Juni 2010 - KONEXUS CONSULTING GROUP
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Juni 2010 - KONEXUS CONSULTING GROUP
CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 1 Juni 2010 CONect Das Kundenmagazin der StadtwerkeKooperationen einmal anders Netzgesellschaften im Wandel Mediationsverfahren zur Konfliktlösung Carsten Liedtke im Interview Schnell, schlank und gut: Shared ServiceDienstleistungen in der Zukunft CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 2 EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, gehören Zählerwesen, Abrechnungsleistungen und Kundenservice eigentlich zu den Kernkompetenzen der Energieversorger? In jedem Fall determinieren sie wichtige erfolgskritische Parameter der Unternehmen, wie etwa die Kostensituation, Kundenzufriedenheit und Prozesseffizienz. Dies allein ist für uns Grund genug, uns in dieser CONect einmal intensiver mit den Shared Service-Dienstleistungen – heute und in Zukunft – zu befassen. Denn nur Unternehmen, die „drinnen“ wettbewerbsfähig agieren, werden auch „draußen“ erfolgreich sein können. Herzliche Grüße, Guido Wendt, Partner und Geschäftsführer C1 CONEXUS BEDENKEN: Stadtwerke-Kooperationen einmal anders 2 Netzgesellschaften im Wandel 4 Mediationsverfahren zur Konfliktlösung 6 BELEUCHTEN: Das Geschäftsmodell Inkasso: zusätzliche Ertragspotenziale realisieren Höhere Effizienz und Kundenzufriedenheit durch Automatisierung im Kundenservice 8 11 12 BEGEGNEN: 2 Guido Wendt und Dr. Thorsten Gliniars Der Kostendruck, den die BNetzA auf die Netzbetreiber ausübt, ist atemberaubend. Zudem sorgt der wachsende Wettbewerb im Vertrieb für sinkende Margen bei immer kleiner werdenden Marktanteilen. Auch die Komplexität des Portfolio- und Risikomanagement hat erheblich zugenommen. G INHALT Schnell, schlank und gut: Shared Service-Dienstleistungen in der Zukunft StadtwerkeKooperationen einmal anders Carsten Liedtke im persönlichen Gespräch 14 Das Historische E-Werk in Baden-Baden 16 leichzeitig ist die Liste der Themen, die durch Gesetzgeber, Politik und Öffentlichkeit auf die Agenda der Energieversorger gesetzt werden lang: Mandantentrennung, Smart Meter, E-Mobility und CO2-freie Erzeugung seinen hier stellvertretend für viele andere genannt. Dies alles zeigt: Die Unternehmen stehen unter einem erheblichem Anpassungsdruck. Und dieser Druck forciert die Kooperationsbereitschaft in der Branche. So hat die MVV AG für die Bereiche Netz, Billing, Metering, IT und Beschaffung beispielsweise Shared Service-Gesellschaften gegründet, die aktuell im Rahmen der Strategiedefinition weiter gestärkt werden. In Schleswig-Holstein wurde die Abrechnungsgesellschaft EVU Service GmbH durch eine Reihe von Stadtwerken aus der Taufe gehoben. Auch die Trianel ist mit der „EnergieGut“ gestartet, einer Vertriebsgesellschaft für Stadtwerke, die außerhalb des eigenen Netzgebietes Strom und Gas an SLP-Kunden verkauft. Neben erfolgreichen Beispielen gibt es aber immer wieder auch „Kooperationsleichen“, gemeinsame Ansätze, die weder die Erwartungen erfüllen noch genug eigene Dynamik entfalten, um langfristig zu reüssieren. Betriebswirtschaftlich lassen sich drei Fälle herauskristallisieren, die eine Zusammenarbeit grundsätzlich sinnvoll erscheinen lassen: Neue Themen, die Investitionen und Know-how Aufbau erfordern (z.B. Smart Meter, E-Mobility oder Portfoliomanagement Gas). „Alte“ Themen, die unter großem Effizienzdruck stehen und häufig mengenkritisch sind (z.B. Abrechnung, IT oder