Master Thesis Gerd Sendlhofer - Donau

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Master Thesis Gerd Sendlhofer - Donau
Eidesstattliche Erklärung
Ich,
Gerd Sendlhofer,
geboren am 4.5.1965 in Badgastein,
erkläre,
1. dass ich meine Master Thesis selbständig verfasst, andere als die
angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst
keiner unerlaubten Hilfen bedient habe,
2. dass ich meine Master Thesis bisher weder im In- noch im Ausland in
irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe,
3. dass ich, falls die Arbeit mein Unternehmen betrifft, meine/n ArbeitgeberIn
über Titel, Form und Inhalt der Master Thesis unterrichtet und sein
Einverständnis eingeholt habe.
Salzburg, 4. Februar 2014
Seite I
Entwicklung eines standardisierten Ratingmodells
zur verbesserten Bewertung der marketing- und
organisationsspezifischen Planungen im Rahmen von
Unternehmensneugründungen.
Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Business Administration (MBA)
der Donau-Universität Krems
Department für Wirtschafts- und Managementwissenschaften
Danube Business School
im Universitätslehrgang General Management Competences
eingereicht von
Gerd Sendlhofer
Erstgutachter: Prof. Dr. Helmut Aigner
Zweitgutachterin: Helga Wannerer, MA
Salzburg, am 4. Februar 2014
Seite II
Abstract - Deutsch
Diese Master Thesis beschäftigt sich mit der Entwicklung eines Bonitätsratings auf
Basis von Softfacts für Unternehmensneugründungen im Rahmen der Vergabe von
Bankkrediten und/oder alternativen Finanzierungsformen bzw. der Gewährung von
Förderungen und der Übernahme von Haftungen.
Bedingt durch die Verschärfung der Vergaberichtlinien von Krediten an Unternehmen
seitens des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht unter den Titeln Basel II und
Basel III ist für viele Gründungsprojekte ein akuter Engpass an Mitteln zur
Fremdfinanzierung entstanden, der nur schwer zu überwinden ist.
Der Schlüssel für die ausreichende Dotation von Gründungsprojekten mit Kapital
liegt
in
der
richtigen
Mischung
von
UnternehmerInnen-Kapital,
von
außenfinanziertem Eigen- bzw. Beteiligungskapital, von übernommenen Haftungen
und der Finanzierung über Bankkredite.
Die GeberInnen von Kapital haben u.a. dabei eines gemeinsam: sie sind auf ein
umfassendes, objektives und treffergenaues Bonitätsurteil angewiesen. Das im
Rahmen dieser Arbeit entwickelte Bonitätsrating für Unternehmensneugründungen
basierend auf Softfacts erfüllt diesen Anspruch.
Seite III
Abstract - Englisch
This master‘s thesis deals with the development of a soft-facts-based credit rating for
business-startups within the context of bank lending and/or alternative forms of
financing or the awarding of grants and the assumption of guarantees.
Since the Basel Committee on Banking Supervision tightened the regulations on
lending to companies under the headings of Basel II and Basel III, there has been a
serious shortage of external financing for many startup projects, a shortage that is
difficult to overcome.
The key to ensuring sufficient capital for startup projects lies in the right mix of
venture capital, external equity capital, assumed guarantees and bank lending.
The providers of capital have one thing in common here: They rely on a
comprehensive, objective and accurate credit assessment. This is provided by the
soft-facts-based credit rating for startups that has been developed within the context
of this thesis.
Seite IV
Vorwort
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Problematik beim Bonitätsrating von
Unternehmensneugründungen und der dadurch verschärften Situation beim Zugang
zu außenfinanziertem Fremd- und Eigenkapital für Gründungsprojekte.
Ziel der Arbeit ist es, eine Ratingmethode basierend auf Softfacts zu beschreiben,
die die Gütekriterien eines gemäß der Richtlinien von Basel II entwickelten
Ratingmodells auch ohne die Einbeziehung realer Finanzdaten und Hardfacts erfüllt
und dadurch erst ein seriöses Rating von Gründungsprojekten ermöglicht.
Zum Einen möchte ich damit einen Ansatz aufzeigen, der prognostizierten
Kreditklemme für Unternehmensgründungen durch Basel II und III zu begegnen und
Wege zu finden, aussichtsreiche Projekte trotz Eigenkapitalschwäche zu finanzieren.
Zum Anderen möchte ich dem Grundsatz „Softfacts make Hardfacts“ folgend eine
Rückbesinnung auf Entrepreneurship, Gründungsvisionen und Konzeptstärken als
die wichtigsten Faktoren einer erfolgreichen Unternehmensgründung fördern.
Persönlich empfand ich den komplexen, interdisziplinären Zugang zur Lösung der
Aufgabenstellung motivierend, spannend und meiner Studienrichtung „General
Management“ würdig. Dafür möchte ich der Lehrgangsleitung, den Lehrenden und
dem BetreuerInnenteam der Master Thesis meinen besonderen Dank ausdrücken.
Für ihre fachliche Unterstützung und ihr Engagement danke ich meinem Vater als
Bankdirektor in Ruhestand und den Managements der drei Banken, die sich für ein
Interview zur Verfügung gestellt haben. Privat geht mein Dank an meine Frau Beate
für ihre Gelassenheit und allen Freunden und Freundinnen für ihre Anteilnahme.
Urheberrecht: Diese Master Thesis bietet alle Grundlagen für einen Praxis-Einsatz
bei der Erstellung Softfact-basierter Bonitätsratings. Eine gewerbliche Nutzung der
Ergebnisse meiner Arbeit, insbesondere der Ratingmethode selbst in der von mir
beschriebenen Form bleibt mir, dem Verfasser der Arbeit, vorbehalten bzw. erfordert
meine ausdrückliche Zustimmung.
Seite V
Inhaltsverzeichnis
Abstract - Deutsch ..................................................................................................... III
Abstract - Englisch..................................................................................................... IV
Vorwort ....................................................................................................................... V
Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................... VI
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen ................................................................ X
Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................. XI
1. Executive Summary ................................................................................................ 1
2. Einleitung ................................................................................................................ 3
2.1 Problemstellung und Ausgangssituation ........................................................... 3
2.2 Zielformulierung ................................................................................................ 5
2.3 Methoden .......................................................................................................... 6
2.4 Zielgruppe und AnwenderInnen ........................................................................ 7
3. Strukturierung der Arbeit......................................................................................... 8
3.1 Definitionen | Begriffsklärungen ........................................................................ 9
3.1.1 Unternehmensgründung ab einer Mindestgröße ........................................ 9
3.1.2 Finanzierung von Unternehmensneugründungen..................................... 10
3.1.3 Rating von Softfacts in Businessplänen ................................................... 10
3.1.4 Regionale Abgrenzung ............................................................................. 10
3.1.5 Begriffsdefinitionen Eigenkapital und Sicherheiten ................................... 11
3.1.6 Sonstige Begriffe ...................................................................................... 11
3.2 Aufbau der Arbeit ............................................................................................ 12
4. Unternehmensgründungen ................................................................................... 13
4.1 Theoretische Grundlagen zu Unternehmensgründungen ............................... 14
4.2 Unternehmensgründungen in der Praxis......................................................... 16
4.2.1 Überblick über den GründerInnen-Markt .................................................. 16
Seite VI
4.2.2 Scheitern von Gründungsprojekten .......................................................... 18
4.2.3 Die Gründungspraxis ................................................................................ 20
4.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensgründung............................... 23
5. Unternehmensfinanzierung................................................................................... 23
5.1 Theoretische Grundlagen zur Unternehmensfinanzierung .............................. 24
5.1.1 Übersicht Finanzierungsarten ................................................................... 24
5.1.2 Übersicht Kapitalaufbringung ................................................................... 25
5.1.3 Finanzierung im Unternehmenslebenszyklus ........................................... 28
5.1.4 Besicherung von Krediten ........................................................................ 29
5.2 Basel II und Basel III ....................................................................................... 30
5.2.1 Regeln und Auswirkungen von Basel II .................................................... 30
5.2.2 Ausblick auf Basel III ................................................................................ 32
5.3 Finanzierung von Unternehmensgründungen in der Praxis ............................ 33
5.3.1 Besonderheiten bei der Finanzierung von Gründungsprojekten............... 33
5.3.2 Die Finanzierungspraxis der Banken bei Unternehmensgründungen....... 35
5.3.3 Unterschiedliche Erwartungen im Rahmen einer Außenfinanzierung....... 36
5.4 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensfinanzierung .......................... 37
6. Das Rating von Unternehmen .............................................................................. 38
6.1 Theoretische Grundlagen zum Rating von Unternehmen ............................... 39
6.1.1 Ausgangssituation für die Entwicklung eines Bonitätsratings ................... 39
6.1.2 Segmentierungen und Datenanforderungen ............................................ 42
6.1.3 Modelle zur Bonitätsbeurteilung ............................................................... 44
6.1.4 Entwicklung und Validierung von Ratingmodellen .................................... 47
6.2 Die Praxis beim Rating von Unternehmensneugründungen ........................... 49
6.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensrating ..................................... 51
7. Aufbau des Softfact-Ratings für Unternehmensneugründungen .......................... 52
Seite VII
7.1 Grundzüge / Ausgangssituation eines Ratings von Softfacts .......................... 52
7.2 Generierung der Datenbasis ........................................................................... 53
7.2.1 Übersicht Erhebungsmethoden ................................................................ 54
7.2.2 Regeln für Daten, Analysen und Beurteilungen ........................................ 54
7.3 Übersicht über die Entwicklung einer Scoringfunktion .................................... 55
7.3.1 Entwicklungsschritte des Ratings ............................................................. 55
7.3.2 Ratingmotivation ....................................................................................... 56
7.3.3 Muster Scoringprozess ............................................................................. 57
7.3.4 Der Bewertungsablauf im Scoringmodell.................................................. 57
7.4 Übersicht Kalibrierung der Scorewerte | Validierung ....................................... 60
7.4.1 Kalibrierung der Scorewerte ..................................................................... 60
7.4.2 Validierung des Ratingmodells ................................................................. 61
7.5 Ratinghandbuch und Primärerhebungen ........................................................ 62
7.5.1 Ratinghandbuch ....................................................................................... 62
7.5.2 Primärerhebung über Hearings ................................................................ 62
7.5.3 Primärerhebung über Fragenkataloge ...................................................... 64
8. Die Hauptkategorien im Softfact-Rating ............................................................... 65
8.1 Ratingkategorie UnternehmerInnen-Profil | Personal (35%) ........................... 66
8.1.1 UnternehmerInnen-Profil (50%) ................................................................ 66
8.1.2 Personalplanung / Schlüsselpersonal (25%) ............................................ 68
8.1.3 Personalkosten (25%) .............................................................................. 70
8.2 Ratingkategorie Produkt | Markt | Marketing (35%)......................................... 71
8.2.1 Produkte (Sortiment) / Leistungen (20%) ................................................. 73
8.2.2 Der Markt / die Branche (20%) ................................................................. 74
8.2.3 Die Markteintrittsphase (20%) .................................................................. 76
8.2.4 Die mittelfristige Marketingstrategie (20%) ............................................... 78
Seite VIII
8.2.5 Ergänzende Wettbewerbsfaktoren (20%) ................................................. 79
8.3 Ratingkategorie Unternehmensorganisation | Finanzierung (30%) ................ 81
8.3.1 Unternehmensstruktur (20%) ................................................................... 82
8.3.2 Investitionsplanung / Finanzierung (40%)................................................. 84
8.3.3 Kosten- und Erlös-Vorschau | Liquidität (40%) ......................................... 85
9. Softfact-Gesamt-Rating für Unternehmensneugründungen.................................. 87
9.1 Darstellung des Ratings von Softfacts ............................................................ 88
9.1.1 Gesamtrating (1. Runde) | Zielrating (2. Runde)....................................... 88
9.1.2 Interpretationsmöglichkeiten ..................................................................... 91
9.2 Schnittstellenfunktion ...................................................................................... 92
10. Kritische Reflexion | Ausblick .............................................................................. 94
10.1 Bestätigung Arbeits-Thesen .......................................................................... 95
10.1.1 Ad These 1: Zugang zur Gründungsfinanzierung durch Bankkredite ..... 95
10.1.2 Ad These 2: Zugang zu alternativen Gründungsfinanzierungen ............. 95
10.1.3 Ad These 3: Validierungsfähigkeit des Ratingverfahrens ....................... 96
10.2 Ausblick auf die Zukunft eines Softfact-Ratings ............................................ 97
10.2.1 Formulierung der Businessszenarien ..................................................... 97
10.2.2 Rating-Software ...................................................................................... 98
10.2.3 Stärkere Einbindung von Softfacts in bestehende Bonitätsratings ......... 99
10.2.4 Absicherung privater Investitionen in realwirtschaftliche Projekte .......... 99
10.2.5 Aktuelle Weiterentwicklung des Softfact-Ratings.................................. 100
Literaturverzeichnis ................................................................................................ 101
Selbstständige Arbeiten ...................................................................................... 101
Schriftreihen und Fachzeitschriften / Sekundärliteratur ....................................... 102
Anhang: Bankeninterview ........................................................................................ A 1
Seite IX
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
Abbildung 1
Aufbau der Arbeit
13
Abbildung 2
Statistik Austria - Gründungsstatistik
17
Abbildung 3
Grundformen der Finanzierung – Finanzierungsmatrix
24
Abbildung 4
Finanzierung im Unternehmenslebenszyklus
28
Abbildung 5
Der Basel II Ansatz - Eigenkapitalanforderung
39
Abbildung 6
Architektur von Ratingverfahren
40
Abbildung 7
Beispiel Ratingurteil für langfristige Schuldverschreibungen
41
Abbildung 8
Modelle zur Bonitätsbeurteilung
45
Abbildung 9
Entwicklung eines Ratingmodells
48
Abbildung 10
Musterbeispiel Teilscoring
57
Abbildung 11
Musterbeispiel Bottom Up Zusammenfassung Scoring
58
Abbildung 12
Beispiel Übertrag eines Scores in eine Rating-Skala
60
Abbildung 13
Beispiel Darstellung Gesamt-Rating (1. Runde)
89
Abbildung 14
Beispiel Darstellung Ziel-Rating (2. Runde)
90
Tabelle 1
Schritte zur Unternehmensgründung
20
Tabelle 2
Bestandteile von Kreditzinsen
42
Tabelle 3
Bewertungsskala HIGH, MEDIUM, LOW - ZERO
58
Tabelle 4
Gesamtrating (1. Runde)
89
Tabelle 5
Zielrating (2. Runde)
90
Tabelle 6
Standardisierte Ratingergebnisse
91
Seite X
Abkürzungsverzeichnis
AfA
Abschreibung für Anlagen
AG
Aktiengesellschaft
Basel I
Eigenkapitalvereinbarung für Banken, verfasst vom Basler Ausschuss
für Bankenaufsicht, Gültig seit 1988
Basel II
erweiterte Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften
aufbauend auf Basel I, Gültig seit 2008
Basel III
modifizierte, ergänzte Regelungen aus Basel II, Umstellungsphase in
Österreich ab 1/2014 – bis 12/2018
bzw.
beziehungsweise
EPU
Ein-Personen-Unternehmen
etc.
et cetera
EZU
Einzelunternehmen
FMA
Österreichische Finanzmarktaufsicht
inkl.
inklusive
IPO
Initial Public Offering (erstmaliger Börsengang)
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
Kfz
Kraftfahrzeug
KG
Kommanditgesellschaft
KMU
Kleinere und Mittlere Unternehmen
KSV 1870
Kreditschutzverband von 1870
Mio.
Million/en
o.a.
oben angeführt
OeNB
Österreichische Nationalbank
OG
Offene Gesellschaft
SWOT
Strength – Weakness – Opportunities - Threats
u.a.
unter anderem
USP
Unique Selling Proposition
u.U.
unter Umständen
u.v.m.
und vieles mehr
vgl.
vergleiche
z.B.
zum Beispiel
für
Banken,
Seite XI
1. Executive Summary
Diese Master Thesis beschäftigt sich mit der Entwicklung eines Bonitätsratings auf
Basis von Softfacts für Unternehmensneugründungen im Rahmen der Vergabe von
Bankkrediten und/oder alternativen Finanzierungsformen bzw. der Gewährung von
Förderungen und der Übernahme von Haftungen.
Bedingt durch die Verschärfung der Vergaberichtlinien von Krediten an Unternehmen
seitens des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht unter den Titeln Basel II und
Basel III ist für viele Gründungsprojekte ein akuter Engpass an Mitteln zur
Fremdfinanzierung entstanden, der nur schwer zu überwinden ist. Besonders für
Neugründungen, die ungeachtet ihres Chancen-Potenzials im Banken-StandardRating als hochriskant geführt werden, ist die Finanzierung über Eigenkapital von
zentraler Bedeutung. Zum Einen werden Kredite in der Praxis nur bei einer
entsprechenden Eigenkapitalquote im Projekt vergeben und zum Anderen sind von
den GründerInnen Kreditsicherheiten zu bieten, die oft wiederum Eigenmittel binden.
Der Schlüssel für die ausreichende Dotierung von Gründungsprojekten mit Kapital
liegt
in
der
richtigen
Mischung
von
UnternehmerInnen-Kapital,
von
außenfinanziertem Eigen- bzw. Beteiligungskapital, von übernommenen Haftungen
und der Finanzierung über Bankkredite. Die GeberInnen von Kapital haben u.a.
dabei eines gemeinsam: sie sind auf umfassende, objektive und treffergenaue
Ratingurteile angewiesen, die die aktuelle Situation und die voraussichtliche
Entwicklung des Projektes in Bezug auf Chancen und Risiken widerspiegeln.
Die Entwicklung des GründerInnen-Bonitätsratings erfordert daher eine Eingrenzung
der
Themenbereiche
Unternehmensgründung,
Unternehmensfinanzierung
und
Unternehmensrating auf für ein Softfact-Rating relevante Parameter.
In erster Linie bietet sich ein Bonitätsrating für die Bewertung von Neugründungen
an, denen keine Hardfacts für ein Finanzrating zur Verfügung stehen und die daher
über qualitative Erfolgsfaktoren möglichst treffergenau beurteilt werden müssen.
Im Themenkomplex der Unternehmensfinanzierung ist mit dem Bonitätsrating auf die
Bedürfnisse nicht nur von Kreditinstituten, sondern auch den Ratingbedarf von
GeberInnen von Risiko- und/oder Beteiligungskapital bzw. Förderungen, von
ÜbernehmerInnen von Haftungen bzw. Bürgschaften und letztendlich möglichen
Seite 1
GesellschafterInnen Rücksicht zu nehmen. Das bedeutet, nicht nur den von Basel II
geforderten Nachweis von Ausfallswahrscheinlichkeiten eines Kredites zu erbringen,
sondern auch Potenziale und Renditechancen zu benennen.
Das Ratingmodell selbst hat auch bei ausschließlicher Verwendung von Softfacts alle
Kriterien von Basel II und III zu erfüllen, um von Banken eingesetzt, zumindest aber
in bestehende Modelle implementiert werden zu können. Trotzdem ist eine
nachvollziehbare Bewertung und eine Ergebnisdarstellung analog der etablierten
Ratingcodierungen (z.B. AAA) zu entwickeln.
Die Lösung liegt in einem qualitativen heuristischen Ratingmodell (Nutzwertanalyse)
in dem anhand von Scores (HIGH, MEDIUM, LOW - ZERO) in drei RatingHauptkategorien und mehreren Subkategorien ein möglicher Gründungserfolg
bewertet wird. Aufbauend auf eine auf ihre Plausibilität geprüfte Businessplanung
wird
die
darin
beschriebene
Unternehmensperformance
wissenschaftlich
abgeleiteten Marktszenarien und Handlungsempfehlungen gegenübergestellt.
Die Bewertung selbst erfolgt in den als Erfolgsfaktoren identifizierten Kategorien
„UnternehmerInnen-Profil
|
Personal“,
„Produkt
|
Markt
|
Marketing“
und
„Unternehmensstruktur | Finanzierung“ über die Feststellung, ob die handelnden
Personen die gestellten Aufgaben zu erfüllen imstande sind bzw. in welchem
Ausmaß die Gründungsidee und das Unternehmenskonzept Erfolgschancen bieten.
Methodisch erfolgt die Erhebung über Fragenkataloge und ein UnternehmerInnenHearing, in dem ratingrelevante Daten strukturiert erhoben werden.
Das Ergebnis ist ein eindeutiges Rating in Form eines dreistelligen Codes, die
Scores
in
den
drei
Rating-Hauptkategorien
repräsentierend
und
eine
zusammenfassende gewichtete Durchschnittsnote. Mit dieser Darstellung ist sowohl
eine standardisierte Interpretationsskala verbunden, als auch genügend Freiraum für
AnwenderInnen mit unterschiedlicher Rating-Motivation geschaffen, die ScoringSkala individuell zu kalibrieren.
Mit diesem Ergebnis sind zumindest indirekt die drei Arbeitshypothesen in Form des
erleichterten Zugangs zu Bankkrediten bzw. zu alternativen Finanzierungen und eine
mögliche Validierung nach Basel II bestätigt.
Seite 2
2. Einleitung
Eigene Erhebungen im Rahmen dieser Arbeit zur Bedeutung von Softfacts für
Unternehmensratings im Rahmen der Bonitätsprüfung von Banken haben bestätigt,
was Eisl et al 2008 in den „Grundlagen der Finanziellen Unternehmensführung“ zu
bankinternen Ratings festgestellt haben: „Das Rating besteht im Wesentlichen aus
der Beurteilung der finanziellen Hardfacts, dem Bilanzrating und der Beurteilung der
Softfacts. Im Rahmen der Bilanzratings stehen die Frage des Eigenkapitals, des
Verschuldensgrades und der Schuldentilgungsfähigkeit im Vordergrund, […]. Bei den
Softfacts werden die reine Bilanzlage ergänzende Faktoren, die indirekt Einfluss auf
die Bonität haben […], beurteilt. In der Praxis dominiert das Bilanzrating, das durch
das Rating der Softfacts meist nur in geringem Ausmaß verändert werden kann.“1
Die Ratingpraxis der Kreditinstitute bei der Vergabe von Krediten wurde unter dem
Eindruck der Banken- und Wirtschaftskrise Mitte der 2000er-Jahre durch die
Bestimmungen Basel II und Basel III seit 2007 verschärft. Damit soll eine
Verringerung des Kreditausfallsrisikos und eine Verbesserung der Eigenkapitalbasis
der Banken erreicht werden. KritikerInnen dieser Praxis befürchten jedoch, dass sich
dieses Regelwerk am GründerInnen-Markt in Form einer als „Kreditklemme“
bezeichneten Verknappung von Fremdkapital negativ auswirken wird.
Ein Ansatz kann sein, durch eine verbesserte Beurteilung von Softfacts auch
konzeptionelle und unternehmerische Faktoren in die Vergabeentscheidung von
Investitionskapital einzubinden. Dafür sind klare und einheitliche Ratingstandards zu
definieren, die es KapitalgeberInnen, wie Banken, InvestorInnen, Förderstellen oder
potenziellen GesellschafterInnen ermöglicht aussagekräftige Bewertungen der
Chancen und Risiken in Gründungsprojekten abzuleiten.
2.1 Problemstellung und Ausgangssituation
Im Rahmen der Finanzierung von Unternehmensgründungen spielt Fremdkapital,
aktuell meist in Form von Bankkrediten, eine bedeutende Rolle.
1
Eisl et al (2008): 680ff
Seite 3
Zum Einen ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Unternehmensgründungen
trotz rückläufiger Tendenz weiter auf hohem Niveau, was vom Finanzmarkt die
Bereitstellung von ausreichend Kapital zu marktseitig akzeptierten Konditionen
fordert. Zum Anderen ist ein Eintritt in teils gesättigte Märkte teuer, aber auch die
Umsetzung innovativer Gründungsprojekte ist oft mit hohen Startinvestitionen
verbunden, für die oftmals eine ausreichende Eigenkapitalbasis fehlt.
Eine bankenseitige Lösung dieser Aufgabenstellung ist angesichts der gängigen
Kreditvergabepraxis mit restriktiven Bonitätsregeln und starren Ratingverfahren nur
bedingt möglich. Die geltenden Richtlinien von Basel II und III haben auch in
Österreich aus Sicht vieler KreditwerberInnen für höhere Fremdkapitalkosten und
infolge dessen für eine Verknappung von finanzierbaren Kreditmitteln gesorgt.
Aus der Sicht der Banken wird hingegen kritisiert, dass einem durchaus vorhandenen
Volumen an Investitionskapital ein nur geringer Anteil an Eigenkapital seitens der
Unternehmen gegenübersteht. Eine Lösung der offenen Eigenkapitalfrage liegt dabei
in
Anbetracht
des
begrenzten
Privatvermögens
vieler
GründerInnen
in
außenfinanziertem Eigenkapital durch InvestorInnen. In diesem Zusammenhang wird
eine steuerliche Begünstigung von Investitionen in Unternehmensneugründungen
ebenso angeregt, wie eine offensivere und transparentere InvestorInnen-Kultur.
Besonders gefordert im Wettbewerb um Bankkredite und/oder InvestorInnen-Kapital
sind Unternehmensneugründungen, die für die gängigen Routinen bei der
Bonitätsprüfung keine realen Unternehmenszahlen (Hardfacts) bzw. Planungen auf
IST-Zahlen-Basis bereitstellen können. Dem gegenüber sind die Softfacts in den
Businessplänen der KreditwerberInnen, wenn überhaupt, ein nur nachrangiger
Bestandteil von Ratings.
Eine Erhebung bei drei österreichischen Kreditinstituten bestätigt diese Aussagen
(vgl.
Anhang):
Der
überwiegende
Teil
der
Bonitätsprüfung
bei
Neugründungsprojekten basiert auf kaum vorhandenen realen Finanzdaten des
Betriebes, der Vermögenssituation der KreditwerberInnen und auf Branchen- und
VorgängerInnen-Vergleichen. Fehlen ausreichende Hardfact-Daten, werden im Falle
einer trotzdem erteilten Bewilligung des Kreditantrages ein schlechtes Standardrating
bzw. hohe Sicherheiten seitens der KreditwerberInnen schlagend. Softfacts werden
nur fallweise in die grundsätzliche Entscheidung zur Kreditvergabe mit einbezogen.
Seite 4
Kapitalkosten
senkende
Effekte
durch
die
gute
Erfolgsaussicht
eines
Gründungsprojektes können nur in seltenen Fällen erzielt werden.
Mangels Relevanz ist die Erhebung von Softfacts seitens der Banken aktuell nur
unzureichend standardisiert. Ein Entscheidungsbeitrag derartiger Informationen liegt
meist im Ermessensspielraum einzelner KundenbetreuerInnen in Filialen bzw.
Außenstellen der Bank. Die Folge dieser Praxis ist nicht nur, dass aussichtsreiche
Projekte nicht finanziert werden, sondern auch, dass Kreditinstituten und
InvestorInnen konkrete Rendite-Chancen vorenthalten bleiben.
2.2 Zielformulierung
Zur exakteren Bewertung der Chancen und Risiken bei Unternehmensgründungen
ist eine verbesserte Analyse von Softfacts inklusive des Nachweises der Plausibilität
formulierter Marktszenarien in Businessplänen sinnvoll. Damit lässt sich im Rahmen
von Gründungsprojekten die Feststellung deren Bonität qualitativ verbessern.
Das Ziel dieser Master Thesis ist es daher, ein mögliches Ratingmodell zu
beschreiben, das eine einfache, jedoch klare Beurteilung von Softfacts im Rahmen
einer Unternehmensgründung gewährleistet. Dieses Modell soll zudem auf seine
Validierbarkeit geprüft und sofern möglich, vorbereitet werden.
Durch ein derartiges Ratingmodell soll UnternehmensgründerInnen der Zugang zu
Fremd- bzw. neuem Eigenkapital erleichtert werden. Das setzt voraus, dass
KapitalgeberInnen eine bessere Sicht auf Risiken, aber auch auf Erfolgspotenziale
und Renditechancen geboten wird, als bisher. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen
werden, die Ergebnisse des Softfact-Ratings in bestehende Ratingroutinen zu
integrieren.
Die Erreichung der formulierten Ziele kann über den Beweis folgender Thesen
nachgewiesen werden:
• Eine verbesserte Beurteilung der Softfacts bzw. der Plausibilität der
Marktszenarien in Businessplänen beeinflusst die Entscheidung von
Kreditinstituten
im
Rahmen
der
Vergabe
von
Krediten
für
Unternehmensgründungen.
Seite 5
• Eine schlüssige Beurteilung der Softfacts bzw. der Plausibilität der
Marktszenarien bei Unternehmensgründungen steigert die Chancen auf
alternative/ergänzende Finanzierungsformen zum klassischen Bankkredit.
• Die Validierung eines Ratings von Unternehmen basierend auf die
Beurteilung der Softfacts in der Businessplanung ist grundsätzlich möglich.
2.3 Methoden
Die
Basis
dieser
Arbeit
bildet
die
Auswahl
und
Aufbereitung
relevanter
wissenschaftlicher Erkenntnisse zu den drei Kernthemen Unternehmensgründung,
Unternehmensfinanzierung und Rating von Unternehmen. Ergänzt wird die Analyse
der Fachliteratur durch Einbeziehung der Praxis bei der Gründung und Finanzierung
von Unternehmen über Broschüren, Internetbeiträge und Medienberichte.
Der empirische Teil der Arbeit umfasst Interviews mit Kredit-Experten bei drei
österreichischen Regionalbanken. Die Gesprächspartner haben für die Teilnahme
am Interview die Bedingung gestellt, dass ihnen einzelne Aussagen nicht direkt
zugeordnet werden können. Im Gegenzug dazu wurde mir ein tieferer Einblick in
interne Abläufe und Vereinbarungen gewährt.
Die Befragung in Form eines strukturierten Tiefeninterviews2 erfolgte anhand eines
Leitfadens, gegliedert in vier Schlüsselfragen mit Vertiefungsfragen (vgl. Anhang):
• Die erste Schlüsselfrage beleuchtet die Rolle und die Aktivität der Banken
allgemein und der befragten Bank speziell in der GründerInnen-Szene.
• Die zweite Schlüsselfrage widmet sich der formalen Abwicklung von
Kreditanträgen durch GründerInnen und dem Ratingprozess.
• Die dritte Schlüsselfrage zielt auf die Bedeutung externer Ratings allgemein
und das Rating von Softfacts ab und erhebt die Chancen von SoftfactRatings in der Zukunft.
• Die vierte Schlüsselfrage beschäftigt sich mit den Rahmenbedingungen für
eine Gründungsfinanzierung und dem Themenbereich Basel II und III.
2
Vgl. Lechner et al (2010): 492
Seite 6
Die
für
diese
Arbeit
erstellte
Auswertung
der
Erhebungen
erfolgte
als
zusammenfassende Ergebnis-Sammlung in Form einer überblickshaften qualitativen
Inhaltsanalyse nach dem Muster einer Intensitätsanalyse3.
Die theoretische und praxisbezogene Aufbereitung der Kernthemen in der Literatur,
gemeinsam mit
den Ergebnissen der Befragungen bilden die
Basis
der
eigenständigen Themenaufarbeitung und für die Zusammenführung der Ergebnisse
in
der
Beschreibung
eines
möglichen
Ratingmodells.
Die
Ableitung
des
Ratingmodells bzw. der darin eingesetzten Erhebungs- und Beurteilungsmethoden
erfolgt deduktiv als Schlussfolgerung zu den aus der vorangegangenen Analyse
abgeleiteten Prämissen und definierten Parametern einer möglichen Problemlösung.
Aus Platzgründen wurden alle beim Aufbau des Softfact-Ratingmodells beispielhaft
genannten strategischen Analysemethoden nur überblickshaft angeführt. Details
dazu sind in der zitierten Originalliteratur nachzulesen.
