Master Thesis Gerd Sendlhofer - Donau
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Master Thesis Gerd Sendlhofer - Donau
Eidesstattliche Erklärung Ich, Gerd Sendlhofer, geboren am 4.5.1965 in Badgastein, erkläre, 1. dass ich meine Master Thesis selbständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfen bedient habe, 2. dass ich meine Master Thesis bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe, 3. dass ich, falls die Arbeit mein Unternehmen betrifft, meine/n ArbeitgeberIn über Titel, Form und Inhalt der Master Thesis unterrichtet und sein Einverständnis eingeholt habe. Salzburg, 4. Februar 2014 Seite I Entwicklung eines standardisierten Ratingmodells zur verbesserten Bewertung der marketing- und organisationsspezifischen Planungen im Rahmen von Unternehmensneugründungen. Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades Master of Business Administration (MBA) der Donau-Universität Krems Department für Wirtschafts- und Managementwissenschaften Danube Business School im Universitätslehrgang General Management Competences eingereicht von Gerd Sendlhofer Erstgutachter: Prof. Dr. Helmut Aigner Zweitgutachterin: Helga Wannerer, MA Salzburg, am 4. Februar 2014 Seite II Abstract - Deutsch Diese Master Thesis beschäftigt sich mit der Entwicklung eines Bonitätsratings auf Basis von Softfacts für Unternehmensneugründungen im Rahmen der Vergabe von Bankkrediten und/oder alternativen Finanzierungsformen bzw. der Gewährung von Förderungen und der Übernahme von Haftungen. Bedingt durch die Verschärfung der Vergaberichtlinien von Krediten an Unternehmen seitens des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht unter den Titeln Basel II und Basel III ist für viele Gründungsprojekte ein akuter Engpass an Mitteln zur Fremdfinanzierung entstanden, der nur schwer zu überwinden ist. Der Schlüssel für die ausreichende Dotation von Gründungsprojekten mit Kapital liegt in der richtigen Mischung von UnternehmerInnen-Kapital, von außenfinanziertem Eigen- bzw. Beteiligungskapital, von übernommenen Haftungen und der Finanzierung über Bankkredite. Die GeberInnen von Kapital haben u.a. dabei eines gemeinsam: sie sind auf ein umfassendes, objektives und treffergenaues Bonitätsurteil angewiesen. Das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Bonitätsrating für Unternehmensneugründungen basierend auf Softfacts erfüllt diesen Anspruch. Seite III Abstract - Englisch This master‘s thesis deals with the development of a soft-facts-based credit rating for business-startups within the context of bank lending and/or alternative forms of financing or the awarding of grants and the assumption of guarantees. Since the Basel Committee on Banking Supervision tightened the regulations on lending to companies under the headings of Basel II and Basel III, there has been a serious shortage of external financing for many startup projects, a shortage that is difficult to overcome. The key to ensuring sufficient capital for startup projects lies in the right mix of venture capital, external equity capital, assumed guarantees and bank lending. The providers of capital have one thing in common here: They rely on a comprehensive, objective and accurate credit assessment. This is provided by the soft-facts-based credit rating for startups that has been developed within the context of this thesis. Seite IV Vorwort Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Problematik beim Bonitätsrating von Unternehmensneugründungen und der dadurch verschärften Situation beim Zugang zu außenfinanziertem Fremd- und Eigenkapital für Gründungsprojekte. Ziel der Arbeit ist es, eine Ratingmethode basierend auf Softfacts zu beschreiben, die die Gütekriterien eines gemäß der Richtlinien von Basel II entwickelten Ratingmodells auch ohne die Einbeziehung realer Finanzdaten und Hardfacts erfüllt und dadurch erst ein seriöses Rating von Gründungsprojekten ermöglicht. Zum Einen möchte ich damit einen Ansatz aufzeigen, der prognostizierten Kreditklemme für Unternehmensgründungen durch Basel II und III zu begegnen und Wege zu finden, aussichtsreiche Projekte trotz Eigenkapitalschwäche zu finanzieren. Zum Anderen möchte ich dem Grundsatz „Softfacts make Hardfacts“ folgend eine Rückbesinnung auf Entrepreneurship, Gründungsvisionen und Konzeptstärken als die wichtigsten Faktoren einer erfolgreichen Unternehmensgründung fördern. Persönlich empfand ich den komplexen, interdisziplinären Zugang zur Lösung der Aufgabenstellung motivierend, spannend und meiner Studienrichtung „General Management“ würdig. Dafür möchte ich der Lehrgangsleitung, den Lehrenden und dem BetreuerInnenteam der Master Thesis meinen besonderen Dank ausdrücken. Für ihre fachliche Unterstützung und ihr Engagement danke ich meinem Vater als Bankdirektor in Ruhestand und den Managements der drei Banken, die sich für ein Interview zur Verfügung gestellt haben. Privat geht mein Dank an meine Frau Beate für ihre Gelassenheit und allen Freunden und Freundinnen für ihre Anteilnahme. Urheberrecht: Diese Master Thesis bietet alle Grundlagen für einen Praxis-Einsatz bei der Erstellung Softfact-basierter Bonitätsratings. Eine gewerbliche Nutzung der Ergebnisse meiner Arbeit, insbesondere der Ratingmethode selbst in der von mir beschriebenen Form bleibt mir, dem Verfasser der Arbeit, vorbehalten bzw. erfordert meine ausdrückliche Zustimmung. Seite V Inhaltsverzeichnis Abstract - Deutsch ..................................................................................................... III Abstract - Englisch..................................................................................................... IV Vorwort ....................................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................... VI Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen ................................................................ X Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................. XI 1. Executive Summary ................................................................................................ 1 2. Einleitung ................................................................................................................ 3 2.1 Problemstellung und Ausgangssituation ........................................................... 3 2.2 Zielformulierung ................................................................................................ 5 2.3 Methoden .......................................................................................................... 6 2.4 Zielgruppe und AnwenderInnen ........................................................................ 7 3. Strukturierung der Arbeit......................................................................................... 8 3.1 Definitionen | Begriffsklärungen ........................................................................ 9 3.1.1 Unternehmensgründung ab einer Mindestgröße ........................................ 9 3.1.2 Finanzierung von Unternehmensneugründungen..................................... 10 3.1.3 Rating von Softfacts in Businessplänen ................................................... 10 3.1.4 Regionale Abgrenzung ............................................................................. 10 3.1.5 Begriffsdefinitionen Eigenkapital und Sicherheiten ................................... 11 3.1.6 Sonstige Begriffe ...................................................................................... 11 3.2 Aufbau der Arbeit ............................................................................................ 12 4. Unternehmensgründungen ................................................................................... 13 4.1 Theoretische Grundlagen zu Unternehmensgründungen ............................... 14 4.2 Unternehmensgründungen in der Praxis......................................................... 16 4.2.1 Überblick über den GründerInnen-Markt .................................................. 16 Seite VI 4.2.2 Scheitern von Gründungsprojekten .......................................................... 18 4.2.3 Die Gründungspraxis ................................................................................ 20 4.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensgründung............................... 23 5. Unternehmensfinanzierung................................................................................... 23 5.1 Theoretische Grundlagen zur Unternehmensfinanzierung .............................. 24 5.1.1 Übersicht Finanzierungsarten ................................................................... 24 5.1.2 Übersicht Kapitalaufbringung ................................................................... 25 5.1.3 Finanzierung im Unternehmenslebenszyklus ........................................... 28 5.1.4 Besicherung von Krediten ........................................................................ 29 5.2 Basel II und Basel III ....................................................................................... 30 5.2.1 Regeln und Auswirkungen von Basel II .................................................... 30 5.2.2 Ausblick auf Basel III ................................................................................ 32 5.3 Finanzierung von Unternehmensgründungen in der Praxis ............................ 33 5.3.1 Besonderheiten bei der Finanzierung von Gründungsprojekten............... 33 5.3.2 Die Finanzierungspraxis der Banken bei Unternehmensgründungen....... 35 5.3.3 Unterschiedliche Erwartungen im Rahmen einer Außenfinanzierung....... 36 5.4 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensfinanzierung .......................... 37 6. Das Rating von Unternehmen .............................................................................. 38 6.1 Theoretische Grundlagen zum Rating von Unternehmen ............................... 39 6.1.1 Ausgangssituation für die Entwicklung eines Bonitätsratings ................... 39 6.1.2 Segmentierungen und Datenanforderungen ............................................ 42 6.1.3 Modelle zur Bonitätsbeurteilung ............................................................... 44 6.1.4 Entwicklung und Validierung von Ratingmodellen .................................... 47 6.2 Die Praxis beim Rating von Unternehmensneugründungen ........................... 49 6.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensrating ..................................... 51 7. Aufbau des Softfact-Ratings für Unternehmensneugründungen .......................... 52 Seite VII 7.1 Grundzüge / Ausgangssituation eines Ratings von Softfacts .......................... 52 7.2 Generierung der Datenbasis ........................................................................... 53 7.2.1 Übersicht Erhebungsmethoden ................................................................ 54 7.2.2 Regeln für Daten, Analysen und Beurteilungen ........................................ 54 7.3 Übersicht über die Entwicklung einer Scoringfunktion .................................... 55 7.3.1 Entwicklungsschritte des Ratings ............................................................. 55 7.3.2 Ratingmotivation ....................................................................................... 56 7.3.3 Muster Scoringprozess ............................................................................. 57 7.3.4 Der Bewertungsablauf im Scoringmodell.................................................. 57 7.4 Übersicht Kalibrierung der Scorewerte | Validierung ....................................... 60 7.4.1 Kalibrierung der Scorewerte ..................................................................... 60 7.4.2 Validierung des Ratingmodells ................................................................. 61 7.5 Ratinghandbuch und Primärerhebungen ........................................................ 62 7.5.1 Ratinghandbuch ....................................................................................... 62 7.5.2 Primärerhebung über Hearings ................................................................ 62 7.5.3 Primärerhebung über Fragenkataloge ...................................................... 64 8. Die Hauptkategorien im Softfact-Rating ............................................................... 65 8.1 Ratingkategorie UnternehmerInnen-Profil | Personal (35%) ........................... 66 8.1.1 UnternehmerInnen-Profil (50%) ................................................................ 66 8.1.2 Personalplanung / Schlüsselpersonal (25%) ............................................ 68 8.1.3 Personalkosten (25%) .............................................................................. 70 8.2 Ratingkategorie Produkt | Markt | Marketing (35%)......................................... 71 8.2.1 Produkte (Sortiment) / Leistungen (20%) ................................................. 73 8.2.2 Der Markt / die Branche (20%) ................................................................. 74 8.2.3 Die Markteintrittsphase (20%) .................................................................. 76 8.2.4 Die mittelfristige Marketingstrategie (20%) ............................................... 78 Seite VIII 8.2.5 Ergänzende Wettbewerbsfaktoren (20%) ................................................. 79 8.3 Ratingkategorie Unternehmensorganisation | Finanzierung (30%) ................ 81 8.3.1 Unternehmensstruktur (20%) ................................................................... 82 8.3.2 Investitionsplanung / Finanzierung (40%)................................................. 84 8.3.3 Kosten- und Erlös-Vorschau | Liquidität (40%) ......................................... 85 9. Softfact-Gesamt-Rating für Unternehmensneugründungen.................................. 87 9.1 Darstellung des Ratings von Softfacts ............................................................ 88 9.1.1 Gesamtrating (1. Runde) | Zielrating (2. Runde)....................................... 88 9.1.2 Interpretationsmöglichkeiten ..................................................................... 91 9.2 Schnittstellenfunktion ...................................................................................... 92 10. Kritische Reflexion | Ausblick .............................................................................. 94 10.1 Bestätigung Arbeits-Thesen .......................................................................... 95 10.1.1 Ad These 1: Zugang zur Gründungsfinanzierung durch Bankkredite ..... 95 10.1.2 Ad These 2: Zugang zu alternativen Gründungsfinanzierungen ............. 95 10.1.3 Ad These 3: Validierungsfähigkeit des Ratingverfahrens ....................... 96 10.2 Ausblick auf die Zukunft eines Softfact-Ratings ............................................ 97 10.2.1 Formulierung der Businessszenarien ..................................................... 97 10.2.2 Rating-Software ...................................................................................... 98 10.2.3 Stärkere Einbindung von Softfacts in bestehende Bonitätsratings ......... 99 10.2.4 Absicherung privater Investitionen in realwirtschaftliche Projekte .......... 99 10.2.5 Aktuelle Weiterentwicklung des Softfact-Ratings.................................. 100 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 101 Selbstständige Arbeiten ...................................................................................... 101 Schriftreihen und Fachzeitschriften / Sekundärliteratur ....................................... 102 Anhang: Bankeninterview ........................................................................................ A 1 Seite IX Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen Abbildung 1 Aufbau der Arbeit 13 Abbildung 2 Statistik Austria - Gründungsstatistik 17 Abbildung 3 Grundformen der Finanzierung – Finanzierungsmatrix 24 Abbildung 4 Finanzierung im Unternehmenslebenszyklus 28 Abbildung 5 Der Basel II Ansatz - Eigenkapitalanforderung 39 Abbildung 6 Architektur von Ratingverfahren 40 Abbildung 7 Beispiel Ratingurteil für langfristige Schuldverschreibungen 41 Abbildung 8 Modelle zur Bonitätsbeurteilung 45 Abbildung 9 Entwicklung eines Ratingmodells 48 Abbildung 10 Musterbeispiel Teilscoring 57 Abbildung 11 Musterbeispiel Bottom Up Zusammenfassung Scoring 58 Abbildung 12 Beispiel Übertrag eines Scores in eine Rating-Skala 60 Abbildung 13 Beispiel Darstellung Gesamt-Rating (1. Runde) 89 Abbildung 14 Beispiel Darstellung Ziel-Rating (2. Runde) 90 Tabelle 1 Schritte zur Unternehmensgründung 20 Tabelle 2 Bestandteile von Kreditzinsen 42 Tabelle 3 Bewertungsskala HIGH, MEDIUM, LOW - ZERO 58 Tabelle 4 Gesamtrating (1. Runde) 89 Tabelle 5 Zielrating (2. Runde) 90 Tabelle 6 Standardisierte Ratingergebnisse 91 Seite X Abkürzungsverzeichnis AfA Abschreibung für Anlagen AG Aktiengesellschaft Basel I Eigenkapitalvereinbarung für Banken, verfasst vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Gültig seit 1988 Basel II erweiterte Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften aufbauend auf Basel I, Gültig seit 2008 Basel III modifizierte, ergänzte Regelungen aus Basel II, Umstellungsphase in Österreich ab 1/2014 – bis 12/2018 bzw. beziehungsweise EPU Ein-Personen-Unternehmen etc. et cetera EZU Einzelunternehmen FMA Österreichische Finanzmarktaufsicht inkl. inklusive IPO Initial Public Offering (erstmaliger Börsengang) GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GuV Gewinn- und Verlustrechnung Kfz Kraftfahrzeug KG Kommanditgesellschaft KMU Kleinere und Mittlere Unternehmen KSV 1870 Kreditschutzverband von 1870 Mio. Million/en o.a. oben angeführt OeNB Österreichische Nationalbank OG Offene Gesellschaft SWOT Strength – Weakness – Opportunities - Threats u.a. unter anderem USP Unique Selling Proposition u.U. unter Umständen u.v.m. und vieles mehr vgl. vergleiche z.B. zum Beispiel für Banken, Seite XI 1. Executive Summary Diese Master Thesis beschäftigt sich mit der Entwicklung eines Bonitätsratings auf Basis von Softfacts für Unternehmensneugründungen im Rahmen der Vergabe von Bankkrediten und/oder alternativen Finanzierungsformen bzw. der Gewährung von Förderungen und der Übernahme von Haftungen. Bedingt durch die Verschärfung der Vergaberichtlinien von Krediten an Unternehmen seitens des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht unter den Titeln Basel II und Basel III ist für viele Gründungsprojekte ein akuter Engpass an Mitteln zur Fremdfinanzierung entstanden, der nur schwer zu überwinden ist. Besonders für Neugründungen, die ungeachtet ihres Chancen-Potenzials im Banken-StandardRating als hochriskant geführt werden, ist die Finanzierung über Eigenkapital von zentraler Bedeutung. Zum Einen werden Kredite in der Praxis nur bei einer entsprechenden Eigenkapitalquote im Projekt vergeben und zum Anderen sind von den GründerInnen Kreditsicherheiten zu bieten, die oft wiederum Eigenmittel binden. Der Schlüssel für die ausreichende Dotierung von Gründungsprojekten mit Kapital liegt in der richtigen Mischung von UnternehmerInnen-Kapital, von außenfinanziertem Eigen- bzw. Beteiligungskapital, von übernommenen Haftungen und der Finanzierung über Bankkredite. Die GeberInnen von Kapital haben u.a. dabei eines gemeinsam: sie sind auf umfassende, objektive und treffergenaue Ratingurteile angewiesen, die die aktuelle Situation und die voraussichtliche Entwicklung des Projektes in Bezug auf Chancen und Risiken widerspiegeln. Die Entwicklung des GründerInnen-Bonitätsratings erfordert daher eine Eingrenzung der Themenbereiche Unternehmensgründung, Unternehmensfinanzierung und Unternehmensrating auf für ein Softfact-Rating relevante Parameter. In erster Linie bietet sich ein Bonitätsrating für die Bewertung von Neugründungen an, denen keine Hardfacts für ein Finanzrating zur Verfügung stehen und die daher über qualitative Erfolgsfaktoren möglichst treffergenau beurteilt werden müssen. Im Themenkomplex der Unternehmensfinanzierung ist mit dem Bonitätsrating auf die Bedürfnisse nicht nur von Kreditinstituten, sondern auch den Ratingbedarf von GeberInnen von Risiko- und/oder Beteiligungskapital bzw. Förderungen, von ÜbernehmerInnen von Haftungen bzw. Bürgschaften und letztendlich möglichen Seite 1 GesellschafterInnen Rücksicht zu nehmen. Das bedeutet, nicht nur den von Basel II geforderten Nachweis von Ausfallswahrscheinlichkeiten eines Kredites zu erbringen, sondern auch Potenziale und Renditechancen zu benennen. Das Ratingmodell selbst hat auch bei ausschließlicher Verwendung von Softfacts alle Kriterien von Basel II und III zu erfüllen, um von Banken eingesetzt, zumindest aber in bestehende Modelle implementiert werden zu können. Trotzdem ist eine nachvollziehbare Bewertung und eine Ergebnisdarstellung analog der etablierten Ratingcodierungen (z.B. AAA) zu entwickeln. Die Lösung liegt in einem qualitativen heuristischen Ratingmodell (Nutzwertanalyse) in dem anhand von Scores (HIGH, MEDIUM, LOW - ZERO) in drei RatingHauptkategorien und mehreren Subkategorien ein möglicher Gründungserfolg bewertet wird. Aufbauend auf eine auf ihre Plausibilität geprüfte Businessplanung wird die darin beschriebene Unternehmensperformance wissenschaftlich abgeleiteten Marktszenarien und Handlungsempfehlungen gegenübergestellt. Die Bewertung selbst erfolgt in den als Erfolgsfaktoren identifizierten Kategorien „UnternehmerInnen-Profil | Personal“, „Produkt | Markt | Marketing“ und „Unternehmensstruktur | Finanzierung“ über die Feststellung, ob die handelnden Personen die gestellten Aufgaben zu erfüllen imstande sind bzw. in welchem Ausmaß die Gründungsidee und das Unternehmenskonzept Erfolgschancen bieten. Methodisch erfolgt die Erhebung über Fragenkataloge und ein UnternehmerInnenHearing, in dem ratingrelevante Daten strukturiert erhoben werden. Das Ergebnis ist ein eindeutiges Rating in Form eines dreistelligen Codes, die Scores in den drei Rating-Hauptkategorien repräsentierend und eine zusammenfassende gewichtete Durchschnittsnote. Mit dieser Darstellung ist sowohl eine standardisierte Interpretationsskala verbunden, als auch genügend Freiraum für AnwenderInnen mit unterschiedlicher Rating-Motivation geschaffen, die ScoringSkala individuell zu kalibrieren. Mit diesem Ergebnis sind zumindest indirekt die drei Arbeitshypothesen in Form des erleichterten Zugangs zu Bankkrediten bzw. zu alternativen Finanzierungen und eine mögliche Validierung nach Basel II bestätigt. Seite 2 2. Einleitung Eigene Erhebungen im Rahmen dieser Arbeit zur Bedeutung von Softfacts für Unternehmensratings im Rahmen der Bonitätsprüfung von Banken haben bestätigt, was Eisl et al 2008 in den „Grundlagen der Finanziellen Unternehmensführung“ zu bankinternen Ratings festgestellt haben: „Das Rating besteht im Wesentlichen aus der Beurteilung der finanziellen Hardfacts, dem Bilanzrating und der Beurteilung der Softfacts. Im Rahmen der Bilanzratings stehen die Frage des Eigenkapitals, des Verschuldensgrades und der Schuldentilgungsfähigkeit im Vordergrund, […]. Bei den Softfacts werden die reine Bilanzlage ergänzende Faktoren, die indirekt Einfluss auf die Bonität haben […], beurteilt. In der Praxis dominiert das Bilanzrating, das durch das Rating der Softfacts meist nur in geringem Ausmaß verändert werden kann.“1 Die Ratingpraxis der Kreditinstitute bei der Vergabe von Krediten wurde unter dem Eindruck der Banken- und Wirtschaftskrise Mitte der 2000er-Jahre durch die Bestimmungen Basel II und Basel III seit 2007 verschärft. Damit soll eine Verringerung des Kreditausfallsrisikos und eine Verbesserung der Eigenkapitalbasis der Banken erreicht werden. KritikerInnen dieser Praxis befürchten jedoch, dass sich dieses Regelwerk am GründerInnen-Markt in Form einer als „Kreditklemme“ bezeichneten Verknappung von Fremdkapital negativ auswirken wird. Ein Ansatz kann sein, durch eine verbesserte Beurteilung von Softfacts auch konzeptionelle und unternehmerische Faktoren in die Vergabeentscheidung von Investitionskapital einzubinden. Dafür sind klare und einheitliche Ratingstandards zu definieren, die es KapitalgeberInnen, wie Banken, InvestorInnen, Förderstellen oder potenziellen GesellschafterInnen ermöglicht aussagekräftige Bewertungen der Chancen und Risiken in Gründungsprojekten abzuleiten. 2.1 Problemstellung und Ausgangssituation Im Rahmen der Finanzierung von Unternehmensgründungen spielt Fremdkapital, aktuell meist in Form von Bankkrediten, eine bedeutende Rolle. 1 Eisl et al (2008): 680ff Seite 3 Zum Einen ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Unternehmensgründungen trotz rückläufiger Tendenz weiter auf hohem Niveau, was vom Finanzmarkt die Bereitstellung von ausreichend Kapital zu marktseitig akzeptierten Konditionen fordert. Zum Anderen ist ein Eintritt in teils gesättigte Märkte teuer, aber auch die Umsetzung innovativer Gründungsprojekte ist oft mit hohen Startinvestitionen verbunden, für die oftmals eine ausreichende Eigenkapitalbasis fehlt. Eine bankenseitige Lösung dieser Aufgabenstellung ist angesichts der gängigen Kreditvergabepraxis mit restriktiven Bonitätsregeln und starren Ratingverfahren nur bedingt möglich. Die geltenden Richtlinien von Basel II und III haben auch in Österreich aus Sicht vieler KreditwerberInnen für höhere Fremdkapitalkosten und infolge dessen für eine Verknappung von finanzierbaren Kreditmitteln gesorgt. Aus der Sicht der Banken wird hingegen kritisiert, dass einem durchaus vorhandenen Volumen an Investitionskapital ein nur geringer Anteil an Eigenkapital seitens der Unternehmen gegenübersteht. Eine Lösung der offenen Eigenkapitalfrage liegt dabei in Anbetracht des begrenzten Privatvermögens vieler GründerInnen in außenfinanziertem Eigenkapital durch InvestorInnen. In diesem Zusammenhang wird eine steuerliche Begünstigung von Investitionen in Unternehmensneugründungen ebenso angeregt, wie eine offensivere und transparentere InvestorInnen-Kultur. Besonders gefordert im Wettbewerb um Bankkredite und/oder InvestorInnen-Kapital sind Unternehmensneugründungen, die für die gängigen Routinen bei der Bonitätsprüfung keine realen Unternehmenszahlen (Hardfacts) bzw. Planungen auf IST-Zahlen-Basis bereitstellen können. Dem gegenüber sind die Softfacts in den Businessplänen der KreditwerberInnen, wenn überhaupt, ein nur nachrangiger Bestandteil von Ratings. Eine Erhebung bei drei österreichischen Kreditinstituten bestätigt diese Aussagen (vgl. Anhang): Der überwiegende Teil der Bonitätsprüfung bei Neugründungsprojekten basiert auf kaum vorhandenen realen Finanzdaten des Betriebes, der Vermögenssituation der KreditwerberInnen und auf Branchen- und VorgängerInnen-Vergleichen. Fehlen ausreichende Hardfact-Daten, werden im Falle einer trotzdem erteilten Bewilligung des Kreditantrages ein schlechtes Standardrating bzw. hohe Sicherheiten seitens der KreditwerberInnen schlagend. Softfacts werden nur fallweise in die grundsätzliche Entscheidung zur Kreditvergabe mit einbezogen. Seite 4 Kapitalkosten senkende Effekte durch die gute Erfolgsaussicht eines Gründungsprojektes können nur in seltenen Fällen erzielt werden. Mangels Relevanz ist die Erhebung von Softfacts seitens der Banken aktuell nur unzureichend standardisiert. Ein Entscheidungsbeitrag derartiger Informationen liegt meist im Ermessensspielraum einzelner KundenbetreuerInnen in Filialen bzw. Außenstellen der Bank. Die Folge dieser Praxis ist nicht nur, dass aussichtsreiche Projekte nicht finanziert werden, sondern auch, dass Kreditinstituten und InvestorInnen konkrete Rendite-Chancen vorenthalten bleiben. 2.2 Zielformulierung Zur exakteren Bewertung der Chancen und Risiken bei Unternehmensgründungen ist eine verbesserte Analyse von Softfacts inklusive des Nachweises der Plausibilität formulierter Marktszenarien in Businessplänen sinnvoll. Damit lässt sich im Rahmen von Gründungsprojekten die Feststellung deren Bonität qualitativ verbessern. Das Ziel dieser Master Thesis ist es daher, ein mögliches Ratingmodell zu beschreiben, das eine einfache, jedoch klare Beurteilung von Softfacts im Rahmen einer Unternehmensgründung gewährleistet. Dieses Modell soll zudem auf seine Validierbarkeit geprüft und sofern möglich, vorbereitet werden. Durch ein derartiges Ratingmodell soll UnternehmensgründerInnen der Zugang zu Fremd- bzw. neuem Eigenkapital erleichtert werden. Das setzt voraus, dass KapitalgeberInnen eine bessere Sicht auf Risiken, aber auch auf Erfolgspotenziale und Renditechancen geboten wird, als bisher. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Ergebnisse des Softfact-Ratings in bestehende Ratingroutinen zu integrieren. Die Erreichung der formulierten Ziele kann über den Beweis folgender Thesen nachgewiesen werden: • Eine verbesserte Beurteilung der Softfacts bzw. der Plausibilität der Marktszenarien in Businessplänen beeinflusst die Entscheidung von Kreditinstituten im Rahmen der Vergabe von Krediten für Unternehmensgründungen. Seite 5 • Eine schlüssige Beurteilung der Softfacts bzw. der Plausibilität der Marktszenarien bei Unternehmensgründungen steigert die Chancen auf alternative/ergänzende Finanzierungsformen zum klassischen Bankkredit. • Die Validierung eines Ratings von Unternehmen basierend auf die Beurteilung der Softfacts in der Businessplanung ist grundsätzlich möglich. 2.3 Methoden Die Basis dieser Arbeit bildet die Auswahl und Aufbereitung relevanter wissenschaftlicher Erkenntnisse zu den drei Kernthemen Unternehmensgründung, Unternehmensfinanzierung und Rating von Unternehmen. Ergänzt wird die Analyse der Fachliteratur durch Einbeziehung der Praxis bei der Gründung und Finanzierung von Unternehmen über Broschüren, Internetbeiträge und Medienberichte. Der empirische Teil der Arbeit umfasst Interviews mit Kredit-Experten bei drei österreichischen Regionalbanken. Die Gesprächspartner haben für die Teilnahme am Interview die Bedingung gestellt, dass ihnen einzelne Aussagen nicht direkt zugeordnet werden können. Im Gegenzug dazu wurde mir ein tieferer Einblick in interne Abläufe und Vereinbarungen gewährt. Die Befragung in Form eines strukturierten Tiefeninterviews2 erfolgte anhand eines Leitfadens, gegliedert in vier Schlüsselfragen mit Vertiefungsfragen (vgl. Anhang): • Die erste Schlüsselfrage beleuchtet die Rolle und die Aktivität der Banken allgemein und der befragten Bank speziell in der GründerInnen-Szene. • Die zweite Schlüsselfrage widmet sich der formalen Abwicklung von Kreditanträgen durch GründerInnen und dem Ratingprozess. • Die dritte Schlüsselfrage zielt auf die Bedeutung externer Ratings allgemein und das Rating von Softfacts ab und erhebt die Chancen von SoftfactRatings in der Zukunft. • Die vierte Schlüsselfrage beschäftigt sich mit den Rahmenbedingungen für eine Gründungsfinanzierung und dem Themenbereich Basel II und III. 2 Vgl. Lechner et al (2010): 492 Seite 6 Die für diese Arbeit erstellte Auswertung der Erhebungen erfolgte als zusammenfassende Ergebnis-Sammlung in Form einer überblickshaften qualitativen Inhaltsanalyse nach dem Muster einer Intensitätsanalyse3. Die theoretische und praxisbezogene Aufbereitung der Kernthemen in der Literatur, gemeinsam mit den Ergebnissen der Befragungen bilden die Basis der eigenständigen Themenaufarbeitung und für die Zusammenführung der Ergebnisse in der Beschreibung eines möglichen Ratingmodells. Die Ableitung des Ratingmodells bzw. der darin eingesetzten Erhebungs- und Beurteilungsmethoden erfolgt deduktiv als Schlussfolgerung zu den aus der vorangegangenen Analyse abgeleiteten Prämissen und definierten Parametern einer möglichen Problemlösung. Aus Platzgründen wurden alle beim Aufbau des Softfact-Ratingmodells beispielhaft genannten strategischen Analysemethoden nur überblickshaft angeführt. Details dazu sind in der zitierten Originalliteratur nachzulesen. 2.4 Zielgruppe und AnwenderInnen Frühzeitige Informationen zur Bonität von Gründungsprojekten, zu ihrem wirtschaftlichen Potenzial und zur Qualität der zugrundeliegenden Konzepte sind für jene Personen von Bedeutung, die einen direkten, meist finanziellen Nutzen am erfolgreichen Markteintritt eines Unternehmens haben. Das sind: • die UnternehmensgründerInnen selbst zur inhaltlichen Kontrolle der eigenen Businesspläne auf ihre Vollständigkeit und Plausibilität; • GeberInnen von Fremdkapital: Banken, LieferantInnen und GeberInnen von Privatdarlehen zur Bewertung der Bonität der KreditwerberInnen und zur Festlegung von Kreditvolumina, der Kreditzinsen inkl. Risikoaufschläge und der geforderten Sicherheiten; • GeberInnen von Eigenkapital/Beteiligungskapital: GeberInnen von Venture Capital, mögliche GesellschafterInnen mit Kapitalbeitrag im Unternehmen, Förder-GeberInnen etc. zur Festlegung der Kapitalhöhe und zur Berechnung der Renditeerwartung inklusive der Abgeltung des übernommenen Risikos; 3 Vgl. Mayring, P (2010): 15f Seite 7 • ÜbernehmerInnen von Haftungen: BürgInnen oder öffentlich rechtliche Körperschaften, die als gewährte Förderung die Haftung eines Kredits übernehmen, zur Einschätzung des Ausfallsrisikos und des möglichen Volumens einer zu übernehmenden Haftung. Der Informationsbedarf orientiert sich dabei nicht nur an den beiden ExtremSzenarien für die Entwicklung von Gründungsprojekten nach ihrem Markteintritt: • Misserfolg: Ausfallsrisiko als Gefahr eines Verlustes in dem bei Scheitern der Unternehmensgründung eingesetztes bzw. gewährtes Kapital inklusive einer erwarteten Rendite nicht zurückgezahlt werden kann. Dieser Sichtweise folgen vorwiegend Kreditinstitute im Rahmen ihres Kerngeschäftes. • Erfolg: Renditepotenzial aus der Geschäftstätigkeit des Unternehmens im Falle eines wirtschaftlich erfolgreichen Markteinstiegs bzw. einer erfolgreich umgesetzten Wachstumsstrategie. Zusätzlich lässt sich durch ein zusammenfassendes Rating der Softfacts auch die Qualität des Gesamtkonzeptes, der UnternehmerInnen und der Unternehmensorganisation darstellen. 3. Strukturierung der Arbeit Durch die Eingrenzung der Themenstellung auf ein Rating von Unternehmen zum Zeitpunkt ihrer Gründung, sind nachfolgend definierte Kernthemen nur zum Teil für diese Arbeit relevant. Im Gegensatz zur umfassenden Unternehmensbewertung beispielsweise im Rahmen von Mergers & Acquisitions weisen Gründungsprojekte zum Einen eine naturgemäß begrenzte Analysebasis und zum Anderen einen eingegrenzten Analysebedarf auf. Damit ist die Anwendbarkeit der Ergebnisse dieser Arbeit für die Bewertung bereits etablierter Unternehmen nur bedingt geben bzw. gefordert. Das bedeutet jedoch nicht, dass für eine Bewertung von Unternehmen die verstärkte Einbeziehung von Softfacts, nicht sinnvoll wäre. Im Gegenteil, eine Ausweitung der Analysepraxis auf qualitative Erfolgsfaktoren erlaubt nachvollziehbarere Werturteile und konkretere Planungen, als über rein quantitative Verfahren. Seite 8 3.1 Definitionen | Begriffsklärungen Diese Arbeit umfasst im Kern die drei Themen • Unternehmensgründung, • Unternehmensfinanzierung und • Unternehmensrating, die in den Kapiteln 4-6 beschrieben werden und die Basis zur Entwicklung des Ratingmodells für Softfacts bilden. Infolge dazu sind auch weitere in der Arbeit verwendete Begriffe näher erläutert. 3.1.1 Unternehmensgründung ab einer Mindestgröße Allgemein befasst sich diese Arbeit mit der Standardisierung eines Softfact-Ratings im Rahmen der Bonitätsprüfung bei Gründungsprojekten. Im Speziellen liegt der Fokus auf Unternehmensneugründungen. Darunter sind Projekte mit neuen oder von der Vergangenheit stark abweichenden Unternehmenskonzepten zu verstehen. Gemeinsame Eigenschaft dieser Projekte ist es, dass kaum Daten für ein übliches Finanzrating bzw. aussagekräftige Branchenvergleiche zur Verfügung stehen. Folgende Gründungstitel sind daher in dieser Arbeit nicht berücksichtigt: • Betriebsnachfolgen oder die Übernahme bestehender Unternehmen auf Basis der bisherigen Geschäftstätigkeit (Fortführung durch Dritte); • Umgründungen, z.B. Änderung der Rechtsform, Verschmelzungen und ähnliches, sofern der Unternehmensgegenstand unverändert bleibt; • Beteiligungsprojekte, die die Gründung des Unternehmens als Rechtskörper zur Finanzierung bzw. Abwicklung von Projekten zum Inhalt haben. Relevant für diese Arbeit ist hingegen jene Art an Neugründungen, die eine Mindestgröße aufweisen. Vorwiegend die Gründung von Unternehmen mit Beschäftigten, aber auch Kapitalgesellschaften lassen einen höheren und damit auch maßgeblich von außen finanzierten Kapitalbedarf vermuten, als die Gründung von klassischen Ein-Personen-Unternehmen (EPU). Seite 9 3.1.2 Finanzierung von Unternehmensneugründungen Erst durch die Einbindung von Softfacts in die Bonitätsbeurteilung ist ein Rating von Unternehmensneugründungen sinnvoll umzusetzen, hingegen ist die Ratingpraxis für etablierte Unternehmen weitgehend ausgereift und validiert. Aus diesem Grund konzentrieren sich die Literaturanalyse und die eigenen Erhebungen zum Themenkomplex der Unternehmensfinanzierung auf die Finanzierung von Unternehmensneugründungen. Eine Einbeziehung von Aussagen und Analysen zu bereits etablierten Unternehmen in diese Arbeit erfolgte nur dann, wenn eine Relevanz auch für Neugründungsprojekte gegeben war. 3.1.3 Rating von Softfacts in Businessplänen Das Rating zur Bonitätsbeurteilung auf Basis von Finanzdaten (Hardfacts) bei der Vergabe von Krediten ist bei den österreichischen Banken schon heute gut verankert. Die Ausgestaltung der Ratings durch die einzelnen Kreditinstitute unterliegt neben den Richtlinien der OeNB individuellen Kriterien und unterscheidet sich zwischen einzelnen Instituten.4 Tendenziell sind die Bonitätsurteile von Banken jedoch vergleichbar. Obwohl Unternehmensneugründungen ausschließlich anhand von Softfacts bewertet werden können, ist ein Rating von Softfacts in der gängigen Bewertungspraxis nur unzureichend eingebunden. Daher widmet sich diese Arbeit ausschließlich der Beurteilung von Softfacts im Rahmen des Bonitätsratings, auf Hardfacts wird nicht explizit eingegangen. . 3.1.4 Regionale Abgrenzung Zwar besitzen die Ausführungen in der verwendeten Fachliteratur durchaus überregionale Gültigkeit, die inhaltliche Arbeit wurde jedoch stark an die in Österreich geltenden Rahmenbedingungen und gepflogene Praxis angelehnt. 4 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 62ff Seite 10 Die Ergebnisse der Arbeit sind daher nur bedingt in allen Ausprägungen auf andere Länder bzw. Markt- und Rahmenbedingungen zu übertragen. 3.1.5 Begriffsdefinitionen Eigenkapital und Sicherheiten Im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff Eigenkapital und Kreditsicherheiten in unterschiedlicher Bedeutung verwendet. • Eigenkapital Banken: Im Rahmen der Kreditvergabe wird mehrfach auf die Unterlegung des gewährten Kredites mit Eigenkapital verwiesen. Dabei hat die Bank nachzuweisen, dass ein Anteil des gesamten Kreditvolumens durch bankseitiges Eigenkapital abgesichert ist. • Eigenkapital Unternehmen: Das ist jener Anteil vom bilanzierten Gesamtkapital eines Unternehmens, der durch die GesellschafterInnen oder andere Eigenkapital-GeberInnen eingebracht wird. Die errechnete Eigenkapitalquote dient im Rahmen einer Bilanzanalyse als Hinweis auf die Stabilität eines Unternehmens. • Kreditsicherheiten: Als Besicherung von Krediten werden Vermögenswerte oder verwertbare Rechte eingesetzt, die bei einem Ausfall des Kredites die KreditgeberInnen möglichst schadlos halten sollen. 3.1.6 Sonstige Begriffe • Softfacts: in weiterer Folge wird in dieser Arbeit unter dem Begriff Softfacts Bezug auf alle in einem Businessplan nicht in Finanz- und Geschäftsdaten ausgedrückten Abläufe und Planungen genommen. In erster Linie sind das: o Informationen zu UnternehmerInnen und zum Schlüsselpersonal; o Informationen zum Marketing mit dem Fokus auf der strategischen Kombination von Produkten/Leistungen und dem Markt; o Informationen zur Unternehmensorganisation und Finanzierung. Seite 11 Die zentrale Bedeutung von Softfacts für den Unternehmenserfolg bzw. einen Misserfolg wird durch das Schlagwort „Softfacts make Hardfacts“ 5 verdeutlicht. • Hardfacts: im Zusammenhang mit der Bonitätsprüfung im Rahmen von Kreditvergaben umfassen die in weiterer Folge genannten Hardfacts vor allem reale Finanz- und Leistungskennzahlen (aus Bilanzen, GuV, Kostenrechnungsunterlagen, …) bzw. darauf aufbauende Plandaten. In dieser Arbeit werden im Gegensatz zur banküblichen Ratingpraxis auch Finanz-Auskunftsdaten zur privaten Schulden- und Vermögenssituation der GründerInnen als Hardfacts definiert. • Plausibilitäten der Businessplanungen: Die Planung des künftigen Geschäftsverlaufes ist bei Unternehmensneugründungen nicht auf Basis von Ist-Daten möglich. Daher kommt der Einschätzung der künftigen Geschäftsverläufe eine große Bedeutung zu. Für die Einbindung dieser Daten in einem Ratingverfahren ist eine Überprüfung der Plandaten bzw. der unterstellten Geschäftsverläufe auf ihre Plausibilität unerlässlich. 3.2 Aufbau der Arbeit Nach einer detaillierten Beschreibung der Aufgaben- und Problemstellung (Kapitel 2, 3) ist ein großer Teil der Arbeit der theoretischen und praxisbezogenen Aufarbeitung der in ein Softfact-Rating einzubeziehenden Kernbereiche gewidmet (Kapitel 4-6). Im Kapitel 7 werden die methodischen Ansätze für ein Softfact-Rating herausgearbeitet, die im Kapitel 8 auf mögliche Analyse- und Beurteilungsinstrumentarien für die drei Rating-Hauptkategorien verdichtet werden. Das Kapitel 9 fasst die einzelnen Ratings zu einem Gesamtrating zusammen und beschreibt die Möglichkeiten, dieses Gesamtrating in eine übergreifende Beurteilung des Unternehmens in Kombination mit einem Rating der Hardfacts einzubinden. 5 Vgl. < Bauer, U.: http://www.hill-international.com/Soft-Facts-drive-Hard-Facts.4113.0.html > (12.9.2013): online Seite 12 Die kritische Reflexion auf die Ergebnisse dieser Arbeit und ein Ausblick auf einen künftigen Einsatz der aufgezeigten Ratingansätze für Softfacts in einem Businessplan runden diese Arbeit ab (Kapitel 10). Abbildung 1: Aufbau der Arbeit 4. Unternehmensgründungen Die Gründungsphase eines Unternehmens, speziell die Aufbauphase vor dem Markteintritt, ist geprägt von emotionalen Überlegungen, als deren Ergebnis die GründerInnen die Entscheidung zur Selbstständigkeit und zur wirtschaftlichen Eigenverantwortung inkl. der Übernahme aller unternehmerischen Risiken treffen. Erst danach folgt die Strukturierung der Gründungsidee in Form strategischer, organisatorischer und betriebswirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Dabei wird in Erfolgsfaktoren für Innovation unterschieden, die in der Literatur auch als relevante Erfolgsfaktoren für UnternehmensgründerInnen identifiziert wurden:6 • Humankapital = Wissen, Kompetenz, Integration; • Drang nach Freiräumen, Unabhängigkeit und Selbstständigkeit; 6 Vgl. Lechner et al (2010): 220 Seite 13 • Hingabe an die Sachaufgabe; • als Bereitschaft zum Unternehmertum wird die Verbindung des Strebens nach Unabhängigkeit auf Basis der gewählten Sachaufgabe bezeichnet. Trotzdem die Fachliteratur Werte wie Innovation und Unternehmertum als entscheidende Faktoren für erfolgreiche Unternehmensgründungen benennt, werden diese in der Rating-Praxis eher nachrangig behandelt. Speziell bei der Vergabe von Krediten an GründerInnen spielen diese Faktoren eine nur untergeordnete Rolle. 4.1 Theoretische Grundlagen zu Unternehmensgründungen Die Gründung, also der Eintritt von Unternehmen in den Markt ist ebenso wie das Ausscheiden fester Bestandteil marktwirtschaftlicher Prozesse. Sie sichert eine Erneuerung und Innovation innerhalb sich stets verändernder Wettbewerbsstrukturen und erschließt Potenziale für Marktwachstum und Marktveränderung. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht stellt sich u.a. die Frage, welchen Beitrag Unternehmensgründungen zur Lösung von Problemen am Arbeitsmarkt leisten können und führt zu der Annahme, dass in Zukunft die Arbeitswelt wesentlich mehr auf dem Prinzip der Selbstständigkeit aufbauen wird.7 Aus arbeitsmarktpolitischen Aspekten leitet sich daraus die Forderung zur Schaffung einer für Unternehmen freundlicheren wirtschaftlichen Grundhaltung ab. Aus einzelwirtschaftlicher Sicht stellt eine Unternehmensgründung die Schaffung einer geeigneten Organisationsstruktur für ein Überleben am Markt dar. Mit der Gründung werden sowohl organisatorisch, als auch materiell die geeigneten Voraussetzungen für den Eintritt in den Markt und eine nachfolgende Phase der Wertschöpfung geschaffen. Die erforderlichen Maßnahmen zur Unternehmensgründung umfassen:8 • eine Auseinandersetzung der GründerInnen mit dem Gesamtprojekt, von der Entwicklung der Unternehmensvision bis hin zu Beschreibung der Potenziale, Risiken und Chancen nach einem Markteintritt; 7 8 Vgl. Lechner et al (2010): 219f Vgl. Lechner et al (2010): 221 Seite 14 • die Planung der Unternehmensorganisation und die Formulierung der betrieblichen Funktionen; • die Ermittlung des Investitionsvolumens und der benötigten Anstoßfinanzierung, die Definition der Finanzierungsmöglichkeiten inkl. möglicher Förderungen und die erstmalige Ausstattung des Unternehmens mit Kapital, Personal und Anlage- bzw. Umlaufvermögen; • den Aufbau der inneren und äußeren Organisation – von der Rechtsform bis zur Standortwahl; • die Beurteilung der steuerlichen Aspekte. Als zentrales Instrument für die umfassende Präsentation des zu gründenden Unternehmens und seiner Leistungen bzw. für die Beurteilung und die Steuerung der künftigen Geschäftstätigkeit dient der Businessplan. Businesspläne sollen u.a. das Vertrauen vermitteln, dass künftige UnternehmerInnen in der Lage sind, reale Unternehmen aufzubauen und damit im Wettbewerb zu reüssieren. Im Gegensatz zur Darstellung eines Unternehmens durch Kennzahlen (Hardfacts), liegt das Augenmerk bei Businessplänen vorwiegend auf der Veranschaulichung von zukünftigen Entwicklungen auf Basis von Softfacts. Eingesetzt werden Businesspläne, nicht nur bei Gründungsprojekten, zur • Darstellung von Potenzialen und Formulierung von Zielen; • Vorlage bei KapitalgeberInnen und ÜbernehmerInnen von Haftungen; • Einreichung von Förderanträgen; • Bewertung im Rahmen von Übernahmen, Fusionen, Expansionen etc.9 Der Businessplan sollte in der Regel von der gründenden Person selbst und nur bei Bedarf unter Zuhilfenahme von ExpertInnen geschrieben werden.10 Zu beachten ist dabei, dass bereits bei der Erstellung des Businessplans fehlendes unternehmerisches Knowhow bis zur seiner Umsetzung aufgeholt oder zumindest zugekauft werden sollte. Immerhin ist fehlendes Knowhow im Rahmen einer Beurteilung von Softfacts im Businessplan ein negativer Aspekt. 9 Vgl. Gumpetsberger, A. (2010): 201 Vgl. Leimüller, G. (2012): 85 10 Seite 15 Aufbau eines Businessplans im Überblick:11 • Executive Summary (kurze Darstellung der Gesamtsituation) • Das Unternehmen (von der Vision zur Aufbau- und Ablauforganisation) • Produkt oder Dienstleistung (Womit soll auf dem Markt reüssiert werden?) • Branche und Markt (Volumina, Wettbewerb, Zielgruppe, Usancen, …) • Vermarktung (Kommunikation, Absatzstrategien, …) • Finanzbedarf inkl. Planrechnungen (Investitionen, Planbilanzen, …) • GründerInnen, Management, Schlüsselpersonen (Humankapital) • Chancen und Risiken (Planung und Bewertung) • Umsetzungsplanung / Meilensteine 4.2 Unternehmensgründungen in der Praxis Zu Unternehmensgründungen gibt es in Österreich zahlreiche Beratungsangebote, die sich für ambitionierte GründerInnen als nützlich erweisen. Die tatsächliche Umsetzung der guten Ratschläge und erprobten Konzepte verbleibt jedoch im Verantwortungsbereich der GründerInnen selbst. Auch wenn nicht jedes Gründungsprojekt einen Businessplan benötigt, so wirkt sich sein Fehlen oft als entscheidender Faktor bei einem Scheitern einer Unternehmensgründung aus. 4.2.1 Überblick über den GründerInnen-Markt Unternehmensgründungen stellen allgemein, vor allem aber in der regionalen Wirtschaft, einen wichtigen Innovations- und Wachstumsindikator dar. Die im Rahmen der öffentlichen Berichterstattung dazu kolportierten Statistiken weisen jedoch unterschiedliche Werte auf und sind nur schwer miteinander vergleichbar. Daher sind die in diesem Kapitel verwendeten statistischen Daten lediglich als Richtwerte und Trendaussagen zu verstehen. 11 Vgl. Seidler G. (2012): 98f Seite 16 Zahlen zur Gründungsstatistik12 Die Bundesanstalt Statistik Österreich weist für das Jahr 2011 einen Wert von insgesamt 24.103 Neugründungen von Unternehmen mit wirtschaftlicher Relevanz aus (ohne die Gruppe „Beteiligungsgesellschaften“). Die wirtschaftliche Relevanz begründet sich in einem Umsatz im Gründungsjahr von mindestens € 10.000,und/oder durch die Anstellung von mindestens einem/einer Beschäftigten. Damit setzt sich auch 2011 der negative Trend bei Unternehmensgründungen fort und weist mit dem aktuellen Wert gegenüber 2005 einen Rückgang von 15% aus. Verteilt auf Branchen waren die meisten Unternehmensgründungen 2011 im Bereich Handel zu verzeichnen (ca. 20% aller Gründungen), gefolgt vom Dienstleistungsgewerbe (18%) und der Gastronomie/Beherbergung (14%). Abbildung 2: Statistik Austria Gründungsstatistik 13 Rund 68% der Unternehmensgründungen erfolgten als Ein-Personen-Unternehmen (EPU), jeweils rund 16% entfielen auf Kapital- bzw. Personengesellschaften. Dabei 12 Vgl. < http://www.statistik.at/web_de/statistiken/unternehmen_arbeitsstaetten/ unternehmensdemografie_insgesamt/neugruendungen/index.html > (12.9.2013): online 13 Vgl. < http://www.statistik.at/web_de/statistiken/unternehmen_arbeitsstaetten/ unternehmensdemografie_insgesamt/neugruendungen/index.html > (12.9.2013): online Seite 17 war bereits 2011 ein starker Zuwachs an Gründungen von Kapitalgesellschaften im Vergleich zu anderen Rechtsformen festzustellen. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend durch die Senkung des Mindestkapitals für Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Österreich von € 35.000,- auf € 10.000,- weiter verstärken wird. Die Zählungen der Wirtschaftskammer Österreichs umfassen im Gegensatz zu jener der Statistik Austria alle Unternehmensgründungen inkl. jener von Einzel- und Kleinstunternehmen, ungeachtet von Umsätzen und Personalstand. Die Gesamtzahl der Gründungen in allen Branchen und Umsatzklassen lag dabei 2011 bei rund 35.100 Unternehmen – 86% davon waren Einzelunternehmen.14 Kapitalausstattung KMU » Gründungsprojekte Die Eigenkapitalquote in den Bilanzen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) betrug laut KMU-Forschung im Zeitraum 2010/11 insgesamt 28,5%, wobei Kleinstunternehmen mit rund 20% Eigenkapital zu 4/5 über Fremdkapital finanziert werden.15 Gesetzt die Annahme, dass bei erfolgreicher Marktdurchdringung durch die Tilgung von Krediten und einem steigenden Anteil an Innenfinanzierung die Eigenkapitalquote im Unternehmen steigt, liegt der Schluss nahe, dass bereits bei Gründung eines Unternehmens nur ein geringer Finanzierungsanteil als Eigenkapital in der Bilanz aufscheint. 4.2.2 Scheitern von Gründungsprojekten In einem Vergleich von Unternehmensneugründungen zu Insolvenzen von GründerInnenprojekten durch den KSV von 1870 standen im Jahr 2010 den 37.125 Gründungen (alle Rechtsformen) 6.376 Insolvenzen gegenüber. Dabei stammten 42% aller Insolvenzen aus Gründungen, die nicht länger als 5 Jahre zurücklagen. Als häufigste Gründe für das Scheitern von JungunternehmerInnen hat der KSV von 1870 folgende identifiziert (Auszug): 16 • mangelnde Analyse von Markt und Mitbewerbern; 14 Vgl. Oschischnig, U. (2012): 94 Vgl. < http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120917_OTS0090/ heimische-kmu-schaffen-eigenkapital-bild > (12.9.2013): online 16 Vgl. < http://www.ksv.at/KSV/1870/de/5presse/3statistiken/3gruendungen/ 201109/gruenderpyramiede2010/1316510516278_110920_KSV1870_PA_ Unternehmenspyramide.pdf > (12.9.2013): online 15 Seite 18 • zu geringe kaufmännische Kenntnisse; • unterschätzte Startkosten - zu geringes Startkapital; • keine gesicherte Finanzierung; • zu rasches Wachstum; • Umsatz- statt Ertragsorientierung - zu hohe Privatentnahmen; • fehlendes (gutes) Unternehmenskonzept (Businessplan). In einer Erhebung bei drei österreichischen Banken (vgl. Anhang) wurden die meisten vom KSV 1870 genannten Gründe für eine Insolvenz auch als jene Gründe genannt, die für eine Ablehnung eines Kreditantrages ausschlaggebend waren. In einer Übersicht zu Gründen für eine Insolvenz von Unternehmen (nicht nur Gründungsprojekte), identifiziert der KSV von 1870 für 2011 überwiegend Ungereimtheiten im Rahmen von Softfacts als Insolvenzursache. Fehler und Verlustquellen im innerbetrieblichen Bereich, fehlende Planung, fehlender unternehmerischer Weitblick, fehlendes Knowhow etc. sind die häufigste Ursache für ein Scheitern (53%). Fahrlässigkeit (u.a. fehlende Branchenkenntnis und ungenügende Kenntnis des praktischen Wirtschaftslebens) wird mit 11% als Insolvenzursache ebenso oft genannt, wie Kapitalmangel.17 Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat in einer Studie 2010 zum Thema „Ursachen für das Scheitern junger UnternehmerInnen in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens“ festgestellt, dass neben Fehlern bei strategischen Entscheidungen auch eine Unterkapitalisierung bereits zu Beginn der Geschäftstätigkeit einen bedeutenden Grund für einen Marktaustritt darstellt. Das bedeutet, dass die zu geringe Anfangsfinanzierung aus der gängigen Kreditvergabepraxis der Banken resultiert, die die Höhe der gewährten Kredite an das Volumen der gebotenen Sicherheiten binden und nicht an die Chancen, die sich aus der neu gegründeten Geschäftstätigkeit eröffnen. 18 17 Vgl. < http://www.ksv.at/KSV/1870/de/5presse/2medienarchiv/0pressemeldungen/201205/insolvenzursachen_2011/index.html > (12.9.2013): online 18 Vgl. Egeln et al (2010): VIII Seite 19 Hier liegt der Schluss nahe, dass die Orientierung der Kreditvergabeentscheidung seitens der Banken an der Minimierung des Ausfallsrisikos dieses durch eine Minderdotierung des Gründungsprojektes indirekt sogar erhöht. 4.2.3 Die Gründungspraxis In Österreich steht den GründerInnen ein dichtes Netz an Information und Beratung seitens öffentlicher und wirtschaftsorientierter Institutionen wie dem Bund, den Ländern und Gemeinden, die Wirtschaftskammer Österreich, Gründungsberatungen etc. im Rahmen der Unternehmensgründung zur Verfügung.19 Im internationalen Vergleich wird u.a. die hohe Qualität der Betreuung von Gründungsprojekten durch die Beratungsszene daran gemessen, dass in Österreich eine signifikant höhere Überlebensrate an Gründungsprojekten nach zwei Jahren als in Deutschland verzeichnet wird.20 Der formale Ablauf der Gründung umfasst in Österreich je nach zu gründender Rechtsform 7 bis 11 Schritte:21 Gründungsschritt EZU *) OG/KG GmbH Gründungs-, Finanzierungs- und Rechtsberatung X X X Erklären der Neugründung bzw. Betriebsübergabe X X X X X Gesellschaftsvertrag Gesellschafterbeschluss X Bankbestätigung X Firmenbucheingabe / Antrag auf Eintragung X X Gewerbeanmeldung X X X Gebietskrankenkasse X X X Gewerbliche Sozialversicherung X X X Finanzamt X X X Gemeinde / Stadt X X X *) EZU = Einzelunternehmen | Tabelle 1: Schritte zur Unternehmensgründung 19 Vgl. Lechner, K. 2010: 221 Vgl. Lechner, K. 2010: 221 21 Vgl. Seidler, G. 2012: 102ff 20 Seite 20 Der Businessplan in der Praxis. Der Businessplan gilt als Schlüsseldokument im Rahmen einer Unternehmensgründung. Zu seinen Aufgaben zählt u.a. die Darstellung der betrieblichen Situation bzw. der Planungen zur Festlegung des Finanzbedarfes im Rahmen der Gründung und den nachfolgenden Phasen. Dabei ist es die Aufgabe der GründerInnen, mangels IST-Daten realistische und in ihrer Bandbreite plausible Geschäftsszenarien zu entwerfen und möglichen KapitalgeberInnen gegenüber darzustellen. Laut der Erhebungen im Rahmen dieser Arbeit hält sich jedoch das Vertrauen der Banken in selbstständig erarbeitete Businessplanungen in Grenzen. Die wichtigsten Kritikpunkte richten sich darin auf folgende Details (vgl. Anhang): • Es werden bei einem Kreditantrag nicht immer vollständig ausgearbeitete Businesspläne vorgelegt. • Die vorgelegten Planzahlen, insbesondere jene zur künftigen Kosten- und Ertragssituation, sind zu euphorisch. • Es fehlt schlichtweg an Knowhow zur: Kalkulation marktgerechter Preise, Schätzung von Auslastungen, Festlegung des Investitionsbedarfs, Bemessung der UnternehmerInnen-Entlohnung, Definition von Zielgruppen, Schätzungen von Umsätzen und Kosten. • Es kann oft der Nutzen der Geschäftsidee für potenzielle Kunden nicht herausgearbeitet werden, es fehlt der USP. • Es braucht mehr unternehmerisches Handwerkszeug, beispielsweise eine ordentliche Buchhaltung, ein Controlling, eine gute Planung, etc. • Es gibt keine UnternehmerInnentypen mehr - es gibt zu viele GoldgräberInnen und zu wenige VisionärInnen. • Es fehlt an Innovation, zu viele Gründungsprojekte sind „me too“ Angebote. • Die UnternehmerInnen überschätzen sich - viel zu viele Geschäftsmodelle sind auf die GründerInnen fokussiert. Anstatt operative Tätigkeiten zu übertragen und sich der Unternehmensführung zu widmen, sehen sich die GründerInnen als „erste SchrauberInnen im Betrieb“. Seite 21 • Kreative Geschäftsideen ja, Kreativität bei der Vermarktung der Idee nein.