Kundenservice) Kapitalintensive Themen, die alleine nicht oder nur in begrenztem Umfang bewältigt werden können (z.B. Kraftwerke) Kooperationen sind aber auch mit Risiken versehen, die einer erfolgreichen Zusammenarbeit im Wege stehen können: Strategische Bedenken: Die Muttergesellschaften sehen das Risiko, dass neues, strategisch relevantes Wissen verloren geht bzw. in den Kooperationsgesellschaften aufgebaut wird und dadurch die Kräfteverhältnisse verschoben werden. CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 3 BEDENKEN Mangelndes Vertrauen: Die Partner schätzen zwar die theoretischen Vorteile einer Zusammenarbeit, sind aber unsicher, ob die Partnerschaft perspektivisch nicht zu ihren Lasten gehen wird. die Frage, die sich jeder selbst stellen muss: Steht mein Unternehmen mit der Kooperation besser da als ohne, unabhängig davon, ob die Nutzenverteilung untereinander identisch ist.“ In der Energiewirtschaft wird viel über Kooperationen gesprochen, häufig mit dem Fokus auf strukturelle Fragen. Viel wichtiger für den Erfolg sind jedoch die Inhalte. Hauseigene Ineffizienzen: Effizienzvorteile in Kooperationen werden nur erschlossen, wenn die gemeinsame Aktivität nicht durch Ineffizienzen aus den Mutterhäusern belastet wird. Die Frage, ob nicht einer der Partner sich auf Kosten der gemeinsamen Aktivität zu entlasten versucht, führt dann häufig zu einem Scheitern der Zusammenarbeit. Lufthansa-CEO Wolfgang Mayrhuber hat sich einmal zu der Frage, ob die Kooperation „Star Alliance“ für seine Gesellschaft vorteilhaft sei, sinngemäß folgendermaßen geäußert: „Wichtiger als die Frage, ob jeder Kooperationspartner den gleich großen Nutzen aus der Zusammenarbeit zieht, ist Diesen Grundsatz beherzigt z.B. auch der EnBW-Konzern. Die beteiligungsführende Gesellschaft EKB initiiert, basierend auf regelmäßigen Gesprächen mit den Beteiligungsstadtwerken in Baden-Württemberg, einen geordneten Themenfindungsprozess. Dabei werden potenzielle Inhalte in einer Vorstudie gemeinsam mit den Stadtwerken auf Relevanz, Nutzenpotenziale und Ausgestaltungsvarianten hin analysiert. Erst dann wird untersucht, ob und in welcher Form dem Thema kooperativ begegnet werden soll. So wurde beispielsweise vor drei Jahren das Thema „Regulierungsmanagement“ zu einer zentralen Informationsdrehscheibe aufgebaut. Die Stadtwerke waren sehr in- teressiert daran, Aspekte wie Netzentgeltanträge oder den Umgang mit der Regulierungsbehörde durch diesen Systemkopf absichern zu lassen. Sehr erfolgreich wurde sich dort vor zwei Jahren zudem des Themas „Smart Metering“ angenommen. Die Stadtwerke haben in einer Entwicklungspartnerschaft Know-how gebündelt, Lösungskonzepte definiert, White Label-Produkte aufgebaut und mit Überlegungen zur Gründung einer gemeinsamen Smart Meter-Gesellschaft begonnen. Aktuell stehen in diesem Kreis Themen wie „Vertrieb“ und „Mikro-KWK“ im Fokus der Bearbeitung. Das EnBW-Beispiel einer erfolgreichen und nachhaltigen Zusammenarbeit folgt also dem Grundsatz: Erst der Inhalt, dann die formalen Fragen. Herr Dr. Kleine, Geschäftsführer der EKB GmbH beschreibt es treffend: „Es werden keine leeren strukturellen Hülsen geschaffen, denn bei einigen Themen ist es gar nicht notwendig, gesellschaftsrechtliche Gesichtspunkte zu diskutieren. Wesentlich sind hingegen die inhaltliche Sinnhaftigkeit und der betriebswirtschaftliche Nutzen. Und durch die langfristige Zusammenarbeit wächst das Vertrauen zwischen den Partnern – das wesentliche