG3
Die Zunahme der ambulanten Patienten mit Hydronephrose bei gleichzeitiger Abnahme der MCU- und
MAG3-Untersuchungen veranschaulicht die zurückhaltendere Diagnostik innerhalb der letzten Jahre.
(Dass mehr MCUs als MAG3-Untersuchungen durchgeführt werden, liegt daran, dass MCUs auch noch
wegen fieberhafter HWI bei Patienten ohne Hydronephrose durchgeführt werden.)
Therapie
Subpelvinstenose: Als Operationsindikation se-
Subpelvinstenose r. (MRU)
diger oder beidseitiger Hydronephrose, bei kleiner
Niere, Nierenbecken-Wandverdickung, Doppelniere
mit Hydronephrose, Harnleiterdilatation oder abnormer Blase.
Grad 4
Die 4 Schweregrade der Hydronephrose im Ultraschall (gem. Society for Fetal Urology):
Grad 1: Nur das Nierenbecken (NB) ist erweitert
Grad 2: Zusätzlich geringe Erweiterung der Nierenkelche (K), ohne Verplumpung
Grad 3: Deutliche Erweiterung und Verplumpung der Kelche
Grad 4: Starke Verplumpung der Kelche und Ausdünnung des Nierengewebes
Im Rahmen der Pränataldiagnostik werden bei 0,5
bis 4,5 % der Feten Hydronephrosen festgestellt
(Buben : Mädchen = 2:1). Die meisten bilden sich spontan
zurück (transiente Dilatation). Nur ca. eines von 600
Kindern ist von einer klinisch relevanten Obstruktion
betroffen. Der Nierenultraschall beim Neugeborenen
sollte wegen der physiologischen Oligurie idealerweise
nach dem 7. Lebenstag erfolgen.
Miktionszysturethrografie (MCU): Bei höhergra-
hen wir die zweimal im Abstand von drei Monaten
mittels MAG3 nachgewiesene Obstruktion, gemeinsam mit einem typischen Ultraschallbild. Weitere Indikationen sind progredienter Nierenseitenfunktionsabfall und typische Flankenschmerzen.
Letztere kommen v. a. bei älteren Kindern mit
akzessorischen Unterpol-Gefäßen vor. Wir führen
i. d. R. die klassische Nierenbeckenplastik nach
Anderson-Hynes durch und belassen für sieben
Tage einen transrenal ausgeleiteten Ch.-5-Pyeloplastikkatheter.
Megaureter: Ca. 85 % sind nicht obstruktiv und bil-
den sich spontan zurück. Beim obstruktiven Mega­
ureter (Definition der Obstruktion s. Subpelvinstenose) führen wir im 1. Lebensjahr eine tiefe Y-(Sober-)
Ureterokutaneostomie durch. Sie schützt die Nierenfunktion, ermöglicht die Tonisierung des Harnleiters
und lässt sich mittels Windeln einfach von den Eltern versorgen. Ca. ein Jahr danach wird das Stoma
verschlossen, die ureterovesikale Stenose reseziert
und der Harnleiter neu implantiert – meist ohne „tapering“. Bei größeren Kindern, die mit obstruktiven
Megauretern vorgestellt werden (selten), wird normalerweise eine primäre Harnleiterneuimplantation,
evtl. mit „tapering“ des Harnleiters, durchgeführt.
17
Große und/oder obstruktive Ureterozelen wer-
•
Durch die steigende Wertigkeit des Ultraschalls wird
den als Erstmaßnahme zystoskopisch punktiert. Die
früher übliche Schlitzung vermeiden wir wegen des
hohen Risikos, einen VUR auszulösen. Häufig werden später dennoch weitere Interventionen notwendig, wie z. B. Ureterozelenresektionen und Harnleiterneuimplantationen nach dem 1. Geburtsjahr bei
Reflux, Begleiterkrankungen etc.
das MRU seltener indiziert.
•
MCU wurde anfangs bei jeder Hydronephrose
durchgeführt, jetzt nur noch bei höhergradigen/beidseitigen Hydronephrosen oder Zusatzfaktoren.
•
MAG3 ist seit 1997 die Standard-Isotopenuntersu-
chung bei Hydronephrose und hat das IVP komplett abgelöst. Ca. seit 1999 wird es nur noch bei
höhergradigen Hydronephrosen (ab Grad 3) durchgeführt.
Was hat sich geändert?
•
In Zusammenarbeit mit der Abteilung für Urologie
werden bei älteren Kindern laparoskopische bzw. robotische Nierenbeckenplastiken durchgeführt. Dann
wird ein interner JJ-Stent gelegt und nach ca. vier
Wochen zystoskopisch entfernt.
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
16
16
14
13
14
26
11
23
14
32
24
26
15
19
24
Ureterokutaneostomie
2
11
1
2
2
1
6
9
3
9
6
6
8
4
6
Ureterozelenpunktion
4
2
4
7
2
3
3
2
2
5
2
2
5
1
3
4,1 % der uns vorgestellten Kinder mit Hydronephrosen benötigen eine Nierenbeckenplastik (Alter bei OP: 45 % <1 Jahr, 21 % 1–2 Jahre, 14 % >2 Jahre).
Ergebnisse und Komplikationen
Nierenbeckenplastik (systematisch nachuntersucht 1992–2011): 314 Nierenbeckenplastiken bei
Kindern, davon 17 laparoskopisch und drei (1,27 %)
robotisch. An Komplikationen traten vier Restenosen
auf, die reoperiert wurden, davon eine Nephrektomie
aufgrund kompletten Funktionsverlusts. Keine Blutungs- oder Wundkomplikationen.
Ureterokutaneostomie: gelegentlich Hautprobleme/
Becker T. CME – Zertifizierte Fortbildung: Harnleiterneueinpflanzung in Psoas-Hitch-Technik und Boari-Plastik. Aktuelle Urologie
2011; 42(5):323–337
Vorträge
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für
Urologie und Andrologie (ÖGU), Linz, November 1993
Die kongenitale Dilatation des oberen Harntrakts (MR)
Fortbildung Kinderärzte, Linz, Juni 1996
Angeborene Hydronephrose – erfolgreiche Behandlung bei pränataler Diagnose und interdisziplinärer Zusammenarbeit (MR)
Gottfried von Preyersches Kinderspital, Wien, Juni 1998
Postpartales Management pränatal diagnostizierter Hydronephrosen (MR)
Statistik
Nierenbecken­
plastik
Becker T., Riccabona M. Endoskopische Eingriffe bei Kindern.
In: Hofmann R. (ed): Endoskopische Urologie. Atlas und
Lehrbuch. Springer, Heidelberg 2009; 274–283
Megaureter-Neuimplantation: zwei Restenosen,
davon eine mit signifikantem Funktionsabfall. Einige
postoperativ persistierende bzw. neu aufgetretene
VUR, z. T. mit infektbedingten Nierenfunktionseinschränkungen.
Internationaler Vergleich
Reoperationsrate nach Nierenbeckenplastik: 4 % (aus
Kinderurologie in Klinik und Praxis 2012).
Mykosen am Stoma. Ein Stomaprolaps mit Re-OP.
Seminar Kinderurologie der ÖGU, Klagenfurt, Juni 2001
Dilatation des oberen Harntraktes: konservative und operative
Therapie (MR)
Seminar Kinderurologie der ÖGU, Linz, Oktober 2001
Dilatation des oberen Harntraktes: konservative und operative
Therapie (MR)
48th annual meeting Society of Nuclear Medicine, Los Angeles, Juni 2002
Differential Diagnosis and Management of Hydronephrosis in
Newborns and Infants (MR)
Internationale Pädiatrische Fortbildungswoche, Obergurgl,
Jänner 2003
Derzeitiges Management der obstruktiven Uropathie (MR)
Perinatalmedizin, Linz, Jänner 2003
Fehlbildungen des Urogenitale – perinatales Management (MR)
Jahrestagung der Kinderradiologen, Salzburg, Juni 2003
Hydronephrosemanagement 2003 (MR)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2004
Neugeborenenhydronephrose bei Ureterabgangstenose: Antibiotische Prophylaxe – Notwendigkeit oder Mode? (MK)
Tiroler Urologensitzung, Innsbruck, März 2004
Management kongenitaler Fehlbildungen des Harn- und
Genitaltraktes (MR)
2. Münchner Kinderurologie-Workshop, München, September 2004
Abklärung und Management der Neugeborenenhydronephrose (MR)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2005
Doppelniere mit funktionsarmem Anteil – was tun? (TB)
Publikationen
Riccabona M. Assessment and management of newborn
hydronephrosis. World J Urol 2004; 22:73–78
Becker T. Harnleiterneueinpflanzung in Psoas-Hitch-Technik und
Boari-Plastik. In: Albers P., Heidenreich A. (eds): Standardoperationen in der Urologie. Thieme, Stuttgart 2005; 413–423
Becker T., Riccabona M. Endoskopische Eingriffe bei Kindern. In:
Hofmann R. (ed): Endoskopische Urologie. Atlas und Lehrbuch.
Springer, Heidelberg 2005; 225–235
18
Becker T., Riccabona M. Diagnostik und Therapie der kindlichen
Hydronephrose. Urologie/Kinderurologie 2006; 7:14–18
Berger C. Die zufällig entdeckte Hydronephrose. CliniCum
Urologie 3/2008; 1:20–22
Comploj E., Becker T., Koen M., Berger C., Riccabona M. Does a
preoperative percutaneous nephrostomy influence the outcome
of pyeloplasty in infants and children? Current opinion in Urology
2009; 3:174–178
Le 1er Congrès Maghrebin d’Urologie: ESU course on
Paediatric Urology, Tunis, Februar 2005
Management of antenatal hydronephrosis (MR)
Eröffnung Kinderurologie, Garmisch, Juli 2005
Abklärung und Therapie der Hydronephrose im Kindesalter (MR)
Symposium Fokus Niere, Marburg, Oktober 2005
Kindliche Harnstauungsniere – rationale Diagnostik, Differentialdiagnosen und Therapie (MR)
Fortbildung Kinderurologie für praktische Ärzte und
Kinderärzte, Feldkirch, Jänner 2006
Abklärung und Management der Neugeborenenhydronephrose
(MR)
Ultraschall-Dreiländertreffen, Graz, Oktober 2006
Stellenwert der Sonographie in der Abklärung von Pathologien
des kindlichen Genitale aus der Sicht der Kinderurologie (MR)
Kinderurologie im Wandel – Konsequenzen für die Praxis,
Linz, September 2006
Die zufällig entdeckte Nierendilatation im Ultraschall – was tun?
(CB)
Urologisches Winterforum Großhadern, Seefeld, März 2007
Die kindliche Hydronephrose (MR)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2009
Tiefe y-förmige Ureterokutaneostomie zur vorübergehenden
Harn­ableitung von ausgeprägten Megauretern bei Säuglingen
(TB)
Kinderurologischer Fortbildungstag der Urologischen Klinik
der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Februar 2009
Die zufällig entdeckte Hydronephrose im Ultraschall – was tun? (TB)
47. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für
Kinder- und Jugendheilkunde, Graz, Oktober 2009
Operative Therapie der obstruktiven Uropathie: Standards und
Trends (MR)
Urologisches Winterforum Großhadern, LMU München,
Tegernsee, Jänner 2010
Kindliche Hydronephrose – was tun? (MR)
59. Jahrestagung der Süddeutschen Gesellschaft für Kinderund Jugendmedizin, Marburg, März 2010
Differentialdiagnose und Therapie von Harntransportstörungen
(MR)
Kinderurologische Fortbildungsveranstaltung der Abteilung
für Pädiatrie des KH Wels, Wels, April 2010
Die zufällig entdeckte Hydronephrose im Ultraschall – was tun? (TB)
Kinderurologischer Fortbildungsabend der Urologischen
Universitätsklinik, RWTH Aachen, Juni 2010
Kongenitale Hydronephrose – was tun? (TB)
Kinderurologischer Fortbildungstag der Urologischen Klinik
der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, November 2010
Die zufällig entdeckte Hydronephrose – was tun? (TB)
Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Linz, Mai 2011
Hydronephrose (CB)
Kinderurologisches Symposium, Hof, September 2011
Nierenbeckenerweiterung im Kindesalter – was tun? (CB)
1. Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Seefeld, April 2005
Abklärung und Management der Hydronephrose (MR)
19
Posteriore Harnröhrenklappen
Definition und Inzidenz
Harnröhrenklappen sind Ursache von ca. 10 % aller
pränatal diagnostizierten fetalen Uropathien. Es handelt
sich um die schwerwiegendste Form der kongenitalen
Obstruktion des unteren Harntrakts, die bereits intrauterin durch parakollikuläre Segelklappen verursacht wird.
Sie führt zu einer Erweiterung der prostatischen Harnröhre und zu einer massiven Blasenentleerungsstörung.
Eine Hypertrophie und eine Verdickung des Detrusors,
Harnabflussstörungen des oberen Harntrakts bzw. ein
sekundärer vesikorenaler Reflux sind die Folge. Eine
Niereninsuffizienz kann letztendlich eine schwerwiegende Folge dieser Erkrankung sein. Die Inzidenz der
posterioren Harnröhrenklappe beträgt 1:5.000–8.000
der männlichen Neugeborenen.
Therapie
Antenatales Management:
Eine evtl. fetale Intervention wird kontrovers diskutiert.
2. Harnröhrenklappenschlitzung:
Die Einlage eines vesikoamnealen Shunts ist mit einer
hohen Morbidität belastet, die offene fetale Endoskopie
und Chirurgie sind noch experimentell.
Pränatale Sonografie: Megacystis r., Hydronephrose l.
Die postnatale Diagnostik umfasst:
• Sonographie (Nieren, Harnblase, Harnröhre
unmittelbar nach der Geburt)
• MCUG
• Labor (Harnstoff, Kreatinin, Elektrolyte, BGA,
Urinanalyse …)
Postnatales Management:
olgendes Vorgehen bei Verdacht auf Urethralklappe
F
hat sich an unserer Abteilung etabliert:
Neugeborenes mit
Harnröhrenklappenverdacht
Ultraschall
Nieren, Blase, Harnröhre
sofort
Septische Kinder mit deutlich reduziertem Allgemeinzustand zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sind in den
letzten Jahren eine Seltenheit geworden.
Je nach vorliegender Pathologie und Reife der Nieren
und des Neugeborenen erfolgt eine weitere Nierenfunktionsdiagnostik, fakultativ MAG3, DMSA etc. frühestens
in der 6. bis 8. Lebenswoche.
Endoskopisches Bild bei und nach Klappenschlitzung
Bei Reifgeborenen kann nach initialer Harnableitung
und Stabilisierung des Kindes innerhalb der ersten zwei
Lebenswochen eine Klappenschlitzung mittels Charr.
7,5–8,5 Urethrotom erfolgen. Postoperativ kann die suprapubische Ableitung geschlossen und die Spontanmiktion eingeleitet werden. Nach wiederholter problemloser
und möglichst restharnfreier Miktion kann der suprapubische Katheter entfernt werden. Zum Ausschluss von
Restklappen kann 6–8 Wochen postoperativ ein MCUG
durchgeführt und ggf. nachreseziert werden.
3. Vesikostomie:
suprapubische Blasendrainage (minipäd)
Charr.-6-Fütterungssonde transurethral oder
anschließend MCU
Diagnose Harnröhrenklappe
Kind stabil
Diagnose Harnröhrenklappe
Kreatinin ansteigend, Dilatation des
oberen Harntrakts unverändert oder
Blasendrainage
Säuglinge <2 kg
Säuglinge >2,5–3 kg
Harnröhre <Charr. 8
Harnröhre >Charr. 8
(Frühgeborenes)
transurethrale
Klappen­
schlitzung
2.–4.
Lebenswoche
Vesikostomie
Ureterokutaneosomie beidseitig
Vesikostomie
Klassifikation nach Young, Typ I–III (Aus: HH Young, J Urol 1919)
Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose „Harnröhrenklappe“ wird zunehmend im Rahmen der pränatalen Sonografie gestellt.
Wegweisend sind beidseitige Hydronephrosen, eine
großvoluminöse Harnblase und eine erweiterte prostatische Harnröhre (keyhole sign). Ein zunehmendes
Oligohydramnion oder ein fetaler urinöser Aszites können folgen und eine vorzeitige Einleitung der Geburt
notwendig machen. Durch den routinemäßigen Einsatz
der Sonografie während der Schwangerschaft wurde die
Frühdiagnose von Urethralklappen in den letzten Jahren
deutlich verbessert. Die frühzeitige Diagnosestellung
bietet die Möglichkeit einer besseren Aufklärung der
Eltern und einer gezielten rechtzeitigen interdisziplinären Betreuung der Kinder. Eine vorzeitige Einleitung der
Geburt ist nur in Einzelfällen indiziert.
20
MCUG: erweiterte prostatische Harnröhre,
VRR beidseitig, Blase mit Pseudodivertikeln
1. Suprapubische Ableitung:
Das initiale Management besteht in der unmittelbaren
Harnableitung mittels suprapubischer oder transurethraler Dauerableitung. An unserer Abteilung wird ein
suprapubischer Katheter favorisiert. Die suprapubische
Ableitung kann über die Klappenschlitzung hinaus belassen werden und dient zur postinterventionellen Restharnmessung. Missgeschicke, wie das Platzieren des
Katheters in der erweiterten prostatischen Harnröhre,
sind auch in geübten Händen mit dem transurethralen
Katheter nicht selten. Spätestens nach der erfolgreichen
Blasendrainage sollte das Kind von Kindernephrologen
mitbetreut werden. Das Serumkreatinin in den ersten
zwei Lebenstagen spiegelt noch den mütterlichen Wert
wider, die Werte am 3.–5. Tag zeigen die tatsächliche
kindliche Nierenfunktion und sind ein wichtiger prognostischer Faktor. Der Serumkreatininwert am Ende des 1.
Lebensjahres korreliert gut mit der Langzeitprognose
hinsichtlich Nierenfunktion. Bei Serumkreatininwerten
≤0,8 mg/dl ist eine gute Langzeitprognose zu erwarten,
dagegen ist die Langzeitprognose für die Nierenfunktion
bei Werten ≥1 mg/dl eher schlecht.
4. Kutane suprapubische Harnableitung:
Ist durch die initiale Drainage der Blase und die Harnröhrenklappenschlitzung eine Stabilisierung der Nierenfunktion nicht möglich, ist bei stark dilatiertem oberen
Harntrakt eine Ureterokutaneostomie eine mögliche
Option, die Nierenfunktion zu stabilisieren. Der Nutzen
dieser Maßnahme wird in der Literatur kontrovers diskutiert.
Ureterokutaneostomie
Individuelle Langzeitbetreuung und Nachsorge:
Manche Patienten entwickeln relativ früh eine Niereninsuffizienz, bei anderen ist die Progredienz protrahiert und es kommt erst bei Eintritt in die Pubertät mit
21
Harnröhrenduplikatur
Zunahme der Muskelmasse zu einer Dekompensation
der Nierenfunktion. Diese Patienten müssen je nach
bestehender Pathologie, die die Nierenfunktion negativ
beeinflussen kann (Blasendysfunktion, Polyurie, VRR,
Hyperfiltration), entsprechenden Kontrolluntersuchungen zugeführt werden, z. B. regelmäßigen Laborkontrollen, Sonografie, Evaluierung der Blasenfunktion mittels
Windeltest, Miktionsprotokoll, Restharnbestimmung,
DMSA, MAG3, MCUG und Urodynamik.
1. Blasendysfunktion:
50–80 % der betroffenen Knaben zeigen eine Blasendysfunktion, die sich meist in Form einer Harninkontinenz
bemerkbar macht. Urodynamische Untersuchungen
zeigen oft eine Detrusorinstabilität, eine schlechte Compliance und letztendlich eine Hypokontraktilität infolge
eines myogenen Schadens. Eine anticholinerge Therapie
muss vorsichtig eingeleitet und hinsichtlich Restharnbildung überwacht werden. Eine Senkung des Auslass­
widerstandes mit Alphablockern ist bei Hypertrophie
des Blasenhalses und Restharnbildung empfehlenswert.
Kommt es zu einer vollkommenen Dekompensation der
Blase, können in einzelnen Fällen Augmentation, CIC etc.
notwendig sein.
4. VRR:
Initial haben 30–50 % der Klappenkinder einen VRR,
der nach entsprechender Behandlung verschwindet.
Persistierende Refluxe bedürfen einer offenen oder
endoskopischen Antirefluxtherapie.
2. Polyurie:
75 % der Klappenkinder können den Harn nicht ausreichend konzentrieren. Nächtliche Polyurie und lang anhaltende, therapieresistente Enuresis können Folgen sein.
Bei Patienten mit beidseitiger ausgeprägter Hydronephrose und nächtlicher Polyurie empfiehlt sich die Einlage
eines Dauerkatheters über Nacht, um die progressive
Nierenschädigung zu vermindern.
Publikationen
Becker T., Riccabona M. Endoskopische Eingriffe bei Kindern. In:
Hofmann R. (ed): Endoskopische Urologie. Atlas und Lehrbuch.
Springer, Heidelberg 2005; 225–235
Koen M. Diagnose und Management der neurogenen Blase.
Urologie/Kinderurologie 2006; 7:7–11
Becker T., Riccabona M. Endoskopische Eingriffe bei Kindern. In:
Hofmann R. (ed): Endoskopische Urologie. Atlas und Lehrbuch.
Springer, Heidelberg 2009; 274–283
Riccabona M. Harnröhrenklappen. In: Stein R., Beetz R., Thüroff
J. (eds): Kinderurologie in Klinik und Praxis. Thieme, Stuttgart
2012; 406–413
Vorträge
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie (ÖGU), Linz, November 1998
Neurogene Blase: chirurgische Optionen, Zukunftsaspekte (MR)
Internationales interdisziplinäres Symposium, Nürnberg,
März 1999
Harnröhrenklappen-Harnblasen-Syndrom: Klinik und postpartales
Management (MR)
22
3. Hyperfiltration:
Die Proteinurie gilt als schlechter Prognosefaktor und
spiegelt die niedrigen funktionellen Reserven der Nieren wider. Im Versuch, die Nierenfunktion aufrechtzu­
erhalten, hyperfiltrieren die funktionierenden Nephrone,
was eine Proteinurie und fokale segmentale Glomerulosklerose verursacht. Mit frühem Einsatz von ACEHemmern kann man die chronische Niereninsuffizienz
hinauszögern.
5. Nierentransplantation:
Ca. 30 % der Betroffenen benötigen eine Nierenersatztherapie und in der Folge eine Nierentransplantation.
Im Vorfeld einer Transplantation ist die Blasenfunktion
mittels Urodynamik zu evaluieren.
