Antigone
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Antigone
Unterrichtsmaterial zur Inszenierung Antigone von Sophokles Regie: Josep Galindo Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover Inhalt: 1. Besetzung 2. Gaddafi tot 3. Zum Stück 4. Interview mit Josep Galindo 5. Die Vorgeschichte 6. Einzugslied 7. Beide im Unrecht, beide im Recht Hegel 8. Geisterhafte Brüder Butler 9. Die Antigone des Sophokles 10.Unterrichtsvorschläge 11.Anhang 2 5 6 7 9 11 14 15 16 18 20 1. Besetzung ANTIGONE Von Sophokles In einer Fassung von Soeren Voima ANTIGONE----------------------------- ELISABETH HOPPE ISMENE---------------------------------LISA SPICKSCHEN KREON----------------------------------THOMAS MEHLHORN BOTE------------------------------------SEBASTIAN SCHINDEGGER HAIMON--------------------------------RAFFAELE BONAZZA TEIRESIAS-----------------------------MARIE ANNE FLIEGEL Regie Josep Galindo Musik Raffaele Bonazza Bühne Sarah Bernardy Junges Schauspiel Hannover Kostüme Irmela Schwengler 2 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover Junges Schauspiel Hannover 3 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover 2 GADDAFI TOT! Viele Beobachter halten den Umgang der neuen Führung mit dem Tod Gaddafis für eine wichtige Bewährungsprobe. Sie bemängeln, dass der Leichnam auch Tage nach dem Tod noch zur Schau gestellt wird: In Misrata bilden sich noch immer vor einem Einkaufszentrum meterlange Schlangen von Menschen. Sind es Schaulustige? Menschen, die sich seines Todes mit eigenen Augen vergewissern wollen? Ist es Rachsucht? In der Kühlhalle jedenfalls ist die halbnackte Leiche Gaddafis auf einer blutbefleckten Matratze ausgestellt, daneben die Leichen seines Sohns Mutassim und seines toten Militärchefs Abu Bakr Younis. Menschen lachen und zeigen das Victory-Zeichen in die Kameras, während sie Schlange stehen, um den toten Diktator zu sehen. Auch Kinder sind unter den Wartenden, berichtet der britische Guardian. Etliche Menschen zücken ihre Handys, um die Leichen zu fotografieren. Unmittelbar nach dem Tod Gaddafis hatte der Chef des Übergangsrats, Mahmud Dschibril, verkündet, es sei ihm egal, was mit dem Körper passiere. Hauptsache, er verschwinde mö-glichst schnell. ----------------------------------------Süddeutsche Zeitung, 24.10.2011 Junges Schauspiel Hannover 4 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover 3. Zum Stück Antigone gilt nicht nur als die gelungenste griechische Tragödie überhaupt, es gibt wahrscheinlich kein anderes Kunstwerk, dass die abendländische und insbesondere die deutsche Geistesgeschichte so entscheidend geprägt hat, wie diese Tragödie. Etwa um 1790 nämlich kommt es im theologischen Seminar von Tübingen zu einer zufälligen Begegnung dreier Studenten miteinander und mit der Antigone des Sophokles. Und diese Begegnung führt gewissermaßen zu einer Kernreaktion, die das gesamte 19. Jahrhundert überstrahlt: Auf den späteren Idealisten Georg Friedrich Hegel war der Eindruck des unlösbaren Konflikts zwischen dem neu gekrönten Herrscher Kreon und seiner Antagonistin Antigone so stark, dass er sich lebenslang daran abarbeiteten und seine gesamte Staatsund Geschichtsphilosophie aus diesem Konflikt entwickeln bzw. ihn auf diesen beziehen sollte. Für das akademische Wunderkind Friedrich Wilhelm Schelling bildete die Tragödie den wesentlichen Diskurs allen Seins überhaupt und für den Dichter Friedrich Hölderlin entzündet sich an ihr eine unauslöschliche Begeisterung für „das goldene Alter der Wahrheit und Schönheit, welches Griechenland war.“ Von Tübingen aus gerät das ganze 19. Jahrhundert nicht nur in einen Antiken-, sondern in einen regelrechten Tragödientaumel. Das Denkmodel der griechische Tragödie, der unlösbare Konflikt des Einzelnen mit der Polis, wird zur großen bürgerlichen Utopie, zum Paradigma abendländischen Handelns. Die Antworten darauf und Widersprüche dazu sind Legion. Sie reichen von Kierkegaard über Marx, Brecht, Heidegger und Lacan bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Wie sind Kreons Verbot, den Verräter und Kriegsverbrecher Polynikes zu begraben, und Antigones Widerstand gegen dieses Verbot zu bewerten? Worin besteht eigentlich die Tragödie: In Antigones Tod oder Kreons Überleben? Können wir einem der beiden Protagonisten mehr Recht zugestehen als dem anderen? Ist Kreon Tyrann oder Antigone Terroristin? Der junge katalanische Regisseur Josep Galindo wird in seiner Inszenierung am Ballhof versuchen, auf diese inzwischen klassischen Fragen ganz zeitgenössische Antworten zu finden. C.T. Junges Schauspiel Hannover 5 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover 4. Interview mit Josip Galindo „Nach Antigone kommt nicht mehr so viel Neues.“ Der katalanische Regisseur Josep Galindo inszeniert am Ballhof den griechischen Klassiker „Antigone“. Melika Gothe sprach mit ihm über gemeinsame Wurzeln in der Antike und unterschiedliche europäische Schauspielertypen. Nach Das Gestell in Stuttgart, ist Antigone Ihre zweite Regiearbeit an einem deutschen Theater. Welche Erfahrungen konnten Sie bisher machen und welche Unterschiede sind Ihnen aufgefallen? In Das Gestell habe ich eine deutsche Problematik behandelt und musste diese irgendwie in meine Welt übertragen, ohne dabei die Bedeutung für das Stuttgarter Publikum aus den Augen zu verlieren. Antigone stellt sicherlich eine komplett andere Herausforderung dar. Es geht ja es in allen Stücken letztlich auch um universelle Themen, doch Antigone ist das „Paradigma einer universellen Problematik.