Element, wenn es um Kooperationen geht“. Juni 2010 CONect 3 CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 4 BEDENKEN Netzgesellschaften im Wandel Prof. Dr. Jörg Effmann und Michael Martenka Zum 1. Juli 2007 mussten alle Energieversorgungsunternehmen im Strom- und Gasgeschäft das „Legal Unbundling” umsetzen, sofern sie hier mehr als 100.000 Kunden beliefern. Von rund 80 Prozent der betroffenen Unternehmen ist laut Monitoring Bericht 2008 das Modell der „schlanken Netzgesellschaft”, auch Pacht- oder Dienstleistungsmodell genannt, gewählt worden. A ls logische Konsequenz der politisch gewollten Regulierung des Netzgeschäftes unterliegen seither die Netznutzungsentgelte für den Zugang zu den Transport- und Verteilnetzen der Aufsicht von Bundesnetzagentur (BNetzA) bzw. den jeweiligen Landesregulierungsbehörden (LRegB). Das anfängliche System der Methodenregulierung der Jahre 2005 bis 2008 ist zum 1. Januar 2009 vom Modell der Anreizregulierung abgelöst worden. Während die Netzentgelte zunächst lediglich auf die verordnungskonforme Kalkulationsmethodik von den Regulierungsbehörden überprüft wurden, haben diese mit Einführung der Anreizregulierung über die Vorgabe einer Erlösobergrenze nun direkteren Zugriff auf die Höhe der Netznutzungsentgelte und damit auf die Höhe einzelner Kostenpositionen. Die Netzentgeltgenehmigungen der ersten Regulierungsjahre haben bereits zu durchschnittlichen Netzentgeltsenkungen in Größenordnungen von rund zehn bis 15 Prozent geführt. Dieser Entgelt- und damit 4 auch Kostendruck hat sich mit Einführung der Anreizregulierung z.T. noch erheblich verstärkt. Viele der im Rahmen des KostenBenchmarkings aller Strom- und Gasnetzbetreiber als mehr oder weniger ineffizient eingestuften Netzbetreiber sehen sich in der laufenden ersten Phase der Anreizregulierung mit dem Zwang zu weiteren Kosten- und Erlösanpassungen konfrontiert. Von der BNetzA veröffentlichte Zahlen sprechen von durchschnittlich 8 Prozent ineffizienten Kosten der Stromverteilnetzbetreiber und 13 Prozent bei Gasverteilnetzbetreibern, die bis zum Ende der ersten Regulierungsperiode - 31.12.2013 (Strom) bzw. 31.12.2012 (Gas) - abzubauen sind. Diesen Zusammenanhang veranschaulicht auch die Abbildung 1. Die Optimierung der Kostenstrukturen im Netz wird folglich mehr denn je im Fokus der Netzgesellschaften stehen – dies jedoch vor dem Hintergrund, dass das Kostenniveau der Jahre 2010 (Gas) bzw. 2011 (Strom) die maximalen Netzerlöse und da- mit die Netzrendite der nächsten Jahre maßgeblich bestimmen wird. Neben dem zunehmenden Regulierungsdruck auf die Netzentgelte sehen sich die Energieversorger einer Verschärfung der Anforderungen an die organisatorische und rechtliche Trennung des Netzgeschäftes ausgesetzt. Das bislang überwiegend im Markt umgesetzte Pacht- oder Dienstleistungsmodell wird zunehmend in Frage gestellt. So haben die Regulierungsbehörden (RegB) ihre Vorstellungen zur organisatorischen und rechtlichen Umsetzung der Entflechtungsvorgaben in einem gemeinsamen Positionspapier zur „Konkretisierung der gemeinsamen Auslegungsgrundsätze der Regulierungsbehörden des Bundes und der Länder zu den Entflechtungsbestimmungen in §§6-10 EnWG“ vom 21.10.2008 weiter konkretisiert und dabei verschärft. Insbesondere die Übertragung von Netzaufgaben vom Dienstleister auf den Netzbetreiber ist Schwerpunkt der Diskussion. Die in dem genannten Positionspapier als CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 5 In der ersten Phase