Statistik
Perinatales Management von Patienten mit Urethralklappe 1/1991–12/2009, 46 Patienten (drei Patienten lost of
follow-up):
•Pränatale Diagnose einer PUV: 17/43 (meist nach 2000)
•Postnatale Diagnose einer PUV: 26/43
•Vesikostomie: 4/43
•Ureterokutaneostomie: 13/43
•Nierentransplantation: 2/43
3. Grazer Urologie Forum, Graz, Juni 1999
Harnröhrenklappen-Harnblasen-Syndrom (MR)
Internationale Urologenwoche, Kitzbühel, Jänner 2000
Aktuelles zum Management der Harnröhrenklappenerkrankung (MR)
Definition und Inzidenz
Die angeborene, komplette oder inkomplette Doppelung
der Harnröhre ist generell selten, beim Knaben häufiger
als beim Mädchen. Die anatomischen Variationen sind
vielfältig. Die Duplikatur findet sich überwiegend in der Sa-
Klassifikation
hypospadisch
Diagnostik
Die Diagnose der Harnröhrenduplikatur stützt sich in
erster Linie auf die Anamnese und die klinische Untersuchung. Während viele Fälle asymptomatisch verlaufen,
sind rezidivierende Harnwegsinfekte, tröpfchenweise
auftretender Urinverlust, ein doppelter Harnstrahl, nässende Grübchen am Penis etc. klinische Hinweise, die
den Untersucher an eine Harnröhrenduplikatur denken
lassen. Bei bestehendem Verdacht sollte dieser mittels
MCUG, wenn notwendig auch durch eine retrograde
Darstellung der Harnröhren, gesichert werden. Mittels
kontrastmittelunterstützter Sono-MCUG ist in geübten
Händen eine zielführende Diagnostik ohne Strahlenbelastung möglich. Die ergänzende Endoskopie hilft
v. a. präoperativ, die Diagnose abzusichern. Die Harnröhrenduplikatur ist nicht selten mit anderen Fehlbildungen des Urogenitaltrakts vergesellschaftet, sodass bei
Verdacht eine weiterführende Bildgebung durchgeführt
werden muss.
Urologisches Winterforum Großhadern, LMU München,
Tegernsee, Februar 2011
Surgical Masterclass: Kindliche Harnröhrenchirurgie (MR)
Y-förmig
spindelförmig
Therapie
Die operative Therapie der Harnröhrenduplikatur orientiert sich an der vorliegenden Pathologie und der klinischen Symptomatik. Asymptomatische Patienten können
konservativ betreut werden, symptomatische Patienten
müssen operiert werden. Das operative Spektrum reicht
von der simplen Exzision eines atretischen Harnröhrensegments bis zum aufwändigen Harnröhrenersatz aus innerem Vorhautblatt oder Lippen- und Mundschleimhaut.
a)
b)
c)
d)
VRR r.
Meatus
Kinderchirurgischer Samstag, Linz, 2009
Operatives Management der neurogenen Blase bei Spina-bifidaPatienten (MK)
Arbeitskreissitzung des österreichischen kinderurologischen Arbeitskreises, Leoben, Dezember 2010
Kinderurologisches perinatales Management der posterioren
Urethralklappe (TB)
epispadisch
Klassifikation der Harnröhrenduplikatur (Aus: Clinical Pediatric Urology. Kelalis, King, Belman, Saunders Company. 1992)
II. Symposium Rekonstruktive Urologie, Tübingen,
Oktober 2005
Zeitpunkt und Korrekturmöglichkeiten der kongenitalen Harnröhren-Missbildungen (MR)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2010
Perinatales Management posteriorer Harnröhrenklappen (TB)
gital-, seltener in der Kollateralebene. Die ventral gelegene
Harnröhre ist meist die intakte Harnröhre und die dorsale
Harnröhre atretisch und eng. Die verschiedenen Harnröhrenduplikaturen werden nach Effmann klassifiziert.
Dorsale
atretische HR
Anus
MCUG und klinisches Bild bei einer Y-förmigen Harnröhrenduplikatur
MCUG, klinisches Bild und intraoperative Darstellung einer kompletten
epispadischen Harnröhrenduplikatur
• a) MCU: komplette HR-Duplikatur
• b) Epispadischer Meatus
• c) Präoperative Sondierung
• d) Exzision der epispadischen HR
23
Harnwegsinfektionen im Kindesalter
Das operative Management dieser Fehlbildung ist individuell abzustimmen und ist keinen Standards unterworfen. Es
erfordert eine lange Erfahrung und reiches Armentarium
Stiel
an verschiedenen OP-Methoden in der Harnröhrenchirurgie. Die gängigen Komplikationen sind Harnröhrenfisteln,
-strikturen und -divertikel.
Vorhaut-Onlay
VH-Insellappen
Definition und Inzidenz
Harnwegsinfektionen im Säuglings- und Kindesalter
gehören zu den häufigsten bakteriellen Infektionen. 1 %
der Knaben und 3 % der Mädchen erkranken daran. Im
ersten Lebensjahr sind Knaben mit 2,3 % häufiger betroffen als Mädchen mit 0,7 %. Nach dem ersten Lebensjahr
ändert sich das Verhältnis zu Ungunsten der Mädchen
(9:1). Etwa die Hälfte der Harnwegsinfekte rezidivieren.
10 % der Betroffenen entwickeln Nierenparenchymschäden, Hypertonie und Niereninsuffizienz können
die Folge sein. Erfolgt keine adäquate Therapie, setzt
die Therapie zu spät ein, steigt das Risiko für bleibende
Nierenfunktionsverluste.
Ätiologie und Risikofaktoren
a)
b)
Rekonstruktion der Harnröhre perineal und skrotal mit Vorhautinsellappen (a) und Vorhaut-Onlay (b) bei Y-förmiger Harnröhrenduplikatur
Statistik
In den Jahren 1992–2012 wurden in der Kinderurologischen Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigen
Schwestern Linz elf männliche Patienten mit Harnröhrenduplikatur behandelt, zehn Patienten wurden operiert.
Typ
Hypospadische
Y-Duplikatur
Epispadische Duplikatur
Anzahl
5
6
4 komplette
2 inkomplette
OP
5
5
OP-Methode
Komplikationen
Exzision d. dorsal.
HR + Urethralplastik
Blasen- und
Mundschleimhaut
1x
HR-Stenose
2x
Mundschleimhaut
2x
Duckett-Tube
freier VH-Insellappen
2x
Exzision d. epispad.
HR
3x
Anastomose beider
HR distal
2x
HR-Divertikel
1x
HR-Fistel
1x
HR-Divertikel
1x
Afebrile Harnwegsinfektionen entstehen meist durch eine
Keimaszension von der Harnröhre in die Blase, febrile
über eine weitere Aszension über den Harnleiter in die
Niere. Eine Urosepsis bei jungen Säuglingen kann auch
auf hämatogenem Weg entstehen. Kongenitale Anomalien des Harntraktes wie Obstruktion (Ureterabgangstenose, Uretermündungsstenose, Harnröhrenklappen), ein
vesikorenaler Reflux, Blasendivertikel, Ureterozele etc.
begünstigen die Entstehung rezidivierender, komplizierender Harnwegsinfekte. Neurogene oder funktionelle
Blasenfunktionsstörungen und chronische Obstipation
sind häufig mit Harnwegsinfekten assoziiert. Die Virulenz der Keime sowie das Immunsystem der Kinder sind
entscheidende Risikofaktoren für das Entstehen von
Harnwegsinfekten.
Alters- und geschlechtsabhängige
Häufigkeitsverteilung der Harnwegsinfektion:
HR-Stenose
1x
Aufschlüsselung der Patienten hinsichtlich Duplikationstyp, OP-Methode und Komplikationen
0
1
2
3
4
5
6 7
Alter
8
9 10 11 12
Mädchen
Jungen
Diagnostik
Vorträge
Deutscher Arbeitskreis für Kinderurologie, Frankfurt,
Jänner 1996
Die Harnröhrenduplikatur (MR)
Salzburg-Oberösterreichisches Urologentreffen, Linz, 2008
Harnröhrenduplikatur (MK)
24
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2010
Harnröhrenduplikation: eine seltene Anomalie (MK)
Harnanalyse.
Der Nachweis einer Leukozyturie ist
zwar ein guter Hinweis auf das Vorliegen einer Harnwegsinfektion, allerdings ist sie kein sicherer Beweis.
Fieberhafte Infekte, Urolithiasis usw. können auch
eine „sterile“ Leukozyturie verursachen. Während eine
Harnteststreifenuntersuchung orientierend ist, sind die
mikroskopischen Untersuchungen des Urinsediments
und die Urinkultur für die endgültige Diagnose unerlässlich.
Weiterführende Diagnostik
Bis in die Neunzigerjahre wurde ein IVP zur Abklärung
eines fieberhaften Harnwegsinfektes durchgeführt. Zusätzlich wurden die Kinder in Narkose endoskopiert, die
Harnröhre kalibriert – konsekutiv häufig geschlitzt – und
ein Dauerkatheter zur Refluxprüfung eingelegt. All dies
ist Vergangenheit und heute absolut obsolet.
Nach einer Anamnese (Fieber, Trinkverhalten, urologische Symptome, Familienanamnese) und klinischen
Untersuchung (Flanke, Unterbauch, Genitale, neurologische Stigmata) ist die Ultraschalluntersuchung
der Nieren und Blase zunächst das wichtigste Diagnostikum.
Ultraschall. Er ermöglicht Aussagen bezüglich Lage,
Häufigkeit
Meatus
wird bei Säuglingen und Kleinkindern der Spontanurin
mittels Klebebeutel gewonnen. Es ist dabei auf eine
vorangehende Reinigung des äußeren Genitale und
rasche Verarbeitung des gewonnenen Urins zu achten. Eine bestehende Phimose, Labiensynechien und
Entzündungen im Bereich der äußeren Genitale sind
limitierende Faktoren für die saubere Uringewinnung.
Sterile Uringewinnung durch suprapubische Blasenpunktion nach Lokalanästhesie mit einer anästhesierenden Salbe oder durch Einmalkatheterismus ist einfach, komplikationsfrei und im Zweifelsfall zweckmäßig.
Die Diagnose „Harnwegsinfekt“ wird anhand von klinischen Symptomen, pathologischer Urinanalyse (Leuko­
zyturie) und positiver Urinkultur gestellt. Sie stützt sich
auf Anamnese, körperliche Untersuchung und die
weiterführende Diagnostik.
Harngewinnung. Während die Uringewinnung bei toi-
lettentrainierten Kindern mittels Mittelstrahlurin erfolgt,
Größe und Echogenität der Nieren, über das Hohlsystem, den Harnleiter, den Füllungszustand der Blase und
die Blasenwand, womit komplizierende Faktoren erkannt
oder ausgeschlossen werden können. Mit der Farbdopplersonografie kann das Nierenparenchym hinsichtlich
Parenchymschäden untersucht werden. Ultraschall ist
nicht invasiv, kann beliebig oft wiederholt werden und
eignet sich auch sehr gut für die Nachsorge. 5 % aller
Kinder mit Harnwegsinfektionen zeigen eine Pathologie
beim Ultraschall.
Konventionelles MCU. Ein MCU kommt bei uns nach
jedem fieberhaften Harnwegsinfekt, nach rezidivierenden afebrilen Harnwegsinfekten und/oder bei sonografisch auffälligen Nierenbefunden zum Einsatz. Um
die Strahlenbelastung für die Kinder zu vermeiden,
verwenden wir im Screening und in der Verlaufskontrolle
das NUK-MCU oder zunehmend das Sono-MCU. Der
Hauptstress für die Kinder und die mitanwesenden Eltern ist das Legen eines Zugangs zur Füllung der Blase.
25
Der Zusammenhang zwischen Blasendysfunktion (dysfunctional voiding, Miktionsaufschub), chronischer Obstipation (dysfunctional elimination syndrome) und rezidivierendem Harnwegsinfekt wurde lange unterschätzt. Heute
sollen neben Miktions-Trink-Protokoll und Stuhlanamnese
auch Flow-EMG und Restharnbestimmung zur Basisdiagnostik bei toilettentrainierten Kindern gehören. Der
Vier-Stunden-Miktionsbeobachtungstest („Windeltest“)
kann wertvolle Informationen über das Miktionsmuster im
Säuglingsalter geben.
Die Abklärung von fieberhaften und rezidivierenden Harnwegsinfekten hat sich in den letzten 20 Jahren wesentlich
geändert. Belastende Narkose- und Röntgenuntersuchungen werden vermieden. Einfache Funktionstests, Hightech-Ultraschall und selektive Isotopenuntersuchungen
kommen heute wohlüberlegt und individuell zum Einsatz.
Therapie
Das Ziel jeder Therapie bei Harnwegsinfektionen ist neben der Behandlung der Symptome die Vermeidung von
bleibenden Nierenparenchymschäden und des Nierenfunktionsverlustes. Insbesondere bei fieberhaften Harnwegsinfekten ist eine rasche, gezielte Therapie notwendig,
um das Risiko für Nierenschäden zu minimieren.
Antibiotische Therapie. Um eine Verzögerung der
Therapie zu vermeiden, wird die Antibiose nach der
größten Wahrscheinlichkeit hinsichtlich des Keimspektrums begonnen und ggf. nach Kenntnis des Antibiogramms umgestellt. Die Form der Verabreichung richtet
sich nach dem Alter, der Lokalisation, der Symptomatik
und der Nierenfunktion. Eine Pyelonephritis bei Säuglingen und Neugeborenen soll grundsätzlich einer parenteralen Therapie zugeführt werden (zwei bis sieben Tage
parenteral, anschließend oral für insgesamt zehn bis 14
Tage). Die Behandlung der unkomplizierten Pyelonephritis im Kleinkindesalter und bei älteren Kindern kann oral
erfolgen (sieben bis zehn Tage). Komplizierte fieberhafte
Harnwegsinfektionen, besonders bei Vorliegen einer
Harntransportstörung, sollen hingegen primär parenteral
behandelt werden (sieben Tage parenteral, dann oral für
insgesamt zehn bis 14 Tage). In erster Linie kommen
Cephalosporine, Amoxicillin/Clavulansäure, bei komplizierten Infektionen die Kombination mit Aminoglycosiden
zum Einsatz. Wegen Zunahme der Resistenzen auch
bei uns ist die Therapie mit Trimethoprim nicht immer
effektiv. Afebrile symptomatische Harnwegsinfektionen
können mit oralen Cephalosporinen, Amoxicillin/Clavulansäure, Trimethoprim oder Nitrofurantoin behandelt
werden. Die empfohlene Therapiedauer liegt bei drei bis
fünf Tagen. Der Therapieerfolg muss nach 48 Stunden
mittels Urinkultur überprüft und ggf. neu angepasst
werden.
Trotz resistenzgerechter Antibiotikagabe kann die medikamentöse Therapie versagen. Bei Nierenabszessen, Harnabflussstörungen etc. kann eine passagere perkutane
Harnableitung (z. B. Nephrostomie, Ureterokutaneostomie
oder suprapubische Zystostomie) erforderlich werden. Die
definitive Abklärung und Therapie der Anomalie erfolgen
nach der Behandlung des akuten Infektes.
Statistik:
Neudiagnosen von afebrilen Harnwegsinfekten und Pyelonephritiden pro Jahr (2007–2011)
200
180
160
140
Neudiagnosen
Ein transurethraler Katheter wird von einer erfahrenen
Kinder-Uro-Schwester, ein suprapubischer durch einen
Arzt gelegt. Ob eine Sedierung sinvoll ist, wird im Einzelfall
entschieden.
In der weiteren Abklärung fieberhafter Harnwegsinfekte
präferieren wir den DMSA-Scan (Bottom-up-Approach),
den wir 3–6 Monate nach der ersten Pyelonephritis durchführen. Selten und nur wenn die Diagnose Pyelonephritis
bei einem hoch fiebernden Kind strittig ist, kommt der
Akut-DMSA zum Einsatz. Das umgekehrte Vorgehen –
zuerst DMSA-Scan und je nach Befund fakultativ MCU
danach (Top-down-Approach) – kommt bei uns nur in
Einzelfällen zur Anwendung. Bei älteren Kindern verzichten wir auf das MCU, wenn der Akut-DMSA keine
Veränderungen zeigt. DMSA-Scan und positiver oder
negativer Refluxnachweis beeinflussen wesentlich das
weitere therapeutische Vorgehen.
120
100
80
60
40
20
0
2007
2008
2009
2010
2011
Harnwegsinfekt
71
40
126
119
158
Pyelonephritis
29
57
46
40
37
Gesamt
100 97 172159195
Reinfektionsprophylaxe
Aufgrund der hohen Rezidivrate von Harnwegsinfekten
im Kindesalter hat sich insbesondere bei Kindern mit Reflux, rezidivierenden symptomatischen Harnwegsinfekten
mehrfach jährlich oder hochgradigen Harntransportstörungen im Säuglingsalter sowie nach urologischen Operationen eine Reinfektionsprophylaxe bewährt. Zum Einsatz
kommen v. a. Trimethoprim bzw. Trimethoprim/Sulfamethoxazol, Cephalosprine und Nitrofurantoin. Darüber
hinaus sollten Blasenfunktionsstörungen mitbedacht und
ggf. therapiert werden (Blasenschule). Auch die Stuhlregulierung bei Kindern mit Obstipation, die Normalisierung
des Trinkverhaltens sowie die richtige Genitalhygiene
können vorbeugend wirken. Bei männlichen Säuglingen
mit schwerwiegenden, angeborenen Harntraktsanomalien
(dilatierender Reflux, Harnröhrenklappe etc.) empfehlen
wir die Zirkumzision aus medizinischer Indikation.
Publikationen
ESPU – Educational Committee Course with International
Conference on Pediatric Urology, Prag, Oktober 2005
Urinary Tract Infections in Children (MR)
Koen M. Harnwegsinfekte im Kindesalter. CliniCum 02/2008
Becker T. Harnwegsinfektionen im Kindesalter. Der Mediziner
2009; 6:22–29
Kinderurologie im Wandel – Konsequenzen für die Praxis,
Linz, September 2006
Abklärung und Therapie des Harnwegsinfektes – neuere
Sichtweisen (MK)
Becker T. Harnwegsinfektionen im Kindesalter. Facharzt
Gynäkologie/Urologie 2009; 3:16–20
MiniMed-Abend, Linz, Juni 2009
Der kindliche Harnwegsinfekt (MR)
Becker T. Harnwegsinfektionen im Kindesalter – na und?
Der Mediziner 2012; 5:17–19
Symposium Harnwegsinfekt, Krefeld, Oktober 2010
Harnwegsinfekte bei funktionellen Blasenentleerungsstörungen
mit Reflux (MR)
Vorträge
Update in Kinderurologie, AEC Linz, März 2012
Zur Problematik der rezidivierenden HWIs von Kindern in der
Praxis und in der Klinik (MK)
Becker T. Harnwegsinfektionen im Kindesalter. Der Mediziner
2006; 10:20–23
Symposium Infektionen im Kindesalter, Linz, Juni 2002
Der kindliche Harnwegsinfekt (MR)
26
27
Vesikoureteraler Reflux
Definition und Inzidenz
Harnrückfluss von der Blase in den Harnleiter bzw. die
Niere während der Blasenfüllung (passiver R.) und/oder
der Blasenentleerung (aktiver R.). Die Refluxinzidenz
bei asymptomatischen Säuglingen und Kindern beträgt
1 %, bei Kindern mit fieberhaften Harnwegsinfekten
30–50 %. Innerhalb des 1. Lebensjahres sind Knaben,
ab dem 2. Lebensjahr Mädchen häufiger betroffen. Verschiedenste Harntraktsanomalien sind mit einem Reflux
assoziiert: Hydronephrose 20 %, multizystische Niere
15 %, Nierenagenesie 28 %. Das familiäre Refluxrisiko
beträgt 33 %, das Risiko innerhalb von Geschwistern
27 %.
Diagnostik
In der Vergangenheit erfolgte die Refluxdiagnose ausschließlich mittels radiologischen Miktionszystourethrogramms (MCU), anhand dessen auch die Therapien
festgelegt wurden. Heute sind die diagnostischen Schritte
vor jeglicher Therapieentscheidung viel umfassender
und präziser. Wir benötigen Informationen über Klinik,
Nieren- und Blasenfunktion, Infektanamnese, Miktionsprotokoll, Stuhlanamnese, Ultraschall der Nieren, Blase mit
Restharnmessung, Uroflow/EMG beim toilettentrainierten
Kind sowie einen DMSA-Scan der Nieren. Diese Informationen sind Basis für die Klassifikation der Refluxerkrankung. Weitere Prognosefaktoren wie Alter, Geschlecht,
Lateralität des Refluxes, Nierenstatus, Blasenfunktion
und Compliance spielen eine wesentliche Rolle bei der
Therapieentscheidung.
HIT 0
HIT 1
In einer eigenen Studie konnten wir nachweisen, dass
die Aufspülbarkeit der Ostien mit dem Refluxgrad korreliert, ebenso wie die DMSA-Veränderungen der ipsilateralen Niere.
Therapie
Maturation:
Die Chance auf eine Spontanmaturation des Refluxes
ist im ersten Lebensjahr am größten und beträgt in Abhängigkeit vom Refluxgrad zwischen 30 und 80 %. Sie
ist bei Knaben größer als bei Mädchen, nimmt nach
dem ersten Lebensjahr dramatisch ab und beträgt pro
Jahr durchschnittlich nur mehr 9 %.
DMSA-Scan mit Narbe an der rechten Niere
Uroflow/EMG mit „Beckenboden-Kneifen“
Um die Strahlenbelastung bei Kindern so gering wie
möglich zu halten, werden in der Verlaufskontrolle seit
Restharnmessung
einigen Jahren alternative Methoden wie Isotopen(NUK-)MCU oder Sono-MCU eingesetzt.
Doppelter VRR
Klappe mit VRR
NUK-MCU
Bei Kindern mit rezidivierenden hochfieberhaften
Harnwegsinfekten, negativem MCU, aber positivem
DMSA-Scan wird ein PIC-Cystogramm (positioning
– installation of contrast) in Narkose durchgeführt und
primär die Aufspülbarkeit der Ostien getestet und bei
28
HIT 2
Konservative Therapie:
D er vesikoureterale Reflux ist bei jedem Kind ein
individuelles Problem und bedarf eines individuellen Therapieplans. Im ersten Lebensjahr empfiehlt sich eine antibiotische Prophylaxe mit einer
Reevaluierung nach dem ersten Geburtstag und
nachfolgendem definitiven Therapieentscheid. Ganz
selten ist es notwendig und sinnvoll, während des
ersten Lebensjahres chirurgisch aktiv zu werden.
Auch bei späterer Erstdiagnose kann eine halbjährliche Prophylaxe sinnvoll sein, um die Maturationschance zu wahren.
Während in der Vergangenheit die jahrelange, konservative, symptomatische Antibiotikatherapie mit
jährlichen MCU-Kontrollen en vogue war, wird diese
heute aufgrund neuer Studien zu Recht kritisiert.
Die Compliance der Eltern ist zunehmend schlecht,
über 50 % setzten selbständig diese Therapie ab.
58 % der Kinder mit einer AB-Prophylaxe entwickeln einen Harnwegsinfekt innerhalb eines Jahres.
Erregerwechsel und Resistenzbildung können zu
einer Wirkungslosigkeit der Prophylaxe führen. Die
HIT 3 – Doppelostium
Medikamente der Wahl sind Cephalosporine, Trimethoprim und Nitofurantoin. Alternativ zur täglichen
Low-Dose-Prophylaxe sind heute eine gelockerte
Form mit AB-Einnahme nur jeden zweiten Tag oder
eine Active-Surveillance-Strategie mit wöchentlichen Harnkontrollen im Einzelfall möglich.