“Was meine Erfahrungen mit Deutschlands Theaterkultur angeht, konnte ich einige Unterschiede zu Spanien, aber auch zu Großbritannien und den USA feststellen: Deutsche Schauspieler können meiner Meinung nach absolut verrückt sein, mehr noch als die Spanier; technisch sind sie ebenso gut, wie die Briten. Physisch sind die Deutschen besser in Form als die anderen, sie sind aber weniger leidenschaftlich als die Spanier, und weniger ironisch als die Briten. Welchen Schauspielertyp bevorzugen Sie? Das beste wäre eine europäische Chimäre: Spanisches Herz mit viel Leidenschaft, deutscher Körper, technisch versiert und in guter Kondition, und dann ein britischer Kopf, mit Ironie und schwarzem Humor. Welche Rolle spielt die Sprache für ihre Arbeit - gerade in einem textintensiven, klassischen Stück wie Antigone? Ich habe Englisch und Philisophie studiert und bin auch in meiner Regiearbeit sehr textfixiert. Manchmal verspüre ich dadurch eine seltsame Leere, wenn ein Schauspieler spricht und ich keinen unmittelbaren Zugang zum Text entwickeln kann. Mit der Zeit lernt man andere Elemente und Details, die ebenso wichtig sind wie der Text, zu beachten. Ein deutscher Text bleibt dennoch eine Herausforderung für mich und bedarf einer Extraportion an Energie und Konzentration. Meine Methode ist einfach: Mithilfe einer Wort-für-Wort-Übersetzung ins Englische oder Katalanische versuche ich, so vertraut wie möglich mit dem deutschen Text zu werden. So vertraut, dass es zu einer Art “Bessesenheit” wird und ich während der Probe allen Worten in ihrem richtigen Kontext folgen kann. Würden Sie Antigone in Spanien anders inszenieren? In wie weit versuchen Sie, auf die kulturellen Unterschiede und Hintergründe zu reagieren? Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass ich das Stück in Spanien anders angegangen wäre. Es ist geradzu unmöglich den kulturellen Hintergrund des Publikums außer Acht zu lassen. Theater ist Wahrnehmung und letzlich fügt sich alles was auf der Bühne geschieht, erst vor dem geistigen Auge des Zuschauers zusammen – so wie in der Literatur. In Spanien hätte ich sicher eine lokalere Lesart gewählt – verbunden mit der spanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Das war auch der erste Impuls, den ich beim Lesen hatte. Der spanische Bürgerkrieg war ja ein Bruderkrieg, ähnlich dem, zwischen Polynikes und Eteokles im Stück. Und dieser Bruderkrieg in Spanien ist bis heute nicht wirklich aufgearbeitet. Da gibt es jede Menge offener Wunden und es ist naheliegend, da eine Verbindung herzustellen. Meine Lesart von Antigone in Deutschland wird sehr viel allgemeingültiger sein und auf den Gemeinsamkeiten basieren, die wir als Europäer und menschliche Wesen teilen. Junges Schauspiel Hannover 6 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover Was sind das für Gemeinsamkeiten? Die Tragödie, ein Individuum innerhalb einer Gesellschaft zu sein. Das Stück ist uralt, über 2000 Jahre, aber es ist gleichzeitig radikal modern. Es spricht über uns: Sind wir loyal zur Gesellschaft, in der wir Leben, oder zu uns selbst. Wenn wir loyal zur Gesellschaft sind, müssen wir uns als Individuen verleugnen. Und umgekehrt. Der Konflikt ist unauflöslich. Darum geht es in Antigone. Wie weit erlauben wir der Gesellschaft, in unser Leben einzugreifen? Der Staat greift ja auch heute ungeheuer in unsere Leben ein, muss in unsere Leben eingtreifen, um zu funktionieren: Für nahezu alles – von der Geburt über die Ehe bis zur Beerdigung – gibt es Gesetze. Welche davon brauchen wir und welche gehen zu weit? Das sind radikal moderne Fragen. Würden Sie sagen, dass in diesem Konflikt eine der gemeinsamen europäischen Wurzeln liegt? Definitiv, da liegen unsere Wurzeln. Da wird etwas formuliert, was bis heute – zumindest in der westlichen Welt – noch uneingeschränkt Gültigkeit besitzt. Nach Antigone, nach den Griechischen Tragödien kommt ja ohnehin nicht mehr so viel Neues. Worin besteht für Sie, in fremder Umgebung – in einem “fremden Land” – die größte Herausfoderung? Ich bemühe mich immer meine Leidenschaft für ein Projket zu vermitteln. Ich denke, wenn mir das gelingt, werden kulturelle Unterschiede auch nur zu einem der vielen Hindernisse innerhalb einer Produktion. Die größte Herausforderung ist immer, die Idee, die man hat, so wirklich wie möglich zu gestalten und nicht bloss als Klischee. Eine Kunstform wie das Theater, die so sehr auf Konventionen beruht, kann schnell steril wirken. Junges Schauspiel Hannover 7 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover 5. Die Vorgeschichte KURZE GESCHICHTE EINER SCHWIERIGEN FAMILIE Weit in die Familiengeschichte reicht zurück, was in Antigone zur Sprache kommt, und sehr unterschiedlich sind die Quellen, die davon