2.4 Zielgruppe und AnwenderInnen
Frühzeitige
Informationen
zur
Bonität
von
Gründungsprojekten,
zu
ihrem
wirtschaftlichen Potenzial und zur Qualität der zugrundeliegenden Konzepte sind für
jene Personen von Bedeutung, die einen direkten, meist finanziellen Nutzen am
erfolgreichen Markteintritt eines Unternehmens haben. Das sind:
• die UnternehmensgründerInnen selbst zur inhaltlichen Kontrolle der eigenen
Businesspläne auf ihre Vollständigkeit und Plausibilität;
• GeberInnen von Fremdkapital: Banken, LieferantInnen und GeberInnen von
Privatdarlehen zur Bewertung der Bonität der KreditwerberInnen und zur
Festlegung von Kreditvolumina, der Kreditzinsen inkl. Risikoaufschläge und
der geforderten Sicherheiten;
• GeberInnen von Eigenkapital/Beteiligungskapital: GeberInnen von Venture
Capital, mögliche GesellschafterInnen mit Kapitalbeitrag im Unternehmen,
Förder-GeberInnen etc. zur Festlegung der Kapitalhöhe und zur Berechnung
der Renditeerwartung inklusive der Abgeltung des übernommenen Risikos;
3
Vgl. Mayring, P (2010): 15f
Seite 7
• ÜbernehmerInnen von Haftungen: BürgInnen oder öffentlich rechtliche
Körperschaften, die als gewährte Förderung die Haftung eines
Kredits
übernehmen, zur Einschätzung des Ausfallsrisikos und des möglichen
Volumens einer zu übernehmenden Haftung.
Der Informationsbedarf orientiert sich dabei nicht nur an den beiden ExtremSzenarien für die Entwicklung von Gründungsprojekten nach ihrem Markteintritt:
• Misserfolg: Ausfallsrisiko als Gefahr eines Verlustes in dem bei Scheitern der
Unternehmensgründung eingesetztes bzw. gewährtes Kapital inklusive einer
erwarteten Rendite nicht zurückgezahlt werden kann. Dieser Sichtweise
folgen vorwiegend Kreditinstitute im Rahmen ihres Kerngeschäftes.
• Erfolg: Renditepotenzial aus der Geschäftstätigkeit des Unternehmens im
Falle eines wirtschaftlich erfolgreichen Markteinstiegs bzw. einer erfolgreich
umgesetzten Wachstumsstrategie.
Zusätzlich lässt sich durch ein zusammenfassendes Rating der Softfacts auch die
Qualität
des
Gesamtkonzeptes,
der
UnternehmerInnen
und
der
Unternehmensorganisation darstellen.
3. Strukturierung der Arbeit
Durch die Eingrenzung der Themenstellung auf ein Rating von Unternehmen zum
Zeitpunkt ihrer Gründung, sind nachfolgend definierte Kernthemen nur zum Teil für
diese Arbeit relevant. Im Gegensatz zur umfassenden Unternehmensbewertung
beispielsweise im Rahmen von Mergers & Acquisitions weisen Gründungsprojekte
zum Einen eine naturgemäß begrenzte Analysebasis und zum Anderen einen
eingegrenzten Analysebedarf auf.
Damit ist die Anwendbarkeit der Ergebnisse dieser Arbeit für die Bewertung bereits
etablierter Unternehmen nur bedingt geben bzw. gefordert. Das bedeutet jedoch
nicht, dass für eine Bewertung von Unternehmen die verstärkte Einbeziehung von
Softfacts, nicht sinnvoll wäre. Im Gegenteil, eine Ausweitung der Analysepraxis auf
qualitative Erfolgsfaktoren erlaubt nachvollziehbarere Werturteile und konkretere
Planungen, als über rein quantitative Verfahren.
Seite 8
3.1 Definitionen | Begriffsklärungen
Diese Arbeit umfasst im Kern die drei Themen
• Unternehmensgründung,
• Unternehmensfinanzierung und
• Unternehmensrating,
die in den Kapiteln 4-6 beschrieben werden und die Basis zur Entwicklung des
Ratingmodells für Softfacts bilden. Infolge dazu sind auch weitere in der Arbeit
verwendete Begriffe näher erläutert.
3.1.1 Unternehmensgründung ab einer Mindestgröße
Allgemein befasst sich diese Arbeit mit der Standardisierung eines Softfact-Ratings
im Rahmen der Bonitätsprüfung bei Gründungsprojekten. Im Speziellen liegt der
Fokus auf Unternehmensneugründungen. Darunter sind Projekte mit neuen oder von
der Vergangenheit stark abweichenden Unternehmenskonzepten zu verstehen.
Gemeinsame Eigenschaft dieser Projekte ist es, dass kaum Daten für ein übliches
Finanzrating bzw. aussagekräftige Branchenvergleiche zur Verfügung stehen.
Folgende Gründungstitel sind daher in dieser Arbeit nicht berücksichtigt:
• Betriebsnachfolgen oder die Übernahme bestehender Unternehmen auf
Basis der bisherigen Geschäftstätigkeit (Fortführung durch Dritte);
• Umgründungen, z.B. Änderung der Rechtsform, Verschmelzungen und
ähnliches, sofern der Unternehmensgegenstand unverändert bleibt;
• Beteiligungsprojekte, die die Gründung des Unternehmens als Rechtskörper
zur Finanzierung bzw. Abwicklung von Projekten zum Inhalt haben.
Relevant für diese Arbeit ist hingegen jene Art an Neugründungen, die eine
Mindestgröße aufweisen. Vorwiegend die Gründung von Unternehmen mit
Beschäftigten, aber auch Kapitalgesellschaften lassen einen höheren und damit auch
maßgeblich von außen finanzierten Kapitalbedarf vermuten, als die Gründung von
klassischen Ein-Personen-Unternehmen (EPU).
Seite 9
3.1.2 Finanzierung von Unternehmensneugründungen
Erst durch die Einbindung von Softfacts in die Bonitätsbeurteilung ist ein Rating von
Unternehmensneugründungen sinnvoll umzusetzen, hingegen ist die Ratingpraxis für
etablierte Unternehmen weitgehend ausgereift und validiert.
Aus diesem Grund konzentrieren sich die Literaturanalyse und die eigenen
Erhebungen
zum
Themenkomplex
der
Unternehmensfinanzierung
auf
die
Finanzierung von Unternehmensneugründungen. Eine Einbeziehung von Aussagen
und Analysen zu bereits etablierten Unternehmen in diese Arbeit erfolgte nur dann,
wenn eine Relevanz auch für Neugründungsprojekte gegeben war.
3.1.3 Rating von Softfacts in Businessplänen
Das Rating zur Bonitätsbeurteilung auf Basis von Finanzdaten (Hardfacts) bei der
Vergabe von Krediten ist bei den österreichischen Banken schon heute gut
verankert. Die Ausgestaltung der Ratings durch die einzelnen Kreditinstitute
unterliegt neben den Richtlinien der OeNB individuellen Kriterien und unterscheidet
sich zwischen einzelnen Instituten.4 Tendenziell sind die Bonitätsurteile von Banken
jedoch vergleichbar.
Obwohl Unternehmensneugründungen ausschließlich anhand von Softfacts bewertet
werden können, ist ein Rating von Softfacts in der gängigen Bewertungspraxis nur
unzureichend eingebunden. Daher widmet sich diese Arbeit ausschließlich der
Beurteilung von Softfacts im Rahmen des Bonitätsratings, auf Hardfacts wird nicht
explizit eingegangen.
.
3.1.4 Regionale Abgrenzung
Zwar besitzen die Ausführungen in der verwendeten Fachliteratur durchaus
überregionale Gültigkeit, die inhaltliche Arbeit wurde jedoch stark an die in Österreich
geltenden Rahmenbedingungen und gepflogene Praxis angelehnt.
4
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 62ff
Seite 10
Die Ergebnisse der Arbeit sind daher nur bedingt in allen Ausprägungen auf andere
Länder bzw. Markt- und Rahmenbedingungen zu übertragen.
3.1.5 Begriffsdefinitionen Eigenkapital und Sicherheiten
Im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff Eigenkapital und Kreditsicherheiten in
unterschiedlicher Bedeutung verwendet.
• Eigenkapital Banken: Im Rahmen der Kreditvergabe wird mehrfach auf die
Unterlegung des gewährten Kredites mit Eigenkapital verwiesen. Dabei hat
die Bank
nachzuweisen, dass ein Anteil des gesamten Kreditvolumens
durch bankseitiges Eigenkapital abgesichert ist.
• Eigenkapital
Unternehmen:
Das
ist
jener
Anteil
vom
bilanzierten
Gesamtkapital eines Unternehmens, der durch die GesellschafterInnen oder
andere
Eigenkapital-GeberInnen
eingebracht
wird.
Die
errechnete
Eigenkapitalquote dient im Rahmen einer Bilanzanalyse als Hinweis auf die
Stabilität eines Unternehmens.
• Kreditsicherheiten: Als Besicherung von Krediten werden Vermögenswerte
oder verwertbare Rechte eingesetzt, die bei einem Ausfall des Kredites die
KreditgeberInnen möglichst schadlos halten sollen.
3.1.6 Sonstige Begriffe
• Softfacts: in weiterer Folge wird in dieser Arbeit unter dem Begriff Softfacts
Bezug auf alle in einem Businessplan nicht in Finanz- und Geschäftsdaten
ausgedrückten Abläufe und Planungen genommen. In erster Linie sind das:
o Informationen zu UnternehmerInnen und zum Schlüsselpersonal;
o Informationen zum Marketing mit dem Fokus auf der strategischen
Kombination von Produkten/Leistungen und dem Markt;
o Informationen zur Unternehmensorganisation und Finanzierung.
Seite 11
Die zentrale Bedeutung von Softfacts für den Unternehmenserfolg bzw.
einen Misserfolg wird durch das Schlagwort „Softfacts make Hardfacts“
5
verdeutlicht.
• Hardfacts: im Zusammenhang mit der Bonitätsprüfung im Rahmen von
Kreditvergaben umfassen die in weiterer Folge genannten Hardfacts vor
allem reale Finanz- und Leistungskennzahlen (aus Bilanzen, GuV,
Kostenrechnungsunterlagen, …) bzw. darauf aufbauende Plandaten.
In dieser Arbeit werden im Gegensatz zur banküblichen Ratingpraxis auch
Finanz-Auskunftsdaten zur privaten Schulden- und Vermögenssituation der
GründerInnen als Hardfacts definiert.
• Plausibilitäten der Businessplanungen: Die Planung des künftigen
Geschäftsverlaufes ist bei Unternehmensneugründungen nicht auf Basis von
Ist-Daten
möglich.
Daher
kommt
der
Einschätzung
der
künftigen
Geschäftsverläufe eine große Bedeutung zu. Für die Einbindung dieser
Daten in einem Ratingverfahren ist eine Überprüfung der Plandaten bzw. der
unterstellten Geschäftsverläufe auf ihre Plausibilität unerlässlich.
3.2 Aufbau der Arbeit
Nach einer detaillierten Beschreibung der Aufgaben- und Problemstellung (Kapitel 2,
3) ist ein großer Teil der Arbeit der theoretischen und praxisbezogenen Aufarbeitung
der in ein Softfact-Rating einzubeziehenden Kernbereiche gewidmet (Kapitel 4-6).
Im
Kapitel
7
werden
die
methodischen
Ansätze
für
ein
Softfact-Rating
herausgearbeitet, die im Kapitel 8 auf mögliche Analyse- und Beurteilungsinstrumentarien für die drei Rating-Hauptkategorien verdichtet werden.
Das Kapitel 9 fasst die einzelnen Ratings zu einem Gesamtrating zusammen und
beschreibt die Möglichkeiten, dieses Gesamtrating in eine übergreifende Beurteilung
des Unternehmens in Kombination mit einem Rating der Hardfacts einzubinden.
5
Vgl. < Bauer, U.: http://www.hill-international.com/Soft-Facts-drive-Hard-Facts.4113.0.html >
(12.9.2013): online
Seite 12
Die kritische Reflexion auf die Ergebnisse dieser Arbeit und ein Ausblick auf einen
künftigen
Einsatz
der
aufgezeigten
Ratingansätze
für
Softfacts
in
einem
Businessplan runden diese Arbeit ab (Kapitel 10).
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
4. Unternehmensgründungen
Die Gründungsphase eines Unternehmens, speziell die Aufbauphase vor dem
Markteintritt, ist geprägt von emotionalen Überlegungen, als deren Ergebnis die
GründerInnen die Entscheidung zur Selbstständigkeit und zur wirtschaftlichen
Eigenverantwortung inkl. der Übernahme aller unternehmerischen Risiken treffen.
Erst danach folgt die Strukturierung der Gründungsidee in Form strategischer,
organisatorischer und betriebswirtschaftlicher Rahmenbedingungen.
Dabei wird in Erfolgsfaktoren für Innovation unterschieden, die in der Literatur auch
als relevante Erfolgsfaktoren für UnternehmensgründerInnen identifiziert wurden:6
• Humankapital = Wissen, Kompetenz, Integration;
• Drang nach Freiräumen, Unabhängigkeit und Selbstständigkeit;
6
Vgl. Lechner et al (2010): 220
Seite 13
• Hingabe an die Sachaufgabe;
• als Bereitschaft zum Unternehmertum wird die Verbindung des Strebens
nach Unabhängigkeit auf Basis der gewählten Sachaufgabe bezeichnet.
Trotzdem die Fachliteratur Werte wie Innovation und Unternehmertum als
entscheidende Faktoren für erfolgreiche Unternehmensgründungen benennt, werden
diese in der Rating-Praxis eher nachrangig behandelt. Speziell bei der Vergabe von
Krediten an GründerInnen spielen diese Faktoren eine nur untergeordnete Rolle.
4.1 Theoretische Grundlagen zu Unternehmensgründungen
Die Gründung, also der Eintritt von Unternehmen in den Markt ist ebenso wie das
Ausscheiden fester Bestandteil marktwirtschaftlicher Prozesse. Sie sichert eine
Erneuerung und Innovation innerhalb sich stets verändernder Wettbewerbsstrukturen
und erschließt Potenziale für Marktwachstum und Marktveränderung.
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht stellt sich u.a. die Frage, welchen Beitrag
Unternehmensgründungen zur Lösung von Problemen am Arbeitsmarkt leisten
können und führt zu der Annahme, dass in Zukunft die Arbeitswelt wesentlich mehr
auf dem Prinzip der Selbstständigkeit aufbauen wird.7 Aus arbeitsmarktpolitischen
Aspekten leitet sich daraus die Forderung zur Schaffung einer für Unternehmen
freundlicheren wirtschaftlichen Grundhaltung ab.
Aus einzelwirtschaftlicher Sicht stellt eine Unternehmensgründung die Schaffung
einer geeigneten Organisationsstruktur für ein Überleben am Markt dar. Mit der
Gründung werden sowohl organisatorisch, als auch materiell die geeigneten
Voraussetzungen für den Eintritt in den Markt und eine nachfolgende Phase der
Wertschöpfung geschaffen.
Die erforderlichen Maßnahmen zur Unternehmensgründung umfassen:8
• eine Auseinandersetzung der GründerInnen mit dem Gesamtprojekt, von der
Entwicklung
der
Unternehmensvision
bis
hin
zu
Beschreibung
der
Potenziale, Risiken und Chancen nach einem Markteintritt;
7
8
Vgl. Lechner et al (2010): 219f
Vgl. Lechner et al (2010): 221
Seite 14
• die Planung der Unternehmensorganisation und die Formulierung der
betrieblichen Funktionen;
• die
Ermittlung
des
Investitionsvolumens
und
der
benötigten
Anstoßfinanzierung, die Definition der Finanzierungsmöglichkeiten inkl.
möglicher Förderungen und die erstmalige Ausstattung des Unternehmens
mit Kapital, Personal und Anlage- bzw. Umlaufvermögen;
• den Aufbau der inneren und äußeren Organisation – von der Rechtsform bis
zur Standortwahl;
• die Beurteilung der steuerlichen Aspekte.
Als zentrales Instrument für die umfassende Präsentation des zu gründenden
Unternehmens und seiner Leistungen bzw. für die Beurteilung und die Steuerung der
künftigen Geschäftstätigkeit dient der Businessplan. Businesspläne sollen u.a. das
Vertrauen vermitteln, dass künftige UnternehmerInnen in der Lage sind, reale
Unternehmen aufzubauen und damit im Wettbewerb zu reüssieren. Im Gegensatz
zur Darstellung eines Unternehmens durch Kennzahlen (Hardfacts), liegt das
Augenmerk bei Businessplänen vorwiegend auf der Veranschaulichung von
zukünftigen Entwicklungen auf Basis von Softfacts.
Eingesetzt werden Businesspläne, nicht nur bei Gründungsprojekten, zur
• Darstellung von Potenzialen und Formulierung von Zielen;
• Vorlage bei KapitalgeberInnen und ÜbernehmerInnen von Haftungen;
• Einreichung von Förderanträgen;
• Bewertung im Rahmen von Übernahmen, Fusionen, Expansionen etc.9
Der Businessplan sollte in der Regel von der gründenden Person selbst und nur bei
Bedarf unter Zuhilfenahme von ExpertInnen geschrieben werden.10
Zu beachten ist dabei, dass bereits bei der Erstellung des Businessplans fehlendes
unternehmerisches Knowhow bis zur seiner Umsetzung aufgeholt oder zumindest
zugekauft werden sollte. Immerhin ist fehlendes Knowhow im Rahmen einer
Beurteilung von Softfacts im Businessplan ein negativer Aspekt.
9
Vgl. Gumpetsberger, A. (2010): 201
Vgl. Leimüller, G. (2012): 85
10
Seite 15
Aufbau eines Businessplans im Überblick:11
• Executive Summary (kurze Darstellung der Gesamtsituation)
• Das Unternehmen (von der Vision zur Aufbau- und Ablauforganisation)
• Produkt oder Dienstleistung (Womit soll auf dem Markt reüssiert werden?)
• Branche und Markt (Volumina, Wettbewerb, Zielgruppe, Usancen, …)
• Vermarktung (Kommunikation, Absatzstrategien, …)
• Finanzbedarf inkl. Planrechnungen (Investitionen, Planbilanzen, …)
• GründerInnen, Management, Schlüsselpersonen (Humankapital)
• Chancen und Risiken (Planung und Bewertung)
• Umsetzungsplanung / Meilensteine
4.2 Unternehmensgründungen in der Praxis
Zu Unternehmensgründungen gibt es in Österreich zahlreiche Beratungsangebote,
die sich für ambitionierte GründerInnen als nützlich erweisen. Die tatsächliche
Umsetzung der guten Ratschläge und erprobten Konzepte verbleibt jedoch im
Verantwortungsbereich
der
GründerInnen
selbst.
Auch
wenn
nicht
jedes
Gründungsprojekt einen Businessplan benötigt, so wirkt sich sein Fehlen oft als
entscheidender Faktor bei einem Scheitern einer Unternehmensgründung aus.
4.2.1 Überblick über den GründerInnen-Markt
Unternehmensgründungen stellen allgemein, vor allem aber in der regionalen
Wirtschaft, einen wichtigen Innovations- und Wachstumsindikator dar. Die im
Rahmen der öffentlichen Berichterstattung dazu kolportierten Statistiken weisen
jedoch unterschiedliche Werte auf und sind nur schwer miteinander vergleichbar.
Daher sind die in diesem Kapitel verwendeten statistischen Daten lediglich als
Richtwerte und Trendaussagen zu verstehen.
11
Vgl. Seidler G. (2012): 98f
Seite 16
Zahlen zur Gründungsstatistik12
Die Bundesanstalt Statistik Österreich weist für das Jahr 2011 einen Wert von
insgesamt 24.103 Neugründungen von Unternehmen mit wirtschaftlicher Relevanz
aus (ohne die Gruppe „Beteiligungsgesellschaften“). Die wirtschaftliche Relevanz
begründet sich in einem Umsatz im Gründungsjahr von mindestens € 10.000,und/oder durch die Anstellung von mindestens einem/einer Beschäftigten.
Damit setzt sich auch 2011 der negative Trend bei Unternehmensgründungen fort
und weist mit dem aktuellen Wert gegenüber 2005 einen Rückgang von 15% aus.
Verteilt auf Branchen waren die meisten Unternehmensgründungen 2011 im Bereich
Handel
zu
verzeichnen
(ca.
20%
aller
Gründungen),
gefolgt
vom
Dienstleistungsgewerbe (18%) und der Gastronomie/Beherbergung (14%).
Abbildung 2: Statistik Austria Gründungsstatistik 13
Rund 68% der Unternehmensgründungen erfolgten als Ein-Personen-Unternehmen
(EPU), jeweils rund 16% entfielen auf Kapital- bzw. Personengesellschaften. Dabei
12
Vgl. < http://www.statistik.at/web_de/statistiken/unternehmen_arbeitsstaetten/
unternehmensdemografie_insgesamt/neugruendungen/index.html > (12.9.2013): online
13 Vgl. < http://www.statistik.at/web_de/statistiken/unternehmen_arbeitsstaetten/
unternehmensdemografie_insgesamt/neugruendungen/index.html > (12.9.2013): online
Seite 17
war bereits 2011 ein starker Zuwachs an Gründungen von Kapitalgesellschaften im
Vergleich zu anderen Rechtsformen festzustellen. Es wird erwartet, dass sich dieser
Trend durch die Senkung des Mindestkapitals für Gesellschaften mit beschränkter
Haftung in Österreich von € 35.000,- auf € 10.000,- weiter verstärken wird.
Die Zählungen der Wirtschaftskammer Österreichs umfassen im Gegensatz zu jener
der Statistik Austria alle Unternehmensgründungen inkl. jener von Einzel- und
Kleinstunternehmen, ungeachtet von Umsätzen und Personalstand.
Die Gesamtzahl der Gründungen in allen Branchen und Umsatzklassen lag dabei
2011 bei rund 35.100 Unternehmen – 86% davon waren Einzelunternehmen.14
Kapitalausstattung KMU » Gründungsprojekte
Die Eigenkapitalquote in den Bilanzen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
betrug laut KMU-Forschung im Zeitraum 2010/11 insgesamt 28,5%, wobei
Kleinstunternehmen mit rund 20% Eigenkapital zu 4/5 über Fremdkapital finanziert
werden.15 Gesetzt die Annahme, dass bei erfolgreicher Marktdurchdringung durch
die Tilgung von Krediten und einem steigenden Anteil an Innenfinanzierung die
Eigenkapitalquote im Unternehmen steigt, liegt der Schluss nahe, dass bereits bei
Gründung eines Unternehmens nur ein geringer Finanzierungsanteil als Eigenkapital
in der Bilanz aufscheint.
4.2.2 Scheitern von Gründungsprojekten
In einem Vergleich von Unternehmensneugründungen zu Insolvenzen von
GründerInnenprojekten durch den KSV von 1870 standen im Jahr 2010 den 37.125
Gründungen (alle Rechtsformen) 6.376 Insolvenzen gegenüber. Dabei stammten
42% aller Insolvenzen aus Gründungen, die nicht länger als 5 Jahre zurücklagen.
Als häufigste Gründe für das Scheitern von JungunternehmerInnen hat der KSV von
1870 folgende identifiziert (Auszug): 16
• mangelnde Analyse von Markt und Mitbewerbern;
14
Vgl. Oschischnig, U. (2012): 94
Vgl. < http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120917_OTS0090/
heimische-kmu-schaffen-eigenkapital-bild > (12.9.2013): online
16 Vgl. < http://www.ksv.at/KSV/1870/de/5presse/3statistiken/3gruendungen/
201109/gruenderpyramiede2010/1316510516278_110920_KSV1870_PA_
Unternehmenspyramide.pdf > (12.9.2013): online
15
Seite 18
• zu geringe kaufmännische Kenntnisse;
• unterschätzte Startkosten - zu geringes Startkapital;
• keine gesicherte Finanzierung;
• zu rasches Wachstum;
• Umsatz- statt Ertragsorientierung - zu hohe Privatentnahmen;
• fehlendes (gutes) Unternehmenskonzept (Businessplan).
In einer Erhebung bei drei österreichischen Banken (vgl. Anhang) wurden die
meisten vom KSV 1870 genannten Gründe für eine Insolvenz auch als jene Gründe
genannt, die für eine Ablehnung eines Kreditantrages ausschlaggebend waren.
In einer Übersicht zu Gründen für eine Insolvenz von Unternehmen (nicht nur
Gründungsprojekte), identifiziert der KSV von 1870 für 2011 überwiegend
Ungereimtheiten im Rahmen von Softfacts als Insolvenzursache. Fehler und
Verlustquellen
im
innerbetrieblichen
Bereich,
fehlende
Planung,
fehlender
unternehmerischer Weitblick, fehlendes Knowhow etc. sind die häufigste Ursache für
ein
Scheitern
(53%).
Fahrlässigkeit
(u.a.
fehlende
Branchenkenntnis
und
ungenügende Kenntnis des praktischen Wirtschaftslebens) wird mit 11% als
Insolvenzursache ebenso oft genannt, wie Kapitalmangel.17
Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat in einer Studie 2010 zum
Thema „Ursachen für das Scheitern junger UnternehmerInnen in den ersten fünf
Jahren ihres Bestehens“ festgestellt, dass neben Fehlern bei strategischen
Entscheidungen
auch
eine
Unterkapitalisierung
bereits
zu
Beginn
der
Geschäftstätigkeit einen bedeutenden Grund für einen Marktaustritt darstellt. Das
bedeutet,
dass
die
zu
geringe
Anfangsfinanzierung
aus
der
gängigen
Kreditvergabepraxis der Banken resultiert, die die Höhe der gewährten Kredite an
das Volumen der gebotenen Sicherheiten binden und nicht an die Chancen, die sich
aus der neu gegründeten Geschäftstätigkeit eröffnen. 18
17
Vgl. < http://www.ksv.at/KSV/1870/de/5presse/2medienarchiv/0pressemeldungen/201205/insolvenzursachen_2011/index.html > (12.9.2013): online
18 Vgl. Egeln et al (2010): VIII
Seite 19
Hier liegt der Schluss nahe, dass die Orientierung der Kreditvergabeentscheidung
seitens der Banken an der Minimierung des Ausfallsrisikos dieses durch eine
Minderdotierung des Gründungsprojektes indirekt sogar erhöht.
4.2.3 Die Gründungspraxis
In Österreich steht den GründerInnen ein dichtes Netz an Information und Beratung
seitens öffentlicher und wirtschaftsorientierter Institutionen wie dem Bund, den
Ländern und Gemeinden, die Wirtschaftskammer Österreich, Gründungsberatungen
etc. im Rahmen der Unternehmensgründung zur Verfügung.19
Im internationalen Vergleich wird u.a. die hohe Qualität der Betreuung von
Gründungsprojekten durch die Beratungsszene daran gemessen, dass in Österreich
eine signifikant höhere Überlebensrate an Gründungsprojekten nach zwei Jahren als
in Deutschland verzeichnet wird.20
Der formale Ablauf der Gründung umfasst in Österreich je nach zu gründender
Rechtsform 7 bis 11 Schritte:21
Gründungsschritt
EZU *)
OG/KG
GmbH
Gründungs-, Finanzierungs- und Rechtsberatung
X
X
X
Erklären der Neugründung bzw. Betriebsübergabe
X
X
X
X
X
Gesellschaftsvertrag
Gesellschafterbeschluss
X
Bankbestätigung
X
Firmenbucheingabe / Antrag auf Eintragung
X
X
Gewerbeanmeldung
X
X
X
Gebietskrankenkasse
X
X
X
Gewerbliche Sozialversicherung
X
X
X
Finanzamt
X
X
X
Gemeinde / Stadt
X
X
X
*) EZU = Einzelunternehmen | Tabelle 1: Schritte zur Unternehmensgründung
19
Vgl. Lechner, K. 2010: 221
Vgl. Lechner, K. 2010: 221
21 Vgl. Seidler, G. 2012: 102ff
20
Seite 20
Der Businessplan in der Praxis. Der Businessplan gilt als Schlüsseldokument im
Rahmen einer Unternehmensgründung. Zu seinen Aufgaben zählt u.a. die
Darstellung der betrieblichen Situation bzw. der Planungen zur Festlegung des
Finanzbedarfes im Rahmen der Gründung und den nachfolgenden Phasen. Dabei ist
es die Aufgabe der GründerInnen, mangels IST-Daten realistische und in ihrer
Bandbreite
plausible
Geschäftsszenarien
zu
entwerfen
und
möglichen
KapitalgeberInnen gegenüber darzustellen.
Laut der Erhebungen im Rahmen dieser Arbeit hält sich jedoch das Vertrauen der
Banken in selbstständig erarbeitete Businessplanungen in Grenzen. Die wichtigsten
Kritikpunkte richten sich darin auf folgende Details (vgl. Anhang):
• Es werden bei einem Kreditantrag nicht immer vollständig ausgearbeitete
Businesspläne vorgelegt.
• Die vorgelegten Planzahlen, insbesondere jene zur künftigen Kosten- und
Ertragssituation, sind zu euphorisch.
• Es fehlt schlichtweg an Knowhow zur: Kalkulation marktgerechter Preise,
Schätzung
von
Auslastungen,
Festlegung
des
Investitionsbedarfs,
Bemessung der UnternehmerInnen-Entlohnung, Definition von Zielgruppen,
Schätzungen von Umsätzen und Kosten.
• Es kann oft der Nutzen der Geschäftsidee für potenzielle Kunden nicht
herausgearbeitet werden, es fehlt der USP.
• Es braucht mehr unternehmerisches Handwerkszeug, beispielsweise eine
ordentliche Buchhaltung, ein Controlling, eine gute Planung, etc.
• Es
gibt
keine
UnternehmerInnentypen
mehr
-
es
gibt
zu
viele
GoldgräberInnen und zu wenige VisionärInnen.
• Es fehlt an Innovation, zu viele Gründungsprojekte sind „me too“ Angebote.
• Die UnternehmerInnen überschätzen sich - viel zu viele Geschäftsmodelle
sind auf die GründerInnen fokussiert. Anstatt operative Tätigkeiten zu
übertragen und sich der Unternehmensführung zu widmen, sehen sich die
GründerInnen als „erste SchrauberInnen im Betrieb“.
Seite 21
• Kreative Geschäftsideen ja, Kreativität bei der Vermarktung der Idee nein.“
Angesichts dieser Kritikpunkte werden Businesspläne oft nur dazu herangezogen,
sich ein grundlegendes Bild von der Gründungsidee, vom aktuellen Stand der
Vorbereitungen und vom gedanklichen Zugang der AutoInnen des Businessplans
zum jeweiligen Projekt zu machen. Businesspläne helfen vorwiegend dabei, mit einer
Bank
in
ein
Finanzierungsgespräch
zu
kommen.
Relevant
für
eine
Finanzierungszusage bzw. für die Bemessung von Sicherheiten, die Übernahme von
Risiko durch die Bank und letztendlich die Berechnung der Kreditzinsen sind sie in
den seltensten Fällen.
Sonderfall hochinnovative und Technologie-Gründungen.
Hochinnovative und/oder Technologie-Gründungen zeichnen sich in erster Linie
dadurch aus, dass mit dem der Geschäftsidee zugrunde liegenden Produkt oder
Verfahren tatsächlich unternehmerisches Neuland betreten wird. Oft handelt es sich
um Entwicklungen im Bereich der Medizin, Informationstechnologie, chemischen
Industrie, Verfahrenstechnik, etc., die lange vor einer Unternehmensgründung gezielt
gefördert und professionell begleitet werden müssen.
Zu berücksichtigen sind dabei:
• hoher, kostenintensiver Forschungs- und Entwicklungsaufwand und lange
„Time to Market“ Phase ohne Erlösaussichten;
• hohes Ausfallsrisiko;
• oft fehlende Erfahrungswerte und Benchmarks;
• hohe Gewinnaussicht im Falle eines Markterfolges.
Derartige Projekte werden nur in seltenen Fällen über einen klassischen Bankkredit
finanziert. Weder GründerInnen, noch Banken sehen sich in der Lage, das hohe
Risiko einzugehen und die lange Zeitspanne zwischen dem kapitalintensiven
Projektauftakt und einer Erlösphase zu finanzieren.
Seite 22
4.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensgründung
Aus der vorangegangenen Analyse der Fakten und Einschätzungen zur Gründung
von Unternehmen sind folgende Ansätze in das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte
Bonitätsrating anhand von Softfacts zu übernehmen:
• Zielprojekte für ein Bonitätsrating anhand von Softfacts sind im Rahmen
dieser Arbeit ausschließlich Neugründungen von Unternehmen.
• Basis für das Bonitätsrating anhand von Softfacts ist der Businessplan.
• Die bonitätsrelevante Beurteilung des Gründungsprojektes erfolgt über die
qualitativen Leistungsaspekte im Businessplan und die Überprüfung der
Plausibilität der Geschäftsszenarien bzw. die Relativierung von Plandaten.