Additive Therapien bei Blasenfunktionsstörungen
mittels Urotherapie (Blasenschule) und konsequente
Obstipationstherapie sind angezeigt.
Endoskopische Therapie:
Mitte der Neunzigerjahre haben wir vorsichtig mit der
endoskopischen Refluxtherapie begonnen, damals
mit Silikonpräparaten. Nach der Zulassung neuer
Präparate (Dextranomer/Hyaluronsäure, Deflux ®)
durch die FDA hat sich das Indikationsspektrum rasant erweitert und die Refluxtherapie revolutioniert.
Hauptindikationen sind heute die Refluxgrade II und
III, mit Einschränkung Grad IV ein- oder beidseitig
bei überwiegend szintigrafisch unversehrter Niere
mit einer normalen ipsilateralen Nierenseitenfunktion,
weiters Grad I im Rahmen einer beidseitigen Refluxerkrankung sowie der PIC-Reflux. Seltene Indikationen
sind Reflux in Doppelnieren, Reflux mit ausgeprägten
Nierennarben und Refluxpersistenz nach endoskopischer Therapie. Keine Indikation sind ein Reflux Grad
IV mit Nierenveränderungen, Grad V sowie Refluxe
mit Begleitpathologie (Divertikel, Ureterozele, Harnleiterektopie etc.). Die Substanz wird endoskopisch
unter die Schleimhaut des intramuralen Harnleiters
und unterhalb der Harnleitermündung injiziert (kombinierte HIT- und STING-Technik). Man erklärt sich
den Wirkungsmechanismus durch Kreation einer
Pseudoobstruktion, einer Verlängerung des submukösen Harnleiterverlaufs und einer Verankerung des
Harnleiterendes in der trigonalen Detrusormuskulatur.
Sono-MCU
nachweisbarem Reflux in gleicher Sitzung endoskopisch
therapiert. Die Aufspülbarkeit der Ostien wird in vier
Graden definiert. HIT-Klassifikation (Hydro Instillation
Technique).
29
Statistik
Refluxmanagement Kinderurologie Linz 1995–2011
Konservativ
(Patienten)
Endoskopisch
(Harnleiter)
Offene Antirefluxplastik
(Harnleiter)
1995
51
8
39
1996
40
15
34
1997
53
6
42
1998
48
5
46
1999
56
6
52
2000
86
21
44
2001
69
15
42
2002
88
35
26
2003
89
30
24
2004
69
29
42
2005
65
38
48
2006
44
91
28
2007
70
98
58
2008
81
105
57
2009
80
107
56
2010
72
123
52
2011
75
126
53
1.136
858
743
Jahr
Refluxives Ostium vor und nach endoskopischer Therapie
Offene Antirefluxplastik:
In den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren war die
offen-chirurgische Harnleiterneuimplantation die einzige
Alternative zur symptomatischen Antibiotika-Prophylaxe.
Parallel zur Entwicklung der endoskopischen Therapie
wurde das Indikationsspektrum zur klassischen Antirefluxplastik eingegrenzt. Hauptindikationen sind heute
der höhergradige Reflux mit Nierennarben, der refluxive
Megaureter, jeweils ein- oder beidseitig, Refluxe in Doppelsysteme und Refluxe mit einer Begleitpathologie.
Injektionstechnik – intraureteral und subureteral
In Abhängigkeit der lokalen Anatomie und Pathologie, der Ein- oder Beidseitigkeit kommen bei uns die
Verfahren Lich-Gregoir, Cohen, Leadbetter-Politano,
Glenn-Anderson und Psoas-Hitch zur Anwendung.
In den letzten Jahren bemühten wir uns, Invasivität
und Belastung für das Kind abzubauen. Verzicht auf
Drainagen, Verzicht auf Harnleitersplints wenn möglich, suprapubischer statt transurethraler Katheter,
verkürzte Katheterdauer etc.
Gesamt
Bilateraler Grad-IV-Reflux mit Narben
Bei Säuglingen mit einem höhergradigen Reflux sollte
die Zirkumzision aus medizinischer Indikation empfohlen werden, um das Risiko von Harnwegsinfektionen abzusenken. Die Inzidenz postoperativer afebriler
Harnwegsinfekte nach Antirefluxplastik beträgt 30 %,
Grad V mit reduzierter SF
die Häufigkeit von Pyelonephritiden bis 7 %, das Risiko
eines kontralateralen Denovo-Refluxes in Abhängigkeit
des primären Refluxgrades 10–20 %. In der Nachsorge
nach offener Antirefluxplastik verzichten wir seit ca.
zehn Jahren auf ein routinemäßiges Kontroll-MCU.
•
Refluxfreiheit nach Lich-Gregoir: 99 %
(n = 132, Durchschnittsalter 43 Monate, Follow-up
42 Monate, 1993–2009)
Internationaler Vergleich
Endoskopische Therapie:
Metaanalyse: 77 % der endoskopisch
•
Refluxfreiheit nach Lich-Gregoir bei Ureter
duplex: 95,6 %
(n = 45, Durchschnittsalter 3,2 Jahre,
Follow-up 41 Monate, Reduktion von fieberhaften
Harnwegsinfekten um 92,4 %, 1993–2007)
•
Refluxfreiheit nach Leadbetter-Politano,
Cohen (bei Refluxgrad 2 und 3): 100 %
(n = 98, Durchschnittsalter 47 Monate,
Follow-up 42 Monate, 1993–2009)
therapierten
refluxiven Harnleiter (alle Grade) sind refluxfrei
(Routh J. et al. Eur Urol 2012; 61:773-782)
Offene Antirefluxplastik:
In Abhängigkeit des Refluxgrades: 95–98 %
Aus: Kinderurologie in Klinik und Praxis. Thieme,
Stuttgart 2012
Riedmiller H., Beetz R. Vesikoureteraler Reflux;
28:347–364
•
Refluxfreiheit nach endoskopischer Therapie
(bei Refluxgrad III): 69 %
(n = 171, Durchschnittsalter 38 Monate,
Follow-up 29 Monate, 2000–2009)
30
31
Harnsteine bei Kindern
Definition und Inzidenz
Publikationen
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2008
Die Nierenbeckenwandverdickung im Ultraschall und deren prädiktiver Wert für einen vesikorenalen Reflux (CB)
Oswald J., Riccabona M., Lusuardi L., Bartsch G., Radmayr C.
Prospective comparison and 1-year follow-up of single endoscopic subureteral polydimethylsiloxane vs dextranomere/hyaluronic
acid copolymer injection for treatment of vesicoureteral refluxing
children. Urology 2002; 60:894–897
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2008
Fünfjahresergebnisse der endoskopischen vs. offenen Antirefluxplastik (MR)
Riccabona M. Management of recurrent urinary tract infection and
vesicoureteral reflux in children. Current opinion in Urology 2000;
10:25–28
Oswald J., Riccabona M., Lusuardi L., Ulmer H., Bartsch G.,
Radmayr C. Voiding cystourethrography using the suprapubic vs
transurethral route in infants and children results of a prospective
pain scale oriented study. J Urol 2002; 168:2586–2589
Becker T. Harnleiterneueinpflanzung in Psoas-Hitch-Technik und
Boari-Plastik. In: Albers P., Heidenreich A. (eds): Standardoperationen in der Urologie. Thieme, Stuttgart 2005; 413–423
Becker T., Riccabona M. Endoskopische Eingriffe bei Kindern. In:
Hofmann R. (ed): Endoskopische Urologie. Atlas und Lehrbuch.
Springer, Heidelberg 2005; 225–235
19. Jahrestagung der Kinderchirurgen Deutschlands,
Rostock, Mai 2008
Moderne Therapie des VUR im Kindesalter (MR)
Internationale Urologenwoche, Kitzbühel, Jänner 2009
Reflux = Deflux? (MR)
Becker T., Riccabona M. Endoskopische Eingriffe bei Kindern. In:
Hofmann R. (ed): Endoskopische Urologie. Atlas und Lehrbuch.
Springer, Heidelberg 2009; 274–283
3. Kolloquium Krefeld: Quo vadis Kinderurologie? Krefeld,
November 2009
Diagnostik und Therapie beim kindlichen Reflux – neue Therapiestrategie (MR)
Comploj E., Koen M., Becker T., Berger C., Riccabona M. Effectiveness and cost analysis of different methods of antirefluxive
operations in VUR grade 3. Central European Journal of Urology
2010; 3:129–132
4. Symposium rekonstruktive Urologie, Tübingen, November
2009
VUR – endoskopische Korrektur, Wandel der Therapien (MR)
Becker T. CME – Zertifizierte Fortbildung: Harnleiterneueinpflanzung in Psoas-Hitch-Technik und Boari-Plastik. Aktuelle Urologie
2011; 42(5):323–337
Urologisches Winterforum Großhadern LMU München,
Tegernsee, Jänner 2010
Vesikorenaler Reflux – Wandel im Management (MR)
Berger C., Becker T., Koen M., Zeino M., Wolf I., Beheshti M., Fitz
F., Haim S., Riccabona M. Positioning of contrast cystography
for diagnosis of occult vesicoureteric reflux: Association with
technetium-99m dimercaptosuccinic acid scans. J Pediatr Urol
2012; under review
36. Bayrisch-Österreichischer Urologenkongress,
München, Juni 2010
Der kindliche Reflux (MR)
62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie,
Düsseldorf, September 2010
Risikoorientierte Refluxtherapie: Operative Therapiekonzepte,
Indikationen und Techniken (MR)
First international conference on Paediatric Urology,
Warschau, Oktober 2004
Management of reflux (MR)
Urologie-Vertiefungskurs, Göttingen, November 2010
Vesikoureteraler Reflux und rezidivierende Harnwegsinfektionen,
VUR und funktionelle Blasenentleerungsstörungen (MR)
Symposium Klinikum Fulda, Fulda, September 2006
Endoskopische Refluxtherapie als Alternative zur Antibiotikatherapie bei Kindern (MR)
22. Kongress der ESPU, Kopenhagen, April 2011
Deflux – how I do it? (MR)
18. Kongress der ESPU, Brügge, April 2007
Endoscopic management of vesicoureteral reflux (MR)
33. Bayrisch-Österreichischer Urologenkongress, Salzburg,
Juni 2007
Die Antirefluxplastik in Lich-Gregoir-Technik erzielt gute Ergebnisse auch bei doppeltem Harnleiter (CB)
32
Bayrisch-Österreichischer Urologenkongress, Bamberg,
Mai 2008
Reflux = Deflux? Refluxtherapie im Kindesalter (TB)
Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Hamburg, Oktober 2009
Veskorenaler Reflux (MR)
Symposium Klinikum Herne, Bochum, Oktober 2006
Vesikorenaler Reflux im Kindesalter (MR)
sanierung im oberen Harntrakt von Kindern durchgeführt
(lt. Statistik Austria). Das sind 1,3 % der insgesamt in
Österreich durchgeführten Eingriffe. Als Ursache spielen
bei Kindern angeborene Stoffwechselerkrankungen und
anatomische Malformationen eine wesentlich größere
Rolle als bei Erwachsenen.
19. Kongress de ESPU, Nizza, April 2008
The treatment of VUR – is there a tailor-made approach to
optimise the outcome of treatment? (MR)
Berger C., Koen M., Becker T., Mitter K., Riccabona M. The role
of the Lich-Gregoir procedure in refluxing duplicated collecting
systems: Experience from long-term follow up of 45 children. J
Pediatr Urol 2008; 4:265–269
Vorträge
Harnsteine sind kristalline Ausfällungen harnpflichtiger
Substanzen, die durch Übersättigung, pH-Veränderungen,
Mangel an Steininhibitoren und/oder Harnabflussstörungen entstehen. Nur gut 1 % der Steine betreffen Personen
unter 18 Jahren. In Österreich wurden in den Jahren
2009 und 2010 jährlich 130 bzw. 124 Eingriffe zur Stein-
CHOP-Seminar in Pediatric Urology, Salzburg, März 2012
Vesicoureteral Reflux. Who to operate & when? (MR)
23. Kongress der ESPU, Zürich, Mai 2012
The role of endoscopic treatment within the management of
reflux disease (MR)
a)
b)
c)
d)
7-jähriges Mädchen mit ausgeprägter Nephrolithiasis l. infolge einer extrinsischen Subpelvinstenose bei akzessorischer Unterpol-Arterie (Steinanalyse: Kalziumoxalat, metabolische Abklärung unauffällig)
a) Nierenfeld-Leeraufnahme: viele schattengebende Steine bis 7 mm
b) Ultraschall: mehrere Steinreflexe mit Schallschatten im l. Nierenbecken
c) Doppler-Ultraschall mit Darstellung zweier arterieller Gefäße (rot), Pfeil: akzessorische Unterpol-Arterie
d) R
etrograde Ureteropyelografie l. mit typischer Darstellung der bandartigen Subpelvinstenose infolge
der Unterpol-Arterie (Pfeil)
Diagnostik
1. Bildgebung:
•
Ultraschall: Bildgebung erster Wahl. Bei kleinen Steinrezidiven bekannter Patienten bleibt dies die einzige
Bildgebung.
•
Nativ-CT: Zur Bestimmung der genauen Größe, Lage
und Röntgendichte für die Planung einer Steinsanierung.
•
IVP: Optional.
•
Isotopenuntersuchung (optional, meist DMSA, bei
Hydronephrose auch MAG3) zur Beurteilung der Nierenfunktion bei komplexer Steinsituation oder Anatomie.
•
MCU: Bei Infektsteinen zum Ausschluss eines VRR.
Untersuchungen der Stufe 2 und 3 in Frage, um auch sehr
seltene Stoffwechselstörungen näher zu charakterisieren.
Stufe 1 (alle Kinder mit Steinen)
•
Blut: BB, Harnstoff, Kreatinin, Harnsäure, Na, K, Cl, Mg,
Ca, P, AP, CRP, BGA, PTH, Vit. D
•
Harn: Streifentest (pH, Protein, Gluc, Ery); Sediment
(Kristalle); Ca/Krea-Quotient
•
Steinanalyse
Stufe 2
•
Spontanharn: Na, K, Ca, Mg, P, Kreatinin, Harnsäure,
Oxalat, Zystin, Zitrat, Vit.-D-Metaboliten
Das MRT ist zur Steindiagnostik ungeeignet, da die Steine
selbst nicht dargestellt werden. Es kann aber wertvolle
Hinweise über die anatomische Situation liefern (z. B.
Doppelhohlsysteme, Blutversorgung der Nieren).
Stufe 3
•
Blut: Oxalat im Plasma, spezielle Genetik
•
24-h-Sammelharn: Xanthin, Glyoxyl, Glykolat
•
Stuhl: Oxalobacter formigenes
2. Metabolische Diagnostik:
Sie ist gerade bei Kindern von großer Bedeutung und
unterliegt in unserem Haus der ausgezeichneten Expertise
der pädiatrischen Nephrologen. Diagnostik der Stufe 1
erfolgt bei allen Kindern mit Steinen oder stattgehabtem
Steinabgang. Wenn damit keine ausreichende Charakterisierung der Stoffwechselstörung gelingt und die Steinlast
oder Rezidivhäufigkeit eine weitere metabolische Evaluierung erfordert, kommen detaillierte (und z. T. teure)
Therapie
1. Harnleitersteine:
Sie gehen bei Kindern leichter spontan ab als bei Erwachsenen. Unterstützung durch Terazosin „off label“ bei
prävesikalen Steinen. Ureteroskopische Steinbergung bei
therapieresistenten Koliken, großen Steinen über 1 cm
oder ausbleibendem Spontanabgang. Evtl. wird primär
eine innere Harnleiterschiene platziert.
33
Enuresis
Definition und Inzidenz
2. Nierensteine:
Oft ist die Steinlast groß und eine Kombination mehrerer
Verfahren nötig. ESWL ist erste Wahl bis 2 cm Steingröße.
Bei Steinen >2 cm ist eine perkutane Nephrolitholapaxie
indiziert. Hier kommt das Mini-Perc-Set mit einem Außendurchmesser von 14 Ch. zum Einsatz. Offene chirurgische
oder laparoskopische Steinsanierung (evtl. mit gleichzeitiger Nierenbeckenplastik) ist bei sehr großer Steinlast und/
oder gleichzeitiger/ursächlicher Subpelvinstenose sinnvoll
und erfolgreich. Die Laparoskopie wird in Zusammenarbeit
mit der Erwachsenen-Urologie durchgeführt.
10-jähriges Mädchen mit 16 mm solitärem Nierenbeckenstein r. (Steinanalyse: Kalziumoxalat; metabolische Diagnostik: Hypozitraturie).
3. Metaphylaxe:
Immer: Steigerung der Trinkmenge. Zystinurie-Patienten
benötigen eine penible lebenslange Metaphylaxe in Form
einer sehr großen Trinkmenge (Ziel: 3 l/Tag) und Harnalkalisierung auf pH 7,5 mittels Kalium-Zitrat (UralytU®).
Auch bei kalziumhaltigen Steinen senkt die Einnahme von
Kalium-Zitrat die Rezidivrate.
L.:Vor ESWL. Liegende innere Harnleiterschiene r.
R.:Gute Desintegration nach einmaliger ESWL in
Narkose.
Statistik
2002
Stationär behandelte
Kinder mit Nierenoder Harnleitersteinen
6
2003
2
2004
2005
4
2006
7
7
2007
9
2008
8
2009
15
2010
19
2011
18
1992–2001: Jährlich wurden zwischen drei und zehn Kinder mit Steinen behandelt.
Ergebnisse und Komplikationen
Die folgenden Daten beziehen sich auf den Zeitraum seit
Anschaffung der ESWL-Maschine, von Februar 2010 bis
Juni 2012.
•ESWL: Bei 19 Kindern wurden 34 ESWL-Sitzungen
in Narkose durchgeführt. Die Desintegrationsrate lag
insgesamt bei 74 %. Steinfreiheitsrate bei zehn Kindern
mit solitärem Nierenstein: 1. ESWL-Sitzung 60 %, nach
2(–3) ESWL-Sitzungen 70 % komplett steinfrei. Komplikationen: fieberhafte Harnwegsinfekte nach ESWL bei
einem Kind.
•Ureteroskopische Steinentfernung: 17 Eingriffe. Komplikationen jenseits von Fornixrupturen traten nicht auf.
Vorträge
Kinderurologie-Update, Ars Electronica Center, Linz, März 2012
Zum operativen Management von Nieren- und Harnleitersteinen
im Kindesalter: Wann kommen welche Methoden zur Anwendung? (CB)
34
•Offene chirurgische/laparoskopische Steinsanierung:
drei Eingriffe, keine Komplikationen, aber alle hatten
noch Residualsteine.
•Perkutane Nephrolitholapaxie: drei Eingriffe bei komplexen Steinsituationen, keine Komplikationen, aber
alle hatten noch Residualsteine.
Internationaler Vergleich
Nach ESWL werden Steinfreiheitsraten von 57–93 % angegeben. Die bei uns erreichten Ergebnisse (s. o.) liegen
also im internationalen Referenzbereich.
Entsprechend der Definition der ICCS (International
Children’s Continence Society) ist die primäre monosymptomatische Enuresis nocturna (MNE) definiert als Einnässen im Schlaf in mindestens zwei Nächten pro Monat
nach dem fünften Lebensjahr (siehe auch www.iccs.org).
Kommt es zu einem Wiederauftreten des Einnässens im
Schlaf nach einem trockenen Intervall von mindestens
sechs Monaten, spricht man von einer sekundären Enuresis. Kinder mit MNE nässen ausschließlich während des
Schlafes ein und sind sonst trocken. Über die Hälfte der
Kinder haben aber auch am Tag Symptome wie Harninkontinenz, gehäuften Harndrang, Drangsymptomatik,
Haltemanöver oder auch Miktionsaufschub. Man spricht
dann von nicht monosymptomatischer Enuresis (NMNE).
Exakte epidemiologische Angaben zur Häufigkeit der
Enuresis sind nicht möglich, da mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet werden muss. Nach Literaturangaben
sind etwa 15–20 % der Fünfjährigen betroffen. Mit jedem
weiteren Lebensjahr kommt es bei ca. 15 % der Enuretiker
zu einer Spontanremission, sodass nach der Pubertät
noch 1–2 % unter einer Enuresis leiden. Entsprechend
diesen Zahlen gibt es in Österreich schätzungsweise ca.
60.000 Betroffene.
Die Ursachen der Enuresis sind vielfältig, wobei eine
Entwicklungsverzögerung der Blasensteuerung und ein
gestörter Tag-Nacht-Rhythmus der Harnausscheidung
eine wesentliche Rolle spielen. Zusätzlich sind genetische
Faktoren an der Entstehung der Enuresis beteiligt. Weiters
werden eine gestörte Wahrnehmung des Miktionsreizes
während des Schlafes sowie abnorme Trinkgewohnheiten
als Mitursache verantwortlich gemacht. Die Bedeutung
psychologisch-psychiatrischer Aspekte ist schwer abschätzbar. Bei der primären Enuresis treten psychische
Veränderungen fast ausschließlich als Folge einer unbehandelten Enuresis auf.
Im Endeffekt ist die Enuresis das Missverhältnis zwischen
nächtlicher Harnausscheidung und aktuellem Miktionsvolumen in Verbindung mit der Unfähigkeit des Kindes
aufzuwachen, wenn die Blase voll ist.
Diagnostik
Jeder Enuresistherapie sollte eine Diagnostik vorausgehen! Man unterscheidet eine obligate Basisdiagnostik
(Anamnese, Miktions-Trink-Stuhl-Protokoll, klinische
Untersuchung, Harndiagnostik und Ultraschall) von
einer fakultativen weiterführenden Diagnostik, die
je nach Befund der Basisdiagnostik und Symptomen
z. B. Flow/EMG, ggf. Videourodynamik, MCU, MRT etc.
umfassen kann. Die Basisdiagnostik ist nichtinvasiv und
dient in erster Linie dem Ausschluss organisch bedingter
Ursachen des Einnässens. Im Mittelpunkt der Basisdiagnostik steht das Miktions-Trink-Stuhl-Protokoll,
da die anamnestischen Angaben der Kinder und Eltern
meist nicht ausreichen, um die Blasenfunktion (Miktionsfrequenz, Miktionsvolumen, Nachtharnmenge etc.) und
das Trink- und Stuhlverhalten der Kinder beurteilen zu
können. Ist die Basisdiagnostik unauffällig, kann ohne
weitere Untersuchung eine Enuresistherapie eingeleitet
werden. Kann aufgrund der Basisdiagnostik das Vorliegen weiterer Störungen nicht gänzlich ausgeschlossen
werden, sind die Symptome besonders auffallend oder
sprechen nicht auf die Therapie an, so ist zur Abklärung
eine weiterführende Diagnostik indiziert.
Letztlich ist die Abklärung heute häufig sehr zeitaufwändig und gesprächsintensiv, aber im Vergleich zu früher
viel weniger invasiv. Früher häufig auch im Rahmen
der Enuresisabklärung routinemäßig durchgeführte
Untersuchungen wie Urethrozystoskopien ggf. mit Harnröhrenkalibrierung und Urethrotomie sowie Ausscheidungsurogramme (IVP) werden heute im Rahmen der
Enuresisabklärung nicht mehr oder nur in Ausnahmefällen bei auffälliger Basisabklärung notwendig.