der Anreizregulierung müssen die Stromverteilnetzbetreiber durchschnittlich 8%* ineffiziente Kosten abbauen (Gasverteilnetzbetreiber 13%*) Dienstleistungsmodell sprechen exemplarisch folgende Argumente: Funktionsweise und Auswirkungen der Anreizregulierung Erlösobergrenze zu Erlösobergrenze Beginn der ersten zum Ende der ersten RegulierungsRegulierungsperiode periode Kostenerhebung + Kostenprüfung im Fotojahr Erlösobergrenze zu Beginn der zweiten Regulierungsperiode Ø-8% (Strom) Ø-13% (Gas) Weitere Kostenreduktion wahrscheinlich (Strom und Gas) bK Erlösobergrenze zum Ende der zweiten Regulierungsperiode Die Separierung von Asset-Management (regulierter Bereich) und AssetService (nicht-regulierter-Bereich) bietet wesentlich bessere Möglichkeiten zur Steuerung des Netzgeschäftes; Ergebnisineffizienzen werden tendenziell eher vermieden. Abbau von Ineffizienzen vnbK Absenkung um sektoralen Produktivitätsfortschritt dnbK Keine Absenkung 2009 2012 (Gas) 2013 ( Strom) = Dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten (dnbK) = Vorübergehend nicht beeinflussbare Kosten (vnbK) = Beeinflussbare Kosten (bK) Die Kosten- und Ergebnisverrechnungen bei Netzkooperationen weisen im Vergleich zu einem Modell mit integriertem Netzservice eine geringere Komplexität auf. 2010 (Gas) 2012 ( Strom) 2013 (Gas) 2014 ( Strom) 2017 (Gas) 2018 ( Strom) *Veröffentlichung der Bundesnetzagentur; „Ergebnisdokumentation zur Bestimmung der Effizienzwerte von Strom- und Gasverteilnetzbetreibern“ vom 27.11.2008 bzw. vom 14.11.2008 auf www.bundesnetzagentur.de Abb1. Funktionsweise und Auswirkungen der Anreizregulierung „diskriminierungsanfällige Aufgaben des Netzbetriebs“ klassifizierten Netztätigkeiten sind zwingend in der Netzgesellschaft anzusiedeln. Ein Zukauf dieser Aufgaben – wie im bisherigen Dienstleistungsmodell zum Teil praktiziert – ist unzulässig. Beispielhaft sind hier die Durchführung des Vertragsmanagements im Bereich Netzzugang sowie die operative Netzsteuerung zu nennen. Der Bereich des Asset Service, also z.B. die Durchführung und Begleitung von Netzbau- oder Instandhaltungsmaßnahmen, ist lt. BNetzA aber nicht zwingend in die Netzgesellschaft zu integrieren („große“ Netzbetreiberlösung). Netzbetreiber, die sich für das schlanke Modell entschieden hatten, sind also nun aufgefordert, das gewählte Umsetzungsund Steuerungsmodell auf Kongruenz mit den Auslegungen der BNetzA zu prüfen. Bei klar erkennbaren Abweichungen des eigenen Modells von den BNetzA-Grundsätzen sollte die Aufteilung der Netzfunktionen zwischen Netzbetreiber und Dienstleister hinterfragt und ggf. angepasst werden, um möglichen Sanktionen im Voraus zu begegnen. In diesem Zusammenhang ist auch die Stellungnahme der Bundesnetzagentur im Rahmen des Treffpunktes Netze im Mai 2008 bzgl. der Behandlung von Personalnebenkosten im Rahmen anstehender Kostenprüfungen zu beachten. Einerseits müssen Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen auf betrieblichen und tarifvertraglichen Vereinbarungen beruhen, die vor dem 31.12.2008 abgeschlossen wurden, damit sie als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten (dnbK) nicht der Entgeltregulierung unterliegen (vgl. §11 Abs. 2 Ziffer 9 der Anreizregulierungsverordnung (ARegV)). Andererseits deuten Aussagen der Bundesnetzagentur darauf hin, dass aus Regulierungssicht diese Lohnnebenkosten ab der zweiten Regulierungsperiode nur für diejenigen mit Netztätigkeiten betrauten Mitarbeiter als dnbK anerkannt