• Zielgruppe für ein Rating anhand von Softfacts sind neben Banken auch
andere Partner im Rahmen einer Gründungsfinanzierung.
• Wichtigster Effekt eines Ratings anhand von Softfacts ist das Schaffen von
Vertrauen bei möglichen GeschäftspartnerInnen in das Potenzial einer
Geschäftsidee bzw. in die Fähigkeiten des Gründungsteams.
• Wichtigstes Ergebnis eines Ratings von Softfacts ist das Schaffen von
Fakten zu unklaren Formulierungen von Stärken und Schwächen im Projekt.
5. Unternehmensfinanzierung
„Der Begriff Finanzierung beschäftigt sich im engeren Sinn mit der Frage der
Beschaffung von ausreichend Kapital. Damit soll der unternehmerische Investitionsund
Leistungsprozess
finanziell
ermöglicht
werden.“22 Die
Kernfragen
der
Finanzierung orientieren sich dabei am Kapitalbedarf des Unternehmens, den zur
Verfügung stehenden Finanzierungsarten und letztendlich an den Kapitalkosten (z.B.
Zinsen) bzw. den Finanzierungsmodalitäten (z.B. Tilgung).
22
Eisl et al (2008): 653
Seite 23
5.1 Theoretische Grundlagen zur Unternehmensfinanzierung
5.1.1 Übersicht Finanzierungsarten
Die am weitesten verbreitete Unterscheidung von Kapital erfolgt über den
Bilanzierungsansatz nach seiner Herkunft in Eigenkapital und Fremdkapital. Ergänzt
wird diese Unterscheidung durch die Mezzanin-Finanzierung als Kapital-Mischform.
In
Bezug
auf
die
Finanzierungsquelle
unterscheidet
man
die
Begriffe
Innenfinanzierung und Außenfinanzierung:
• Die
Innenfinanzierung
erfolgt
aus
dem
Unternehmen
selbst,
wie
beispielsweise durch nicht ausgeschüttete Gewinne, Rückstellungen etc.
• Die Außenfinanzierung umfasst zufließendes Kapital, z.B. durch die
EigentümerInnen selbst, Kredit- oder Venture Capital-GeberInnen etc.
Die
Anstoßfinanzierung
von
Unternehmensneugründungen
erfolgt,
da
eine
Innenfinanzierung eine aufrechte Geschäftstätigkeit voraussetzt, ausschließlich über
die Außenfinanzierung durch Eigen- oder Fremdkapital.
Abbildung 3: „Grundformen der Finanzierung – Finanzierungsmatrix“ 23
23
Eisl et al (2008): 655
Seite 24
Eine
wichtige
ausgewogenen
Frage
bei
Verhältnis
Unternehmensbilanz.
Die
der
Unternehmensfinanzierung
zwischen
goldene
Eigen-
und
Finanzierungsregel
stellt
Fremdkapital
besagt,
sich
zum
in
der
langfristiges
Anlagevermögen möglichst durch Eigenkapital oder langfristiges Fremdkapital zu
finanzieren und auch die Dauer der Kapitalüberlassung (z.B. Kreditlaufzeit) mit der
Nutzungsdauer des Anlagegutes abzustimmen.24
Die Vorteile eines möglichst hohen Anteils an Eigenkapitalfinanzierung liegen in
• der verbesserten Liquidität durch fehlende Tilgungsverpflichtungen und
fehlende Kapitalkosten in Form von Fremdkapitalzinsen;
• der nicht erforderlichen Belehnung von teils privaten Vermögensteilen zur
Besicherung von Krediten;
• der
weitgehenden
Unabhängigkeit
bei
Unternehmensentscheidungen,
entfallen doch Möglichkeiten der Einflussnahme durch die GläubigerInnen.
Der Vorteil von Fremdkapital liegt zum überwiegenden Teil in seiner Verfügbarkeit,
wenn für den aktuellen Kapitalbedarf kein Eigenkapital vorhanden oder frei ist.
Beteiligungs- und Risikokapital z.B. von Venture Capital-GeberInnen zählen bilanziell
zum Eigenkapital des Unternehmens. Derartige Finanzierungsformen weisen oft die
genannten Vorteile der Eigenkapital-Finanzierung nicht auf.
Positive Aspekte von Beteiligungs- und Risikokapital sind in der Regel die Vergabe
auch an investitionsintensive Gründungsprojekte und das oft eingebrachte Knowhow
seitens der KapitalgeberInnen (z.B. Business Angels).
5.1.2 Übersicht Kapitalaufbringung
Finanzierung durch EigentümerInnen: diese stellen dem Unternehmen dauerhaft
Kapital zur Verfügung und übernehmen das unternehmerische Risiko. Dafür
erwarten sie eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals und fallweise,
sofern nicht selbst im operativen Management eingebunden, Einfluss auf die
Unternehmensführung.25
24
25
Vgl. Eisl et al (2008): 684
Vgl. Dillerup, R. / Stoi, R. (2011): 85
Seite 25
EigentümerInnen können sein:
• EinzelunternehmerInnen
• GesellschafterInnen in Personen- oder Kapitalgesellschaften
• Stille GesellschafterInnen (ohne Mitspracherechte)
• AktionärInnen
Klassisches Fremdkapital: GeberInnen von Fremdkapital haben in der Regel die
Rückzahlung des gewährten Kapitals vereinbart und erhalten darauf eine
entsprechende Verzinsung inkl. Risikoabgeltung. Sie haben je nach vertraglicher
Vereinbarung Rechte im Unternehmen (z.B. aus der Besicherung eines Kredites).
FremdkapitalgeberInnen können sein:
• Kreditinstitute oder private/gewerbliche/institutionelle DarlehensgeberInnen
• LieferantInnen (z.B. durch Stundung)
• KundInnen und AbnehmerInnen (z.B. durch Vorauszahlung)
• ZeichnerInnen von Unternehmensanleihen
Private Equity Investments: Dabei handelt es sich um Unternehmensbeteiligungen
als Veranlagung von Risikokapital mit dem Ziel, an den laufenden Renditechancen
eines Unternehmens teilzuhaben und/oder über einen späteren Verkauf von
Unternehmensanteilen möglichst hohe Gewinne zu erzielen (Exit Strategie).26
GeberInnen von Private Equity sind:
• Business Angels: Das sind meist erfahrene UnternehmerInnen, die sich im
Rahmen von Unternehmensgründungen finanziell in Form von Eigenkapital
beteiligen und gleichzeitig die ExistenzgründerInnen mit Knowhow und
Kontakten unterstützen.27
• Venture-Capital umschreibt Risiko- oder Wagniskapital als außerbörsliches
Beteiligungskapital an als besonders riskant geltenden Unternehmungen.28
Das hohe Risiko derartiger Finanzierungen liegt darin, dass das finanzierte
Unternehmen zum frühen Zeitpunkt der Investition noch keine Gewinne
26
Vgl. De Micco, L. (2011): 23f
Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Business_Angel > (12.9.2013): online
28 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Risikokapital > (12.9.2013): online
27
Seite 26
erwirtschaftet. Der Einstieg ist zwar noch günstig, die Renditen im Erfolgsfall
sind hingegen überdurchschnittlich. Der Exit von Venture-Capital-GeberInnen
erfolgt oft über einen Börsengang bzw. Merger-Transaktionen.29
• Mezzanin-Kapital ist bilanziell ausgewiesenes Eigenkapital, das in Form
eines nachrangigen Darlehens seitens der GeberInnen dem Betrieb
zugeführt wird. Dadurch bleibt das Kapital steuerlich abzugsfähig.30
• Weitere Formen von Private Equity sind Buy-Out Investitionen und
Turnaround-Finanzierungen, die vornehmlich auf bestehende Unternehmen
im Falle der Übernahme bzw. in Krisensituationen angewendet werden.31
Übernahme von Kosten und Risiken spielen sowohl direkt als auch indirekt bei der
Finanzierung von Unternehmensgründungen eine bedeutende Rolle.
• Die Kreditbürgschaft ist die am meisten verbreitete Form eines indirekten
Beitrages zur Finanzierung einer Unternehmensneugründung meist durch
private PartnerInnen der Gründungspersonen.
• Förderinstitutionen unterstützen UnternehmensgründerInnen in der Regel
durch Darlehen oder Zuschüsse zum Eigenkapital oder durch die
Übernahme von Haftungen gegenüber Banken im Falle eines Kreditausfalls.
Die wichtigsten Förderinstitutionen und Projekte in Österreich sind in der
Förderdatenbank der Wirtschaftskammer Österreich aufgelistet.32
Schwarmfinanzierungen
(Crowdfunding)
bezeichnet
die
Finanzierung
von
Projekten durch eine Vielzahl von KapitalgeberInnen im Rahmen einer breit
angelegten Finanzierungsaktion. Derartige Aktionen werden meist im Internet und
über kleinere Beiträge abgewickelt. Im Rahmen von Unternehmensgründungen hat
sich der Begriff „Crowdinvesting“ oder „Equity Based Crowdfunding“33 für
kapitalintensive Startup-Projekte mit dem Recht auf eine spätere Gewinnbeteiligung
oder die Veräußerung der Geschäftsanteile etabliert.
29
Vgl. De Micco, L. (2011): 29ff
Vgl. De Micco, L. (2011): 32f
31 Vgl. De Micco, L. (2011): 33ff
32 Vgl. < http://portal.wko.at/wk/foe_suche.wk? > (12.9.2013): online
33 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Crowdfunding > (12.9.2013): online
30
Seite 27
5.1.3 Finanzierung im Unternehmenslebenszyklus
Die Schwerpunkte im Rahmen der Unternehmensfinanzierung in Bezug auf den
Kapitalbedarf und das mögliche Repertoire der Finanzierung, unterscheiden sich
zwischen den Phasen eines Unternehmenslebenszyklus. Dabei wird in insgesamt
fünf Phasen unterschieden: 34
• Gründung: Phase vor der Aufnahme der eigentlichen Geschäftstätigkeit
• Startup: Phase des Markteintrittes
• Überleben: Entscheidung, ob das Unternehmen in der Lage ist sich wie
geplant am Markt zu etablieren.
• Wachstum: Phase hoher Umsätze bei sich verbessernden Ertragsstrukturen.
• Reife: Nachlassen des Wachstums und Sinken des Investitionsbedarfs.
Abbildung 4: „Finanzierung im Unternehmenslebenszyklus“ 35
34
35
Vgl. Eisl et al (2008): 661f
Eisl et al (2008): 662
Seite 28
Speziell in und nach der Gründungsphase erfordert die Finanzierung des
Unternehmenswachstums und die mittelfristige Sicherung der Liquidität oft die
Aufnahme von Fremdkapital bzw. die Einbindung von Investoren.
5.1.4 Besicherung von Krediten
Zur Besicherung von Krediten werden Personen- und Sachsicherheiten eingesetzt.
Im Rahmen von Personensicherheiten verpflichten sich eine oder mehrere dritte
Personen für die Schuld der KreditnehmerInnen einzustehen. Die KreditgeberInnen
gewinnen dadurch Zugriff auf schuldnerfremdes Vermögen, sie vergrößern damit die
Haftungsmasse.36
Personensicherheiten sind beispielsweise:
• Bürgschaften (Ausfallsbürgschaft, Solidarbürgschaft, …);
• Haftungserklärungen (z.B. durch öffentliche Fördereinrichtungen).
Sachsicherheiten haben zum Ziel, bestimmte Wirtschaftsgüter (Sicherungsgüter) der
KreditschuldnerInnen oder anderer SicherungsgeberInnen dem alleinigen Zugriff der
KreditgeberInnen
zu
unterstellen
und
andere
GläubigerInnen
der
SicherungsgeberInnen von der Zugriffsmöglichkeit auszuschließen.37
Sachsicherheiten sind beispielsweise:
• Pfandrechte auf Hypotheken (z.B. Immobilien), Faustpfandgüter (z.B.
Warenlager, Kfz und andere bewegliche Güter), Wertpapiere
• Abtretungen von Eigentum (Vorbehalt) und Forderungen (Zessionen).
Kriterien für die Akzeptanz von Kreditsicherheiten seitens der Banken sind u.a. eine
geringe Wertschwankung, eine schnelle Liquidisierbarkeit, keine Korrelation mit der
wirtschaftlichen Lage der KreditnehmerInnen und Insolvenzfestigkeit.38
36
Vgl. < http://www.daswirtschaftslexikon.com/d/kreditsicherheiten/ kreditsicherheiten.htm >
(12.9.2013): online
37 Vgl. < http://www.daswirtschaftslexikon.com/d/kreditsicherheiten/ kreditsicherheiten.htm > ebenda
38 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Kreditsicherung > (12.9.2013): online
Seite 29
5.2 Basel II und Basel III
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht mit Sitz an der Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich wurde 1974 zu dem Zweck gegründet, in Kooperation mit den
nationalen Bankenaufsichten der weltweit führenden Wirtschaftsnationen möglichst
einheitliche Standards in der Bankenaufsicht zu erarbeiten.
In den vergangenen Jahren hat der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht unter dem
Eindruck der großen Finanz- und Bankenkrisen des neuen Jahrtausends neue,
verschärfte
Regeln
zur
Sicherung
der
Stabilität
und
Krisenresistenz
des
Bankensektors entworfen. Aufbauend auf die Bestimmungen von Basel I aus
1988/96 mit ersten Richtlinien zur Kreditvergabepraxis der Banken folgte 2004-2007
das verbindliche Regelwerk Basel II.
Ziele von Basel II sind, wie schon bei Basel I, die Sicherung einer ausreichenden
Eigenkapitalausstattung
von
Wettbewerbsbedingungen
Instituten
und
sowohl für die
die
Schaffung
Kreditvergabe
als
einheitlicher
auch
für den
Kredithandel. Hauptziel der Änderungen von Basel II gegenüber Basel I ist es, die
staatlich
verlangten
regulatorischen
Eigenkapitalanforderungen
stärker
am
tatsächlichen Risiko auszurichten und damit dem ermittelten Eigenkapitalbedarf
anzunähern.39
5.2.1 Regeln und Auswirkungen von Basel II
Grundsätzlich zwingen die drei Säulen von Basel II die Banken zu einer
selbstkritischeren Position in Bezug auf die Vergabepraxis von Krediten und in Folge
auf die Sicherung einer ausreichenden Eigenkapitalbasis. Die drei Säulen sind:40
• Mindestkapitalanforderungen/Liquiditätsvorschriften für Banken;
• bankenaufsichtlicher Überprüfungsprozess;
• erweiterte Offenlegung / Marktdisziplin.
Vor allem die Mindestkapitalanforderungen und Liquiditätsvorschriften für die Banken
wirken sich entscheidend bei der Vergabe von Krediten an Unternehmen aus:41
39
Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_II > (12.9.2013): online
Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_II > ebenda
41 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_II > ebenda
40
Seite 30
• Zur Senkung des Kreditausfallrisikos zwingt Basel II die Banken zu einer
Eigenkapitalunterlegung jedes Kredites und zur Feststellung des jeweiligen
Kreditrisikos durch ein Rating des kreditwerbenden Unternehmens.
• Im Rahmen dieser Feststellung der Bonität der KreditwerberInnen über ein
standardisiertes oder ein internes Rating werden Risikoaufschläge auf die
Verzinsung des Kredites ermittelt.
• Die Vergabepraxen der Banken orientieren sich an der Minimierung des
Ausfallrisikos eines Kredites u.a. durch eine möglichst hohe Besicherung
und/oder einem Beitrag der KundInnen zur „Risikovorsorge“ in Form eines
Risikoaufschlages auf die Kreditzinsen.
Als Reaktion auf die, bei Einführung von Basel II geäußerten Befürchtung, dass die
Finanzierungsbedingungen von KMU unter den neuen Regeln leiden würden,
wurden spezielle Erleichterungen für KMU-Kredite gewährt:42
• So werden Kredite unterhalb einer 1 Mio.-Euro-Grenze statt dem
Unternehmens- dem Retail- oder Privatkundensegment zugeordnet;
• Eine solche Zuordnung resultiert in niedrigeren Risikogewichten und damit
einer niedrigeren Unterlegungserfordernis für Retail-/Privatkredite;
• Aktuell ist für Unternehmenskredite eine Mindest-Eigenkapitalunterlegung
von 8% des Kreditvolumens vorgeschrieben. Für Privatkredite (bzw. KMUKredite < 1 Mio. EURO) führt eine Risikogewichtung von 75% zu einer
Unterlegung in Höhe von 6% des Kreditvolumens.
Die bankenaufsichtliche Überprüfung zielt auf die Sicherstellung der bankinternen
Fähigkeiten und Instrumente ab, die Ziele von Basel II umsetzen bzw. die
geforderten Kriterien erfüllen zu können. Die geforderte erweiterte Offenlegung /
Marktdisziplin sichert die Transparenz der Banken bzw. ihres Risikoverhaltens
gegenüber der Öffentlichkeit, also auch im Wettbewerb und vor den KundInnen.
Zwar beziffern die befragten Banken trotz Basel II zusammenfassend das verfügbare
Volumen an zu vergebenen Kreditmitteln als ausreichend und verneinen die Existenz
einer „Kreditklemme“ (vgl. Anhang). Für einen tatsächlichen Abruf dieser Mittel fehlt
es vielen Unternehmen jedoch aufgrund der Basel II-Bestimmungen an Eigenkapital
42
Vgl. Felderer, B. et al (2011): 3
Seite 31
(inklusive privaten Sicherheiten) oder an der Bereitschaft bzw. Fähigkeit hohe
Kapitalkosten betriebswirtschaftlich zu tragen.
5.2.2 Ausblick auf Basel III
Bereits zum Zeitpunkt der Einführung von Basel II im Jahr 2007 stellte sich das
damals neue Regelwerk als nicht weitreichend genug heraus. Die zu diesem
Zeitpunkt als eine Subprime-Krise („Immobilienblase“) in den USA ausbrechende
Banken- und in Folge weltweite Währungs- und Finanzkrise deckte u.a. frühere
Versäumnisse der Bankenbranche in Bezug auf die Eigenkapitalausstattung und die
spekulative Vergabepraxis von Krediten auf. Als Reaktion darauf geht ab 2013/14 mit
Basel III ein umfassendes Reformpaket für Basel II an den Start.
Das Regelwerk von Basel III zielt darauf ab, die Qualität und Quantität des für
Kredite zu hinterlegenden Eigenkapitals anzuheben, die Liquidität zu verbessern,
sowie die Verschuldungsquote zu reduzieren.43
Die Maßnahmen für die Schaffung einer Balance zwischen einem stabileren
Finanzsystem und der Vermeidung einer Kreditverknappung sind:44
• Der Fokus liegt auf dem Kernkapital (dauerhaft verfügbares Eigenkapital);
• Verbesserung der Risikodeckung (u.a. auch durch eine Rücknahme der
Bedeutung von externen Ratings);
• Einziehen einer Verschuldensobergrenze als Ergänzung der seit Basel II
geltenden Eigenkapitalstandards;
• Neue Regeln zur Risikovorsorge;
• Neue grundlegende Prinzipien für das Liquiditätsmanagement der Banken
bzw. dessen Überwachung.
In diesem Zusammenhang ist auch eine schrittweise Anhebung der MindestEigenkapitalunterlegung von Krediten von zurzeit 8% (für Unternehmen) auf 10,5%
bis zum Ende der Basel III-Umstellungsphase mit Ende 2018 geplant.
43
44
Vgl. Felderer, B. (2011): 2
Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_III > (12.9.2013): online
Seite 32
Trotz der in diesem Zusammenhang erwarteten positiven Auswirkungen im Sinne
einer erhöhten Finanzmarktstabilität und geringeren Krisenanfälligkeit bestehen
jedoch
Befürchtungen,
dass
die
Verschärfungen
der
Kapitalanforderungen
nachteilige volkswirtschaftliche Effekte haben können. Diese Bedenken beziehen
sich nicht nur auf den Finanzsektor selbst, sondern aufgrund der MultiplikatorFunktion von Banken in der Kreditfinanzierung vor allem auch auf den
Unternehmenssektor, insbesondere bei KMU.45
Als Erleichterung für KMU bleibt die Einstufung von KMU-Krediten < 1 Mio. EURO,
als Privatkredit wie schon unter Basel II weiter aufrecht. Die geforderte
Kapitalunterlegung erhöht sich jedoch analog zum klassischen Unternehmenskredit
bis 2018 von 6% auf 7,9%. Grundsätzlich kann daraus abgeleitet werden, dass sich
für KMU allgemein und für Unternehmensgründungen im Speziellen der Zugang zu
Bankkrediten durch Basel III weiter erschweren wird. Damit rücken alternative
Finanzierungsformen, insbesondere als außerbörsliches Beteiligungskapital und
weitere Strategien zur Stärkung der Eigenkapitalbasis im Unternehmen enger in den
Fokus der Unternehmensfinanzierung.
5.3 Finanzierung von Unternehmensgründungen in der Praxis
5.3.1 Besonderheiten bei der Finanzierung von Gründungsprojekten
Bei der Finanzierung von Unternehmensgründungen reduziert sich im Gegensatz zur
laufenden Unternehmensfinanzierung die Einbringung von Eigenkapital oft nur auf
eine Anstoßfinanzierung aus privatem Vermögen. Derartige private Eigenmittel
werden bei einem zusätzlichen Bedarf an Fremdkapital mangels alternativer
Sicherheiten bevorzugt auch für die Besicherung von Krediten herangezogen.
Das führt in der Praxis oft zur widersprüchlichen Situation, dass
• zum Einen in nur begrenztem Ausmaß verfügbares, jedoch möglichst
offensiv einzusetzendes Eigenkapital in der Finanzierung von teurerem
Ergänzungskapital gebunden ist und
45
Vgl. Felderer, B. (2011): 2
Seite 33
• zum Anderen der Aufbau von Eigenkapital und ein möglichst frühzeitiger
Eintritt
in
eine
Innenfinanzierung
aus
der
Geschäftstätigkeit
des
Unternehmens heraus verzögert wird.
In diesem Zusammenhang führt die restriktive, durchwegs an die Eigenmittel der
GründerInnen
gebundene
Gründungsprojekte
oft
zu
Praxis
einer
bei
der
Vergabe
Minderdotierung
und
von
in
Fremdkapital
an
Folge
zu
auch
Liquiditätsengpässen in der Phase nach dem Markteintritt des Unternehmens.46
Damit steht die Kreditvergabepraxis der Banken in direktem Widerspruch zur
Ausgangssituation vieler Gründungsprojekte:
• allgemein hoher Kapitalbedarf ohne zeitlichem Spielraum;
• Bedarf an Investitionskapital für den Aufbau und die Gründung des
Unternehmens z.B. für die Bereitstellung des benötigten Anlagevermögens
oder für die Entwicklung von Verfahren und Patenten, insbesondere bei
technologiebasierten Unternehmensgründungen;
• Kapitalbedarf zur Finanzierung der Erstausstattung mit Umlaufvermögen
(z.B. Handelsware) oder zur Finanzierung von Rechten und Lizenzen (z.B.
für den Eintritt in ein Franchise-System);
• Liquidität für die Finanzierung laufender Ausgaben in der Aufbauphase und
beim Markteintritt bzw. der nachfolgenden Startup-Phase, in der erste
Umsätze die laufenden Kosten nur schwer decken können;
• (noch) keine Erlöse oder Rücklagen aus dem operativen Geschäft;
• es stehen nur begrenzt (private) Vermögenswerte zur Besicherung von
Fremdkapital zur Verfügung;
• es gibt nur Plandaten für eine Bewertung des Projektes im Hinblick auf die
Sicherheit der Investitionen und das künftige Ertragspotenzial.
Die Kunst bei der Finanzierung auch kapitalintensiver Gründungsprojekte ist es, mit
der realistischen Projektion einer Geschäftsidee in eine erfolgreiche Zukunft den
richtigen Mix an potenziellen PartnerInnen zu begeistern und zu motivieren, Kapital
46
Vgl. Egeln et al (2010): VIII
Seite 34
in der Gewissheit bereitzustellen, dass die UnternehmerInnen für die Sicherheit des
gewährten Kapitals inklusive einer hohe Rendite sorgen werden.
Die Basis dafür ist das Schaffen von Vertrauen bei den KapitalgeberInnen in das
Potenzial der Geschäftsidee und in die Fähigkeiten der UnternehmerInnen, diese
Idee am Markt zu etablieren.
5.3.2 Die Finanzierungspraxis der Banken bei Unternehmensgründungen
Eigene Erhebung bei drei Österreichischen Banken (vgl. Anhang)
Laut einer Befragung bei drei Österreichischen Regionalbanken stellt die
Finanzierung von Gründungsprojekten einen sehr geringen Teil des Kreditgeschäfts
dar. Vorwiegend werden im GründerInnen-Segment Nachfolgeprojekte bzw.
Übernahmen von Unternehmen und die darin eingebetteten Innovations- und
Restrukturierungsmaßnahmen finanziert.
Die Gründe für das positive Engagement der Banken in derartige Projekte sind vor
allem eine bereits bestehende Kundenbeziehung und das Wissen um tatsächliche
Geschäftsverläufe und die wirtschaftliche Historie der zu finanzierenden Projekte.
Echte Neugründungen, auch von bekannten PrivatkundInnen der Banken initiiert,
werden je nach Bank mit 10-80 Fällen pro Jahr im Land Salzburg als verschwindend
gering beziffert. Zwei der Banken verweisen dabei auf einen sehr begrenzten,
konservativen Branchenmix in ihrem Geschäftsumfeld, in dem vorwiegend für
touristische Projekte, Kleingewerbe-Unternehmen und Dienstleistungsunternehmen
um Gründungskapital angefragt wird. In den meisten Fällen werden Kreditsummen
zwischen € 50.000,- und € 200.000,- von den Unternehmen benötigt.
Hochinnovative bzw. Technologie-Gründungen als Hochrisikoprojekte mit hohem,
langfristigem Kapitalbedarf, auch bei einer verbesserten Unterstützung durch
Förderinstitutionen insbesondere in Form von Haftungsübernahmen, spielen bei den
befragten Regionalbanken eine untergeordnete Rolle. Sehr wohl Bedeutung haben
derartige
Gründungen
Oberösterreich,
in
alleine
Brancheninfrastruktur
den
schon
heraus.
Bundesländern
aus
In
der
diesen
Wien,
Niederösterreich
einschlägigen
Regionen
Forschungs-
stellen
Bund,
und
und
Länder,
Förderinstitutionen und in Folge auch finanzierende Banken bzw. Venture Capital
Seite 35
Unternehmen eine ansprechende Finanzierungsinfrastruktur auch für kostenintensive
Gründungen bereit.
Dem gegenüber werden Gründungen von Ein-Personen-Unternehmen mit geringem
Investitionsbedarf vorwiegend über Privatkredite und Kontokorrentrahmen finanziert
und scheinen damit in keiner Statistik auf.
Als wichtigstes Entscheidungskriterium für die Finanzierung von Gründungsprojekten
wird seitens der Banken das Vorhandensein ausreichender Besicherungen für den
Kredit genannt. Blankokredite, also Kredite ohne Besicherung, werden aktuell nicht
mehr vergeben. Die Festlegung der Höhe der Sicherheiten, aber auch die
Festlegung der Risikoaufschläge auf die Kreditzinsen erfolgt in der Regel über ein
standardisiert zugewiesenes Bonitätsrating.
Als Richtwert für den Eigenkapitalanteil im Unternehmen werden von den Banken
mindestens 25% des Gesamtkapitals als Bedingung für die grundsätzliche
Beteiligung der Bank an der Finanzierung der Unternehmensneugründung genannt.
Diese restriktive Vorgehensweise hat in der Phase von Basel II bei den befragten
Banken tatsächlich zu sehr geringen Kredit-Ausfallszahlen geführt, was eine künftig
stärkere Übernahme von Risiken bei der Finanzierung von Gründungsprojekten
durch die Kreditinstitute eher unwahrscheinlich erscheinen lässt.
Angesprochen auf die Zukunft der Banken im Rahmen der Gründungsfinanzierung,
gehen alle befragten Banken davon aus, dass der klassische Kredit auch weiterhin
die
zentrale
Fremdfinanzierungsform
für
GründerInnen
bleibt.
Alternative
Finanzierungen wie zum Beispiel durch Venture Capital werden künftig aber in einer
stärkeren Rolle als Ergänzungs-Eigenkapital zur Bankfinanzierung oder als zeitlich
begrenzte Anstoßfinanzierung bis zu einem Einstieg der Banken gesehen. Zudem
fordern die Banken eine stärkere Rolle der öffentlichen Hand bei der Übernahme von
Haftungen und damit indirekt des unternehmerischen Risikos.
5.3.3 Unterschiedliche Erwartungen im Rahmen einer Außenfinanzierung
Wie
viele
Investitionsvorhaben
in
bestehenden
Unternehmen
sind
auch
Neugründungen nicht ohne einen externen Finanzierungsanteil machbar.
Seite 36
Dabei gilt es für die GründerInnen jenes Kapital zu beschaffen, das über die
verfügbaren Eigenmittel hinaus für den Markteinstieg und die Marktdurchdringung
benötigt wird. Und das möglichst solange auf Basis von Vertrauen und ohne
wirtschaftliche
Belastungen
bis
das
Unternehmen
in
der
Lage
ist,
alle
Zahlungsverpflichtungen - auch jene für die Rückzahlung und die Kosten des
Kapitals - aus der laufenden Geschäftstätigkeit zu erfüllen.
UnternehmensgründerInnen
haben
dabei
mehrere
Optionen,
externe
KapitalgeberInnen in ein Investment einzubinden. In jedem Fall aber gilt es, den
unterschiedlichen Erwartungen aller zu involvierenden Parteien in einer zu treffenden
Vereinbarung zu entsprechen:
• vorrangiges Ziel der GründerInnen im Rahmen einer Einbindung externer
KapitalgeberInnen ist es, ausreichend Kapital für einen definierten Zeitraum
zu möglichst niedrigen Kosten zu erhalten und dabei nur wenig bis keine
Kompetenzen und Flexibilität abzugeben;
• dem gegenüber steht die Erwartung externer KapitalgeberInnen einer dem
risikoadäquaten Verzinsung des Kapitals, die Garantie des Erhalts, bzw. der
Rückzahlung des Kapitals und in einigen Fällen ein hoher Verkaufserlös von
Unternehmensanteilen nach Ende der Partnerschaft;
• fallweise
fordern
KapitalgeberInnen
auch
die
Mitsprache
bei
Unternehmensentscheidungen.
Der Nachweis der Wahrung der Interessen der KapitalgeberInnen liegt aufseiten der
KapitalwerberInnen. Für die Vereinbarung von Rechten und Pflichten im Rahmen
von Finanzierungsprojekten gibt es mehrere Optionen, z.B. Kreditverträge,
individuelle Beteiligungsverträge und Gesellschaftsverträge.
5.4 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensfinanzierung
Aus der vorangegangenen Analyse der Fakten und Einschätzungen zur Finanzierung
von Unternehmen allgemein und Gründungsprojekten im Speziellen sind folgende
Annahmen in ein Bonitätsrating anhand von Softfacts zu übernehmen:
Seite 37
• Außenfinanziertes Kapital ist teuer – sowohl als Fremdkapital (Kreditzinsen
plus Risikoaufschläge), als auch als Beteiligungskapital (Renditeerwartung).
• Im Rahmen der Finanzierung von Unternehmensneugründungen ist und
bleibt auch künftig der Bankkredit die wichtigste Fremdfinanzierungsform.
• Alternative, den Bankkredit ergänzende Finanzierungsformen gewinnen
zunehmend an Bedeutung.
• Es sind daher nicht nur die Vorgaben der Banken im Rahmen der
Kreditfinanzierung,
sondern
auch
die
Erwartungshaltung
alternativer
GeldgeberInnen in die Konzeption eines Softfact-Ratings einzubinden.
• Vorrangige
Ziele
Kapitalaufbringung,
im
die
Rahmen
der
Stärkung
Gründungsfinanzierung
der
Eigenkapitalbasis,
sind
die
die
damit
verbundene Teilung des Risikos und die Minimierung der Kapitalkosten.
• Zielprojekte für ein Rating von Softfacts sind Neugründungen mit einem
Kapitalbedarf zwischen 50.000,- und 1.000.000,- (KMU Grenze Basel II / III)
6. Das Rating von Unternehmen
Der Begriff Rating umschreibt im Finanzwesen die Einschätzung der Bonität von
SchuldnerInnen. Ob für ganze Staaten oder für einzelne Unternehmen, im Rahmen
der Vergabe von Kapital wird seitens der GeberInnen in der Regel ein Urteil darüber
eingeholt, ob die NehmerInnen in der Lage sein werden, das Kapital inklusive der
Zinsen zurückzuzahlen bzw. in welchem Ausmaß dieses Geschäft für die
KapitalgeberInnen ein Risiko darstellt.