Therapie
Die therapeutischen Möglichkeiten reichen von allgemeinen Maßnahmen über Verhaltenstherapie, u. a.
den Einsatz von Bettnässeralarmgeräten, bis hin zum
Einsatz verschiedener Medikamente. Dabei wird jede
Enuresistherapie – Zeitpunkt und Strategie – individuell
nach Symptomatik, Alter und Ergebnis der Basisdiagnostik festgelegt. Grundsätzliches Ziel ist es, die Diskrepanz zwischen nächtlicher Harnausscheidung und
Blasenkapazität auszugleichen bzw. durch Verfahren
der Verhaltenstherapie zu erreichen, dass das Kind
rechtzeitig aufwacht, bevor es zum Einnässen kommt.
Wichtige Hinweise, mit welcher Therapieform am ehesten
ein komplettes Trockensein in der Nacht zu erreichen
ist, erhält man aus einer exakten Anamnese sowie dem
Miktions-Trink-Stuhl-Protokoll. Somit ist die diagnostische Abklärung eine unbedingte Voraussetzung für einen
Therapiebeginn.
Der erste therapeutische Schritt in der Enuresisbehandlung liegt in der Aufklärung und motivierenden Beratung
von Patienten und Eltern, u. a. um Schuldgefühle zu
nehmen und die Kinder zur Therapie zu motivieren. Darüber hinaus sollten bestimmte Verhaltensmaßnahmen
35
erläutert werden, die unabhängig von der zusätzlichen
Therapiestrategie durchgeführt werden sollten. Durch
diese unspezifischen allgemeinen Maßnahmen kann bei
etwa 18 % der Betroffenen innerhalb von acht Wochen
Trockenheit erzielt werden.
Führen die allgemeinen Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg, gibt das Miktionsprotokoll entscheidende Hinweise, welche zusätzliche Therapiestrategie
den besten Erfolg verspricht.
1. Desmopressintherapie (Minirin®, Nocutil®): Sie
gilt als Mittel der ersten Wahl, wenn der Enuresis eine
zu hohe nächtliche Harnausscheidung bei normalem
altersentsprechendem Miktionsvolumen zugrunde
liegt. Die Erfolgsrate der Therapie liegt bei richtiger
Dosierung und korrektem Dosierungsschema bei
70–80 %. Die alte Desmopressin-Darreichungsform
als Nasenspray ist in Österreich zur Enuresistherapie
nicht mehr zugelassen.
Melt-Dosierungsschema nach Riccabona
(1 Melt 120µg entspricht 1 Tablette 0,2 mg)
1 Melt 120 µg vor dem Schlafengehen
nach einer Woche trocken
1 Melt 120 µg für 6–8
Wochen
trocken ▼ nass ▲
nach einer Woche nass
2 Melt 120 µg für 6–8
Wochen
trocken ▼ nass ▲
1 Melt 60 µg für 4 Wochen 3 Melt 60 µg für 4 Wochen
trocken ▼ nass ▲
trocken ▼ nass ▲
Vorzeitige Auslass- und
Absetzversuche sind
sinnlos!
2 Melt 60µg für 4 Wochen
trocken ▼ nass ▲
1 Melt 60 µg für 4 Wochen
trocken ▼ nass ▲
2.
Alarmtherapie: Die Alarmtherapie ist als Mittel
der ersten Wahl anzusehen, wenn die Ursache der
Enuresis lt. Miktionsprotokoll in einem zu geringen
aktuellen Miktionsvolumen bei normaler nächtlicher
Harnausscheidung liegt. Die Alarmtherapie muss über
einen längeren Zeitraum (3–6 Monate) durchgeführt
werden und führt verzögert zum Therapieerfolg. Bei
konsequenter Anwendung ist mit Erfolgsraten von
bis zu 80 % nach acht- bis zehnwöchiger Therapie zu
rechnen.
Antidepressiva wurden früher in der Enuresistherapie
relativ häufig eingesetzt, sind allerdings heute aufgrund
der potenziellen z. T. massiven Nebenwirkungen und der
guten Therapiealternativen obsolet. Im Gegensatz dazu
ist über die Jahre eine wachsende Inanspruchnahme
komplementärer und alternativer Behandlungsmöglichkeiten zu beobachten. Häufig erfolgen solche z. T. teuren
Therapieversuche auf Initiative der Eltern, u. a. unter
der Vorstellung, dass diese Methoden weniger Nebenwirkungen aufweisen. Derzeit existiert nach strengen
EBM-Kriterien allerdings keine ausreichende Evidenz
für einen eindeutigen, reproduzierbaren Effekt dieser
Komplementärmethoden in der Behandlung der Enuresis – aber es gibt auch keine Daten, die die Ineffektivität
beweisen! Zurzeit scheint eine schwache Evidenz für die
Wirkung von Hypnose, Akupunktur und Chiropraktik vorzuliegen, aber keine für Homoöpathie, Faradisation u. Ä.
Statistik
Unsere Abteilung bietet seit Jahren eine Enuresisspezialambulanz an, die Enuretikern als Erstanlaufstelle dient,
aber in zunehmendem Maß jene Patienten übernimmt,
die in anderen weniger spezialisierten Abteilungen oder
in der niedergelassenen Praxis nicht ausreichend abgeklärt oder therapiert werden können. Insbesondere
in dieser Patientengruppe spielt die Urotherapie in
den letzten Jahren eine immer größere Rolle. Unter
Urotherapie versteht man die Diagnostik, Behandlung
und Betreuung von Patienten mit funktionellen und neurogenen Blasenentleerungsstörungen sowie Enuresis
durch ein interdisziplinäres Team. Die Urotherapie ist in
den skandinavischen Ländern seit mehr als 20 Jahren
etabliert und gewinnt auch im deutschsprachigen Raum
zunehmend an Bedeutung. Seit 2004 bietet die Abteilung
diese Therapie für Kinder als erstes und einziges Spital
in Österreich in der Blasenschule an. Zum Kernteam der
Blasenschule gehören eine Urotherapeutin, ein Kinderurologe sowie ein Psychologe. Bei Bedarf erfolgt eine
weitere interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Pädiatern,
Neuropädiatern, Ernährungsberatern, Stoma- und Kontinenzberatern etc. Die Behandlung erfolgt im Rahmen
einer stationären oder tagesstationären Aufnahme.
Durchschnittlich werden ca. 90 Kinder jährlich in unserer
Blasenschule je nach Krankheitsbild individuell betreut.
Urotherapie/Blasenschule 2010
Neurogene BES
HWI
Vag. Influx
HWI/BES
Belastungsink
HWI/BES/INKO
Enuresis
HWI/BES/
INKO/Enuresis
BES/INKO
BES
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
422
612
622
521
505
411
391
412
426
385
Erstkontakte Enuresis bzw. Inkontinenz
Enuresis-Studie
155 Kinder (68 % Knaben, 32 % Mädchen), Durchschnittsalter acht Jahre (5–19 Jahre) unter Therapie mit Desmopressin Nasenspray 20–40 µg entsprechend dem vorne
unter Punkt 1. Desmopressintherapie angeführten Schema.
15 % zeigten kein Ansprechen auf Desmopressin
Riccabona M. et al. Long-term use and tapered dose reduction of intranasal desmopressin in the treatment of enuretic
children. Br J Urol 1998; 81(3):24–25
85 % der Kinder zeigten ein Ansprechen auf
Desmopressin
• 71 % waren trocken ohne Rückfall
•7
% waren trocken nach einem Rückfall
und erneuter Therapie
• 7 % zeigten eine Verbesserung der Symptome mit
lediglich ein bis zwei nassen Nächten pro Woche
3.
Anticholinerge Therapie: Eine anticholinerge
Therapie als Monotherapie reicht bei Enuresis meist
nicht aus. Sie kann bei Bedarf in Kombination mit
Desmopressin oder im Fall von Tagessymptomen wie
gehäuftem Harndrang, mit oder ohne Harninkontinenz,
etc. eingesetzt werden.
Das Kernteam der Blasenschule v. l. n. r.: Urotherapeutin Sieglinde Gratzl, Psychologe Mag. Christian Zniva und Kinderurologin OÄ Dr. Tanja Becker
36
37
Enuresis (TB)
Publikationen
Riccabona M., Oswald J., Glauninger P. Long-term use and
ta­pered dose reduction of intranasal desmopressin in the
treatment of enuretic children. Br J Urol 1998; 81(3):24–25
Riccabona M. Medikamentöse Therapie der Enuresis:
Sinn/Unsinn. Wien Med Wochenschrift 1998; 148(22):506–507
Ärztetage, Bad Gastein, März 2000
Seminar: Das nasse Kind (MR)
Riccabona M. Therapie der Enuresis. Pädiat Praxis;
58:243–252 (2000)
Update in Urologie, Wien, Juni 2000
Enuresis nocturna: Diagnose und Therapiemöglichkeiten in
der Praxis (MR)
Becker T., Riccabona M. Die überaktive Blase im Kindesalter. J
Urol Urogynäkol Sonderheft 7/2004; 2–6
Enuresissymposium, Bad Gastein, Juli 2000
Enuresis: Basisdiagnostik und therapeutisches Management (MR)
Becker T., Riccabona M. Enuresis – Diagnose und Management.
Pädiat Praxis 2005; 67:51–65
Kongress Medizinische Inkontinenzhilfe, Linz,
September 2000
Enuresis: Abklärung und Therapie-Minimalkonzept für die
Praxis (MR)
Becker T. Das nasse Kind. J Urol Urogynäkol
Sonderheft 5/2006; 7–10
Becker T. Enuresis nocturna. Hausarzt 2008; 10:22–26
Riccabona M. Evaluierung und Management der Enuresis.
Der Urologe 2010; 7:861–870
Vorträge
Van Swieten Tagung, Wien, Oktober 1996
Kindliche Enuresis: Märchen – Fakten – Perspektiven (MR)
Ärztewoche, Bad Gastein, März 1997
Was ist gesichert, was obsolet in der Therapie der Enuresis (MR)
Österreichisch-Bayrischer Urologenkongress,
Baden, April 1997
Management und Ergebnisse der Desmopressin-Therapie von
154 enuretischen Kindern (MR)
Deutsch-Österreichische Gesellschaft für Kinderheilkunde,
Wien, September 1997
Enuresistherapie: Was ist gesichert, was ist obsolet (MR)
Pädiatrische Fortbildung, Innsbruck, Oktober 1997
Indikation, Management und Ergebnisse der DesmopressinTherapie bei enuretischen Kindern (MR)
12. Pädiatrischer Fortbildungstag: Endokrinologie im
Jugendalter, Linz, November 1997
Hormonelle Behandlung von Hodenfehllagen und Enuresis (MR)
Collegium publicum, Graz, November 1997
Enuresis: Basisuntersuchungen und Therapie (MR)
Kinderärztetagung, Innsbruck, September 1998
Enuresis nocturna: Diagnostik und neue therapeutische Ansätze (MR)
Enuresissymposium, Graz, Oktober 1998
Was ist gesichert und obsolet in der Therapie der Enuresis (MR)
Kinderurologische Fortbildung, Lübeck, Juni 1999
Therapie der Enuresis (MR)
Van Swieten Kongress, Wien, Oktober 1999
Seminar: Enuresis: neue Therapiekonzepte (MR)
Kinderurologischer Thementag, Recklinghausen,
Oktober 1999
Enuresis-Basisdiagnostik und -Therapie (MR)
38
Internationaler Pädiatrischer Fortbildungskurs, Obergurgl,
Jänner 2000
Enuresis: Untersuchungen und Therapieansätze (MR)
54. Van Swieten Kongress, Wien, Oktober 2000
Seminar: Enuresis nocturna – neue Therapiekonzepte (MR)
Seminarabend des KH der Barmherzigen Schwestern, Linz,
Februar 2001
Eine Woche Ferien in der Blasenschule (CB)
Inkontinenzsymposium, Innsbruck, September 2001
Therapie der Enuresis: Minimalkonzept für die Praxis (MR)
Fortbildung Schloss Berg, Gelsenkirchen, März 2002
Kindliche Enuresis – was ist normal, was krankhaft, welche
Diagnostik und Therapie in welchem Alter (MR)
12. Jahrestagung der Medizinischen Gesellschaft für
Inkontinenzhilfe, Graz, September 2002
Seminar „Kindliche Enuresis“ (MR)
ESPU Pediatric Urology Satellite Course, Ankara, September
2003
Enuresis: update in diagnosis and therapy (MR)
55. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie,
Hamburg, September 2003
Kindliche Harninkontinenz – neue Therapien (MR)
1. Symposium Kinderurologie und Kindernephrologie, Wien,
Februar 2004
Das nasse Kind (MR)
Pädiatrischer Frühling, 4. Fortbildungstagung, Seggau, Mai
2004
Abklärung und Management beim Symptom Enuresis mit
interaktiven Fallbeispielen (MR)
Fortbildungstagung der Österreichischen Gesellschaft für
Urologie und Andrologie, Linz, November 2004
Die überaktive Blase im Kindesalter (TB)
1. Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Seefeld, April 2005
Workshop: Das nasse Kind (MR)
Internationales Symposium, Heidelberg, September 2005
Urinary Incontinence and Enuresis (MR)
Schulärztefortbildungstagung, Wien, September 2005
Das nasse Kind (TB)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2006
Strukturelle Harninkontinenz bei Kindern – ein oft spät erkanntes
Krankheitsbild (MK)
2. Symposium für Kindernephrologie und Kinderurologie,
Wien, März 2006
Enuresis (MR)
Gemeinsame Tagung der Bayerischen Urologenvereinigung
und der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und
Andrologie, Garmisch-Partenkirchen, Mai 2006
Diagnostik und Therapie der Enuresis (TB)
Kinderurologie im Wandel, Konsequenzen für die Praxis,
Linz, September 2006
Melt – eine neue Alternative in der Enuresis-Therapie (MR)
Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und
Andrologie, Linz, November 2006
Das nasse Kind (TB)
Linz, Neues Rathaus: Nieren – Blase, Linz, Februar 2007
Das nasse Kind – was steckt dahinter? (MR)
Workshop: Qualitätssicherung in den österreichischen
Enuresis-Ambulanzen, Bad Zell, März 2007
Enuresis-Diagnostik „step by step“ (MR)
International workshop, Dubai, Mai 2008
Urinary Incontinence and Enuresis (MR)
Linzer Tag der Blase, Linz, Oktober 2008
Hilfe, mein Kind wird nicht trocken! (MR)
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für
Urologie und Andrologie (ÖGU), Linz, November 2009
Enuresis – Diagnostik und Therapie (CB)
Kinderurologischer Fortbildungsabend der Abteilung für
Urologie des LKH Feldkirch, Feldkirch, Jänner 2010
Enuresis – Diagnostik und Therapie (TB)
MiniMed-Veranstaltung, Linz, Februar 2010
Das nasse Kind (MR)
2. Enuresis-Meeting, Geinberg, Juni 2010
Strukturiertes Update: Diagnostik und Therapie der Enuresis (MR)
2. Enuresis-Meeting, Geinberg, Juni 2010
Aussagen und Pitfalls aus dem Miktions-Trink-Stuhl-Protokoll (TB)
Urologisches Winterforum Großhadern, LMU München,
Tegernsee, Februar 2011
Wann und wie wird mein Kind trocken? (MR)
5. Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Linz, Mai 2011
Workshop: Das nasse Kind (TB)
Kinderurologisches Update, Linz, März 2012
Die Interpretation von Miktions-Trink-Stuhl-Protokollen: Tipps und
Tricks (TB)
Pflegesymposium der 38. Gemeinsamen Tagung der Bayerischen Urologenvereinigung sowie der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie, Nürnberg, Juni 2012
Moderne Diagnostik und Therapie der Enuresis (CB)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2006
„Blasenschule“ – Urotherapie bei kindlicher Inkontinenz und
39
Neurogene Blasenfunktionsstörung
Definition und Inzidenz
Die neurogene Blasenfunktionsstörung stellt eine der
seltenen Ursachen der kindlichen Harninkontinenz dar.
Dieser Störung, die sowohl die Füllungsphase als auch
die Entleerungsphase der Blase betreffen kann, liegen Erkrankungen, die mit Störungen der Neuralrohrentwicklung
(dysraphische Hemmungsfehlbildung des Rückenmarks
und der Wirbelsäule) einhergehen, zugrunde. Zu diesen
zählen Spina bifida occulta bzw. aperta (SB), Myelozele
und Meningomyelozele (MMC). Das Ausmaß der daraus
resultierenden sensiblen und motorischen Defizite kann
vielfältig sein und korreliert mit der Komplexität und der
Läsionshöhe des vorliegenden Neuralrohrdefektes. Häufig
tritt eine funktionelle Störung der Blase und des Schließmuskels auf. Veränderungen des oberen und unteren
Harntrakts können sekundär entstehen und sind für die
Langzeitprognose entscheidend. Die Inzidenz dieser
Fehlbildungen beträgt in Mitteleuropa 0,05–0,1 %.
Die neurogenen Blasen- und Sphinkterdysfunktionen werden folgenderweise klassifiziert:
engmaschige Kontrollen notwendig. In unserer Abteilung hat sich in Anlehnung an internationale Standards
folgendes Untersuchungsschema bis zum Schuleintritt
etabliert:
Anamnese
Status
Ultraschall
Labor
Urinanalyse
Videourodynamik
Erst-US
X
X
X
X
X
X
n. 3 Mon.
X
X
X
X
X
X
n. 6 Mon.
X
X
X
X
X
X
n. 12 Mon.
X
X
X
X
X
X
2. LJ
X
X
3-monatlich
½-jährlich
monatlich
1 x jährlich
3. LJ
X
X
½-jährlich
½-jährlich
monatlich
1 x jährlich
3.–7. LJ
X
X
½-jährlich
½-jährlich
monatlich
1 x jährlich
ab 7. LJ
individuell (i)
i
i
i
i
i
DMSA/
MAG3
X
(X)
(X)
Diagnostik- und Follow-up-Modell bis zum Schulalter
Videourodynamik
Typ 1
Typ 2
Typ 3
Typ 4
Die Untersuchung dient zur zeitgleichen Evaluierung
der Blasen- und Sphinkterfunktion (Druckverhältnisse
in der Blase, funktionelle Blasenkapazität, Compliance,
Leak-Point-Pressure, Detrusor-Hyperaktivität, DetrusorSphinkter-Dyssynergie, Harninkontinenz etc.) sowie der
Bildgebung (Blasenform, Blasenhals, vesikorenaler Reflux).
Management und Therapie
Typ 1: Detrusorüberaktivität und Sphinkterüberaktivität
Typ 3: Detrusorüberaktivität und Sphinkterunteraktivität
Typ 2: Detrusorunteraktivität und Sphinkterunteraktivität
Typ 4: Detrusorunteraktivität und Sphinkterüberaktivität
Diagnostik
Die Diagnose wird i. d. R. intrauterin mittels Ultraschall
gestellt. Neuralrohrdefekte werden unmittelbar postpartal neurochirurgisch versorgt. Der oft vergesellschaftete
Hydrozephalus wird auch in den ersten Lebenstagen mit
Anlage eines ventrikulo-peritonealen Shunts behandelt.
Urologische Probleme, die in erster Linie die Blasenentleerung betreffen, bedürfen selten einer akuten Intervention
unmittelbar postpartal. Ein strukturiertes und dem Alter
angepasstes diagnostisches Schema ist allerdings wichtig,
um rechtzeitig ein entsprechendes kinderurologisches Management einleiten zu können und damit Spätfolgen möglichst gering zu halten. Die Komplexität der Fehlbildungen
macht eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Neonatologen, Neurochirurgen, Neuropädiatern, Kinderurologen,
Kindernephrologen, Kinderorthopäden, Kinderchirurgen
und Kinder- und Jugendpsychologen unerlässlich, um eine
ganzheitliche Betreuung dieser Patienten zu gewährleisten.
Durch die Einrichtung einer MMC-Ambulanz sowie einer
telefonischen Hotline konnte seit September 2004 die in-
40
terdisziplinäre Betreuung wesentlich verbessert werden. In
unserer Urotherapeutin DGKS Sieglinde Gratzl finden die
betroffenen Familien eine kompetente Ansprechpartnerin,
die unkompliziert erreichbar ist, Vertrauen zu den Patienten
und Eltern aufbaut, Wünsche entgegennimmt, Termine
vereinbart und zwischen den einzelnen Mitarbeitern des
MMC-Teams vermittelt.
Die urologische Erstuntersuchung beinhaltet:
• Anamnese
• Klinische Untersuchung (urologischer und
neurologischer Status)
• Ultraschall des Harntrakts (Nieren, Blase, Hoden)
• Laboranalyse (Nierenfunktionsparameter,
Elektrolyte, Urinanalyse etc.)
• Videourodynamik
• Fakultativ DMSA, MAG3
Aufgrund des schnellen Wachstums der Kinder und
der damit verbundenen dynamischen Entwicklung sind
Ziel der Behandlung ist es, die Nierenfunktion zu erhalten
und nach Möglichkeit eine Harn- und Stuhlkontinenz zu
erreichen. Eine Harninkontinenz kann durch eine Detrusorhyperaktivität oder auch durch eine Sphinkterinsuffizienz
bedingt sein. Insbesondere eine Detrusorhyperaktivität in
Kombination mit einem erhöhten Leak-Point-Pressure erhöht
das Risiko einer Detrusorschädigung mit dauerhaftem Elastizitätsverlust, Fibrosierung und Trabekulierung der Blase.
Ein sekundärer Reflux bzw. eine konsekutive Dilatation des
oberen Harntrakts können daraus resultieren. Rezidivierende
Harnwegsinfekte und Nierenfunktionsverlust sind die Folge.
Aus diesen Gründen sind eine rasche und effiziente Diagnostik und die rechtzeitige Einleitung einer Stufentherapie
von großer Bedeutung. Im Gegensatz zu früher wird auf eine
frühzeitige und konsequente konservative Therapie (CIC und
anticholinerge Therapie) schon im Windelalter großer Wert
gelegt. Früher wurde häufig erst mit der konservativen Therapie begonnen, wenn der Wunsch nach Trockenheit bestand.
begleitet. Die Frequenz des Katheterismus muss dem Alter des Patienten und dem Typ der vorliegenden Störung
angepasst werden. Eine sorgfältige Schulung der Eltern ist
wichtig, um u. a. das Harnwegsinfektionsrisiko zu senken.
Insbesondere in der Anfangsphase ist eine antibiotische
Abschirmung von Vorteil. Beschichtete Einmalkatheter
ermöglichen einen hygienischen Umgang und senken das
Verletzungs- und Infektionsrisiko. Die Stuhlregulierung bei
häufig begleitender Darmentleerungsstörung muss parallel
zu den genannten Maßnahmen erfolgen. Das Stuhlmanagement (Irrigation, Zäpfchen, Laxantien etc.) wird individuell angepasst, der Therapieerfolg engmaschig überprüft.