werden, die direkt beim Netzbetreiber beschäftigt sind. Im Falle des Einkaufs von Netzdienstleistungen erhöhen diese Personalnebenkosten den Block der beeinflussbaren Kosten und unterliegen damit dem Kosten-Benchmarking. Vor dem Hintergrund, dass die Personalnebenkosten bei Versorgern durchaus bis zu 40 Prozent der Personalkosten ausmachen können, erscheint es fraglich, ob aufgrund dieser BNetzA Vorgabe, Versorger nun möglichst viel „Netznahes Personal“ in die Netzgesellschaft verlagern sollten – sich also tendenziell dem Modell der großen Netzgesellschaft annähern sollten. Bei Überlegungen zur Anpassung der organisatorischen Ausgestaltung des Netzbetreibers sind die Vorteile und Nachteile der einzelnen Modelle gegeneinander abzugleichen. Für oder gegen das Die Behandlung von Personalnebenkosten in der zweiten Phase der Anreizregulierung ist potenziell als nachteilig anzusehen. Bei der Bewertung einer voll ausgestatteten Netzgesellschaft mit Eingliederung des Netzservice sind beispielhaft folgende Argumente zu berücksichtigen: Der Asset Service ist dem Marktdruck weniger ausgesetzt. Das Modell entspricht in Bezug auf die Entscheidungshoheit über das Netz bzw. die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs am ehesten den Vorstellungen der BNetzA. Die Behandlung von Personalnebenkosten in der zweiten Phase der Anreizregulierung ist potenziell als vorteilhaft anzusehen. Haben Energieversorger sich im Jahr 2007 beim Legal Unbundling noch für die „kleine“ Lösung entschieden, so sind sie heute gezwungen, Anpassungen vorzunehmen. Ob dieses aber direkt eine Überführung in eine „große“ Netzgesellschaft bedeuten muss, ist keinesfalls sicher und im Einzelfall zu prüfen. Ein Auszug sich gegenüberstehender Argumente für „minimal notwendige Anpassungen/Dienstleistungsmodell“ einerseits und „große/voll ausgestattete Netzgesellschaft“ andererseits verdeutlicht die Individualität und Komplexität dieser Fragestellung. Juni 2010 CONect 5 CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 6 BEDENKEN Mediationsverfahren zur Konfliktlösung Jan-Emanuel Brandt Führungskräfte verbringen einen großen Teil ihrer Zeit mit Konflikten. In der Energiewirtschaft ist dieses Konfliktpotenzial nicht zuletzt auf die strategischen und operativen Veränderungen zurückzuführen, die die Liberalisierung der Märkte einerseits, und die steigenden Anforderungen an Transparenz und Berichtspflichten andererseits branchenweit mit sich bringen. Diese stellen zusätzliche Herausforderungen für Management und Mitarbeiter dar, die zeitnah angenommen und bewältigt werden müssen. K onflikte gibt es auf allen Ebenen im Unternehmen: zwischen Gremien, Abteilungen und innerhalb des Konzernverbunds sowie mit Kunden und Geschäftspartnern. Konflikte verhindern den Erfolg von Maßnahmen, zwingen zur Umgestaltung von Arbeitsabläufen und kosten Vertrauen, Zeit und Geld. Abhilfe schaffen können ein präventives Konfliktmanagement und die Lösung bestehender Konflikte durch Mediation. Ein präventives Konfliktmanagement orientiert sich an der Grundlage des ADR (Alternative Dispute Resolution) Verfahrensdesigns. Dabei wird im Rahmen eines Sechs-Phasen-Modells ein unternehmensspezifisches Konfliktmanagement entwikkelt und umgesetzt (vgl. Abb. 2). Die Ausgestaltung der hierfür erforderlichen Strukturen und Prozesse hängt im Wesentlichen von den Erwartungen und individuellen Konfliktpotenzialen im Unternehmen ab. Sie kann innerhalb weniger Wochen im Unternehmen erarbeitet