“ Angesichts dieser Kritikpunkte werden Businesspläne oft nur dazu herangezogen, sich ein grundlegendes Bild von der Gründungsidee, vom aktuellen Stand der Vorbereitungen und vom gedanklichen Zugang der AutoInnen des Businessplans zum jeweiligen Projekt zu machen. Businesspläne helfen vorwiegend dabei, mit einer Bank in ein Finanzierungsgespräch zu kommen. Relevant für eine Finanzierungszusage bzw. für die Bemessung von Sicherheiten, die Übernahme von Risiko durch die Bank und letztendlich die Berechnung der Kreditzinsen sind sie in den seltensten Fällen. Sonderfall hochinnovative und Technologie-Gründungen. Hochinnovative und/oder Technologie-Gründungen zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass mit dem der Geschäftsidee zugrunde liegenden Produkt oder Verfahren tatsächlich unternehmerisches Neuland betreten wird. Oft handelt es sich um Entwicklungen im Bereich der Medizin, Informationstechnologie, chemischen Industrie, Verfahrenstechnik, etc., die lange vor einer Unternehmensgründung gezielt gefördert und professionell begleitet werden müssen. Zu berücksichtigen sind dabei: • hoher, kostenintensiver Forschungs- und Entwicklungsaufwand und lange „Time to Market“ Phase ohne Erlösaussichten; • hohes Ausfallsrisiko; • oft fehlende Erfahrungswerte und Benchmarks; • hohe Gewinnaussicht im Falle eines Markterfolges. Derartige Projekte werden nur in seltenen Fällen über einen klassischen Bankkredit finanziert. Weder GründerInnen, noch Banken sehen sich in der Lage, das hohe Risiko einzugehen und die lange Zeitspanne zwischen dem kapitalintensiven Projektauftakt und einer Erlösphase zu finanzieren. Seite 22 4.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensgründung Aus der vorangegangenen Analyse der Fakten und Einschätzungen zur Gründung von Unternehmen sind folgende Ansätze in das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Bonitätsrating anhand von Softfacts zu übernehmen: • Zielprojekte für ein Bonitätsrating anhand von Softfacts sind im Rahmen dieser Arbeit ausschließlich Neugründungen von Unternehmen. • Basis für das Bonitätsrating anhand von Softfacts ist der Businessplan. • Die bonitätsrelevante Beurteilung des Gründungsprojektes erfolgt über die qualitativen Leistungsaspekte im Businessplan und die Überprüfung der Plausibilität der Geschäftsszenarien bzw. die Relativierung von Plandaten. • Zielgruppe für ein Rating anhand von Softfacts sind neben Banken auch andere Partner im Rahmen einer Gründungsfinanzierung. • Wichtigster Effekt eines Ratings anhand von Softfacts ist das Schaffen von Vertrauen bei möglichen GeschäftspartnerInnen in das Potenzial einer Geschäftsidee bzw. in die Fähigkeiten des Gründungsteams. • Wichtigstes Ergebnis eines Ratings von Softfacts ist das Schaffen von Fakten zu unklaren Formulierungen von Stärken und Schwächen im Projekt. 5. Unternehmensfinanzierung „Der Begriff Finanzierung beschäftigt sich im engeren Sinn mit der Frage der Beschaffung von ausreichend Kapital. Damit soll der unternehmerische Investitionsund Leistungsprozess finanziell ermöglicht werden.“22 Die Kernfragen der Finanzierung orientieren sich dabei am Kapitalbedarf des Unternehmens, den zur Verfügung stehenden Finanzierungsarten und letztendlich an den Kapitalkosten (z.B. Zinsen) bzw. den Finanzierungsmodalitäten (z.B. Tilgung). 22 Eisl et al (2008): 653 Seite 23 5.1 Theoretische Grundlagen zur Unternehmensfinanzierung 5.1.1 Übersicht Finanzierungsarten Die am weitesten verbreitete Unterscheidung von Kapital erfolgt über den Bilanzierungsansatz nach seiner Herkunft in Eigenkapital und Fremdkapital. Ergänzt wird diese Unterscheidung durch die Mezzanin-Finanzierung als Kapital-Mischform. In Bezug auf die Finanzierungsquelle unterscheidet man die Begriffe Innenfinanzierung und Außenfinanzierung: • Die Innenfinanzierung erfolgt aus dem Unternehmen selbst, wie beispielsweise durch nicht ausgeschüttete Gewinne, Rückstellungen etc. • Die Außenfinanzierung umfasst zufließendes Kapital, z.B. durch die EigentümerInnen selbst, Kredit- oder Venture Capital-GeberInnen etc. Die Anstoßfinanzierung von Unternehmensneugründungen erfolgt, da eine Innenfinanzierung eine aufrechte Geschäftstätigkeit voraussetzt, ausschließlich über die Außenfinanzierung durch Eigen- oder Fremdkapital. Abbildung 3: „Grundformen der Finanzierung – Finanzierungsmatrix“ 23 23 Eisl et al (2008): 655 Seite 24 Eine wichtige ausgewogenen Frage bei Verhältnis Unternehmensbilanz. Die der Unternehmensfinanzierung zwischen goldene Eigen- und Finanzierungsregel stellt Fremdkapital besagt, sich zum in der langfristiges Anlagevermögen möglichst durch Eigenkapital oder langfristiges Fremdkapital zu finanzieren und auch die Dauer der Kapitalüberlassung (z.B. Kreditlaufzeit) mit der Nutzungsdauer des Anlagegutes abzustimmen.24 Die Vorteile eines möglichst hohen Anteils an Eigenkapitalfinanzierung liegen in • der verbesserten Liquidität durch fehlende Tilgungsverpflichtungen und fehlende Kapitalkosten in Form von Fremdkapitalzinsen; • der nicht erforderlichen Belehnung von teils privaten Vermögensteilen zur Besicherung von Krediten; • der weitgehenden Unabhängigkeit bei Unternehmensentscheidungen, entfallen doch Möglichkeiten der Einflussnahme durch die GläubigerInnen. Der Vorteil von Fremdkapital liegt zum überwiegenden Teil in seiner Verfügbarkeit, wenn für den aktuellen Kapitalbedarf kein Eigenkapital vorhanden oder frei ist. Beteiligungs- und Risikokapital z.B. von Venture Capital-GeberInnen zählen bilanziell zum Eigenkapital des Unternehmens. Derartige Finanzierungsformen weisen oft die genannten Vorteile der Eigenkapital-Finanzierung nicht auf. Positive Aspekte von Beteiligungs- und Risikokapital sind in der Regel die Vergabe auch an investitionsintensive Gründungsprojekte und das oft eingebrachte Knowhow seitens der KapitalgeberInnen (z.B. Business Angels). 5.1.2 Übersicht Kapitalaufbringung Finanzierung durch EigentümerInnen: diese stellen dem Unternehmen dauerhaft Kapital zur Verfügung und übernehmen das unternehmerische Risiko. Dafür erwarten sie eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals und fallweise, sofern nicht selbst im operativen Management eingebunden, Einfluss auf die Unternehmensführung.25 24 25 Vgl. Eisl et al (2008): 684 Vgl. Dillerup, R. / Stoi, R. (2011): 85 Seite 25 EigentümerInnen können sein: • EinzelunternehmerInnen • GesellschafterInnen in Personen- oder Kapitalgesellschaften • Stille GesellschafterInnen (ohne Mitspracherechte) • AktionärInnen Klassisches Fremdkapital: GeberInnen von Fremdkapital haben in der Regel die Rückzahlung des gewährten Kapitals vereinbart und erhalten darauf eine entsprechende Verzinsung inkl. Risikoabgeltung. Sie haben je nach vertraglicher Vereinbarung Rechte im Unternehmen (z.B. aus der Besicherung eines Kredites). FremdkapitalgeberInnen können sein: • Kreditinstitute oder private/gewerbliche/institutionelle DarlehensgeberInnen • LieferantInnen (z.B. durch Stundung) • KundInnen und AbnehmerInnen (z.B. durch Vorauszahlung) • ZeichnerInnen von Unternehmensanleihen Private Equity Investments: Dabei handelt es sich um Unternehmensbeteiligungen als Veranlagung von Risikokapital mit dem Ziel, an den laufenden Renditechancen eines Unternehmens teilzuhaben und/oder über einen späteren Verkauf von Unternehmensanteilen möglichst hohe Gewinne zu erzielen (Exit Strategie).26 GeberInnen von Private Equity sind: • Business Angels: Das sind meist erfahrene UnternehmerInnen, die sich im Rahmen von Unternehmensgründungen finanziell in Form von Eigenkapital beteiligen und gleichzeitig die ExistenzgründerInnen mit Knowhow und Kontakten unterstützen.27 • Venture-Capital umschreibt Risiko- oder Wagniskapital als außerbörsliches Beteiligungskapital an als besonders riskant geltenden Unternehmungen.28 Das hohe Risiko derartiger Finanzierungen liegt darin, dass das finanzierte Unternehmen zum frühen Zeitpunkt der Investition noch keine Gewinne 26 Vgl. De Micco, L. (2011): 23f Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Business_Angel > (12.9.2013): online 28 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Risikokapital > (12.9.2013): online 27 Seite 26 erwirtschaftet. Der Einstieg ist zwar noch günstig, die Renditen im Erfolgsfall sind hingegen überdurchschnittlich. Der Exit von Venture-Capital-GeberInnen erfolgt oft über einen Börsengang bzw. Merger-Transaktionen.29 • Mezzanin-Kapital ist bilanziell ausgewiesenes Eigenkapital, das in Form eines nachrangigen Darlehens seitens der GeberInnen dem Betrieb zugeführt wird. Dadurch bleibt das Kapital steuerlich abzugsfähig.30 • Weitere Formen von Private Equity sind Buy-Out Investitionen und Turnaround-Finanzierungen, die vornehmlich auf bestehende Unternehmen im Falle der Übernahme bzw. in Krisensituationen angewendet werden.31 Übernahme von Kosten und Risiken spielen sowohl direkt als auch indirekt bei der Finanzierung von Unternehmensgründungen eine bedeutende Rolle. • Die Kreditbürgschaft ist die am meisten verbreitete Form eines indirekten Beitrages zur Finanzierung einer Unternehmensneugründung meist durch private PartnerInnen der Gründungspersonen. • Förderinstitutionen unterstützen UnternehmensgründerInnen in der Regel durch Darlehen oder Zuschüsse zum Eigenkapital oder durch die Übernahme von Haftungen gegenüber Banken im Falle eines Kreditausfalls. Die wichtigsten Förderinstitutionen und Projekte in Österreich sind in der Förderdatenbank der Wirtschaftskammer Österreich aufgelistet.32 Schwarmfinanzierungen (Crowdfunding) bezeichnet die Finanzierung von Projekten durch eine Vielzahl von KapitalgeberInnen im Rahmen einer breit angelegten Finanzierungsaktion. Derartige Aktionen werden meist im Internet und über kleinere Beiträge abgewickelt. Im Rahmen von Unternehmensgründungen hat sich der Begriff „Crowdinvesting“ oder „Equity Based Crowdfunding“33 für kapitalintensive Startup-Projekte mit dem Recht auf eine spätere Gewinnbeteiligung oder die Veräußerung der Geschäftsanteile etabliert. 29 Vgl. De Micco, L. (2011): 29ff Vgl. De Micco, L. (2011): 32f 31 Vgl. De Micco, L. (2011): 33ff 32 Vgl. < http://portal.wko.at/wk/foe_suche.wk? > (12.9.2013): online 33 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Crowdfunding > (12.9.2013): online 30 Seite 27 5.1.3 Finanzierung im Unternehmenslebenszyklus Die Schwerpunkte im Rahmen der Unternehmensfinanzierung in Bezug auf den Kapitalbedarf und das mögliche Repertoire der Finanzierung, unterscheiden sich zwischen den Phasen eines Unternehmenslebenszyklus. Dabei wird in insgesamt fünf Phasen unterschieden: 34 • Gründung: Phase vor der Aufnahme der eigentlichen Geschäftstätigkeit • Startup: Phase des Markteintrittes • Überleben: Entscheidung, ob das Unternehmen in der Lage ist sich wie geplant am Markt zu etablieren. • Wachstum: Phase hoher Umsätze bei sich verbessernden Ertragsstrukturen. • Reife: Nachlassen des Wachstums und Sinken des Investitionsbedarfs. Abbildung 4: „Finanzierung im Unternehmenslebenszyklus“ 35 34 35 Vgl. Eisl et al (2008): 661f Eisl et al (2008): 662 Seite 28 Speziell in und nach der Gründungsphase erfordert die Finanzierung des Unternehmenswachstums und die mittelfristige Sicherung der Liquidität oft die Aufnahme von Fremdkapital bzw. die Einbindung von Investoren. 5.1.4 Besicherung von Krediten Zur Besicherung von Krediten werden Personen- und Sachsicherheiten eingesetzt. Im Rahmen von Personensicherheiten verpflichten sich eine oder mehrere dritte Personen für die Schuld der KreditnehmerInnen einzustehen. Die KreditgeberInnen gewinnen dadurch Zugriff auf schuldnerfremdes Vermögen, sie vergrößern damit die Haftungsmasse.36 Personensicherheiten sind beispielsweise: • Bürgschaften (Ausfallsbürgschaft, Solidarbürgschaft, …); • Haftungserklärungen (z.B. durch öffentliche Fördereinrichtungen). Sachsicherheiten haben zum Ziel, bestimmte Wirtschaftsgüter (Sicherungsgüter) der KreditschuldnerInnen oder anderer SicherungsgeberInnen dem alleinigen Zugriff der KreditgeberInnen zu unterstellen und andere GläubigerInnen der SicherungsgeberInnen von der Zugriffsmöglichkeit auszuschließen.37 Sachsicherheiten sind beispielsweise: • Pfandrechte auf Hypotheken (z.B. Immobilien), Faustpfandgüter (z.B. Warenlager, Kfz und andere bewegliche Güter), Wertpapiere • Abtretungen von Eigentum (Vorbehalt) und Forderungen (Zessionen). Kriterien für die Akzeptanz von Kreditsicherheiten seitens der Banken sind u.a. eine geringe Wertschwankung, eine schnelle Liquidisierbarkeit, keine Korrelation mit der wirtschaftlichen Lage der KreditnehmerInnen und Insolvenzfestigkeit.38 36 Vgl. < http://www.daswirtschaftslexikon.com/d/kreditsicherheiten/ kreditsicherheiten.htm > (12.9.2013): online 37 Vgl. < http://www.daswirtschaftslexikon.com/d/kreditsicherheiten/ kreditsicherheiten.htm > ebenda 38 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Kreditsicherung > (12.9.2013): online Seite 29 5.2 Basel II und Basel III Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht mit Sitz an der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich wurde 1974 zu dem Zweck gegründet, in Kooperation mit den nationalen Bankenaufsichten der weltweit führenden Wirtschaftsnationen möglichst einheitliche Standards in der Bankenaufsicht zu erarbeiten. In den vergangenen Jahren hat der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht unter dem Eindruck der großen Finanz- und Bankenkrisen des neuen Jahrtausends neue, verschärfte Regeln zur Sicherung der Stabilität und Krisenresistenz des Bankensektors entworfen. Aufbauend auf die Bestimmungen von Basel I aus 1988/96 mit ersten Richtlinien zur Kreditvergabepraxis der Banken folgte 2004-2007 das verbindliche Regelwerk Basel II. Ziele von Basel II sind, wie schon bei Basel I, die Sicherung einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung von Wettbewerbsbedingungen Instituten und sowohl für die die Schaffung Kreditvergabe als einheitlicher auch für den Kredithandel. Hauptziel der Änderungen von Basel II gegenüber Basel I ist es, die staatlich verlangten regulatorischen Eigenkapitalanforderungen stärker am tatsächlichen Risiko auszurichten und damit dem ermittelten Eigenkapitalbedarf anzunähern.39 5.2.1 Regeln und Auswirkungen von Basel II Grundsätzlich zwingen die drei Säulen von Basel II die Banken zu einer selbstkritischeren Position in Bezug auf die Vergabepraxis von Krediten und in Folge auf die Sicherung einer ausreichenden Eigenkapitalbasis. Die drei Säulen sind:40 • Mindestkapitalanforderungen/Liquiditätsvorschriften für Banken; • bankenaufsichtlicher Überprüfungsprozess; • erweiterte Offenlegung / Marktdisziplin. Vor allem die Mindestkapitalanforderungen und Liquiditätsvorschriften für die Banken wirken sich entscheidend bei der Vergabe von Krediten an Unternehmen aus:41 39 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_II > (12.9.2013): online Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_II > ebenda 41 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_II > ebenda 40 Seite 30 • Zur Senkung des Kreditausfallrisikos zwingt Basel II die Banken zu einer Eigenkapitalunterlegung jedes Kredites und zur Feststellung des jeweiligen Kreditrisikos durch ein Rating des kreditwerbenden Unternehmens. • Im Rahmen dieser Feststellung der Bonität der KreditwerberInnen über ein standardisiertes oder ein internes Rating werden Risikoaufschläge auf die Verzinsung des Kredites ermittelt. • Die Vergabepraxen der Banken orientieren sich an der Minimierung des Ausfallrisikos eines Kredites u.a. durch eine möglichst hohe Besicherung und/oder einem Beitrag der KundInnen zur „Risikovorsorge“ in Form eines Risikoaufschlages auf die Kreditzinsen. Als Reaktion auf die, bei Einführung von Basel II geäußerten Befürchtung, dass die Finanzierungsbedingungen von KMU unter den neuen Regeln leiden würden, wurden spezielle Erleichterungen für KMU-Kredite gewährt:42 • So werden Kredite unterhalb einer 1 Mio.-Euro-Grenze statt dem Unternehmens- dem Retail- oder Privatkundensegment zugeordnet; • Eine solche Zuordnung resultiert in niedrigeren Risikogewichten und damit einer niedrigeren Unterlegungserfordernis für Retail-/Privatkredite; • Aktuell ist für Unternehmenskredite eine Mindest-Eigenkapitalunterlegung von 8% des Kreditvolumens vorgeschrieben. Für Privatkredite (bzw. KMUKredite < 1 Mio. EURO) führt eine Risikogewichtung von 75% zu einer Unterlegung in Höhe von 6% des Kreditvolumens. Die bankenaufsichtliche Überprüfung zielt auf die Sicherstellung der bankinternen Fähigkeiten und Instrumente ab, die Ziele von Basel II umsetzen bzw. die geforderten Kriterien erfüllen zu können. Die geforderte erweiterte Offenlegung / Marktdisziplin sichert die Transparenz der Banken bzw. ihres Risikoverhaltens gegenüber der Öffentlichkeit, also auch im Wettbewerb und vor den KundInnen. Zwar beziffern die befragten Banken trotz Basel II zusammenfassend das verfügbare Volumen an zu vergebenen Kreditmitteln als ausreichend und verneinen die Existenz einer „Kreditklemme“ (vgl. Anhang). Für einen tatsächlichen Abruf dieser Mittel fehlt es vielen Unternehmen jedoch aufgrund der Basel II-Bestimmungen an Eigenkapital 42 Vgl. Felderer, B. et al (2011): 3 Seite 31 (inklusive privaten Sicherheiten) oder an der Bereitschaft bzw. Fähigkeit hohe Kapitalkosten betriebswirtschaftlich zu tragen. 5.2.2 Ausblick auf Basel III Bereits zum Zeitpunkt der Einführung von Basel II im Jahr 2007 stellte sich das damals neue Regelwerk als nicht weitreichend genug heraus. Die zu diesem Zeitpunkt als eine Subprime-Krise („Immobilienblase“) in den USA ausbrechende Banken- und in Folge weltweite Währungs- und Finanzkrise deckte u.a. frühere Versäumnisse der Bankenbranche in Bezug auf die Eigenkapitalausstattung und die spekulative Vergabepraxis von Krediten auf. Als Reaktion darauf geht ab 2013/14 mit Basel III ein umfassendes Reformpaket für Basel II an den Start. Das Regelwerk von Basel III zielt darauf ab, die Qualität und Quantität des für Kredite zu hinterlegenden Eigenkapitals anzuheben, die Liquidität zu verbessern, sowie die Verschuldungsquote zu reduzieren.43 Die Maßnahmen für die Schaffung einer Balance zwischen einem stabileren Finanzsystem und der Vermeidung einer Kreditverknappung sind:44 • Der Fokus liegt auf dem Kernkapital (dauerhaft verfügbares Eigenkapital); • Verbesserung der Risikodeckung (u.a. auch durch eine Rücknahme der Bedeutung von externen Ratings); • Einziehen einer Verschuldensobergrenze als Ergänzung der seit Basel II geltenden Eigenkapitalstandards; • Neue Regeln zur Risikovorsorge; • Neue grundlegende Prinzipien für das Liquiditätsmanagement der Banken bzw. dessen Überwachung. In diesem Zusammenhang ist auch eine schrittweise Anhebung der MindestEigenkapitalunterlegung von Krediten von zurzeit 8% (für Unternehmen) auf 10,5% bis zum Ende der Basel III-Umstellungsphase mit Ende 2018 geplant. 43 44 Vgl. Felderer, B. (2011): 2 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_III > (12.9.2013): online Seite 32 Trotz der in diesem Zusammenhang erwarteten positiven Auswirkungen im Sinne einer erhöhten Finanzmarktstabilität und geringeren Krisenanfälligkeit bestehen jedoch Befürchtungen, dass die Verschärfungen der Kapitalanforderungen nachteilige volkswirtschaftliche Effekte haben können. Diese Bedenken beziehen sich nicht nur auf den Finanzsektor selbst, sondern aufgrund der MultiplikatorFunktion von Banken in der Kreditfinanzierung vor allem auch auf den Unternehmenssektor, insbesondere bei KMU.45 Als Erleichterung für KMU bleibt die Einstufung von KMU-Krediten < 1 Mio. EURO, als Privatkredit wie schon unter Basel II weiter aufrecht. Die geforderte Kapitalunterlegung erhöht sich jedoch analog zum klassischen Unternehmenskredit bis 2018 von 6% auf 7,9%. Grundsätzlich kann daraus abgeleitet werden, dass sich für KMU allgemein und für Unternehmensgründungen im Speziellen der Zugang zu Bankkrediten durch Basel III weiter erschweren wird. Damit rücken alternative Finanzierungsformen, insbesondere als außerbörsliches Beteiligungskapital und weitere Strategien zur Stärkung der Eigenkapitalbasis im Unternehmen enger in den Fokus der Unternehmensfinanzierung. 5.3 Finanzierung von Unternehmensgründungen in der Praxis 5.3.1 Besonderheiten bei der Finanzierung von Gründungsprojekten Bei der Finanzierung von Unternehmensgründungen reduziert sich im Gegensatz zur laufenden Unternehmensfinanzierung die Einbringung von Eigenkapital oft nur auf eine Anstoßfinanzierung aus privatem Vermögen. Derartige private Eigenmittel werden bei einem zusätzlichen Bedarf an Fremdkapital mangels alternativer Sicherheiten bevorzugt auch für die Besicherung von Krediten herangezogen. Das führt in der Praxis oft zur widersprüchlichen Situation, dass • zum Einen in nur begrenztem Ausmaß verfügbares, jedoch möglichst offensiv einzusetzendes Eigenkapital in der Finanzierung von teurerem Ergänzungskapital gebunden ist und 45 Vgl. Felderer, B. (2011): 2 Seite 33 • zum Anderen der Aufbau von Eigenkapital und ein möglichst frühzeitiger Eintritt in eine Innenfinanzierung aus der Geschäftstätigkeit des Unternehmens heraus verzögert wird. In diesem Zusammenhang führt die restriktive, durchwegs an die Eigenmittel der GründerInnen gebundene Gründungsprojekte oft zu Praxis einer bei der Vergabe Minderdotierung und von in Fremdkapital an Folge zu auch Liquiditätsengpässen in der Phase nach dem Markteintritt des Unternehmens.46 Damit steht die Kreditvergabepraxis der Banken in direktem Widerspruch zur Ausgangssituation vieler Gründungsprojekte: • allgemein hoher Kapitalbedarf ohne zeitlichem Spielraum; • Bedarf an Investitionskapital für den Aufbau und die Gründung des Unternehmens z.B. für die Bereitstellung des benötigten Anlagevermögens oder für die Entwicklung von Verfahren und Patenten, insbesondere bei technologiebasierten Unternehmensgründungen; • Kapitalbedarf zur Finanzierung der Erstausstattung mit Umlaufvermögen (z.B. Handelsware) oder zur Finanzierung von Rechten und Lizenzen (z.B. für den Eintritt in ein Franchise-System); • Liquidität für die Finanzierung laufender Ausgaben in der Aufbauphase und beim Markteintritt bzw. der nachfolgenden Startup-Phase, in der erste Umsätze die laufenden Kosten nur schwer decken können; • (noch) keine Erlöse oder Rücklagen aus dem operativen Geschäft; • es stehen nur begrenzt (private) Vermögenswerte zur Besicherung von Fremdkapital zur Verfügung; • es gibt nur Plandaten für eine Bewertung des Projektes im Hinblick auf die Sicherheit der Investitionen und das künftige Ertragspotenzial. Die Kunst bei der Finanzierung auch kapitalintensiver Gründungsprojekte ist es, mit der realistischen Projektion einer Geschäftsidee in eine erfolgreiche Zukunft den richtigen Mix an potenziellen PartnerInnen zu begeistern und zu motivieren, Kapital 46 Vgl. Egeln et al (2010): VIII Seite 34 in der Gewissheit bereitzustellen, dass die UnternehmerInnen für die Sicherheit des gewährten Kapitals inklusive einer hohe Rendite sorgen werden. Die Basis dafür ist das Schaffen von Vertrauen bei den KapitalgeberInnen in das Potenzial der Geschäftsidee und in die Fähigkeiten der UnternehmerInnen, diese Idee am Markt zu etablieren. 5.3.2 Die Finanzierungspraxis der Banken bei Unternehmensgründungen Eigene Erhebung bei drei Österreichischen Banken (vgl. Anhang) Laut einer Befragung bei drei Österreichischen Regionalbanken stellt die Finanzierung von Gründungsprojekten einen sehr geringen Teil des Kreditgeschäfts dar. Vorwiegend werden im GründerInnen-Segment Nachfolgeprojekte bzw. Übernahmen von Unternehmen und die darin eingebetteten Innovations- und Restrukturierungsmaßnahmen finanziert. Die Gründe für das positive Engagement der Banken in derartige Projekte sind vor allem eine bereits bestehende Kundenbeziehung und das Wissen um tatsächliche Geschäftsverläufe und die wirtschaftliche Historie der zu finanzierenden Projekte. Echte Neugründungen, auch von bekannten PrivatkundInnen der Banken initiiert, werden je nach Bank mit 10-80 Fällen pro Jahr im Land Salzburg als verschwindend gering beziffert. Zwei der Banken verweisen dabei auf einen sehr begrenzten, konservativen Branchenmix in ihrem Geschäftsumfeld, in dem vorwiegend für touristische Projekte, Kleingewerbe-Unternehmen und Dienstleistungsunternehmen um Gründungskapital angefragt wird. In den meisten Fällen werden Kreditsummen zwischen € 50.000,- und € 200.000,- von den Unternehmen benötigt. Hochinnovative bzw. Technologie-Gründungen als Hochrisikoprojekte mit hohem, langfristigem Kapitalbedarf, auch bei einer verbesserten Unterstützung durch Förderinstitutionen insbesondere in Form von Haftungsübernahmen, spielen bei den befragten Regionalbanken eine untergeordnete Rolle. Sehr wohl Bedeutung haben derartige Gründungen Oberösterreich, in alleine Brancheninfrastruktur den schon heraus. Bundesländern aus In der diesen Wien, Niederösterreich einschlägigen Regionen Forschungs- stellen Bund, und und Länder, Förderinstitutionen und in Folge auch finanzierende Banken bzw. Venture Capital Seite 35 Unternehmen eine ansprechende Finanzierungsinfrastruktur auch für kostenintensive Gründungen bereit. Dem gegenüber werden Gründungen von Ein-Personen-Unternehmen mit geringem Investitionsbedarf vorwiegend über Privatkredite und Kontokorrentrahmen finanziert und scheinen damit in keiner Statistik auf. Als wichtigstes Entscheidungskriterium für die Finanzierung von Gründungsprojekten wird seitens der Banken das Vorhandensein ausreichender Besicherungen für den Kredit genannt. Blankokredite, also Kredite ohne Besicherung, werden aktuell nicht mehr vergeben. Die Festlegung der Höhe der Sicherheiten, aber auch die Festlegung der Risikoaufschläge auf die Kreditzinsen erfolgt in der Regel über ein standardisiert zugewiesenes Bonitätsrating. Als Richtwert für den Eigenkapitalanteil im Unternehmen werden von den Banken mindestens 25% des Gesamtkapitals als Bedingung für die grundsätzliche Beteiligung der Bank an der Finanzierung der Unternehmensneugründung genannt. Diese restriktive Vorgehensweise hat in der Phase von Basel II bei den befragten Banken tatsächlich zu sehr geringen Kredit-Ausfallszahlen geführt, was eine künftig stärkere Übernahme von Risiken bei der Finanzierung von Gründungsprojekten durch die Kreditinstitute eher unwahrscheinlich erscheinen lässt. Angesprochen auf die Zukunft der Banken im Rahmen der Gründungsfinanzierung, gehen alle befragten Banken davon aus, dass der klassische Kredit auch weiterhin die zentrale Fremdfinanzierungsform für GründerInnen bleibt. Alternative Finanzierungen wie zum Beispiel durch Venture Capital werden künftig aber in einer stärkeren Rolle als Ergänzungs-Eigenkapital zur Bankfinanzierung oder als zeitlich begrenzte Anstoßfinanzierung bis zu einem Einstieg der Banken gesehen. Zudem fordern die Banken eine stärkere Rolle der öffentlichen Hand bei der Übernahme von Haftungen und damit indirekt des unternehmerischen Risikos. 5.3.3 Unterschiedliche Erwartungen im Rahmen einer Außenfinanzierung Wie viele Investitionsvorhaben in bestehenden Unternehmen sind auch Neugründungen nicht ohne einen externen Finanzierungsanteil machbar. Seite 36 Dabei gilt es für die GründerInnen jenes Kapital zu beschaffen, das über die verfügbaren Eigenmittel hinaus für den Markteinstieg und die Marktdurchdringung benötigt wird. Und das möglichst solange auf Basis von Vertrauen und ohne wirtschaftliche Belastungen bis das Unternehmen in der Lage ist, alle Zahlungsverpflichtungen - auch jene für die Rückzahlung und die Kosten des Kapitals - aus der laufenden Geschäftstätigkeit zu erfüllen. UnternehmensgründerInnen haben dabei mehrere Optionen, externe KapitalgeberInnen in ein Investment einzubinden. In jedem Fall aber gilt es, den unterschiedlichen Erwartungen aller zu involvierenden Parteien in einer zu treffenden Vereinbarung zu entsprechen: • vorrangiges Ziel der GründerInnen im Rahmen einer Einbindung externer KapitalgeberInnen ist es, ausreichend Kapital für einen definierten Zeitraum zu möglichst niedrigen Kosten zu erhalten und dabei nur wenig bis keine Kompetenzen und Flexibilität abzugeben; • dem gegenüber steht die Erwartung externer KapitalgeberInnen einer dem risikoadäquaten Verzinsung des Kapitals, die Garantie des Erhalts, bzw. der Rückzahlung des Kapitals und in einigen Fällen ein hoher Verkaufserlös von Unternehmensanteilen nach Ende der Partnerschaft; • fallweise fordern KapitalgeberInnen auch die Mitsprache bei Unternehmensentscheidungen. Der Nachweis der Wahrung der Interessen der KapitalgeberInnen liegt aufseiten der KapitalwerberInnen. Für die Vereinbarung von Rechten und Pflichten im Rahmen von Finanzierungsprojekten gibt es mehrere Optionen, z.B. Kreditverträge, individuelle Beteiligungsverträge und Gesellschaftsverträge. 