Mit zunehmendem Alter werden die Kinder schrittweise in
das Management einbezogen. In diesem Zusammenhang
hat sich in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mit
unserer zertifizierten Urotherapeutin, die sich individuell
auf jeden Patienten einstellt, bewährt.
a)
b)
c)
d)
Konservative Therapie
Ziel ist es, den Druck in der Blase zu senken und eine
adäquate Blasenentleerung zu erreichen. Ersteres erfolgt
durch die Gabe von Anticholinergika. Bei Problemen
mit der oralen Einnahme (Schluckstörung etc.) oder einer Unverträglichkeit kann Oxybutinin durch intravesikale
Instillation verabreicht werden. Die medikamentöse Therapie wird von IFK (intermittierender Fremdkatheterismus)
und später ISK (intermittierender Selbstkatheterismus)
a), b) Intermittierender Fremdkatheterismus (IFK)
c) Intermittierender Selbstkatheterismus (ISK) transurethral
d) Intermittierender Selbstkatheterismus über ein Nabelstoma
41
Minimalinvasive Therapie
Bei Versagen der konservativen Therapie kommen
minimalinvasive Methoden wie die endoskopische
Einspritzung mit Botulinum-A-Toxin je nach Befund
in den Detrusor oder Sphinkter zum Einsatz. Damit
kann eine Unterdrückung der Detrusorhyperaktivität für
durchschnittlich neun bis zwölf Monate erreicht werden.
Die Therapie ist wiederholbar und nebenwirkungsarm,
macht aber eine Vollnarkose notwendig. Ebenso wie bei
endoskopischer Ostiumunterspritzung im Falle eines
vesikorenalen Refluxes.
Operative Therapie
Versagen die konservativen oder minimalinvasiven Maßnahmen, werden größere operative Eingriffe notwendig,
um den erhöhten Druck in der Blase zu senken, die
Kapazität zu erhöhen und/oder eine soziale Kontinenz
zu erreichen. Ileumaugmentation, Detrusorektomie (Autoaugmentation) in Verbindung mit Faszienzügelplastik
oder Blasenhalsplastik, artifizielle Sphinkter bei männ-
lichen und Sling-Verfahren bei weiblichen Patienten im
Adoleszentenalter sind dabei gängige Methoden. Ist
aufgrund von anatomischen Verhältnissen oder bei Patienten aus Ländern, in denen der medizinische Standard
niedrig ist, ein Katheterismus nicht möglich bzw. auch
aufgrund der dekompensierten Blase deren Erhaltung
nicht sinnvoll, kann auch eine kontinente Harnableitung
durchgeführt werden. Bei Rollstuhlpatienten erleichtert
eine Appendicovesikostomie nach Mitrofanoff oder nach
Monti mit einem kontinenten Nabel- oder Unterbauchstoma das Katheterisieren im Sitzen. Die Entscheidung zur
Operation sollte in erster Linie von klinischen Kriterien,
aber auch vom Leidensdruck des Patienten bezüglich
Kontinenz abhängig gemacht werden. Eine gute Compliance des Patienten ist dafür die Voraussetzung. Über das
erhöhte Risiko bezüglich Entstehung eines Adenokarzinoms im Falle einer Augmentation mit Darmsegmenten
müssen der Patient und seine Angehörigen aufgeklärt
und postoperative endoskopische Kontrollen rechtzeitig
eingeleitet werden.
größerer operativer Eingriff erspart werden kann – im
Vergleich zu einem historischen Patientenkollektiv mit
später oder fehlender konservativer Therapie.
138 Patienten (75 Mädchen, 63 Jungen) wurden evaluiert
(16 lost of follow-up, 2 verstorben).
Gruppe I (operative Therapie):
•2
0 Augmentationen (16 Ileum, 1 Sigma, 2 Ureter,
1 Autoaugmentation)
•1
7 Kontinenzoperationen (12 Faszienzügelplastiken,
3 Blasenhalsplastiken, 1 artifizieller Sphinkter,
1 Blasenhalsverschluss)
•1
2 Mitrofanoff-Nippel
•6
offene Antirefluxplastiken
Gruppe II (minimalinvasive Therapie): 11 endoskopische Ostiumunterspritzungen bei VRR, 28 BotulinumA-Toxin-Injektionen in den Detrusor, 13 endoskopische
Unterspritzungen des Blasenhalses
Gruppe III (konservative Therapie): 80 Kinder unter
CIC und/oder antikolinerger Therapie, 8 ohne weitere
Therapie; Altersdurchschnitt bei CIC-Beginn war 35,5
Monate (0–240 Monate)
a)
b)
Ergebnisse hinsichtlich Kontinenz:
Kontinent (keine oder eine Sicherheitseinlage)
• Gruppe I: 17/22 (85 %)
• Gruppe II: 9/20 (61 %)
• Gruppe III: 37/80 (63 %)
Inkontinent
• Gruppe I: 3/22 (37 %)
• Gruppe II: 7/20 (39 %)
• Gruppe III: 22/80 (15 %)
Ergebnisse hinsichtlich Nierenfunktion:
10/138 haben einen Nierenseitenfunktionsverlust
von >5 %
• Gruppe I: 3/22 (13,6 %)
• Gruppe II: 3/28 (10,7 %)
• Gruppe III: 4/80 (5 %)
Internationaler Vergleich
In der internationalen Literatur
liegen hinsichtlich
unserer oben angeführten Ergebnisse relativ wenige Vergleichsdaten vor. Laut einer Studie von Y. F.
Rawashdeh (aus: Neurourology and Urodynamics.
2012) gibt es folgende Daten zur Kontinenz:
• Gruppe I: 90 %
• Gruppe II: 65–87 %
• Gruppe III: 56 %
In Bezug auf die Nierenfunktion liegen Vergleichsdaten
nur für die 3. Gruppe vor, die besagen, dass sich die
Nierenfunktion unter konservativer Therapie nicht verschlechtert hat.
c)
Rechts unten einer unserer Patienten mit neurogener Blasenfunktionsstörung
bei den Paralympics in Peking 2008
d)
e)
f)
a) Auswählen eines geeigneten Darmstücks im Gegenlicht, b) antimesenerielle Eröffnung des Darmsegments, c) Vernähen zu einer Darmplatte,
d) Anastomose der Darmplatte an die eröffnete Blase, e) Präparation der Appendix, f) Implantation der Appendix in die Blase
In der Pubertät benötigen viele Patienten psychologische
Unterstützung aufgrund mangelnden Selbstwertgefühls
und von Problemen bei der Abnabelung von den Eltern,
da über Jahre eine enge Abhängigkeit zwischen Eltern
und Kindern bestanden hat. Ab dem Teenageralter können Schwierigkeiten mit der Sexualität dazukommen.
Diese Probleme müssen im Rahmen der Betreuung
thematisiert und ggf. einer professionellen Therapie
zugeführt werden.
Gerade in dieser Patientengruppe ist eine lebenslange urologische Betreuung angezeigt und somit eine
42
rechtzeitige Übergabe des Patienten an eine versierte
Erwachsen­enurologie von großer Bedeutung.
Statistik
Retrospektive Analyse hinsichtlich der Erfolgsquote
der konservativen Therapie bezüglich der Nierenfunktion und Kontinenz im Zeitraum von 1989–2010
Die Auswertung unserer Daten zeigte, dass durch eine
frühzeitige konsequente konservative Behandlung und
engmaschige Betreuung dem Großteil der Patienten ein
Publikationen:
103rd Annual Meeting New York Section of Urology, AUA, Wien,
September 2005
Botulinum-A-Toxin in the treatment of myelomeningocele children
with detrusor-hyperreflexia (MR)
Riccabona M., Koen M., Schindler M., Beckers G., Pycha A.,
Lusuardi L. Botulinum-a-toxin injection into the detrusor: a safe
alternative in the treatment of children with myelomeningocele
with detrusor hyperreflexia? J Urol 2004; 171(2):845–848
ESPU Educational Committee Course, Aachen, November 2006
Non-neurogenic bladder (MR)
Riccabona M. Konservative Behandlung der hypokontraktilen
Blasenentleerungsstörung. Dtsch Med Wochenschrift 1981;
106(47):1579–1582
Vorträge:
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2005
Management von MMC-Kindern: Konsensus der österreichischen
Kinderurologen (MR)
Symposium: Botulinumtoxin bei Blasenfunktionsstörungen,
Zürich, April 2005
Behandlung der neurogenen Blase bei Kindern (MR)
Symposium of Pediatric Surgery, Mostar, Mai 2005
The value of urodynamic examinations in children with various
forms of enuresis (MR)
Pediatric Workshop, Kairo, April 2007
Neurogenic Bladder (MR)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2011
Wie erfolgreich ist die konservative Therapie der neurogenen
Blase? (MK)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2011
Management des vesikorenalen Refluxes (VRR) bei Kindern mit
Meningomyelocele (MMC) (TB)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2011
Langzeit-Follow-up von Kindern mit neurogener Blasenfunktionsstörung nach Botulinumtoxin-a-(BTX-A)Injektion zur Therapie der
neurogenen Detrusorhyperaktivität (MZ)
43
Epispadie und Blasenekstrophie
Definition und Inzidenz
Der Blasen-Ekstrophie-Epispadie-Komplex ist die schwerwiegendste Fehlbildung des Urogenitale. Die anatomischen Defizite umfassen die Bauchwand, das knöcherne
Epispadie
Klassische Blasenekstrophie
Es besteht ein triangulärer Defekt der Bauchwand, die
Musculi recti divergieren v-förmig zu den Ossa pubis,
deren Diastase zwischen 4 und 8 cm beträgt. Dieser
Defekt ist ausgefüllt durch die ekstrophe Blasenplatte.
Becken, die Harnblase und das Genitale, den Beckenboden und das Anorektum. Die extremste Form ist die
kloakale Ekstrophie, bei der neben der Harnblase auch
der Dickdarm betroffen ist.
Kloakale Blasenekstrophie
Therapie
Die operative Rekonstruktion dieser Fehlbildung ist
aufgrund der Komplexität des Eingriffes und der geringen Frequenz anspruchsvoll und technisch-chirurgisch
schwierig. Anfang der Neunzigerjahre haben wir uns
bemüht, mit tatkräftiger Unterstützung der Erlanger
Klinik (Prof. Schrott, Schott und Rösch), dem Zentrum
in Europa mit der wohl größten operativen Erfahrung in
diesem Spezialgebiet, die operative Versorgung dieser
Säuglinge und Kinder in unser therapeutisches Angebot
aufzunehmen. Die damalige Philosophie war, Säuglinge
in der 6. bis 10. Lebenswoche in einem Single-StageEingriff zu versorgen. Dies bedeutet: bilaterale Harnleiterneuimplantation, Rekonstruktion eines Blasenhalses,
Harnblasenverschluss, Verschluss der offenen Processus vaginales, Epispadiekorrektur und Symphysenadaptation mit transossären Zugnähten, Umbilikoplastik
– eine acht- bis zwölfstündige Herausforderung für die
Kinderanästhesisten, Instrumentarinnen und Operateure.
In den angloamerikanischen Ländern wurde damals die
ekstrophe Harnblase unmittelbar nach der Geburt notfallmäßig verschlossen, alle weiteren notwendigen Eingriffe
sequenziell bis ins Schulalter durchgeführt. Weltweit
haben viele Kliniken das Erlanger Konzept übernommen.
Heute gehen wir etwas individueller vor und entscheiden
in Abhängigkeit von der Qualität der Blasenplatte, ob wir
ein- oder zweizeitig rekonstruieren.
Bei älteren Kindern aus Entwicklungsländern – ohne
Möglichkeiten einer adäquaten Nachsorge – entscheiden
wir uns meist für eine primäre Harnableitung in einen
Sigma-Rektum-Pouch. Dadurch sind die Kinder selbständig und von keinen Heilbehelfen (Katheter, Inkontinenzmaterial etc.) abhängig. Die Kinder erlernen erstaunlich
rasch, über das Rektum Stuhl und Harn abzusetzen. Als
„wieder trockene“ Kinder werden sie in ihren Familien
sozial integriert und können eine Schule besuchen.
Der knöcherne Beckendefekt umfasst neben der Diastase
der Symphyse die Außenrotation der Beckenschaufel,
die Retroversion der Acetabula und eine Verkürzung der
Schambeine. Die ekstrophe Blasenplatte kann primär groß
und für einen Primärverschluss geeignet oder klein und
polypös verändert sein (siehe Bildleiste).
Sigma-Rektum-Pouch (Mainz Pouch II) mit Harnleiterneuimplantation in Abol-Eneim-Technik: Ein ca. 30 cm langes Darmstück am Übergang Sigma/Rektum
wird antimesenteriell eröffnet, beide Harnleiter von retroperitoneal antirefluxiv implantiert und der Darm zu einem Reservoir (Pouch) verschlossen.
(Aus: Ausgewählte urologische OP-Techniken, Hohenfellner. Thieme 1997)
Ekstrophe Blasenplatte unterschiedlicher Größe und Qualität
Postoperativ bekommen die osteotomierten Kinder für
4–6 Wochen eine Gipshose mit einem ausgeschnittenen
ventralen Fenster, damit der urologische Operations- und
Die Harnröhre ist bei beiden Geschlechtern epispadisch,
der Blasenhals fehlt. Die Corpora cavernosa sind beim
Knaben um 50 % verkürzt. Die Klitoris beim Mädchen ist
bifid, der Vaginaleingang meist stenotisch und nach ventral
verlagert. Der Beckenboden ist abgeflacht und ventral offen.
Die Inzidenz beträgt 1 auf 30.000 bis 50.000 Geburten.
Wundbereich gepflegt werden kann. Kleine Säuglinge
werden mit einem Mumienverband mit leichter Beugung
in der Hüfte und im Knie versorgt.
Diagnostik
Die Blasenekstrophie wird heute häufig bereits pränatal
durch den Nachweis der sich nicht füllenden Harnblase
diagnostiziert. Präoperativ wird klinisch die Qualität und
Größe der Blasenplatte beurteilt, was neben dem Ausmaß der Symphysen-Dehiszenz das Operationsverfahren
wesentlich beeinflusst. Eine Röntgen-Leeraufnahme des
kleinen Beckens dokumentiert den Symphysenspalt und ist
mitentscheidend, ob eine Osteotomie bei älteren Kindern
notwendig ist. Sonografisch werden weitere Fehlbildungen
am oberen Harntrakt ausgeschlossen.
44
Situs postoperativ
Gipshose
Mumienverband
Diastase der Symphyse / Röntgen Becken
45
Phimose
Statistik
13
EU-Länder
3
Nicht-EU-Länder
8
Asien
9
Afrika
16
Operationsmodus (Kinder aus Entwicklungsländern)
Anzahl
medianes
Alter
Single-StageRekonstruktion
8/24
2 (0,5–3)
Sigma-Rektum-Pouch
14/24
8 (7–13)
Augmentation, Mitrofanoff
1/24
Osteotomien
10/24
Kontinenzrate nach einaktiger Aufbauplastik
als primärer Eingriff: 39/47 (83 %)
davon 72 % ohne Augmentation
Nach Rezidiveingriffen: 41 %
Rösch aus: Kinderurologie in Klinik und Praxis. 3. Auflage 2012 (Stein, Beetz, Thüroff)
•
Baka-Jakubiak: 75 % von 36 Patienten (2000)
•
Gearhart: 74 % von 88 Patienten (2001)
•
Mouriquand: 45 % von 80 Patienten (2003)
Blasen-Ekstrophie – Ergebnisse hinsichtlich
Kontinenz und Nierenfunktion n = 41/49 Patienten
(8 Patienten ohne Nachsorgedaten)
5
7
16
6
7
Nierenfunktion
globale Nierenfunktion normal:
41/41
rezidivierende Pyelonephritiden, Nierennarben: 6/41
Riccabona M., Lusuardi L., Beckers G., Koen M.
Blasenekstrophie-Epispadiekomplex: Management und
präliminiare Ergebnisse. Aktuell Urol 2003; 34:1–5
Vorträge
Bayrisch-Österreichischer Urologenkongress, Graz,
Mai 2001
Blasen-Ekstrophie-Epispadie-Komplex: Management und
preliminare Ergebnisse (MR)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2003
Blasen-Ekstrophie-Epispadie-Komplex: Management und
präliminare Ergebnisse (MR)
46
Phimose mit flowering sign
Ausgeprägte Phimose
Internationaler Vergleich
Kontinenz
primär rekonstruiert, ohne Zusatzeingriffe:
primär rekonstruiert, Zusatzeingriffe:
primär Mainz-Pouch-II:
derzeit noch inkontinent:
noch nicht auswertbar:
Publikationen
besteht bei 8 bis 10 % eine therapiebedürftige Phimose.
Rezidivierende Balanitiden, Lichen sklerosus (= Balanitis xerotica obliterans, BXO) oder brüske Repositionsversuche führen zu einer sekundären Narbenphimose.
Bei persistierenden Konglutinationen sind inneres und
äußeres Vorhautblatt miteinander verklebt, die Vorhaut
selbst ausreichend weit.
Man differenziert die physiologische Säuglingsphimose (beim Neugeborenen ist nur in 5 % die Vorhaut
reponibel) von der nach dem 2. bzw. 3. Lebensjahr
persistierenden kongenitalen Phimose. Peniswachstum
und intermittierende Erektionen führen zu einer langsamen Separation von Vorhaut und Glans. Bei 90 % der
3-Jährigen ist die Vorhaut retrahierbar. Im Vorschulalter
Zwischen 1992 und 2012 wurden 49 Kinder mit einem
Blasen-Ekstrophie-Epispadie-Komplex versorgt. Die
Kinder kamen aus 18 verschiedenen Ländern, 24/49 aus
Entwicklungsländern (Afghanistan, Bangladesch, Eritrea,
Ghana, Kamerun, Jemen, Ruanda).
Österreich
Definition und Inzidenz
Relative Phimose
Therapie
In den ersten drei Lebensjahren besteht keine Operationsindikation mit wenigen Ausnahmen: die symptomatische Phimose, Kinder mit rezidivierenden
Harnwegsinfekten und kongenitaler Malformation
(Harnröhrenklappe, höhergradiger Reflux etc.) und die
Wunschzirkumzision. Das ideale Alter, um ein Vorhautproblem zu lösen, ist der Zeitraum zwischen Ende des
3. Lebensjahres und Schuleintritt.
Während sich früher die Eltern in Abhängigkeit vom
Lokalbefund und persönlichen Wunsch zwischen vor­
hauterhaltendem Eingriff (dorsale Inzision, TripleInzision oder Föderl-Operation) und Zirkumzision
entschieden haben, ist heute das therapeutische Angebot um die lokale Cortisonsalbentherapie erweitert.
In einer eigenen Studie konnten wir nachweisen, dass
mit der Salbentherapie 48 % der Kinder ein operativer
Eingriff erspart wurde. Eine Zirkumzision senkt das
Risiko für einen Harnwegsinfekt um das Zehnfache
und eliminiert das Risiko für ein Peniskarzinom. Neue
wissenschaftliche Erkenntnisse haben in den letzten
Narbenphimose
3–4 Jahren unsere Therapieempfehlungen wesentlich
beeinflusst. Die Innsbrucker Kinderurologie und Dermatologie konnte gemeinsam mit unserem Krankengut
nachweisen, dass bei Kindern schon in ca. 35 % HPVViren (humanes Papilloma-Virus) im inneren Vorhautblatt nachweisbar sind. Diese Viren docken an die Dendriten der Langerhanszellen unmittelbar unter der fragilen
Schleimhaut, die im Vergleich zur Glans oder äußeren
Vorhaut nur eine dünne Keratinschicht aufweist, an.
Namhafte Infektiologen raten deshalb heute großzügig zur Zirkumzision aus medizinischer Indikation zur
Prophylaxe und Prävention von sexuell übertragbaren
Infektionen. Sie wird als Alternative zur HPV-Impfung
verstanden. Brian Morris spricht bereits 2007 von der
Zirkumzision als biomedizinischem Imperativ im 21.
Jahrhundert. Neueste Studien beweisen, dass durch
eine Zirkumzision das Infektionsrisiko für HIV um 50 %,
für HPV um 30 % und für Lichen sklerosus um 100 %
abgesenkt werden kann. Vorhautverklebungen werden
auf Wunsch nach Auftragen einer lokalanästhetischen
Salbe gelöst (Präputiolyse).
Selbsthilfegruppe Blasen-Ekstrophie, Fulda, Juli 2003
Blasen-Ekstrophie und Nierenfunktion (MR)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2009
Zur Problematik der operativen Versorgung von Kindern aus
Entwicklungsländern mit einer Blasenekstrophie (MR)
CHOP Seminar in Pediatric Urology, Salzburg, März 2012
Bladder-Cloacal Exstrophy Epispadia Complex (MR)
Alpenländisches Symposium, Leogang, März 2012
Zur Problematik der operativen Versorgung von Kindern
aus Entwicklungsländern mit einer Blasenekstrophie (MR)
47
Hypospadie
Statistik
Definition und Inzidenz
Operierte Kinder: 2002–2011
Jahr
Zirkumzision
Präputiolyse
Schnürringinzision
2002
373
27
17
2003
432
42
53
2004
265
45
13
2005
432
67
90
2006
275
45
99
2007
286
74
49
2008
355
58
54
2009
336
74
27
2010
349
86
23
2011
389
78
17
3.392
586
442
Gesamt:
Komplikationen
Jährlich zwischen 1 und 4 Sekundärnähte in Narkose
wegen Nachblutung (0,5–1,5 %)
Jährlich zwischen 0 und 5 Meatotomien wegen
Meatusstenosen (0–1,5 %)
Internationaler Vergleich
Komplikationen nach Zirkumzision:
0,2–5 % aus Handbook of Pediatric Urology (1997)
1,5 % aus Kinderurologie in Klinik und Praxis (2012)
Die Hypospadie (aus dem Griechischen: „hypo“ = unterhalb,
„spadon“ = Spalt) ist gekennzeichnet durch einen ventral
gelegenen Meatus urethrae zwischen Glans und Perine-
Hypospadieformen
Hypospader Megameatus
Subcoronare Hypospadie
In den westlichen Industrieländern hat sich die Inzidenz
von 0,4 auf 0,8 % verdoppelt, Tendenz steigend. Als Risikofaktoren werden ein mütterliches Alter >35 Jahre, vegetarische Diät in der Schwangerschaft, endocrine disruptors
(versteckte Hormone, Pestizide etc. in der Nahrung), ein
geringes Geburtsgewicht, In-vitro-Fertilisation und genetische Faktoren angegeben.
Diagnostik
Bei distalen Hypospadieformen und beidseits deszendierten Hoden ist die klinische Untersuchung ausreichend. Bei
distalen Formen mit bilateralem Hodenhochstand oder proximalen Formen mit einseitigem Kryptorchismus muss eine
Störung der sexuellen Differenzierung ausgeschlossen werden (Karyotypisierung, Hormonprofil, Genitalhautbiopsie).
Therapie
Publikationen
Klinglmaier G., Pichler R., Zelger B., Dogau H., Becker T.,
Esterbauer S., Riccabona M., Loidl W., Horninger W., Oswald J.
Prevalence of the Human Papillomavirus (HPV). Expression of
the inner prepuce in asymptomatic boys and men. World J Urol,
angenommen 2012
Vorträge
Kinderurologie im Wandel – Konsequenzen für die Praxis,
Linz, September 2006
Konservative und operative Therapie der Phimose (SW)
48
ISMH, 3. Länderkongress, Wien, Oktober 2008
Beschneidung in Österreich oder: Ist die Zeit reif? (MR)
3. Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Linz, Oktober 2008
Circumcision, Tripleincision (TB)
Kinderurologie-Update 2009, Linz, März 2009
Vorhaut erhalten oder entfernen – neues medizinisches Wissen
zum Dauerthema (MR)
um, eine dorsale Präputialschürze und eine Deviation des
Penisschaftes bei Erektion bei ausgeprägteren Hypospadieformen. Wir unterscheiden distale (70 %), mittlere (20 %)
und proximale (10 %) Varianten.