Zur Feststellung des Bonitätsrisikos bei einer Finanzierung durch Fremdkapital wird
auf externe Ratings durch Ratingagenturen oder interne Ratings, z.B. bei Banken
zurückgegriffen. Interne Ratings bei Banken sind mit den Regeln für Basel II
akkordiert und auf die jeweiligen Bedürfnisse der Bank abgestimmt. Jedoch nicht nur
Banken, auch andere PartnerInnen im Rahmen der Finanzierung von Unternehmen
bis hin zu privaten InvestorInnen greifen auf Bonitätsurteile zurück.
Das Rating selbst ist die Zusammenfassung einer Vielzahl von Analyseschritten zu
einem Bonitätsurteil in Form eines eindeutig interpretierbaren Ratingcodes.
Seite 38
6.1 Theoretische Grundlagen zum Rating von Unternehmen
Um von einer ersten Einschätzung zur Bonität eines Unternehmens zu einem für
KreditgeberInnen- und -nehmerInnen objektiven und stimmigen Urteil zu gelangen,
kommen heute verschiedene komplexe Ratingverfahren zum Einsatz. Trotz
unterschiedlicher methodischer Ansätze und einer mittlerweile
sehr hohen
Trefferquote bei der Beurteilung der Risiken, gibt es noch keine Standardlösung für
alle Fälle. Das gilt auch für das Rating von Unternehmensneugründungen.
6.1.1 Ausgangssituation für die Entwicklung eines Bonitätsratings
Die Umsetzung der Eigenkapitalvorschriften für Banken nach Basel II beinhaltet die
Festlegung eines Anteils am nach dem Risiko gewichteten Kreditvolumen in der
Höhe von 8%. Gerechnet über die Gesamtsumme der gewährten Kredite einer Bank
soll diese Unterlegung die tatsächlichen Kreditausfälle decken.
Abbildung 5: „Eigenkapitalanforderung für das Kreditrisiko nach Basel II“ 47
Im Rahmen von Basel III wird bis Ende 2018 der Risikoaufschlag schrittweise von
8% auf 10,5% für Unternehmen angehoben werden.
Steuergröße für die Festlegung des Mindesteigenkapitals ist die Risikogewichtung
einer Ausfallswahrscheinlichkeit. Für dessen Ermittlung gilt der Grundsatz: je
47
Wöhe, G. (2010): 674
Seite 39
schlechter die festgestellte Bonität der KreditwerberInnen, desto höher muss das
Risikogewicht angesetzt werden. Für Unternehmenskredite können gemäß Basel II
Risikogewichtungen zwischen 0,2 bis 2,0 Punkten eingesetzt werden.48 Für kleine
und mittlere Unternehmen mit einer Kreditsumme bis 1 Mio. Euro ist ein StandardRisikogewicht von 0,75 vorgegeben.49
In welcher Höhe die Kosten der Eigenkapitalunterlegung auf die KreditwerberInnen
überwälzt werden bzw. in welchem Maß die Bank selbst in das Risiko des
Kreditausfalls eintritt, definiert diese über die Kreditzinsen und Sicherheiten. In
folgendem vereinfachten Beispiel zu Mischformen von Ratingmodellen zeigen sich
zwei mögliche Ratingabläufe in einem Kreditinstitut:
Abbildung 6: Architektur von Ratingverfahren 50
Der im Muster erwähnte Override umschreibt die Möglichkeit der Abänderung des
Klassifikationsvorschlages
unter
Einschätzungen.
Override-Ansätze
Gängige
Einbeziehung
zusätzlicher
liegen
in
der
Daten
und
Bewertung
der
Kreditsicherheiten oder von Softfacts.
48
Vgl. Wöhe, G. (2010): 675
Vgl. Felderer, B. (2011): 2
50 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 52ff
49
Seite 40
Das
Ergebnis
zur Bonität
von
KreditwerberInnen
wird
in
einem
Scoring
(Ergebniswert) ausgedrückt, das auf eine Skala verweist, in der einzelne Klassen mit
standardisierten Bewertungsurteilen und Handlungsempfehlungen hinterlegt sind.
Die bekanntesten Beispiele für Ratingskalen sind jene der großen internationalen
Ratingagenturen wie z.B. Standard & Poor’s, die Ratings für große Unternehmen,
Staaten und andere Körperschaften erstellen, die am Kapitalmarkt aktiv sind.
Abbildung 7: „Beispiel Ratingurteil für langfristige Schuldverschreibungen“ 51
Ratingmodelle nach ähnlichem Muster, jedoch abgestimmt auf die eigene Umfeldund Marktsituation bzw. auf das eigene Kreditportfolio werden auch bei Banken
eingesetzt. Die Abstufungen reichen auch hier von einem best case (sicher) bis hin
zu einem worst case (Ausfall).
51
Wöhe, G. (2010): 674
Seite 41
Jede Ratingklasse enthält dabei nicht nur ein Standardurteil zur aktuellen Situation
und zur Entwicklung des Unternehmens, sondern ist auch mit einer Empfehlung zur
Bewertung der Risikokomponenten bei der Festlegung der Kreditzinsen hinterlegt.
Die errechnete Gesamtverzinsung des Kredites umfasst Bestandteile, die durch das
Bonitätsurteil beeinflusst und Bestandteile, die nicht beeinflusst werden:
Zinsbestandteil
beeinflussbar
Refinanzierungskosten für Fremd- und Eigenkapital
NEIN
Kreditrisikoprämien und Margen
JA
Kosten der Eigenkapitalunterlegung
JA
Kreditbearbeitungskosten
NEIN
Tabelle 2: Bestandteile von Kreditzinsen
6.1.2 Segmentierungen und Datenanforderungen
Im Rahmen von Bonitätsbeurteilungen werden seitens der Banken künftige
KreditnehmerInnen
gemäß
ihrem
Wirkungsumfeld
speziellen
Segmenten
zugeordnet. Dabei ist den Unterschieden in den Bereichen bonitätsrelevante
Faktoren, verfügbare Datenquellen und Kreditrisikogehalt Rechnung zu tragen.
Die darauf abgestimmte Segmentierung laut Basel II unterscheidet zwischen:
• Staaten;
• Banken;
• Unternehmens- bzw. Spezialfinanzierungen;
• Retail-KundInnen;
• Beteiligungen.52
KMU und folglich auch Unternehmensneugründungen mit einem Kreditvolumen bis
zu 1 Mio. Euro werden in diesem Zusammenhang als Retail-KundInnen klassifiziert.
52
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 9f
Seite 42
Das hat eine standardmäßige Reduktion des Risikogewichtes von 100% auf 75%
und damit die Reduktion der aktuellen Mindest-Eigenkapitalhinterlegung seitens der
Bank von 8% auf 6% des jeweiligen Kreditvolumens zur Folge.53
Datenanforderungen zur Bonitätsbeurteilung
Für die Errechnung eines Ratings greifen die Kreditinstitute in der Regel auf
quantitatives und auf qualitatives Datenmaterial zurück:54
• Quantitative Daten sind standardisiert zu beurteilende, objektiv messbare
Zahlen
aus
der
unternehmerischen
Vergangenheit
und
Gegenwart
(Hardfacts) bzw. Plan-/Prognose-Daten;
• Qualitative Daten beschreiben Einschätzungen zu möglichst ratingrelevanten
Datenfeldern aus dem Unternehmen wie zum Beispiel eine Strategie oder
Managementqualitäten (Softfacts).
Derartige Daten werden entweder bankintern über Operativsysteme, interne
Auskunftspersonen, Archive etc. bereitgestellt oder von externen Quellen bezogen.
Betriebsexterne Daten in Form von aktualisierten Unternehmensunterlagen,
Statistiken, Kapitalmarktinformationen, Branchen- bzw. Segment-Erhebungen u.v.m.
werden für interne Berechnungen benötigt oder werden als ausformulierte RatingUrteile von spezialisierten Agenturen oder Beratungsunternehmen bereitgestellt.
Im Zuge von Basel III soll die Bedeutung externer Ratings, vor allem für
Körperschaften, Banken bzw. FinanzdienstleisterInnen und große Unternehmen
zurückgedrängt werden.55
Externe Ratings für einzelne Projekte wie z.B. Unternehmensneugründungen werden
jedoch auch künftig als Ergänzung der oft nur bedingt objektiven Referenzdaten und
zur besseren Einbeziehung individueller Gründungsbedingungen sinnvoll sein.
In der Regel beschränken sich bankinterne Daten zu Unternehmensneugründungen
auf persönliche Konto- und Archivdaten der KreditwerberInnen bzw. möglicher
ÜbernehmerInnen von Ausfallshaftungen. Dazu kommen interne Auskünfte durch die
KundenberaterInnen der GründerInnen.
53
Vgl. Felderer. B. (2011): 2
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 11f
55 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_III > (12.9.2013): online
54
Seite 43
Spezielle Datenanforderungen zur Bewertung von Existenzgründungen 56
Für Unternehmensstartups sind in der Praxis kaum eigene Ratingmodelle sondern
adaptierte Modelle für klassische Firmenkunden im Einsatz. Um verbessert auf die
Bedürfnisse von Unternehmensgründungen eingehen zu können, räumt die OeNB in
ihren Empfehlungen zum Handling des Kreditrisikos neben der Festlegung eines
Höchst- oder Standardratings auch die Möglichkeit der Einbeziehung von Softfacts in
ein Ratingmodell ein.
Bei der Entwicklung eines GründerInnen-Ratings empfiehlt es sich, zwischen der
Gründungsphase (Seed, Startup) und der Aufbauphase (1st, 2nd Round) zu
unterscheiden.
Besonders
in
der
Gründungsphase
ist
mangels
realer
Geschäftsdaten für ein Rating verstärkt auf qualitative Daten zurückzugreifen. Die
OeNB verweist dabei auf den direkten Zusammenhang eines Gründungserfolges mit
der UnternehmerInnen-Persönlichkeit.
In der Aufbauphase sind bereits Echtdaten aus dem Unternehmen vorhanden, die
zusätzlich in die laufende Bonitätsbeurteilung einfließen können. In dieser Phase
bietet sich auch eine Kontrolle der ursprünglich eingereichten Planungen an, um die
Qualität
der
Gründungsvorbereitungen
und
auftretende
Abweichungen
zur
Entwicklungsprognose beurteilen zu können.
6.1.3 Modelle zur Bonitätsbeurteilung
Im Rahmen der Entwicklung maßgeschneiderter Ratingmethoden für verschiedene
Ratingsegmente und -ziele stehen Banken und anderen AnwenderInnen mehrere
Optionen offen. Ausschlaggebend für die Auswahl der Ratingmethode ist u.a. auch
die Verfügbarkeit, die Aussagekraft und die Güte der benötigten Daten.
Bei der Festlegung auf ein Rating ist ein allgemein gültiges Standardrating für
möglichst viele Segmente, Branchen und Unternehmenstypen zu entwickeln.
Ergänzend dazu ist auf die Schaffung ausreichend vieler Schnittstellen für
Individualanalysen zu achten.
Damit kann bei mehrfachem Bedarf an ähnlichen Ratings ein anfangs individueller
Analyseansatz standardisiert oder in ein bestehendes Standardrating eingebunden
56
Vgl. Thonabauer / Nösslinger 2004: Ratingmodelle und Validierung, 20f
Seite 44
werden. Diese Strategie wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit mit der Entwicklung
eines möglichst standardisierten Ratings verfolgt, das sowohl autark eingesetzt, als
auch über systemisch vorgesehene Schnittstellen in ein Gesamtrating mit anderen
Verfahren übernommen werden kann.
Abbildung 8: Modelle zur Bonitätsbeurteilung 57
Heuristische Ratingmodelle agieren überwiegend mit Erfahrungswerten aus
subjektiven Beobachtungen, vermuteten betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen
und mit betriebswirtschaftlichen Theorien. Auf Basis der erhobenen Daten bzw. der
Einschätzung zu deren Wirkung auf künftige Geschäftsverläufe kann eine Aussage
über die Bonität der KreditwerberInnen abgeleitet werden.
Die wichtigsten heuristischen Ratingmodelle sind:58
• Der klassische Ratingbogen, in dem eindeutige Fragen zu ratingrelevanten
Faktoren von KreditexpertInnen beantwortet werden. Das Rating selbst
erfolgt über Punktzahlen, die je Frage fest hinterlegt sind. Dabei gilt: je höher
die Gesamtpunktzahl, desto höher die Bonität.
• Qualitative Systeme bieten bei ähnlichem Abfragemodus wie beim
Ratingbogen einen Beurteilungsspielraum, z.B. in Form von Schulnoten. Die
Teilbewertungen werden gleich oder verschieden gewichtet zu einem
Gesamturteil verknüpft.
57
58
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 32
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 33ff
Seite 45
• Expertensysteme sind Software-Lösungen die menschliche Ansätze zur
Problemlösung nachbilden. Dabei soll eine wachsende Wissensbasis über
eine Schlussfolgerungslogik (Inferenz-Maschine) zu einer breit unterlegten
Entscheidungsfindung beitragen.
• Fuzzy Logic Systeme sind spezielle Expertensysteme, in denen eine feiner
gegliederte, teils unscharfe Zuordnung einzelner Ausprägungen erfolgt und
damit menschliche Entscheidungswege exakter simuliert werden.
Empirisch-statistische
Verfahren
versuchen
anhand
erhobener
Tatsachen
Hypothesen und Modelle zu formulieren, die mithilfe statistischer Verfahren erst
verifiziert
und
später ausgewertet
werden.
Dabei müssen vorab
einzelne
Datenkonglomerate zu bonitätsrelevanten Fragen mit Hypothesen unterlegt werden,
die bei praktischer Anwendung zu klaren Ergebnissen (Bonitätsurteilen) führen.
Empirisch-statistische Verfahren stützen sich überwiegend auf Hardfact-Daten,
können jedoch fallweise auch qualitative Daten einbinden.
Die wichtigsten empirisch-statistischen Modelle sind:59
• Multivariate Diskriminanzanalyse: Sie unterscheidet mithilfe einer Funktion
aus mehreren unabhängigen Bonitätskriterien in Form von Kennzahlen
zwischen solventen und insolventen Unternehmen. Dabei wird über
verschiedene Gewichtungen von Kennzahlen in Abhängigkeit zueinander ein
Gesamturteil zur Situation des Unternehmens errechnet.
Diese Methode wird bei Banken häufig zur Bonitätsbeurteilung eingesetzt.
Sie weist jedoch den Nachteil auf, dass relevante Softfacts nur schwer als
Kennzahlen in die Systematik eingebunden werden können.
• Regressionsmodelle versuchen über einzelne als Variable definierte
Bonitätsmerkmale die Zugehörigkeit des Unternehmens zu einer Gruppe
„solvent“ oder „insolvent“ nachzuweisen. Der Einsatz nicht linearer
Modellfunktionen und deren Optimierung über das sogenannte „MaximumLikelihood-Verfahren“60 erlaubt auch die Berechnung einer Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit des Unternehmens zu einer der beiden Gruppen.
59
60
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 41ff
Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Maximum-Likelihood-Methode > (22.10.2013): online
Seite 46
Besonders
logistische
Regressionsmodelle
weisen
gegenüber
der
Multivariaten Diskriminanzanalyse trennschärfere Ergebnisse auf und
erlauben zudem die direkte Berücksichtigung qualitativer Bonitätsmerkmale.
• Künstliche neuronale Netze bilden die Informationsverarbeitung des
menschlichen Gehirns nach. Im Einsatz als Ratingmodell sind neuronale
Netze bereits in der Lage sowohl qualitative, als auch quantitative Daten
direkt zu übernehmen, zu einem N-Wert zu verdichten und diesen einer
Ratingklasse zuzuordnen.
Aufgrund der hohen Aufwände bei der Einrichtung und beim Training
neuronaler Netze bzw. durch die komplexe, für den Anwender nur schwer
nachzuvollziehende Netzwerkmodellierung, sind neuronale Netze in der
Praxis heute noch weniger verbreitet.
Kausalanalytische Modelle binden finanztheoretische Überlegungen bei der
Analyse von bonitätsrelevanten Zusammenhängen direkt ein. Sie kommen
vorwiegend
bei
individuellen
Ratings
oder
bei
der
Beurteilung
von
Spezialfinanzierungen zum Einsatz.
6.1.4 Entwicklung und Validierung von Ratingmodellen
Als grundlegende Anforderungen an Ratingmodelle hinsichtlich einer Eignung in
jedem Ratingsegment definiert die OeNB folgende Parameter: 61
• Zielgröße:
Das
Ratingergebnis
muss
als
Ausfallswahrscheinlichkeit
darstellbar sein.
• Vollständigkeit: Das Ratingergebnis sollte alle vorliegenden Informationen
zur Bonitätsbeurteilung einbeziehen.
• Objektivität: Verschiedene Beurteiler sollten anhand des Systems zum
gleichen Ergebnis gelangen.
• Akzeptanz: Das Ratingmodell sollte aus Sicht der Anwender zu einem
richtigen, akzeptierten Urteil kommen.
61
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 55ff
Seite 47
• Widerspruchsfreiheit: Das Rating darf anerkannten wissenschaftlichen
Methoden nicht widersprechen.
Dabei ist die Erfüllung der grundsätzlichen Anforderungen abhängig von der Wahl
der Methode und von Spezifika im jeweiligen Unternehmensumfeld.
Abbildung 9: „Entwicklung eines Ratingmodells“62
Für das Rating von Gründungsprojekten, für das nur selten ausreichend quantitative
Daten zur Verfügung stehen, bietet sich der Einsatz eines heuristischen Modells
basierend auf qualitative Daten an.
Es ist daher auch der Entwicklungsprozess des Ratingmodells auf die Erhebung und
heuristische Beurteilung rein qualitativer Daten und Kennzahlen abzustimmen, auch
wenn die Einbindung der Ergebnisse als qualitatives Teilscoring in ein Gesamtrating
weiter sinnvoll scheint. In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass bei heuristischen
Verfahren die für die Kalibrierung der Ergebnisskala und die Validierung unterstellte
eine Allgemeingültigkeit erst im laufenden Praxiseinsatz nachgewiesen werden kann.
Die übliche Vorgangweise für die Entwicklung praxistauglicher Scoringfunktionen
gemäß der Basel II Bestimmungen gliedert sich in drei Schritte:63
• Schritt 1: Univariate Analysen sollen anhand von Kennzahlenkatalogen
betriebswirtschaftlich
sinnvolle,
gut
zu
erhebende
und
trennscharfe
Bonitätsmerkmale identifizieren;
• Schritt 2: Multivariate Analysen bestimmen anhand einer KennzahlenShortlist aus den univariaten Analysen die eigentlichen Scoringfunktionen;
62
63
Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 63
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 78
Seite 48
• Schritt 3: Verknüpfung von Teil-Scoringfunktionen zu einer Gesamtfunktion.
6.2 Die Praxis beim Rating von Unternehmensneugründungen
Eine Erhebung bei drei österreichischen Banken (vgl. Anhang) ergab, dass für die
Bonitätsprüfung von Unternehmenskunden durchwegs auf eigene Bedürfnisse bzw.
das jeweilige KundInnenportfolio abgestimmte Ratingsysteme entwickelt wurden.
Dabei setzen alle Institute auf das Rating diverser Hardfacts zur vorwiegend
wertmäßigen Absicherung des eingesetzten Kapitals plus der Abgeltung der
eingegangenen Ausfallsrisiken. Dabei steht die Rolle der Bank als Kreditgeberin und
nicht als renditeorientierte Investorin im Mittelpunkt.
Für die standardisierte Beurteilung von Unternehmensneugründungen setzt mangels
Geschäftsvolumen keines der befragten Institute ein spezielles Ratingverfahren ein.
Vielmehr sehen die Banken die Frage, ob ein Gründungsprojekt finanziert werden
soll getrennt von der späteren Zuweisung eines Standard-Ratings. Damit wird gemäß
Basel II der hohen Ausfallswahrscheinlichkeit von Gründungsfinanzierungen
ausreichend Rechnung getragen.
Die Chance des Unternehmens, sich im Rating gegenüber dem Standard-Ansatz zu
verbessern bietet sich bei zwei der drei Banken. Kriterium dafür ist in erster Linie
eine hohe Besicherung des Kredites. Die dritte Bank friert ihr Rating für die ersten
beiden Jahre der Unternehmenstätigkeit auf dem Stand des Erstratings ein.
Als entscheidende Phase bei der Kreditvergabe stellt sich jene bis zur Entscheidung
seitens der Bank heraus, ein Kreditverfahren zu eröffnen. Im Vorfeld dieses
Verfahrens prüfen die Banken u.a. das Nicht-Vorhandensein sogenannter No-GoKriterien, die bei Vorliegen eine grundsätzliche Ablehnung eines Kreditantrages zur
Folge hätten (z.B. frühere Insolvenzen, risikoreiche Branchen, etc.).
Weitere entscheidende Kriterien für die grundsätzliche Kreditentscheidung sind:
• Ausreichende Eigenmittel (hohe Relevanz)
• Ausreichende Besicherung und Förderzusagen (hohe Relevanz)
• Fürsprache durch die KundenbetreuerInnen (mittlere Relevanz)
• Plausibilität der Businessplanung (mittlere Relevanz)
Seite 49
• Vertrauen in die UnternehmerInnen (hohe Relevanz)
Die bankinternen Prozesse vom Kreditantrag in der Filiale über die Prüfung bis zur
Vergabe umfassen grob skizziert:
•
Sammlung von Daten (z.B. Selbstauskunft, bankinterne Daten, externe
Auskünfte, Businesspläne, etc.);
•
Prüfung des Kreditantrages auf No-Go-Kriterien;
•
Aufbereitung der Daten in internen Operativ-Systemen;
•
sofern das Entscheidungslimit des lokalen Kreditmanagements überschritten
wird, die Einbindung des bankinternen Risikomanagements und die detaillierte
Prüfung des Antrages;
•
wichtigster, fallweise sogar einziger Bestandteil dieser Prüfung ist in der
Praxis die Beurteilung der beigebrachten Sicherheiten;
•
bei Bedarf erfolgt eine Abstimmung des Risikomanagements mit der
Kundenbetreuung – vor allem um Softfacts wie das UnternehmerInnen-Profil
und die bisherige Geschäftsgebarung zu bewerten;
•
Erstellen eines Ratingvorschlages und fallweise ziehen einer Override-Option
zur Abänderung des Ratings;
•
Endrating des Kunden und formale Abwicklung der Kreditvergabe.
Ein wichtiger bankinterner Baustein als „Anwalt der Kunden“ gegenüber dem
Risikomanagement ist die Filiale vor Ort. Im direkten Kundenkontakt werden
regionale Spezifika, kundenindividuelle Informationen und Einschätzungen zum
Gründungsprojekt gesammelt und in einem Ratingbogen aufbereitet.
Eine grundlegende Änderung der Praxis der Banken, Gründungsprojekte nach dem
Standardansatz zu raten und damit den Fokus von der rein wertmäßigen Sicherung
des eingesetzten Kapitals auf einen unternehmerischen Erfolg zu schwenken, wurde
nicht signalisiert. Die laufende Justierung der eingesetzten Verfahren ist im Rahmen
der bestehenden Systeme jedoch obligat.
Durchaus gewünscht ist seitens der Banken eine verbesserte Analyse von Softfacts
im Rahmen der grundsätzlichen Vergabeentscheidung (noch ohne Rating), um die
Trefferquote bezüglich Ausfallswahrscheinlichkeit weiter zu erhöhen und die Zahl
nicht erkannter Geschäftschancen zu senken.
Seite 50
Hingegen regen die Banken eine bessere Ausstattung von Gründungsprojekten mit
Eigenkapital und in diesem Zusammenhang bessere Analysetools für EigenkapitalGeberInnen an. Speziell für private GeldgeberInnen fehlt es an nachvollziehbaren
und treffergenauen Methoden, um Chancen und Risiken im Rahmen einer
Projektfinanzierung zu identifizieren.
6.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensrating
Aus der vorangegangenen Analyse der Fakten und Einschätzungen zum Rating von
Unternehmen allgemein und Gründungsprojekten im Speziellen sind folgende
Annahmen in ein Rating anhand von Softfacts zu übernehmen:
• Für die Erhebung qualitativer Daten (Softfacts) bietet sich der Einsatz eines
heuristischen Ratingmodells an. Als Methode ist ein qualitatives Rating
mittels Ergebnis-Skalierung (Scoring-Modell / Nutzwertanalyse) sinnvoll.
• Die Anzahl der zu erhebenden bonitätsrelevanten Kennzahlen ist zur
Verringerung der Analyse-Komplexität gering zu halten.
• Es sind auch beim Softfact-Rating „No-Go“-Kriterien zu berücksichtigen.
• Das Scoring ist anhand einer dreistufigen Skala einfach zu gestalten. Zur
Berücksichtigung der unterschiedlichen Bonitätsrelevanz von Kriterien sind
Gewichtungen vorzunehmen.
• Das Rating ist in insgesamt drei Hauptkategorien zu untergliedern, die in sich
geschlossen bewertet werden und darüber hinaus als Teil-Scores in ein
Gesamtrating integriert werden können.
• Das Rating hat den aktuellen Status eines Projektes und dessen Chancen
und Risiken in der Zukunft dazustellen. Dazu dient auch die Bewertung der
Plausibilitäten der Planungen in einem Businessplan.
• Für den Praxiseinsatz der Ratingmethode ist ein Handbuch zu erarbeiten.
Seite 51
7. Aufbau des Softfact-Ratings für Unternehmensneugründungen
Ein
auf
die
speziellen
Anforderungen
von
Unternehmensneugründungen
abgestimmtes Rating auf Basis von Softfacts setzt eine Reihe von Annahmen und
Eingrenzungen voraus, die in den vorangegangenen Kapiteln erarbeitet wurden:
4.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensgründung (vgl. Seite 23)
5.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensfinanzierung (vgl. Seite 37f)
6.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensrating (vgl. Seite 51)
Daraus resultiert das in Folge entwickelte Modell eines heuristischen qualitativen
Ratingsystems zur Beurteilung von Softfacts anhand detaillierter Fragestellungen in
drei Rating-Hauptkategorien.
Methodisch bietet sich dafür ein Scoring-Verfahren in Form einer klassischen
Nutzwertanalyse zur Bewertung qualitativer Gegebenheiten und zum Vergleich
alternativer Planungen an.64 Damit sind Gründungsprojekte anhand der originalen
Businesspläne und auch bei korrigierter Planung vergleichbar zu beurteilen.
Insbesondere
Renditesituation
KapitalgeberInnen
erhalten
mit
mit
der
dem
Option,
Fokus
ihre
auf
einer
Beteiligung
optimierten
an
konkrete
Verbesserungen der strategischen Ausrichtung und der wirtschaftlichen Performance
des Unternehmens zu knüpfen einen zusätzlichen Anreiz.
Das Ergebnis der Nutzwertanalyse kann anhand von für Softfacts vergebenen
Scores den aktuellen Planungsstatus des Gründungsprojektes (Stärken/Schwächen)
ebenso darstellen wie künftige Gefahren und Potenziale (Chancen/Risiken).
7.1 Grundzüge / Ausgangssituation eines Ratings von Softfacts
Der gewählte Ansatz eines qualitativen Ratings von Softfacts in Form einer
Nutzwertanalyse erfüllt die Kriterien der OeNB gemäß der Leitfadenreihe zum
Kreditrisiko gemäß Basel II. Damit ist sowohl der Einsatz des Ratings zur
Bonitätsprüfung durch Banken möglich, als auch ein methodischer Mindeststandard
für einen breiteren Einsatz als bankenunabhängiges Rating-System geschaffen.
64
Vgl. Eschenbach / Siller (2009): 112ff
Seite 52
Da Softfacts in der Businessplanung von Gründungsprojekten nur ungenügend als
standardisierte Fakten dargestellt werden können und sich zudem je nach Branche,
Projektgröße und Gründungssituation unterscheiden, ist im Rating individuell auf die
jeweiligen Projektspezifika einzugehen. Aus diesem Grund stellen nachfolgende
Ansätze für das Rating von Softfacts lediglich Musterabläufe dar.
Zielergebnis jeder individuellen Analyse ist ein zu einem skalierten Urteil verdichtetes
Rating, das in seiner bonitätsrelevanten Aussage auch über Projektgegenstände,
Branchen, Projektgrößen und andere Spezifika hinweg vergleichbar bleibt.
Die Entwicklung eines Ratingmodells startet mit der Definition der benötigten Daten
und in Folge der Datenquellen bzw. der im Rahmen der Erhebung von Daten
einzusetzenden Methoden. Danach ist die Datenanalyse auszugestalten bzw. sind
Scoring-Funktionen zu entwickeln, die einzelne Analyse-Ergebnisse in vergleichbare
Kennzahlen (Scores) transformieren. Derartige Scores sind bei der Bonitätsprüfung
durch Banken Ausfallswahrscheinlichkeiten und damit Risikoklassen zuzuordnen.65
Damit Ratings auch bei Anwendung durch verschiedene Personen zu vergleichbaren
Ergebnissen führen, sind der Ablauf des Bewertungsprozesses und die Formulierung
von
Bewertungsregeln
inklusive
der
Interpretationsspielräume
einheitlich
zu
gestalten. Das erfolgt üblicherweise in Form eines Handbuches.
7.2 Generierung der Datenbasis
In der Regel sind für das Rating von Gründungsprojekten der eingereichte
Businessplan und dessen Präsentation durch die GründerInnen die wichtigsten
Ausgangsdaten zum Gründungsprojekt. Da in der Praxis diese Informationen oft
unvollständig bzw. aus der Sicht der GründerInnen geschönt sind, gilt es in einem
ersten Schritt die Datenbasis zu ergänzen, die Inhalte der eingereichten Unterlagen
zu objektivieren und auf ihre Plausibilität zu prüfen.
Die zu generierende Datenbasis übernimmt dabei die Rolle einer Indiziensammlung
für möglichst eindeutige Schlussfolgerungen, die letztendlich ein Bonitätsurteil in den
drei Rating-Hauptkategorien erlauben (vgl. Kapitel 8).
65
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 63
Seite 53
7.2.1 Übersicht Erhebungsmethoden
Es bietet sich für das Rating von Softfacts zur Erhebung bewertungsrelevanter Daten
nahezu das gesamte Instrumentarium der Marktforschung an:66
• Primärforschung in Form von eigenen/externen Beobachtungen z.B. an
alternativen
Standorten/Musterbetrieben
bis
hin
zur
Befragung
der
GründerInnen selbst, von KundInnen, LieferantInnen oder ExpertInnen;
• Sekundärforschung in Form von Statistiken, Branchendaten, Benchmarks,
veröffentlichten Berichten, eingereichten Planungsunterlagen, etc.
Die für das Rating von Neugründungen wichtigste Primärerhebung ist die Befragung
der
GründerInnen
selbst
zu
ratingrelevanten
Themen
in
Form
eines
UnternehmerInnen-Hearings (vgl. Kapitel 7.5.2).
Die zu erhebenden Sekundärdaten dienen der Beurteilung der Plausibilität der
Businessplanung, der Veranschaulichung von Potenzialen (Chancen/Risiken) und
zur Formulierung der Businessszenarien, anhand derer die Beurteilung der
Leistungsfähigkeit des Unternehmens erfolgt.
7.2.2 Regeln für Daten, Analysen und Beurteilungen
Sowohl Umfang, Qualität, Quelle und Erhebungsmethode der benötigten Daten, als
auch deren weitere Verwendung sind im Ratinghandbuch für jede RatingHauptkategorie, -Subkategorie und alle Fragenkataloge detailliert auszuarbeiten:
• anzuwendende Marktszenarien und Performance-Empfehlungen;
• Fragestellungen und hinterlegte Score-Werte;
• Gewichtung von Fragen bzw. Kategorien zueinander für die Berechnung von
Teil- und Gesamt-Scores inklusive Berechnungsregeln.