berichten. Hier nur das Wichtigste: Antigones Großvater Laios, Sohn des Labdakos und Herrscher über Theben, war, so berichtet Euripides in seinem Chrysippos, der Erfinder der Knabenliebe. Als Gast am Hofe des Königs Pelops unterrichtete er dessen jüngsten Sohn Chrysippos in der Kunst des Wagenlenkens. Dabei raubte und verführte er den Jungen. In seiner Schande tötete sich Chrysippos entweder selbst oder wurde von seinen Brüdern getötet. Sein Vater, König Pelops, jedenfalls verfluchte Laios: Solle er je einen Sohn zeugen, so zeuge er den eigenen Mörder. Aus Furcht vor der Erfüllung dieses Fluches enthielt sich Laios lange in der Erfüllung seiner Ehe mit Iokaste. Dreimal schickt er nach Delphi, dreimal bestätigt das Orakel den Fluch: Nur wenn er kinderlos sterbe, werde Theben gerettet. Doch wie im Wahnsinn, weiß Aischylos in Sieben gegen Theben zu berichten, oder aber von Brunft und Wein besiegt, wie Euripides in den Phönizierinnen behauptet, vollzogen die Brautleute die Ehe. Zum Zorn der Hera über die Entweihung der Ehe durch den Missbrauch an Chrysippos zog Laios so auch noch den Hass des Delphischen Orakels auf sich. Sophokles berichtet in König Ödipus, wie Laios dem unliebsamen Nachkommen die Füße durchschneidet und ihn dann am Berge von Kithairon aussetzen lässt. Nackt in einem Topf, zur Winterszeit, mit geschwollenen Füßen, so wird behauptet, findet der Hirte Euphorbos den Knaben und nennt ihn Ödipus, was nichts anderes als Schwellfuß bedeutet. Unterschiedliches wird darüber berichtet, wie dieser Ödipus nach Korinth gelangte, zu König Polybos und seiner kinderlosen Frau Periboia. Sophokles lässt den thebanischen Hirten den Knaben gleich einem Hirten aus Korinth übergeben, und dieser bringt es dem kinderlosen Königspaar als Geschenk. Ahnungslos, als Kind des Königs von Korinth jedenfalls, wird Ödipus erzogen. Er selbst erzählt in der Tragödie des Sophokles, wie ein betrunkener Gast ihm vorwirft, er sei nicht Kind des Königs von Korinth, er sei ein Bastard. Die Pflegeeltern, die er zur Rede stellte, leugneten dies, doch Ödipus fand keine Ruhe und machte sich heimlich auf zum Orakel von Delphi, das Geheimnis seiner Herkunft zu lüften. Das Orakel allerdings verweigerte die Auskunft. Nur soviel erfuhr er: Er werde seinen Vater töten und das Bett mit seiner Mutter teilen. Erschrocken floh er daraufhin Korinth, das Land, in dem er aufgewachsen war, und zog nach Theben. Dort, an einem Kreuzweg vor der Stadt, begegnet er Laios, seinem Vater, der sich zum vierten Mal auf den Weg nach Delphi machte. Die beiden, unbeherrscht der Vater wie der Sohn, gerieten schnell in Streit, und ahnungslos schlug Ödipus den Vater tot. Aus Furcht vor dem Schrecklichen tat er das Schreckliche. In Theben herrschte zu diesem Zeitpunkt bereits eine furchtbare Sphinx, eine geflügelte Löwin oder Hündin mit dem Kopf einer Jungfrau. Angeblich hatte Hera, die Schutzgöttin der Ehe, sie von Äthiopien nach Theben geschickt, weil die Thebaner die Leidenschaft ihres Königs für junge Männer duldeten. Die Sphinx sang Rätselhaftes: Ein Zweifüßiges gibt es auf Erden, ein Dreifüßiges und ein Vierfüßiges. Und alles trägt den gleichen Namen. Die Gestalt ändert es, doch mit den meisten Füßen ist die Schnelle seiner Glieder am geringsten. Wer das Rätsel nicht zu lösen vermochte, musste sterben. Tagtäglich verspeiste sie mindestens einen blutjungen Thebaner. Ödipus nun löste das Rätsel: Der Mensch kriecht, kaum geboren, auf vier Füßen umher, geht dann auf zwei Beinen und am Ende auf einen Stock gebeugt. Die Sphinx, als sie ihr Rätsel gelöst sah, stürzte sich ins Meer, und Ödipus wurde zum weisesten und zugleich ahnungslosesten König der Welt. Als Preis für seinen Sieg gewann er die Herr- Junges Schauspiel Hannover 8 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover schaft über Theben und seine Mutter Iokaste zur Frau. Vier Kinder zeugte er mit der ehelichen Mutter: die Söhne Eteokles und Polyneikes und die Töchter Antigone und Ismene. Erst, als in Theben eine Seuche ausbrach, ahnten die Thebaner, dass etwas faul war in ihrem Staat. Bei der Suche nach der Ursache der Krankheit schließlich, fand Ödipus sich selbst. Verzweifelt über seine Blindheit, die fliehend erst sein Schicksal ihn erfüllen ließ, riss er sich beide Augen aus. Iokaste, seine Frau, erhängte sich. Die Söhne aber, Eteokles und Polyneikes, jagten ihren blinden Vater aus der Stadt, oder sperrten ihn – nach anderen Quellen – in einem unterirdischen Gefängnis ein. Ödipus verfluchte seine Söhne: Im Streit um Thebens Herrschaft solle einer durch die Hand des anderen sterben. Die Söhne verabreden zunächst, sich die Herrschaft in der Stadt zu teilen. Doch Eteokles hielt sich schon bald nicht mehr an die Absprache. Er vertrieb Polyneikes aus der Stadt. Polyneikes kehrte daraufhin mit sieben fremden Heeren zum Sturm auf seine Vaterstadt zurück. Der blinde Seher Teiresias riet Kreon, Iokastes Bruder und Heerführer in Theben, er solle, um die Stadt zu retten, seinen jüngsten Sohn Meneukois opfern. Kreon weigerte sich, doch Meneukois stieg auf die Stadtmauern und opferte sich dem Kriegsgott Ares. Die beiden Brüder starben, einer