werden. Arten von Konflikten Beteiligte an Konflikten Geschäftspartner VerteilungsKonflikte StrategieKonflikte Wert- und GrundsatzKonflikte ZielKonflikte Konzern Management BeziehungsKonflikte Kunden Abb1.: Konflitkursachen und -konstellationen 6 Mitarbeiter Zur Lösung bereits bestehender Konflikte bietet sich die Mediation als schnelles, konstruktives und zudem kostengünstiges Verfahren an. Sie zielt auf eine interessengerechte und wirtschaftlich vertretbare Einigung der Konfliktbeteiligten ab. Ein Beispiel: Streiten sich zwei Personen um eine Frucht, so ist weder die Entscheidung wer sie bekommt, noch das Halbieren des Streitgegenstands die optimale Lösung. Vielmehr fördert das Erforschen der hinter dem Konflikt liegenden Interessen zutage, dass dem einen an der Schale und dem anderen am Fruchtfleisch gelegen ist. Die Mediation als Konfliktlösungsverfahren wird von den Beteiligten gemeinsam gewählt. Ein Mediator begleitet und gestaltet als Neutraler das Verfahren. Ihm steht hierbei keine eigene Entscheidungsoder Urteilskompetenz zu. CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Als Unparteiischer unterstützt er die Parteien dabei, eine für sie interessengerechte Lösung gemeinschaftlich zu entwickeln. Die Erfolgsquote von Mediationsverfahren liegt bei über 80 Prozent. Neben der hohen Erfolgsquote gibt es unserer Erfahrung nach weitere überzeugende Gründe, weshalb Verantwortliche in der Wirtschaft die Mediation zunehmend als Mittel zur Konfliktlösung einsetzen: Fortführung der Geschäftsbeziehung Wirtschaftlich sinnvolle Kooperationen müssen nicht wegen eines Konflikts auf der Metaebene zerbrechen, sondern können auf die Sachebene zurückgeführt fortgesetzt werden. Nachhaltigkeit der Konfliktbeilegung Gerade im Bereich von Umstrukturierungen ist eine nachhaltige Lösung erforderlich, um langfristig den Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen zu sichern. Ergebnisqualität Ein gemeinsam erarbeitetes Ergebnis stärkt die Beziehung der Beteiligten und wird von ihnen eher anerkannt als ein Urteil am Ende eines Rechtsstreits. Dadurch kann die Umsetzung des Ergebnisses sehr schnell erfolgen. Seite 7 1 Diagnose und Prognose Ursachen und Entwicklungen von Konflikten erkennen Konflikte analysieren: Typ (objektiv) Kontext Wahrnehmung (subjektiv) Verlauf (Eskalation) Konfliktvermeidung ggf. Konfliktbeilegung 2 Auswahl 3 Auswahl der geeigneten und gewünschten ADR-Methoden: Autonom (z.B. direkte Verhandlung, Moderation, Mediation) Heteronom (z.B. Schiedsgericht) Implementierung Gestaltung des Verfahrensdesigns Ex-Ante: vertragliche Implementierung Regelungen und Prozesse zur Konfliktvermeidung Pflicht zur Verhandlung Drittunterstützung Ex-Post: Umsetzung sichern Verfahrensmischform (z.B. Pre-Arbitral Mediation) Rechtlichen Rahmen abstecken Evaluative Mischform (z.B. Neutral Evaluation) 4 Durchführung Begleitung der Parteien bei der Konfliktbeilegung Durch einen neutralen Dritten Unter Berücksichtigung von: vereinbarten Regelungen geltendem Recht den Regeln der Kunst 5 Abschluss 6 Konfliktlösung und Ergebnis werden fixiert, z.B. durch: Abschlussvereinbarung bzw. Vergleich Schiedsspruch Gutachten Die Vollstreckbarkeit muss je nach Verfahren gesichert werden Nachsorge Umsetzung des Ergebnisses Auswertung der Konfliktbeilegung ggf. Modifizierung der ADR-Methode aufgrund der Erfahrungen des durchgeführten Verfahrens Abb. 2: Die Phasen des präventiven Konfliktmanagements Verfahrensdauer Eine Mediation als einvernehmlich gewähltes Verfahren kann innerhalb weniger Tage zum Erfolg führen. Ein Mediationsverfahren läuft in mehreren Schritten ab: 1. Einleitung und Vereinbarung der Verhandlungsgrundsätze Vertraulichkeit Gerade wenn ein Konflikt mit Machtfragen oder Unternehmensinterna verbunden ist, bietet die Mediation den Rahmen, um im kleinen Kreis und unter strengster Vertraulichkeit ein befriedigendes Ergebnis zu finden. 