Dem vorgelagert sind ratingrelevante Projektmerkmale zu formulieren, falls sie nicht
ausreichend im Businessplan berücksichtigt wurden:
• Gründungsprojekt und Gründungsmotivation;
• Ratingmotive, eigene Ratingziele (des/der Analysten/Analystin);
66
Lechner et al (2010): 487ff
Seite 54
• Gründungssituation / Branche / Dimension;
• strategische Vorhaben (z.B. Marketingstrategie) und marktseitige Vorgaben
(z.B. Marktsättigung, Eintrittsbarrieren, etc.);
•
„No-Go“-Kriterien (vor und während der Analyse).
7.3 Übersicht über die Entwicklung einer Scoringfunktion
Die Scoringfunktion stellt im Wesentlichen den Rechenkern dar, anhand dessen die
erhobenen Daten in ein Rating übergeleitet werden. Die Entwicklung eines
banküblichen Ratings umfasst in der Regel die drei Schritte „Univariate Analyse“,
„Multivariate Analyse“ und „Überleitung in ein Gesamt-Scoring“ (vgl. Kapitel 6.1.4).
7.3.1 Entwicklungsschritte des Ratings
Durch die in den Kapiteln 4-6 dieser Arbeit erfolgte Eingrenzung des RatingUmfanges und der Definition der zu berücksichtigenden Parameter kann die Tiefe
der univariaten Analysen im Gegensatz zur gänzlichen Neukonzeption eines
allgemein gültigen Ratingansatzes erheblich reduziert werden:
• Die Einbeziehung klassischer Hardfacts entfällt bis zur Überleitung der
Ergebnisse in eine Gesamt-Scoringfunktion.
• Eine Strukturanalyse möglicher Fragerichtungen entfällt. Die drei RatingHauptkategorien „UnternehmerInnen-Profil | Personal“, „Produkt | Markt |
Marketing“ und „Unternehmensorganisation | Finanzierung“ sind vorgegeben.
• Eine Abklärung der Plausibilität der Businessplanung erfolgt im Rahmen des
Bewertungsprozesses (Vergabe der Scores) bzw. bei der Zusammenführung
zu einem Gesamtscoring.
• Innerhalb der Rating-Hauptkategorien werden die Subkategorien separat
bewertet und gewichtet zu einem Teil-Scoring zusammengefasst.
• Die Anzahl und Formulierung der Subkategorien ist variabel, ebenso die
Gewichtung der Subkategorien zueinander.
Seite 55
• Es kann davon ausgegangen werden, dass mit 3 bis 5 Subkategorien unter
Berücksichtigung
definierter
„No-Go“-Kriterien
zu
jeder
Rating-
Hauptkategorie eine ausreichende Trennschärfe erzielt werden kann.
• Zur Trennung in schlechte Projekte (S) und gute Projekte (G) kann die
Arbeitshypothese G > S (gute Projekte haben immer einen höheren ScoringWert, als schlechte) als gegeben vorausgesetzt werden.
• Fehlende
bzw.
unvollständige
Daten
sind
aufgrund
der
variablen
Gestaltungsmöglichkeit der Subkategorien nicht zu berücksichtigen.
Die der endgültigen Auswahl der Kennzahlen folgende multivariate Analyse
umschreibt die formale Bewertung der einzelnen Sub-Kategorien in einem ersten
Schritt durch die Vergabe von Score-Werten. Im Rahmen dieser Arbeit ist eine
dreistufige Skala zur Bewertung der Unternehmensperformance (HIGH. MEDIUM,
LOW) vorgegeben. Es sind jedoch auch alternative Scoring-Methoden denkbar.
Es ist dabei zu beachten, dass bei wiederholtem Einsatz des Ratingmodells (z.B.
durch Banken) die einmal gewählte Scoring-Funktion auch weiter angewendet wird.
Damit bleiben bei unterschiedlichen Ratingdetails (z.B. in verschiedenen Branchen)
die Endergebnisse vergleich- und in einer Ratingskala kalibrierbar.67
7.3.2 Ratingmotivation
Bezugnehmend auf die Erwartungshaltung der GeldgeberInnen mit unterschiedlicher
Ratingmotivation, kann ein mehrfacher Durchlauf der Scoring-Prozesse unter
geänderten Annahmen zu mehreren aufeinander aufbauenden Ergebnissen führen.
Im Rahmen dieser Arbeit wird in zwei Ratingmotive unterschieden:
• Der Bankenansatz folgt der Ratingmotivation, das eingesetzte Kapital
inklusive der Zinszahlung über die vereinbarte Kreditlaufzeit zu sichern. Hier
spielen Renditechancen, Wachstumspotenziale, Entwicklungsstrategien, etc.
eine untergeordnete Rolle. Das Rating bezieht sich ausschließlich auf die
eingereichte
Planung
und
das
darin
erkennbare
Potenzial
des
Unternehmens, solange bei ausreichender Liquidität zu überleben bis alle
67
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 88f
Seite 56
Kreditforderungen
getilgt
sind.
Dazu
reicht
ein
einziger
Bewertungsdurchgang.
• Der Beteiligungsansatz folgt der Ratingmotivation, das Potenzial einer
Geschäftsidee und damit auch Renditechancen und strategische Optionen
zu beurteilen. Der Businessplan bietet dazu einen formalen Ansatz, der im
Rahmen des Erstratings (Bankenansatz) gezielt zu hinterfragen ist.
Über Abänderungen der Originalplanung als mögliche Auflagen für eine
Beteiligung von KapitalgeberInnen an einem Gründungsprojekt lassen sich
nicht nur neue Chancenpotenziale definieren. In einer zweiten Ratingrunde
lassen sich auch Ansätze für mehr Produktivität, Innovation, Kooperation und
unternehmerische Stabilität auf ihre mögliche Wirkung untersuchen.
7.3.3 Muster Scoringprozess
Abbildung 10: Musterbeispiel – Teilscoring in einem Softfact-Rating
7.3.4 Der Bewertungsablauf im Scoringmodell
Die Vergabe der Scores zu jeder Haupt- bzw. Subkategorie erfolgt „bottom up“.
Seite 57
•
Schritt 1: Beantwortung jeder Fragestellung innerhalb einer Subkategorie
anhand der dreistufigen Bewertungsskala.
•
Schritt 2: Vergabe des Scores für jede Subkategorie, wiederum anhand der
dreistufigen Bewertungsskala. Diese kann intuitiv aufgrund des subjektiven
Eindrucks der in Schritt 1 erfolgten Fragebeantwortung oder rechnerisch als
(un-)gewichteter Durchschnitt der in Schritt 1 vergebenen Scores erfolgen.
•
Schritt 3: Berechnung des Scores der Rating-Hauptkategorie als gewichteter
Durchschnitt der jeweiligen Scores der Subkategorien.
Die Gewichtungen zur Berechnung von Durchschnittswerten sind ebenso wie die im
gesamten Verfahren einheitlich zu verwendenden Berechnungsregeln vorab im
Ratinghandbuch festzulegen.
Abbildung 11: Musterbeispiel Bottom Up Zusammenfassung Scoring
Dreistufige Bewertungsskala für die Unternehmensperformance
Im Rahmen dieser Arbeit wird zur Veranschaulichung eines möglichen Scorings eine
dreistufige Bewertungsskala plus Abbruchoption eingesetzt:
HIGH
absolute Konzeptstärke
3 Punkte
Großer Wettbewerbsvorteil, herausragende Fähigkeit/Leistung, starkes Indiz für einen
Seite 58
erfolgreichen Markteintritt und ein positive Geschäftsentwicklung | Fazit: sehr starkes
Argument GEGEN einen Kreditausfall
MEDIUM
ausreichend erfüllt
1 Punkt
Erfülltes Mindestkriterium bzw. keine erkennbare Bonitätsrelevanz, wodurch kein Nachteil,
jedoch auch kein herausragender Wettbewerbsvorteil im Hinblick auf einen Gründungserfolg entsteht | Fazit: ausreichende Krisenresistenz bei normalem Geschäftsverlauf
LOW
beträchtlicher Konzeptnachteil
-1 Punkt
Beträchtlicher Wettbewerbs- bzw. Performancenachteil, der einen Gründungserfolg und
eine weitere positive Geschäftsentwicklung infrage stellt | Fazit: Gefahrenindiz, kann im
Krisenfall Auslöser für einen Kreditausfall werden bzw. selbst eine Krise auslösen.
ZERO
NO GO Kriterium mit Abbruchoption
Abbruch/Restart
Starkes Indiz FÜR einen Kreditausfall bzw. Projektausprägung, anhand dem die
AnwenderInnen eine Beteiligung am Projekt grundsätzlich ausschließt | Fazit: macht ein
weiteres Rating obsolet, zwingt zumindest zu einer Korrektur der Originalplanung
Tabelle 3: Bewertungsskala – HIGH, MEDIUM, LOW – ZERO
Die Bewertungen werden seitens der AnwenderInnen einzelnen Fragestellungen und
Bewertungshypothesen direkt zugeordnet. Sollte eine einzelne Bewertung nicht
möglich sein, wird die entfallende Frage entweder durch eine neue ersetzt, die den
Gesamtüberblick innerhalb einer Subkategorie weiter ermöglicht, oder sie entfällt
ersatzlos. Dann ist die Gewichtung innerhalb der Subkategorie zu überarbeiten.
Zusammenfassung zu Gesamt-Scores
Die rechnerische Zusammenfassung von Scores zu einem übergeordneten Score
ergibt als (un-)gewichteter Durchschnitt immer eine Zahl zwischen -1 und +3. Diese
Zahl wird auf drei Kommastellen errechnet und kann auf eine Ratingskala übertragen
werden. Diese muss wiederum einen Rückschluss auf die Performance des
gesamten Unternehmens bzw. in einer Rating-Hauptkategorie erlauben.
Die Interpretation der
einzelnen Ratingklassen und die dazu gehörigen
Handlungsempfehlungen für GeldgeberInnen sind vorab im Ratinghandbuch zu
formulieren.
Seite 59
Abbildung 12: Beispiel Übertrag eines Score in eine Rating-Skala
Die Darstellung des Softfact-Ratings eines Gründungsprojektes erfolgt in Form eines
3 stelligen Codes, bestehend aus den Anfangsbuchstaben der ermittelten
Performanceklasse (H=HIGH, M=MEDIUM, L=LOW bzw. Z zur Identifikation eines
Ausschlusskriteriums) für jede der drei Rating-Hauptkategorien. Dieses Rating wird
ergänzt um den gewichteten Wert des Gesamtscoring aller drei Kategorien.
Beispiel mögliches Rating eines Gründungsprojektes: MHH
2,125
(UnternehmerInnen-Profil | Personal = MEDIUM, Produkt | Markt | Marketing = HIGH,
Unternehmensorganisation | Finanzierung = HIGH, gewichtetes Gesamtrating 2,125 = HIGH)
Ein Abgleich der Plausibilitäten der Businessplanung erfolgt direkt bei der
Beantwortung der einzelnen Fragestellungen. Ein abschließendes Urteil über die
Plausibilität
der
Businessplanung
kann
im
Rahmen
der
Begründung
des
Gesamtratings erfolgen.
Das Kapitel 9 widmet sich der Zusammenführung der Ratingergebnisse und deren
Interpretation.
7.4 Übersicht Kalibrierung der Scorewerte | Validierung
7.4.1 Kalibrierung der Scorewerte
Unter Kalibrierung der Scorewerte ist die Zuordnung von Scoring-Ergebnissen zu
Ausfallswahrscheinlichkeiten zu verstehen. Dabei werden zur Erfüllung der Kriterien
nach Basel II (IRB-Ansatz) mindestens sieben kreditnehmerbezogene Ratingklassen
Seite 60
für nicht ausgefallene Schuldner und eine Klasse für ausgefallene Kreditnehmer
gefordert. Unberücksichtigt bleibt dabei eine Klasse für das Retail-Segment.68
Durch die Eingrenzungen dieses Softfact-Ratings auf Unternehmensneugründungen
sind überwiegend Kunden aus dem Retail-Segment betroffen (Neugründungen, KMU
= Unternehmen < 1 Mio. EURO Kreditsumme). Daher wird eine direkte Zuordnung
der gewonnenen Scorewerte zu bankenüblichen Ratingklassen im Rahmen dieser
Arbeit nicht weiter verfolgt. Die Möglichkeit, einer individuellen Kalibrierung der
Scorewerte durch einzelne Banken bleibt erhalten.
7.4.2 Validierung des Ratingmodells
Im Basel II Richtlinienentwurf zur Eigenkapitalunterlegung fordert die Europäische
Kommission eine regelmäßige Validierung von Ratingmodellen zur Überprüfung der
Vorhersagequalität, der Stabilität, der Modellbeziehungen und der Treffergenauigkeit.
Dabei wird in eine qualitative und eine quantitative Validierung unterschieden.69
Die qualitative Validierung befasst sich mit dem Design des Ratingmodells, der
Qualität
der
Daten
und
der
internen
Einbindung
in
den
bankenüblichen
Ratingprozess. Auf die erstmalige und infolge laufende Validierung des Modells, ist
bereits bei dessen Ausgestaltung Bezug zu nehmen und im Ratinghandbuch
entsprechend zu dokumentieren.
Eine Überprüfung der Ergebnisqualität ist erst nach einer entsprechenden Laufzeit im
Echteinsatz möglich, da das Vorhandensein einer Mindeststichprobe notwendig ist,
um die Eintrittswahrscheinlichkeit der prognostizierten Ausfälle anhand der
qualitativen Ratingkriterien seriös nachzuweisen.
Die quantitative Validierung beschäftigt sich mit der operationalen Stabilität des
eingesetzten Rechenmodells und damit auch mit Fragen der Trennschärfe der
Ergebnisse und der Kalibrierung von Ausfallswahrscheinlichkeiten. Das im Rahmen
dieser Arbeit eingesetzte Nutzwertverfahren verzichtet auf empirisch-statistische
Rechenmodelle und damit auch auf quantitative Validierungsansätze.
68
69
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 88f
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 99ff
Seite 61
Jene Scores, die in Zukunft als Kennzahlen in bankenübliche Ratingmodelle
einfließen, können im Zuge der üblichen quantitativen Validierung in die laufende
Überprüfung mit einbezogen werden. Damit sind auch für das Softfact-Ratingmodell
die gemäß Basel II vorgegebenen Mindeststandards einer Validierung erfüllt.70
7.5 Ratinghandbuch und Primärerhebungen
7.5.1 Ratinghandbuch
Das Ratinghandbuch stellt im Rahmen der Bonitätsbeurteilung von Unternehmen die
zentrale
Dokumentation
Gewährleistung
der
und
Regelsammlung
Verfahrenssicherheit
als
dar,
auch
die
sowohl
extern
intern
zur
gegenüber
der
bankenaufsichtlichen Kontrolle zum Einsatz kommt.
Folgende Schwerpunkte sind in einem Ratinghandbuch umzusetzen:
• grundlegende Informationen zur Ausgangssituation für das Rating der
Softfacts inklusive Zielsetzungen und Ratingmotivation;
• Generierung
der
Datenbasis
inklusive
Festlegen
der
Datenquellen,
Datenqualität, Erhebungs- und Analysemethodik;
• Festlegung des Scoring-Abläufe und der Scoring-Details inklusive der Regeln
für die Errechnung von Durchschnittsscores;
• Formulierung der individuellen Verfahrensbestandteile wie Marktszenarien,
Performance-Empfehlungen, Fragenkataloge und Hearing-Themen;
• Zu achten ist auf einen entsprechenden Detaillierungsgrad, sowohl die
interne
Verfahrensanleitung
betreffend,
als
auch
eine
objektive
Verfahrensüberprüfung im Form der qualitativen Validierung.
7.5.2 Primärerhebung über Hearings
Die
Hauptkritikpunkte
der
Banken
im
Rahmen
der
Finanzierung
von
Unternehmensneugründungen liegen in der Unvollständigkeit der Businesspläne, der
70
Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 99
Seite 62
subjektiven
und
euphorischen
Zukunftsvorschau
und
der
nur
schwer
einzuschätzenden UnternehmerInnen-Persönlichkeit (vgl. Anhang).
Für eine plausible Einschätzung der zu beurteilenden qualitativen Erfolgskriterien
reicht die bankenübliche Praxis nur bedingt aus. Zum Einen fehlt die Zeit das
Gründungsprojekt im Detail zu durchleuchten und zum Anderen oft auch das
Knowhow und die Methodik auf die fachlichen Besonderheiten jedes einzelnen
Gründungsprojektes einzugehen.
Der in dieser Arbeit verfolgte Ansatz ist es, den Abstimmungsprozess zwischen
RatingerstellerInnen und KreditwerberInnen zu verbessern, auch wenn das bedeutet
mehr Zeit und mehr Knowhow in einzelne Ratingverfahren zu investieren.
Die Durchführung eines Hearings, in dem UnternehmerInnen und bei Bedarf
Schlüsselarbeitskräfte
eingebunden
sind,
bietet
die
Möglichkeit,
folgende
Erfolgsfaktoren bzw. deren Erfüllung beurteilungsfähig herauszuarbeiten:
• Persönlichkeitsprofil | Eignung zu UnternehmerInnen;
• fachliche Qualifikationen des Schlüsselpersonals;
• Vollständigkeit, Plausibilität der Businessplanung – insbesondere der Kostenund Erlös-Darstellungen und der unternehmerischen Erwartungshaltung;
• betriebliche und persönliche Perspektiven;
• Stärken und Schwächen (in allen Bereichen);
• sonstige Statements und Erkenntnisse mit Ratingrelevanz.
Um zu verwertbaren Ergebnissen in Form von Scores zu gelangen, werden
ergänzend zu themenspezifischen Fragenkatalogen auch strukturierte oder freie
Interviews eingesetzt – zum Beispiel als:
• fiktives Bewerbungshearing zur Allein-Geschäftsführung;
• Feedbackrunden zur Präsentation von Inhalten der Businessplanung (z.B.
Aufwands- und Erlösplanung, Personalplanung, Marketingplanung, etc.);
• protokollierte Workshops zur Ergänzung der Businessplanung.
Voraussetzung für das Erlangen qualitativ hochwertiger Daten ist eine gezielte
Hearing-Vorbereitung der beurteilenden Person/en in möglichst authentischen
Seite 63
Rollen. Insbesondere die Durchführung eines fiktiven Bewerbungshearings erfordert
eine
professionelle
Gestaltung
des
Auswahlprozesses
bzw.
umfassendes
Fachwissen und Routine seitens der interviewenden Personen.71
Zur Sicherung der Datenqualität für das letztendliche Scoring sind zudem die
wissenschaftlichen
Standards
zu
inhaltlichen
Analysen
aller
qualitativen
Interviewergebnisse im Ratinghandbuch vorzugeben und strikt einzuhalten.72
7.5.3 Primärerhebung über Fragenkataloge
Fragenkataloge dienen innerhalb einer Subkategorie als Hilfestellung bei der
Beurteilung von ratingrelevanten Themen. Dabei werden, abgestimmt auf das
Gründungsprojekt, allgemeingültige Theorien, Anforderungen und Handlungskriterien
als
Erfolgsfaktoren
dargestellt,
anhand
derer
die
Leistungsfähigkeit
des
Unternehmens überprüft werden kann.
So unterscheiden sich beispielsweise die Erfolgsfaktoren für einen Eintritt eines
Unternehmens in einen gesättigten, stagnierenden und bedingt innovativen
Massenmarkt (z.B. Speise-Gastronomie) grundlegend von jenen in ein wachsendes,
hochtechnisiertes
Zukunftssegment
mit
geringer
Wettbewerbsdichte
(z.B.
Verfahrenstechnik zur Rohstoffrückgewinnung).
Für eine realistische Einschätzung der Marktchancen anhand von Fragenkatalogen
basierend auf den originalen bzw. adaptierten Businessplan ist zu beachten:
• In einer Subkategorie sollten nur die wichtigsten erfolgsrelevanten Faktoren
(z.B. Marktszenarien) aus der Sicht des Unternehmens dargestellt werden.
• Die Erfüllung erfolgsrelevanter Kriterien wird über gezielte Fragestellungen
zur Leistungsfähigkeit des Unternehmens beurteilt.
• Je Fragestellung sind einzelne Leistungsempfehlungen und Anforderungen
auszuformulieren und dem Leistungskatalog des Unternehmens gegenüber
zu stellen (Handbuch).
• Die Bewertung jeder einzelnen Fragestellung hat anhand der Skala HIGH |
MEDIUM | LOW | ZERO zu erfolgen.
71
72
Vgl. Scholz, C. (2011): 210ff
Vgl. Mayring, P. (2010): 48ff
Seite 64
Die zusammenfassende Bewertung aller Antworten zu einem Scoring innerhalb einer
Subkategorie kann sowohl rechnerisch als auch intuitiv erfolgen.
Auf Basis eines gut abgestimmten Fragenkataloges besitzt auch ein intuitiv gefälltes
Urteil, ob das Unternehmen auf das Marktszenario in hohem, mittlerem oder
ungenügendem Maße vorbereitet wurde, eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit.
Die Inhalte der Fragen-Kataloge im gegenständlichen Softfact-Rating sind im Kapitel
8 exemplarisch dargestellt.
8. Die Hauptkategorien im Softfact-Rating
In einer Studie von E. Fröhlich und H. Pichler 2008 zur Schlüsselrolle der
UnternehmerInnen
bei
Investitionsentscheidungen
in
KMU73
und
einer
Machbarkeitsstudie praxisnaher Ansätze u.a. für ein Bonitätsrating von Unternehmen
wurden Soft- und Hardfacts mit je 50% gewichtet.
Das
UnternehmerInnen-Profil
und
das
Unternehmensumfeld
erhielten
eine
Gewichtung von je 20% und das Unternehmenskonzept von 10%.
Das Rating der Finanzdaten beinhaltet dabei Details, die durch die Prüfung der
Plausibilitäten
einer
Businessplanung
anhand
von
Softfacts
auch
für
Unternehmensneugründungen abgedeckt werden können. Damit ergibt sich für einen
kombinierten Ansatz ein für KMU gültiges Verhältnis von 60:40 zwischen Soft- und
Hardfacts in einem Gesamtrating.
Legt man die in der Studie vertiefend genannten Details auf die für diese Arbeit
gewählte Struktur der drei Rating-Hauptkategorien um, lässt sich eine tendenziell mit
der Priorisierung der befragten Banken (siehe Anhang) übereinstimmende
Ausgangsgewichtung der Themen festlegen:
• UnternehmerInnen-Profil | Personal: 35%
• Produkt | Markt | Marketing: 35%
• Unternehmensorganisation | Finanzplanung: 30%
73
Vgl. Fröhlich, E. / Pichler, H. (2008): 284ff
Seite 65
8.1 Ratingkategorie UnternehmerInnen-Profil | Personal (35%)
Personenbezogene Faktoren des Unternehmenserfolgs, wie die Managementqualität
oder das UnternehmerInnen-Profil finden sich bereits heute in den gängigen
Ratingunterlagen der Banken wieder.74
Die
für
einen
erfolgreichen
Markteintritt
und
eine
gute
Entwicklung
des
Unternehmens maßgeblichen Eigenschaften der eingebundenen Personen werden
unter dem Schlagwort „Humankapital“ mit den Attributen Wissen, Fach- und
Sozialkompetenz und Motivation zusammengefasst. Diese Eigenschaften stellen die
Basis für die Innovations- und Wandlungsfähigkeit eines Unternehmens und damit
auch die Kerneigenschaften für den Neuaufbau unternehmerischer Strukturen dar.75
Für eine aussagekräftige Bewertung dieses Themenclusters bietet sich die
Zusammenfassung folgender Eigenschaften in Rating-Subkategorien an:
• Seriosität, Führungsstärke, Planungskompetenz, Entscheidungsfähigkeit,
Managementrepertoire = UnternehmerInnen-Profil (Gewichtung: 50%)
• Knowhow, Verfügbarkeit, Motivation, Leistungsvermögen = Personalplanung
/ Schlüsselpersonal (25%)
• Produktivität, Effektivität, Kosteneffizienz = Personalkosten (25%)
Daraus ist auch die Rolle abzuleiten die UnternehmerInnen sich selbst im Rahmen
der Businessplanung zugedacht haben bzw. mit welchen Erwartungen (z.B.
UnternehmerInnen-Lohn) sie in das jeweilige Gründungsprojekt gehen.
In der Gewichtung der Subkategorien zueinander ist sowohl die vertrauensbildende
Wirkung eines positiven UnternehmerInnen-Profils gegenüber KapitalgeberInnen als
auch die Wertigkeit von fehlenden Managementqualitäten bei einem Scheitern von
Unternehmen berücksichtigt (vgl. Kapitel 4.2.2).
8.1.1 UnternehmerInnen-Profil (50%)
Zielsetzung im Rahmen der Beurteilung der Gründungspersönlichkeit ist das
Schaffen von Vertrauen in:
74
75
Vgl. Eisl et al (2008): 681f
Vgl. Dillerup, R. / Stoi, R. (2011): 740f
Seite 66
• die Seriosität der Person bzw. des von ihr initiierten Gründungsprojektes;
• deren fachliches und managementspezifisches Repertoire zur Planung, zum
Aufbau und zur Leitung des Gesamtprojektes;
• deren Fähigkeiten zur Reaktion auf sich ändernde Rahmenbedingungen und
zur Bewältigung von Krisensituationen.
Die Erhebung der Primärdaten erfolgt über ein fiktives Bewerbungsverfahren für eine
Alleingeschäftsführung im Rahmen eines UnternehmerInnen-Hearings (vgl. Kapitel
7.5.2) u.a. auch in Bezug auf das vorhandene Management-Repertoire.
Die Erhebungsmethode ist ein halbstrukturiertes Interview anhand eines vorab
individuell formulierten Leitfadens.76 Die Sinnhaftigkeit einer Beurteilung der
Ergebnisse mit den Scores HIGH, MEDIUM und LOW bzw. ZERO ist vorab in der
Formulierung des Leitfadens zu berücksichtigen.
Die Ergebnisse daraus müssen plausible Rückschlüsse auf den Erfüllungsgrad eines
fiktiven Anforderungsprofils erlauben. Dieses Profil orientiert sich am hierarchischen
Ebenen-Modell der Unternehmensführung:77
• Die normative Unternehmensführung prägt den Gestaltungsrahmen, der dem
Unternehmen seine Persönlichkeit und Identität verleiht. Sie sichert die
Lebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens
• Die
strategische
Unternehmensführung
sorgt
für
die
Ausschöpfung
bestehender und die Erschließung neuer Erfolgspotenziale. Sie zeichnet für
die Zielsetzung und die Definition der Vorgehensweisen verantwortlich.
• Die operative Unternehmensführung hat ihren Fokus auf den bestehenden
Erfolgspotenzialen und umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle der
laufenden Aktivitäten eines Unternehmens.
Rückschlüsse
auf
Unternehmensführung
die
Fähigkeit
ergeben
sich
zur
in
der
normativen
Regel
aus
und
der
strategischen
Qualität
des
Businessplans. Die Bewertung der Fähigkeit zur operativen Unternehmensführung
muss hingegen im Rahmen des Hearings gezielt abgefragt werden. Daher ist eine
76
77
Vgl. Scholz, C. (2011): 226
Vgl. Dillerup, R. / Stoi, R. (2011): 36f
Seite 67
abschließende Beurteilung des UnternehmerInnen-Profils frühestens mit Abschluss
des Hearings und der Verifizierung der Hearing-Ergebnisse sinnvoll.
Sind
bei
Unternehmensneugründungen
die
normativen
und
strategischen
Führungsaufgaben meist bei den GründerInnen direkt angesiedelt, werden operative
Führungsaufgaben oft an ein Management abgegeben. In diesem Fall ist bei der
Beurteilung auch die Qualität des operativen Managements einzubeziehen.
Im Zuge dessen ist auch festzustellen, ob ausreichend Ressourcen für Managementaufgaben bereit stehen bzw. inwieweit die UnternehmerInnen durch derartige
Aufgaben für produktive Leistungen nicht zur Verfügung stehet (vgl. Kapitel 8.2.1).
Ergänzende Datenquellen sind analog zu Personalauswahlverfahren Unterlagen wie
Lebensläufe, Ausbildungs- und Dienstzeugnisse, Empfehlungsschreiben oder
Nachweise
von
selbstständigen
Projekt-
und
Managementtätigkeiten
etc.
Üblicherweise sind derartige Informationen im Businessplan eingearbeitet.
Die
Auswertung
eines
möglichen
Fragenkatalogs
erfolgt
intuitiv
in
einer
überblickshaften Einschätzung der vorhandenen Fähigkeiten im Unternehmen durch
die Vergabe von Scores. Zu beachten ist dabei immer, ob das Leistungsvermögen
der UnternehmerInnen ausreichend und inwieweit das mit bewertete Management
erkannte Schwächen auszugleichen imstande sind. Im Falle der Errechnung eines
Durchschnittsscores ist vorab zu klären, in welchem Ausmaß der Score des
Managements im Verhältnis zu jenem der UnternehmerInnen einzubeziehen ist.
Diagnostizierte Schwächen im UnternehmerInnen-Profil bieten für eine zweite
Ratingrunde Ansätze zur Änderung der Businessplanung. Speziell in der operativen
Unternehmensführung kann Knowhow geschult, rekrutiert oder zugekauft werden.
8.1.2 Personalplanung / Schlüsselpersonal (25%)
Die Personalplanung, getrennt in die Phase des Aufbaus des Unternehmens, die
Markteintrittsphase
und
eine
mittelfristige
Ausbauphase
im
Rahmen
der
Marktdurchdringung legt fest, wie viele Mitarbeiter, welcher Qualifikation, zu welchem
Seite 68
Zeitpunkt, an welchen Orten und zu welchen Kosten zur Realisierung des geplanten
Leistungsprogramms erforderlich sind.78
Die Personalplanung ist Bestandteil des Businessplans und setzt klare Vorstellungen
über die Art, den Umfang und die Prozesse im Rahmen der Leistungserstellung bzw.
der Absatzstrategie voraus. Besonders kritisch ist in diesem Zusammenhang die
Verfügbarkeit, aber auch die Auslastung von Schlüsselpersonal zu betrachten.
Ziel ist es, den idealen Mix an Fachkräften für die entscheidenden Positionen im
Betrieb zu finden und zum richtigen Zeitpunkt möglichst offensiv und produktiv
bereitzustellen. Besonders für Aufgaben im KundInnenkontakt, Verkauf, Vertrieb
bzw. in Bereichen, die hohes Expertenwissen voraussetzen, sind Fachkräfte u.U. nur
schwer zu finden bzw. nur über einen langen Zeitraum adäquat auszubilden.
Die Bewertung der Personalplanung bzw. der Verfügbarkeit von Schlüsselpersonal
orientiert sich einerseits an der möglichst vollständigen Besetzung der wichtigsten
Positionen und andererseits an der Koordination der verfügbaren Ressourcen.
Besonders bei kleineren Gründungsprojekten mit einer überwiegend auf die
GründerInnen
abgestimmten Kompetenzverteilung
ist die
Konzentration
der
Schlüsselqualifikationen auf eine Person nicht mehr mit deren Kapazitäten vereinbar.
Die
Konsequenzen
daraus
sind
Qualitätseinbußen,
Überforderung,
Produktivitätseinbußen etc.
Zentrale Datenquelle ist der Businessplan bzw. dessen kritische Diskussion im
Rahmen des UnternehmerInnen-Hearings (vgl. Kapitel 7.5.2).
Als Erhebungsmethode bietet sich ein individuell abgestimmter Fragenkatalog an,
anhand dessen unter Einbeziehung von allgemeingültigen Branchenerkenntnissen
die aktuelle Personalplanung hinterfragt wird (vgl. Kapitel 7.5.3). Die Scores werden
als HIGH, MEDIUM, LOW oder ZERO vergeben. Der Gesamtscore dieser
Subkategorie kann als Durchschnittswert bei gleicher Gewichtung aller Scores
errechnet werden. Dieser Punktwert geht mit der Gewichtung von 25% in das
Scoring für die Rating-Subkategorie UnternehmerInnen-Profil | Personal ein.
Erkannte Schwächen in der Personalplanung bieten für eine zweite Ratingrunde
weitreichend Ansätze für Änderungen in der Businessplanung. Insbesondere der
zeitgerechte Aufbau von Knowhow, aber auch der Zukauf von Leistungen oder die
78
Vgl. Scholz, C. (2011): 121
Seite 69
Auslagerung
von
Leistungseinheiten
wirken
sich
entscheidend
auf
die
Erfolgsaussichten eines Gründungsprojektes aus.