durch die Hand des andern. Theben siegte. Die Herrschaft aber in der Stadt fiel Kreon zu. Er trägt die Krone und die Last des jungen Friedens. Denn schon am Morgen nach der Schlacht erhebt sich gegen ihn Antigone. --------------------------------------------------------------------------C.T. Junges Schauspiel Hannover 9 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover 6. Einzugslied (Fassung Soeren Voima) Laios war ein Kinderschänder, So fing unser Elend an. Denn an König Pelops Jüngstem Hart verging sich dieser Mann. Pelops war natürlich wütend, Hat zu rächen sich versucht Und als dieses mehrfach fehlschlug Bei den Göttern ihn verflucht: Sollte je er Vater werden, Dann empfange er zum Lohn Einen Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn Einen Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn. Laios, der ein frommer Mann war, Schlug die Sache auf den Magen Sah der Frauen Reize fortan Nur mit großem Unbehagen. Einmal aber, sturzbetrunken, Fiel er über seine Frau her. Als ihr Bauch sich darauf wölbte, Wurde vor Entsetzen grau er. Schlaflos wälzt er sich im Bette Angststarr sitzt er auf dem Thron Vor dem Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn Vor dem Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn. Und tatsächlich: einen Sohn schenkt, Seine Frau ihm, Iokaste, Sehr begreiflich ist das Laios Abgrundtief das Kindlein hasste. Darum zögert er nicht lange Und durchschneidet ihm die Füße Wirft es dann in einen Abgrund: An die Götter beste Grüße. Doch die Götter sind beleidigt Sie erretten, ihm zum Hohn, Seinen Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn Seinen Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn Es wuchs auf das arme Kind nun, Links und rechts ein Krüppelfuß, Bei dem König von Korinth nun Und man rief es: Ödipus. Ödipus, zum Mann geworden, Wollte seiner Herkunft Makel Endlich klar ins Auge Blicken Und befragt drum das Orakel Schreckliches hört er in Delphi Schreckliches; in klarem Ton: Bist ein Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn Bist ein Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn Kehrt der Heimatstadt den Rücken, Seinem Schicksal zu entfliehen, Junges Schauspiel Hannover 10 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover Doch das Schicksal ausgerechnet Läßt ihn Richtung Theben ziehen. Dort gerät in einen Streit er Just mit Laios, seinem Vater „Aus dem Weg, du Drecksau!“, schreit er Dann begeht die Schreckenstat er: Schlägt den Kopf ihm von den Schultern „Hier, du Sack, eine Lektion“: Von dem Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn Von dem Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn. Vor die Sphinx, die menschenfressend Herrscht in Theben, tritt er kühn, Spielend löst er auf ihr Rätsel Und die Stadt umjubelt ihn: Ödipus soll König werden! Der die Sphinx schlug, die verhasste! Ödipus soll uns regieren, Seine Frau sei Iokaste! Glücklich steigt er in ihr Bette Glücklich sitzt er auf dem Thron Unser Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn. Unser Motherfuckermurdermurdermotherfuckersohn. Vier Geschwisterkinder zeugt er Mit der ehelichen Mutter Wäre nicht die Pest gekommen Alles wäre noch in Butter. Bei der Frage, wie der Seuche Endlich Herr zu werden sei Sagt nun aber das Orakel Schafft des Laios Mörder bei. Ödipus erkennt den Täter Raubt sich jede Illusion Er ist selbst der Motherfuckermurdermotherfuckersohn Er ist selbst der Motherfuckermurdermotherfuckersohn Blind verstrickt in Schicksalsfäden Schuldlos schuldig bin ich, spricht er, Wozu also länger sehen? Sich in beide Augen sticht er. Seine Mutter/Frau erhängt sich, Doch die Brüder/Söhne jagen Aus der Stadt den blinden Vater. Der verflucht sie: Binnen Tagen Werdet ihr einander schlachten In dem Streit um meinen Thron! Das wünscht euch der Motherfuckermurdermotherfuckersohn Das wünscht euch der Motherfuckermurdermotherfuckersohn Kaum ist Ödipus verstoßen Schon greift nach des Staates Ruder Eteokles und kühn im Handstreich Junges Schauspiel Hannover 11 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover Jagt er aus der Stadt den Bruder. Doch es kehrt mit sieben fremden Heeren Polyneikes wieder, Brennt und schießt die Vaterstadt Fast im Bruderkriege nieder. Doch, im Zweikampf, wie geweissagt, Sterben unter Schmerzgestöhne Die zwei Motherfuckermurdermurdermotherfuckersöhne Die zwei Motherfuckermurdermurdermotherfuckersöhne. Theben siegt zu guter Letzt. Und die Herrschaft in der Stadt Fällt an einen, der durch Weisheit Stets sich ausgezeichnet hat: Kreon, rufen die Thebaner, Kreon soll auf unsern Thron: Nie mehr so ein Motherfuckermurdermotherfuckersohn! Nie mehr so ein Motherfuckermurdermotherfuckersohn! Junges Schauspiel Hannover 12 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover 7. BEIDE IM UNRECHT, BEIDE IM RECHT Das Fatum ist das Begrifflose, wo Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in der Abstraktion verschwinden: in der Tragödie dagegen ist das Schicksal innerhalb eines Kreises sittlicher Gerechtigkeit. Am erhabensten finden wir das in den Sophokleischen Tragödien. Es wird daselbst vom Schicksal und von der