2. Sachverhaltsklärung entsprechend den Perspektiven der Beteiligten 3. Erforschen der wahren Interessen hinter den Forderungen und Positionen 4. Gemeinsames Entwickeln und Bewerten von Lösungsoptionen 5. Abschluss eines Mediationsvergleichs Fazit: Die Beschäftigung mit Konflikten bindet kostbare Ressourcen, die an anderer Stelle nicht zur Verfügung stehen. Durch ein professionelles Konfliktmanagement und Mediation werden Werte und Beziehungen erhalten. Kapazitäten stehen wieder für die Kernaufgaben der Führungskräfte bereit. Juni 2010 CONect 7 CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 8 BELEUCHTEN Schnell, schlank und gut: Shared ServiceDienstleistungen in der Zukunft Patrick Müller (EnBW AG) und Marc Herrnstädter Bis zum heutigen Zeitpunkt wird der Markt für Shared Service-Dienstleistungen ausschließlich von Energieversorgungsunternehmen bzw. ihren Tochtergesellschaften bedient. In der kommenden Dekade ist jedoch mit einem erheblichen Anstieg des Marktvolumens zu rechnen, was den Markt nun wiederum auch für branchenfremde, aber hoch spezialisierte Anbieter attraktiv macht. nennenswerten Wettbewerb. Definitionsgemäß umfasst dieser Markt folgende Wertschöpfungsstufen: Messstellenbetrieb, Messdienstleistung, D er Markt für Shared Services zeichnet sich durch ein Umfeld aus, das aktuell und auch künftig stark in Bewegung sein wird. Die neue, dezentrale energiewirtschaftliche Marktlogik, verbunden mit weiteren erheblichen rechtlichen, technologischen, wettbewerbs- und nachfrageseitigen Veränderungen wird Energieversorgungsunternehmen vor große Herausforderungen stellen. Stellvertretend seien Trends wie z.B. Energy Management-Lösungen, Smart Home-Logiken, Last(-fluss)steuerungskonzepte, eMobility oder die Betreuung virtueller Kraftwerke genannt. Um die Shared-Service-Aktivitäten eines Kunden optimal für die Zukunft auszurichten, haben wir die Entwicklung des Shared Services-Marktes in den nächsten zehn Jahren analysiert. 8 Basis hiefür stellt eine detaillierte Marktbeschreibung im Status quo dar. Diese beinhaltet die Identifikation der Veränderungen sowie eine qualitative und quantitative Bewertung der Konsequenzen in den einzelnen Wertschöpfungsstufen des Shared Service. Im Ergebnis umfasst das Szenario die Veränderungen des Marktvolumens im Jahr 2020 gegenüber heute und wird durch die zukünftigen Marktund Wettbewerbsstruktur vervollständigt. Aktuell beträgt das Marktvolumen für energiewirtschaftliche Shared ServiceDienstleistungen in Deutschland ca. fünf Milliarden Euro. Obwohl es in den vergangenen Jahren zahlreiche Neu- und Ausgründungen gab, blieb dieser Markt weitgehend ein „closed shop“ – ohne Abrechnung von Energie- und Netznutzung, Forderungsmanagement und Kundenservice Rund zwei Drittel des Marktvolumens werden unternehmensintern in den Netzbzw. Vertriebseinheiten erbracht. Das verbleibende Drittel des Marktes wird nahezu vollständig durch ausgegründete, unternehmenseigene Shared ServiceGesellschaften beherrscht. In vielen Fällen leisten diese Einheiten die Abwicklungsprozesse zu „de facto