8.1.3 Personalkosten (25%)
Im Rahmen der Businessplanung werden üblicherweise auch Personalkosten
geschätzt und auf den künftigen Geschäftsverlauf projiziert. Dabei stellen die Kosten
für Personal je nach Branche einen großen Kostenblock mit weitgehendem
Fixkostencharakter dar.79
Bei
kleineren
Projekten
werden
Personalkosten
oft
als
Konstante
aus
Branchenvergleichen abgeleitet oder anhand von Normjahren linear hochgerechnet.
Bei Unternehmensneugründungen mit zeitlichem Druck (time to market) und dem
Zwang zu aufrechter Liquidität auch in der noch erlösarmen Nachgründungsphase ist
hingegen die exakte Planung von Personalaufwänden überlebensnotwendig.
Dabei werden u.a. Sonderzahlungen wie 13./14. Monatsgehälter, Provisionen,
Dienstgeberbeiträge,
Rücklagen
für
Pensions-
und
Abfertigungszahlungen,
unproduktive Zeiten durch Urlaube, Krankheit oder Karenzzeiten, der erwartete
UnternehmerInnenlohn inkl. Abgaben etc. oft nur unzureichend berücksichtigt. Auch
gilt es, zuzukaufendes Aushilfs-/Leasingpersonal in der Planung zu berücksichtigen.
Ziel der Bewertung der Personalkostenplanung ist es, das realistische Volumen der
für
diesen
Kostenblock
benötigten
liquiden
Mittel
sowohl
während
der
Markteintrittsphase, als auch im Normbetrieb zu ermitteln und der Businessplanung
bzw. vergleichbaren Branchenwerten gegenüberzustellen.
Als Erhebungsmethode bietet sich ein individuell erstellter Fragenkatalog an, anhand
dessen eine Bewertung der Plandaten und darüber hinaus Rückschlüsse auf die
Vollständigkeit der Liquiditätsplanung des Unternehmens ermöglicht werden.
Die Scores für die Konsequenzen aus einer plausiblen Personalkostenplanung
werden als HIGH, MEDIUM, LOW oder ZERO vergeben.
• Der Gesamtscore dieser Subkategorie kann als Durchschnittswert bei
gleicher Gewichtung aller Scores errechnet werden. Dieser Punktwert geht
79
Vgl. Wöhe, G. (2010):128f
Seite 70
mit der Gewichtung von 25% in das Scoring für die Rating-Subkategorie
UnternehmerInnen-Profil | Personal ein
• Erkannte Optimierungspotenziale im Rahmen der Personalkosten bieten für
eine zweite Ratingrunde gute Ansätze zur Änderungen der Businessplanung.
Insbesondere in der Frage des Zukaufs von Leistungen bieten sich alternativ
zur kostenintensiven Eigenleistung Optionen wie z.B. Personalleasing zu
Spitzenzeiten, Kooperationsformen mit Zulieferern etc. an.
8.2 Ratingkategorie Produkt | Markt | Marketing (35%)
In der Literatur wird Marketing als Prozess definiert, durch den Individuen bzw.
Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen indem Sie Produkte erzeugen
bzw. Leistungen von Wert bereitstellen, sie anbieten und miteinander austauschen.80
Dabei umfasst Marketing in einer klassischen Interpretation alle Prozesse wie
Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potenziellen Märkte
ausgerichteten Unternehmensaktivitäten: 81
• Diese Definitionen verdeutlichen den Stellenwert von Marketing als
marktorientierte Unternehmensführung und strategisch, operatives Führungskonzept und damit als entscheidender Faktor des Unternehmenserfolgs.
• Marketing als zentrale UnternehmerInnen-Disziplin reicht dabei weit über die
Funktion der Verkaufsunterstützung hinaus, sie nimmt vielmehr die Funktion
einer Führungsphilosophie bzw. eines Managementleitbildes wahr.
Insbesondere bei der Schaffung neuer, auf bestehende oder künftige Märkte
ausgerichteter
Unternehmensstrukturen,
ist
die
Fähigkeit
die
marktseitigen
Rahmenbedingungen für das eigene Unternehmen richtig zu deuten entscheidend.
Nur damit lassen sich geeignete Ansätze und Strukturen entwerfen, die ein
Reüssieren der Gründungsidee im Wettbewerb ermöglichen.
Die in Strategien, Strukturen und Maßnahmen mündenden Einschätzungen von
Potenzialen, Chancen und Risiken sind im Businessplan beschrieben. Darin sollte
nachvollziehbar auch die wechselseitige Wirkung der wichtigsten über das Marketing
80
81
Vgl. Kotler, P. et al (2011): 39
Vgl. Meffert, H et al (2012): 11f
Seite 71
definierten Einflussfaktoren auf den Gründungs-/Geschäftserfolg analysiert und mit
geeigneten Strukturen und Maßnahmen unterlegt sein.
Marketing ist eine wissenschaftlich ausgereifte und lösungsorientierte Disziplin, die
für zentrale Fragen von Ursachen und Wirkungen im Themenkomplex Produkt und
Markt eine Fülle an Ansätzen und Empfehlungen bereitstellt. Im Zuge der Bewertung
von zum Teil neuen und innovativen Gründungsprojekten stellt sich daher auch die
Frage, inwieweit GründerInnen vorhandene Marketingkompetenzen auf neuartige
Marktszenarien ausrichten können um Wettbewerbsvorteile zu generieren.
Für eine möglichst vollständige Bewertung der Plausibilität und Durchgängigkeit der
marktseitigen Planungen im Rahmen eines Ratings bietet sich die Einteilung der
Rating-Hauptkategorie „Produkt | Markt | Marketing“ in folgende Subkategorien an:
• Das Produkt/die Dienstleistung inkl. aktueller Produkt- und Preisgestaltung,
KundInnennutzen/USP, Wettbewerbsposition, etc. (20%)
• Der Markt/die Branche inkl. Wettbewerb, Segmentierung, Zielgruppe,
Chancen und Risiken, Entwicklungen, etc. (20%)
• Die
Markteintrittsphase
inkl.
Eröffnungsmarketing,
Angebots-
und
Preisposition (Eröffnungsaktionen), Kommunikation, Werbung, etc. (20%)
• Die mittelfristige Marketingstrategie (Durchdringung und Wachstum) inkl.
künftiger
Preispolitik,
Produkt-/Leistungsentwicklung,
neue/erweiterte
Zielgruppen, neue/erweiterte Segmente, KundInnenbindung, etc. (20%)
• Ergänzende Wettbewerbsfaktoren (individuell) inkl. Standortbeurteilung,
KundInnenstock, Nebenstrategien, etc. (20%)
Zu beachten ist dabei die Abhängigkeit einzelner Erfolgsfaktoren von der vernetzten
Wirkung mehrerer Strategien und Maßnahmen. So wirken sich beispielweise neue
Erkenntnisse zur Marktsituation und zum Wettbewerb direkt auf die Bewertung der
ursprünglich entworfenen Marketingstrategien aus. Im Hinblick auf ein stimmiges
Gesamturteil empfiehlt sich daher eine, die Subkategorien übergreifende schrittweise
Beantwortung der Fragenkataloge und letztendlich eine Gleichgewichtung der
Subkategorien im Rahmen des Scorings.
Seite 72
8.2.1 Produkte (Sortiment) / Leistungen (20%)
Ziel dieser Bewertungskategorie ist es, ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob das
Produkt (Sortiment) bzw. die Leistung einen der zentralen Erfolgsfaktoren darstellt
um mit der Geschäftsidee auf einem Markt zu reüssieren. Auch die Erkenntnis, dass
das Produkt selbst durch seine ausreichende Qualität und seinen von der Zielgruppe
akzeptierten Preis einem durch andere Faktoren begünstigten Erfolg nicht im Wege
steht, kann positiv bewertet werden.
Bezugnehmend auf die GründerInnen-Motivation kann das Produkt selbst den Kern
der Geschäftsidee darstellen. In diesem Falle ist der Bewertungsfokus auf spezielle
Eigenschaften eines vorgegebenen Produktes wie Innovation, Einzigartigkeit (USP),
Preis etc. zu legen und in marktorientierte Strategien einzubinden.
Im Falle anderer GründerInnen-Motivationen, wie beispielsweise die ledigliche
Verfügbarkeit eines Standortes ohne vorgegebene Nutzung, sind im Businessplan
formulierte Entscheidungen bezüglich Produkte, Branchen etc. grundsätzlich zu
hinterfragen und bei Bedarf neu zu treffen.
Die drei Dimensionen, zur Produktbeschreibung sind:82
• das Kernprodukt mit einer klaren Beschreibung des Basisnutzens, den das
Produkt bietet (z.B. Bohrer bohren Löcher);
• das reale Produkt mit wahrgenommenen Eigenschaften wie Qualität,
Funktionalität, Design, Marke und Verpackung;
• das erweiterte Produkt mit Zusatzleistungen wie Garantie, Schulung,
Lieferung, Einbau, Versicherung, etc.
Ergänzend dazu bestimmen folgende, direkt dem Produkt bzw. der Leistung
zugeordnete Themen die Wahrnehmung der KäuferInnen:
• Preisgestaltung bzw. Preis-/Konditionen-Politik
• Verfügbarkeit
• Substituierbarkeit und Wettbewerb (vgl. Kapitel 8.2.2)
82
Kotler, P. et al (2011): 588f
Seite 73
Um die eingereichte Businessplanung auf produktseitige Erfolgsfaktoren für den
Markteintritt bzw. die Marktdurchdringung überprüfen zu können, sind noch vor dem
Bewertungsprozess eine Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten:
• Produkt-/Sortiment-Analysen z.B. über Erfahrungskurven, Erfolgsfaktoren,
Stärken-Schwächen, Lebenszyklen oder Produkt-Markt-Portfolios;83
• eigene und Sekundärerhebungen zum Thema Kundenstruktur, Bedarf und
Akzeptanz von Produkten und Dienstleistungen;
• Preiskalkulation (vgl. Kapitel 8.3.3), Volumenschätzungen (vgl. Kapitel 8.2.2);
• Recherche der internen und marktseitigen Rahmenbedingungen und
Formulieren von Strategieempfehlungen (Vgl. Kapitel 8.2.2);
• Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch.
Exkurs Markenführung: Produkte, die im Rahmen von Unternehmensgründungen
neu auf den Markt gebracht werden, können selten auf bereits entwickelte
Markenwerte
als
Erfolgsfaktoren
zurückgreifen.
Ausgenommen
davon
sind
Handelsbetriebe mit Markenartikeln im Sortiment und Lizenz- und FranchisenehmerInnen. Das Thema Markenmanagement ist daher bei Gründungsprojekten eher im
Rahmen der mittelfristigen Marketingstrategie zu bewerten (vgl. Kapitel 8.2.4).
8.2.2 Der Markt / die Branche (20%)
In dieser Bewertungskategorie ist ein Überblick darüber zu erlangen, in welches
marktseitige Umfeld mit der Geschäftsidee eingedrungen werden soll. Da die
Marktbedingungen meist nicht aktiv beeinflusst werden können, ist es wichtig
festzustellen, inwieweit die Unternehmensperformance auf die zu akzeptierenden
Rahmenbedingungen
ausgerichtet
wurde
und
in
welchem
Markt-
und
Wettbewerbsumfeld die entwickelten Strategien als Erfolgsfaktoren wirken können.
Für ein in den Markt eintretendes Unternehmen bedeuten die herrschenden
Wettbewerbskräfte eine Mischung aus Eintrittsbarrieren und Eroberungschancen.
Für eine stimmige Beurteilung der geplanten Unternehmensperformance und der
erarbeiteten Strategien sind daher vorab die Wettbewerbssituation zu bestimmen,
83
Weber, J. / Schäffer, U. (2011): 400ff
Seite 74
relevante Strategieempfehlungen zu formulieren und die Detailfragen auf das so
entworfene Marktszenario abzustimmen.
Ergänzend dazu ist eine Abgrenzung des Zielmarktes (Branche, Segmente,
Zielgruppen) in Bezug auf Volumina und Potenziale vorzunehmen. Darüber hinaus
sind klare Ziele zu formulieren, die sich auf ihre Plausibilität und nach erfolgtem
Markteintritt auf ihre Erreichung überprüfen lassen.
Um die eingereichte Businessplanung auf marktseitige Erfolgsfaktoren für den
Markteintritt bzw. die Marktdurchdringung überprüfen zu können, sind noch vor dem
Bewertungsprozess weitere Daten zu erheben und aufzubereiten:
• Wettbewerbs- und Branchenanalysen z.B. über strategische Methoden wie
SWOT- oder Portfolio-Analysen84 oder eine Analyse der Branchenstruktur
(Five Forces) nach Michael E. Porter;85
• Eigene und Sekundärerhebungen zur geografischen und demografischen
Marktstruktur in Bezug auf die Branche, den Wettbewerb, die Zielgruppe und
mögliche Eintritts- und Wachstumsbarrieren;
• Schätzungen/Vorgaben: Marktpotenzial, Marktvolumen, Ziel-Marktanteil
• Recherche der produktseitigen Rahmenbedingungen (vgl. Kapitel 8.2.1) und
marketingseitigen Vorgaben (vgl. Kapitel 8.2.4) und Formulieren von
Strategieempfehlungen;
• Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch.
Exkurs: Branchenstrukturanalyse (Five Forces) 86
Einen bewährten Ansatz zur Analyse der Branchen- und Wettbewerbsstruktur bietet
das Five-Forces-Modell von Michael E. Porter, nach dem fünf Wettbewerbskräfte die
Attraktivität jeder Branche bestimmen und im Zuge dessen auch über Preisbildung,
Kosten und Investitionen die Rentabilität einer Branche beeinflussen:
84
Kotler, P. et al (2011): 172ff
Vgl. Dillerup, R. / Stoi, R. (2011): 188ff
86 Vgl. Dillerup, R. / Stoi, R. (2011): 188ff
85
Seite 75
• Verhandlungsstärke der LieferantInnen: kennzeichnet die Abhängigkeit von
LieferantInnen bzw. den Zwang, oktroyierte höhere Preise auf Kosten einer
besseren Marge zu akzeptieren.
• Verhandlungsstärke
der
KundInnen:
beschreibt
die
Möglichkeit
der
KundInnen alternative Produkte oder Anbieter zu wählen.
• Gefahr der Substitution von Gütern: besteht dann, wenn Produkte einer
Brache durch Produkte aus einer anderen ersetzt werden können.
• Gefahr durch neue WettbewerberInnen: zeigt die Höhe der Eintrittsbarrieren
für neue TeilnehmerInnen am Markt.
• Rivalität im bestehenden Wettbewerb: zeigt das aktive Wettbewerbsverhalten
der Unternehmen und gilt als die zentrale Triebkraft einer Branche.
8.2.3 Die Markteintrittsphase (20%)
Diese Bewertung umfasst die konkrete Planung des Markteintritts des Unternehmens
und damit die marktorientierte Realisierung des Gründungsprojektes. Dabei wird die
Basis für die weitere Entwicklung des Unternehmens und die Erreichung späterer
Ziele (z.B. Umsatz-, Marktanteils-, Renditeziele, u.v.m.) gelegt. Ein gelungener
Markteintritt beispielsweise in Form einer Geschäftseröffnung ist imagebildend. Er
schafft einen ersten, jedoch lange wirkenden Eindruck bei der Zielgruppe, aber auch
in der breiten Öffentlichkeit und setzt starke Argumente bei KundInnen für oder
gegen den Kauf eines Produktes bzw. die Nutzung eines Angebots.
Der Eintritt in den Markt eröffnet auch die Erlösphase beim Unternehmen und damit
oft auch den kritischen Erfolgsnachweis gegenüber den Gebern und Geberinnen von
Kapital. Ab dieser Phase sind konkrete Rückschlüsse auf die Qualität der Planung
und der Vorbereitung des Gründungsprojektes möglich.
Angesichts
der
großen
Bedeutung
der
Markteintrittsphase
für
den
Unternehmenserfolg kommt auch deren Ausgestaltung – von der strategischen
Zielsetzung bis zur konkreten Umsetzung von Werbemaßnahmen – eine zentrale
Bedeutung zu. Zudem stellt ein ambitionierter Markteintritt oft einen großen Posten
im Rahmen des Gründungsbudgets dar; zum Teil noch vor der Erlösphase und damit
als Investition, die auch in die Investitionsplanung Eingang finden sollte.
Seite 76
Die strategische Planung des Markteintrittes lässt sich einerseits über den
Eintrittszeitpunkt bewerten, für den allgemeingültige Chancen und Risiken definiert
und mit Strategieempfehlungen hinterlegt wurden. Dabei wird unterschieden:87
•
Pionier: Innovationsführerschaft, temporäres Marktmonopol
•
Früher Folger: noch geringer Wettbewerb und erste Pionier-Erkenntnisse
•
Später Folger (Me Too): hohe Wettbewerbsdichte bei „gelerntem“ Markt
•
Nischenanbieter: unbesetzte Nischen in gesättigten Märkten
Weitere Normstrategien und Einflussvariable auf Timing-Entscheidungen können auf
Basis
einer
Marktlebenszyklusanalyse
abgefragt
und
der
Businessplanung
gegenübergestellt werden.88
Die operative Aufgabenstellung im Rahmen des Markteintrittes umfasst deren
Planung, die Organisation diverser Maßnahmen, die Umsetzung über einen
definierten Maßnahmen- und Medienmix, die tatsächliche Einführung und die Phase
der Überleitung in die laufende Geschäftstätigkeit.
Bei der Bewertung der Markteintrittsphase ist daher auch die Gegenüberstellung der
operativen Planung und der veranschlagten Kosten mit der im Businessplan
formulierten Strategie bzw. mit internen Vorgaben (Produkte, Prozesse) und
externen Rahmenbedingungen (Markt, Branche, Zielgruppe) notwendig.
Um die geplante Markteintrittsphase in Bezug auf Vollständigkeit und Sinnhaftigkeit
bewerten zu können, sind noch vor dem Bewertungsprozess eine Reihe von Daten
zu erheben und aufzubereiten:
• Analyse der Rahmenbedingungen für den Markteintritt z.B. nach dem
Markteintrittszeitpunkt oder auf Basis eines Marktlebenszyklus;
• Analyse der Intensität der Markteinführungsaktivitäten und des geplanten
Marketing-/Medien-Mix z.B. nach dem Multi-Channel-Ansatz für Distribution
und Kommunikation;89
• eigene Erhebungen u.a. im Bereich regionaler Marketingusancen und
Analyse von Sekundärdaten wie Branchenstudien;
87
Vgl. Meffert, H et al (2012): 436ff
Vgl. Meffert, H et al (2012): 284ff
89 Vgl. Meffert, H et al (2012): 557f
88
Seite 77
• Volumenberechnungen und Detailplanungen;
• Recherche der produkt-, markt- und marketingseitigen Rahmenbedingungen
(Vgl. Kapitel 8.2.1, 8.2.2 und 8.2.4) und Formulieren von StrategieEmpfehlungen;
• Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch.
8.2.4 Die mittelfristige Marketingstrategie (20%)
Die Rahmenbedingungen für die Marketingstrategie des Unternehmens wurden
bereits über die Fragenkataloge Produkt/Leistung und Markt/Branche mit den
Annahmen in der Businessplanung abgeglichen. Ebenso wurde die Konzeption der
Markteintrittsphase, in der Kernaussagen zur mittelfristigen Marketingstrategie
vorweggenommen sind, bereits eingehend beurteilt.
Die Bewertung der mittelfristigen Marketingstrategie selbst hat daher zum Ziel eine
Eignung des Unternehmens für die erfolgreiche Teilnahme am Wettbewerb und
infolge dessen die Erreichung der Unternehmensziele festzustellen.
Sie beschäftigt sich, abgesehen von der groben Einschätzung künftiger Werbe- und
Marketingbudgets weniger mit der Detail- und Maßnahmenplanung im operativen
Marketing, als mit strategischen Bekenntnissen zu Produkten/Preisen, Leistungen,
Märkten, MitbewerberInnen, KundInnen/Zielgruppen etc. als Handlungsrahmen für
alle Unternehmensaktivitäten.
Im Rahmen der Zielsetzung sind unterschiedliche Inhalte zu definieren: 90
• ökonomische Ziele: Umsatz, Marktanteil, Absatzvolumen, Rendite etc.
• ökologische/soziale Ziele: Nachhaltigkeit, Fairness etc.
• psychographische Ziele: Image, Bekanntheit, Motivation, Kaufabsicht etc.
Im Detail gilt es, Ziele und Strategien allgemeingültig in Form logischer
Schlussfolgerungen aus vorangegangenen Analyseschritten abzuleiten, mit der
aktuellen
Businessplanung
abzugleichen
und
infolge
einen
entsprechenden
Marketing-Mix91 festzulegen.
90
91
Vgl. Meffert, H et al (2012): 256ff
Vgl. Meffert, H et al (2012): 22
Seite 78
Die Beurteilung der Marketingstrategie inklusive des Marketing-Mix bezieht sich auf
die mögliche Bildung von strategischen Geschäftsfeldern ebenso wie auf
grundsätzliche Vorgaben in Bezug auf.
• die Produkt- und Preispolitik;
• die weiterführende marktspezifische Entwicklungsrichtung;
• die Kommunikationspolitik;
• die Zielgruppen- und KundInnenpolitik;
• u.v.m.
Um die mittelfristige Marketingstrategie in Bezug auf ihre Vollständigkeit und
Sinnhaftigkeit bewerten zu können, sind noch vor dem Bewertungsprozess eine
Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten:
• Festlegung sinnvoller mittelfristiger Zielsetzungen auf Basis der bisherigen
Analysen und Bewertungen (vgl. Kapitel 8.2.1, 8.2.2, 8.2.4);
• Definition von (Norm-) Strategien zur Produkt-/Preis-/Kommunikations- und
Distributionspolitik unter Berücksichtigung der bisherigen Analyseergebnisse
und Bewertungen bzw. aufgrund allgemeingültiger Erkenntnisse;
• Definition von (Norm) Strategien für die künftige Kunden-/Zielgruppenpolitik;
• eigene Erhebungen und Analyse von Sekundärliteratur u.a. im Bereich
branchenüblicher Strategien und Best-Practice-Samples;
• Formulieren von Strategieempfehlungen für das Gründungsprojekt;
• Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch.
8.2.5 Ergänzende Wettbewerbsfaktoren (20%)
Je nach Branche bzw. Gründungssituation können zusätzliche Faktoren aus dem
Kontext
„Produkt
|
Markt
|
Marketing“
für
den
in
Aussicht
gestellten
Unternehmenserfolg ausschlaggebend sein. Voraussetzung für die gesonderte
Berücksichtigung beim Rating ist eine direkte, unmittelbare Wirkung auf den
Unternehmenserfolg und eine als ausreichend erkannte Dimension.
Derartige
Seite 79
Faktoren sind in die Bewertung der Businessplanung aufzunehmen und analog zu
den bisherigen Kapiteln aufzubereiten und zu beurteilen.
Nachstehende Beispiele sind lediglich eine kleine Auswahl an möglichen Themen für
ergänzende Wettbewerbsfaktoren. Welche zusätzlichen Faktoren entscheidenden
Charakter für den Erfolg von Unternehmensgründungen besitzen, ist für jedes
Projekt separat zu eruieren und entsprechend auszuformulieren:
• Standort:
besonders
bei
Gründungsprojekten
steht
oft
nur
eine
Standortalternative zur Auswahl, die je nach Branche als entscheidender
Faktor maßgeblich für den Unternehmenserfolg verantwortlich zeichnet.
Dieser Faktor wäre im Rahmen der gemeinschaftlichen Beurteilung der
Marketingstrategien verhältnismäßig niedrig gewichtet.
• Vorhandener KundInnenstock: Übernommene KundInnen aus früheren
Geschäftsbeziehungen oder beim Einstieg in Vertriebssysteme bieten einen
direkt auf den Geschäftserfolg wirkenden Wettbewerbsvorteil.
• Nebenstrategien: oft lassen sich durch den Aufbau von Leistungen und
Strukturen Angebote definieren die zwar ursächlich wenig mit der
Gründungsidee zu tun haben, jedoch im Sinne einer besseren Auslastung
oder der Nutzung von Knowhow aktiv vermarktet werden können.
Beispiele: Vermietung von Raum- oder Rechnerkapazitäten, Hosting von
Websites, Beratung und Coaching, Gründung von Einkaufsgemeinschaften,
Teilen von Logistik-Infrastruktur etc.
Der Themencluster Personal ist in dieser Kategorie nicht mehr zu berücksichtigen –
eine
ausführliche
Beurteilung
„UnternehmerInnen-Profil
|
dazu
Personal“
ist
bereits
eingeflossen.
in
die
Ebenso
Ratingkategorie
sind,
keine
überproportionale Gewichtung vorausgesetzt, Wettbewerbsvorteile in Form von
Kooperationen, Marketingverbänden, Absatz-Plattformen oder Franchise-Systemen
in den Kategorien Produkt/Leistung und Markt/Branche zu berücksichtigen.
Seite 80
8.3 Ratingkategorie Unternehmensorganisation | Finanzierung (30%)
Zur Abrundung des Ratings von Unternehmen in ihrer Gründungsphase gilt es jene
Themen zu bewerten, die eine Vorschau auf künftige Hardfacts im Rahmen eines
späteren Finanzratings ermöglichen und einen Rückschluss auf die Aufbringung und
Verwendung der einzusetzenden Mittel erlauben.
Als reine Plandaten ohne Vergleichswerte stellen Sie lediglich Richtgrößen dar,
deren Plausibilität unter realistischen Rahmenbedingungen festgestellt werden muss.
Eine Simulation tatsächlicher Geschäftsverläufe und damit die vorausgreifende
Definition künftiger ratingfähiger Kennzahlen als Hardfact-Ersatz ist aus Sicht der
befragten Kreditinstitute nur bedingt sinnvoll (siehe Anhang). Die Bewertung der
Plausibilität der Finanzplanung von Gründungsprojekten schafft keinen Fakten,
sondern erlaubt lediglich Rückschlüsse auf die Qualität der Planung bzw. der
Kompetenz der planenden Person und ist daher Bestandteil des Softfacts-Ratings.
In dieser Ratingkategorie sollen jene Einschätzungen auf ihre Plausibilität geprüft
werden, die möglichst in Form einer Investitionsplanung, einer Plan-Bilanz bzw. einer
Plan-GuV als Finanzteil 92 dem Businessplan beiliegen:
• Unternehmensorganisation: Hinterfragen der geplanten Aufbau- und AblaufOrganisation als zu finanzierender Rahmen der Leistungserstellung (20%).
• Investitionsplanung: Beurteilung der einzelnen Investitionsprojekte in Hinsicht
auf ihre Notwendigkeit, Kostenstruktur und Finanzierung (40%).
• Kosten-/Erlös-Vorschau und Liquidität: Bewertung der im Businessplan
eingepflegten
Erlös-Szenarien
und
Kosten-Schätzungen
mit
dem
besonderen Fokus auf die gesicherte Liquidität des Unternehmens (40%).
Besondere Bedeutung erhält diese Ratingkategorie in einer zweiten Ratingrunde, in
der eine optimierte Businessplanung in der Investitionsplanung bzw. in der Vorschau
auf die Kosten-/Erlös-Struktur eine deutliche Ergebnisveränderung zeigen sollte.
Die Bedeutung von Kennzahlen in dieser Ratingkategorie
Zwar ist eine Ableitung von Kennzahlen aus reinen Plandaten in nur wenigen Fällen
seriös möglich, es können jedoch für die aktuelle Finanzierungsentscheidung und
92
Vgl. Gumpetsberger, A. (2010): 214ff
Seite 81
eine spätere Kontrolle überblickshaft Finanzierungskennzahlen vorausschauend
bewertet und im Zeitverlauf dargestellt werden – das sind beispielsweise:93
• Eigenkapitalquote und Verschuldungsgrad (zum Gründungszeitpunkt und
nach einem Jahr): gilt als wichtiges Argument bei der Vergabe von Krediten;
• Schuldentilgungsdauer: veranschaulicht die in der Planung unterstellte und
auf ihre Plausibilität geprüfte Fähigkeit des Unternehmens das Fremdkapital
aus der ordentlichen Geschäftstätigkeit heraus zurückzuzahlen;
• Liquidität 1. Grades (im Zeitverlauf): zeigt, ob die Planung der Erlöse und
Aufwände lückenlos die Zahlung der laufenden Verbindlichkeiten ermöglicht;
• Break Even Point: zur Veranschaulichung, ob die Erlösplanung mit dem
plausiblen Mindestumsatz zur Vollkostendeckung korreliert;
• Alle Zeitaufzeichnungen, Personen- und Stückzahlen bzw. Geldwerte, um die
Dimension einzelner Leistungen zu veranschaulichen und über Kennzahlen
zur Produktivität und Effizienz für diverse Vergleiche aufzubereiten.
Diese und weitere Kennzahlen dienen als wissenschaftlich untermauerte und
gelernte Dimensionen zur wertmäßigen Deutung der Unternehmensplanung und
bilden die Grundlage eines künftigen Plan-Ist-Vergleiches. Sie erfüllen jedoch nicht
die Gütekriterien von Finanzdaten im Rahmen eines Hardfact-Ratings.
8.3.1 Unternehmensstruktur (20%)
Der konkrete Aufbau des Unternehmens und die Gestaltung der Abläufe im Rahmen
der Leistungserstellung sind weitere wichtige Bestandteile der Plausibilitätsprüfung
der vorgelegten Businessplanung. Zwar sind die strategischen Einflüsse vieler der
hier einzuordnenden Erfolgsfaktoren in den bisherigen Bewertungskategorien schon
berücksichtigt worden (z.B. der Standort). Die unabhängige Bewertung der
Unternehmensstruktur und der Prozesse in Hinsicht auf ihre Erfordernis und ihre
Wirkungsweise fehlt jedoch noch.
Die zentrale Fragestellung dabei ist, ob mit der geplanten Ausgestaltung des
Unternehmens und den geplanten Prozessen im Unternehmen bzw. an den
93
Vgl. Eschenbach, R. / Siller, H. (2009):226ff
Seite 82
Schnittstellen nach außen die unterstellte Unternehmensleistung erbracht werden
kann und wo Verbesserungspotenziale bestehen.
Spielt die Aufbauorganisation zur Bestimmung der Bezugsebenen innerhalb des
Unternehmens in dieser Ratingkategorie eine nur untergeordnete Rolle, ist die
geplante Ablauforganisation mit der zeitlichen und räumlichen Gestaltung der
Arbeitsabläufe nach Maßgabe des ökonomischen Prinzips ein wesentlicher Faktor.94
Folgende Kernthemen bei der Bewertung der Unternehmensstruktur sind in Bezug
auf Funktionalität und Produktivität zu prüfen:
• die Prozesse der Leistungserstellung, auch unter Einbeziehung externer
Produktions- und Leistungsfaktoren (Zulieferbetriebe, Halbfertigprodukte,
Kooperationsformen, Logistik-Partnerschaften etc.);
• die Absatzwege (rein funktional) wie beispielsweise Ladenverkauf, OnlineHandel, Versandhandel, Außendienst-Vertrieb etc. - einzeln und kombiniert;
• die
betriebliche
Infrastruktur
(rein
funktional)
wie
Ausstattung,
Verkehrsanbindung, Rohstoffanbindung etc.
Um
die
Unternehmensstruktur
in
Bezug
auf
ihre
Vollständigkeit
und
Leistungsfähigkeit bewerten zu können, sind noch vor dem Bewertungsprozess eine
Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten – u.a.:
• organisationale
und
wertmäßige
Definition
einer
üblichen
und/oder
optimierten Ablauforganisation, die der tatsächlichen Businessplanung
gegenüber gestellt werden kann;
• eigene Erhebungen und Analysen von Sekundärliteratur u.a. im Bereich
branchenüblicher Kosten und Prozesse;
• Formulieren von Strategieempfehlungen für das Gründungsprojekt;
• Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch.
94
Vgl. Wöhe, G. (2010):124
Seite 83
8.3.2 Investitionsplanung / Finanzierung (40%)
Im Zuge einer Unternehmensneugründung mit entsprechendem Kapitalbedarf kann
davon ausgegangen werden, dass auch Investitionen getätigt werden sollen, die
nicht innenfinanziert werden können. Zum weiten Feld der Gründungsinvestitionen
zählen beispielsweise die Anschaffung bzw. die Adaptierung von Anlagevermögen,
die
Zahlung
von
Ablösen,
Lizenzkosten
oder
Franchise-Eintrittsgebühren,
Forschungs- und Entwicklungskosten bis zur Marktreife eines Produktes, die Aufbauund Gründungskosten des Unternehmens, die Vorfinanzierung von Gehältern oder
Umlaufvermögen, u.v.m.