5.4 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensfinanzierung Aus der vorangegangenen Analyse der Fakten und Einschätzungen zur Finanzierung von Unternehmen allgemein und Gründungsprojekten im Speziellen sind folgende Annahmen in ein Bonitätsrating anhand von Softfacts zu übernehmen: Seite 37 • Außenfinanziertes Kapital ist teuer – sowohl als Fremdkapital (Kreditzinsen plus Risikoaufschläge), als auch als Beteiligungskapital (Renditeerwartung). • Im Rahmen der Finanzierung von Unternehmensneugründungen ist und bleibt auch künftig der Bankkredit die wichtigste Fremdfinanzierungsform. • Alternative, den Bankkredit ergänzende Finanzierungsformen gewinnen zunehmend an Bedeutung. • Es sind daher nicht nur die Vorgaben der Banken im Rahmen der Kreditfinanzierung, sondern auch die Erwartungshaltung alternativer GeldgeberInnen in die Konzeption eines Softfact-Ratings einzubinden. • Vorrangige Ziele Kapitalaufbringung, im die Rahmen der Stärkung Gründungsfinanzierung der Eigenkapitalbasis, sind die die damit verbundene Teilung des Risikos und die Minimierung der Kapitalkosten. • Zielprojekte für ein Rating von Softfacts sind Neugründungen mit einem Kapitalbedarf zwischen 50.000,- und 1.000.000,- (KMU Grenze Basel II / III) 6. Das Rating von Unternehmen Der Begriff Rating umschreibt im Finanzwesen die Einschätzung der Bonität von SchuldnerInnen. Ob für ganze Staaten oder für einzelne Unternehmen, im Rahmen der Vergabe von Kapital wird seitens der GeberInnen in der Regel ein Urteil darüber eingeholt, ob die NehmerInnen in der Lage sein werden, das Kapital inklusive der Zinsen zurückzuzahlen bzw. in welchem Ausmaß dieses Geschäft für die KapitalgeberInnen ein Risiko darstellt. Zur Feststellung des Bonitätsrisikos bei einer Finanzierung durch Fremdkapital wird auf externe Ratings durch Ratingagenturen oder interne Ratings, z.B. bei Banken zurückgegriffen. Interne Ratings bei Banken sind mit den Regeln für Basel II akkordiert und auf die jeweiligen Bedürfnisse der Bank abgestimmt. Jedoch nicht nur Banken, auch andere PartnerInnen im Rahmen der Finanzierung von Unternehmen bis hin zu privaten InvestorInnen greifen auf Bonitätsurteile zurück. Das Rating selbst ist die Zusammenfassung einer Vielzahl von Analyseschritten zu einem Bonitätsurteil in Form eines eindeutig interpretierbaren Ratingcodes. Seite 38 6.1 Theoretische Grundlagen zum Rating von Unternehmen Um von einer ersten Einschätzung zur Bonität eines Unternehmens zu einem für KreditgeberInnen- und -nehmerInnen objektiven und stimmigen Urteil zu gelangen, kommen heute verschiedene komplexe Ratingverfahren zum Einsatz. Trotz unterschiedlicher methodischer Ansätze und einer mittlerweile sehr hohen Trefferquote bei der Beurteilung der Risiken, gibt es noch keine Standardlösung für alle Fälle. Das gilt auch für das Rating von Unternehmensneugründungen. 6.1.1 Ausgangssituation für die Entwicklung eines Bonitätsratings Die Umsetzung der Eigenkapitalvorschriften für Banken nach Basel II beinhaltet die Festlegung eines Anteils am nach dem Risiko gewichteten Kreditvolumen in der Höhe von 8%. Gerechnet über die Gesamtsumme der gewährten Kredite einer Bank soll diese Unterlegung die tatsächlichen Kreditausfälle decken. Abbildung 5: „Eigenkapitalanforderung für das Kreditrisiko nach Basel II“ 47 Im Rahmen von Basel III wird bis Ende 2018 der Risikoaufschlag schrittweise von 8% auf 10,5% für Unternehmen angehoben werden. Steuergröße für die Festlegung des Mindesteigenkapitals ist die Risikogewichtung einer Ausfallswahrscheinlichkeit. Für dessen Ermittlung gilt der Grundsatz: je 47 Wöhe, G. (2010): 674 Seite 39 schlechter die festgestellte Bonität der KreditwerberInnen, desto höher muss das Risikogewicht angesetzt werden. Für Unternehmenskredite können gemäß Basel II Risikogewichtungen zwischen 0,2 bis 2,0 Punkten eingesetzt werden.48 Für kleine und mittlere Unternehmen mit einer Kreditsumme bis 1 Mio. Euro ist ein StandardRisikogewicht von 0,75 vorgegeben.49 In welcher Höhe die Kosten der Eigenkapitalunterlegung auf die KreditwerberInnen überwälzt werden bzw. in welchem Maß die Bank selbst in das Risiko des Kreditausfalls eintritt, definiert diese über die Kreditzinsen und Sicherheiten. In folgendem vereinfachten Beispiel zu Mischformen von Ratingmodellen zeigen sich zwei mögliche Ratingabläufe in einem Kreditinstitut: Abbildung 6: Architektur von Ratingverfahren 50 Der im Muster erwähnte Override umschreibt die Möglichkeit der Abänderung des Klassifikationsvorschlages unter Einschätzungen. Override-Ansätze Gängige Einbeziehung zusätzlicher liegen in der Daten und Bewertung der Kreditsicherheiten oder von Softfacts. 48 Vgl. Wöhe, G. (2010): 675 Vgl. Felderer, B. (2011): 2 50 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 52ff 49 Seite 40 Das Ergebnis zur Bonität von KreditwerberInnen wird in einem Scoring (Ergebniswert) ausgedrückt, das auf eine Skala verweist, in der einzelne Klassen mit standardisierten Bewertungsurteilen und Handlungsempfehlungen hinterlegt sind. Die bekanntesten Beispiele für Ratingskalen sind jene der großen internationalen Ratingagenturen wie z.B. Standard & Poor’s, die Ratings für große Unternehmen, Staaten und andere Körperschaften erstellen, die am Kapitalmarkt aktiv sind. Abbildung 7: „Beispiel Ratingurteil für langfristige Schuldverschreibungen“ 51 Ratingmodelle nach ähnlichem Muster, jedoch abgestimmt auf die eigene Umfeldund Marktsituation bzw. auf das eigene Kreditportfolio werden auch bei Banken eingesetzt. Die Abstufungen reichen auch hier von einem best case (sicher) bis hin zu einem worst case (Ausfall). 51 Wöhe, G. (2010): 674 Seite 41 Jede Ratingklasse enthält dabei nicht nur ein Standardurteil zur aktuellen Situation und zur Entwicklung des Unternehmens, sondern ist auch mit einer Empfehlung zur Bewertung der Risikokomponenten bei der Festlegung der Kreditzinsen hinterlegt. Die errechnete Gesamtverzinsung des Kredites umfasst Bestandteile, die durch das Bonitätsurteil beeinflusst und Bestandteile, die nicht beeinflusst werden: Zinsbestandteil beeinflussbar Refinanzierungskosten für Fremd- und Eigenkapital NEIN Kreditrisikoprämien und Margen JA Kosten der Eigenkapitalunterlegung JA Kreditbearbeitungskosten NEIN Tabelle 2: Bestandteile von Kreditzinsen 6.1.2 Segmentierungen und Datenanforderungen Im Rahmen von Bonitätsbeurteilungen werden seitens der Banken künftige KreditnehmerInnen gemäß ihrem Wirkungsumfeld speziellen Segmenten zugeordnet. Dabei ist den Unterschieden in den Bereichen bonitätsrelevante Faktoren, verfügbare Datenquellen und Kreditrisikogehalt Rechnung zu tragen. Die darauf abgestimmte Segmentierung laut Basel II unterscheidet zwischen: • Staaten; • Banken; • Unternehmens- bzw. Spezialfinanzierungen; • Retail-KundInnen; • Beteiligungen.52 KMU und folglich auch Unternehmensneugründungen mit einem Kreditvolumen bis zu 1 Mio. Euro werden in diesem Zusammenhang als Retail-KundInnen klassifiziert. 52 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 9f Seite 42 Das hat eine standardmäßige Reduktion des Risikogewichtes von 100% auf 75% und damit die Reduktion der aktuellen Mindest-Eigenkapitalhinterlegung seitens der Bank von 8% auf 6% des jeweiligen Kreditvolumens zur Folge.53 Datenanforderungen zur Bonitätsbeurteilung Für die Errechnung eines Ratings greifen die Kreditinstitute in der Regel auf quantitatives und auf qualitatives Datenmaterial zurück:54 • Quantitative Daten sind standardisiert zu beurteilende, objektiv messbare Zahlen aus der unternehmerischen Vergangenheit und Gegenwart (Hardfacts) bzw. Plan-/Prognose-Daten; • Qualitative Daten beschreiben Einschätzungen zu möglichst ratingrelevanten Datenfeldern aus dem Unternehmen wie zum Beispiel eine Strategie oder Managementqualitäten (Softfacts). Derartige Daten werden entweder bankintern über Operativsysteme, interne Auskunftspersonen, Archive etc. bereitgestellt oder von externen Quellen bezogen. Betriebsexterne Daten in Form von aktualisierten Unternehmensunterlagen, Statistiken, Kapitalmarktinformationen, Branchen- bzw. Segment-Erhebungen u.v.m. werden für interne Berechnungen benötigt oder werden als ausformulierte RatingUrteile von spezialisierten Agenturen oder Beratungsunternehmen bereitgestellt. Im Zuge von Basel III soll die Bedeutung externer Ratings, vor allem für Körperschaften, Banken bzw. FinanzdienstleisterInnen und große Unternehmen zurückgedrängt werden.55 Externe Ratings für einzelne Projekte wie z.B. Unternehmensneugründungen werden jedoch auch künftig als Ergänzung der oft nur bedingt objektiven Referenzdaten und zur besseren Einbeziehung individueller Gründungsbedingungen sinnvoll sein. In der Regel beschränken sich bankinterne Daten zu Unternehmensneugründungen auf persönliche Konto- und Archivdaten der KreditwerberInnen bzw. möglicher ÜbernehmerInnen von Ausfallshaftungen. Dazu kommen interne Auskünfte durch die KundenberaterInnen der GründerInnen. 53 Vgl. Felderer. B. (2011): 2 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 11f 55 Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_III > (12.9.2013): online 54 Seite 43 Spezielle Datenanforderungen zur Bewertung von Existenzgründungen 56 Für Unternehmensstartups sind in der Praxis kaum eigene Ratingmodelle sondern adaptierte Modelle für klassische Firmenkunden im Einsatz. Um verbessert auf die Bedürfnisse von Unternehmensgründungen eingehen zu können, räumt die OeNB in ihren Empfehlungen zum Handling des Kreditrisikos neben der Festlegung eines Höchst- oder Standardratings auch die Möglichkeit der Einbeziehung von Softfacts in ein Ratingmodell ein. Bei der Entwicklung eines GründerInnen-Ratings empfiehlt es sich, zwischen der Gründungsphase (Seed, Startup) und der Aufbauphase (1st, 2nd Round) zu unterscheiden. Besonders in der Gründungsphase ist mangels realer Geschäftsdaten für ein Rating verstärkt auf qualitative Daten zurückzugreifen. Die OeNB verweist dabei auf den direkten Zusammenhang eines Gründungserfolges mit der UnternehmerInnen-Persönlichkeit. In der Aufbauphase sind bereits Echtdaten aus dem Unternehmen vorhanden, die zusätzlich in die laufende Bonitätsbeurteilung einfließen können. In dieser Phase bietet sich auch eine Kontrolle der ursprünglich eingereichten Planungen an, um die Qualität der Gründungsvorbereitungen und auftretende Abweichungen zur Entwicklungsprognose beurteilen zu können. 6.1.3 Modelle zur Bonitätsbeurteilung Im Rahmen der Entwicklung maßgeschneiderter Ratingmethoden für verschiedene Ratingsegmente und -ziele stehen Banken und anderen AnwenderInnen mehrere Optionen offen. Ausschlaggebend für die Auswahl der Ratingmethode ist u.a. auch die Verfügbarkeit, die Aussagekraft und die Güte der benötigten Daten. Bei der Festlegung auf ein Rating ist ein allgemein gültiges Standardrating für möglichst viele Segmente, Branchen und Unternehmenstypen zu entwickeln. Ergänzend dazu ist auf die Schaffung ausreichend vieler Schnittstellen für Individualanalysen zu achten. Damit kann bei mehrfachem Bedarf an ähnlichen Ratings ein anfangs individueller Analyseansatz standardisiert oder in ein bestehendes Standardrating eingebunden 56 Vgl. Thonabauer / Nösslinger 2004: Ratingmodelle und Validierung, 20f Seite 44 werden. Diese Strategie wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit mit der Entwicklung eines möglichst standardisierten Ratings verfolgt, das sowohl autark eingesetzt, als auch über systemisch vorgesehene Schnittstellen in ein Gesamtrating mit anderen Verfahren übernommen werden kann. Abbildung 8: Modelle zur Bonitätsbeurteilung 57 Heuristische Ratingmodelle agieren überwiegend mit Erfahrungswerten aus subjektiven Beobachtungen, vermuteten betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen und mit betriebswirtschaftlichen Theorien. Auf Basis der erhobenen Daten bzw. der Einschätzung zu deren Wirkung auf künftige Geschäftsverläufe kann eine Aussage über die Bonität der KreditwerberInnen abgeleitet werden. Die wichtigsten heuristischen Ratingmodelle sind:58 • Der klassische Ratingbogen, in dem eindeutige Fragen zu ratingrelevanten Faktoren von KreditexpertInnen beantwortet werden. Das Rating selbst erfolgt über Punktzahlen, die je Frage fest hinterlegt sind. Dabei gilt: je höher die Gesamtpunktzahl, desto höher die Bonität. • Qualitative Systeme bieten bei ähnlichem Abfragemodus wie beim Ratingbogen einen Beurteilungsspielraum, z.B. in Form von Schulnoten. Die Teilbewertungen werden gleich oder verschieden gewichtet zu einem Gesamturteil verknüpft. 57 58 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 32 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 33ff Seite 45 • Expertensysteme sind Software-Lösungen die menschliche Ansätze zur Problemlösung nachbilden. Dabei soll eine wachsende Wissensbasis über eine Schlussfolgerungslogik (Inferenz-Maschine) zu einer breit unterlegten Entscheidungsfindung beitragen. • Fuzzy Logic Systeme sind spezielle Expertensysteme, in denen eine feiner gegliederte, teils unscharfe Zuordnung einzelner Ausprägungen erfolgt und damit menschliche Entscheidungswege exakter simuliert werden. Empirisch-statistische Verfahren versuchen anhand erhobener Tatsachen Hypothesen und Modelle zu formulieren, die mithilfe statistischer Verfahren erst verifiziert und später ausgewertet werden. Dabei müssen vorab einzelne Datenkonglomerate zu bonitätsrelevanten Fragen mit Hypothesen unterlegt werden, die bei praktischer Anwendung zu klaren Ergebnissen (Bonitätsurteilen) führen. Empirisch-statistische Verfahren stützen sich überwiegend auf Hardfact-Daten, können jedoch fallweise auch qualitative Daten einbinden. Die wichtigsten empirisch-statistischen Modelle sind:59 • Multivariate Diskriminanzanalyse: Sie unterscheidet mithilfe einer Funktion aus mehreren unabhängigen Bonitätskriterien in Form von Kennzahlen zwischen solventen und insolventen Unternehmen. Dabei wird über verschiedene Gewichtungen von Kennzahlen in Abhängigkeit zueinander ein Gesamturteil zur Situation des Unternehmens errechnet. Diese Methode wird bei Banken häufig zur Bonitätsbeurteilung eingesetzt. Sie weist jedoch den Nachteil auf, dass relevante Softfacts nur schwer als Kennzahlen in die Systematik eingebunden werden können. • Regressionsmodelle versuchen über einzelne als Variable definierte Bonitätsmerkmale die Zugehörigkeit des Unternehmens zu einer Gruppe „solvent“ oder „insolvent“ nachzuweisen. Der Einsatz nicht linearer Modellfunktionen und deren Optimierung über das sogenannte „MaximumLikelihood-Verfahren“60 erlaubt auch die Berechnung einer Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit des Unternehmens zu einer der beiden Gruppen. 59 60 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 41ff Vgl. < http://de.wikipedia.org/wiki/Maximum-Likelihood-Methode > (22.10.2013): online Seite 46 Besonders logistische Regressionsmodelle weisen gegenüber der Multivariaten Diskriminanzanalyse trennschärfere Ergebnisse auf und erlauben zudem die direkte Berücksichtigung qualitativer Bonitätsmerkmale. • Künstliche neuronale Netze bilden die Informationsverarbeitung des menschlichen Gehirns nach. Im Einsatz als Ratingmodell sind neuronale Netze bereits in der Lage sowohl qualitative, als auch quantitative Daten direkt zu übernehmen, zu einem N-Wert zu verdichten und diesen einer Ratingklasse zuzuordnen. Aufgrund der hohen Aufwände bei der Einrichtung und beim Training neuronaler Netze bzw. durch die komplexe, für den Anwender nur schwer nachzuvollziehende Netzwerkmodellierung, sind neuronale Netze in der Praxis heute noch weniger verbreitet. Kausalanalytische Modelle binden finanztheoretische Überlegungen bei der Analyse von bonitätsrelevanten Zusammenhängen direkt ein. Sie kommen vorwiegend bei individuellen Ratings oder bei der Beurteilung von Spezialfinanzierungen zum Einsatz. 6.1.4 Entwicklung und Validierung von Ratingmodellen Als grundlegende Anforderungen an Ratingmodelle hinsichtlich einer Eignung in jedem Ratingsegment definiert die OeNB folgende Parameter: 61 • Zielgröße: Das Ratingergebnis muss als Ausfallswahrscheinlichkeit darstellbar sein. • Vollständigkeit: Das Ratingergebnis sollte alle vorliegenden Informationen zur Bonitätsbeurteilung einbeziehen. • Objektivität: Verschiedene Beurteiler sollten anhand des Systems zum gleichen Ergebnis gelangen. • Akzeptanz: Das Ratingmodell sollte aus Sicht der Anwender zu einem richtigen, akzeptierten Urteil kommen. 61 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 55ff Seite 47 • Widerspruchsfreiheit: Das Rating darf anerkannten wissenschaftlichen Methoden nicht widersprechen. Dabei ist die Erfüllung der grundsätzlichen Anforderungen abhängig von der Wahl der Methode und von Spezifika im jeweiligen Unternehmensumfeld. Abbildung 9: „Entwicklung eines Ratingmodells“62 Für das Rating von Gründungsprojekten, für das nur selten ausreichend quantitative Daten zur Verfügung stehen, bietet sich der Einsatz eines heuristischen Modells basierend auf qualitative Daten an. Es ist daher auch der Entwicklungsprozess des Ratingmodells auf die Erhebung und heuristische Beurteilung rein qualitativer Daten und Kennzahlen abzustimmen, auch wenn die Einbindung der Ergebnisse als qualitatives Teilscoring in ein Gesamtrating weiter sinnvoll scheint. In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass bei heuristischen Verfahren die für die Kalibrierung der Ergebnisskala und die Validierung unterstellte eine Allgemeingültigkeit erst im laufenden Praxiseinsatz nachgewiesen werden kann. Die übliche Vorgangweise für die Entwicklung praxistauglicher Scoringfunktionen gemäß der Basel II Bestimmungen gliedert sich in drei Schritte:63 • Schritt 1: Univariate Analysen sollen anhand von Kennzahlenkatalogen betriebswirtschaftlich sinnvolle, gut zu erhebende und trennscharfe Bonitätsmerkmale identifizieren; • Schritt 2: Multivariate Analysen bestimmen anhand einer KennzahlenShortlist aus den univariaten Analysen die eigentlichen Scoringfunktionen; 62 63 Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 63 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 78 Seite 48 • Schritt 3: Verknüpfung von Teil-Scoringfunktionen zu einer Gesamtfunktion. 6.2 Die Praxis beim Rating von Unternehmensneugründungen Eine Erhebung bei drei österreichischen Banken (vgl. Anhang) ergab, dass für die Bonitätsprüfung von Unternehmenskunden durchwegs auf eigene Bedürfnisse bzw. das jeweilige KundInnenportfolio abgestimmte Ratingsysteme entwickelt wurden. Dabei setzen alle Institute auf das Rating diverser Hardfacts zur vorwiegend wertmäßigen Absicherung des eingesetzten Kapitals plus der Abgeltung der eingegangenen Ausfallsrisiken. Dabei steht die Rolle der Bank als Kreditgeberin und nicht als renditeorientierte Investorin im Mittelpunkt. Für die standardisierte Beurteilung von Unternehmensneugründungen setzt mangels Geschäftsvolumen keines der befragten Institute ein spezielles Ratingverfahren ein. Vielmehr sehen die Banken die Frage, ob ein Gründungsprojekt finanziert werden soll getrennt von der späteren Zuweisung eines Standard-Ratings. Damit wird gemäß Basel II der hohen Ausfallswahrscheinlichkeit von Gründungsfinanzierungen ausreichend Rechnung getragen. Die Chance des Unternehmens, sich im Rating gegenüber dem Standard-Ansatz zu verbessern bietet sich bei zwei der drei Banken. Kriterium dafür ist in erster Linie eine hohe Besicherung des Kredites. Die dritte Bank friert ihr Rating für die ersten beiden Jahre der Unternehmenstätigkeit auf dem Stand des Erstratings ein. Als entscheidende Phase bei der Kreditvergabe stellt sich jene bis zur Entscheidung seitens der Bank heraus, ein Kreditverfahren zu eröffnen. Im Vorfeld dieses Verfahrens prüfen die Banken u.a. das Nicht-Vorhandensein sogenannter No-GoKriterien, die bei Vorliegen eine grundsätzliche Ablehnung eines Kreditantrages zur Folge hätten (z.B. frühere Insolvenzen, risikoreiche Branchen, etc.). Weitere entscheidende Kriterien für die grundsätzliche Kreditentscheidung sind: • Ausreichende Eigenmittel (hohe Relevanz) • Ausreichende Besicherung und Förderzusagen (hohe Relevanz) • Fürsprache durch die KundenbetreuerInnen (mittlere Relevanz) • Plausibilität der Businessplanung (mittlere Relevanz) Seite 49 • Vertrauen in die UnternehmerInnen (hohe Relevanz) Die bankinternen Prozesse vom Kreditantrag in der Filiale über die Prüfung bis zur Vergabe umfassen grob skizziert: • Sammlung von Daten (z.B. Selbstauskunft, bankinterne Daten, externe Auskünfte, Businesspläne, etc.); • Prüfung des Kreditantrages auf No-Go-Kriterien; • Aufbereitung der Daten in internen Operativ-Systemen; • sofern das Entscheidungslimit des lokalen Kreditmanagements überschritten wird, die Einbindung des bankinternen Risikomanagements und die detaillierte Prüfung des Antrages; • wichtigster, fallweise sogar einziger Bestandteil dieser Prüfung ist in der Praxis die Beurteilung der beigebrachten Sicherheiten; • bei Bedarf erfolgt eine Abstimmung des Risikomanagements mit der Kundenbetreuung – vor allem um Softfacts wie das UnternehmerInnen-Profil und die bisherige Geschäftsgebarung zu bewerten; • Erstellen eines Ratingvorschlages und fallweise ziehen einer Override-Option zur Abänderung des Ratings; • Endrating des Kunden und formale Abwicklung der Kreditvergabe. Ein wichtiger bankinterner Baustein als „Anwalt der Kunden“ gegenüber dem Risikomanagement ist die Filiale vor Ort. Im direkten Kundenkontakt werden regionale Spezifika, kundenindividuelle Informationen und Einschätzungen zum Gründungsprojekt gesammelt und in einem Ratingbogen aufbereitet. Eine grundlegende Änderung der Praxis der Banken, Gründungsprojekte nach dem Standardansatz zu raten und damit den Fokus von der rein wertmäßigen Sicherung des eingesetzten Kapitals auf einen unternehmerischen Erfolg zu schwenken, wurde nicht signalisiert. Die laufende Justierung der eingesetzten Verfahren ist im Rahmen der bestehenden Systeme jedoch obligat. Durchaus gewünscht ist seitens der Banken eine verbesserte Analyse von Softfacts im Rahmen der grundsätzlichen Vergabeentscheidung (noch ohne Rating), um die Trefferquote bezüglich Ausfallswahrscheinlichkeit weiter zu erhöhen und die Zahl nicht erkannter Geschäftschancen zu senken. Seite 50 Hingegen regen die Banken eine bessere Ausstattung von Gründungsprojekten mit Eigenkapital und in diesem Zusammenhang bessere Analysetools für EigenkapitalGeberInnen an. Speziell für private GeldgeberInnen fehlt es an nachvollziehbaren und treffergenauen Methoden, um Chancen und Risiken im Rahmen einer Projektfinanzierung zu identifizieren. 6.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensrating Aus der vorangegangenen Analyse der Fakten und Einschätzungen zum Rating von Unternehmen allgemein und Gründungsprojekten im Speziellen sind folgende Annahmen in ein Rating anhand von Softfacts zu übernehmen: • Für die Erhebung qualitativer Daten (Softfacts) bietet sich der Einsatz eines heuristischen Ratingmodells an. Als Methode ist ein qualitatives Rating mittels Ergebnis-Skalierung (Scoring-Modell / Nutzwertanalyse) sinnvoll. • Die Anzahl der zu erhebenden bonitätsrelevanten Kennzahlen ist zur Verringerung der Analyse-Komplexität gering zu halten. • Es sind auch beim Softfact-Rating „No-Go“-Kriterien zu berücksichtigen. • Das Scoring ist anhand einer dreistufigen Skala einfach zu gestalten. Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Bonitätsrelevanz von Kriterien sind Gewichtungen vorzunehmen. • Das Rating ist in insgesamt drei Hauptkategorien zu untergliedern, die in sich geschlossen bewertet werden und darüber hinaus als Teil-Scores in ein Gesamtrating integriert werden können. • Das Rating hat den aktuellen Status eines Projektes und dessen Chancen und Risiken in der Zukunft dazustellen. Dazu dient auch die Bewertung der Plausibilitäten der Planungen in einem Businessplan. • Für den Praxiseinsatz der Ratingmethode ist ein Handbuch zu erarbeiten. Seite 51 7. Aufbau des Softfact-Ratings für Unternehmensneugründungen Ein auf die speziellen Anforderungen von Unternehmensneugründungen abgestimmtes Rating auf Basis von Softfacts setzt eine Reihe von Annahmen und Eingrenzungen voraus, die in den vorangegangenen Kapiteln erarbeitet wurden: 4.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensgründung (vgl. Seite 23) 5.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensfinanzierung (vgl. Seite 37f) 6.3 Relevante Ansätze zum Thema Unternehmensrating (vgl. Seite 51) Daraus resultiert das in Folge entwickelte Modell eines heuristischen qualitativen Ratingsystems zur Beurteilung von Softfacts anhand detaillierter Fragestellungen in drei Rating-Hauptkategorien. Methodisch bietet sich dafür ein Scoring-Verfahren in Form einer klassischen Nutzwertanalyse zur Bewertung qualitativer Gegebenheiten und zum Vergleich alternativer Planungen an.64 Damit sind Gründungsprojekte anhand der originalen Businesspläne und auch bei korrigierter Planung vergleichbar zu beurteilen. Insbesondere Renditesituation KapitalgeberInnen erhalten mit mit der dem Option, Fokus ihre auf einer Beteiligung optimierten an konkrete Verbesserungen der strategischen Ausrichtung und der wirtschaftlichen Performance des Unternehmens zu knüpfen einen zusätzlichen Anreiz. Das Ergebnis der Nutzwertanalyse kann anhand von für Softfacts vergebenen Scores den aktuellen Planungsstatus des Gründungsprojektes (Stärken/Schwächen) ebenso darstellen wie künftige Gefahren und Potenziale (Chancen/Risiken). 7.1 Grundzüge / Ausgangssituation eines Ratings von Softfacts Der gewählte Ansatz eines qualitativen Ratings von Softfacts in Form einer Nutzwertanalyse erfüllt die Kriterien der OeNB gemäß der Leitfadenreihe zum Kreditrisiko gemäß Basel II. Damit ist sowohl der Einsatz des Ratings zur Bonitätsprüfung durch Banken möglich, als auch ein methodischer Mindeststandard für einen breiteren Einsatz als bankenunabhängiges Rating-System geschaffen. 64 Vgl. Eschenbach / Siller (2009): 112ff Seite 52 Da Softfacts in der Businessplanung von Gründungsprojekten nur ungenügend als standardisierte Fakten dargestellt werden können und sich zudem je nach Branche, Projektgröße und Gründungssituation unterscheiden, ist im Rating individuell auf die jeweiligen Projektspezifika einzugehen. Aus diesem Grund stellen nachfolgende Ansätze für das Rating von Softfacts lediglich Musterabläufe dar. Zielergebnis jeder individuellen Analyse ist ein zu einem skalierten Urteil verdichtetes Rating, das in seiner bonitätsrelevanten Aussage auch über Projektgegenstände, Branchen, Projektgrößen und andere Spezifika hinweg vergleichbar bleibt. Die Entwicklung eines Ratingmodells startet mit der Definition der benötigten Daten und in Folge der Datenquellen bzw. der im Rahmen der Erhebung von Daten einzusetzenden Methoden. Danach ist die Datenanalyse auszugestalten bzw. sind Scoring-Funktionen zu entwickeln, die einzelne Analyse-Ergebnisse in vergleichbare Kennzahlen (Scores) transformieren. Derartige Scores sind bei der Bonitätsprüfung durch Banken Ausfallswahrscheinlichkeiten und damit Risikoklassen zuzuordnen.65 Damit Ratings auch bei Anwendung durch verschiedene Personen zu vergleichbaren Ergebnissen führen, sind der Ablauf des Bewertungsprozesses und die Formulierung von Bewertungsregeln inklusive der Interpretationsspielräume einheitlich zu gestalten. Das erfolgt üblicherweise in Form eines Handbuches. 7.2 Generierung der Datenbasis In der Regel sind für das Rating von Gründungsprojekten der eingereichte Businessplan und dessen Präsentation durch die GründerInnen die wichtigsten Ausgangsdaten zum Gründungsprojekt. Da in der Praxis diese Informationen oft unvollständig bzw. aus der Sicht der GründerInnen geschönt sind, gilt es in einem ersten Schritt die Datenbasis zu ergänzen, die Inhalte der eingereichten Unterlagen zu objektivieren und auf ihre Plausibilität zu prüfen. Die zu generierende Datenbasis übernimmt dabei die Rolle einer Indiziensammlung für möglichst eindeutige Schlussfolgerungen, die letztendlich ein Bonitätsurteil in den drei Rating-Hauptkategorien erlauben (vgl. Kapitel 8). 65 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 63 Seite 53 7.2.1 Übersicht Erhebungsmethoden Es bietet sich für das Rating von Softfacts zur Erhebung bewertungsrelevanter Daten nahezu das gesamte Instrumentarium der Marktforschung an:66 • Primärforschung in Form von eigenen/externen Beobachtungen z.B. an alternativen Standorten/Musterbetrieben bis hin zur Befragung der GründerInnen selbst, von KundInnen, LieferantInnen oder ExpertInnen; • Sekundärforschung in Form von Statistiken, Branchendaten, Benchmarks, veröffentlichten Berichten, eingereichten Planungsunterlagen, etc. Die für das Rating von Neugründungen wichtigste Primärerhebung ist die Befragung der GründerInnen selbst zu ratingrelevanten Themen in Form eines UnternehmerInnen-Hearings (vgl. Kapitel 7.5.2). Die zu erhebenden Sekundärdaten dienen der Beurteilung der Plausibilität der Businessplanung, der Veranschaulichung von Potenzialen (Chancen/Risiken) und zur Formulierung der Businessszenarien, anhand derer die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens erfolgt. 