Nothwendigkeit gesprochen; das Schicksal der Individuen ist als etwas Unbegreifliches dargestellt, aber die Nothwendigkeit ist nicht eine blinde, sondern sie ist erkannt als die wahrhafte Gerechtigkeit. Dadurch eben sind jene Tragödien die unsterblichen Geisteswerke des sittlichen Verstehens und Begreifens, die ewigen Muster des sittlichen Begriffs. Das blinde Schicksal ist etwas Unbefriedigendes. In diesen Tragödien wird die Gerechtigkeit begriffen. Auf eine plastische Weise wird die Collision der beiden höchsten sittlichen Mächte gegen einander dargestellt in dem absoluten Exempel der Tragödie Antigone; da kommt die Familienliebe, das Heilige, Innere, der Empfindung Angehörige, weshalb es auch das Gesetz der unteren Götter heißt, mit dem Recht des Staats in Collision. Kreon ist nicht ein Tyrann, sondern ebenso eine sittliche Macht, Kreon hat nicht Unrecht: er behauptet, dass das Gesetz des Staats, die Autorität der Regierung geachtet werde und Strafe aus der Verletzung folgt. Jede dieser beiden Seiten verwirklicht nur die eine der sittlichen Mächte, hat nur die eine derselben zum Inhalt, das ist die Einseitigkeit, und der Sinn der ewigen Gerechtigkeit ist, dass Beide Unrecht erlangen, weil sie einseitig sind, aber damit auch Beide Recht; Beide werden als geltend anerkannt im ungetrübten Gang der Sittlichkeit; hier haben sie Beide ihr Gelten, aber ihr ausgeglichenes Gelten. Es ist nur die Einseitigkeit, gegen die die Gerechtigkeit auftritt. Georg Friedrich Hegel „Vorlesungen über die Philosophie der Religion“ ANTIGONE: Die ihre Brüder sind zu lieben ist die Schwester da! KREON: Wenn für größer als die Stadt das Liebste jemand hält, der gilt mir nichts und wird mir niemals etwas gelten. Junges Schauspiel Hannover 13 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover 8. GEISTERHAFTE BRÜDER Denken wir daran, dass Antigone zu trauern versucht, offen zu trauern, öffentlich, und das unter einem offiziellen Verbot, unter einem Erlass, der Polyneikes als Verbrecher sieht und jeden kriminell nennt, der die Autorität dieses Erlasses in Frage stellt. Die offene Trauer Antigones ist an sich schon ein Verbrechen. Aber ist sie schuldig nur der Worte wegen, die auf ihr lasten, Worte, die von anderswoher kommen, oder hat sie sich selbst gegen die Verwandtschaftsbande gewandt, die zu betrauern sie nun als Recht für sich verlangt? Sie betrauert ihren Bruder, aber ein Teil dessen, was in dieser Trauer unausgesprochen bleibt, ist ihre Trauer um den Vater und auch um ihren anderen Bruder. Beinahe gänzlich unaussprechlich bleibt die Mutter, und kaum eine Spur von Trauer um die Schwester lässt sich finden, Ismene, die sie ausdrücklich abgewiesen hat. „Bruder“ ist für sie nichts Singuläres, obgleich es sein kann, dass alle ihre Brüder (Ödipus, Polyneikes, Eteokles) sich im entblößten Leid des Polyneikes verdichten, eine Blöße, die sie zu bedecken sucht, eine Nacktheit, die sie lieber nicht sehen oder gesehen haben würde. Der Erlass verlangt, dass der tote Körper bloß und unbetrauert bleiben soll, und obgleich Antigone sich dieser Vorschrift widersetzt, ist nicht völlig klar, ob all ihre Trauer oder ihre öffentliche Tat von diesem Erlass überhaupt erfasst wird. Sie nennt ihren Verlust beim Namen Polyneikes und besteht auf dessen Singularität, aber dieses Beharren ist suspekt. So wird ihr Beharren auf der Singularität des Bruders, auf seiner radikalen Unreduzierbarkeit, Lügen gestraft durch den unterlassenen Vollzug der Trauer für die beiden anderen Brüder, die beiden, die sie uns nicht öffentlich reproduziert. An dieser Stelle wird sichtbar, dass das Trauerverbot nicht einfach über sie verhängt ist, sondern ohne Druck durch öffentliches Recht unabhängig von ihr ergangen ist. Ihre Melancholie, wenn wir sie so nennen können, scheint in dieser Verweigerung der Trauer zu bestehen, die durch eben jene Öffentlichkeit durchgesetzt wird, unter deren Bedingungen sie auch auf ihrem Recht zur Trauer beharrt. Ihr Anspruch auf das Trauerrecht könnte sehr wohl Zeichen einer Melancholie sein, die in ihrer Sprache am Werk ist. Ihre lauten Proklamationen der Trauer setzen eine Sphäre des Unbetrauerbaren voraus. Das Beharren auf öffentlicher Trauer ist es, was sie von der Weiblichkeit weg in die Hybris treibt, in jenen ausgesprochen männlichen Exzess, der die Wächter, den Chor und Kreon in Erstaunen versetzt: Wer ist hier der Mann? Es scheint hier einige geisterhafte Männer zu geben, Männer, die von Antigone selbst bewohnt werden, die Brüder, deren Stelle sie eingenommen hat und deren Stelle sie durch die Übernahme transformiert. Der Melancholiker, sagt Freud, bringt seine »Beschwerde«, seinen Anspruch auf ein Recht dort vor, wo die Sprache zum Ereignis der Trauer wird, wo sie, aus dem Unaussprechlichen hervortretend, eine Gewalt mit sich führt, die sie an die Grenze der Sagbarkeit bringt. Judith Butler Junges Schauspiel Hannover 14 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover 9. DIE ANTIGONE DES SOPHOKLES Zwei Brüder töten einander im blutigen Kampf um die Macht. Der eine, Eteokles, so verfügt es Kreon, der neue Herrscher in der Stadt, soll mit allen Ehren