In dieser Subkategorie geht es im Kern also um die Festlegung jenes Kapitals, um
das sich die GründerInnen abzüglich möglicher Eigenfinanzierungsanteile bei
GeberInnen von Fremdkapital bewerben.
Die Bewertung der Investitionsplanung hat daher möglichst detailliert zu erfolgen:
• Prüfen der Notwendigkeit jeder Investition im geplanten Ausmaß (Wert,
Zeitspanne) bzw. zum geplanten Zeitpunkt;
• Bewerten der Details der Planung mit dem Fokus auf ihre Optimierung und
auf der Identifikation von Einsparungspotenzialen;
• Festlegen der Art und des Umfangs der Finanzierung aller Investitionen;
• Berücksichtigung der Puffer-Finanzierung der laufenden Kosten einer meist
erlösarmen Markteintrittsphase bis zur Erreichung der vollen Erlöskraft aus
dem Investitionsbudget.
Ziel
dieses
Ratings
Finanzierungsbedarf
den
ist
es
festzustellen
tatsächlichen
inwieweit
Erfordernissen
der
im
signalisierte
Rahmen
des
Unternehmensaufbaus entspricht. Erst ein Vertrauen der KapitalgeberInnen darin,
dass das Gründungsprojekt für einen erfolgreichen Markteintritt ausreichend dotiert
wurde ohne durch erhöhte Tilgungs- und Kapitalkosten den Unternehmenserfolg zu
beeinträchtigen, führt zu konkreten Finanzierungsentscheidungen.
In
diesem
Zusammenhang
kann
auch
die
Feststellung
eines
höheren
Kapitaleinsatzes insbesondere zur Überwindung von kritischen Phasen ein positives
Ratingurteil darstellen. Immerhin wird in einer deutschen Studie zum Scheitern von
Seite 84
Gründungsprojekten dieses mit einer zu niedrigen Anstoßfinanzierung begründet.95
Diese Finanzierungslücken entstehen oft dadurch, dass Banken bei der Vergabe von
Krediten nur zu einer reduzierten Finanzierung bereit sind und damit das
Gründungsprojekt bereits zum Start entscheidend schwächen.
Um die Investitionsplanung ausreichend bewerten zu können, sind noch vor dem
Bewertungsprozess eine Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten – u.a.:
• organisationale/wertmäßige Definition einer branchenüblichen Infrastruktur;
• Festlegen des Investitionsvolumens und des Finanzierungsbedarfs gesamt
bzw. gesondert für die Markteintrittsphase;
• Erhebungen und Analysen u.a. zu Alternativen und Kosten bei der Schaffung
der Infrastruktur und zum branchenspezifischen Investitionsverhalten;
• Erarbeiten von Alternativen und Planungsänderungen;
• Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch.
8.3.3 Kosten- und Erlös-Vorschau | Liquidität (40%)
Als aussagekräftiges Indiz, die Plausibilität der Businessplanung zu verdeutlichen,
gilt die Kalkulation der Verkaufspreise von Produkten und Leistungen.
Die Kalkulation der Verkaufspreise (Produkte und Leistungen, Stundensätze, ProjektKalkulationen etc.) unterstellt die genaue Kenntnis der Kosten, die über den Verkauf
abgedeckt werden müssen und die Vorstellung davon, wie viel darüber hinaus
erwirtschaftet werden soll bzw. muss.
Dabei ist es nicht relevant, ob die UnternehmerInnen bei der Gestaltung der Preise
freie Hand haben oder ob es anderweitig bestimmende Faktoren für die
Preisberechnung
gibt
(gesetzliche
Bestimmungen,
Wettbewerbsstrategien,
Franchise-Höchstpreise etc.). Beurteilt werden soll lediglich, ob eine seriöse
Preiskalkulation im Rahmen der Businessplanung stattgefunden hat und ob diese mit
den Rahmenbedingungen so korreliert, dass ein annehmbares Ergebnis der
zukünftigen Geschäftstätigkeit erzielt werden kann.
95
Vgl. <http://www.ksv.at/KSV/1870/de/5presse/2medienarchiv/0pressemeldungen/201205/insolvenzursachen_2011/index.html> 12.9.2013: online
Seite 85
Als Kalkulationsbasis dienen die im Businessplan erhobenen und auf ihre
Plausibilität geprüften Umsatzziele. Dabei muss der Umsatz alle zu deckenden
Vollkosten soweit übertreffen, dass zusätzlich Rückstellungen und Rücklagen dotiert
werden können, Kapital für die Ablöse von Fremdkapital und für Investitionen in die
Zukunft des Unternehmens bereit steht und ein Unternehmensgewinn lukriert wird.
Die Personalkosten bzw. die Aufwendungen für Investitionen und damit auch die
Kapitalkosten und die Kosten für das Eröffnungsmarketing bzw. die MarketingKernstrategien wurden im Rahmen des Ratings bereits definiert. Alle anderen Kosten
sind ergänzend zu erheben.
Als zweiten Bestandteil der Preiskalkulation sind aus der Ratingkategorie „Produkt |
Markt | Marketing“ realistische Absatzvolumina abzuleiten, auf Basis derer die
Umsatzziele (Plan-Aufwände + Plan-Betriebsergebnis) festgelegt werden können.
Daraus ergeben sich Verkaufspreise für Stück, Leistungseinheiten oder Stunden,
Ansätze für die Kalkulation von Projekten etc. Diese sind wiederum mit den
formulierten Strategien und Ist-Werten im Regional- und Branchenvergleich auf ihre
Plausibilität zu überprüfen. Referenzgröße für die Beurteilung der Kosten- und
Erlösplanung ist die dauernde Sicherung der Liquidität des Unternehmens.
Um die Kosten- und Erlösvorschau entsprechend bewerten zu können, sind noch vor
dem Bewertungsprozess eine Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten – u.a.:
• Übernahme
der
bisherigen
Kostenplanung
bzw.
der
Details
zur
Preiskalkulation aus den vorangegangenen Ratingkategorien;
• Ergänzung und bei Bedarf Optimierung der Kosten- und Erlösdaten;
• Erhebungen und Analysen zu branchenüblichen Geschäftsergebnissen;
• Übertragung der eingereichten und einer optimierten Kosten-/Erlösvorschau
auf eine Zeitachse (Markteinführungsphase und Durchdringung);
• Definition möglicher Kennzahlen und Start eines Controlling-Prozesses;
• Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch.
Seite 86
9. Softfact-Gesamt-Rating für Unternehmensneugründungen
Ein Rating von Gründungsprojekten auf Basis der Softfacts in einem Businessplan ist
in erster Linie als in sich geschlossenes Modell zu sehen, das unabhängig von der
Bewertung
von
Finanz-IST-Daten
eine
realistische
Einschätzung
der
Ausfallswahrscheinlichkeit eines Kredites ermöglicht.
Zum
Einen
wird
dabei
das
Fehlen
von
vergangenheitsbezogenen
Unternehmensdaten durch eine verbesserte Prüfung der Plausibilitäten der
Businessplandaten kompensiert. Zum Anderen konzentriert sich die Beurteilung des
Geschäftsmodells auf drei Erfolgsfaktoren, die den zu erwartenden Geschäftserfolg
möglichst interdisziplinär und in realitätsnahen Zukunftsszenarien abbilden.
Die drei über ein mehrschichtiges Scoring erhobenen Kennzahlen zu den Themen
„UnternehmerInnen-Profil
|
Personal“,
„Produkt
|
Markt
|
Marketing“
und
„Unternehmensstruktur | Finanzierung“ können bzw. sollten einzeln bewertet und als
Basis eines weiterführenden Controlling eingesetzt werden.
Damit entstehen neben einem standardisierten Rating mit konkreten Aussagen zu
den drei Erfolgsfaktoren bzw. zur Qualität des gesamten Gründungsprojektes weitere
Anwendungsoptionen:
• verbesserte Identifikation von Planungsstärken und -schwächen inklusive der
Ableitung klarer Ansatzpunkte für eine zu ändernde Businessplanung im
Hinblick auf eine zweite, potenzialorientierte Ratingrunde;
• Schaffen von Schnittstellen zur Einbindung der erhobenen Scores als
Kennzahlen in bestehende Ratingmodelle – auch für KMU-Ratings durch
Adaptierung
der
in
dieser
Arbeit
auf
Unternehmensneugründungen
eingeschränkten Beurteilungssystematik;
• Schaffen von Erhebungs- und Kontrollpunkten für eine spätere Validierung
der Methode in Bezug auf ihre Trennschärfe bei der Vorhersage der
Ausfallswahrscheinlichkeiten eines Kredites.
Seite 87
9.1 Darstellung des Ratings von Softfacts
Die Darstellung der Scores der drei Rating-Hauptkategorien erfolgt als dreistelliger
Code, bestehend aus den Anfangsbuchstaben der jeweiligen Scores HIGH (H),
MEDIUM (M) und LOW (L). Dabei steht der erste Buchstabe immer für das Rating
des Themas „UnternehmerInnen-Profil | Personal“, der zweite für „Produkt | Markt |
Marketing“ und der dritte für den Bereich „Unternehmensstruktur | Finanzierung“.
Muss einer der drei Teil-Scores bei Auftreten von No-Go-Kriterien mit ZERO (Z)
beurteilt werden, ist dieses „Z“ anstatt des Ratingcodes einzusetzen. In einer auf
Ausfallswahrscheinlichkeiten reduzierten Beurteilung wie z.B. bei Banken, endet hier
der Ratingprozess. Bei einer auf Chancen und Risiken ausgerichteten Betrachtung
bleibt die Möglichkeit der Veränderung der Businessplanung für eine zweite
Ratingrunde mit dem Ziel No-Go-Kriterien auszubessern.
Ergänzt wird der Code durch die Angabe des gewichteten Durchschnittsscores der
drei Teil-Scorings in Form einer Zahl mit drei Nachkommastellen. Jeder Score lässt
sich auf einer Skala von -1 bis 3 darstellen und einer je nach Risikobereitschaft der
AnwenderInnen interpretierbaren Skala zuweisen (Kalibrierung).
Die Interpretation der Ratingskala, auch als Formulierung eines individuellen
Standards obliegt den jeweiligen AnwenderInnen. Bei Banken ist über eine derartige
Skala die unterstellte Ausfallswahrscheinlichkeit des beantragten Kredites zu
benennen,
für
InvestorInnen
kann
diese
Skala
das
Potenzial
für
ein
Unternehmenswachstum oder für Renditechancen darstellen.
Legen InvestorInnen beispielsweise eine Mindestrendite von 8% des eingesetzten
Kapitals pro Jahr fest, könnte ein Mindestrating nach dem zweiten Ratingdurchgang
von jeweils einem HIGH in den Kategorien 1 und 3 vorgegeben werden. Für diese
KapitalgeberInnen würden demnach Gründungsprojekte mit einem niedrigeren
Rating für eine Beteiligung ausscheiden.
9.1.1 Gesamtrating (1. Runde) | Zielrating (2. Runde)
Folgendes Beispiel veranschaulicht die Darstellung des Softfact-Ratings in Form
eines Ratingcodes. Es wurden dabei die drei Hauptkategorien über ihre
Subkategorien (vgl. Kapitel 7.3.3) wie folgt bewertet:
Seite 88
Score
Bewertung
Gewicht
Teil-Score *)
UnternehmerInnen Profil | Personal
1,525
MEDIUM
35%
0,534
Produkt | Markt | Marketing
2,250
HIGH
35%
0,788
Unternehmensstruktur | Finanzierung
2,725
HIGH
30%
0,818
2,139 **)
MHH
100%
∑
Rating-Kategorie
GESAMT-Rating
*) Teil-Score = Score je Rating-Kategorie x Gewicht je Rating Kategorie | **) Summe der Teil-Scores
Tabelle 4: Gesamtrating (1. Runde)
Der Code für das Gesamt-Rating des Gründungsprojektes lautet: MHH2,139
Übertragen auf eine Ratingskala lässt sich das Gesamtrating in einer in sich
geschlossenen und rein auf Softfacts basierten Beurteilung wie folgt darstellen:
Abbildung 13: Beispiel Darstellung Gesamt-Rating (1. Runde)
Im Rahmen einer zweiten Ratingrunde besteht die Möglichkeit, ein Zielscoring in
einzelnen
Ratingkategorien
zu
formulieren.
So
kann
beispielsweise
eine
Verbesserung des Scores in der Ratingkategorie „UnternehmerInnen-Profil |
Personal“ auf zumindest 2.0 als Ziel vorgegeben werden:
Seite 89
Ziel-Score
Bewertung
Gewicht
Teil-Score *)
UnternehmerInnen Profil | Personal
2,000
HIGH
35%
0,700
Produkt | Markt | Marketing
2,250
HIGH
35%
0,788
Unternehmensstruktur | Finanzierung
2,725
HIGH
30%
0,818
2,306 **)
HHH
100%
∑
Rating-Kategorie
GESAMT-Rating
*) Teil-Score = Score je Rating-Kategorie x Gewicht je Rating Kategorie | **) Summe der Teil-Scores
Tabelle 5: Zielrating 2. Runde
Der Code für das Zielrating des Gründungsprojektes lautet: HHH2,306
Übertragen auf eine Ratingskala lässt sich das Zielrating wie folgt darstellen:
Abbildung 14: Beispiel Darstellung Ziel-Rating (2. Runde)
Wodurch im Detail die Verbesserungen realisiert werden können, zeigen die beim
Rating vergebenen Bewertungen in den einzelnen Sub-Kategorien. Über eine in den
Schwachstellen
verbesserte
Businessplanung
bleibt
das
neu
formulierte
Geschäftsmodell ratingfähig und mit dem Ursprungskonzept vergleichbar.
Seite 90
Die vorgenommenen Änderungen der Ausgangsplanung und die reale Umsetzung
der Verbesserungsvorschläge müssen mit den GründerInnen abgestimmt in
Beteiligungs- oder Kreditverträge eingearbeitet werden.
9.1.2 Interpretationsmöglichkeiten
Je nach Ratingmotivation und Geschäftsphilosophie der KapitalgeberInnen soll das
Rating sowohl ein objektives Standardurteil, als auch die Möglichkeit der freien
Interpretation und damit der frei gewählten Kalibrierung bieten.
Nachfolgende standardisierte Handlungsempfehlungen basierend auf das SoftfactRating in drei Rating-Hauptkategorien vermitteln durchaus konkrete Eindrücke zur
Überlebensfähigkeit des bewerteten Gründungsprojektes und zur Renditechance im
Falle eines Investments:
Rating
3xH
2xH, 1xM
1xH, 2xM
3xM
Rating-Urteil
Starke Unternehmensperformance, hohes Erfolgspotenzial
bei Markteintritt, gute Entwicklungsmöglichkeiten, hohe
Überlebenschancen und erwartet hohe Krisenresistenz,
Investmentempfehlung bei hohem Renditepotenzial
Ausreichend Unternehmensperformance, erwartet guter
Markteintritt mit Entwicklungsmöglichkeiten, gute
Überlebenschancen bei eingeschränkter Krisenresistenz,
Investment eher sicher bei geringem Renditepotenzial
1xL
Teilweise kritische Unternehmensperformance mit möglichen
negativen Auswirkungen auf den Markteintritt und die weitere
Entwicklung, unsichere Krisenfestigkeit, laufendes Monitoring
der L-Kategorie dringend empfohlen!
ab 2xL
Kein Investment
ZERO
Kein Investment
Tabelle 6: Standardisierte Ratingergebnisse
Die
Teilung
des
Ratings
in
Scores
für
die
drei
Erfolgsfaktoren
ohne
Zusammenfassung auf ein Werturteil unterstützt den Ansatz der individuellen
Formulierung:
Seite 91
• Die Bewertung von Plandaten aufgrund ihrer Plausibilität bietet konkretere
Rückschlüsse auf reale Schwachstellen bzw. erlaubt die Identifikation von
Verbesserungspotenzialen und vermeidet so Akzeptanzprobleme.
• Im Zuge der Integration lediglich einer verdichteten Ratingkennzahl in
statistisch-empirische Ratingmodelle besteht die Gefahr der nur ungenügend
nachweisbaren Trennschärfe des Ratings und der Mindergewichtung der
Softfacts gegenüber anderen Entscheidungskriterien.
Die freie Formulierung von Handlungsempfehlungen auf Unternehmensleistungen
sowie nachvollziehbar zuordenbare Werturteile durch die AnwenderInnen ermöglicht
es, objektive Ergebnisse internen Präferenzen zuzuordnen – z.B.:
• Vorgabe eines Urteils von mindestens zwei HIGH und einem MEDIUM für
eine Investitionszusage;
• dabei muss ein HIGH die Ratingkategorie
UnternehmerInnen-Profil |
Personal betreffen;
• Akzeptanz eines LOW für eine Ratingkategorie, wenn das gewichtete
Gesamtrating aller drei Kategorien den Wert von 1,75 nicht unterschreitet;
• u.v.m.
Mit dem standardisierten Ansatz der Ratinginterpretation, der individuellen
Formulierung von Handlungsalternativen in Bezug auf Ratingausprägungen und der
beschriebenen Möglichkeit der individuellen Kalibrierung des Ratings nach
Ausfallswahrscheinlichkeiten
oder
Chancenpotenzialen
lässt
sich
je
nach
Ratingmotivation und Informationsanspruch der geeignete Zugang zur Bewertung
der Chancen und Risiken einer möglichen Investition finden.
9.2 Schnittstellenfunktion
Wie bereits mehrfach in dieser Arbeit angedeutet, hat das auf Softfacts basierende
Rating von Gründungsprojekten verschiedene Ansatzpunkte über eine in sich
geschlossene Betrachtungsweise hinaus wirksam zu sein. Der wichtigste Aspekt
dafür ist die Reduktion des Ratingergebnisses auf drei repräsentative Kennzahlen,
die in ihrer Aussage ausreichend trennscharf in „gut“ und „schlecht“ sind und damit
Seite 92
zwischen einzelnen Projekten vergleichbar die relevanten Erfolgsfaktoren eines
Unternehmens darstellen.
Die gesamte Anpassung der Methode bzw. der Beurteilungsregeln an die jeweiligen
Rahmenbedingungen
des
Gründungsprojektes
erfolgt
in
den
einzelnen
Prozessschritten über Formulierungen und Gewichtungen. Damit werden zwar der
Ablauf und die Qualität der Bewertung individuell optimiert, das Urteil selbst bleibt
jedoch in einer prägnanten Ausprägung eindeutig und über alle Vergleichsgrenzen
hinweg gültig.
Für die Einbindung in bestehende Ratingsysteme erfüllt das gegenständliche
Softfact-Rating daher spezifische Schnittstellenfunktionen:
• Das Softfact-Rating für Unternehmensneugründungen kann, eine spätere
Validierung der Methodik und eine Kalibrierung nach Ausfallswahrscheinlichkeiten vorausgesetzt, von Banken übernommen werden.
• Die Kennzahlen können, eine Kalibrierung nach Ausfallswahrscheinlichkeiten
und spätere Validierung der Gesamtmethode vorausgesetzt, direkt in
bestehende Ratingmodelle - nicht nur für Gründungsprojekte - übernommen
werden. Dabei ist auf eine ausreichende Gewichtung der Softfacts (z.B. 60%
Softfacts zu 40% Hardfacts – vgl. Seite 66) im Gesamtrating zu achten.
• Im Rahmen des empirisch-statistischen Nachweises der Trennschärfe des
Ratings in „gute“ und „schlechte“ Unternehmen lassen sich aus den
Detailergebnissen konkrete Ausfallsgründe ableiten.
• Der Ratingansatz für Unternehmensneugründungen bietet sich durch die
Prüfung der Plausibilitäten in einem Businessplan auch als Basis für ein
weiterführendes Monitoring bzw. den Start eines Controllings an.
• Ab einer entsprechenden Stichprobengröße von auf Basis von Softfacts
beurteilten Unternehmensneugründungen am realen Markt lässt sich anhand
der Ratingkriterien ein standardisiertes Marktbeobachtungsinstrument für
Unternehmen und Branchen etablieren.
In diesem Zusammenhang bildet ein fundiertes, weitgehend standardisiertes und in
sich geschlossenes Rating von Softfacts in Businessplänen lediglich die Grundlage
Seite 93
für einen vielschichtigen, mehrdimensionalen Bewertungsansatz im Umfeld von
Unternehmensneugründungen.
10. Kritische Reflexion | Ausblick
Grundsätzlich
ist
der
Einsatz
von
Ratings
zur
Bewertung
von
Unternehmensneugründungen ausschließlich auf Softfacts basierend möglich.
Bereits in einer Machbarkeitsstudie zum Nachweis der Schlüsselrolle der
UnternehmerInnen bei Investitionsentscheidungen in KMU konnten unabhängig
voneinander über ein Rating anhand von Softfact-basierten Bewertungsfeldern und
über ein bankübliches Kreditrating vergleichbare Ergebnisse erzielt werden.96
Die dabei angewendeten Methoden zur Erhebung von ratingrelevanten Daten bzw.
deren Zusammenfassung in Bewertungsfelder konnten im Rahmen dieser Arbeit
mangels Bezug zu Unternehmensneugründungen jedoch nicht übernommen werden.
Schwerpunkt dieser Arbeit war es daher, auf die speziellen Anforderungen beim
Rating von Unternehmensneugründungen einzugehen und eine Softfact-RatingMethode
für
unterschiedliche
Projekte
und
verschiedene
AnwenderInnen-
Zielgruppen und Ratingmotive zu entwerfen. Die unter diesen Prämissen entwickelte
Systematik besitzt sowohl aus der Sicht der gängigen Ratingpraxis, als auch als
finale Schlussfolgerung einer Kette von wissenschaftlich erwiesenen Fakten alle
theoretischen Voraussetzungen für einen Praxiseinsatz als Ratingmodell.
Nicht erbracht werden konnte im Rahmen dieser Arbeit der Nachweis der Validierung
der Methode durch den empirischen Abgleich der Ratingergebnisse mit der
tatsächlichen Ausfallswahrscheinlichkeit von Krediten. Dafür ist ein realer Einsatz
des Systems an einer ausreichend großen Stichprobe von Ratingprojekten mit einer
längerfristigen Beobachtung der Entwicklung der Unternehmen erforderlich.
96
Vgl. Fröhlich, E. / Pichler, H. (2008): 286
Seite 94
10.1 Bestätigung Arbeits-Thesen
10.1.1 Ad These 1: Zugang zur Gründungsfinanzierung durch Bankkredite
Eine verbesserte Beurteilung der Softfacts bzw. der Plausibilität der Marktszenarien
in Businessplänen beeinflusst aktuell und auch in Zukunft nur bedingt die
Entscheidung von Kreditinstituten zur Vergabe von Krediten an Gründungsprojekte.
Zum Einen ist die gängige Kredit-Vergabepraxis der Banken an Unternehmen in
Gründung in Form des Standardansatzes durch die Bewertungsrichtlinien nach Basel
II und III vollinhaltlich gedeckt. Zum Anderen ist das Kreditvolumen für
Neugründungsprojekte so
gering,
dass die
Schaffung einer weiteren,
mit
zusätzlichem methodischem Aufwand zu betreuenden Ratingklasse wirtschaftlich nur
schwer zu rechtfertigen ist. Sehr wohl aber sehen die Kreditinstitute die Chance
durch eine Bewertung der Softfacts das Ausfallsrisiko eines Kredites besser
einschätzen zu können. Das gilt auch für das verbesserte Identifizieren von
Geschäftschancen mit niedrigem Risiko.
Eine praktische Anwendung einer Ratingmethode basierend auf Softfacts durch die
Banken wurde am ehesten im Rahmen der Grundsatzentscheidung vor Aufnahme
eines Vergabeverfahrens bzw. im abschließenden Override-Prozess zur exakten
Bestimmung der Kreditkonditionen in Aussicht gestellt.
Die wichtigste Rolle eines auf Neugründungen abgestimmten Ratingmodells wird von
den
Banken
jedoch
darin
gesehen,
einen
verbesserten
Zugang
der
KreditwerberInnen zu „zusätzlichem Eigenkapital“ zu erschließen. Besonders zu den
Kernthemen Kreditsicherheit und Eigenkapitalquote wünschen sich die Banken neue
Kommunikationsansätze um Dritte für einen substanziellen Einstieg in ein
risikoreicheres Gründungsprojekt zu gewinnen. Kritisch äußern sich die befragten
Bankenvertreter zum zu betreibenden hohen Aufwand bei der Erstellung eines
Softfact-Ratings – auch bei einer externen Umsetzung der Beurteilung.
10.1.2 Ad These 2: Zugang zu alternativen Gründungsfinanzierungen
Die schlüssige Beurteilung der Softfacts bzw. der Plausibilität der Marktszenarien in
Businessplänen bei Unternehmensgründungen steigert die Chancen auf den Zugang
zu alternativen/ergänzenden Finanzierungsformen zum klassischen Bankkredit.
Seite 95
Diese These wurde seitens der Banken eindeutig bestätigt, auf eine Erhebung im
Umfeld alternativer GeldgeberInnen wurde daraufhin verzichtet. Grund dafür ist die
Schlussfolgerung, dass es zu Gründungsprojekten aktuell kaum nachvollziehbare
Werturteile gibt, die als Entscheidungsgrundlage für ein Investment dienen.
Ausgenommen für Banken und professionelle InvestorInnen bzw. FördergeberInnen,
die über ein Ratinginstrumentarium verfügen, fehlt es oft an vertrauensbildenden
Informationen zu einzelnen Projekten.
In Anbetracht der aktuellen Schwierigkeiten, für verfügbares Kapital auf den
Finanzmärkten eine angemessene Rendite bei möglichst geringem Risiko zu
erzielen, steigt das Interesse an alternativen Anlageformen. Dazu zählen u.a. auch
Beteiligungsmodelle an innovativen Gründungsprojekten mit einer entsprechenden
Renditeerwartung, jedoch überschaubarer zeitlicher Bindung und geringem Risiko.
Dafür gilt es jedoch Kommunikationsstrategien für vertrauensbildende Werturteile
auch zu kleineren Gründungsprojekten zu entwickeln. In Analogie zu den aus der
Wirtschaftsberichterstattung bekannten Staaten- und Unternehmensratings bietet
sich auch für Gründungsprojekte eine Methodik an, die standardisierte Rückschlüsse
auf mögliche Renditen und eine Vorschau auf Geschäftsentwicklungen bietet.
Das in dieser Arbeit entwickelte Rating der Softfacts ist in der Lage, den späteren
Nachweis seiner Treffergenauigkeit in Form einer Validierung vorausgesetzt, diese
Funktion zu übernehmen. Damit besteht definitiv eine höhere Chance für
Gründungsprojekte auf alternative oder ergänzende Finanzierungen zum Bankkredit.
10.1.3 Ad These 3: Validierungsfähigkeit des Ratingverfahrens
Die Validierung eines Ratings von Unternehmen basierend auf die Beurteilung der
Softfacts im Businessplan ist grundsätzlich möglich. Voraussetzungen dafür sind:
• der Echteinsatz des entwickelten Modells bei einer ausreichenden Anzahl
von Kreditvergabeverfahren;
• die wissenschaftlich einwandfreie Vorbereitung des Nachweises eines
Zusammenhangs zwischen dem Rating und der Ausfallswahrscheinlichkeit;
• die tatsächliche erstmalige und laufende qualitative Validierung der Methode.
Seite 96
Eine quantitative Validierung ist erst nach einer erfolgten Einbindung der
gewonnenen Ergebnisse in Form von Kennzahlen in ein empirisch-statistisches
Gesamt-Ratingmodell sinnvoll.
10.2 Ausblick auf die Zukunft eines Softfact-Ratings
Ein Ratingmodell für die Bewertung von Gründungsprojekten anhand der Softfacts in
einer Businessplanung bietet – sofern im Detail ausformuliert und validiert – künftig
einen sehr guten methodischen Ansatz potenzielle GeldgeberInnen über die Risiken
und Chancen einzelner Projekte aufzuklären.
Das Potenzial und die Einsatzgebiete eines derartigen Ratings sind vielfältig, wie
nachfolgende Visionen beispielhaft zeigen.
10.2.1 Formulierung der Businessszenarien
Grundvoraussetzung für einen Einsatz von Softfact-Ratings neben der bereits
festgestellten Validierungsfähigkeit ist die Standardisierung der Ratingprozesse zur
einfachen, ergebnissicheren Handhabung durch die AnalystInnen und deren
Aufbereitung in einem Ratinghandbuch.
Teil
dieses
Handbuches
ist
die
Formulierung
von
unterschiedlichen
Businessszenarien, die in einer Szenarien-Bibliothek abgelegt und für jedes Rating
individuell abgerufen werden können. Diese Szenarien bilden künftige Situationen im
Umfeld des beurteilten Unternehmens ab, gegen die dessen Potenziale und
Leistungsfähigkeit getestet werden können.
Einerseits können damit geplante Geschäftsverläufe vom Markteintritt über die
Abbildung des Kerngeschäfts bis zu Wachstumsstrategien gezielt auf ihre
Plausibilität geprüft und der unterstellten Unternehmensleistung gegenüber gestellt
werden. Andererseits lassen sich damit auch Krisenszenarien entwerfen, anhand
deren ein erster Stresstest für das Unternehmen durchgeführt werden kann.
In der Praxis lässt sich eine Szenarien-Bibliothek in mehreren Schritten aufbauen:
• Sammlung grundlegender wissenschaftlicher Theorien zur Analyse und
Beschreibung von konkreten Marktsituationen und Zuordnung erprobter
Seite 97
Handlungsempfehlungen (= Erfolgsfaktoren) für Unternehmen, möglichst in
den drei Rating-Hauptkategorien zusammengefasst (vgl. Kapitel 8);
• Interpretation der gesammelten Theorien und Handlungsempfehlungen in
Abstimmung auf regionale, unternehmens- bzw. branchenspezifische und
konjunkturelle Gegebenheiten;
• Schnelle, EDV-gestützte Bereitstellung einzelner Szenarien-Bausteine für
individuelle Ratingprojekte möglichst schon auf einer Beurteilungsplattform,
über die das tatsächliche Rating vorgenommen und das Ergebnis
gespeichert werden kann.
10.2.2 Rating-Software
Aufbauend auf eine virtuelle, update- und lernfähige Szenarien-Bibliothek lässt sich
der Ratingprozess in einem EDV-Programm so gestalten, dass der Ratingaufwand
und
das
bei
fehlender
Prozessunterstützung
erforderliche
wissenschaftlich-
theoretische Vorwissen minimiert werden kann. Vereinfacht kann ein EDV-gestütztes
Softfact-Rating wie folgt ablaufen:
• Definition des Ratingprojektes inkl. Branche, Region und Planungseckdaten
• Festlegen der Ratingmotivation inkl. Anzahl der Ratingdurchläufe und
Auswahl der Ergebnisdarstellung;
• Standardisierte (Vor-) Auswahl und/oder individuelle Zusammenstellung der
Businessszenarien, gegen die getestet werden soll;
• Festlegen der einzelnen Gewichtungen und Ratingprozesse;
• automatisches Generieren des individuellen Ratinghandbuches;
• Durchführung des Ratings und Speichern der Ergebnisse;
• Darstellung der Ergebnisse, Export der Ergebnisse für eine Übernahme in
andere Systeme und Einspielen der Ergebnisse in ein Rating-Monitoring
bzw. eine Validierungssystematik
Eine leistungsfähige Rating-Software hat, wie die nachfolgend beschriebenen
weiteren Anwendungsbeispiele zeigen, vielfältige Einsatzmöglichkeiten.
Seite 98
10.2.3 Stärkere Einbindung von Softfacts in bestehende Bonitätsratings
Wie bereits ausgeführt, ist mangels Geschäftsvolumen und den positiven
Erfahrungen mit dem derzeit angewandten Standardansatz beim Bonitätsrating von
Unternehmensgründungen eine Einbindung von Softfacts in die gängigen RatingSysteme von Banken nach heutigem Standard eher unwahrscheinlich.
Trotzdem wurde seitens der befragten Banken (vgl. Anhang) eine verbesserte
Analyse der wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren im Unternehmen für die KreditVergabeentscheidung
und
als
Frühwarnsystem
für
drohende
Ausfälle
als
wünschenswert deklariert.