In den Siebziger- und Achtzigerjahren wurden distale Hypospadieformen nicht und proximale aufwändig in zumindest
zwei Sitzungen in einer nach Marberger modifizierten
Johansontechnik operiert. Das funktionelle Ergebnis war
wichtig, das kosmetische hatte damals wenig Bedeutung.
J. Duckett, der Doyen der amerikanischen Kinderurologie,
postulierte erstmals ein anspruchvolles Therapieziel: einen
glandulär platzierten Neomeatus, eine geschlossene Glans
und ein kosmetisches Endergebnis, das einem normalen
Penis gleichkommt. Dies sollte mit einem operativen Eingriff
um den ersten Geburtstag erreicht werden. In Abhängigkeit
von der anatomischen Ausgangsposition kamen folgende
Operationsmethoden zur Anwendung: Magpi, Mathieu,
Duckett-Onlay und Duckett-Tube. Diese Methoden wurden
Penoskrotale Hypospadie
Skrotale Hypospadie
auch bei uns in den Neunzigerjahren angewandt. Damals
erfolgte die Harnableitung über einen Blasenkatheter in
einen Urinbeutel, die Kinder wurden immobilisiert und im
Bett fixiert.
Mitte der Neunzigerjahre wurden die Operationsmethoden
weiterentwickelt. Mikroinstrumente, feinstes Nahtmaterial
und Lupenbrille wurden obligat. W. Snodgrass perfektionierte eine alte Idee: die Tubularisation der Urethralplatte mit
medianer Inzision derselben – falls nötig – und Optimierung
der Glanduloplastik.
Diese nach ihm benannte Methode wird heute auch international in der primären und in ausgewählten Fällen
der Hypospadie-Sekundärchirurgie, unabhängig von der
Meatuslage, überwiegend angewandt.
Bei sehr ausgeprägten Hypospadieformen mit starker
Peniskrümmung kommt ein zweizeitiges Verfahren zur
Anwendung: In einer ersten Sitzung erfolgen die Penisaufrichtung und der Transfer von haarloser Haut – innerem
Vorhautblatt oder Lippenschleimhaut – an die Unterseite
von Glans und Penisschaft. Im Zweiteingriff wird aus dieser
Haut eine Neourethra mittels Tubularisation rekonstruiert
(Bracka-Verfahren). Mit diesen neuen Methoden hat sich
durch die nunmehr einreihige Harnröhrennaht und das
obligate Abdecken der Neourethra mit einem präputialen
Subkutanlappen oder einem Tunica dartos – Lappen aus
dem Skrotum – die postoperative Fistelrate wesentlich
vermindert.
Urologisches Winterforum der LMU München, Tegernsee,
Februar 2012
Vorhautprobleme bei Kindern (MR)
49
OP-Zeitpunkt
Psychologisch: An eine Operation im 1. Lebensjahr
Argumente sind u. a.:
Anästhesiologisch: Geringeres Anästhesierisiko ab
dem 3. bis 6. Lebensmonat.
Pflegerisch: Ein Einjähriger lässt sich besser im Kranken-
Der Zeitraum um den ersten Geburtstag wird heute aus anästhesiologischen, psychologischen und nicht zuletzt pflegerischen Gründen als bestes Operationszeitalter angegeben.
kann sich das Kind nicht erinnern, zwischen dem 3. und
4. Lebensjahr entwickelt sich die sexuelle Identität, daher
sollte in diesem Zeitraum ein Genitaleingriff vermieden
werden.
haus managen als ein hypermobiler Drei- bis Vierjähriger.
Statistik
Hypospadieoperationsstatistik: Kinderurologie Linz (1992–2011)
Skrotale Hypospadie
Mit partieller Transposition
Anzeichnen der Inzisionslinien
Komplikationsstatistik
Operationen nach Snodgrass (2/1997–12/2003); Mean Follow-up: 42 Monate (5–71)
Primäroperation
(n = 188)
Sekundäroperation
(n = 40)
10 (5,3 %)
3 (7,5 %)
Meatusstenose
0 (0 %)
1 (2,5 %)
Harnröhrenstriktur
0 (0 %)
1 (2,5 %)
Glansdehiszenz
3 (1,5 %)
0 (0 %)
Gesamt
13 (6,9 %)
5 (12,5 %)
Komplikationen
Intraop. Erektionstest
Tubularisation der Urethralplatte
Das perioperative Management wurde laufend optimiert.
Der operative Eingriff erfolgt heute in einer Kombination
von Allgemeinanästhesie über eine Larynxmaske (ohne
Tubus) und Regionalanästhesie (Penisblock, Kaudalblock,
Epiduralkatheter je nach operativem Aufwand). Ein Kinderschmerzdienst rund um die Uhr sorgt für einen schmerzfreien Aufenthalt. Die postoperative Nachsorge erfordert
eine spezialisierte professionelle kinderurologische Pflege
mit täglicher Kontrolle der Harnableitung, des Verbandes
und die Pflege des Meatus. Im Säuglingsalter hat sich ein
Drippingstent mit Doppelwindeltechnik als Harnableitung
bewährt. Ein kurzer knickstabiler Pigtailkatheter (Linzer
Urethralstent) wird in die Blase eingebracht und über ein
in eine konventionelle Windel geschnittenes Loch ausge-
50
Endergebnis nach Korrektur der Hypospadie mittels
einzeitiger Snodgrass-Methode und Ausgleich der
penoskrotalen Transposition
leitet. Die innere Windel dient als Stuhlschutz, die äußere
Windel saugt ständig den Harn auf. Der Verzicht auf den
Harnbeutel wie auf die Fixierung ermöglicht den Eltern das
Herausnehmen des Säuglings aus dem Bett zu jeder Zeit.
Fisteln
Internationaler Vergleich
Primäroperation
Fistelrate
Distale Hypospadien 5 %
Proximale Hypospadien 10–20 %
Mephitel® -Folienverband
Doppelwindel
Sekundäroperation
12–20%
Aus: Lehrbuch Clinical Paediatric Urology: A. Belmann, L. King, S. Kramer (2002)
51
Hodenhochstand
Definition und Inzidenz
Publikationen
Riccabona M. Freier Lippenmukosatransfer in der
Hypospadiekorrektur. Urologe A 1995; 34:95 (Suppl. 1)
Riccabona M. Reconstruction or Substitution of the Pediatric
Urethra with Buccal Mucosa: Indications, Technical Aspects, and
Results. Techniques in Urology 1999; 5:133–138
Oswald J., Körner I., Riccabona M. Comparison of the
perimeatal-based flap (Mathieu) and the tubularized incized-plate
urethroplasty (Snodgrass) in primary distal hypospadias. BJU
International 2000; 85:725–727
Riccabona M. Indikationen zur Hypospadiekorrektur – welches
Verfahren bei welcher Meatuslokalisation? Urologe B 2001;
41:135–138
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie,
Hamburg, September 2000
In-situ-Tubularisation der hypospadischen Urethralplatte
(Snodgrass): Indikation, operative Details und erste Ergebnisse
bei 102 Kindern (MR)
Internationales Forum: Advances in Paediatric Urology,
Düsseldorf, September 2001
Current Techniques in Hypospadias (MR)
Europäischer Urologenkongress, Wien, März 2004
ESPU lecture: Current status and concepts in the reconstructive
surgery of genital malformations (MR)
Workshop: Dreams and Streams in Hypospadias Repair,
Heidelberg, Oktober 2004
Tubularized incised plate urethroplasty (MR)
Riccabona M., Oswald J., Koen M., Beckers G., Schrey A.,
Lusuardi L. Comprehensive Analysis of Six Years Experience in
Tubularized Incised Plate Urethroplasty and its Extended Application in Primary and Secondary Hypospadias Repair. European
Urology 2003; 44:714–719
Le 1er Congrès Maghrebin d’Urologie: ESU course on Paediatric Urology, Tunis, Februar 2005
Current status and concepts in the reconstructive surgery of genital malformations (MR)
Riccabona M. Hypospadiekorrektur nach Snodgrass: Indikationen
und Ergebnisse. Der Urologe 2007; 46:1664–1669
Bayrisch-Österreichischer Urologenkongress, Würzburg,
Mai 2005
Hypospadie-Update 2004 (MR)
Riccabona M. Aktuelle Trends in der Behandlung primärer
Hypospadien. Der Urologe 2011; 50:579–583 und Pädiatrie
hautnah 2012; 24:2–5
Vorträge
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie,
Hamburg, September 1995
Freier Lippenmukosatransfer in der Hypospadiechirurgie (MR)
Internationales Symposium für Kinderchirurgie, Obergurgl,
Jänner 1998
Mund- und Blasenschleimhaut als Harnröhrenersatz in der
kindlichen Harnröhrenchirurgie (MR)
Urologischer Workshop, Maria Alm, Jänner 1999
Neues und Bewährtes in der operativen Korrektur der
Hypospadie (MR)
2. Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Hannover, Mai 2006
Hypospadie und Fehlbildungen des Urogenitales (MR)
Internationaler Hypospadie-Workshop, Bern, August 2006
Snodgrass Procedure. Indications and Technique (MR)
Bayrisch-Österreichischer Urologenkongress, Salzburg,
Juni 2007
Genitalrekonstruktionen bei Kindern und Jugendlichen:
Hypospadie und Epispadie (TB)
Czech Urology Congress, Pilsen, Oktober 2007
TIP procedure: Indications and Technique (MR)
International Workshop, Dubai, Mai 2008
Current status and concepts in the reconstructive surgery of
genital malformations (MR)
Paediatric Urology Teaching Course, Erbil, April 2012
Operative Management of Hypospadias (MR)
Unter Hodenhochstand versteht man sämtliche Formen
nicht skrotal gelegener Hoden, z. B. infolge eines gestörten Deszensus des Hodens (primärer Hodenhochstand) oder einer vorangegangenen Leistenoperation
(sekundärer Hodenhochstand). Bei der Hodenretention
(Bauchhoden, Leistenhoden und Gleithoden) handelt es
sich um einen Arrest auf dem Weg des physiologischen
Deszensus. Bei der Hodenektopie nimmt der Hoden eine
Lage außerhalb dieses normalen Abstiegsweges ein, z. B.
epifaszial umgeschlagener Hoden. Unter Kryptorchismus
versteht man im deutschen Sprachgebrauch einen nicht
palpablen Hoden, z. B. beim Vorliegen eines Bauchhodens, einer Agenesie oder einer Atrophie (vanishing testis).
Abzugrenzen von diesen therapiebedürftigen Formen des
Hodenhochstandes ist der physiologische Pendelhoden.
Es handelt sich um eine Normvariante, bei der der Hoden
aufgrund eines ausgeprägten Kremasterreflexes zwischen
Skrotalfach und Leiste pendelt. Die Abgrenzung zum therapiebedürftigen Gleithoden kann schwierig sein. Da es in
bis zu 30 % zu einer sekundären Hodenaszension kommen
kann, sind regelmäßige klinische Kontrolluntersuchungen in
jährlichen Intervallen empfehlenswert, bis eine eindeutige
skrotale Lage des Hodens bestätigt werden kann.
Die Inzidenz des Hodenhochstandes beträgt postpartum
3 bis 5 % bei reif geborenen Knaben und bis zu 30 % bei
Frühchen. Während des ersten Lebensjahres – meist in
den ersten sechs Lebensmonaten – kann es noch zu
einem spontanen postnatalen Deszensus kommen,
sodass nach Abschluss des ersten Lebensjahres noch
bei etwa 1 % der Knaben ein Hodenhochstand vorliegt.
In 10 bis 20 % sind beide Hoden betroffen. Nach dem
ersten Lebensjahr ist nicht mehr mit einem spontanen
Deszensus zu rechnen.
Diagnostik
Die klinische Untersuchung mit Inspektion (Ausprägung
und Symmetrie der Skrotalplatte) und Palpation (Lage,
Größe und Konsistenz der Hoden insbesondere im Seitenvergleich) ist ausreichend, um die Lokalisation der Hoden
beurteilen zu können. Voraussetzungen sind allerdings
eine warme, entspannte Atmosphäre sowie warme Hände
des Untersuchers!
Eine genauere Beurteilung der Hoden (z. B. Hodenvolumen,
Parenchymechogenität, Mikrolithiasis, Begleitpathologien)
ermöglicht die Sonografie mit hochauflösenden Schallköpfen. Die Sonografie beim Kryptorchismus ist umstritten,
kann aber insbesondere bei adipösen Kindern hilfreich sein.
Darüber hinaus scheint ein maximaler Hodenlängsdurchmesser >18 mm des normal deszendierten Hodens bei unilateralem Kryptorchismus in 96 % auf eine Hodenagenesie
bzw. vanishing testis hinzuweisen. Diese Erkenntnis hat die
Strategie bei unilateralem Kryptorchismus in den letzten
Jahren beeinflusst (s. Flussdiagramm), sodass nicht mehr
bei jedem Knaben mit Kryptorchismus eine diagnostische
52
Laparoskopie durchgeführt wird. Eine Laparoskopie erfolgt
in den letzten Jahren ausschließlich bei bilateralem Kryptorchismus bzw. fehlender kontralateraler Hypertrophie.
Ein MRT oder CT zur Hodensuche ist heute aufgrund der
geringen Sensitivität und der Invasivität (Narkose, Strahlenbelastung) bei Kindern mit Kryptorchismus obsolet. Bei
beidseitig nicht tastbaren Hoden oder wenn begleitende
angeborene Fehlbildungen des Urogenitaltraktes (z. B.
Hypospadie oder Mikropenis) vorliegen, wird eine weitere
genetische und hormonelle Abklärung empfohlen.
Therapie
Das Ziel der Therapie ist es, das Risiko für potenzielle
Folgen des Hodenhochstandes, wie Infertilität, Störung
der hormonellen Hodenfunktion, Malignitätsentwicklung,
Hodentorsion sowie mögliche psychische Beeinträchtigungen, zu minimieren.
Grundsätzlich unterscheidet man zwei verschiedene
Therapieformen:
• die hormonelle Therapie und
• die chirurgische Therapie.
Beide Therapieformen haben sich seit Jahrzehnten bewährt. Betrachtet man als alleiniges Zielkriterium den Anteil
der Hoden, der durch die Therapie ins Skrotum verlagert
werden kann, so ist die operative Therapie mit 90 % Erfolgsrate der hormonellen Therapie mit maximal 20 % weit überlegen. Je höher der Hoden lokalisiert ist, desto geringer ist
darüber hinaus die Erfolgsrate der konservativen Therapie.
In den letzten Jahren sind konservative hormonelle und
chirurgische Therapie allerdings keine konkurrierenden
Verfahren, sondern sie ergänzen sich vielmehr, da gezeigt
werden konnte, dass eine frühzeitige Hormontherapie die
spätere Zeugungsfähigkeit positiv beeinflusst.
Der empfohlene Zeitpunkt des Therapiebeginns hat sich
in der Vergangenheit zunehmend ins Säuglingsalter verlagert. Entsprechend den aktuellen Empfehlungen sollte
derzeit die Therapie des Hodenhochstandes zum ersten
Geburtstag abgeschlossen sein, da ab diesem Alter mit
einer irreversiblen Keimzellschädigung zu rechnen ist.
Lebensmonate
1
2
3
4
5
Warten auf spontanen Deszensus
6
7
8
9
10 11 12
Präoperative
Hormontherapie
Operation
beendet
Aktuelle Empfehlung zum Zeitablauf der Therapie entsprechend den
interdisziplinären Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie,
der Deutschen Gesellschaft für Urologie und der Deutschen Gesellschaft
für Kinder- und Jugendmedizin, vertreten durch die Arbeitsgemeinschaft
für pädiatrische Endokrinologie
U. a. dank intensiver Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildung
steigt in den letzten Jahren der Anteil der Knaben mit Ho-
53
denhochstand, die schon im ersten Lebensjahr zur Abklärung und Einleitung einer Therapie in unserer Kinderurologischen Ambulanz vorgestellt werden. Ein Einfluss auf das
durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt der Operation lässt
sich aber leider noch nicht erkennen. Das Durchschnittsalter
liegt weiterhin unverändert bei ca. vier Jahren.
a) Hormonelle Therapie
Die Hormontherapie hat grundsätzlich zwei Ziele:
1. Anregung des Deszensus des Hodens und somit
Vermeidung einer Operation
2. V
erbesserung der Keimzellreifung und somit
Verbesserung der Fertilität
Je höher das Risiko einer Fertilitätsstörung ist – wie bei
beidseitigem Hodenhochstand, Einzelhoden, hohem
Leistenhoden oder Bauchhoden etc. –, desto dringender
sollte neben einer chirurgischen Therapie eine hormonelle
Therapie durchgeführt werden.
Berichte über inflammatorische Veränderungen am Hoden
und Induktion der Apoptose von Geschlechtszellen nach
Therapie mit HCG sowie die Notwendigkeit der intramus-
Die Behandlung eines
Knaben mit Kryptorchismus
erfolgt nach folgendem
Flussdiagramm:
kulären Gabe führten in den letzten Jahren dazu, dass
der nasalen LH-RH-Therapie der Vorrang gegeben wird.
b) Chirurgische Therapie
Bei palpablen Hoden erfolgt überwiegend eine inguinale
Freilegung mit sorgfältiger Präparation des Samenstranges, ggf. inklusive Verschluss eines offenen Proc.
vaginalis, sowie die eigentliche Fixierung des Hodens
spannungsfrei in einer skrotalen Dartostasche in kurzer Allgemeinanästhesie. U. a. durch die verbesserte
Analgesie (obligate Lokalanästhesie + NSAP) kann der
Standardeingriff bei einseitigem Befund tagesstationär
durchgeführt werden. Ein mehrtägiger stationärer Aufenthalt mit Immobilisierung der Kinder – wie früher üblich – ist
selbst bei bilateralem Eingriff heute nicht mehr notwendig.
Die in der Literatur beschriebenen Erfolgsraten liegen bei
rund 95 %. Hauptkomplikation ist die Hodenatrophie in bis
zu 1 %. Rezidivhodenhochstände treten je nach ursprünglicher Hodenlage in 2–10 % auf. Rezidivoperationen sind
anspruchsvoll und gehören in erfahrene Hände ebenso
wie die Operation hoher Leisten- oder Bauchhoden.
Ductus deferens und Testikulargefäße Abdominalhoden l.
treten in den rechten Leistenring ein, nebenbefundlich offener Proc. vaginalis.
Seit November 2010 gehört bei Patienten mit Kryptorchismus und laparoskopischem Nachweis eines Bauchhodens
neben der einzeitigen Orchidopexie nach Fowler und Stephens auch die laparoskopische Orchidopexie zum Leistungsspektrum unserer Abteilung (s. auch „Laparoskopie“).
Ductus deferens und Testikulargefäße werden dabei laparoskopisch mobilisiert, um eine skrotale Verlagerung des
Hodens zu ermöglichen, ohne die Gefäße durchtrennen zu
müssen. Bis Ende 2011 wurden sieben Bauchhoden laparoskopisch operiert. Eine endgültige Beurteilung der Methode
ist derzeit aufgrund des kurzen Follow-ups nicht möglich.
Bislang wurde kein Rezidiv bzw. keine Atrophie beobachtet.
Statistik
Patient
mit NPT
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Untersuchung
in Narkose
Orchidopexie
Hoden nicht
palpabel
Hoden oder Hodenrudiment palpabel
ing. Exploration
Typische Befunde bei diagnostischer Laparoskopie:
Bei sehr hohen Leisten- oder Bauchhoden mit kurzem
Gefäßstiel und langem Ductus deferens ergibt sich in
Einzelfällen die Notwendigkeit, die Testikulargefäße zu
durchtrennen (Fowler-Stephens-Orchidopexie/FSO bzw.
modifiziert nach Koff), um den Hoden spannungsfrei
ins Skrotum verlagern zu können. Hauptkomplikation
ist die Hodenatrophie in ca. 30 %. Um das Atrophierisiko zu senken, wurde der Eingriff ursprünglich 1959 als
zweizeitiges Verfahren beschrieben: 1. Sitzung mit offen
operativer oder laparoskopischer Unterbindung der Testikulargefäße (FSO I) und 2. Sitzung etwa sechs Monate
später mit Mobilisation des Hodens und skrotaler Fixation
(FSO II). Ungefähr seit dem Jahr 2000 wird dieser Eingriff
in unserer Abteilung einzeitig (FSO I+II) durchgeführt. Eine
retrospektive Analyse unserer Patientendaten von 1/93 bis
12/05 zeigte keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich
Hodenlage und Atrophierisiko zwischen ein- bzw. zweizeitigem Vorgehen. Die Erfolgsrate lag in beiden Gruppen
bei ca. 70 % und deckt sich somit mit den international
publizierten Daten.
kontralateraler Hoden
nicht hypertrophiert
oder bilateral NPT
kontralateraler
Hoden hypertrophiert
ing. Exploration
Laparoskopie
kein Hoden
intraabdominal
Abdominalhoden
227
197
211
163
202
201
252
200
129
135
236
212
305
309
275
FSO
11
2
1
3
1
1
3
6
1
6
3
4
7
2
7
Orchiektomie
15
16
9
10
10
10
2
3
16
3
7
7
6
7
12
Diagn.
Laparoskopie
17
14
15
9
4
8
2
6
2
4
3
2
9
6
11
Lap. Orchidopexie
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
1
6
Hodenprothese
7
4
4
0
4
0
2
3
2
1
1
2
6
5
3
Rezidivorchido­
pexie*
x
x
x
x
x
x
x
x
x
4
7
2
8
8
14
Durchschnittl.
Alter bei
Orchidopexie
x
x
x
x
x
3,8
4,4
4,3
4,1
3,8
3,8
4,0
3,9
3,5
3,8
x ... nicht ausgewertet, - ... nicht vorhanden
normaler Hoden
Patient postpubertär
Orchiektomie
54
Patient präpubertär
laparoskopische oder
offene Orchidopexie,
ggf. Fowler-Stephens.
ggf. Hoden-PE
hypoplastischer
Hoden
Samenstrangstrukturen
treten in den inneren
Leistenring
Samenstrangstrukturen
enden blind
laparoskopische
Orchiektomie
ing. Exploration
Stopp
* Rezidiveingriffe erfolgten u. a. auch nach vorangegangenen Voroperationen in anderen Abteilungen, z. B. nach Leistenherniotomie. Durchschnittlich
kommt es in der eigenen Abteilung zu 0–4 Rezidivhodenhochständen pro Jahr nach Orchidopexie. Hodenatrophien nach Standard-Orchidopexie sind
eine Seltenheit. Somit decken sich unsere Ergebnisse gut mit den international publizierten Daten (s. o.).
Retrospektive Analyse zum Vergleich der ein- vs. zweizeitigen Fowler-Stephens-Operation
bei Abdominalhoden; Zeitraum: 1/93–12/05
In diesem Zeitraum wurden an unserer Abteilung 3.036
nicht deszendierte Hoden behandelt; bei 237 (7 %) lag
ein Kryptorchismus vor. Nach diagnostischer Laparoskopie zeigten sich bei 25 Knaben 32 erhaltungswürdige
Abdominalhoden.