7.2.2 Regeln für Daten, Analysen und Beurteilungen Sowohl Umfang, Qualität, Quelle und Erhebungsmethode der benötigten Daten, als auch deren weitere Verwendung sind im Ratinghandbuch für jede RatingHauptkategorie, -Subkategorie und alle Fragenkataloge detailliert auszuarbeiten: • anzuwendende Marktszenarien und Performance-Empfehlungen; • Fragestellungen und hinterlegte Score-Werte; • Gewichtung von Fragen bzw. Kategorien zueinander für die Berechnung von Teil- und Gesamt-Scores inklusive Berechnungsregeln. Dem vorgelagert sind ratingrelevante Projektmerkmale zu formulieren, falls sie nicht ausreichend im Businessplan berücksichtigt wurden: • Gründungsprojekt und Gründungsmotivation; • Ratingmotive, eigene Ratingziele (des/der Analysten/Analystin); 66 Lechner et al (2010): 487ff Seite 54 • Gründungssituation / Branche / Dimension; • strategische Vorhaben (z.B. Marketingstrategie) und marktseitige Vorgaben (z.B. Marktsättigung, Eintrittsbarrieren, etc.); • „No-Go“-Kriterien (vor und während der Analyse). 7.3 Übersicht über die Entwicklung einer Scoringfunktion Die Scoringfunktion stellt im Wesentlichen den Rechenkern dar, anhand dessen die erhobenen Daten in ein Rating übergeleitet werden. Die Entwicklung eines banküblichen Ratings umfasst in der Regel die drei Schritte „Univariate Analyse“, „Multivariate Analyse“ und „Überleitung in ein Gesamt-Scoring“ (vgl. Kapitel 6.1.4). 7.3.1 Entwicklungsschritte des Ratings Durch die in den Kapiteln 4-6 dieser Arbeit erfolgte Eingrenzung des RatingUmfanges und der Definition der zu berücksichtigenden Parameter kann die Tiefe der univariaten Analysen im Gegensatz zur gänzlichen Neukonzeption eines allgemein gültigen Ratingansatzes erheblich reduziert werden: • Die Einbeziehung klassischer Hardfacts entfällt bis zur Überleitung der Ergebnisse in eine Gesamt-Scoringfunktion. • Eine Strukturanalyse möglicher Fragerichtungen entfällt. Die drei RatingHauptkategorien „UnternehmerInnen-Profil | Personal“, „Produkt | Markt | Marketing“ und „Unternehmensorganisation | Finanzierung“ sind vorgegeben. • Eine Abklärung der Plausibilität der Businessplanung erfolgt im Rahmen des Bewertungsprozesses (Vergabe der Scores) bzw. bei der Zusammenführung zu einem Gesamtscoring. • Innerhalb der Rating-Hauptkategorien werden die Subkategorien separat bewertet und gewichtet zu einem Teil-Scoring zusammengefasst. • Die Anzahl und Formulierung der Subkategorien ist variabel, ebenso die Gewichtung der Subkategorien zueinander. Seite 55 • Es kann davon ausgegangen werden, dass mit 3 bis 5 Subkategorien unter Berücksichtigung definierter „No-Go“-Kriterien zu jeder Rating- Hauptkategorie eine ausreichende Trennschärfe erzielt werden kann. • Zur Trennung in schlechte Projekte (S) und gute Projekte (G) kann die Arbeitshypothese G > S (gute Projekte haben immer einen höheren ScoringWert, als schlechte) als gegeben vorausgesetzt werden. • Fehlende bzw. unvollständige Daten sind aufgrund der variablen Gestaltungsmöglichkeit der Subkategorien nicht zu berücksichtigen. Die der endgültigen Auswahl der Kennzahlen folgende multivariate Analyse umschreibt die formale Bewertung der einzelnen Sub-Kategorien in einem ersten Schritt durch die Vergabe von Score-Werten. Im Rahmen dieser Arbeit ist eine dreistufige Skala zur Bewertung der Unternehmensperformance (HIGH. MEDIUM, LOW) vorgegeben. Es sind jedoch auch alternative Scoring-Methoden denkbar. Es ist dabei zu beachten, dass bei wiederholtem Einsatz des Ratingmodells (z.B. durch Banken) die einmal gewählte Scoring-Funktion auch weiter angewendet wird. Damit bleiben bei unterschiedlichen Ratingdetails (z.B. in verschiedenen Branchen) die Endergebnisse vergleich- und in einer Ratingskala kalibrierbar.67 7.3.2 Ratingmotivation Bezugnehmend auf die Erwartungshaltung der GeldgeberInnen mit unterschiedlicher Ratingmotivation, kann ein mehrfacher Durchlauf der Scoring-Prozesse unter geänderten Annahmen zu mehreren aufeinander aufbauenden Ergebnissen führen. Im Rahmen dieser Arbeit wird in zwei Ratingmotive unterschieden: • Der Bankenansatz folgt der Ratingmotivation, das eingesetzte Kapital inklusive der Zinszahlung über die vereinbarte Kreditlaufzeit zu sichern. Hier spielen Renditechancen, Wachstumspotenziale, Entwicklungsstrategien, etc. eine untergeordnete Rolle. Das Rating bezieht sich ausschließlich auf die eingereichte Planung und das darin erkennbare Potenzial des Unternehmens, solange bei ausreichender Liquidität zu überleben bis alle 67 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 88f Seite 56 Kreditforderungen getilgt sind. Dazu reicht ein einziger Bewertungsdurchgang. • Der Beteiligungsansatz folgt der Ratingmotivation, das Potenzial einer Geschäftsidee und damit auch Renditechancen und strategische Optionen zu beurteilen. Der Businessplan bietet dazu einen formalen Ansatz, der im Rahmen des Erstratings (Bankenansatz) gezielt zu hinterfragen ist. Über Abänderungen der Originalplanung als mögliche Auflagen für eine Beteiligung von KapitalgeberInnen an einem Gründungsprojekt lassen sich nicht nur neue Chancenpotenziale definieren. In einer zweiten Ratingrunde lassen sich auch Ansätze für mehr Produktivität, Innovation, Kooperation und unternehmerische Stabilität auf ihre mögliche Wirkung untersuchen. 7.3.3 Muster Scoringprozess Abbildung 10: Musterbeispiel – Teilscoring in einem Softfact-Rating 7.3.4 Der Bewertungsablauf im Scoringmodell Die Vergabe der Scores zu jeder Haupt- bzw. Subkategorie erfolgt „bottom up“. Seite 57 • Schritt 1: Beantwortung jeder Fragestellung innerhalb einer Subkategorie anhand der dreistufigen Bewertungsskala. • Schritt 2: Vergabe des Scores für jede Subkategorie, wiederum anhand der dreistufigen Bewertungsskala. Diese kann intuitiv aufgrund des subjektiven Eindrucks der in Schritt 1 erfolgten Fragebeantwortung oder rechnerisch als (un-)gewichteter Durchschnitt der in Schritt 1 vergebenen Scores erfolgen. • Schritt 3: Berechnung des Scores der Rating-Hauptkategorie als gewichteter Durchschnitt der jeweiligen Scores der Subkategorien. Die Gewichtungen zur Berechnung von Durchschnittswerten sind ebenso wie die im gesamten Verfahren einheitlich zu verwendenden Berechnungsregeln vorab im Ratinghandbuch festzulegen. Abbildung 11: Musterbeispiel Bottom Up Zusammenfassung Scoring Dreistufige Bewertungsskala für die Unternehmensperformance Im Rahmen dieser Arbeit wird zur Veranschaulichung eines möglichen Scorings eine dreistufige Bewertungsskala plus Abbruchoption eingesetzt: HIGH absolute Konzeptstärke 3 Punkte Großer Wettbewerbsvorteil, herausragende Fähigkeit/Leistung, starkes Indiz für einen Seite 58 erfolgreichen Markteintritt und ein positive Geschäftsentwicklung | Fazit: sehr starkes Argument GEGEN einen Kreditausfall MEDIUM ausreichend erfüllt 1 Punkt Erfülltes Mindestkriterium bzw. keine erkennbare Bonitätsrelevanz, wodurch kein Nachteil, jedoch auch kein herausragender Wettbewerbsvorteil im Hinblick auf einen Gründungserfolg entsteht | Fazit: ausreichende Krisenresistenz bei normalem Geschäftsverlauf LOW beträchtlicher Konzeptnachteil -1 Punkt Beträchtlicher Wettbewerbs- bzw. Performancenachteil, der einen Gründungserfolg und eine weitere positive Geschäftsentwicklung infrage stellt | Fazit: Gefahrenindiz, kann im Krisenfall Auslöser für einen Kreditausfall werden bzw. selbst eine Krise auslösen. ZERO NO GO Kriterium mit Abbruchoption Abbruch/Restart Starkes Indiz FÜR einen Kreditausfall bzw. Projektausprägung, anhand dem die AnwenderInnen eine Beteiligung am Projekt grundsätzlich ausschließt | Fazit: macht ein weiteres Rating obsolet, zwingt zumindest zu einer Korrektur der Originalplanung Tabelle 3: Bewertungsskala – HIGH, MEDIUM, LOW – ZERO Die Bewertungen werden seitens der AnwenderInnen einzelnen Fragestellungen und Bewertungshypothesen direkt zugeordnet. Sollte eine einzelne Bewertung nicht möglich sein, wird die entfallende Frage entweder durch eine neue ersetzt, die den Gesamtüberblick innerhalb einer Subkategorie weiter ermöglicht, oder sie entfällt ersatzlos. Dann ist die Gewichtung innerhalb der Subkategorie zu überarbeiten. Zusammenfassung zu Gesamt-Scores Die rechnerische Zusammenfassung von Scores zu einem übergeordneten Score ergibt als (un-)gewichteter Durchschnitt immer eine Zahl zwischen -1 und +3. Diese Zahl wird auf drei Kommastellen errechnet und kann auf eine Ratingskala übertragen werden. Diese muss wiederum einen Rückschluss auf die Performance des gesamten Unternehmens bzw. in einer Rating-Hauptkategorie erlauben. Die Interpretation der einzelnen Ratingklassen und die dazu gehörigen Handlungsempfehlungen für GeldgeberInnen sind vorab im Ratinghandbuch zu formulieren. Seite 59 Abbildung 12: Beispiel Übertrag eines Score in eine Rating-Skala Die Darstellung des Softfact-Ratings eines Gründungsprojektes erfolgt in Form eines 3 stelligen Codes, bestehend aus den Anfangsbuchstaben der ermittelten Performanceklasse (H=HIGH, M=MEDIUM, L=LOW bzw. Z zur Identifikation eines Ausschlusskriteriums) für jede der drei Rating-Hauptkategorien. Dieses Rating wird ergänzt um den gewichteten Wert des Gesamtscoring aller drei Kategorien. Beispiel mögliches Rating eines Gründungsprojektes: MHH 2,125 (UnternehmerInnen-Profil | Personal = MEDIUM, Produkt | Markt | Marketing = HIGH, Unternehmensorganisation | Finanzierung = HIGH, gewichtetes Gesamtrating 2,125 = HIGH) Ein Abgleich der Plausibilitäten der Businessplanung erfolgt direkt bei der Beantwortung der einzelnen Fragestellungen. Ein abschließendes Urteil über die Plausibilität der Businessplanung kann im Rahmen der Begründung des Gesamtratings erfolgen. Das Kapitel 9 widmet sich der Zusammenführung der Ratingergebnisse und deren Interpretation. 7.4 Übersicht Kalibrierung der Scorewerte | Validierung 7.4.1 Kalibrierung der Scorewerte Unter Kalibrierung der Scorewerte ist die Zuordnung von Scoring-Ergebnissen zu Ausfallswahrscheinlichkeiten zu verstehen. Dabei werden zur Erfüllung der Kriterien nach Basel II (IRB-Ansatz) mindestens sieben kreditnehmerbezogene Ratingklassen Seite 60 für nicht ausgefallene Schuldner und eine Klasse für ausgefallene Kreditnehmer gefordert. Unberücksichtigt bleibt dabei eine Klasse für das Retail-Segment.68 Durch die Eingrenzungen dieses Softfact-Ratings auf Unternehmensneugründungen sind überwiegend Kunden aus dem Retail-Segment betroffen (Neugründungen, KMU = Unternehmen < 1 Mio. EURO Kreditsumme). Daher wird eine direkte Zuordnung der gewonnenen Scorewerte zu bankenüblichen Ratingklassen im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter verfolgt. Die Möglichkeit, einer individuellen Kalibrierung der Scorewerte durch einzelne Banken bleibt erhalten. 7.4.2 Validierung des Ratingmodells Im Basel II Richtlinienentwurf zur Eigenkapitalunterlegung fordert die Europäische Kommission eine regelmäßige Validierung von Ratingmodellen zur Überprüfung der Vorhersagequalität, der Stabilität, der Modellbeziehungen und der Treffergenauigkeit. Dabei wird in eine qualitative und eine quantitative Validierung unterschieden.69 Die qualitative Validierung befasst sich mit dem Design des Ratingmodells, der Qualität der Daten und der internen Einbindung in den bankenüblichen Ratingprozess. Auf die erstmalige und infolge laufende Validierung des Modells, ist bereits bei dessen Ausgestaltung Bezug zu nehmen und im Ratinghandbuch entsprechend zu dokumentieren. Eine Überprüfung der Ergebnisqualität ist erst nach einer entsprechenden Laufzeit im Echteinsatz möglich, da das Vorhandensein einer Mindeststichprobe notwendig ist, um die Eintrittswahrscheinlichkeit der prognostizierten Ausfälle anhand der qualitativen Ratingkriterien seriös nachzuweisen. Die quantitative Validierung beschäftigt sich mit der operationalen Stabilität des eingesetzten Rechenmodells und damit auch mit Fragen der Trennschärfe der Ergebnisse und der Kalibrierung von Ausfallswahrscheinlichkeiten. Das im Rahmen dieser Arbeit eingesetzte Nutzwertverfahren verzichtet auf empirisch-statistische Rechenmodelle und damit auch auf quantitative Validierungsansätze. 68 69 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 88f Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 99ff Seite 61 Jene Scores, die in Zukunft als Kennzahlen in bankenübliche Ratingmodelle einfließen, können im Zuge der üblichen quantitativen Validierung in die laufende Überprüfung mit einbezogen werden. Damit sind auch für das Softfact-Ratingmodell die gemäß Basel II vorgegebenen Mindeststandards einer Validierung erfüllt.70 7.5 Ratinghandbuch und Primärerhebungen 7.5.1 Ratinghandbuch Das Ratinghandbuch stellt im Rahmen der Bonitätsbeurteilung von Unternehmen die zentrale Dokumentation Gewährleistung der und Regelsammlung Verfahrenssicherheit als dar, auch die sowohl extern intern zur gegenüber der bankenaufsichtlichen Kontrolle zum Einsatz kommt. Folgende Schwerpunkte sind in einem Ratinghandbuch umzusetzen: • grundlegende Informationen zur Ausgangssituation für das Rating der Softfacts inklusive Zielsetzungen und Ratingmotivation; • Generierung der Datenbasis inklusive Festlegen der Datenquellen, Datenqualität, Erhebungs- und Analysemethodik; • Festlegung des Scoring-Abläufe und der Scoring-Details inklusive der Regeln für die Errechnung von Durchschnittsscores; • Formulierung der individuellen Verfahrensbestandteile wie Marktszenarien, Performance-Empfehlungen, Fragenkataloge und Hearing-Themen; • Zu achten ist auf einen entsprechenden Detaillierungsgrad, sowohl die interne Verfahrensanleitung betreffend, als auch eine objektive Verfahrensüberprüfung im Form der qualitativen Validierung. 7.5.2 Primärerhebung über Hearings Die Hauptkritikpunkte der Banken im Rahmen der Finanzierung von Unternehmensneugründungen liegen in der Unvollständigkeit der Businesspläne, der 70 Vgl. Thonabauer / Nösslinger (2004): Ratingmodelle und Validierung, 99 Seite 62 subjektiven und euphorischen Zukunftsvorschau und der nur schwer einzuschätzenden UnternehmerInnen-Persönlichkeit (vgl. Anhang). Für eine plausible Einschätzung der zu beurteilenden qualitativen Erfolgskriterien reicht die bankenübliche Praxis nur bedingt aus. Zum Einen fehlt die Zeit das Gründungsprojekt im Detail zu durchleuchten und zum Anderen oft auch das Knowhow und die Methodik auf die fachlichen Besonderheiten jedes einzelnen Gründungsprojektes einzugehen. Der in dieser Arbeit verfolgte Ansatz ist es, den Abstimmungsprozess zwischen RatingerstellerInnen und KreditwerberInnen zu verbessern, auch wenn das bedeutet mehr Zeit und mehr Knowhow in einzelne Ratingverfahren zu investieren. Die Durchführung eines Hearings, in dem UnternehmerInnen und bei Bedarf Schlüsselarbeitskräfte eingebunden sind, bietet die Möglichkeit, folgende Erfolgsfaktoren bzw. deren Erfüllung beurteilungsfähig herauszuarbeiten: • Persönlichkeitsprofil | Eignung zu UnternehmerInnen; • fachliche Qualifikationen des Schlüsselpersonals; • Vollständigkeit, Plausibilität der Businessplanung – insbesondere der Kostenund Erlös-Darstellungen und der unternehmerischen Erwartungshaltung; • betriebliche und persönliche Perspektiven; • Stärken und Schwächen (in allen Bereichen); • sonstige Statements und Erkenntnisse mit Ratingrelevanz. Um zu verwertbaren Ergebnissen in Form von Scores zu gelangen, werden ergänzend zu themenspezifischen Fragenkatalogen auch strukturierte oder freie Interviews eingesetzt – zum Beispiel als: • fiktives Bewerbungshearing zur Allein-Geschäftsführung; • Feedbackrunden zur Präsentation von Inhalten der Businessplanung (z.B. Aufwands- und Erlösplanung, Personalplanung, Marketingplanung, etc.); • protokollierte Workshops zur Ergänzung der Businessplanung. Voraussetzung für das Erlangen qualitativ hochwertiger Daten ist eine gezielte Hearing-Vorbereitung der beurteilenden Person/en in möglichst authentischen Seite 63 Rollen. Insbesondere die Durchführung eines fiktiven Bewerbungshearings erfordert eine professionelle Gestaltung des Auswahlprozesses bzw. umfassendes Fachwissen und Routine seitens der interviewenden Personen.71 Zur Sicherung der Datenqualität für das letztendliche Scoring sind zudem die wissenschaftlichen Standards zu inhaltlichen Analysen aller qualitativen Interviewergebnisse im Ratinghandbuch vorzugeben und strikt einzuhalten.72 7.5.3 Primärerhebung über Fragenkataloge Fragenkataloge dienen innerhalb einer Subkategorie als Hilfestellung bei der Beurteilung von ratingrelevanten Themen. Dabei werden, abgestimmt auf das Gründungsprojekt, allgemeingültige Theorien, Anforderungen und Handlungskriterien als Erfolgsfaktoren dargestellt, anhand derer die Leistungsfähigkeit des Unternehmens überprüft werden kann. So unterscheiden sich beispielsweise die Erfolgsfaktoren für einen Eintritt eines Unternehmens in einen gesättigten, stagnierenden und bedingt innovativen Massenmarkt (z.B. Speise-Gastronomie) grundlegend von jenen in ein wachsendes, hochtechnisiertes Zukunftssegment mit geringer Wettbewerbsdichte (z.B. Verfahrenstechnik zur Rohstoffrückgewinnung). Für eine realistische Einschätzung der Marktchancen anhand von Fragenkatalogen basierend auf den originalen bzw. adaptierten Businessplan ist zu beachten: • In einer Subkategorie sollten nur die wichtigsten erfolgsrelevanten Faktoren (z.B. Marktszenarien) aus der Sicht des Unternehmens dargestellt werden. • Die Erfüllung erfolgsrelevanter Kriterien wird über gezielte Fragestellungen zur Leistungsfähigkeit des Unternehmens beurteilt. • Je Fragestellung sind einzelne Leistungsempfehlungen und Anforderungen auszuformulieren und dem Leistungskatalog des Unternehmens gegenüber zu stellen (Handbuch). • Die Bewertung jeder einzelnen Fragestellung hat anhand der Skala HIGH | MEDIUM | LOW | ZERO zu erfolgen. 71 72 Vgl. Scholz, C. (2011): 210ff Vgl. Mayring, P. (2010): 48ff Seite 64 Die zusammenfassende Bewertung aller Antworten zu einem Scoring innerhalb einer Subkategorie kann sowohl rechnerisch als auch intuitiv erfolgen. Auf Basis eines gut abgestimmten Fragenkataloges besitzt auch ein intuitiv gefälltes Urteil, ob das Unternehmen auf das Marktszenario in hohem, mittlerem oder ungenügendem Maße vorbereitet wurde, eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Inhalte der Fragen-Kataloge im gegenständlichen Softfact-Rating sind im Kapitel 8 exemplarisch dargestellt. 8. Die Hauptkategorien im Softfact-Rating In einer Studie von E. Fröhlich und H. Pichler 2008 zur Schlüsselrolle der UnternehmerInnen bei Investitionsentscheidungen in KMU73 und einer Machbarkeitsstudie praxisnaher Ansätze u.a. für ein Bonitätsrating von Unternehmen wurden Soft- und Hardfacts mit je 50% gewichtet. Das UnternehmerInnen-Profil und das Unternehmensumfeld erhielten eine Gewichtung von je 20% und das Unternehmenskonzept von 10%. Das Rating der Finanzdaten beinhaltet dabei Details, die durch die Prüfung der Plausibilitäten einer Businessplanung anhand von Softfacts auch für Unternehmensneugründungen abgedeckt werden können. Damit ergibt sich für einen kombinierten Ansatz ein für KMU gültiges Verhältnis von 60:40 zwischen Soft- und Hardfacts in einem Gesamtrating. Legt man die in der Studie vertiefend genannten Details auf die für diese Arbeit gewählte Struktur der drei Rating-Hauptkategorien um, lässt sich eine tendenziell mit der Priorisierung der befragten Banken (siehe Anhang) übereinstimmende Ausgangsgewichtung der Themen festlegen: • UnternehmerInnen-Profil | Personal: 35% • Produkt | Markt | Marketing: 35% • Unternehmensorganisation | Finanzplanung: 30% 73 Vgl. Fröhlich, E. / Pichler, H. (2008): 284ff Seite 65 8.1 Ratingkategorie UnternehmerInnen-Profil | Personal (35%) Personenbezogene Faktoren des Unternehmenserfolgs, wie die Managementqualität oder das UnternehmerInnen-Profil finden sich bereits heute in den gängigen Ratingunterlagen der Banken wieder.74 Die für einen erfolgreichen Markteintritt und eine gute Entwicklung des Unternehmens maßgeblichen Eigenschaften der eingebundenen Personen werden unter dem Schlagwort „Humankapital“ mit den Attributen Wissen, Fach- und Sozialkompetenz und Motivation zusammengefasst. Diese Eigenschaften stellen die Basis für die Innovations- und Wandlungsfähigkeit eines Unternehmens und damit auch die Kerneigenschaften für den Neuaufbau unternehmerischer Strukturen dar.75 Für eine aussagekräftige Bewertung dieses Themenclusters bietet sich die Zusammenfassung folgender Eigenschaften in Rating-Subkategorien an: • Seriosität, Führungsstärke, Planungskompetenz, Entscheidungsfähigkeit, Managementrepertoire = UnternehmerInnen-Profil (Gewichtung: 50%) • Knowhow, Verfügbarkeit, Motivation, Leistungsvermögen = Personalplanung / Schlüsselpersonal (25%) • Produktivität, Effektivität, Kosteneffizienz = Personalkosten (25%) Daraus ist auch die Rolle abzuleiten die UnternehmerInnen sich selbst im Rahmen der Businessplanung zugedacht haben bzw. mit welchen Erwartungen (z.B. UnternehmerInnen-Lohn) sie in das jeweilige Gründungsprojekt gehen. In der Gewichtung der Subkategorien zueinander ist sowohl die vertrauensbildende Wirkung eines positiven UnternehmerInnen-Profils gegenüber KapitalgeberInnen als auch die Wertigkeit von fehlenden Managementqualitäten bei einem Scheitern von Unternehmen berücksichtigt (vgl. Kapitel 4.2.2). 8.1.1 UnternehmerInnen-Profil (50%) Zielsetzung im Rahmen der Beurteilung der Gründungspersönlichkeit ist das Schaffen von Vertrauen in: 74 75 Vgl. Eisl et al (2008): 681f Vgl. Dillerup, R. / Stoi, R. (2011): 740f Seite 66 • die Seriosität der Person bzw. des von ihr initiierten Gründungsprojektes; • deren fachliches und managementspezifisches Repertoire zur Planung, zum Aufbau und zur Leitung des Gesamtprojektes; • deren Fähigkeiten zur Reaktion auf sich ändernde Rahmenbedingungen und zur Bewältigung von Krisensituationen. Die Erhebung der Primärdaten erfolgt über ein fiktives Bewerbungsverfahren für eine Alleingeschäftsführung im Rahmen eines UnternehmerInnen-Hearings (vgl. Kapitel 7.5.2) u.a. auch in Bezug auf das vorhandene Management-Repertoire. Die Erhebungsmethode ist ein halbstrukturiertes Interview anhand eines vorab individuell formulierten Leitfadens.76 Die Sinnhaftigkeit einer Beurteilung der Ergebnisse mit den Scores HIGH, MEDIUM und LOW bzw. ZERO ist vorab in der Formulierung des Leitfadens zu berücksichtigen. Die Ergebnisse daraus müssen plausible Rückschlüsse auf den Erfüllungsgrad eines fiktiven Anforderungsprofils erlauben. Dieses Profil orientiert sich am hierarchischen Ebenen-Modell der Unternehmensführung:77 • Die normative Unternehmensführung prägt den Gestaltungsrahmen, der dem Unternehmen seine Persönlichkeit und Identität verleiht. Sie sichert die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens • Die strategische Unternehmensführung sorgt für die Ausschöpfung bestehender und die Erschließung neuer Erfolgspotenziale. Sie zeichnet für die Zielsetzung und die Definition der Vorgehensweisen verantwortlich. • Die operative Unternehmensführung hat ihren Fokus auf den bestehenden Erfolgspotenzialen und umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle der laufenden Aktivitäten eines Unternehmens. Rückschlüsse auf Unternehmensführung die Fähigkeit ergeben sich zur in der normativen Regel aus und der strategischen Qualität des Businessplans. Die Bewertung der Fähigkeit zur operativen Unternehmensführung muss hingegen im Rahmen des Hearings gezielt abgefragt werden. Daher ist eine 76 77 Vgl. Scholz, C. (2011): 226 Vgl. Dillerup, R. / Stoi, R. (2011): 36f Seite 67 abschließende Beurteilung des UnternehmerInnen-Profils frühestens mit Abschluss des Hearings und der Verifizierung der Hearing-Ergebnisse sinnvoll. Sind bei Unternehmensneugründungen die normativen und strategischen Führungsaufgaben meist bei den GründerInnen direkt angesiedelt, werden operative Führungsaufgaben oft an ein Management abgegeben. In diesem Fall ist bei der Beurteilung auch die Qualität des operativen Managements einzubeziehen. Im Zuge dessen ist auch festzustellen, ob ausreichend Ressourcen für Managementaufgaben bereit stehen bzw. inwieweit die UnternehmerInnen durch derartige Aufgaben für produktive Leistungen nicht zur Verfügung stehet (vgl. Kapitel 8.2.1). Ergänzende Datenquellen sind analog zu Personalauswahlverfahren Unterlagen wie Lebensläufe, Ausbildungs- und Dienstzeugnisse, Empfehlungsschreiben oder Nachweise von selbstständigen Projekt- und Managementtätigkeiten etc. Üblicherweise sind derartige Informationen im Businessplan eingearbeitet. Die Auswertung eines möglichen Fragenkatalogs erfolgt intuitiv in einer überblickshaften Einschätzung der vorhandenen Fähigkeiten im Unternehmen durch die Vergabe von Scores. Zu beachten ist dabei immer, ob das Leistungsvermögen der UnternehmerInnen ausreichend und inwieweit das mit bewertete Management erkannte Schwächen auszugleichen imstande sind. Im Falle der Errechnung eines Durchschnittsscores ist vorab zu klären, in welchem Ausmaß der Score des Managements im Verhältnis zu jenem der UnternehmerInnen einzubeziehen ist. Diagnostizierte Schwächen im UnternehmerInnen-Profil bieten für eine zweite Ratingrunde Ansätze zur Änderung der Businessplanung. Speziell in der operativen Unternehmensführung kann Knowhow geschult, rekrutiert oder zugekauft werden. 8.1.2 Personalplanung / Schlüsselpersonal (25%) Die Personalplanung, getrennt in die Phase des Aufbaus des Unternehmens, die Markteintrittsphase und eine mittelfristige Ausbauphase im Rahmen der Marktdurchdringung legt fest, wie viele Mitarbeiter, welcher Qualifikation, zu welchem Seite 68 Zeitpunkt, an welchen Orten und zu welchen Kosten zur Realisierung des geplanten Leistungsprogramms erforderlich sind.78 Die Personalplanung ist Bestandteil des Businessplans und setzt klare Vorstellungen über die Art, den Umfang und die Prozesse im Rahmen der Leistungserstellung bzw. der Absatzstrategie voraus. Besonders kritisch ist in diesem Zusammenhang die Verfügbarkeit, aber auch die Auslastung von Schlüsselpersonal zu betrachten. Ziel ist es, den idealen Mix an Fachkräften für die entscheidenden Positionen im Betrieb zu finden und zum richtigen Zeitpunkt möglichst offensiv und produktiv bereitzustellen. Besonders für Aufgaben im KundInnenkontakt, Verkauf, Vertrieb bzw. in Bereichen, die hohes Expertenwissen voraussetzen, sind Fachkräfte u.U. nur schwer zu finden bzw. nur über einen langen Zeitraum adäquat auszubilden. Die Bewertung der Personalplanung bzw. der Verfügbarkeit von Schlüsselpersonal orientiert sich einerseits an der möglichst vollständigen Besetzung der wichtigsten Positionen und andererseits an der Koordination der verfügbaren Ressourcen. Besonders bei kleineren Gründungsprojekten mit einer überwiegend auf die GründerInnen abgestimmten Kompetenzverteilung ist die Konzentration der Schlüsselqualifikationen auf eine Person nicht mehr mit deren Kapazitäten vereinbar. Die Konsequenzen daraus sind Qualitätseinbußen, Überforderung, Produktivitätseinbußen etc. Zentrale Datenquelle ist der Businessplan bzw. dessen kritische Diskussion im Rahmen des UnternehmerInnen-Hearings (vgl. Kapitel 7.5.2). Als Erhebungsmethode bietet sich ein individuell abgestimmter Fragenkatalog an, anhand dessen unter Einbeziehung von allgemeingültigen Branchenerkenntnissen die aktuelle Personalplanung hinterfragt wird (vgl. Kapitel 7.5.3). Die Scores werden als HIGH, MEDIUM, LOW oder ZERO vergeben. Der Gesamtscore dieser Subkategorie kann als Durchschnittswert bei gleicher Gewichtung aller Scores errechnet werden. Dieser Punktwert geht mit der Gewichtung von 25% in das Scoring für die Rating-Subkategorie UnternehmerInnen-Profil | Personal ein. Erkannte Schwächen in der Personalplanung bieten für eine zweite Ratingrunde weitreichend Ansätze für Änderungen in der Businessplanung. Insbesondere der zeitgerechte Aufbau von Knowhow, aber auch der Zukauf von Leistungen oder die 78 Vgl. Scholz, C. (2011): 121 Seite 69 Auslagerung von Leistungseinheiten wirken sich entscheidend auf die Erfolgsaussichten eines Gründungsprojektes aus. 8.1.3 Personalkosten (25%) Im Rahmen der Businessplanung werden üblicherweise auch Personalkosten geschätzt und auf den künftigen Geschäftsverlauf projiziert. Dabei stellen die Kosten für Personal je nach Branche einen großen Kostenblock mit weitgehendem Fixkostencharakter dar.79 Bei kleineren Projekten werden Personalkosten oft als Konstante aus Branchenvergleichen abgeleitet oder anhand von Normjahren linear hochgerechnet. Bei Unternehmensneugründungen mit zeitlichem Druck (time to market) und dem Zwang zu aufrechter Liquidität auch in der noch erlösarmen Nachgründungsphase ist hingegen die exakte Planung von Personalaufwänden überlebensnotwendig. Dabei werden u.a. Sonderzahlungen wie 13./14. Monatsgehälter, Provisionen, Dienstgeberbeiträge, Rücklagen für Pensions- und Abfertigungszahlungen, unproduktive Zeiten durch Urlaube, Krankheit oder Karenzzeiten, der erwartete UnternehmerInnenlohn inkl. Abgaben etc. oft nur unzureichend berücksichtigt. Auch gilt es, zuzukaufendes Aushilfs-/Leasingpersonal in der Planung zu berücksichtigen. Ziel der Bewertung der Personalkostenplanung ist es, das realistische Volumen der für diesen Kostenblock benötigten liquiden Mittel sowohl während der Markteintrittsphase, als auch im Normbetrieb zu ermitteln und der Businessplanung bzw. vergleichbaren Branchenwerten gegenüberzustellen. Als Erhebungsmethode bietet sich ein individuell erstellter Fragenkatalog an, anhand dessen eine Bewertung der Plandaten und darüber hinaus Rückschlüsse auf die Vollständigkeit der Liquiditätsplanung des Unternehmens ermöglicht werden. Die Scores für die Konsequenzen aus einer plausiblen Personalkostenplanung werden als HIGH, MEDIUM, LOW oder ZERO vergeben. • Der Gesamtscore dieser Subkategorie kann als Durchschnittswert bei gleicher Gewichtung aller Scores errechnet werden. Dieser Punktwert geht 79 Vgl. Wöhe, G. (2010):128f Seite 70 mit der Gewichtung von 25% in das Scoring für die Rating-Subkategorie UnternehmerInnen-Profil | Personal ein • Erkannte Optimierungspotenziale im Rahmen der Personalkosten bieten für eine zweite Ratingrunde gute Ansätze zur Änderungen der Businessplanung. Insbesondere in der Frage des Zukaufs von Leistungen bieten sich alternativ zur kostenintensiven Eigenleistung Optionen wie z.B. Personalleasing zu Spitzenzeiten, Kooperationsformen mit Zulieferern etc. an. 8.2 Ratingkategorie Produkt | Markt | Marketing (35%) In der Literatur wird Marketing als Prozess definiert, durch den Individuen bzw. Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen indem Sie Produkte erzeugen bzw. Leistungen von Wert bereitstellen, sie anbieten und miteinander austauschen.80 Dabei umfasst Marketing in einer klassischen Interpretation alle Prozesse wie Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potenziellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten: 81 • Diese Definitionen verdeutlichen den Stellenwert von Marketing als marktorientierte Unternehmensführung und strategisch, operatives Führungskonzept und damit als entscheidender Faktor des Unternehmenserfolgs. • Marketing als zentrale UnternehmerInnen-Disziplin reicht dabei weit über die Funktion der Verkaufsunterstützung hinaus, sie nimmt vielmehr die Funktion einer Führungsphilosophie bzw. eines Managementleitbildes wahr. Insbesondere bei der Schaffung neuer, auf bestehende oder künftige Märkte ausgerichteter Unternehmensstrukturen, ist die Fähigkeit die marktseitigen Rahmenbedingungen für das eigene Unternehmen richtig zu deuten entscheidend. Nur damit lassen sich geeignete Ansätze und Strukturen entwerfen, die ein Reüssieren der Gründungsidee im Wettbewerb ermöglichen. Die in Strategien, Strukturen und Maßnahmen mündenden Einschätzungen von Potenzialen, Chancen und Risiken sind im Businessplan beschrieben. Darin sollte nachvollziehbar auch die wechselseitige Wirkung der wichtigsten über das Marketing 80 81 Vgl. Kotler, P. et al (2011): 39 Vgl. Meffert, H et al (2012): 11f Seite 71 definierten Einflussfaktoren auf den Gründungs-/Geschäftserfolg analysiert und mit geeigneten Strukturen und Maßnahmen unterlegt sein. Marketing ist eine wissenschaftlich ausgereifte und lösungsorientierte Disziplin, die für zentrale Fragen von Ursachen und Wirkungen im Themenkomplex Produkt und Markt eine Fülle an Ansätzen und Empfehlungen bereitstellt. Im Zuge der Bewertung von zum Teil neuen und innovativen Gründungsprojekten stellt sich daher auch die Frage, inwieweit GründerInnen vorhandene Marketingkompetenzen auf neuartige Marktszenarien ausrichten können um Wettbewerbsvorteile zu generieren. Für eine möglichst vollständige Bewertung der Plausibilität und Durchgängigkeit der marktseitigen Planungen im Rahmen eines Ratings bietet sich die Einteilung der Rating-Hauptkategorie „Produkt | Markt | Marketing“ in folgende Subkategorien an: • Das Produkt/die Dienstleistung inkl. aktueller Produkt- und Preisgestaltung, KundInnennutzen/USP, Wettbewerbsposition, etc. (20%) • Der Markt/die Branche inkl. Wettbewerb, Segmentierung, Zielgruppe, Chancen und Risiken, Entwicklungen, etc. (20%) • Die Markteintrittsphase inkl. Eröffnungsmarketing, Angebots- und Preisposition (Eröffnungsaktionen), Kommunikation, Werbung, etc. (20%) • Die mittelfristige Marketingstrategie (Durchdringung und Wachstum) inkl. künftiger Preispolitik, Produkt-/Leistungsentwicklung, neue/erweiterte Zielgruppen, neue/erweiterte Segmente, KundInnenbindung, etc. (20%) • Ergänzende Wettbewerbsfaktoren (individuell) inkl. Standortbeurteilung, KundInnenstock, Nebenstrategien, etc. (20%) Zu beachten ist dabei die Abhängigkeit einzelner Erfolgsfaktoren von der vernetzten Wirkung mehrerer Strategien und Maßnahmen. So wirken sich beispielweise neue Erkenntnisse zur Marktsituation und zum Wettbewerb direkt auf die Bewertung der ursprünglich entworfenen Marketingstrategien aus. Im Hinblick auf ein stimmiges Gesamturteil empfiehlt sich daher eine, die Subkategorien übergreifende schrittweise Beantwortung der Fragenkataloge und letztendlich eine Gleichgewichtung der Subkategorien im Rahmen des Scorings. Seite 72 8.2.1 Produkte (Sortiment) / Leistungen (20%) Ziel dieser Bewertungskategorie ist es, ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob das Produkt (Sortiment) bzw. die Leistung einen der zentralen Erfolgsfaktoren darstellt um mit der Geschäftsidee auf einem Markt zu reüssieren. Auch die Erkenntnis, dass das Produkt selbst durch seine ausreichende Qualität und seinen von der Zielgruppe akzeptierten Preis einem durch andere Faktoren begünstigten Erfolg nicht im Wege steht, kann positiv bewertet werden. Bezugnehmend auf die GründerInnen-Motivation kann das Produkt selbst den Kern der Geschäftsidee darstellen. In diesem Falle ist der Bewertungsfokus auf spezielle Eigenschaften eines vorgegebenen Produktes wie Innovation, Einzigartigkeit (USP), Preis etc. zu legen und in marktorientierte Strategien einzubinden. Im Falle anderer GründerInnen-Motivationen, wie beispielsweise die ledigliche Verfügbarkeit eines Standortes ohne vorgegebene Nutzung, sind im Businessplan formulierte Entscheidungen bezüglich Produkte, Branchen etc. grundsätzlich zu hinterfragen und bei Bedarf neu zu treffen. Die drei Dimensionen, zur Produktbeschreibung sind:82 • das Kernprodukt mit einer klaren Beschreibung des Basisnutzens, den das Produkt bietet (z.B. Bohrer bohren Löcher); • das reale Produkt mit wahrgenommenen Eigenschaften wie Qualität, Funktionalität, Design, Marke und Verpackung; • das erweiterte Produkt mit Zusatzleistungen wie Garantie, Schulung, Lieferung, Einbau, Versicherung, etc. Ergänzend dazu bestimmen folgende, direkt dem Produkt bzw. der Leistung zugeordnete Themen die Wahrnehmung der KäuferInnen: • Preisgestaltung bzw. Preis-/Konditionen-Politik • Verfügbarkeit • Substituierbarkeit und Wettbewerb (vgl. Kapitel 8.2.2) 82 Kotler, P. et al (2011): 588f Seite 73 Um die eingereichte Businessplanung auf produktseitige Erfolgsfaktoren für den Markteintritt bzw. die Marktdurchdringung überprüfen zu können, sind noch vor dem Bewertungsprozess eine Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten: • Produkt-/Sortiment-Analysen z.B. über Erfahrungskurven, Erfolgsfaktoren, Stärken-Schwächen, Lebenszyklen oder Produkt-Markt-Portfolios;83 • eigene und Sekundärerhebungen zum Thema Kundenstruktur, Bedarf und Akzeptanz von Produkten und Dienstleistungen; • Preiskalkulation (vgl. Kapitel 8.3.3), Volumenschätzungen (vgl. Kapitel 8.2.2); • Recherche der internen und marktseitigen Rahmenbedingungen und Formulieren von Strategieempfehlungen (Vgl. Kapitel 8.2.2); • Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch. Exkurs Markenführung: Produkte, die im Rahmen von Unternehmensgründungen neu auf den Markt gebracht werden, können selten auf bereits entwickelte Markenwerte als Erfolgsfaktoren zurückgreifen. Ausgenommen davon sind Handelsbetriebe mit Markenartikeln im Sortiment und Lizenz- und FranchisenehmerInnen. Das Thema Markenmanagement ist daher bei Gründungsprojekten eher im Rahmen der mittelfristigen Marketingstrategie zu bewerten (vgl. Kapitel 8.2.4). 8.2.2 Der Markt / die Branche (20%) In dieser Bewertungskategorie ist ein Überblick darüber zu erlangen, in welches marktseitige Umfeld mit der Geschäftsidee eingedrungen werden soll. Da die Marktbedingungen meist nicht aktiv beeinflusst werden können, ist es wichtig festzustellen, inwieweit die Unternehmensperformance auf die zu akzeptierenden Rahmenbedingungen ausgerichtet wurde und in welchem Markt- und Wettbewerbsumfeld die entwickelten Strategien als Erfolgsfaktoren wirken können. Für ein in den Markt eintretendes Unternehmen bedeuten die herrschenden Wettbewerbskräfte eine Mischung aus Eintrittsbarrieren und Eroberungschancen. Für eine stimmige Beurteilung der geplanten Unternehmensperformance und der erarbeiteten Strategien sind daher vorab die Wettbewerbssituation zu bestimmen, 83 Weber, J. / Schäffer, U. (2011): 400ff Seite 74 relevante Strategieempfehlungen zu formulieren und die Detailfragen auf das so entworfene Marktszenario abzustimmen. Ergänzend dazu ist eine Abgrenzung des Zielmarktes (Branche, Segmente, Zielgruppen) in Bezug auf Volumina und Potenziale vorzunehmen. Darüber hinaus sind klare Ziele zu formulieren, die sich auf ihre Plausibilität und nach erfolgtem Markteintritt auf ihre Erreichung überprüfen lassen. Um die eingereichte Businessplanung auf marktseitige Erfolgsfaktoren für den Markteintritt bzw. die Marktdurchdringung überprüfen zu können, sind noch vor dem Bewertungsprozess weitere Daten zu erheben und aufzubereiten: • Wettbewerbs- und Branchenanalysen z.B. über strategische Methoden wie SWOT- oder Portfolio-Analysen84 oder eine Analyse der Branchenstruktur (Five Forces) nach Michael E. Porter;85 • Eigene und Sekundärerhebungen zur geografischen und demografischen Marktstruktur in Bezug auf die Branche, den Wettbewerb, die Zielgruppe und mögliche Eintritts- und Wachstumsbarrieren; • Schätzungen/Vorgaben: Marktpotenzial, Marktvolumen, Ziel-Marktanteil • Recherche der produktseitigen Rahmenbedingungen (vgl. Kapitel 8.2.1) und marketingseitigen Vorgaben (vgl. Kapitel 8.2.4) und Formulieren von Strategieempfehlungen; • Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch. Exkurs: Branchenstrukturanalyse (Five Forces) 86 Einen bewährten Ansatz zur Analyse der Branchen- und Wettbewerbsstruktur bietet das Five-Forces-Modell von Michael E. Porter, nach dem fünf Wettbewerbskräfte die Attraktivität jeder Branche bestimmen und im Zuge dessen auch über Preisbildung, Kosten und Investitionen die Rentabilität einer Branche beeinflussen: 84 Kotler, P. et al (2011): 172ff Vgl. Dillerup, R. / Stoi, R. (2011): 188ff 86 Vgl. Dillerup, R. / Stoi, R. (2011): 188ff 85 Seite 75 • Verhandlungsstärke der LieferantInnen: kennzeichnet die Abhängigkeit von LieferantInnen bzw. den Zwang, oktroyierte höhere Preise auf Kosten einer besseren Marge zu akzeptieren. • Verhandlungsstärke der KundInnen: beschreibt die Möglichkeit der KundInnen alternative Produkte oder Anbieter zu wählen. • Gefahr der Substitution von Gütern: besteht dann, wenn Produkte einer Brache durch Produkte aus einer anderen ersetzt werden können. • Gefahr durch neue WettbewerberInnen: zeigt die Höhe der Eintrittsbarrieren für neue TeilnehmerInnen am Markt. • Rivalität im bestehenden Wettbewerb: zeigt das aktive Wettbewerbsverhalten der Unternehmen und gilt als die zentrale Triebkraft einer Branche. 8.2.3 Die Markteintrittsphase (20%) Diese Bewertung umfasst die konkrete Planung des Markteintritts des Unternehmens und damit die marktorientierte Realisierung des Gründungsprojektes. Dabei wird die Basis für die weitere Entwicklung des Unternehmens und die Erreichung späterer Ziele (z.B. Umsatz-, Marktanteils-, Renditeziele, u.v.m.) gelegt. Ein gelungener Markteintritt beispielsweise in Form einer Geschäftseröffnung ist imagebildend. Er schafft einen ersten, jedoch lange wirkenden Eindruck bei der Zielgruppe, aber auch in der breiten Öffentlichkeit und setzt starke Argumente bei KundInnen für oder gegen den Kauf eines Produktes bzw. die Nutzung eines Angebots. Der Eintritt in den Markt eröffnet auch die Erlösphase beim Unternehmen und damit oft auch den kritischen Erfolgsnachweis gegenüber den Gebern und Geberinnen von Kapital. Ab dieser Phase sind konkrete Rückschlüsse auf die Qualität der Planung und der Vorbereitung des Gründungsprojektes möglich. Angesichts der großen Bedeutung der Markteintrittsphase für den Unternehmenserfolg kommt auch deren Ausgestaltung – von der strategischen Zielsetzung bis zur konkreten Umsetzung von Werbemaßnahmen – eine zentrale Bedeutung zu. Zudem stellt ein ambitionierter Markteintritt oft einen großen Posten im Rahmen des Gründungsbudgets dar; zum Teil noch vor der Erlösphase und damit als Investition, die auch in die Investitionsplanung Eingang finden sollte. Seite 76 Die strategische Planung des Markteintrittes lässt sich einerseits über den Eintrittszeitpunkt bewerten, für den allgemeingültige Chancen und Risiken definiert und mit Strategieempfehlungen hinterlegt wurden. Dabei wird unterschieden:87 • Pionier: Innovationsführerschaft, temporäres Marktmonopol • Früher Folger: noch geringer Wettbewerb und erste Pionier-Erkenntnisse • Später Folger (Me Too): hohe Wettbewerbsdichte bei „gelerntem“ Markt • Nischenanbieter: unbesetzte Nischen in gesättigten Märkten Weitere Normstrategien und Einflussvariable auf Timing-Entscheidungen können auf Basis einer Marktlebenszyklusanalyse abgefragt und der Businessplanung gegenübergestellt werden.88 Die operative Aufgabenstellung im Rahmen des Markteintrittes umfasst deren Planung, die Organisation diverser Maßnahmen, die Umsetzung über einen definierten Maßnahmen- und Medienmix, die tatsächliche Einführung und die Phase der Überleitung in die laufende Geschäftstätigkeit. Bei der Bewertung der Markteintrittsphase ist daher auch die Gegenüberstellung der operativen Planung und der veranschlagten Kosten mit der im Businessplan formulierten Strategie bzw. mit internen Vorgaben (Produkte, Prozesse) und externen Rahmenbedingungen (Markt, Branche, Zielgruppe) notwendig. Um die geplante Markteintrittsphase in Bezug auf Vollständigkeit und Sinnhaftigkeit bewerten zu können, sind noch vor dem Bewertungsprozess eine Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten: • Analyse der Rahmenbedingungen für den Markteintritt z.B. nach dem Markteintrittszeitpunkt oder auf Basis eines Marktlebenszyklus; • Analyse der Intensität der Markteinführungsaktivitäten und des geplanten Marketing-/Medien-Mix z.B. nach dem Multi-Channel-Ansatz für Distribution und Kommunikation;89 • eigene Erhebungen u.a. im Bereich regionaler Marketingusancen und Analyse von Sekundärdaten wie Branchenstudien; 87 Vgl. Meffert, H et al (2012): 436ff Vgl. Meffert, H et al (2012): 284ff 89 Vgl. Meffert, H et al (2012): 557f 88 Seite 77 • Volumenberechnungen und Detailplanungen; • Recherche der produkt-, markt- und marketingseitigen Rahmenbedingungen (Vgl. Kapitel 8.2.1, 8.2.2 und 8.2.4) und Formulieren von StrategieEmpfehlungen; • Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch. 8.2.4 Die mittelfristige Marketingstrategie (20%) Die Rahmenbedingungen für die Marketingstrategie des Unternehmens wurden bereits über die Fragenkataloge Produkt/Leistung und Markt/Branche mit den Annahmen in der Businessplanung abgeglichen. Ebenso wurde die Konzeption der Markteintrittsphase, in der Kernaussagen zur mittelfristigen Marketingstrategie vorweggenommen sind, bereits eingehend beurteilt. Die Bewertung der mittelfristigen Marketingstrategie selbst hat daher zum Ziel eine Eignung des Unternehmens für die erfolgreiche Teilnahme am Wettbewerb und infolge dessen die Erreichung der Unternehmensziele festzustellen. Sie beschäftigt sich, abgesehen von der groben Einschätzung künftiger Werbe- und Marketingbudgets weniger mit der Detail- und Maßnahmenplanung im operativen Marketing, als mit strategischen Bekenntnissen zu Produkten/Preisen, Leistungen, Märkten, MitbewerberInnen, KundInnen/Zielgruppen etc. als Handlungsrahmen für alle Unternehmensaktivitäten. Im Rahmen der Zielsetzung sind unterschiedliche Inhalte zu definieren: 90 • ökonomische Ziele: Umsatz, Marktanteil, Absatzvolumen, Rendite etc. • ökologische/soziale Ziele: Nachhaltigkeit, Fairness etc. • psychographische Ziele: Image, Bekanntheit, Motivation, Kaufabsicht etc. Im Detail gilt es, Ziele und Strategien allgemeingültig in Form logischer Schlussfolgerungen aus vorangegangenen Analyseschritten abzuleiten, mit der aktuellen Businessplanung abzugleichen und infolge einen entsprechenden Marketing-Mix91 festzulegen. 90 91 Vgl. Meffert, H et al (2012): 256ff Vgl. Meffert, H et al (2012): 22 Seite 78 Die Beurteilung der Marketingstrategie inklusive des Marketing-Mix bezieht sich auf die mögliche Bildung von strategischen Geschäftsfeldern ebenso wie auf grundsätzliche Vorgaben in Bezug auf. • die Produkt- und Preispolitik; • die weiterführende marktspezifische Entwicklungsrichtung; • die Kommunikationspolitik; • die Zielgruppen- und KundInnenpolitik; • u.v.m. Um die mittelfristige Marketingstrategie in Bezug auf ihre Vollständigkeit und Sinnhaftigkeit bewerten zu können, sind noch vor dem Bewertungsprozess eine Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten: • Festlegung sinnvoller mittelfristiger Zielsetzungen auf Basis der bisherigen Analysen und Bewertungen (vgl. Kapitel 8.2.1, 8.2.2, 8.2.4); • Definition von (Norm-) Strategien zur Produkt-/Preis-/Kommunikations- und Distributionspolitik unter Berücksichtigung der bisherigen Analyseergebnisse und Bewertungen bzw. aufgrund allgemeingültiger Erkenntnisse; • Definition von (Norm) Strategien für die künftige Kunden-/Zielgruppenpolitik; • eigene Erhebungen und Analyse von Sekundärliteratur u.a. im Bereich branchenüblicher Strategien und Best-Practice-Samples; • Formulieren von Strategieempfehlungen für das Gründungsprojekt; • Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch. 8.2.5 Ergänzende Wettbewerbsfaktoren (20%) Je nach Branche bzw. Gründungssituation können zusätzliche Faktoren aus dem Kontext „Produkt | Markt | Marketing“ für den in Aussicht gestellten Unternehmenserfolg ausschlaggebend sein. Voraussetzung für die gesonderte Berücksichtigung beim Rating ist eine direkte, unmittelbare Wirkung auf den Unternehmenserfolg und eine als ausreichend erkannte Dimension. Derartige Seite 79 Faktoren sind in die Bewertung der Businessplanung aufzunehmen und analog zu den bisherigen Kapiteln aufzubereiten und zu beurteilen. Nachstehende Beispiele sind lediglich eine kleine Auswahl an möglichen Themen für ergänzende Wettbewerbsfaktoren. Welche zusätzlichen Faktoren entscheidenden Charakter für den Erfolg von Unternehmensgründungen besitzen, ist für jedes Projekt separat zu eruieren und entsprechend auszuformulieren: • Standort: besonders bei Gründungsprojekten steht oft nur eine Standortalternative zur Auswahl, die je nach Branche als entscheidender Faktor maßgeblich für den Unternehmenserfolg verantwortlich zeichnet. Dieser Faktor wäre im Rahmen der gemeinschaftlichen Beurteilung der Marketingstrategien verhältnismäßig niedrig gewichtet. • Vorhandener KundInnenstock: Übernommene KundInnen aus früheren Geschäftsbeziehungen oder beim Einstieg in Vertriebssysteme bieten einen direkt auf den Geschäftserfolg wirkenden Wettbewerbsvorteil. • Nebenstrategien: oft lassen sich durch den Aufbau von Leistungen und Strukturen Angebote definieren die zwar ursächlich wenig mit der Gründungsidee zu tun haben, jedoch im Sinne einer besseren Auslastung oder der Nutzung von Knowhow aktiv vermarktet werden können. Beispiele: Vermietung von Raum- oder Rechnerkapazitäten, Hosting von Websites, Beratung und Coaching, Gründung von Einkaufsgemeinschaften, Teilen von Logistik-Infrastruktur etc. Der Themencluster Personal ist in dieser Kategorie nicht mehr zu berücksichtigen – eine ausführliche Beurteilung „UnternehmerInnen-Profil | dazu Personal“ ist bereits eingeflossen. in die Ebenso Ratingkategorie sind, keine überproportionale Gewichtung vorausgesetzt, Wettbewerbsvorteile in Form von Kooperationen, Marketingverbänden, Absatz-Plattformen oder Franchise-Systemen in den Kategorien Produkt/Leistung und Markt/Branche zu berücksichtigen. Seite 80 8.3 Ratingkategorie Unternehmensorganisation | Finanzierung (30%) Zur Abrundung des Ratings von Unternehmen in ihrer Gründungsphase gilt es jene Themen zu bewerten, die eine Vorschau auf künftige Hardfacts im Rahmen eines späteren Finanzratings ermöglichen und einen Rückschluss auf die Aufbringung und Verwendung der einzusetzenden Mittel erlauben. Als reine Plandaten ohne Vergleichswerte stellen Sie lediglich Richtgrößen dar, deren Plausibilität unter realistischen Rahmenbedingungen festgestellt werden muss. Eine Simulation tatsächlicher Geschäftsverläufe und damit die vorausgreifende Definition künftiger ratingfähiger Kennzahlen als Hardfact-Ersatz ist aus Sicht der befragten Kreditinstitute nur bedingt sinnvoll (siehe Anhang). Die Bewertung der Plausibilität der Finanzplanung von Gründungsprojekten schafft keinen Fakten, sondern erlaubt lediglich Rückschlüsse auf die Qualität der Planung bzw. der Kompetenz der planenden Person und ist daher Bestandteil des Softfacts-Ratings. In dieser Ratingkategorie sollen jene Einschätzungen auf ihre Plausibilität geprüft werden, die möglichst in Form einer Investitionsplanung, einer Plan-Bilanz bzw. einer Plan-GuV als Finanzteil 92 dem Businessplan beiliegen: • Unternehmensorganisation: Hinterfragen der geplanten Aufbau- und AblaufOrganisation als zu finanzierender Rahmen der Leistungserstellung (20%). • Investitionsplanung: Beurteilung der einzelnen Investitionsprojekte in Hinsicht auf ihre Notwendigkeit, Kostenstruktur und Finanzierung (40%). • Kosten-/Erlös-Vorschau und Liquidität: Bewertung der im Businessplan eingepflegten Erlös-Szenarien und Kosten-Schätzungen mit dem besonderen Fokus auf die gesicherte Liquidität des Unternehmens (40%). Besondere Bedeutung erhält diese Ratingkategorie in einer zweiten Ratingrunde, in der eine optimierte Businessplanung in der Investitionsplanung bzw. in der Vorschau auf die Kosten-/Erlös-Struktur eine deutliche Ergebnisveränderung zeigen sollte. Die Bedeutung von Kennzahlen in dieser Ratingkategorie Zwar ist eine Ableitung von Kennzahlen aus reinen Plandaten in nur wenigen Fällen seriös möglich, es können jedoch für die aktuelle Finanzierungsentscheidung und 92 Vgl. Gumpetsberger, A. (2010): 214ff Seite 81 eine spätere Kontrolle überblickshaft Finanzierungskennzahlen vorausschauend bewertet und im Zeitverlauf dargestellt werden – das sind beispielsweise:93 • Eigenkapitalquote und Verschuldungsgrad (zum Gründungszeitpunkt und nach einem Jahr): gilt als wichtiges Argument bei der Vergabe von Krediten; • Schuldentilgungsdauer: veranschaulicht die in der Planung unterstellte und auf ihre Plausibilität geprüfte Fähigkeit des Unternehmens das Fremdkapital aus der ordentlichen Geschäftstätigkeit heraus zurückzuzahlen; • Liquidität 1. Grades (im Zeitverlauf): zeigt, ob die Planung der Erlöse und Aufwände lückenlos die Zahlung der laufenden Verbindlichkeiten ermöglicht; • Break Even Point: zur Veranschaulichung, ob die Erlösplanung mit dem plausiblen Mindestumsatz zur Vollkostendeckung korreliert; • Alle Zeitaufzeichnungen, Personen- und Stückzahlen bzw. Geldwerte, um die Dimension einzelner Leistungen zu veranschaulichen und über Kennzahlen zur Produktivität und Effizienz für diverse Vergleiche aufzubereiten. Diese und weitere Kennzahlen dienen als wissenschaftlich untermauerte und gelernte Dimensionen zur wertmäßigen Deutung der Unternehmensplanung und bilden die Grundlage eines künftigen Plan-Ist-Vergleiches. Sie erfüllen jedoch nicht die Gütekriterien von Finanzdaten im Rahmen eines Hardfact-Ratings. 8.3.1 Unternehmensstruktur (20%) Der konkrete Aufbau des Unternehmens und die Gestaltung der Abläufe im Rahmen der Leistungserstellung sind weitere wichtige Bestandteile der Plausibilitätsprüfung der vorgelegten Businessplanung. Zwar sind die strategischen Einflüsse vieler der hier einzuordnenden Erfolgsfaktoren in den bisherigen Bewertungskategorien schon berücksichtigt worden (z.B. der Standort). Die unabhängige Bewertung der Unternehmensstruktur und der Prozesse in Hinsicht auf ihre Erfordernis und ihre Wirkungsweise fehlt jedoch noch. Die zentrale Fragestellung dabei ist, ob mit der geplanten Ausgestaltung des Unternehmens und den geplanten Prozessen im Unternehmen bzw. an den 93 Vgl. Eschenbach, R. / Siller, H. (2009):226ff Seite 82 Schnittstellen nach außen die unterstellte Unternehmensleistung erbracht werden kann und wo Verbesserungspotenziale bestehen. Spielt die Aufbauorganisation zur Bestimmung der Bezugsebenen innerhalb des Unternehmens in dieser Ratingkategorie eine nur untergeordnete Rolle, ist die geplante Ablauforganisation mit der zeitlichen und räumlichen Gestaltung der Arbeitsabläufe nach Maßgabe des ökonomischen Prinzips ein wesentlicher Faktor.94 Folgende Kernthemen bei der Bewertung der Unternehmensstruktur sind in Bezug auf Funktionalität und Produktivität zu prüfen: • die Prozesse der Leistungserstellung, auch unter Einbeziehung externer Produktions- und Leistungsfaktoren (Zulieferbetriebe, Halbfertigprodukte, Kooperationsformen, Logistik-Partnerschaften etc.); • die Absatzwege (rein funktional) wie beispielsweise Ladenverkauf, OnlineHandel, Versandhandel, Außendienst-Vertrieb etc. - einzeln und kombiniert; • die betriebliche Infrastruktur (rein funktional) wie Ausstattung, Verkehrsanbindung, Rohstoffanbindung etc. Um die Unternehmensstruktur in Bezug auf ihre Vollständigkeit und Leistungsfähigkeit bewerten zu können, sind noch vor dem Bewertungsprozess eine Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten – u.a.: • organisationale und wertmäßige Definition einer üblichen und/oder optimierten Ablauforganisation, die der tatsächlichen Businessplanung gegenüber gestellt werden kann; • eigene Erhebungen und Analysen von Sekundärliteratur u.a. im Bereich branchenüblicher Kosten und Prozesse; • Formulieren von Strategieempfehlungen für das Gründungsprojekt; • Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch. 94 Vgl. Wöhe, G. (2010):124 Seite 83 8.3.2 Investitionsplanung / Finanzierung (40%) Im Zuge einer Unternehmensneugründung mit entsprechendem Kapitalbedarf kann davon ausgegangen werden, dass auch Investitionen getätigt werden sollen, die nicht innenfinanziert werden können. Zum weiten Feld der Gründungsinvestitionen zählen beispielsweise die Anschaffung bzw. die Adaptierung von Anlagevermögen, die Zahlung von Ablösen, Lizenzkosten oder Franchise-Eintrittsgebühren, Forschungs- und Entwicklungskosten bis zur Marktreife eines Produktes, die Aufbauund Gründungskosten des Unternehmens, die Vorfinanzierung von Gehältern oder Umlaufvermögen, u.v.m. In dieser Subkategorie geht es im Kern also um die Festlegung jenes Kapitals, um das sich die GründerInnen abzüglich möglicher Eigenfinanzierungsanteile bei GeberInnen von Fremdkapital bewerben. Die Bewertung der Investitionsplanung hat daher möglichst detailliert zu erfolgen: • Prüfen der Notwendigkeit jeder Investition im geplanten Ausmaß (Wert, Zeitspanne) bzw. zum geplanten Zeitpunkt; • Bewerten der Details der Planung mit dem Fokus auf ihre Optimierung und auf der Identifikation von Einsparungspotenzialen; • Festlegen der Art und des Umfangs der Finanzierung aller Investitionen; • Berücksichtigung der Puffer-Finanzierung der laufenden Kosten einer meist erlösarmen Markteintrittsphase bis zur Erreichung der vollen Erlöskraft aus dem Investitionsbudget. Ziel dieses Ratings Finanzierungsbedarf den ist es festzustellen tatsächlichen inwieweit Erfordernissen der im signalisierte Rahmen des Unternehmensaufbaus entspricht. Erst ein Vertrauen der KapitalgeberInnen darin, dass das Gründungsprojekt für einen erfolgreichen Markteintritt ausreichend dotiert wurde ohne durch erhöhte Tilgungs- und Kapitalkosten den Unternehmenserfolg zu beeinträchtigen, führt zu konkreten Finanzierungsentscheidungen. In diesem Zusammenhang kann auch die Feststellung eines höheren Kapitaleinsatzes insbesondere zur Überwindung von kritischen Phasen ein positives Ratingurteil darstellen. Immerhin wird in einer deutschen Studie zum Scheitern von Seite 84 Gründungsprojekten dieses mit einer zu niedrigen Anstoßfinanzierung begründet.95 Diese Finanzierungslücken entstehen