Symmetrie ebener Figuren Symmetrie im geometrischen Kontext
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Symmetrie ebener Figuren Symmetrie im geometrischen Kontext
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg – Institut für Mathematik und Informatik Didaktik I: Geometrie und Größen (Mohr) Wintersemester 2004/05: Mo, 10.15–11.45 Uhr, Aula Symmetrie ebener Figuren Lit.: Franke, Marianne (2000): Didaktik der Geometrie, Heidelberg/Berlin: Spektrum Radatz, Hendrik/Rickmeyer, Knut (1991): Handbuch für den Geometrieunterricht an Grundschulen, Hannover: Schroedel Winter, Heinrich (2001): „Fundamentale Ideen in der Grundschule“, in http://www.grundschule.bildung-rp.de/gs/mathematik/winter-ideen.html [29.11.2004] Symmetrie im geometrischen Kontext Definition: 1. Eine ebene geometrische Figur ist symmetrisch, wenn es mindestens eine nichttriviale Deckabbildung gibt. 2. Eine Deckabbildung (oder Symmetrie) ist eine Abbildung der Ebene auf die Ebene, die die Figur auf sich selbst abbildet. Es gibt stets die triviale Deckabbildung der Identität (Drehung um 0°). Weitere mögliche Deckabbildungen: Drehung, Verschiebung (beide orientierungstreu), Achsenspiegelung (nicht orientierungstreu), sowie Kombinationen davon (Punktspiegelung ist Drehung um 180°). Mit Bezug auf die Deckabbildungen spricht man von Achsensymmetrie, Dreh- oder Rotationssymmetrie, Translationssymmetrie. Anmerkungen: 1. Symmetrie im Raum kann analog definiert werden. Dies wird jedoch in der Grundschule nicht angesprochen. 2. Symmetrie bezeichnet mathematisch also nicht nur das Phänomen, dass eine Figur symmetrisch ist, sondern auch die Abbildung, die dem Phänomen zugrunde liegt. Gründe für die Behandlung des Themas Symmetrie ist eine fundamentale Idee oder Kernidee des Geometrieunterrichts. Heinrich Winter (1976, 2001) versteht darunter „Ideen, die starke Bezüge der Wirklichkeit haben, verschiedene Aspekte und Zugänge aufweisen, sich durch hohen inneren Beziehungsreichtum auszeichnen und in den folgenden Schuljahren immer weiter ausbauen lassen.“ Im Falle der Symmetrie • Formaspekt: zwei „Hälften“ einer (achsensymmetrischen) Figur • algebraischer Aspekt: Die Menge der (mind. 2) Deckabbildungen (Identität und Achsenspiegelung) ist eine Gruppe der Ordnung 2 oder höher. • ästhetischer Aspekt: Achsensymmetrie als ästhetisches Prinzip • ökonomisch-technischer Aspekt: Achsensymmetrische Lösungen sind oft optimal. • arithmetischer Aspekt: achsensymmetrische Anordnung von Punktmustern gerader Anzahl bzw. der negativen und positiven Zahlen • kognitiver Aspekt: Symmetrische Darstellungen und Zusammenhänge sind schneller erkennbar und speicherbar. • Ausbau im Laufe der Schulzeit (Spiral-Curriculum): u.a. ebene Achsensymmetrie (PS), Punktspiegelung, Drehung, Verschiebung (Sek. I), rechnerische Behandlung in analytischer Geometrie (Sek. II) Aus diesen Gründen ist die Symmetrie in allen Lehr- und Bildungsplänen zu finden (auf nahezu allen Stufen). Behandlung des Themas in der Grundschule Beschränkung in zweierlei Hinsicht: 1. Die Achsensymmetrie wird als die Kongruenzabbildung der Ebene ausführlich behandelt. Gründe dafür: a) Es ist die nächstliegende Symmetrie. b) Eine exemplarische Symmetrie genügt zur Verdeutlichung des Prinzips der Symmetrie. c) Jede andere Kongruenzabbildung der Ebene ist als Verkettung mehrerer Achsenspiegelungen darstellbar. 2. Es werden nur Symmetrien ebener Figuren betrachtet (da anschaulicher). Andere Kongruenzen bzw. Symmetrien (z.B. Verschiebungen bzw. räumliche Figuren) werden höchstens auf intuitiver Ebene, aber nicht systematisch, thematisiert. Voraussetzungen zur Behandlung des Themas mit Grundschülern 1. Alle Kinder können zu Beginn der Grundschulzeit symmetrische Eigenschaften erfassen. Gründe: Bestreben der Kinder nach Ordnung und Schönheit, Strukturierung ihrer Umwelt u.