Ein
ähnlicher
Bedarf
lässt
sich
auch
für
die
Verbesserung
der
Entscheidungsgrundlagen von professionellen InvestorInnen wie Venture Capital
GeberInnen oder von Förderinstitutionen ableiten. Auch wenn aufgrund der
Potenzial- und Renditelastigkeit der Ratingmotivation in diesem Umfeld schon heute
verstärkt auf die Analyse relevanter Softfacts zurückgegriffen werden muss, kann ein
neues oder zusätzliches Rating-Tool durchaus Nutzen stiften.
Für eine tatsächliche Einbindung der drei neuen Kennzahlen in bestehende Systeme
ist es in einem ersten Schritt notwendig, den tatsächlichen Ratingprozess einfach
und ohne nennenswerten zusätzlichen Ressourcenaufwand zu gestalten. Ein
ausformuliertes EDV-Programm mit entsprechenden Schnittstellen zu bestehenden
Systemen bietet sich dafür als praktikable Lösung an.
10.2.4 Absicherung privater Investitionen in realwirtschaftliche Projekte
Als Folge der wachsenden Schwierigkeiten auch für private InvestorInnen über den
Finanzmarkt eine ansprechende Rendite für ihr Kapital zu erwirtschaften, kann ein
Ausweichen in realwirtschaftliche Projekte als zumindest temporäre Anlagestrategie
eine Alternative darstellen.97
In großem Stil fließt dabei Kapital in Investmentfonds oder über Aktien und Anleihen
direkt in große Unternehmen. Für kleinere konservative Anlagevorhaben können
97
Felber, C. (2006): 55
Seite 99
künftig Investitionen in neue bzw. wachsende Unternehmen überschaubarer Größe
an Attraktivität gewinnen. Grundvoraussetzung dafür ist die Existenz eines
transparenten Marktes, auf dem mögliche Projekte und deren Renditechancen
gegenüber potenziellen InvestorInnen übersichtlich und objektiv dargestellt werden.
Die Rolle eines standardisierten und objektivierten Ratings ist darin zu sehen,
zwischen GeldgeberInnen und UnternehmerInnen Vertrauen zu stiften und Kontakte
zu vermitteln. Ein neutrales Rating von Gründungsprojekten wäre damit die fachliche
Basis eigener Investitionsplattformen oder Business-Partnerbörsen für Startups.
Zum Rating von Einzelprojekten durch private InvestorInnen kann wie bereits unter
10.2.2 beschrieben ein Rating-EDV-Tool (ev. als WEB-Version) eingesetzt werden.
10.2.5 Aktuelle Weiterentwicklung des Softfact-Ratings
Bereits in Ausarbeitung ist der Dienstleistungsansatz der „2. objektiven Meinung“ zur
Beurteilung von Neugründungsprojekten anhand der Softfacts in Businessplänen,
ergänzt durch eine zentrale Kommunikationsplattform (Projektbörse). Damit soll das
Rating von Startups und die den Ratings zugrunde liegenden Investitionsangebote
über das bankenübliche Bonitätsurteil hinaus gegenüber der interessierten
Öffentlichkeit transparent platziert werden.
Dieser Entwicklungsschritt bietet die geeignete Basis zur mittelfristigen Umsetzung
der unter den Kapiteln 10.2.1 bis 10.2.4 beschriebenen Zukunftsvisionen des in
dieser Arbeit entwickelten Ratingansatzes.
Seite 100
Literaturverzeichnis
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Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Kammer der Wirtschaftstreuhänder,
Österreichische Nationalbank, Wirtschaftskammer Österreich, WIFI Österreich.
Seite 103
Anhang: Bankeninterview
Nachfolgend beschriebene Interviewergebnisse stellen eine Zusammenfassung der
erhobenen Fakten und Statements dar. Auf eine wörtliche Wiedergabe der
Statements wurde angesichts der unterschiedlichen Wortwahl zu vergleichbaren
Ergebnissen,
der
großen
Vielfalt
an
abgegebenen
Statements
und
der
Überschneidung von Antworten zu unterschiedlichen Fragestellungen verzichtet.
Interview-Partner
• Experten von drei österreichischen Regionalbanken aus den Bereichen:
Geschäftsführung/Unternehmenskredite,
Leitung
der
Kreditabteilung,
Gründungsberatung/Kredit-Risikomanagement;
• Interviewdauer: je ca. 1 Stunde | Interviewort: bei den Banken vor Ort;
• Alle Gesprächspartner haben mich gebeten, die Interviewergebnisse
vertraulich zu behandeln. Diesem Wunsch wird durch die anonymisierte
Zusammenführung der Interviewergebnisse entsprochen.
Zielsetzungen
• Erhebung der Kreditvergabe- und Bonitätsratingpraxis bei Kreditinstituten
allgemein und mit besonderem Bezug auf Unternehmensneugründungen;
• Abfrage
von
subjektiven
Bankenzielgruppe
und
zur
Einschätzungen
Qualität
von
zu
GründerInnen
als
Gründungsprojekten
und
Businessplanungen;
• Abfrage
von
subjektiven
Einschätzungen
zum
Bedarf
und
zu
Einsatzmöglichkeiten eines auf Softfacts basierten Bonitätsratings
Eingesetzte Methoden
• Strukturiertes Tiefeninterview anhand eines Leitfadens98
• Interviewführung als offenes Gespräch
98
Vgl. Lechner et al (2010): 492
Anhang Seite 1
• Protokollierung durch Tonaufzeichnung bzw. schriftlich im Falle der NichtGenehmigung eines Tonmitschnitts;
• Quantitative Analyse: Sammlung von Fakten, Statements und subjektiven
Einschätzungen;
• Qualitative Auswertung: (grobe) Inhaltsanalyse nach dem Muster einer
Intensitätsanalyse.99
Parameter Intensitätsanalyse der Bankeninterviews
Auswahl der zu bewertenden Themen aus dem Interviewleitfaden und
Formulierung der Themenstellungen im Hinblick auf eine skalierbare Bewertung.
Zusammenfassende Bewertung der Antworten je Themenstellung nach ihrer
Relevanz oder ihrer Intensität aus der Sicht der Interviewpartner.
Bewertungsrang 1: POSITIV | HOCH | GUT | WICHTIG
Bewertungsrang 2: KEINE BEDEUTUNG | MITTEL
Bewertungsrang 3: NEGATIV | NIEDRIG | SCHLECHT | UNWICHTIG
Analyse der Interviews, Auswertung, Zusammenfassung und Übernahme der
relevanten Ergebnisse in diese Arbeit.
Interviewleitfaden
Das Interview wurde als offenes Gespräch unter Führung des Interviewers gestaltet.
Die Gesprächsführung inkl. Vertiefung erfolgte anhand eines Leitfadens. Die
Reihenfolge der abgehandelten Themen ergab sich aus dem Gesprächsverlauf.
Einleitung / Begrüßung / Information
Begrüßung
und
Hinweis
auf
den
weiteren
Ablauf
des
Interviews:
Tonbandmitschnitt bzw. Notizen durch den Interviewer, Einsatz des
Leitfadens und des ergänzenden Vertiefungsfragebogens und Hinweis auf
die Einhaltung des Datenschutzes.
99
Vgl. Mayring, P (2010): 15f
Anhang Seite 2
Aufklärung über den Zweck des Interviews und die Verwendung der
Ergebnisse im Rahmen meiner Abschlussarbeit (Master Thesis) .
Schlüsselfrage 1: Rolle des Kreditinstituts in der GründerInnen-Szene
Eröffnung: Wie definieren Sie aus Ihrer Sicht die Rolle der Banken allgemein und
jene Ihres Instituts in der GründerInnen-Szene?
Vertiefungsfragen:
• Stellenwert der GründerInnen fürs Bankgeschäft und welche Rolle wird den
Banken seitens der GründerInnen „unterstellt“?
• Welchen Marktanteil erzielt Ihr Institut am GründerInnen-Segment?
• Ist Ihr Institut aktiv auf der Suche nach Gründungsprojekten?
• Gibt es spezielle Angebote an GründerInnen (Werbung, Konditionen,
Service, interne Ausbildung, spezielle Infrastruktur, …)?
• Pflegt Ihr Institut Kooperationen mit GründerInnen-Beratungen (z.B. WKO),
Unternehmensberatungen, Universitäten etc. – Welche?
• Anzahl der Kreditanfragen von GründerInnen pro Jahr in welcher Ø Höhe?
• Anteil an abgewiesenen GründerInnen-Anfragen und häufigste Gründe für
eine Ablehnung einer Anfrage?
• Ausfallsquote bei Gründungskrediten und die häufigsten Gründe dafür?
• Eigeneinschätzung der Risikofreudigkeit der Bank allgemein?
• Eigeneinschätzung der Risikofreudigkeit der Bank in Bezug auf die
Finanzierung „echter Innovationsprojekte“?
Schlüsselfrage 2: Abwicklung von GründerInnen-Anträgen
Eröffnung: Wie läuft in Ihrem Institut üblicherweise ein Kreditantrag von der
Einreichung bis zur Genehmigung / Ablehnung ab?
a) In Bezug auf die eingebundene Personen und Systeme und
Anhang Seite 3
b) In Bezug auf die Beurteilung der Bonität (vorgelagerte No-Go-Kriterien,
zustande kommen der Ratingergebnisse, Prüfung der Plausibilitäten etc.)
Vertiefungsfragen:
• Gibt es EntscheiderInnen-Grenzen?
• Welches Ratingverfahren setzen Sie ein (Abläufe, Details)?
• Welchen Stellenwert haben Hard- und Softfacts in Ihrem Rating allgemein
bzw. bei Unternehmensgründungen?
• Gibt es qualitative Verfahren im Rahmen der Bonitätsbeurteilung und wie
erfolgt die Beurteilung von Softfacts in Ihrem Institut?
• Welche Stellungen haben KreditwerberInnen zu Ihrem Unternehmen (selbst
KundIn, durch KundInnen/KooperationspartnerInnen vermittelt, völlig extern)
und haben diese Auswirkung auf das Risikoverhalten der Bank?
• Mithilfe welcher Unterlagen werden Anträge eingereicht?
• Beschreiben Sie Inhalte und Qualität der eingereichten Unterlagen und wie
bewerten Sie die Eigendarstellung der Gründungsprojekte?
• Was sind die häufigsten Fehler der GründerInnen beim Kreditansuchen?
• Sind langfristige Zielsetzungen der GründerInnen erkennbar? Stichwort:
GoldgräberIn vs. VisionärIn?
• Welche Sicherheiten für Gründungskredite akzeptieren bzw. präferieren Sie?
• In welcher Ø Höhe fordern Sie Sicherheiten?
• Wie hoch muss der Eigenkapitalanteil in den Gründungsplanungen sein?
• Welche Laufzeiten und Ø Verzinsung sind für Gründungskredite in Ihrem
Institut üblich?
• Wie viele der GründerInnen nutzen Beratungen?
• Gibt es „Auflagen“, die an die Gewährung von Krediten geknüpft werden
(z.B. Erfüllung von Standards, Erreichung von Zielen etc.)?
Anhang Seite 4
Schlüsselfrage 3: Externe Unterstützung beim Rating von Gründungsprojekten?
Eröffnung: Ziel meiner Arbeit ist es, ein standardisiertes Verfahren zur Beurteilung
von Softfacts im Rahmen des Ratings von Gründungsprojekten zu entwickeln.
Welche Arten von externer Unterstützung nutzen Sie bereits bzw. welche Kriterien
müssen derartige Verfahren für ein Rating von Softfacts aus Ihrer Sicht erfüllen?
Vertiefungsfragen:
• Welchen Stellenwert hat die eigene Abteilung bzw. das eigene Filialnetz im
Ratingprozess?
• Was würde die Beurteilung von GründerInnen-Projekten aus der Sicht der
Bank erleichtern (Verbesserung Businesspläne, Expertisen, …)?
• Was würde die Chancen von GründerInnen-Projekten bei ihrer Beurteilung
erhöhen (qualitative und quantitative Kriterien)?
• Was halten Sie davon, externe Expertisen bzw. einzelne Empfehlungen darin
als „Auflagen“ für die Gewährung von Krediten zu übernehmen?
• Welche Tipps geben Sie für die Entwicklung eines auf Softfacts basierenden
Ratingverfahrens aus der Sicht des Praktikers und welche Zukunft geben Sie
einem derartigen Verfahren?
Schlüsselfrage 4: Rahmenbedingungen für die Aufnahme von Gründungskapital?
Eröffnung: Welche Auswirkungen hatte (und hat) Basel II auf die Vergabe von
Krediten an GründerInnen seitens der Kreditinstitute?
Vertiefungsfragen:
• Welche Auswirkungen hatte (und hat) Basel II auf die GründerInnenszene?
• Welche weiteren Auswirkungen auf die GründerInnenszene erwarten Sie bei
Einsatz der Basel III Regelung?
• Werden die erhöhte Kosten zur Eigenkapitalunterlegung voll an die
KreditnehmerInnen weitergegeben und um wie viel erhöht das die Zinsen
bzw. verändert das die Laufzeiten?
Anhang Seite 5
• Wenn NEIN, wie werden die Kredite sonst stärker gegen einen Ausfall
abgesichert (z.B. durch eine noch stärkere Besicherung, restriktivere
Vergaben, Einführung von Auflagen bei Gewährung des Kredites, ...)?
Ergänzung Schlüsselfrage 4:
• Wie wird sich die Rolle der Banken im Rahmen der Finanzierung von
Unternehmensgründungen in den kommenden Jahren verändern?
• Wird sich das Kreditgeschäft auf die Nachgründungs- bzw. Erlösphase des
Unternehmens (geringeres Risiko) verlagern?
• Wird
die
Bedeutung
des
Bankkredits
bei
der
Finanzierung
von
Gründungsprojekten ab- oder zunehmen?
• Wie bewerten Sie die aktuelle Situation und den Stellenwert von Private
Equity in der heimischen GründerInnenszene. Gibt es dazu Erfahrungen?
• Wie bewerten Sie die Aussichten für die Finanzierung echter Innovation
(hochriskant)?
Intensitätsanalyse ausgewählter Themen
Darunter versteht sich die textliche Zusammenfassung der Vielzahl an abgegebenen
Statements zu einzelnen Themenbereichen und Wertung der Intensität der
Aussagen in Bezug auf deren Relevanz bzw. Bedeutung.
1) Die Relevanz von Gründungsprojekten für die Bank
Bewertungsrang 3: NIEDRIG
Alle drei Banken verweisen auf eine geringe Anzahl an Gründungsprojekten
unter
ihren
Kunden
bzw.
auf
ein
geringes
Kreditvolumen
durch
Unternehmensneugründungen. Vorwiegend wird der Schritt von bereits
bestehenden KundInnen in die Selbstständigkeit unterstützt. Lediglich eine
Bank engagiert sich darüber hinaus aktiv in der GründerInnen-Szene mit
dem Ziel, später UnternehmenskundInnen zu gewinnen.
Anhang Seite 6
Insgesamt werden je Bank zwischen 10 und 80 Gründungsprojekte pro Jahr
finanziert. Der durchschnittliche Gründungskredit liegt zwischen € 50.000,und € 200.000,-.
Die
Finanzierung
von
Kleinstprojekten
über
Mikrokredite
oder
Kontokorrentvereinbarungen ist nicht erhoben.
Der Großteil der Gründungsprojekte betrifft Betriebsnachfolgen in regionalen
Schwerpunktbranchen.
Hochinnovative bzw. Technologiegründungen als Hochrisikoprojekte mit
hohem, langfristigem Kapitalbedarf spielen selbst bei einer verbesserten
Haftungsübernahme durch Förderinstitutionen für die befragten Banken eine
untergeordnete Rolle. Grund dafür ist hauptsächlich die traditionelle
Branchenstruktur im Umfeld der befragten Banken, die auch für die
Branchenwahl von GründerInnen verantwortlich zeichnet. Für den Raum
Wien, Niederösterreich und Oberösterreich (Zentralraum) wurde für derartige
Projekte eine ungleich höhere Relevanz unterstellt.
2) Die Qualität von Businessplänen
Bewertungsrang 3: SCHLECHT
Nicht jedem Finanzierungsantrag durch GründerInnen wird auch ein
Businessplan beigelegt. Wenn ja, dann finden die Planungen kaum Eingang
in das Bonitätsrating der Banken. Ein positiver Effekt bei der grundsätzlichen
Entscheidung der Banken zu einer Finanzierung der Gründung ist durch gute
Businesspläne nur fallweise zu erzielen.
Die wichtigsten Gründe für die geringe Akzeptanz von Businessplänen liegen
neben dem Fehlen von Finanzdaten (Hardfacts) im ausschließlichen
Vorhandensein von groben Plandaten, in der zu euphorischen, nicht
nachvollziehbaren Erlösplanung, in der mangelnden Fähigkeit mögliche
Geschäftsverläufe plausibel abzubilden und in der oft unzureichenden
Kostenschätzung.
Businesspläne
dienen
vorrangig
dazu,
die
UnternehmerInnen selbst und deren Kompetenzen zu beurteilen.
Anhang Seite 7
Durch die schlecht beurteilte Qualität der Businessplanungen sehen die
befragten Banken bis dato keinen Anlass in standardisierte Ratingprozesse
für die Beurteilung von Businessplanungen zu investieren.
3) Die Rolle von Kreditsicherheiten für die Banken
Bewertungsrang 1: WICHTIG
Kreditsicherheiten werden von den Banken als Softfact betitelt und neben der
Eigenkapitalquote von mindestens 25% am Gesamtkapital und der
GründerInnen-Persönlichkeit als das wichtigste qualitative Kriterium für eine
Gewährung eines Gründungskredites benannt.
In der Praxis stellt dabei die Erbringung hoher Sicherheiten das einzige
nennenswerte Override-Kriterium für eine (geringe) Verbesserung des
Bonitätsratings dar. Weitere Softfacts spielen in diesem Zusammenhang
keine Rolle. Dem gegenüber werden Blanko-Kredite, also Kredite ohne
Besicherung, kaum mehr vergeben.
Selbst durch die kalkulatorische Abdeckung des „Restrisikos“ der Banken bei
Gründungsfinanzierungen
durch
die
Risikoaufschläge,
werden
Neugründungen als „hochriskant“ klassifiziert. Als Ausfallsgründe, die durch
die Sicherheiten und den Risikoaufschlag ausgeglichen werden müssen,
wurden schwerpunktmäßig Unsicherheiten zu folgenden Themen genannt:
• Die Marktsituation und der Wettbewerb werden unzureichend eingeschätzt.
• Es fehlt an unternehmerischer Leistung, z.B. am Finanz-Controlling.
• Umsatz wird mit Erlös gleichgesetzt und die Privatentnahmen sind zu hoch.
• Die Kosten bis zur Eröffnung und für die Erstausstattung des Unternehmens
werden unterschätzt.
• Die
Businessplanung
ist
oberflächlich
und
unrealistisch.
Künftige
Geschäftsverläufe werden nicht sorgfältig simuliert/geplant.
Anhang Seite 8
4) Stellenwert der GründerInnen-Persönlichkeit für die Vergabeentscheidung
Bewertungsrang 1: WICHTIG
Die Gründungsperson ist für alle befragten Banken der Schlüssel für einen
Gründungserfolg. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht nur eine
möglichst gut bewertete Vergangenheit als KundIn der Bank mit einer
positiven Beurteilung der Finanzgebarung, des Schuldenstandes und der
Vermögenssituation, sondern auch die Eignung der Person zum/zur
UnternehmerIn.
Über das GründerInnen-Profil erlangt die Bank das Vertrauen in die Person
selbst, die Businessplanung, die Gründungsidee und das Gründungsprojekt.
Die Person, nicht die Planung vermittelt die Erfolgsaussichten des Projektes.
5) Aktuelle Bedeutung des Ratings von Unternehmensgründungen
Bewertungsrang 3: NIEDRIG
Allgemein wurden die aktuell verwendeten Ratingverfahren der Banken auf
das eigene Kundenportfolio (z.B. nach Branchen, Volumina) abgestimmt und
bedarfsgerecht entwickelt. Unternehmensgründungen spielen in diesem
Portfolio keine herausragende Bedeutung.
Unternehmensneugründungen können den Bestimmungen von Basel II
folgend mit einem Standardrating versehen werden – ein eigenes Rating ist
demnach formal nicht notwendig. Auch wenn ein objektives Ratingverfahren
zur
verbesserten
Einschätzung
der
Softfacts
die
grundsätzliche
Entscheidung zur Vergabe eines Kredites stark beeinflussen könnte, sehen
die Banken durch die geringe Bedeutung des GründerInnen-Segments für
das eigene Portfolio keine Veranlassung, mehr Engagement zur Errichtung
eines GründerInnen-Ratings zu entwickeln.
Als Ersatz für fehlende Finanzdaten wird in der aktuellen Praxis überwiegend
auf Branchen- und VorgängerInnen-Vergleiche zurückgegriffen bzw. werden
allfällige Vermögenswerte der KreditwerberInnen in eine grundsätzliche
Vergabeentscheidung einbezogen. Einfluss auf die Höhe der Kreditzinsen
Anhang Seite 9
inklusive der Risikoaufschläge haben Softfacts jedoch nur in seltenen Fällen
und wenn doch, in nur geringem Umfang.
6) Auswirkungen von Basel II und III auf die Gründungsfinanzierung
Bewertungsrang 2: MITTEL
Zwar
sehen
die
Banken
die
Entwicklung
des
Zinsniveaus
(inkl.
Risikoaufschläge) durchaus kritisch, sprechen jedoch nicht von einer
Kreditklemme für GründerInnen. Zum Einen ist ausreichend Kapital auch für
Gründungskredite vorhanden, das von Unternehmen jederzeit abgerufen
werden kann. Zum Anderen entsprechen die Kreditzinsen/Kapitalkosten
einer Marktsituation, in der sich gesunde Unternehmen zurechtfinden sollten.
Voraussetzung für die Vergabe der Kredite bleibt das Vertrauen (Anm.: egal,
ob über ein Finanzrating oder aufgrund anderer Kriterien), das die Bank dem
Unternehmen bzw. den GründerInnen entgegenbringt. Ein Teil dieses
Vertrauens beruht auf das vorhandene Eigenkapital im Unternehmen, das
bei
Gründungsprojekten
auch
ein
Indiz
für
die
Identifikation
der
Gründungsperson mit dem Projekt darstellt. Gesunde Unternehmen mit
entsprechender Eigenkapitalausstattung sind erfahrungsgemäß in der Lage,
Fremdkapital auch bei heutiger Verzinsung zu finanzieren.
7) Die Rolle der Banken – aktuell und künftig – für die Gründungsfinanzierung
Bewertungsrang 1: WICHTIG
Aktuell erfolgt die Bereitstellung von Fremdkapital für Gründungsprojekte in
Österreich überwiegend durch Banken. Das resultiert aus einer eher
UnternehmerInnen-feindlichen
Grundhaltung
in
der
österreichischen
Wirtschaft, in der Risiko- und Beteiligungskapital nachrangig behandelt wird.
Als Ansätze zur Verbesserung der Situation wird eine Aufstockung der
öffentlichen Förderungen ebenso genannt, wie die steuerliche Begünstigung
für Beteiligungskapital und die Aufwertung von Private Equity in der
österreichischen Finanzierungslandschaft.
Anhang Seite 10
Diese Forderungen werden zum Teil noch länger unerfüllt bleiben, wodurch
der Stellenwert der traditionellen Unternehmens- und Gründungsfinanzierung
durch den klassischen Bankkredit auch künftig hoch bleiben wird. Daher
werden die Banken auch künftig nicht mehr Risiko bei der Finanzierung von
Gründungsprojekten eingehen (müssen).
8) Bedeutung und Zukunft eines Bonitätsratings über Softfacts
Bewertungsrang 2: MITTEL
Wie bereits erwähnt, wird einem Rating von Gründungsprojekten an sich eine
nur geringe Bedeutung eingeräumt. Trotzdem sehen die Banken eine
Verbesserung der Voraussage von Geschäftsentwicklungen - auch anhand
von
Softfacts
-
als
positiven
Ansatz
für
eine
Verminderung
der
Ausfallswahrscheinlichkeit eines Kredites. Im eigenen Ratingprozess könnten
fundierte Expertisen bei der Beurteilung eines Gründungsprojektes helfen
(Anm.: auch wenn eine Implementierung in bestehende Ratingsysteme
unwahrscheinlich ist).
Vielmehr sehen die Banken die Rolle eines derartigen Ratings in der
Aufbringung von (zusätzlichem) Eigenkapital bzw. von Sicherheiten, was
wiederum das (rechnerische) Ausfallsrisiko, aber auch die Höhe der
benötigten Kreditfinanzierung verringert. Aus dieser Sicht kann für den
besseren
Zugang
zu
Beteiligungsfinanzierungen,
Risikokapital,
Haftungsübernahmen und anderen Formen der Außenfinanzierung ein
fundiertes
Softfact-Rating
durchaus
eine
vermittelnde
und
vertrauensbildende Rolle übernehmen.
Zusammenfassung ergänzender Interview-Beiträge
Nachstehende Statements ergänzen die in der Intensitätsanalyse eingeflossenen
Aussagen. Sie sind sinngemäß (nicht wörtlich) den Interviewmitschriften und
Tonaufzeichnungen entnommen und zur besseren Zuordnung in einzelnen
Themenblöcken zusammengefasst.
Anhang Seite 11
Kritik an Businessplänen und Gründe für die geringe Akzeptanz dieser:
• Es werden bei einem Kreditantrag nicht immer vollständig ausgearbeitete
Businesspläne vorgelegt.
• Die vorgelegten Planzahlen sind zu euphorisch.
• Es fehlt oft an Knowhow zur:
Kalkulation marktgerechter Preise;
Schätzung von Umsätzen und Kosten;
Schätzung von Kapazitäten und Auslastungen;
Festlegung des Investitionsbedarfs;
Bemessung der UnternehmerInnen-Entlohnung;
Eingrenzung auf Segmente und Zielgruppen.
• Es kann oft der Nutzen der Geschäftsidee für potenzielle Kunden nicht
herausgearbeitet werden, es fehlt der USP.
• Es braucht mehr unternehmerisches Handwerkszeug, beispielsweise eine
ordentliche Buchhaltung, ein Controlling, eine gute Planung, etc.
• Es
gibt
keine
UnternehmerInnentypen
mehr
-
es
gibt
zu
viele
GoldgräberInnen und zu wenige VisionärInnen.
• Es fehlt an Innovation, zu viele Gründungsprojekte sind „me too“ Angebote.
• Die UnternehmerInnen überschätzen sich - viel zu viele Geschäftsmodelle
sind auf die GründerInnen fokussiert. Anstatt operative Tätigkeiten zu
übertragen und sich der Unternehmensführung zu widmen, sehen sich die
GründerInnen als „erste SchrauberInnen“ im Betrieb.
Diagnostizierte Gründe für ein Scheitern von Gründungsprojekten:
• Im Vorfeld werden die Marktsituation und der Wettbewerb nur unzureichend
analysiert. Zudem fehlen weitgehend realistische Einschätzungen von
Marktpotenzialen, Volumina und Marktanteilen.
Anhang Seite 12
• Die GründerInnen sind fachlich oft Spitzenkräfte, haben jedoch Schwächen
in der strategischen Unternehmensführung, beim Organisieren und beim
Führen der MitarbeiterInnen beim Treffen von Entscheidungen und im
(Finanz-) Controlling.
• Für viele GründerInnen ist Umsatz gleich Erlös. Es gibt zu hohe
Privatentnahmen
und
es
wird
auf
die
Nebenkosten
für
den
UnternehmerInnen-Lohn vergessen.
• Bei Gründungsprojekten werden oft die Kosten bis zur Eröffnung und für die
Erstausstattung des Unternehmens unterschätzt. Zusätzlich braucht es Zeit,
bis das Unternehmen aus seiner Geschäftstätigkeit heraus leben kann. Auch
dafür muss das Startkapital reichen.
• Es fehlt oft an der durchgängigen Planung für das Unternehmen. Ganz
besonders für die Zeit nach der Gründung, wenn es darum geht im
Tagesgeschäft zu überleben, machen sich wenige konkrete Vorstellungen.
Bedeutung eines guten GründerInnen-Profils
• Es muss den GründerInnen das Gelingen des Projektes zugetraut werden
können – sowohl fachlich, als auch als UnternehmerInnen-Persönlichkeit.
• Es ist ein Vertrauen in die Person, aber auch in die Gründungsidee und die
Qualität der Planungen zu schaffen. Erst mit der Kenntnis der Person
bekommt die gesamte Planung einen realen Hintergrund.
• Die Person kann auf ihre finanzielle Vergangenheit überprüft werden.
• Es hilft bei der Beurteilung, wenn die Gründungsperson schon in der
Vergangenheit KundIn der Bank war.
• Die
GründerInnen-Persönlichkeit
Entscheidungskriterium
bei
der
ist
das
wichtigste
Vergabeentscheidung
von
„soft“
Krediten,
mindestens gleichauf mit den Marktchancen der Gründungsidee, gefolgt von
der Unternehmensplanung inkl. den Planrechnungen (Finanzplanung).
Anhang Seite 13
Statements zum Risikoverhalten der Banken bei Gründungsprojekten
• Mit der gängigen Praxis der sehr risikoarmen Vergabeentscheidung von
Gründungskrediten und der Anwendung des Standardratings wurde bereits
jetzt eine sehr niedrige Ausfallsquote erzielt.
• Eine verstärkte Übernahme von Risiken, insbesondere durch die Gewährung
von Krediten ohne hohe Sicherheiten oder von Blanko-Krediten, ist für die
Banken aktuell kein Thema.
• Erstes Ratingziel der Banken ist es, das gewährte Kapital und feste
Zinserträge wertmäßig abzusichern. Es ist nicht Aufgabe der Banken,
Renditen über das klassische Bankgeschäft hinaus zu erwirtschaften. Es
besteht daher auch kein Anlass, verstärktes Risiko zu nehmen.
Die Kriterien für die Vergabe von Krediten an GründerInnen
• (hohe Relevanz) Ausreichend Eigenmittel und gute Besicherung durch
Vermögenswerte bzw. die Übernahme von Bürgschaften und Haftungen.
• (hohe Relevanz) Eignung und Vertrauenswürdigkeit der GründerInnen –
vorrangig in Bezug auf die bisherige Finanzgebarung, den Ausschluss von
No-Go-Kriterien und das Persönlichkeitsprofil.
• (weniger hohe Relevanz) Plausibilität und Qualität der Businessplanung und
Unterstützung durch die KundenbetreuerInnen.
Der Kreditvergabeprozess (im Kern für alle drei Banken gültig):
•
Sammlung von Daten (z.B. Selbstauskunft, bankinterne Daten, externe
Auskünfte, Businesspläne, etc.);
•
Prüfung des Kreditantrages auf No-Go-Kriterien;
•
Aufbereitung der Daten in internen Operativ-Systemen;
•
sofern das Entscheidungslimit des lokalen Kreditmanagements überschritten
wird, die Einbindung des bankinternen Risikomanagements;
•
wichtigster, fallweise sogar einziger Bestandteil dieser Prüfung ist in der
Praxis die Beurteilung der beigebrachten Sicherheiten;
Anhang Seite 14
•
bei Bedarf erfolgt eine Abstimmung des Risikomanagements mit der
Kundenbetreuung – vor allem um Softfacts wie das UnternehmerInnen-Profil
und die bisherige Geschäftsgebarung zu bewerten;
•
Erstellen eines Ratingvorschlages und fallweise Ziehen einer Override-Option
zur Abänderung des Ratings;
•
Endrating des Kunden und formale Abwicklung der Kreditvergabe.
Die zukünftige Rolle der Banken bei der Finanzierung von Gründungsprojekten
• Die Nachfrage an Krediten für Gründungen wird weiterhin hoch sein.
• Es
werden
sich
langsam
Finanzierungsformen
etablieren,
die
die
Eigenkapitalbasis der Projekte verbessern helfen. Damit kann auch das
Risiko zwischen den GründerInnen, den Venture-Capital-GeberInnen, den
Haftungsstellen und den Banken besser aufgeteilt werden.
• Die Übernahme der Finanzierung der Hochrisikophase vor dem Markteintritt
durch Venture-Capital-GeberInnen und ein anschließender Eintritt der
Banken in die Finanzierung würde seitens der Banken begrüßt werden. Für
die Praxis werden derartige Finanzierungsszenarien jedoch nicht als
realistisch beurteilt.
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