als Held begraben werden. Den anderen aber, Polyneikes, der seiner Vaterstadt den Krieg erklärte, soll noch nach dem Tod die größte Schande treffen: Unbeerdigt soll er bleiben, zur Abschreckung und Mahnung für alle. Wer ihn begräbt, muss sterben. Antigone, Schwester von Eteokles und Polyneikes, widersetzt sich dem Gesetz des Herrschers. Sie begräbt Polyneikes und reißt Kreon, sich selbst und die Stadt Theben in eine neue Katastrophe. Im Jahre 442 v. Chr. wahrscheinlich wurde die Tragödie des Sophokles zum ersten Mal gespielt. Sie gilt heute nicht nur als die gelungenste griechische Tragödie überhaupt, vermutlich gibt es kein anderes Kunstwerk, dass die abendländische – und insbesondere die deutsche – Geistesgeschichte so entscheidend geprägt hat. Etwa um 1790 kommt es im theologischen Seminar von Tübingen zu einer zufälligen Begegnung dreier Studenten miteinander und mit der Antigone des Sophokles. Diese Begegnung führt gewissermaßen zu einer Kernreaktion, die das gesamte 19. Jahrhundert überstrahlt: Auf den späteren Idealisten Georg Friedrich Hegel war der Eindruck des unlösbaren Konflikts zwischen dem neu gekrönten Herrscher Kreon und seiner Antagonistin Antigone so stark, dass er sich lebenslang daran abarbeiten und seine Staats- und Geschichtsphilosophie aus diesem Konflikt entwickeln bzw. auf diesen beziehen sollte. Für das akademische Wunderkind Friedrich Wilhelm Schelling bildet die Tragödie den wesentlichen Diskurs allen Seins überhaupt, und für den Dichter Friedrich Hölderlin entzündet sich an ihr eine unauslöschliche Begeisterung für „das goldene Alter der Wahrheit und Schönheit, welches Griechenland war“. Von Tübingen aus gerät das 19. Jahrhundert nicht nur in einen Antiken-, sondern in einen regel-rechten Tragödientaumel. Das Denkmodell der griechischen Tragödie, der unlösbare Konflikt des Einzelnen mit der Polis, wird zur großen bür-gerlichen Utopie, zum Paradigma abendländischen Handelns. Die Antworten darauf und Widersprüche dazu sind Legion. Sie reichen von Kierkegaard über Marx, Brecht, Heidegger, Freud, Lacan, Wurmser und Lévi bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Wie sind Kreons Verbot, den Verräter und Kriegsverbrecher Polyneikes zu begraben, und Antigones Widerstand gegen dieses Verbot zu bewerten? Worin besteht eigentlich die Tragödie: in Antigones Tod oder Kreons Überleben? Können wir einem der beiden Protagonisten mehr Recht zugestehen als dem anderen? Ist Kreon Tyrann oder Antigone Terroristin? Sind womöglich beide im Unrecht und einfach nur unfähig, den Schatten ihrer Scham zu überspringen? Wie ist es überhaupt denkbar, dass ein 2000 Jahre altes Theaterstück immer noch vermag, unsere Gefühle derart zu erregen, unsere Fantasien derart zu beflügeln? Den Stoff für seine Tragödie fand Sophokles in der Mythologie. Über den konkreten Anlass für seine Bearbeitung können wir nur spekulieren: Vielleicht war es die Verbannung und das Todesurteil gegen Themistokles, den Helden der Seeschlacht von Salamis. Vielleicht auch das Wiederaufleben familiärer Beerdigungsriten inklusive opulenter Familiengräber, die von der attischen Polis als provozierend empfunden wurden. Unbestreitbar ist, dass Antigone einen der wesentlichen Konflikte dekliniert, die die abendländische Zivilisation sozusagen seit ihrer Geburt in der Attika begleiten. Angetreten zum Schutz der Lebensinteressen des Einzelnen, gerät der Stadtstaat mit seinen dafür notwendigen Gesetzen immer wieder in Widerspruch zu eben jenen Interessen, die er zu schützen sucht. Aber warum verläuft dieser Konflikt tragisch? Muss der Einzelne mit seinen familiären oder religiösen Interessen zurück treten hinter den Interessen der Gemeinschaft? Wenn aber der Einzelne zurücktreten muss, warum sollte er die Gesetze des Staates überhaupt noch als bindend betrachten? Und wie sollte ein Staat, der von einer abstrakten Rechtssprechung zu Gunsten des Einzelnen zurücktritt, noch gemeinverbindliche Gesetze formulieren? Oder sind beide, Antigone und Kre- Junges Schauspiel Hannover 15 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover on, nur warnende Beispiele zweier ins Totale sich versteigender und damit politikunfähiger Neurotiker? „Ungeheuer ist vieles, nichts so ungeheuer wie der Mensch“, sagt uns der Chor in seinem wohl berühmtesten Lied. Fast klingt es wie Hohn: Auch nach 2000 Jahren, auch bei einem schier unvorstellbaren Fortschritt in Wissenschaft und Technik, sind wir in unserem Urteilsvermögen, in der Erkenntnis unseres Seins offenbar keinen wesentlichen Schritt weiter als unsere attischen Vorfahren. ------------------------------------------------------------------------- C.T. BOTE: Schlimm ist, wenn ein Mann bestimmt, und trotzdem stimmt es nicht. Junges Schauspiel Hannover 16 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover 10. Unterrichtsvorschläge Liebe Kolleginnen und Kollegen, Die Inszenierung der “Antigone” von Josip Galindo ist im besten Sinne Welttheater. Es bedient sich eines universellen Zeichenrepertoires, das leicht lesbar dem Verständnis und dem Genuss an dem antiken Stoff dient. Auch ohne vorherige Lektüre empfehlen wir das Stück