ä. 2. Bekannt sind Symmetrien • am Körper (Hände, Arme, Beine, Gesicht usw.), • an Tieren (Schmetterlinge, Käfer, Fliegen, Vögel usw.), • an Bauwerken (Fensteranordnungen, Erker u.ä.), • an Gebrauchsgegenständen (Fernseher, Schrank, Lampen, Tisch, Stuhl, Löffel usw.). Störungen in der Symmetrie verursachen Probleme: wackelnder Stuhl, abstürzende Papierschwalbe u.ä.). Später kann thematisiert werden, dass die Biologie genau genommen keine exakten Symmetrien kennt (z.B. Gesicht)! 3. Die Kinder haben z.T. Erfahrungen im Herstellen symmetrischer Figuren durch Falten und Klecksen, Falten und Schneiden, Legen oder auch Spiegeln (Spiegelbild im See oder Handspiegel). Stufung der Schwierigkeitsgrade Mögliche Aufgabenstellungen, geordnet nach steigendem Schwierigkeitsgrad: • Erkennen von Symmetrien: „Zeichne die Spiegelachse(n).“ o einzelne Figur mit darin befindlicher Symmetrieachse (z.B. Verkehrszeichen, Gesicht, Buchstabe) o zwei symmetrische Figuren (z.B. zwei Autos, die aufeinander zu fahren; Symmetrieachse dazwischen) • Herstellen von Symmetrien: o „Vervollständige die Figur, indem du die fehlende Hälfte zeichnest.“ Beispiele: halbes Männlein, halbes Gesicht, Wörter mit fehlender oberer Hälfte („Geheimschrift“), halbe abstrakte Figuren (halbes Herz usw.). Diese Bilder werden von Kindern als unvollständig empfunden, da sie sich das ganze Bild im Geist vorstellen können (z.B. Gesicht). Die Aufgabenstellung greift also ein Bedürfnis der Kinder auf. o „Spiegele das Bild nach rechts/links.“ Beispiele: Auto, Haus usw. Diese Bilder werden als schon vollständig empfunden, insbesondere dann, wenn die Symmetrieachse die vorhandene Figur nicht berührt. Die Aufgabenstellung ist für Kinder willkürlich. Außerdem gilt generell, dass die Lage der Symmetrieachse den Schwierigkeitsgrad beeinflusst von leicht (senkrecht) über mittel (waagerecht) bis schwer (schräg). Symmetrie im fächerverbindenden Unterricht • • • • • Symmetrie an Kunstwerken Sachunterricht: Wie funktioniert ein Spiegel? Symmetrie von Blättern, Tieren, Verkehrszeichen, Flaggen, Firmenzeichen, Fußballlogos usw. Deutschunterricht: Symmetrieachsen in Buchstaben und Wörtern: HEIDI, DIE DICKE HEXE, sowie Palindrome wie OTTO, RELIEFPFEILER, EIN NEGER MIT GAZELLE ZAGT IM REGEN NIE (GOETHE). Arithmetikunterricht: Symmetrieachsen in Ziffern und Zahlen, Addition und Subtraktion „symmetrischer“ Zahlen (Spiegelzahlen) ohne Zehnerübergang Sportunterricht: Darstellen symmetrischer Figuren (und Körper) sowie gymnastische Übungen (Hampelmann, Spiegeltanz, Spiegellauf). Weitere Aktivitäten • • • • • Suchen von Fehlern in/Vervollständigen von „fast-symmetrischen“ Bildern Arbeiten am Geo-Brett (Spannen von Figuren mit Gummis) Figuren mit mehreren Symmetrieachsen (Rechtecke, Quadrate usw.): Mehrfachfalten, Arbeit mit zwei (und mehr?) Spiegeln, Faltdeckchen Lesen von Spiegel- oder unvollständiger Schrift Andere Symmetrien: Ornamente, Spielkarten u.ä. Anwesenheitsaufgaben: 1. Finden Sie alle Deckabbildungen für folgende ebenen geometrischen Figuren: Kreis, Quadrat, Rechteck, regelmäßiges Fünfeck, Parallelogramm. 2. Entwickeln Sie einen ersten Zugang (Einstieg, erste Schritte) zur Behandlung der Achsensymmetrie im Unterricht auf der Basis von • Legen • Falten • Falten und Schneiden • Spiegeln mit einem Handspiegel • Falten und Klecksen • Zeichnen auf Gitterpapier Bewerten Sie den Zugang im Hinblick auf entdeckendes Lernen, Lernen durch Handlung, spielerisches Lernen, produktorientiertes Lernen, Vor- und Nachteile.