Erfolgsrate
Gruppe 1
Gruppe 2
zweizeitiger FSO n = 12/17
einzeitiger FSO
n = 11/15
71 %
73 %
55
Varikozele
Internationaler Vergleich
Definition und Inzidenz
• Rezidivoperationen nach Orchidopexie: 2–10 %
(Docimo 1995, Maizels 1983)
• Hodenatrophie nach Orchidopexie: 1 %
(Docimo 1995)
• Erfolgsrate nach Fowler-Stephens-Operation:
einzeitig 50–60 %, zweizeitig 70 % (Radmayr 2003)
Publikationen
Becker T. Hodenhochstand: Diagnostik und Therapie. Ein alter
Shoe(-maker)? Urologik 2005; 4:6–7
Becker T. Hodenhochstand: Diagnostik und Therapie. Ein alter
Shoe(-maker)? Jatros Pädiatrie 2005; 4:20–21
Becker T. Diagnostik und Therapie des Hodenhochstandes.
NÖGU 2009; 40:25–29
Becker T. Kryptorchismus, Hydrozele, Varikozele: Diagnostik und
Therapie. J Urol. Urogynäkol Sonderheft 5/2009; 29–30
Oswald J., Becker T. Orchidopexie: Management von Komplikationen. Urologik 2010; 5:28–29
Becker T. Der nicht tastbare Hoden. Aktuelle diagnostische und
therapeutische Strategien. Spectrum Urologie 2011; 1:10–12
Comploj E., Mian M., Koen M., Berger C., Becker T., Riccabona
M. Single- vs. two-stage Fowler-Stephens orchidopexy: Are two
operations better than one? A retrospective, single-institution
critical analysis. Curr Urol 2011; 5:12–17
Vorträge
Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und
Andrologie, Linz, November 1995
Testikuläre Fehlbildungen beim Kind (MR)
in der Pubertät in 10 %, in der Adoleszenz in 15 %,
in der andrologischen Sprechstunde bei ca. 40 % der
Patienten.
WHO-Klassifikation
Grad 0: subklinisch, nur dopplersonografisch
nachweisbar
Grad 1: palpabel bei positivem Valsalva
Grad 2: palpabel
Grad 3: palpabel und sichtbar
3. Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Linz, Oktober 2008
Erkrankungen des kindlichen Hodens (TB)
Kinderurologische Fortbildungsveranstaltung, Linz,
Oktober 2009
Diagnose, Therapie und Nachsorge der Hodenfehllage – was
kann der niedergelassene Facharzt übernehmen? (TB)
Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und
Andrologie, Linz, November 2009
Kryptorchismus, Hydrozele, Varikozele: Diagnostik und Therapie (TB)
CHOP Seminar in Pediatric Urology, American Austrian
Foundation, Salzburg, Dezember 2009
Undescended Testis: Timing and Surgery (TB)
Urologisches Winterforum Großhadern, LMU München,
Tegernsee, Jänner 2010
Kryptorchismus (MR)
(Aus: Kinderurologie in Klinik und Praxis. Stein, Beetz, Thüroff. Thieme 2012) Varikozele Grad 3 l.
21. ESPU-Kongress, Antalya, April 2010
Two-stage vs. one-stage Fowler Stephens operation (MR)
Pädiatrischer Fortbildungstag, Linz, November 1997
Hormonelle Behandlung von Hodenfehllagen und Enuresis (MR)
Arbeitskreissitzung des Arbeitskreises Kinderurologie der
Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie,
Innsbruck, Mai 2010
Management von Komplikationen nach Orchidopexie (TB)
Kinderurologie im Wandel – Konsequenzen für die Praxis,
Linz, September 2006
Konservative und operative Therapie des Hodenhochstandes
(TB)
Kinderurologischer Fortbildungsabend der Klinik und
Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum der RWTH
Aachen, Aachen, Juni 2010
Diagnostik und Therapie des Hodenhochstandes (TB)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2007
Zweizeitige vs. einzeitige Fowler-Stephens-Orchidopexie – eine
kritische retrospektive Analyse (TB)
Urologisches Winterforum Großhadern, LMU München,
Tegernsee, Jänner 2011
Erkrankungen des kindlichen Hodens (MR)
II. Pediatric Urology Club Winterforum, Stans, Jänner 2007
Two stage vs. one stage Fowler-Stephens-Orchidopexy (MR)
26. Europäischer Urologenkongress, Wien, März 2011
State-of-the-art-lecture: Undescended testis – is it worth doing
orchiopexy? (MR)
18. Kongress der ESPU, Brügge, April 2007
Two stage vs. one stage Fowler-Stephens-Orchidopexy – A Critical Retrospective Analysis (TB)
5. Länderübergreifender urologischer Lehrunterricht (LULU),
Linz, Mai 2011
Hodenhochstand (TB)
Gemeinsame Tagung der Bayerischen Urologenvereinigung
und der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und
Andrologie, Bamberg, Mai 2008
Laparoskopie in der Kinderurologie (TB)
Bayrisch-Österreichischer Urologenkongress, Klagenfurt,
Juni 2011
Leitlinien: Therapie des Hodenhochstandes (MR)
Arbeitskreissitzung des Arbeitskreises Kinderurologie der
Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie,
Linz, Juni 2008
Vanishing testis – atropher Hoden: Therapieoptionen (MR)
56
Arbeitskreissitzung des Arbeitskreises Kinderurologie der
Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie,
Linz, Juni 2008
Maldeszensus testis aus endokrinologischer Sicht (CB)
Unter einer idiopathischen Varikozele versteht man
eine Dilatation und Elongation der Vena testicularis und
der Venen des Plexus pampiniformis, DD, zu unterscheiden von einer symptomatischen Varikozele, die
durch eine renale oder retroperitoneale Raumforderung
entstehen kann.
In 90 % finden wir die Varikozele linksseitig, in 10 %
bilateral.
Unter zehn Jahren sehen wir die Varikozele selten,
CHOP Seminar in Pediatric Urology, American Austrian
Foundation, Salzburg, März 2012
Undescended Testis: Timing and Surgery (TB)
5. Urologische Sommerakademie, München, Juni 2012
Diagnostik und Therapie der Retentio testis (MR)
Die Folgen der unbehandelten Varikozele sind eine
Beeinträchtigung des Hodenwachstums und der Hodenfunktion (Sub- oder Infertilität), eine Überwärmung
des Hodens, eine Androgendeprivation, eine Akkumulation von toxischen Substanzen, ein Volumensverlust
bei 70 % der Varikozelen Grad 2 und 3 und schließlich
Fertilitätsprobleme bei 20–30 % der Adoleszenten.
Normaler rechter Hoden
Diagnostik
Palpation im Stehen und beim Pressen (Valsalva)
Ultraschall Hoden (Doppler)
Ultraschall Niere (Ausschluss einer sekundären, symptomatischen Varikozele)
Hodenvolumetrie im Seitenvergleich
Verkleinerter linker Hoden mit dilatierten Venen
Dopplersonografische Darstellung der Varikozele
Das Hodenvolumen vergrößert sich in der Pubertät von
ca. 4 auf 25 ml. Eine Größendifferenz von mehr als
2–3 ml (10–15 %) gilt als Volumenverlust.
57
Therapie
In den frühen Neunzigerjahren operierten wir die Varikozele bei Kindern laparoskopisch. Es war die Zeit, in
der die Laparoskopie auch in der Kinderurologie in
Mode kam. Wir haben diese Methode jedoch bald wieder
verlassen, da die Patienten mehr Schmerzen hatten als
konventionell Operierte. Die 3–4 Portinzisionen waren
vom kosmetischen Aspekt her kein Vorteil im Vergleich zu
einem kurzen inguinalen oder suprainguinalen Schnitt. In
der Folge wurde eine weitere Gruppe von einem inguinalen Zugang am äußeren Leistenring operiert, die Arterie
erhalten und ausschließlich die Venen durchtrennt, wie
von Ivanisevic beschrieben. Die Persistenzrate war
jedoch in dieser Gruppe mit 14 % am höchsten.
Wechselschnitt, Herausluxation des testiculären Gefäßbündels retroperitoneal, mikroskopische Durchtrennung
der Arterie und aller Venen, Erhalt der Lymphgefäße.
Diese Methode hat sich bis zum heutigen Tag bewährt.
Wir haben keine lästige Hydrozelenbildung mehr beobachtet und die Persistenzrate war gering. Die Persistenzen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit durch operative (iatrogene) Fehler bedingt, indem nicht die Vena
testicularis, sondern andere Venen (Vena epigastrica)
durchtrennt wurden. Bei der Persistenz (Rezidiv) wird
eine Phlebografie durchgeführt und das Rezidiv entweder durch Embolisation oder chirurgisch korrigiert.
Methode
58
Rezidiv/Persistenzrate (%)
Antegrade Sklerosierung (Tauber)
3–9
Retrograde Sklerosierung
9,8
Retrograde Embolisation
3,8–10
Inguinale Ligatur (Ivanisevic)
13,3
Suprainguinale Ligatur (Benardi)
29
Laparoskopie
3–7
0,8–4
Aus: EAU Guidelines 2012
Statistik
Sequenzieller Vergleich von 4 Methoden
Zeitraum: 1/1992–12/2001
Patienten:121
Alter:
12 Jahre (4–15)
4 OP-Methoden (128 Operationen):
laparoskopisch, inguinal mit Arterienerhalt, Palomo,
modifizierter Palomo
n
Rezidiv
Hydrozele
Laparoskopisch
19
2 (11 %)
1 (5 %)
Inguinal, Arterienerhalt
21
3 (14 %)
0 (0 %)
Standard Palomo
32
0 (0 %)
4 (11 %)
Modifizierter Palomo
56
1 (2 %)
0 (0 %)
Gesamt
128
6 (5 %)
5 (4 %)
Modifizierte Palomo-Technik (lymphgefäßerhaltend,
mikrochirurgisch):
172 Kinder (1998–2011), 12,5 Jahre (4–17)
Follow-up: 7 Jahre (1–13)
Operationstechnik
Mikrochirurgische Therapie
Mitte der Neunzigerjahre hatten wir dann die damals
von den Amerikanern bei Kindern favorisierte Methode
nach Palomo übernommen. Suprainguinal ca. 2 cm
oberhalb der Stelle, an der der Ductus deferens in das
Samenstrangbündel einmündet, werden Arterie, Venen und Lymphgefäße durchtrennt. In dieser Gruppe
von 32 Kindern konnten wir keine Persistenz bzw. kein
Rezidiv nachweisen, bei 12 % entwickelte sich jedoch
eine Hydrozele postoperativ. Diese Beobachtung wurde in mehreren anderen Studien bestätigt. Man nimmt
an, dass durch die Blockade des Lymphabflusses die
sekundäre, für das heranwachsende Kind optisch sehr
unangenehme Hydrozele entsteht.
In Anlehnung an die Mammachirurgen, denen es gelang, die Sentinell-Lymphknoten intraoperativ anzufärben, haben wir Lymphazurin 1 % – ein Isomer von
Patentblau –
präoperativ unter die Tunica dartos an die Lamina
parietalis der Tunica vaginalis injiziert (J. Oswald). Es
gelang in einem hohen Prozentsatz (86 %), die Lymphabflusswege des Hodens anzufärben (s. Bild). Somit
entwickelte sich an unserer Abteilung eine modifizierte
Palomo-Technik: suprainguinaler Zugang, kleiner
Internationaler Vergleich
Komplikationen:
Varikozelenpersistenz: 4/172 (2,3 %)
Hydrozele:
0/172 (0 %)
Publikationen
11. Kongress der ESPU, Tours, Juni 2000
The use of isosulfan blue to identify lymphatic vessels in the high
retroperitoneal ligation of adolescent varicocele to avoid postoperative varicocele (JO)
Oswald J., Körner I., Riccabona M. The use of isosulfan blue
to identify lymphatic vessels in high retroperitoneal ligation of
adolescent varicocele – avoiding postoperative hydrocele. BJU
International 2001; 87:502–504
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2001
Identifikation der Lymphgefäße mit Isosulfan Blue im Rahmen der
suprainguinalen Varikozelenligatur zur Vermeidung postoperativer
Hydrozelenbildung (MR)
Riccabona M., Oswald J., Lusuardi L., Koen M., Radmayr C.,
Bartsch G. Optimizing the operative treatment of boys with varicocele. Sequential comparison of four different techniques. J Urol
2003; 169:666–668
7. Symposium der AG Kinderurologie der Deutschen
Gesellschaft für Kinderchirurgie, Herne, Oktober 2011
Varikozele-Selektion der optimalen Therapie (MR)
Vorträge
38. Bayrisch-Österreichischer Urologenkongress, Nürnberg,
Juni 2012
Offene mikrochirurgische Therapie der kindlichen Varikozele.
Technik und Ergebnisse (MR)
Costamoling W., Riccabona M. Varicocele im Kindesalter: Selektion eines optimalen Therapieverfahrens? J Urol Urogynäkol 1997;
4:35–37
9. Kongress der ESPU, Salzburg, April 1998
Varicoceles in boys – selecting the optimal therapy method (MR)
59
Sexuelle Differenzierungsstörungen
Definition und Inzidenz
Störungen der Geschlechtsentwicklung (disorders of
sex development, DSD) beschreibt einen angeborenen
Zustand, in dem die Geschlechtschromosomen, die Entwicklung der Gonaden oder das anatomische Geschlecht
atypisch sind. Begriffe wie Intersex, Pseudohermaphroditismus oder Hermaphroditismus sind heute obsolet.
Bei 1:4.500 Geburten finden wir eine Störung der Geschlechtsentwicklung.
Neue Nomenklatur der Geschlechtsentwicklung (nach
Hughes et al. 2006), nachstehend die häufigsten Formen:
46, xy DSD (Pseudohermaphroditismus masculinus,
undervirilized male)
•Inkomplette (gemischte) Gonadendysgenesie
•Komplette Gonadendysgenesie
•Leydigzellhypoplasie
•Komplette Androgenresistenz
•Inkomplette Androgenresistenz
•5-alpha-Reduktase-Defekt
46, xx DSD (Pseudohermaphroditismus femininus,
virilized female)
•Adrenogenitales Syndrom (AGS)
•Transplazentare Virilisierung, exogen oder endogen
Ovotestikuläre DSD (echter Hermaphroditismus)
Diagnostik
Bei mittlerer oder hoher Einmündung verwenden wir die
Methode nach Passerini-Glazel oder die TUM-Technik
(totale Mobilisation des Sinus urogenitalis). Die kleinen
Schamlippen werden aus der Phallushaut konstruiert.
Die Klitorisreduktionsplastik erfolgt unter Schonung des
dorsalen Gefäß- und Nervenbündels, um die Durch-
Die Geburt eines Kindes mit nicht eindeutigem Geschlecht
bedarf einer zielgerichteten Abklärung und kompetenten
Elternberatung, so rasch wie möglich. Jede Form des DSD
erfordert eine interdisziplinäre Abklärung und Therapie.
Die Diagnostik beginnt mit der Anamnese (Familienanamnese, Fehlgeburten, Virilisierungserscheinungen bei der
Mutter, mütterliche Hormoneinnahme) und klinischen
Untersuchung (Penisgröße, Klitorishypertrophie, Hypospadie, palpable Gonaden). Bei Verdacht auf eine DSD
(wahrscheinlich männliches oder weibliches oder nicht
eindeutig definierbares Genitale) soll umgehend der Karyotyp bestimmt werden.
Folgende Laboruntersuchungen sind notwendig: LH, FSH,
Testosteron, Östradiol, ACTH, Kortisol, 17-Hydroxyprogesteron, Elektrolyte, ggf. HCG-Stimulationstest.
Die weitere Diagnostik umfasst je nach Befund Ultraschall,
Endoskopie, Genitogramm, diagnostische Laparoskopie
mit evtl. Probeexzisionen und eine Genitalhaut- und Referenzbiopsie für Androgenbindungsstudien.
a)
b)
blutung und Sensibilität des glandulären Gewebes zu
sichern. Die Corpora cavernosa werden bis in das
Niveau der Symphyse reseziert und die Klitoris an die
corporalen Stümpfe fixiert. Dadurch wird eine normale,
anatomiegerechte Position der Klitoris erzielt.
c)
d)
Virilisiertes weibliches Genitale: Stadium Prader 2 (a), 3 (b), 4 (c), 5 (d)
Genitogramm
Die Geschlechtszuweisung erfolgt nach sorgfältiger interdisziplinärer Abklärung unter Einbeziehung des Psychologen und Berücksichtigung des psychosozialen wie
kulturellen Umfelds gemeinsam mit den Eltern.
AGS (Prader 3) präoperativ, Vaginalanschluss an das Perineum, Präparation der Klitorishypertrophie mit Isolierung des neurovaskulären Bündels, Konstruktion
der Labia minora, Kontrollbefund nach einem Jahr
Ovotestikuläre DSD, Mosaic 47 xxy (5 %) und 46 xx (95 %), 14 Jahre männlich aufgewachsen
a)
b)
Maskulinisierende Operationen
Die Rekonstruktion beinhaltet in Abhängigkeit vom
Ausgangsbefund die Penisaufrichtung (Orthoplastik),
die Harnröhrenrekonstruktion sowie die Glanduloplastik.
Eine große Utrikuluscyste (Vagina) wird zeitgleich ent-
fernt und ein Hodenhochstand korrigiert. Präoperativ
kommt bei kleinem Genitale eine topische hormonelle
Vorbehandlung mit Dehydrotestosteronsalbe zur Anwendung.
c)
Hämatometra und Hämatosalpinx im CT (a) und laparoskopisch (b), Gynäkomastie beidseits (c)
a)
b)
c)
d)
Ausgeprägte Peniskrümmung (a), Aufrichtung (Orthoplastik) (b), perineale Hypospadie mit penoskrotaler Transposition (c), Agenesie des Penis (d)
Unreifer Hoden r.
Rudiment l.
Therapie
Feminisierungsoperationen
Ist nach vorausgegangener Diagnostik die Geschlechts­
identität geklärt und die Korrekturoperation in die weibliche Richtung vereinbart, so erfolgt diese in den ersten
Lebensmonaten. Meist werden die Vulvovaginalplastik
und Klitorisreduktionsplastik in einer Operation durch-
60
Phallus vor Therapie
Genitale nach Therapie
geführt. Die Schwierigkeit des Eingriffes hängt von der
Höhe der Einmündung der Vagina in die Urethra (Confluens) ab, je höher, desto schwieriger. Demnach kommen
unterschiedliche Korrekturoperationen zur Anwendung.
Bei sehr tiefer Einmündung (dammnahe) der Vagina
genügt meist ein Cut-back oder einfacher FortunoffLappen, um die Vagina an das Perineum anzuschließen.
e)
c)
f)
g)
Harnröhrenrekonstruktion aus Lippenschleimhaut (e), freies Transplantat (f), Entnahmestelle heilt narbenlos (g)
61
Laparoskopie
Die Laparoskopie hat in der Erwachsenenurologie seit
Jahren einen festen Platz. Z. T. erfolgen die Eingriffe
robotisch assistiert. Auch in der Kinderurologie werden laparoskopische Eingriffe schon seit Jahrzehnten
durchgeführt; anfänglich im Wesentlichen zur Diagnostik,
z. B. bei Kryptorchismus oder sexuellen Differenzierungsstörungen, erfolgen mittlerweile auch komplexe rekon­
struktive Eingriffe laparoskopisch. Die Entwicklung in der
Kinderurologie läuft allerdings nicht so rasant wie in der
Erwachsenenurologie.
46 xy DSD, 5-alpha-Reduktase-Defekt, Diagnose nach Herniotomie, ein Hoden im Bruchsack, „Geschlechtsumwandlung“ in die männliche Richtung, Situs
unmittelbar nach 2. Korrekturoperation
Wenn es zu einer Geschlechtsfestlegung gekommen ist,
sollen die notwendigen Korrekturoperationen an Zentren
mit ausreichender operativer Erfahrung sowie der notwendigen interdisziplinären Infrastruktur durchgeführt werden.
Statistik
37 Kinder mit xx DSD
Internationaler Vergleich
DSD ist selten, Langzeiterfahrungen respektive Studien
fehlen – mit Ausnahme beim AGS. Daher wären eine
sorgfältige Dokumentation und Registrierung in Österreich
und Europa im Rahmen eines zu installierenden internationalen Netzwerks anzustreben.
Davon:
• 23 AGS mit Salzverlust
• 6 AGS ohne Salzverlust
• 3 late onset AGS
Operationen:
•3
1 Klitorisreduktionsplastiken
• 29 Vulvovaginalplastiken
Komplikationen:
• 2 operierte Vaginalstenosen
• 1 intraoperative Rektumverletzung (Übernähung)
15 Kinder mit xy DSD
3 Kinder mit ovotestikulärer DSD
Vorträge
62
Große multizystisch-dysplastische Bergung des Organs über eine
Niere r.
Portstelle nach retroperitoneoskopischer
Nephrektomie
Laparoskopische Orchidopexie bei Bauchhoden
Ende 2010 erfolgte die erste laparoskopische Orchidopexie bei Bauchhoden (s. auch „Hodenhochstand“).
Laparoskopische Orchidopexie
Symposium Intersex, Linz, Februar 1997
Abklärung, Management und Nachsorge (MR)
Interfakultäres Gespräch Intersexualität, Linz, November 2004
5-alpha-Reduktase-Defekt (MR)
Kinderurologische Herbsttagung, Wien, November 2002
Die operative Behandlung des AGS (MR)
16th Annual Meeting of the Middle European Society for
Paediatric Endocrinology, Traunkirchen, November 2009
Complexity of genital reconstructive surgery in disorders of
urogenital development (MR)
Interfakultäres Gespräch, Salzburg, November 2003
Intersex – Basiskonzepte und Problemfälle (MR)
Gründe hierfür sind u. a. das relativ enge Indikationsspektrum, das Altersspektrum, damit verbunden das „Platzproblem“ und die besonderen Ansprüche an das Instrumentarium. Das Operationsspektrum der Kinderurologie umfasst
überwiegend rekonstruktive Eingriffe wie z. B. Nierenbeckenplastiken und Antirefluxplastiken. Ablative Eingriffe
bei funktionslosen Nieren sind bei Kindern sehr selten. Im
Gegensatz zur Erwachsenenurologie ist die Tumorchirurgie
im Kindesalter keine Domäne der Laparoskopie. Darüber
hinaus sind kindliche Nierentumore – Gott sei Dank – eine
Seltenheit. Derzeit sind ca. 70 % der Kinder, bei denen eine
Nierenbeckenplastik bei Subpelvinstenose erfolgt, bzw. ca.
85 % der Kinder zur Refluxoperation zum OP-Zeitpunkt jünger als zwei Jahre. Insbesondere bei kleinen Kindern sind
laparoskopische Eingriffe eine Herausforderung. Darüber
hinaus müssen sich die Ergebnisse der Laparoskopie mit
den exzellenten Ergebnissen der offen-operativen Therapieverfahren unserer Abteilung sowie den Ergebnissen
anderer minimalinvasiver Verfahren, wie z. B. der endoskopischen Ostiumunterspritzung bei vesikorenalem Reflux,
messen lassen. Die Fallzahlen laparoskopischer Eingriffe
bei Kindern sind aus diesen Gründen gering, die Lernkurve
für den Operateur insbesondere bei rekonstruktiven Eingriffen entsprechend lang.