Jugendlichen aller Schulformen ab der 8. Klasse. Kreon, der die Veränderung sucht, ringt um Gunst und Verständnis des Publikums. Der Chor/Bote/Wächter ist unberechenbar und wankelmütig, Antigone ist starrsinnig und trotzig. Wie kann man da die Politik für einen Staat machen, der die Interessen der vielen Einzelnen vertritt und dem sich also im Interesse des Gemeinwohls auch die Einzelnen unterordnen sollten. Aber nein. Es herrschen Angst, Misstrauen und Untertanengeist, gemischt mit dem Widerwillen, den Mächtigen zu gehorchen. So kann man einen Staat nicht führen. Kreon scheitert. In seiner Entstehungszeit im 5.Jahrhundert vor unserer Zeit diente das Stück den Bürgern zur Auseinandersetzung mit der eigenen Demokratie in der Polis Athen. Der Chor, 15 alte Bürger Thebens, wurde vorgetragen als Sprechgesang, von 15 Bürgern Athens. Ihr Ringen gilt dem rechten Maß, dem Einklang von göttlichen und weltlichen Gesetzen. Kreons Scheitern ist die Strafe der Götter für seine Hybris, gegen das heilige Recht der Toten auf Bestattung zu verstoßen. 1. Gespräch in der Runde: Wer hat schon mal eine Beerdigung erlebt? Was geht davor? Was wird veranstalten? Warum ist das wichtig. Was muss man beachten? Für wen ist so eine Trauerfeier wichtig? Welche Rolle spielen die letzten Wünsche und Vorstellungen der Verstorbenen. Wie teuer ist eine Beerdigung? Muss man sich mit den Toten versöhnen? Glaubt ihr an ein Leben nach dem Tod? Glaubt ihr an eine unsterbliche Seele? Worüber kann es in der Familie zu Konflikten kommen? Wer entscheidet, wie ein Toter zu bestatten ist? Wer entscheidet in Euren Familien überhaupt? Halten die Geschwister zusammen, wenn Eltern anderer Meinung sind? Wie kann man seine Eltern bei Meinungsverschiedenheiten umstimmen? 2. Spielszenen – Konflikt in einer trauernden Familie. Nach dem Vorgespräch werden in Kleingruppen Szenen entwickelt und präsentiert, die einen Familienkonflikt nach einem Todesfall zeigt. Worum geht es? Wer vertritt welche Position? Wer trifft am Ende die Entscheidung. 3. Antigones Familie – Eine inszenierte Talkshow. In Kleingruppen bekommen die Teilnehmer Figurenkarten aus Antigone (siehe Anhang) und müssen die Interessen der Figuren vertreten. Der Spielleiter moderiert die Talkrunde nach folgendem Schema: 1. Die Figuren stellen sich vor, damit jeder weiß, wer mit wem verwandt ist. 2. Kreon, du hast nach dem Krieg, in dem sich die beiden Königssöhne gegenseitig erschlagen haben ein Gestz erlassen. Welches und warum? 3. Antigone, du willst deinen Bruder Polineikes begraben, obwohl er ein Feind Thebens war. Warum? Weißt du, dass darauf die Todesstrafe steht? Junges Schauspiel Hannover 17 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover 4. Ismene, Polineikes war auch dein Bruder. Wirst du Antigone helfen, ihn zu begraben? 5. Wächter, erzähle was dein Beruf ist? Was ist passiert? Melde es Kreon. Aber pass auf, er ist sehr streng und jähzornig. 6. Kreon, was wirst du jetzt tun? Du kannst ja als neuer König nicht dulden, dass man deine Gestze missachtet. Sonst wird man dich für schwach halten. 7. Wächter, es ist dir gelungen Antigone bei den Bestattungsritualen zu ertappen. Bring sie zu Kreon, demit er dir die Strafe erlässt. 8. Kreon verhört Antigone. Was will er wissen. 9. Ismene, Kreon verdächtigt auch dich, bei der Bestattung deines Bruders dabei gewesen zu sein. Wie verhältst du dich. 10.Haimon, dein Vater Kreon hat Antigone und ihre Schwester zum Tode verurteilen lassen. Du liebst Antigone sehr. Wie kannst du deinen Vater auf sanfte und kluge Art umstimmen? Was kannst du ihm androhen, wenn er nicht einsichtig ist? 11.Teiresias, du kennst den Willen der Götter? Was hast du Kreon zu sagen? 12.Chor, Bürger von Theben. Was habt ihr zu den bisherigen Ereignissen zu sagen? Was ratet ihr Kreon zu tun? 13.Bote, du hast gesehen was weiter geschah. (Euriodike muss sich jetzt mal Kurz die Ohren zu halten.) Jetzt kommt es darauf an Euridike die Nachricht schonend beizubringen. Finde mal vorsichtige Worte. 14.Euridike, was tust du jetzt? 15.Kreon, wie fühlst du dich? Hast du irgendwelche Erkenntnisse? 16.Chor, was sagst du dazu? 17.Ab jetzt wird der Dialog im Totenreich fortgesetzt. Antigone? Warst du im Recht? Warum? 18.Wer von den anwesenden Toten möchte etwas sagen? Wer hatte recht? Antigone oder Kreon? 19.Was hat Kreon eigentlich falsch gemacht? 20.Was hätte er ändern können? 4. Chorsprechen im Rythmus – Das Einzugslied. Zur Vorgeschichte des griechischen Theaters gehören die Dithyrambengesänge, rhythmisch gesprochene Chöre. Kleingruppen erhalten je eine Strophe des Einzugsliedes (Siehe Seite 11) und sie in der richtigen Reihenfolge vor. Die Ödipusgeschichte wir dann noch einmal nacherzählt. Junges Schauspiel Hannover 18 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover Wir wünschen viel Spaß beim Ausprobieren und freuen uns auf Sie im Theater. 