oft dadurch, dass Banken bei der Vergabe von Krediten nur zu einer reduzierten Finanzierung bereit sind und damit das Gründungsprojekt bereits zum Start entscheidend schwächen. Um die Investitionsplanung ausreichend bewerten zu können, sind noch vor dem Bewertungsprozess eine Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten – u.a.: • organisationale/wertmäßige Definition einer branchenüblichen Infrastruktur; • Festlegen des Investitionsvolumens und des Finanzierungsbedarfs gesamt bzw. gesondert für die Markteintrittsphase; • Erhebungen und Analysen u.a. zu Alternativen und Kosten bei der Schaffung der Infrastruktur und zum branchenspezifischen Investitionsverhalten; • Erarbeiten von Alternativen und Planungsänderungen; • Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch. 8.3.3 Kosten- und Erlös-Vorschau | Liquidität (40%) Als aussagekräftiges Indiz, die Plausibilität der Businessplanung zu verdeutlichen, gilt die Kalkulation der Verkaufspreise von Produkten und Leistungen. Die Kalkulation der Verkaufspreise (Produkte und Leistungen, Stundensätze, ProjektKalkulationen etc.) unterstellt die genaue Kenntnis der Kosten, die über den Verkauf abgedeckt werden müssen und die Vorstellung davon, wie viel darüber hinaus erwirtschaftet werden soll bzw. muss. Dabei ist es nicht relevant, ob die UnternehmerInnen bei der Gestaltung der Preise freie Hand haben oder ob es anderweitig bestimmende Faktoren für die Preisberechnung gibt (gesetzliche Bestimmungen, Wettbewerbsstrategien, Franchise-Höchstpreise etc.). Beurteilt werden soll lediglich, ob eine seriöse Preiskalkulation im Rahmen der Businessplanung stattgefunden hat und ob diese mit den Rahmenbedingungen so korreliert, dass ein annehmbares Ergebnis der zukünftigen Geschäftstätigkeit erzielt werden kann. 95 Vgl. <http://www.ksv.at/KSV/1870/de/5presse/2medienarchiv/0pressemeldungen/201205/insolvenzursachen_2011/index.html> 12.9.2013: online Seite 85 Als Kalkulationsbasis dienen die im Businessplan erhobenen und auf ihre Plausibilität geprüften Umsatzziele. Dabei muss der Umsatz alle zu deckenden Vollkosten soweit übertreffen, dass zusätzlich Rückstellungen und Rücklagen dotiert werden können, Kapital für die Ablöse von Fremdkapital und für Investitionen in die Zukunft des Unternehmens bereit steht und ein Unternehmensgewinn lukriert wird. Die Personalkosten bzw. die Aufwendungen für Investitionen und damit auch die Kapitalkosten und die Kosten für das Eröffnungsmarketing bzw. die MarketingKernstrategien wurden im Rahmen des Ratings bereits definiert. Alle anderen Kosten sind ergänzend zu erheben. Als zweiten Bestandteil der Preiskalkulation sind aus der Ratingkategorie „Produkt | Markt | Marketing“ realistische Absatzvolumina abzuleiten, auf Basis derer die Umsatzziele (Plan-Aufwände + Plan-Betriebsergebnis) festgelegt werden können. Daraus ergeben sich Verkaufspreise für Stück, Leistungseinheiten oder Stunden, Ansätze für die Kalkulation von Projekten etc. Diese sind wiederum mit den formulierten Strategien und Ist-Werten im Regional- und Branchenvergleich auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Referenzgröße für die Beurteilung der Kosten- und Erlösplanung ist die dauernde Sicherung der Liquidität des Unternehmens. Um die Kosten- und Erlösvorschau entsprechend bewerten zu können, sind noch vor dem Bewertungsprozess eine Reihe von Daten zu erheben und aufzubereiten – u.a.: • Übernahme der bisherigen Kostenplanung bzw. der Details zur Preiskalkulation aus den vorangegangenen Ratingkategorien; • Ergänzung und bei Bedarf Optimierung der Kosten- und Erlösdaten; • Erhebungen und Analysen zu branchenüblichen Geschäftsergebnissen; • Übertragung der eingereichten und einer optimierten Kosten-/Erlösvorschau auf eine Zeitachse (Markteinführungsphase und Durchdringung); • Definition möglicher Kennzahlen und Start eines Controlling-Prozesses; • Erstellen des Fragenkatalogs, Festlegen des Scoring-Modus im Handbuch. Seite 86 9. Softfact-Gesamt-Rating für Unternehmensneugründungen Ein Rating von Gründungsprojekten auf Basis der Softfacts in einem Businessplan ist in erster Linie als in sich geschlossenes Modell zu sehen, das unabhängig von der Bewertung von Finanz-IST-Daten eine realistische Einschätzung der Ausfallswahrscheinlichkeit eines Kredites ermöglicht. Zum Einen wird dabei das Fehlen von vergangenheitsbezogenen Unternehmensdaten durch eine verbesserte Prüfung der Plausibilitäten der Businessplandaten kompensiert. Zum Anderen konzentriert sich die Beurteilung des Geschäftsmodells auf drei Erfolgsfaktoren, die den zu erwartenden Geschäftserfolg möglichst interdisziplinär und in realitätsnahen Zukunftsszenarien abbilden. Die drei über ein mehrschichtiges Scoring erhobenen Kennzahlen zu den Themen „UnternehmerInnen-Profil | Personal“, „Produkt | Markt | Marketing“ und „Unternehmensstruktur | Finanzierung“ können bzw. sollten einzeln bewertet und als Basis eines weiterführenden Controlling eingesetzt werden. Damit entstehen neben einem standardisierten Rating mit konkreten Aussagen zu den drei Erfolgsfaktoren bzw. zur Qualität des gesamten Gründungsprojektes weitere Anwendungsoptionen: • verbesserte Identifikation von Planungsstärken und -schwächen inklusive der Ableitung klarer Ansatzpunkte für eine zu ändernde Businessplanung im Hinblick auf eine zweite, potenzialorientierte Ratingrunde; • Schaffen von Schnittstellen zur Einbindung der erhobenen Scores als Kennzahlen in bestehende Ratingmodelle – auch für KMU-Ratings durch Adaptierung der in dieser Arbeit auf Unternehmensneugründungen eingeschränkten Beurteilungssystematik; • Schaffen von Erhebungs- und Kontrollpunkten für eine spätere Validierung der Methode in Bezug auf ihre Trennschärfe bei der Vorhersage der Ausfallswahrscheinlichkeiten eines Kredites. Seite 87 9.1 Darstellung des Ratings von Softfacts Die Darstellung der Scores der drei Rating-Hauptkategorien erfolgt als dreistelliger Code, bestehend aus den Anfangsbuchstaben der jeweiligen Scores HIGH (H), MEDIUM (M) und LOW (L). Dabei steht der erste Buchstabe immer für das Rating des Themas „UnternehmerInnen-Profil | Personal“, der zweite für „Produkt | Markt | Marketing“ und der dritte für den Bereich „Unternehmensstruktur | Finanzierung“. Muss einer der drei Teil-Scores bei Auftreten von No-Go-Kriterien mit ZERO (Z) beurteilt werden, ist dieses „Z“ anstatt des Ratingcodes einzusetzen. In einer auf Ausfallswahrscheinlichkeiten reduzierten Beurteilung wie z.B. bei Banken, endet hier der Ratingprozess. Bei einer auf Chancen und Risiken ausgerichteten Betrachtung bleibt die Möglichkeit der Veränderung der Businessplanung für eine zweite Ratingrunde mit dem Ziel No-Go-Kriterien auszubessern. Ergänzt wird der Code durch die Angabe des gewichteten Durchschnittsscores der drei Teil-Scorings in Form einer Zahl mit drei Nachkommastellen. Jeder Score lässt sich auf einer Skala von -1 bis 3 darstellen und einer je nach Risikobereitschaft der AnwenderInnen interpretierbaren Skala zuweisen (Kalibrierung). Die Interpretation der Ratingskala, auch als Formulierung eines individuellen Standards obliegt den jeweiligen AnwenderInnen. Bei Banken ist über eine derartige Skala die unterstellte Ausfallswahrscheinlichkeit des beantragten Kredites zu benennen, für InvestorInnen kann diese Skala das Potenzial für ein Unternehmenswachstum oder für Renditechancen darstellen. Legen InvestorInnen beispielsweise eine Mindestrendite von 8% des eingesetzten Kapitals pro Jahr fest, könnte ein Mindestrating nach dem zweiten Ratingdurchgang von jeweils einem HIGH in den Kategorien 1 und 3 vorgegeben werden. Für diese KapitalgeberInnen würden demnach Gründungsprojekte mit einem niedrigeren Rating für eine Beteiligung ausscheiden. 9.1.1 Gesamtrating (1. Runde) | Zielrating (2. Runde) Folgendes Beispiel veranschaulicht die Darstellung des Softfact-Ratings in Form eines Ratingcodes. Es wurden dabei die drei Hauptkategorien über ihre Subkategorien (vgl. Kapitel 7.3.3) wie folgt bewertet: Seite 88 Score Bewertung Gewicht Teil-Score *) UnternehmerInnen Profil | Personal 1,525 MEDIUM 35% 0,534 Produkt | Markt | Marketing 2,250 HIGH 35% 0,788 Unternehmensstruktur | Finanzierung 2,725 HIGH 30% 0,818 2,139 **) MHH 100% ∑ Rating-Kategorie GESAMT-Rating *) Teil-Score = Score je Rating-Kategorie x Gewicht je Rating Kategorie | **) Summe der Teil-Scores Tabelle 4: Gesamtrating (1. Runde) Der Code für das Gesamt-Rating des Gründungsprojektes lautet: MHH2,139 Übertragen auf eine Ratingskala lässt sich das Gesamtrating in einer in sich geschlossenen und rein auf Softfacts basierten Beurteilung wie folgt darstellen: Abbildung 13: Beispiel Darstellung Gesamt-Rating (1. Runde) Im Rahmen einer zweiten Ratingrunde besteht die Möglichkeit, ein Zielscoring in einzelnen Ratingkategorien zu formulieren. So kann beispielsweise eine Verbesserung des Scores in der Ratingkategorie „UnternehmerInnen-Profil | Personal“ auf zumindest 2.0 als Ziel vorgegeben werden: Seite 89 Ziel-Score Bewertung Gewicht Teil-Score *) UnternehmerInnen Profil | Personal 2,000 HIGH 35% 0,700 Produkt | Markt | Marketing 2,250 HIGH 35% 0,788 Unternehmensstruktur | Finanzierung 2,725 HIGH 30% 0,818 2,306 **) HHH 100% ∑ Rating-Kategorie GESAMT-Rating *) Teil-Score = Score je Rating-Kategorie x Gewicht je Rating Kategorie | **) Summe der Teil-Scores Tabelle 5: Zielrating 2. Runde Der Code für das Zielrating des Gründungsprojektes lautet: HHH2,306 Übertragen auf eine Ratingskala lässt sich das Zielrating wie folgt darstellen: Abbildung 14: Beispiel Darstellung Ziel-Rating (2. Runde) Wodurch im Detail die Verbesserungen realisiert werden können, zeigen die beim Rating vergebenen Bewertungen in den einzelnen Sub-Kategorien. Über eine in den Schwachstellen verbesserte Businessplanung bleibt das neu formulierte Geschäftsmodell ratingfähig und mit dem Ursprungskonzept vergleichbar. Seite 90 Die vorgenommenen Änderungen der Ausgangsplanung und die reale Umsetzung der Verbesserungsvorschläge müssen mit den GründerInnen abgestimmt in Beteiligungs- oder Kreditverträge eingearbeitet werden. 9.1.2 Interpretationsmöglichkeiten Je nach Ratingmotivation und Geschäftsphilosophie der KapitalgeberInnen soll das Rating sowohl ein objektives Standardurteil, als auch die Möglichkeit der freien Interpretation und damit der frei gewählten Kalibrierung bieten. Nachfolgende standardisierte Handlungsempfehlungen basierend auf das SoftfactRating in drei Rating-Hauptkategorien vermitteln durchaus konkrete Eindrücke zur Überlebensfähigkeit des bewerteten Gründungsprojektes und zur Renditechance im Falle eines Investments: Rating 3xH 2xH, 1xM 1xH, 2xM 3xM Rating-Urteil Starke Unternehmensperformance, hohes Erfolgspotenzial bei Markteintritt, gute Entwicklungsmöglichkeiten, hohe Überlebenschancen und erwartet hohe Krisenresistenz, Investmentempfehlung bei hohem Renditepotenzial Ausreichend Unternehmensperformance, erwartet guter Markteintritt mit Entwicklungsmöglichkeiten, gute Überlebenschancen bei eingeschränkter Krisenresistenz, Investment eher sicher bei geringem Renditepotenzial 1xL Teilweise kritische Unternehmensperformance mit möglichen negativen Auswirkungen auf den Markteintritt und die weitere Entwicklung, unsichere Krisenfestigkeit, laufendes Monitoring der L-Kategorie dringend empfohlen! ab 2xL Kein Investment ZERO Kein Investment Tabelle 6: Standardisierte Ratingergebnisse Die Teilung des Ratings in Scores für die drei Erfolgsfaktoren ohne Zusammenfassung auf ein Werturteil unterstützt den Ansatz der individuellen Formulierung: Seite 91 • Die Bewertung von Plandaten aufgrund ihrer Plausibilität bietet konkretere Rückschlüsse auf reale Schwachstellen bzw. erlaubt die Identifikation von Verbesserungspotenzialen und vermeidet so Akzeptanzprobleme. • Im Zuge der Integration lediglich einer verdichteten Ratingkennzahl in statistisch-empirische Ratingmodelle besteht die Gefahr der nur ungenügend nachweisbaren Trennschärfe des Ratings und der Mindergewichtung der Softfacts gegenüber anderen Entscheidungskriterien. Die freie Formulierung von Handlungsempfehlungen auf Unternehmensleistungen sowie nachvollziehbar zuordenbare Werturteile durch die AnwenderInnen ermöglicht es, objektive Ergebnisse internen Präferenzen zuzuordnen – z.B.: • Vorgabe eines Urteils von mindestens zwei HIGH und einem MEDIUM für eine Investitionszusage; • dabei muss ein HIGH die Ratingkategorie UnternehmerInnen-Profil | Personal betreffen; • Akzeptanz eines LOW für eine Ratingkategorie, wenn das gewichtete Gesamtrating aller drei Kategorien den Wert von 1,75 nicht unterschreitet; • u.v.m. Mit dem standardisierten Ansatz der Ratinginterpretation, der individuellen Formulierung von Handlungsalternativen in Bezug auf Ratingausprägungen und der beschriebenen Möglichkeit der individuellen Kalibrierung des Ratings nach Ausfallswahrscheinlichkeiten oder Chancenpotenzialen lässt sich je nach Ratingmotivation und Informationsanspruch der geeignete Zugang zur Bewertung der Chancen und Risiken einer möglichen Investition finden. 9.2 Schnittstellenfunktion Wie bereits mehrfach in dieser Arbeit angedeutet, hat das auf Softfacts basierende Rating von Gründungsprojekten verschiedene Ansatzpunkte über eine in sich geschlossene Betrachtungsweise hinaus wirksam zu sein. Der wichtigste Aspekt dafür ist die Reduktion des Ratingergebnisses auf drei repräsentative Kennzahlen, die in ihrer Aussage ausreichend trennscharf in „gut“ und „schlecht“ sind und damit Seite 92 zwischen einzelnen Projekten vergleichbar die relevanten Erfolgsfaktoren eines Unternehmens darstellen. Die gesamte Anpassung der Methode bzw. der Beurteilungsregeln an die jeweiligen Rahmenbedingungen des Gründungsprojektes erfolgt in den einzelnen Prozessschritten über Formulierungen und Gewichtungen. Damit werden zwar der Ablauf und die Qualität der Bewertung individuell optimiert, das Urteil selbst bleibt jedoch in einer prägnanten Ausprägung eindeutig und über alle Vergleichsgrenzen hinweg gültig. Für die Einbindung in bestehende Ratingsysteme erfüllt das gegenständliche Softfact-Rating daher spezifische Schnittstellenfunktionen: • Das Softfact-Rating für Unternehmensneugründungen kann, eine spätere Validierung der Methodik und eine Kalibrierung nach Ausfallswahrscheinlichkeiten vorausgesetzt, von Banken übernommen werden. • Die Kennzahlen können, eine Kalibrierung nach Ausfallswahrscheinlichkeiten und spätere Validierung der Gesamtmethode vorausgesetzt, direkt in bestehende Ratingmodelle - nicht nur für Gründungsprojekte - übernommen werden. Dabei ist auf eine ausreichende Gewichtung der Softfacts (z.B. 60% Softfacts zu 40% Hardfacts – vgl. Seite 66) im Gesamtrating zu achten. • Im Rahmen des empirisch-statistischen Nachweises der Trennschärfe des Ratings in „gute“ und „schlechte“ Unternehmen lassen sich aus den Detailergebnissen konkrete Ausfallsgründe ableiten. • Der Ratingansatz für Unternehmensneugründungen bietet sich durch die Prüfung der Plausibilitäten in einem Businessplan auch als Basis für ein weiterführendes Monitoring bzw. den Start eines Controllings an. • Ab einer entsprechenden Stichprobengröße von auf Basis von Softfacts beurteilten Unternehmensneugründungen am realen Markt lässt sich anhand der Ratingkriterien ein standardisiertes Marktbeobachtungsinstrument für Unternehmen und Branchen etablieren. In diesem Zusammenhang bildet ein fundiertes, weitgehend standardisiertes und in sich geschlossenes Rating von Softfacts in Businessplänen lediglich die Grundlage Seite 93 für einen vielschichtigen, mehrdimensionalen Bewertungsansatz im Umfeld von Unternehmensneugründungen. 10. Kritische Reflexion | Ausblick Grundsätzlich ist der Einsatz von Ratings zur Bewertung von Unternehmensneugründungen ausschließlich auf Softfacts basierend möglich. Bereits in einer Machbarkeitsstudie zum Nachweis der Schlüsselrolle der UnternehmerInnen bei Investitionsentscheidungen in KMU konnten unabhängig voneinander über ein Rating anhand von Softfact-basierten Bewertungsfeldern und über ein bankübliches Kreditrating vergleichbare Ergebnisse erzielt werden.96 Die dabei angewendeten Methoden zur Erhebung von ratingrelevanten Daten bzw. deren Zusammenfassung in Bewertungsfelder konnten im Rahmen dieser Arbeit mangels Bezug zu Unternehmensneugründungen jedoch nicht übernommen werden. Schwerpunkt dieser Arbeit war es daher, auf die speziellen Anforderungen beim Rating von Unternehmensneugründungen einzugehen und eine Softfact-RatingMethode für unterschiedliche Projekte und verschiedene AnwenderInnen- Zielgruppen und Ratingmotive zu entwerfen. Die unter diesen Prämissen entwickelte Systematik besitzt sowohl aus der Sicht der gängigen Ratingpraxis, als auch als finale Schlussfolgerung einer Kette von wissenschaftlich erwiesenen Fakten alle theoretischen Voraussetzungen für einen Praxiseinsatz als Ratingmodell. Nicht erbracht werden konnte im Rahmen dieser Arbeit der Nachweis der Validierung der Methode durch den empirischen Abgleich der Ratingergebnisse mit der tatsächlichen Ausfallswahrscheinlichkeit von Krediten. Dafür ist ein realer Einsatz des Systems an einer ausreichend großen Stichprobe von Ratingprojekten mit einer längerfristigen Beobachtung der Entwicklung der Unternehmen erforderlich. 96 Vgl. Fröhlich, E. / Pichler, H. (2008): 286 Seite 94 10.1 Bestätigung Arbeits-Thesen 10.1.1 Ad These 1: Zugang zur Gründungsfinanzierung durch Bankkredite Eine verbesserte Beurteilung der Softfacts bzw. der Plausibilität der Marktszenarien in Businessplänen beeinflusst aktuell und auch in Zukunft nur bedingt die Entscheidung von Kreditinstituten zur Vergabe von Krediten an Gründungsprojekte. Zum Einen ist die gängige Kredit-Vergabepraxis der Banken an Unternehmen in Gründung in Form des Standardansatzes durch die Bewertungsrichtlinien nach Basel II und III vollinhaltlich gedeckt. Zum Anderen ist das Kreditvolumen für Neugründungsprojekte so gering, dass die Schaffung einer weiteren, mit zusätzlichem methodischem Aufwand zu betreuenden Ratingklasse wirtschaftlich nur schwer zu rechtfertigen ist. Sehr wohl aber sehen die Kreditinstitute die Chance durch eine Bewertung der Softfacts das Ausfallsrisiko eines Kredites besser einschätzen zu können. Das gilt auch für das verbesserte Identifizieren von Geschäftschancen mit niedrigem Risiko. Eine praktische Anwendung einer Ratingmethode basierend auf Softfacts durch die Banken wurde am ehesten im Rahmen der Grundsatzentscheidung vor Aufnahme eines Vergabeverfahrens bzw. im abschließenden Override-Prozess zur exakten Bestimmung der Kreditkonditionen in Aussicht gestellt. Die wichtigste Rolle eines auf Neugründungen abgestimmten Ratingmodells wird von den Banken jedoch darin gesehen, einen verbesserten Zugang der KreditwerberInnen zu „zusätzlichem Eigenkapital“ zu erschließen. Besonders zu den Kernthemen Kreditsicherheit und Eigenkapitalquote wünschen sich die Banken neue Kommunikationsansätze um Dritte für einen substanziellen Einstieg in ein risikoreicheres Gründungsprojekt zu gewinnen. Kritisch äußern sich die befragten Bankenvertreter zum zu betreibenden hohen Aufwand bei der Erstellung eines Softfact-Ratings – auch bei einer externen Umsetzung der Beurteilung. 10.1.2 Ad These 2: Zugang zu alternativen Gründungsfinanzierungen Die schlüssige Beurteilung der Softfacts bzw. der Plausibilität der Marktszenarien in Businessplänen bei Unternehmensgründungen steigert die Chancen auf den Zugang zu alternativen/ergänzenden Finanzierungsformen zum klassischen Bankkredit. Seite 95 Diese These wurde seitens der Banken eindeutig bestätigt, auf eine Erhebung im Umfeld alternativer GeldgeberInnen wurde daraufhin verzichtet. Grund dafür ist die Schlussfolgerung, dass es zu Gründungsprojekten aktuell kaum nachvollziehbare Werturteile gibt, die als Entscheidungsgrundlage für ein Investment dienen. Ausgenommen für Banken und professionelle InvestorInnen bzw. FördergeberInnen, die über ein Ratinginstrumentarium verfügen, fehlt es oft an vertrauensbildenden Informationen zu einzelnen Projekten. In Anbetracht der aktuellen Schwierigkeiten, für verfügbares Kapital auf den Finanzmärkten eine angemessene Rendite bei möglichst geringem Risiko zu erzielen, steigt das Interesse an alternativen Anlageformen. Dazu zählen u.a. auch Beteiligungsmodelle an innovativen Gründungsprojekten mit einer entsprechenden Renditeerwartung, jedoch überschaubarer zeitlicher Bindung und geringem Risiko. Dafür gilt es jedoch Kommunikationsstrategien für vertrauensbildende Werturteile auch zu kleineren Gründungsprojekten zu entwickeln. In Analogie zu den aus der Wirtschaftsberichterstattung bekannten Staaten- und Unternehmensratings bietet sich auch für Gründungsprojekte eine Methodik an, die standardisierte Rückschlüsse auf mögliche Renditen und eine Vorschau auf Geschäftsentwicklungen bietet. Das in dieser Arbeit entwickelte Rating der Softfacts ist in der Lage, den späteren Nachweis seiner Treffergenauigkeit in Form einer Validierung vorausgesetzt, diese Funktion zu übernehmen. Damit besteht definitiv eine höhere Chance für Gründungsprojekte auf alternative oder ergänzende Finanzierungen zum Bankkredit. 10.1.3 Ad These 3: Validierungsfähigkeit des Ratingverfahrens Die Validierung eines Ratings von Unternehmen basierend auf die Beurteilung der Softfacts im Businessplan ist grundsätzlich möglich. Voraussetzungen dafür sind: • der Echteinsatz des entwickelten Modells bei einer ausreichenden Anzahl von Kreditvergabeverfahren; • die wissenschaftlich einwandfreie Vorbereitung des Nachweises eines Zusammenhangs zwischen dem Rating und der Ausfallswahrscheinlichkeit; • die tatsächliche erstmalige und laufende qualitative Validierung der Methode. Seite 96 Eine quantitative Validierung ist erst nach einer erfolgten Einbindung der gewonnenen Ergebnisse in Form von Kennzahlen in ein empirisch-statistisches Gesamt-Ratingmodell sinnvoll. 10.2 Ausblick auf die Zukunft eines Softfact-Ratings Ein Ratingmodell für die Bewertung von Gründungsprojekten anhand der Softfacts in einer Businessplanung bietet – sofern im Detail ausformuliert und validiert – künftig einen sehr guten methodischen Ansatz potenzielle GeldgeberInnen über die Risiken und Chancen einzelner Projekte aufzuklären. Das Potenzial und die Einsatzgebiete eines derartigen Ratings sind vielfältig, wie nachfolgende Visionen beispielhaft zeigen. 10.2.1 Formulierung der Businessszenarien Grundvoraussetzung für einen Einsatz von Softfact-Ratings neben der bereits festgestellten Validierungsfähigkeit ist die Standardisierung der Ratingprozesse zur einfachen, ergebnissicheren Handhabung durch die AnalystInnen und deren Aufbereitung in einem Ratinghandbuch. Teil dieses Handbuches ist die Formulierung von unterschiedlichen Businessszenarien, die in einer Szenarien-Bibliothek abgelegt und für jedes Rating individuell abgerufen werden können. Diese Szenarien bilden künftige Situationen im Umfeld des beurteilten Unternehmens ab, gegen die dessen Potenziale und Leistungsfähigkeit getestet werden können. Einerseits können damit geplante Geschäftsverläufe vom Markteintritt über die Abbildung des Kerngeschäfts bis zu Wachstumsstrategien gezielt auf ihre Plausibilität geprüft und der unterstellten Unternehmensleistung gegenüber gestellt werden. Andererseits lassen sich damit auch Krisenszenarien entwerfen, anhand deren ein erster Stresstest für das Unternehmen durchgeführt werden kann. In der Praxis lässt sich eine Szenarien-Bibliothek in mehreren Schritten aufbauen: • Sammlung grundlegender wissenschaftlicher Theorien zur Analyse und Beschreibung von konkreten Marktsituationen und Zuordnung erprobter Seite 97 Handlungsempfehlungen (= Erfolgsfaktoren) für Unternehmen, möglichst in den drei Rating-Hauptkategorien zusammengefasst (vgl. Kapitel 8); • Interpretation der gesammelten Theorien und Handlungsempfehlungen in Abstimmung auf regionale, unternehmens- bzw. branchenspezifische und konjunkturelle Gegebenheiten; • Schnelle, EDV-gestützte Bereitstellung einzelner Szenarien-Bausteine für individuelle Ratingprojekte möglichst schon auf einer Beurteilungsplattform, über die das tatsächliche Rating vorgenommen und das Ergebnis gespeichert werden kann. 10.2.2 Rating-Software Aufbauend auf eine virtuelle, update- und lernfähige Szenarien-Bibliothek lässt sich der Ratingprozess in einem EDV-Programm so gestalten, dass der Ratingaufwand und das bei fehlender Prozessunterstützung erforderliche wissenschaftlich- theoretische Vorwissen minimiert werden kann. Vereinfacht kann ein EDV-gestütztes Softfact-Rating wie folgt ablaufen: • Definition des Ratingprojektes inkl. Branche, Region und Planungseckdaten • Festlegen der Ratingmotivation inkl. Anzahl der Ratingdurchläufe und Auswahl der Ergebnisdarstellung; • Standardisierte (Vor-) Auswahl und/oder individuelle Zusammenstellung der Businessszenarien, gegen die getestet werden soll; • Festlegen der einzelnen Gewichtungen und Ratingprozesse; • automatisches Generieren des individuellen Ratinghandbuches; • Durchführung des Ratings und Speichern der Ergebnisse; • Darstellung der Ergebnisse, Export der Ergebnisse für eine Übernahme in andere Systeme und Einspielen der Ergebnisse in ein Rating-Monitoring bzw. eine Validierungssystematik Eine leistungsfähige Rating-Software hat, wie die nachfolgend beschriebenen weiteren Anwendungsbeispiele zeigen, vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Seite 98 10.2.3 Stärkere Einbindung von Softfacts in bestehende Bonitätsratings Wie bereits ausgeführt, ist mangels Geschäftsvolumen und den positiven Erfahrungen mit dem derzeit angewandten Standardansatz beim Bonitätsrating von Unternehmensgründungen eine Einbindung von Softfacts in die gängigen RatingSysteme von Banken nach heutigem Standard eher unwahrscheinlich. Trotzdem wurde seitens der befragten Banken (vgl. Anhang) eine verbesserte Analyse der wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren im Unternehmen für die KreditVergabeentscheidung und als Frühwarnsystem für drohende Ausfälle als wünschenswert deklariert. Ein ähnlicher Bedarf lässt sich auch für die Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen von professionellen InvestorInnen wie Venture Capital GeberInnen oder von Förderinstitutionen ableiten. Auch wenn aufgrund der Potenzial- und Renditelastigkeit der Ratingmotivation in diesem Umfeld schon heute verstärkt auf die Analyse relevanter Softfacts zurückgegriffen werden muss, kann ein neues oder zusätzliches Rating-Tool durchaus Nutzen stiften. Für eine tatsächliche Einbindung der drei neuen Kennzahlen in bestehende Systeme ist es in einem ersten Schritt notwendig, den tatsächlichen Ratingprozess einfach und ohne nennenswerten zusätzlichen Ressourcenaufwand zu gestalten. Ein ausformuliertes EDV-Programm mit entsprechenden Schnittstellen zu bestehenden Systemen bietet sich dafür als praktikable Lösung an. 10.2.4 Absicherung privater Investitionen in realwirtschaftliche Projekte Als Folge der wachsenden Schwierigkeiten auch für private InvestorInnen über den Finanzmarkt eine ansprechende Rendite für ihr Kapital zu erwirtschaften, kann ein Ausweichen in realwirtschaftliche Projekte als zumindest temporäre Anlagestrategie eine Alternative darstellen.97 In großem Stil fließt dabei Kapital in Investmentfonds oder über Aktien und Anleihen direkt in große Unternehmen. Für kleinere konservative Anlagevorhaben können 97 Felber, C. (2006): 55 Seite 99 künftig Investitionen in neue bzw. wachsende Unternehmen überschaubarer Größe an Attraktivität gewinnen. Grundvoraussetzung dafür ist die Existenz eines transparenten Marktes, auf dem mögliche Projekte und deren Renditechancen gegenüber potenziellen InvestorInnen übersichtlich und objektiv dargestellt werden. Die Rolle eines standardisierten und objektivierten Ratings ist darin zu sehen, zwischen GeldgeberInnen und UnternehmerInnen Vertrauen zu stiften und Kontakte zu vermitteln. Ein neutrales Rating von Gründungsprojekten wäre damit die fachliche Basis eigener Investitionsplattformen oder Business-Partnerbörsen für Startups. Zum Rating von Einzelprojekten durch private InvestorInnen kann wie bereits unter 10.2.2 beschrieben ein Rating-EDV-Tool (ev. als WEB-Version) eingesetzt werden. 10.2.5 Aktuelle Weiterentwicklung des Softfact-Ratings Bereits in Ausarbeitung ist der Dienstleistungsansatz der „2. objektiven Meinung“ zur Beurteilung von Neugründungsprojekten anhand der Softfacts in Businessplänen, ergänzt durch eine zentrale Kommunikationsplattform (Projektbörse). Damit soll das Rating von Startups und die den Ratings zugrunde liegenden Investitionsangebote über das bankenübliche Bonitätsurteil hinaus gegenüber der interessierten Öffentlichkeit transparent platziert werden. Dieser Entwicklungsschritt bietet die geeignete Basis zur mittelfristigen Umsetzung der unter den Kapiteln 10.2.1 bis 10.2.4 beschriebenen Zukunftsvisionen des in dieser Arbeit entwickelten Ratingansatzes. Seite 100 Literaturverzeichnis Selbstständige Arbeiten De Micco, L. (2011): Investoren finden und überzeugen. 