2003 wurden in Zusammenarbeit mit den Erwachsenenurologen im Haus neben den seit Jahren etablierten
diagnostischen Laparoskopien erstmals auch laparoskopische therapeutische Eingriffe bei Kindern angeboten
und durchgeführt. V. a. handelte es sich um Nephrektomien bei funktionslosen dysplastischen Nieren bei Reflux
oder Hydronephrose sowie multizystisch-dysplastischen
Nieren, soweit indiziert. Vereinzelt erfolgten transperitoneale Nierenbeckenplastiken bei älteren Kindern mit
Subpelvinstenose oder Nierenzystenresektionen. Durch
die Zusammenarbeit konnte der Lernprozess erheblich
erleichtert und beschleunigt werden. Seit 2009 führen wir
ablative laparoskopische Eingriffe, wie Nephrektomien
bzw. Nephroureterektomien, bei funktionslosen Nierenund Nierenzystenoperationen selbständig durch. Der
Zugang erfolgt je nach Befund retroperitoneoskopisch
oder in ausgewählten Fällen (ausgeprägte retroperitoneale Verwachsungen nach Vor-OPs oder rezidivierenden
Infekten, außergewöhnliche Anatomie, wie bei Malrotation,
Hufeisenniere oder Ektopie) transperitoneal.
Abdominalhoden
Komplexe rekonstruktive Eingriffe, insbesondere Nierenbeckenplastiken, erfolgen weiterhin in enger Kooperation
mit der Erwachsenenurologie im Haus – v. a. mit OA Dr.
Reinhard Wimhofer. Ab einem Alter von ca. sechs Jahren
werden robotisch assistierte DaVinci-Nierenbeckenplas-
Intraabdomineller Situs nach Mobilisation und
Verlagerung des Hodens ins Skrotum
tiken angeboten. Die Vorteile der robotisch assistierten
Operationen, u. a. die 3-D-Visualisierung, die verbesserte Geschicklichkeit durch vermehrte Freiheitsgrade und
damit verbunden die Erleichterung schwieriger Nähte
sowie die Verkürzung der Lernkurve, liegen auf der Hand,
63
lassen sich aber derzeit in der Kinderurologie kaum
realisieren. Durch das Platzproblem bei der Positionierung der DaVinci-Trokare bei kleineren Kindern und die
sperrigen 8- und 12-mm-Instrumente ist der Einsatz der
Roboterchirurgie in der Kinderurologie auf wenige größere Kinder begrenzt. Auf eine kindgerechte Weiterentwicklung des Systems ist zu hoffen, so hat sich das Spektrum
der Instrumente für die konventionelle Laparoskopie für
Kinder in den letzten Jahren deutlich verbessert. Derzeit
erfolgen die meisten Eingriffe mit 3-mm-Instrumenten,
die nahezu keine Narben hinterlassen.
Langfristig entscheidend für den Erfolg des Verfahrens
sind allerdings Faktoren wie postoperativer Schmerzmittelverbrauch, stationäre Aufenthaltsdauer, Komplikations- bzw. Erfolgsrate des Eingriffs und nicht zuletzt
Patientenzufriedenheit.
Österreichischer Kinderärztekongress, Bregenz,
September 2006
Nationales Expertenkomitee für Geschlechtszuweisende
Operationen (MR)
Jahrestagung der Akademie der Deutschen Urologen, AK
Kinderurologie, AK Operative Techniken, Mainz, Jänner 2008
Laparoskopische Eingriffe in der Kinderurologie. Was ist sinnvoll,
was ist möglich? (MK)
Gemeinsame Tagung der Bayerischen Urologenvereinigung
und der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und
Andrologie, Bamberg, Mai 2008
Laparoskopie in der Kinderurologie (TB)
Statistik
25
Kinderurologisches Symposium, Hof, 2008
Laparoskopische Eingriffe in der Kinderurologie (MK)
20
Eingriffe/Jahr
Vorträge
15
Laparoskopische
Eingriffe insgesamt
10
5
Arbeitskreissitzung des Arbeitskreises Kinderurologie der
Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie,
Goldrain/Südtirol, April 2012
Die Zukunft der Laparoskopie in der Kinderurologie: Zwischen
Wunsch und Wirklichkeit (TB)
Diagnostische Eingriffe
Therapeutische Eingriffe
0
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Laparoskopische Eingriffe Abteilung für Kinderurologie, Linz, 1/02–6/12
Ablative Eingriffe
53
● Nephrektomie
28
● Nephroureterektomie
17
● Heminephroureterektomie
2
● Nierenzystenresektion
6
Rekonstruktive Eingriffe
27
● Nierenbeckenplastik
15 (davon 6 DaVinci)
● Orchidopexie
12
Vergleich offen-operativer und laparoskopischer Eingriffe hinsichtlich Invasivität:
Nephrektomie (NE), laparoskopische Nephrektomie (Lask-NE), Nephroureterektomie (NUE), laparoskopische
Nephroureterektomie (Lask-NUE)
Invasivität laparoskopischer Eingriffe
Abteilung für Kinderurologie, Linz, 1/02–12/07
OP-Dauer/min
Analgesie/Zusatzmedikation
KH-Aufenthaltsdauer/Tage
64
NE
Lask-NE
NUE
Lask-NUE
72,6
82,7
139,8
130,3
Standard: Kaudalkatheter und NSAR (keine Unterschiede zwischen offen-operativ und laparoskopisch)
3,5
2,5
3,5
2
65
III. Anhang
Gastprofessoren
1998 Prof. Dr. Passerini Glazel (Padua)
1999 Prof. Dr. Tom de Jong (Utrecht)
2000 Prof. Dr. Herbert Rübben (Essen)
2001 Prof. Dr. Rudolf Hohenfellner (Mainz)
2002 Prof. Dr. Arne Stenberg (Uppsala)
2003 Prof. Dr. Ala El Ghoneimi (Paris)
2004 Prof. Dr. Tony Khoury (Toronto)
2005 Prof. Dr. Ahmed Hadidi (Kairo)
2007 Prof. Dr. Radim Kocvara (Prag)
2008 Prof. Dr. Jorgen Thorup (Kopenhagen)
2008 Prof. Dr. Serdar Tekgul (Ankara)
2010 Prof. Dr. Piet Hoebeke (Gent)
2011 Prof. Dr. Wolfgang Rösch (Regensburg)
2012 Prof. Dr. Guy Bogaert (Leuven)
Gastärzte
5–6/2000 Dr. Veronika Kirchlechner (Wien, A)
7/2000 Dr. Robert de Gier (Nijmegen, NL)
7/2000 Dr. Klaus Jürgen Kiel (Regensburg, D)
9/2000 Dr. Alexander Scheidel-Petrovic (Innsbruck, A)
11/2000 Prof. Dr. Arne Stenberg (Uppsala, S)
11/2000 Prof. Dr. Armin Pycha (Bozen, I)
11/2000 Dr. Lukas Lusuardi (Bozen, I)
5/2001 Dr. Günther Jilg (Hall in Tirol, A)
8/2001 Dr. Stefan Königsberger (Regensburg, D)
12/2001 Dr. Theresa Gründler (Wien, A)
2/2002 Dr. Christian Gozzi (Brixen, I)
3/2002 Dr. Miroslav Sodek (Prag, CZ)
3/2002 Dr. Christa Fischer (St. Pölten, A)
8/2002 Dr. Romana Altenhuber (Wien, A)
9/2002 Dr. Tanja Becker (Marburg, D)
9–10/2002 Dr. Reinhard Chmelik (Steyr, A)
10/2002 Dr. Claudia Huber (Regensburg, D)
11/2002 Dr. Martin Winzely (Klagenfurt, A)
12/2002 Dr. Constant Arendt (Bern, CH)
5/2003 Dr. Thorsten Weirich (Heidenau in Sachsen, D)
6/2003 Dr. Claudia Presich (Baden bei Wien, A)
2/2004 Dr. Zaza Tschanturaia (Tiflis, GE)
2/2004 Dr. Achim Elert (Marburg, Deutschland)
10/2004 Prof. Dr. Herbert Leyh (GarmischPartenkirchen, D)
11/2004 Dr. Barbara Simmer (Hamburg, D)
12/2004 Dr. Christoph Wolfram (Amstetten, A)
1/2005 Dr. Jeanette Hoang Böhm (Mannheim, D)
2/2005 Dr. Zaza Tschanturaia (Tiflis, GE)
3/2005 Dr. Fakkris Mohamed (Erbil, IRQ)
4/2005 Dr. Anne-Karoline Ebert (Regensburg, D)
8/2005 Dr. Christoph Vergeiner (Kufstein, A)
9/2005 Dr. Christoph Auge (Kempten, D)
10/2005 Dr. Marro Ivankovic (Mostar, BIH)
10/2005 Dr. Theocharis Yiakoumos (Fulda, D)
1/2006 Dr. Thorsten Weirich (Pirna, D)
3/2006 Dr. Hartwig Schwaibold (Bristol, GB)
6/2006 Dr. Jörg Simon (Ulm, D)
9/2006 Dr. Helmut Schönauer (Steyr, A)
66
11/2006 Dr. David Brady (Lima, PE)
2/2007 Dr. Habteab Mehari (Asmara, ER)
6/2007 Dr. Ines Derflinger (Vöcklabruck, A)
6/2007 Dr. Vera Geyer (Marburg, D)
8/2007 Dr. Zaza Tschanturaia (Tiflis, GE)
10/2007 Dr. Diana Tetzlaff (Braunschweig, D)
2/2008 Dr. Chanatee Bunyaratavej (Bangkok, T)
7/2008 Dr. Markus Frimberger (München, D)
4–5/2008 Dr. Naser Hussein (Bagdad, IRQ)
9/2008 Dr. Maxim Krasnitzki (Minsk, BY)
10/2008 Dr. Bacilia Gulbahor (Duschanbe, TJ)
11/2008 Dr. Nicole Nothardt (München, D)
3/2009 Dr. Claas Bartram (Saarbrücken, D)
5–6/2009 Dr. Naser Hussein (Bagdad, IRQ)
7/2009 Dr. Albin Vandromme (Braunschweig, D)
7/2009 Dr. Achim Kraus (Brixen, I)
7/2009 Dr. Rotraud Hinterleithner (Eisenstadt, A)
12/2009 Dr. Ghadir Jaber (Dubai, UAE)
3/2010 Dr. Lena von Seggern (Düsseldorf, D)
2–3/2009 Dr. Armin Kroat (Waidhofen/Thaya, A)
8/2010 Dr. Phitsan Mahawong (Bangkok, T)
9/2010 Doz. Dr. Olaf Reichelt (Halle, D)
9–10/2010 Dr. Michaela Kugler (Hall in Tirol, A)
11/2010 Dr. Chotiranta Boonyakiet (Shane, T)
12/2010 Prof. Dr. Pawan Vasudeva (New Delhi, IND)
4/2011 Dr. Thatree Weepusavin (Lampong, T)
5/2011 Dr. Jenny Yiee (San Francisco, USA)
5/2011 Dr. Volkmar Tauber (Linz, A)
6/2011 Dr. Rebecca Bongers (Münster, D)
7/2011 Dr. Jan Bergmann (Rosenheim, D)
9/2011 Dr. Kathrin Haberecht (Braunschweig, D)
10/2011 Dr. Bernhard Haid (Feldkirch, A)
10/2011 Doz. Dr. Olaf Reichelt (Aue, D)
11/2011 Dr. Karen Czeloth (Kassel, D)
12/2011 Dr. Katrin Partsch (Wien, A)
3/2012 Dr. Dieter Rhein (Stuttgart, D)
4/2012 Dr. Abhishek Pandey (Hof, D)
7/2012 Dr. Nihad Pauls (Erbil, IRQ)
8/2012 Dr. Regina Stredele (Kassel, D)
67
Soziales Engagement
Eritreaprojekt
Das internationale Hilfsprojekt Paediatric Urology Team
Austria for Eritrea wurde 2005 ins Leben gerufen. Seither fährt das kinderurologische Team zweimal im Jahr
für je eine Woche nach Eritrea, um Kinder medizinisch
zu versorgen sowie Ärzte und Pflegepersonal vor Ort
zu schulen.
Eritrea ist ein Armenhaus am Roten Meer, am Rande Ostafrikas, aktuell stigmatisiert durch ein totalitäres Regime
nach einem jahrelangen Unabhängigkeitskrieg. Politisch
isoliert, wirtschaftlich abhängig von den Chinesen und
medizinisch auf internationale Hilfe angewiesen.
Für 4,5 Millionen Eritreer stehen gerade 190 Ärzte zur
Verfügung, die Hälfte dient militärisch an der Front zu
Äthiopien. Für die 2,5 Millionen Kinder gibt es nur drei
einheimische Kinderärzte, einen Urologen, keinen Kinderchirurgen.
Kinder- und Müttersterblichkeit sind unverhältnismäßig
groß: Nur drei bis fünf von zehn Kindern erreichen das
10. Lebensjahr, 44 von 1.000 Müttern sterben bei der
Geburt, oft als Spätfolge der genitalen Beschneidung.
Fieberhafte Harnwegsinfekte und die dort häufigen Nierensteine enden oft tödlich in Ermangelung an Antibiotika
und spezifischen Therapiemöglichkeiten. Komplexere
Fehlbildungen wie Hypospadie oder Blasenekstrophie
stigmatisieren unbehandelt die Betroffenen. Sind diese
mit einer Harninkontinenz vergesellschaftet, so sind die
Kinder vom Schulbesuch ausgeschlossen und in der
eigenen Familie zur Wertlosigkeit degradiert.
68
Im größten Spital des Landes, in der Hauptstadt Asmara, werden die Kinder in Kooperation mit der deutschen
NGO ArcheMed am International Operation Center
abgeklärt, operiert und nachbehandelt.
Diese Einsätze werden v. a. durch Charity-Aktivitäten des
Rotary-Clubs Linz-Altstadt und andere österreichische
und deutsche Rotary-Clubs finanziert.
Hinzu kommen großzügige Spenden aus dem privaten
Freundeskreis, der Bevölkerung und mehreren medizinischen Firmen. Das Krankenhaus der Barmherzigen
Schwestern Linz unterstützt die Einsätze durch Dienstfreistellung und großzügige Bereitstellung von medizinischem Verbrauchsmaterial und Medikamenten, womit
die jeweiligen Kosten für eine Einsatzwoche deutlich
abgesenkt werden können.
In einer Woche werden an fünf Operationstagen durchschnittlich 50 Kinder mit angeborenen Fehlbildungen am
Urogenitaltrakt, Verletzungen, Nieren- und Blasensteinen
operativ versorgt, die sonst keinerlei Chance auf spezifische medizinische Hilfe hätten.
Ein ebenso wichtiges Ziel ist es, einheimische Ärzte
und Schwestern schrittweise auszubilden, damit diese
in einigen Jahren ihren Kindern selbst medizinisch
helfen können und auf unsere Hilfe nicht mehr angewiesen sind.
Kinder mit sehr komplexen medizinischen Problemen,
die letztlich in Eritrea nicht oder nur mit hohem Risiko
gemanagt werden können, werden über Patenschaften
nach Linz gebracht, an unserem Krankenhaus operativ
versorgt und dann wieder in ihre Heimat überstellt. Die
dafür anfallenden Kosten werden vom Sozialfonds des
Ordens der Barmherzigen Schwestern getragen.
Die Vorarlberger Ärztin Dr. Elisabeth Neier leistet seit
Jahren in Kamerun großartige medizinische Hilfe und
hat Kinder mit komplexen urologischen Fehlbildungen zur
operativen Behandlung an unsere Abteilung vermittelt.
Unsere Instrumentarin Sr. Antje hat mehrere Monate an
deren Krankenstation hospitiert, mitgeholfen und wertvolle Erfahrungen gesammelt.
Während der 14 Einsätze von 2005 bis 2012 wurden 594
Kinder operiert und 1.948 behandelt. 28 Kinder wurden
nach Linz zur Operation gebracht.
Die niederösterreichische Kinderärztin Dr. Erika Hronicek
hat im Norden Ruandas ein kleines Spital aufgebaut und
den kleinen Maurice 2011 mit einer Blasenekstrophie
persönlich nach Linz gebracht und ihn perioperativ rund
um die Uhr im Krankenhaus mitbetreut.
Weitere Kooperationen
Über den österreichischen gemeinnützigen Verein Allianz
für Kinder mit Sitz in Steyr kommen seit vielen Jahren
regelmäßig Kinder aus Albanien zur Abklärung und operativen Versorgung an unsere Abteilung. OA Dr. Mark
Koen war mehrmals selbst vor Ort im Einsatz.
Über die deutsche NGO Hammerforum kamen Kinder
mit komplexen kinderurologischen Problemen aus dem
Jemen und Angola zur Operation nach Linz.
Die deutsche Allianz für Kinder mit Sitz in Oberhausen
bringt uns Kinder aus Afghanistan, die in Deutschland
nicht versorgt werden können.
Prim. Dr. Walter Kugler, Leiter der Urologischen Abteilung
in Steyr, ist regelmäßig im humanitären Einsatz in Ghana
und schickt uns Kinder mit Blasenekstrophie.
Die Kinderurologie hat in den 20 Jahren zahlreiche Kinder aus über 40 Ländern und vier Kontinenten betreut,
ca. ein Drittel waren soziale Aufnahmen:
Afghanistan, Ägypten, Albanien, Angola, Armenien, Bangladesch, Bolivien, Bosnien-Herzegowina,
Bulgarien, Deutschland, Eritrea, Frankreich, Ghana,
Griechenland, Indien, Irak, Italien, Jemen, Kamerun,
Kosovo, Kroatien, Kurdistan, Liechtenstein, Libyen,
Mazedonien, Pakistan, Polen, Rumänien, Russland,
Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakei, Slowenien,
Tschechien, Tunesien, Türkei, Ukraine, Ungarn,
Weißrussland, Zypern.
69
Gästebuch
Nicht nur, dass man hier herzlich aufgenommen wird,
nicht nur, dass jedwelcher Einblick gewährt wird, man
sieht hier auch allerfeinste und schwierige Chirurgie.
Tief beeindruckend ist das Gesamtbild der Kinderurologie, wenn es nur so was in Bozen gäbe.
29.11.2000 Prof. Dr. Armin Pycha, Bozen
Es war kein leichter Weg, den Sie gegangen sind; als
Pionier der ersten kinderurologischen Institution haben
Sie Zeichen gesetzt, die eine Herausforderung für viele
Kliniken darstellen. Meine allerbesten Wünsche begleiten Sie in Verbindung mit meiner Hochachtung für das
Erreichte, meinem Dank für Ihre Gastfreundschaft und
meiner Bewunderung für das Gesehene.
27.04.2002 Prof. Rudolf Hohenfellner, Mainz
Es ist eine Freude, in so einer netten und kindorientierten Abteilung zu Gast zu sein. Endlich jemand, der das
Kind in den Mittelpunkt stellt, die fachliche Kompetenz
steht eh nicht zur Debatte.
05.12.2002 Dr. Constant Arendt, Bern
What a great pleasure to work in such excellent
ambient, and to see one of the most elegant pediatric
urology departments. I hope that laparoscopy can have
its place among this elegancy.
15.05.2003 Prof. Alaa El Ghoneimi, Paris
Few times in one’s professional career one is pleasantly surprised by visiting a unit that significantly exceeds
any expectations. Pediatric Urology at Linz completely
took me by surprise. Marcus, you have built a wonderful unit. The team that surrounds you reflects your success and the quality of the presentations of your past
and present trainees bears witness to your dedication.
27.04.2003 Prof. Tony Khoury, Toronto
The choice of the team is excellent, not only in the
department but also in the operating theatre. The anaesthetist is professional and fast. The patient is almost
awake immediately after the last suture. Even the theatre
technician is very competent, professional photographer
and computer expert. I strongly recommend that many
junior doctors should come here and learn a lot.
18.03.2005 Prof. Ahmed Hadidi, Kairo
I would like to express my thanks and gratitude to Dr.
Riccabona and the Barmherzigen Schwestern hospital
staff and the Rotary Club in Linz for the wonderful hospitality and for having organized a very fruitful program.
10.02.2007 Dr. Habteab Mehari, Eritrea
The department is very well organised and the small
patients are about to forget their illness in this place.
I would like to congratulate all the paediatric urology
staff for their outstanding work and wish them and their
patients all the best.
16.02.2007 Prof. Radim Kocvara, Prag
70
I noticed that I gained a lot of knowledge more than
just an operative technique. One of them was a decision-making which reminded me of some old words that
say: “To know when to operate is more important than
to know how to operate.” Moreover, I learned how to
develop my unit when I go back to Thailand.
15.05.2007 Dr. Chanatee Bunyavatarej, Bangkok
Diese Abteilung ist wie der Donaufluss, das Wasser
im Boden, wie die Sonnenstrahlen auf Gras, wie Licht
vom Mond zur Erde, wie Sterne beleuchten die dunkelste Nacht.
02.05.2008 Dr. Naser Hussein, Bagdad
Dear Marcus, it was really a privilege to visit your impressive department and meet your charming staff. All
the best for the future.
29.08.2008 Prof. Jorgen Thorup, Kopenhagen
I have so much enjoyed visiting and seeing the magnificent organisation you achieved over the years, but
also I learned a lot and take many things home.
29.08.2008 Prof. Serdar Tekgul, Ankara
Observing your working with patients I was admired by
your sensitivity and sympathetic attitude. I’d like to say
that the culture and medicine in Linz made an unforgettable impression on me.
27.10.2008 Dr. Bakilva Gulbador, Tadschikistan
You have to be proud for having a wonderful, efficient
team … it was my pleasure working with you.
10.12.2009 Dr. Ghadir Jaber, Dubai
Thank you for the confidence given by letting me
operate challenging cases in one of the best structured
and organised departments of paediatric urology in Europe and beyond. It was an honour and felt like a warm
expression of friendship.
04.10.2010 Prof. Piet Hoebeke, Gent
I am here to visit Prof. Riccabona and his department
to learn how to establish a department. I wish a great
future and will come back again whenever possible.
09.12.2010 Prof. Pawan Vasudeva, New Delhi
You have wonderful facilities here and the efficiency of
the system should be a model for everyone. You have
inspired me with your charity work.
05.05.2011 Dr. Jenny Yiee, San Francisco
Ihr seid eine super Mannschaft, die Top-KinderurologieQualität schafft … Die Diskussionen und Operationen.
Ich glaube, wir haben „gegenseitig“ viel voneinander
gelernt. Es war eine Bestätigung unserer Freundschaft
und Zusammenarbeit.
13.01.2012 Prof. Guy Bogaert, Leuven
Kürzel der Vortragenden:
(MR) ... Marcus Riccabona
(JO) ... Josef Oswald
(TB) ... Tanja Becker
(MK) ... Mark Koen
(CD) ... Christoph Berger
(MZ) ... Mazen Zeino
(SW) ... Sonja Wakolbinger
EIN UNTERNEHMEN DER
Medizin mit Qualität und Seele
www.vinzenzgruppe.at