12. ANHANG Figurenkarten: KREON Frisch ernannter König von Theben Vater von Haimon, Mann von Euridice, Onkel von Antigone und Ismene. Bis vor kurzem herrschte hier Krieg, weil Polineikes seinem Bruder Eteokles den Thron nicht gönnte. Polineikes hatte sich mit 7 fremden Königen verbündet und war über die Stadt hergefallen. Bei der letzten Großen schlacht hatten sich die beiden Brüder gegenseitig erschlagen. Die Angreifer wurden vertrieben. Das Volk wählte dich zum neuen König. Jetzt liegen die Toten der Angreifer vor der Stadt und sollen dort auch unbegraben verwesen. Alle sollen sehen, wie es den Feinden Thebens ergeht. So lautet das erste Gesetz, dass du in Theben erlässt: „Wer es wagt, einen der Feinde zu begraben, der wird mit dem Tode bestraft.“ ANTIGONE Tochter des Ödipus, Nichte von Kreon, verlobt mit Kreons Sohn Haimon, Schwester von Ismene Im Kampf um den Thron von Theben, haben sich deine Brüder gegenseitig erschlagen. Jetzt soll nach König Kreons Gesetz Poleinikes unbegraben bleiben. Das kannst du nicht dulden. Du fragst deine Schwester Ismene, ob sie mit dir zusammen Polineikes bestattet. Aber sie hat Angst. So tust du es allein, wirst verhaftet, verhört und zum Tode verurteilt. Junges Schauspiel Hannover 19 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover ISMENE Tochter des Ödipus, Nichte von Kreon, verlobt mit Kreons Sohn Haimon, Schwester von Antigone. Im Kampf um den Thron von Theben, haben sich deine Brüder gegenseitig erschlagen. Jetzt soll nach König Kreons Gesetz Poleinikes unbegraben bleiben. Wer es tut, der wird mit dem Tode bestraft. Antigone will ihn trotzdem begraben, aber du hast Angst, ihr dabei zu helfen. Du versuchst, sie abzuhalten oder sie wenigstens vor Kreon zu verteidigen. Aber du schaffst es nicht. HAIMON Sohn von König Kreon und verlobt mit Antigone Dein Vater ist der neue König von Theben. Deine Verlobt hat gegen seinen ausdrücklichen Willen ihren Bruder Polineikes begraben und wurde dafür von Kreon zum Tode verurteilt. Du versuchst deinen Vater mit aller Klugheit von seinem harten Urteil abzubringen. Aber er bleibt dabei. Er wird deine Verlobte lebendig begraben lassen. Du musst zu ihr! CHOR Bürger von Theben. Ihr habt schon alles gesehen und mitgemacht. Euer Königsgeschlecht ist verflucht. Lauter Kinderschänder und Inzuchtler. Die Götter strafen diese Familie immer aufs neue, weil sie nie ein rechtes Maß finden. Bis vor kurzem herrschte hier Krieg, weil Polineikes seinem Bruder Eteokles den Thron nicht gönnte. Polineikes hatte sich mit 7 fremden Königen verbündet und war über die Stadt hergefallen. Bei der letzten großen Schlacht hatten sich die beiden Brüder gegenseitig erschlagen. Die Angreifer wurden vertrieben. Ihr wähltet Kreon zum neuen König. Der aber verbot, die Leichen der Feinde zu begraben und das kann nicht gut gehen. Junges Schauspiel Hannover 20 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover THEIRESIAS Blinder Seher Du kennst den Willen der Götter und kannst Unheil voraussehen. Wenn man auf dich hört, ist es noch abzuwenden. Aber meist hast du es mit verblendeten dummen Menschen zu tun, die ihre Fehler nicht einsehen wollen. Jetzt zum Beispiel, hat König Kreon verboten, die Leichen der Feinde zu begraben. Das kann nicht gut gehen. Du warnst ihn. Er beschimpft dich, kränkt dich. Das Schicksal nimmt seinen Lauf. EURIDIKE Kreons Frau und Mutter Haimons Du kümmerst dich nicht um Politik und hältst dich auch Kreon gegenüber gerne im Hintergrund, weil er sehr jähzornig und aufbrausend ist. Dafür hängst du um so mehr an deinem klugen und verständigen Sohn Haimon, auf den Du alle Hoffnungen setzt. Er wird einmal ein guter König. Du würdest dir das Leben nehmen, wenn ihm etwas zustöße. Oh, jetzt ist das Schlimmste geschehen. Du ziehst die Konsequenzen. WÄCHTER Du bist hier nur Diener und mit keinem verwandt. Das ist auch gut so bei dieser Inzuchtfamilie. Jetzt hast du mit ein paar Freunden von Kreon den Auftrag, die Toten vor der Stadt zu bewachen, damit niemand sie begräbt. Es stinkt entsetzlich. Ihr versucht euch abseits zu halten, wo frischer Wind weht. Aber man sieht von da aus nicht alles. So ist es passiert, dass die Leiche des Polineikes doch mit Erden bedeckt und also begraben wurde. Ihr Diener habt ge- Junges Schauspiel Hannover 21 Unterrichtsmaterial zu „Antigone“ von Sophokles Junges Schauspiel Hannover lost, wer das Kreon meldet und du bist der „Glückliche“. Du hast große Angst, denn neue Könige sind unberechenbar und hart. Aber du musst ihm die Nachricht überbringen. Jetzt hat Kreon gedroht, dich umzubringen, wenn du nicht herausfindest, wer Polineikes beerdigt hat. Gott sei dank erwischst du Antigone dabei wie sie dem Toten Grabspenden bringt. Du nimmst sie gefangen und bringst sie zu Kreon. BOTE Kreon wollte die Hinrichtung Antigones doch noch Aufhalten. Teiresias hat ihm Angst gemacht. Du warst bei ihm und hast folgendes gesehen: Antigone sollt lebendig begraben werden. Um nicht einen langsam Qualvollen Tod zu sterben hat sie sich erhenkt. Haimon kam zu spät um sie noch zu retten. Als er Kreon, seinen Vater kommen sah, verfluchte er ihn und rammte sich sein Schwert in den Bauch. Liegt Kreon da und weint. Du musst das alles jetzt erst dem Volk und dann Euridike, Haimons Mutter berichten. Euridike hat sich auch umgebracht, als sie das hörte. Du zeigst den anderen ihre Leiche, damit sie dir glauben. Junges Schauspiel Hannover 22