1. Auflage. Norderstedt: Books on Demand GmbH. Dillerup, R.; Stoi, R. (2011): Unternehmensführung. 3. Auflage. München: Verlag Franz Vahlen. Egeln, J.; Falk, U.; Heger, D.; Höwer, D.; Metzger, G. (2010): Ursachen für das Scheitern junger Unternehmen in den ersten 5 Jahren ihres Bestehens. Mannheim und Neuss: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Eisl, C.; Hangl, C.; Losbichler, H.; Mayr, A. (2008): Grundlagen der finanziellen Unternehmensführung. 1. Auflage. Wien: Linde Verlag Wien GmbH. Eschenbach, R.; Siller, H. (2009): Controlling professionell, Konzeption und Werkzeuge. 1. Auflage. Stuttgart: Schäfer-Pöschl-Verlag. Felber, C. (2006): 50 Vorschläge für eine gerechtere Welt. Wien: Deuticke im Paul Zsolnay Verlag. Felderer, B.; Fortin, I.; Breinlinger, L. (2011): KMU-orientierte Umsetzung von Basel III (Studie), Projekt-Endbericht. Wien: Institut für Höhere Studien (IHS) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend und der Wirtschaftskammer Österreich. Fröhlich, E.; Pichler, H. (2008): Strategische Managementforschung – Fachbeitrag : Zur Schlüsselrolle des Unternehmers bei Investitionsentscheidungen in KMU. Wiesbaden: Gabler GWV Fachverlag GmbH. Gumpetsberger, A.; Hueber, R.; Schützinger, A.; Schützinger, H. (2010): Praxistools zur Unternehmenssteuerung. 1. Auflage. Graz: dbv – Fachverlag für Steuer- und Wirtschaftsrecht. Kotler, P.; Armstrong, G.; Wong, V.; Saunders, J. (2011): Grundlagen des Marketing. 5. Auflage. München: Pearson Deutschland GmbH. Seite 101 Lechner, K.; Egger, A.; Schauer, R. (2010): Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 25. Auflage. Wien: Linde Verlag Wien GmbH. Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. 11. Auflage. Weinheim und Basel: Beltz Verlag. Meffert, H.; Burmann, C.; Kirchgeorg, M. (2012): Marketing: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung. 11. Auflage. Wiesbaden: Gabler Verlag, Springer Fachmedien GmbH. Nerdinger, F.; Blickle, G.; Schaper, N. (2011): Arbeits- und Organisationspsychologie. 2. Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer Medien Verlag. Scholz, C. (2011): Grundzüge des Personalmanagements. 1. Auflage. München: Franz Vahlen Verlag GmbH. Weber, J.; Schäffer, U. (2011): Einführung in das Controlling. 13. Auflage. Stuttgart: Schäfer-Pöschl-Verlag. Wöhe, G.; Döring, U. (2010): Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 24. Auflage. München: Franz Vahlen Verlag GmbH. Schriftreihen und Fachzeitschriften / Sekundärliteratur Leimüller, G. (2012): Keine Angst vor dem Businessplan, Ein Handbuch für Gründerinnen und Gründer. 4. Auflage. Wien: i2b – ideas to business, Initiative zur Erstellung eines Unternehmenskonzeptes. Oschischnig, U. (2012): WKO Statistisches Jahrbuch 2012. Wien: Wirtschaftskammer Österreich – Stabsabteilung Statistik. Rudolph, C. (2012): Venture Capital Magazin. Sonderausgabe Start-up 2013, erschienen im Oktober 2012. München: Going Public Media AG. Seidler, G. (2012): Leitfaden für Gründerinnen und Gründer. 17. Auflage. Wien: WKO Gründerservice der Wirtschaftskammer Österreich. Seite 102 Thonabauer, G.; Nösslinger, B. (2004): Best Practice im Risikomanagement von Verbriefungen. 1. Auflage. Wien: OeNB, Österreichische Nationalbank in Kooperation mit der Österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Thonabauer, G.; Nösslinger, B. (2004): Techniken der Kreditrisikominderung. 1. Auflage. Wien: OeNB, Österreichische Nationalbank in Kooperation mit der Österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Thonabauer, G.; Nösslinger, B. (2004): Kreditvergabeprozess und Kreditrisikomanagement. 1. Auflage. Wien: OeNB, Österreichische Nationalbank in Kooperation mit der Österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Thonabauer, G.; Nösslinger, B. (2004): Ratingmodelle und Validierung. 1. Auflage. Wien: OeNB, Österreichische Nationalbank in Kooperation mit der Österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Bornett, W.; Bruckner, B.; Hammerschmied, H.; Masopust, H. (2006): Ratingkennzahlen berechnen – analysieren – verbessern (Schriftenreihe für Handel, Gewerbe/Industrie und Transport/Verkehr). 1. Auflage. Wien: Kooperation Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Österreichische Nationalbank, Wirtschaftskammer Österreich, WIFI Österreich. Seite 103 Anhang: Bankeninterview Nachfolgend beschriebene Interviewergebnisse stellen eine Zusammenfassung der erhobenen Fakten und Statements dar. Auf eine wörtliche Wiedergabe der Statements wurde angesichts der unterschiedlichen Wortwahl zu vergleichbaren Ergebnissen, der großen Vielfalt an abgegebenen Statements und der Überschneidung von Antworten zu unterschiedlichen Fragestellungen verzichtet. Interview-Partner • Experten von drei österreichischen Regionalbanken aus den Bereichen: Geschäftsführung/Unternehmenskredite, Leitung der Kreditabteilung, Gründungsberatung/Kredit-Risikomanagement; • Interviewdauer: je ca. 1 Stunde | Interviewort: bei den Banken vor Ort; • Alle Gesprächspartner haben mich gebeten, die Interviewergebnisse vertraulich zu behandeln. Diesem Wunsch wird durch die anonymisierte Zusammenführung der Interviewergebnisse entsprochen. Zielsetzungen • Erhebung der Kreditvergabe- und Bonitätsratingpraxis bei Kreditinstituten allgemein und mit besonderem Bezug auf Unternehmensneugründungen; • Abfrage von subjektiven Bankenzielgruppe und zur Einschätzungen Qualität von zu GründerInnen als Gründungsprojekten und Businessplanungen; • Abfrage von subjektiven Einschätzungen zum Bedarf und zu Einsatzmöglichkeiten eines auf Softfacts basierten Bonitätsratings Eingesetzte Methoden • Strukturiertes Tiefeninterview anhand eines Leitfadens98 • Interviewführung als offenes Gespräch 98 Vgl. Lechner et al (2010): 492 Anhang Seite 1 • Protokollierung durch Tonaufzeichnung bzw. schriftlich im Falle der NichtGenehmigung eines Tonmitschnitts; • Quantitative Analyse: Sammlung von Fakten, Statements und subjektiven Einschätzungen; • Qualitative Auswertung: (grobe) Inhaltsanalyse nach dem Muster einer Intensitätsanalyse.99 Parameter Intensitätsanalyse der Bankeninterviews Auswahl der zu bewertenden Themen aus dem Interviewleitfaden und Formulierung der Themenstellungen im Hinblick auf eine skalierbare Bewertung. Zusammenfassende Bewertung der Antworten je Themenstellung nach ihrer Relevanz oder ihrer Intensität aus der Sicht der Interviewpartner. Bewertungsrang 1: POSITIV | HOCH | GUT | WICHTIG Bewertungsrang 2: KEINE BEDEUTUNG | MITTEL Bewertungsrang 3: NEGATIV | NIEDRIG | SCHLECHT | UNWICHTIG Analyse der Interviews, Auswertung, Zusammenfassung und Übernahme der relevanten Ergebnisse in diese Arbeit. Interviewleitfaden Das Interview wurde als offenes Gespräch unter Führung des Interviewers gestaltet. Die Gesprächsführung inkl. Vertiefung erfolgte anhand eines Leitfadens. Die Reihenfolge der abgehandelten Themen ergab sich aus dem Gesprächsverlauf. Einleitung / Begrüßung / Information Begrüßung und Hinweis auf den weiteren Ablauf des Interviews: Tonbandmitschnitt bzw. Notizen durch den Interviewer, Einsatz des Leitfadens und des ergänzenden Vertiefungsfragebogens und Hinweis auf die Einhaltung des Datenschutzes. 99 Vgl. Mayring, P (2010): 15f Anhang Seite 2 Aufklärung über den Zweck des Interviews und die Verwendung der Ergebnisse im Rahmen meiner Abschlussarbeit (Master Thesis) . Schlüsselfrage 1: Rolle des Kreditinstituts in der GründerInnen-Szene Eröffnung: Wie definieren Sie aus Ihrer Sicht die Rolle der Banken allgemein und jene Ihres Instituts in der GründerInnen-Szene? Vertiefungsfragen: • Stellenwert der GründerInnen fürs Bankgeschäft und welche Rolle wird den Banken seitens der GründerInnen „unterstellt“? • Welchen Marktanteil erzielt Ihr Institut am GründerInnen-Segment? • Ist Ihr Institut aktiv auf der Suche nach Gründungsprojekten? • Gibt es spezielle Angebote an GründerInnen (Werbung, Konditionen, Service, interne Ausbildung, spezielle Infrastruktur, …)? • Pflegt Ihr Institut Kooperationen mit GründerInnen-Beratungen (z.B. WKO), Unternehmensberatungen, Universitäten etc. – Welche? • Anzahl der Kreditanfragen von GründerInnen pro Jahr in welcher Ø Höhe? • Anteil an abgewiesenen GründerInnen-Anfragen und häufigste Gründe für eine Ablehnung einer Anfrage? • Ausfallsquote bei Gründungskrediten und die häufigsten Gründe dafür? • Eigeneinschätzung der Risikofreudigkeit der Bank allgemein? • Eigeneinschätzung der Risikofreudigkeit der Bank in Bezug auf die Finanzierung „echter Innovationsprojekte“? Schlüsselfrage 2: Abwicklung von GründerInnen-Anträgen Eröffnung: Wie läuft in Ihrem Institut üblicherweise ein Kreditantrag von der Einreichung bis zur Genehmigung / Ablehnung ab? a) In Bezug auf die eingebundene Personen und Systeme und Anhang Seite 3 b) In Bezug auf die Beurteilung der Bonität (vorgelagerte No-Go-Kriterien, zustande kommen der Ratingergebnisse, Prüfung der Plausibilitäten etc.) Vertiefungsfragen: • Gibt es EntscheiderInnen-Grenzen? • Welches Ratingverfahren setzen Sie ein (Abläufe, Details)? • Welchen Stellenwert haben Hard- und Softfacts in Ihrem Rating allgemein bzw. bei Unternehmensgründungen? • Gibt es qualitative Verfahren im Rahmen der Bonitätsbeurteilung und wie erfolgt die Beurteilung von Softfacts in Ihrem Institut? • Welche Stellungen haben KreditwerberInnen zu Ihrem Unternehmen (selbst KundIn, durch KundInnen/KooperationspartnerInnen vermittelt, völlig extern) und haben diese Auswirkung auf das Risikoverhalten der Bank? • Mithilfe welcher Unterlagen werden Anträge eingereicht? • Beschreiben Sie Inhalte und Qualität der eingereichten Unterlagen und wie bewerten Sie die Eigendarstellung der Gründungsprojekte? • Was sind die häufigsten Fehler der GründerInnen beim Kreditansuchen? • Sind langfristige Zielsetzungen der GründerInnen erkennbar? Stichwort: GoldgräberIn vs. VisionärIn? • Welche Sicherheiten für Gründungskredite akzeptieren bzw. präferieren Sie? • In welcher Ø Höhe fordern Sie Sicherheiten? • Wie hoch muss der Eigenkapitalanteil in den Gründungsplanungen sein? • Welche Laufzeiten und Ø Verzinsung sind für Gründungskredite in Ihrem Institut üblich? • Wie viele der GründerInnen nutzen Beratungen? • Gibt es „Auflagen“, die an die Gewährung von Krediten geknüpft werden (z.B. Erfüllung von Standards, Erreichung von Zielen etc.)? Anhang Seite 4 Schlüsselfrage 3: Externe Unterstützung beim Rating von Gründungsprojekten? Eröffnung: Ziel meiner Arbeit ist es, ein standardisiertes Verfahren zur Beurteilung von Softfacts im Rahmen des Ratings von Gründungsprojekten zu entwickeln. Welche Arten von externer Unterstützung nutzen Sie bereits bzw. welche Kriterien müssen derartige Verfahren für ein Rating von Softfacts aus Ihrer Sicht erfüllen? Vertiefungsfragen: • Welchen Stellenwert hat die eigene Abteilung bzw. das eigene Filialnetz im Ratingprozess? • Was würde die Beurteilung von GründerInnen-Projekten aus der Sicht der Bank erleichtern (Verbesserung Businesspläne, Expertisen, …)? • Was würde die Chancen von GründerInnen-Projekten bei ihrer Beurteilung erhöhen (qualitative und quantitative Kriterien)? • Was halten Sie davon, externe Expertisen bzw. einzelne Empfehlungen darin als „Auflagen“ für die Gewährung von Krediten zu übernehmen? • Welche Tipps geben Sie für die Entwicklung eines auf Softfacts basierenden Ratingverfahrens aus der Sicht des Praktikers und welche Zukunft geben Sie einem derartigen Verfahren? Schlüsselfrage 4: Rahmenbedingungen für die Aufnahme von Gründungskapital? Eröffnung: Welche Auswirkungen hatte (und hat) Basel II auf die Vergabe von Krediten an GründerInnen seitens der Kreditinstitute? Vertiefungsfragen: • Welche Auswirkungen hatte (und hat) Basel II auf die GründerInnenszene? • Welche weiteren Auswirkungen auf die GründerInnenszene erwarten Sie bei Einsatz der Basel III Regelung? • Werden die erhöhte Kosten zur Eigenkapitalunterlegung voll an die KreditnehmerInnen weitergegeben und um wie viel erhöht das die Zinsen bzw. verändert das die Laufzeiten? Anhang Seite 5 • Wenn NEIN, wie werden die Kredite sonst stärker gegen einen Ausfall abgesichert (z.B. durch eine noch stärkere Besicherung, restriktivere Vergaben, Einführung von Auflagen bei Gewährung des Kredites, ...)? Ergänzung Schlüsselfrage 4: • Wie wird sich die Rolle der Banken im Rahmen der Finanzierung von Unternehmensgründungen in den kommenden Jahren verändern? • Wird sich das Kreditgeschäft auf die Nachgründungs- bzw. Erlösphase des Unternehmens (geringeres Risiko) verlagern? • Wird die Bedeutung des Bankkredits bei der Finanzierung von Gründungsprojekten ab- oder zunehmen? • Wie bewerten Sie die aktuelle Situation und den Stellenwert von Private Equity in der heimischen GründerInnenszene. Gibt es dazu Erfahrungen? • Wie bewerten Sie die Aussichten für die Finanzierung echter Innovation (hochriskant)? Intensitätsanalyse ausgewählter Themen Darunter versteht sich die textliche Zusammenfassung der Vielzahl an abgegebenen Statements zu einzelnen Themenbereichen und Wertung der Intensität der Aussagen in Bezug auf deren Relevanz bzw. Bedeutung. 1) Die Relevanz von Gründungsprojekten für die Bank Bewertungsrang 3: NIEDRIG Alle drei Banken verweisen auf eine geringe Anzahl an Gründungsprojekten unter ihren Kunden bzw. auf ein geringes Kreditvolumen durch Unternehmensneugründungen. Vorwiegend wird der Schritt von bereits bestehenden KundInnen in die Selbstständigkeit unterstützt. Lediglich eine Bank engagiert sich darüber hinaus aktiv in der GründerInnen-Szene mit dem Ziel, später UnternehmenskundInnen zu gewinnen. Anhang Seite 6 Insgesamt werden je Bank zwischen 10 und 80 Gründungsprojekte pro Jahr finanziert. Der durchschnittliche Gründungskredit liegt zwischen € 50.000,und € 200.000,-. Die Finanzierung von Kleinstprojekten über Mikrokredite oder Kontokorrentvereinbarungen ist nicht erhoben. Der Großteil der Gründungsprojekte betrifft Betriebsnachfolgen in regionalen Schwerpunktbranchen. Hochinnovative bzw. Technologiegründungen als Hochrisikoprojekte mit hohem, langfristigem Kapitalbedarf spielen selbst bei einer verbesserten Haftungsübernahme durch Förderinstitutionen für die befragten Banken eine untergeordnete Rolle. Grund dafür ist hauptsächlich die traditionelle Branchenstruktur im Umfeld der befragten Banken, die auch für die Branchenwahl von GründerInnen verantwortlich zeichnet. Für den Raum Wien, Niederösterreich und Oberösterreich (Zentralraum) wurde für derartige Projekte eine ungleich höhere Relevanz unterstellt. 2) Die Qualität von Businessplänen Bewertungsrang 3: SCHLECHT Nicht jedem Finanzierungsantrag durch GründerInnen wird auch ein Businessplan beigelegt. Wenn ja, dann finden die Planungen kaum Eingang in das Bonitätsrating der Banken. Ein positiver Effekt bei der grundsätzlichen Entscheidung der Banken zu einer Finanzierung der Gründung ist durch gute Businesspläne nur fallweise zu erzielen. Die wichtigsten Gründe für die geringe Akzeptanz von Businessplänen liegen neben dem Fehlen von Finanzdaten (Hardfacts) im ausschließlichen Vorhandensein von groben Plandaten, in der zu euphorischen, nicht nachvollziehbaren Erlösplanung, in der mangelnden Fähigkeit mögliche Geschäftsverläufe plausibel abzubilden und in der oft unzureichenden Kostenschätzung. Businesspläne dienen vorrangig dazu, die UnternehmerInnen selbst und deren Kompetenzen zu beurteilen. Anhang Seite 7 Durch die schlecht beurteilte Qualität der Businessplanungen sehen die befragten Banken bis dato keinen Anlass in standardisierte Ratingprozesse für die Beurteilung von Businessplanungen zu investieren. 3) Die Rolle von Kreditsicherheiten für die Banken Bewertungsrang 1: WICHTIG Kreditsicherheiten werden von den Banken als Softfact betitelt und neben der Eigenkapitalquote von mindestens 25% am Gesamtkapital und der GründerInnen-Persönlichkeit als das wichtigste qualitative Kriterium für eine Gewährung eines Gründungskredites benannt. In der Praxis stellt dabei die Erbringung hoher Sicherheiten das einzige nennenswerte Override-Kriterium für eine (geringe) Verbesserung des Bonitätsratings dar. Weitere Softfacts spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Dem gegenüber werden Blanko-Kredite, also Kredite ohne Besicherung, kaum mehr vergeben. Selbst durch die kalkulatorische Abdeckung des „Restrisikos“ der Banken bei Gründungsfinanzierungen durch die Risikoaufschläge, werden Neugründungen als „hochriskant“ klassifiziert. Als Ausfallsgründe, die durch die Sicherheiten und den Risikoaufschlag ausgeglichen werden müssen, wurden schwerpunktmäßig Unsicherheiten zu folgenden Themen genannt: • Die Marktsituation und der Wettbewerb werden unzureichend eingeschätzt. • Es fehlt an unternehmerischer Leistung, z.B. am Finanz-Controlling. • Umsatz wird mit Erlös gleichgesetzt und die Privatentnahmen sind zu hoch. • Die Kosten bis zur Eröffnung und für die Erstausstattung des Unternehmens werden unterschätzt. • Die Businessplanung ist oberflächlich und unrealistisch. Künftige Geschäftsverläufe werden nicht sorgfältig simuliert/geplant. Anhang Seite 8 4) Stellenwert der GründerInnen-Persönlichkeit für die Vergabeentscheidung Bewertungsrang 1: WICHTIG Die Gründungsperson ist für alle befragten Banken der Schlüssel für einen Gründungserfolg. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht nur eine möglichst gut bewertete Vergangenheit als KundIn der Bank mit einer positiven Beurteilung der Finanzgebarung, des Schuldenstandes und der Vermögenssituation, sondern auch die Eignung der Person zum/zur UnternehmerIn. Über das GründerInnen-Profil erlangt die Bank das Vertrauen in die Person selbst, die Businessplanung, die Gründungsidee und das Gründungsprojekt. Die Person, nicht die Planung vermittelt die Erfolgsaussichten des Projektes. 5) Aktuelle Bedeutung des Ratings von Unternehmensgründungen Bewertungsrang 3: NIEDRIG Allgemein wurden die aktuell verwendeten Ratingverfahren der Banken auf das eigene Kundenportfolio (z.B. nach Branchen, Volumina) abgestimmt und bedarfsgerecht entwickelt. Unternehmensgründungen spielen in diesem Portfolio keine herausragende Bedeutung. Unternehmensneugründungen können den Bestimmungen von Basel II folgend mit einem Standardrating versehen werden – ein eigenes Rating ist demnach formal nicht notwendig. Auch wenn ein objektives Ratingverfahren zur verbesserten Einschätzung der Softfacts die grundsätzliche Entscheidung zur Vergabe eines Kredites stark beeinflussen könnte, sehen die Banken durch die geringe Bedeutung des GründerInnen-Segments für das eigene Portfolio keine Veranlassung, mehr Engagement zur Errichtung eines GründerInnen-Ratings zu entwickeln. Als Ersatz für fehlende Finanzdaten wird in der aktuellen Praxis überwiegend auf Branchen- und VorgängerInnen-Vergleiche zurückgegriffen bzw. werden allfällige Vermögenswerte der KreditwerberInnen in eine grundsätzliche Vergabeentscheidung einbezogen. Einfluss auf die Höhe der Kreditzinsen Anhang Seite 9 inklusive der Risikoaufschläge haben Softfacts jedoch nur in seltenen Fällen und wenn doch, in nur geringem Umfang. 6) Auswirkungen von Basel II und III auf die Gründungsfinanzierung Bewertungsrang 2: MITTEL Zwar sehen die Banken die Entwicklung des Zinsniveaus (inkl. Risikoaufschläge) durchaus kritisch, sprechen jedoch nicht von einer Kreditklemme für GründerInnen. Zum Einen ist ausreichend Kapital auch für Gründungskredite vorhanden, das von Unternehmen jederzeit abgerufen werden kann. Zum Anderen entsprechen die Kreditzinsen/Kapitalkosten einer Marktsituation, in der sich gesunde Unternehmen zurechtfinden sollten. Voraussetzung für die Vergabe der Kredite bleibt das Vertrauen (Anm.: egal, ob über ein Finanzrating oder aufgrund anderer Kriterien), das die Bank dem Unternehmen bzw. den GründerInnen entgegenbringt. Ein Teil dieses Vertrauens beruht auf das vorhandene Eigenkapital im Unternehmen, das bei Gründungsprojekten auch ein Indiz für die Identifikation der Gründungsperson mit dem Projekt darstellt. Gesunde Unternehmen mit entsprechender Eigenkapitalausstattung sind erfahrungsgemäß in der Lage, Fremdkapital auch bei heutiger Verzinsung zu finanzieren. 7) Die Rolle der Banken – aktuell und künftig – für die Gründungsfinanzierung Bewertungsrang 1: WICHTIG Aktuell erfolgt die Bereitstellung von Fremdkapital für Gründungsprojekte in Österreich überwiegend durch Banken. Das resultiert aus einer eher UnternehmerInnen-feindlichen Grundhaltung in der österreichischen Wirtschaft, in der Risiko- und Beteiligungskapital nachrangig behandelt wird. Als Ansätze zur Verbesserung der Situation wird eine Aufstockung der öffentlichen Förderungen ebenso genannt, wie die steuerliche Begünstigung für Beteiligungskapital und die Aufwertung von Private Equity in der österreichischen Finanzierungslandschaft. Anhang Seite 10 Diese Forderungen werden zum Teil noch länger unerfüllt bleiben, wodurch der Stellenwert der traditionellen Unternehmens- und Gründungsfinanzierung durch den klassischen Bankkredit auch künftig hoch bleiben wird. Daher werden die Banken auch künftig nicht mehr Risiko bei der Finanzierung von Gründungsprojekten eingehen (müssen). 8) Bedeutung und Zukunft eines Bonitätsratings über Softfacts Bewertungsrang 2: MITTEL Wie bereits erwähnt, wird einem Rating von Gründungsprojekten an sich eine nur geringe Bedeutung eingeräumt. Trotzdem sehen die Banken eine Verbesserung der Voraussage von Geschäftsentwicklungen - auch anhand von Softfacts - als positiven Ansatz für eine Verminderung der Ausfallswahrscheinlichkeit eines Kredites. Im eigenen Ratingprozess könnten fundierte Expertisen bei der Beurteilung eines Gründungsprojektes helfen (Anm.: auch wenn eine Implementierung in bestehende Ratingsysteme unwahrscheinlich ist). Vielmehr sehen die Banken die Rolle eines derartigen Ratings in der Aufbringung von (zusätzlichem) Eigenkapital bzw. von Sicherheiten, was wiederum das (rechnerische) Ausfallsrisiko, aber auch die Höhe der benötigten Kreditfinanzierung verringert. Aus dieser Sicht kann für den besseren Zugang zu Beteiligungsfinanzierungen, Risikokapital, Haftungsübernahmen und anderen Formen der Außenfinanzierung ein fundiertes Softfact-Rating durchaus eine vermittelnde und vertrauensbildende Rolle übernehmen. Zusammenfassung ergänzender Interview-Beiträge Nachstehende Statements ergänzen die in der Intensitätsanalyse eingeflossenen Aussagen. Sie sind sinngemäß (nicht wörtlich) den Interviewmitschriften und Tonaufzeichnungen entnommen und zur besseren Zuordnung in einzelnen Themenblöcken zusammengefasst. Anhang Seite 11 Kritik an Businessplänen und Gründe für die geringe Akzeptanz dieser: • Es werden bei einem Kreditantrag nicht immer vollständig ausgearbeitete Businesspläne vorgelegt. • Die vorgelegten Planzahlen sind zu euphorisch. • Es fehlt oft an Knowhow zur: Kalkulation marktgerechter Preise; Schätzung von Umsätzen und Kosten; Schätzung von Kapazitäten und Auslastungen; Festlegung des Investitionsbedarfs; Bemessung der UnternehmerInnen-Entlohnung; Eingrenzung auf Segmente und Zielgruppen. • Es kann oft der Nutzen der Geschäftsidee für potenzielle Kunden nicht herausgearbeitet werden, es fehlt der USP. • Es braucht mehr unternehmerisches Handwerkszeug, beispielsweise eine ordentliche Buchhaltung, ein Controlling, eine gute Planung, etc. • Es gibt keine UnternehmerInnentypen mehr - es gibt zu viele GoldgräberInnen und zu wenige VisionärInnen. • Es fehlt an Innovation, zu viele Gründungsprojekte sind „me too“ Angebote. • Die UnternehmerInnen überschätzen sich - viel zu viele Geschäftsmodelle sind auf die GründerInnen fokussiert. Anstatt operative Tätigkeiten zu übertragen und sich der Unternehmensführung zu widmen, sehen sich die GründerInnen als „erste SchrauberInnen“ im Betrieb. Diagnostizierte Gründe für ein Scheitern von Gründungsprojekten: • Im Vorfeld werden die Marktsituation und der Wettbewerb nur unzureichend analysiert. Zudem fehlen weitgehend realistische Einschätzungen von Marktpotenzialen, Volumina und Marktanteilen. Anhang Seite 12 • Die GründerInnen sind fachlich oft Spitzenkräfte, haben jedoch Schwächen in der strategischen Unternehmensführung, beim Organisieren und beim Führen der MitarbeiterInnen beim Treffen von Entscheidungen und im (Finanz-) Controlling. • Für viele GründerInnen ist Umsatz gleich Erlös. Es gibt zu hohe Privatentnahmen und es wird auf die Nebenkosten für den UnternehmerInnen-Lohn vergessen. • Bei Gründungsprojekten werden oft die Kosten bis zur Eröffnung und für die Erstausstattung des Unternehmens unterschätzt. Zusätzlich braucht es Zeit, bis das Unternehmen aus seiner Geschäftstätigkeit heraus leben kann. Auch dafür muss das Startkapital reichen. • Es fehlt oft an der durchgängigen Planung für das Unternehmen. Ganz besonders für die Zeit nach der Gründung, wenn es darum geht im Tagesgeschäft zu überleben, machen sich wenige konkrete Vorstellungen. Bedeutung eines guten GründerInnen-Profils • Es muss den GründerInnen das Gelingen des Projektes zugetraut werden können – sowohl fachlich, als auch als UnternehmerInnen-Persönlichkeit. • Es ist ein Vertrauen in die Person, aber auch in die Gründungsidee und die Qualität der Planungen zu schaffen. Erst mit der Kenntnis der Person bekommt die gesamte Planung einen realen Hintergrund. • Die Person kann auf ihre finanzielle Vergangenheit überprüft werden. • Es hilft bei der Beurteilung, wenn die Gründungsperson schon in der Vergangenheit KundIn der Bank war. • Die GründerInnen-Persönlichkeit Entscheidungskriterium bei der ist das wichtigste Vergabeentscheidung von „soft“ Krediten, mindestens gleichauf mit den Marktchancen der Gründungsidee, gefolgt von der Unternehmensplanung inkl. den Planrechnungen (Finanzplanung). Anhang Seite 13 Statements zum Risikoverhalten der Banken bei Gründungsprojekten • Mit der gängigen Praxis der sehr risikoarmen Vergabeentscheidung von Gründungskrediten und der Anwendung des Standardratings wurde bereits jetzt eine sehr niedrige Ausfallsquote erzielt. • Eine verstärkte Übernahme von Risiken, insbesondere durch die Gewährung von Krediten ohne hohe Sicherheiten oder von Blanko-Krediten, ist für die Banken aktuell kein Thema. • Erstes Ratingziel der Banken ist es, das gewährte Kapital und feste Zinserträge wertmäßig abzusichern. Es ist nicht Aufgabe der Banken, Renditen über das klassische Bankgeschäft hinaus zu erwirtschaften. Es besteht daher auch kein Anlass, verstärktes Risiko zu nehmen. Die Kriterien für die Vergabe von Krediten an GründerInnen • (hohe Relevanz) Ausreichend Eigenmittel und gute Besicherung durch Vermögenswerte bzw. die Übernahme von Bürgschaften und Haftungen. • (hohe Relevanz) Eignung und Vertrauenswürdigkeit der GründerInnen – vorrangig in Bezug auf die bisherige Finanzgebarung, den Ausschluss von No-Go-Kriterien und das Persönlichkeitsprofil. • (weniger hohe Relevanz) Plausibilität und Qualität der Businessplanung und Unterstützung durch die KundenbetreuerInnen. Der Kreditvergabeprozess (im Kern für alle drei Banken gültig): • Sammlung von Daten (z.B. Selbstauskunft, bankinterne Daten, externe Auskünfte, Businesspläne, etc.); • Prüfung des Kreditantrages auf No-Go-Kriterien; • Aufbereitung der Daten in internen Operativ-Systemen; • sofern das Entscheidungslimit des lokalen Kreditmanagements überschritten wird, die Einbindung des bankinternen Risikomanagements; • wichtigster, fallweise sogar einziger Bestandteil dieser Prüfung ist in der Praxis die Beurteilung der beigebrachten Sicherheiten; Anhang Seite 14 • bei Bedarf erfolgt eine Abstimmung des Risikomanagements mit der Kundenbetreuung – vor allem um Softfacts wie das UnternehmerInnen-Profil und die bisherige Geschäftsgebarung zu bewerten; • Erstellen eines Ratingvorschlages und fallweise Ziehen einer Override-Option zur Abänderung des Ratings; • Endrating des Kunden und formale Abwicklung der Kreditvergabe. Die zukünftige Rolle der Banken bei der Finanzierung von Gründungsprojekten • Die Nachfrage an Krediten für Gründungen wird weiterhin hoch sein. • Es werden sich langsam Finanzierungsformen etablieren, die die Eigenkapitalbasis der Projekte verbessern helfen. Damit kann auch das Risiko zwischen den GründerInnen, den Venture-Capital-GeberInnen, den Haftungsstellen und den Banken besser aufgeteilt werden. • Die Übernahme der Finanzierung der Hochrisikophase vor dem Markteintritt durch Venture-Capital-GeberInnen und ein anschließender Eintritt der Banken in die Finanzierung würde seitens der Banken begrüßt werden. Für die Praxis werden derartige Finanzierungsszenarien jedoch nicht als realistisch beurteilt. Anhang Seite 15