Wettbewerbsbedingungen“, d.h. mit mehr oder minder kostenbasierten Verrechnungspreisen und oftmals unter Kontrahierungszwang. Lediglich fünf Prozent der CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Aufträge werden, meist durch neu gegründete, bundesweit agierende Vertriebsgesellschaften, im Markt frei vergeben. Ausschreibungen belegen, dass selbst bei Angeboten, die 50 Prozent unter den unternehmensinternen Abwicklungskosten der Vertriebe und Netze liegen, externe Dienstleister nur in Ausnahmefällen beauftragt werden. Signifikanten Einfluss auf Volumen, Struktur und Prozesse des Shared ServiceMarktes wird die zur Steuerung der dezentralen Einspeisung und perspektivisch auch dezentralen Verbräuche (eMobility, Wärmepumpen etc.) notwendige Digitalisierung der Energiewirtschaft haben. Eines der prägenden Elemente wird hier die Einführung der Smart MeterTechnologie sein. Vor dem Hintergrund der bereits existierenden gesetzlichen Verpflichtung zum Einbau von Smart Meter im Neubau- und Modernisierungsfall für die Sparte Strom kann in den kommenden zehn Jahren mindestens eine 40-prozentige Smart Meter-Durchdringung erreicht werden. Einige der im Rahmen dieser Studie befragten Experten Seite 9 gehen sogar von einer Durchdringung von bis zu 80 Prozent aus. Dies wird gravierende Auswirkungen auf die einzelnen Wertschöpfungsstufen des Shared-Service haben: Im Bereich Messstellenbetrieb wird das jährliche Marktvolumen auf Grund der höheren Investitionskosten für die neue Mess- und Datenübertragungstechnik um ca. 70 Prozent auf über fünf Milliarden Euro ansteigen. Darüber hinaus wird der Wunsch des Kunden zur Steuerung der Endverbraucher (Geräte) die Installation von zusätzlicher Hardware „hinter“ dem Zähler notwendig machen. Rund ein Viertel des Marktvolumens im Messstellenbetrieb wird auf solche freiwilligen, vom Kunden gewünschten Installationen von Gebäudeleittechnik, Steuerungssensoren und Hardware zur Inhouse-Kommunikation entfallen. Das jährliche Marktvolumen der Wertschöpfungsstufe Messdienstleistung wird sich nahezu verfünffachen. Aufgrund der Digitalisierung werden einerseits heutige Prozessbestandteile, wie z.B. die Vor-Ort- Ablesungen, massiv reduziert. Gleichzeitig wird die Anzahl der Datenübertragungen, dem Grunde nach vergleichbar mit heutigen Fernauslesungen, exponentiell steigen. Schon bei einer viertelstündlichen Fernauslesung werden je Zähler ca. 35.000 Zählerstände p.a. generiert. Stadtwerke und Energieversorgungsunternehmen stehen vor der großen Herausforderung, diese Datenübertragung, -speicherung und -auswertung zu bewältigen. Im Bereich der Abrechnung von Energie und Netznutzung werden zwei gegenläufige Effekte dazu führen, dass das aktuelle jährliche Marktvolumen stabil auf rund zwei Milliarden Euro erhalten bleibt. Die Etablierung der monatlichen Abrechnung wird das Marktvolumen entsprechend erhöhen. Diese Marktvolumensteigerung wird jedoch durch Größendegressionseffekte und Effizienzsteigerungen fast vollständig kompensiert. Bereits heute wird in der Telekommunikationsbranche eine Abrechnung zu einem Zehntel des Preises der Energiewirtschaft angeboten. Ein weiterer Treiber zur Kostenreduktion ist, dass zukünftig, analog zu Vergleichsbranchen, Juni 2010 CONect 9 CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 10 BELEUCHTEN Der Gesamtmarkt für Shared Services wächst bis zum Jahr 2020 um rund 43% an Marktvolumen für die Leistungsbereiche Kundenservice und Forderungsmanagement schrumpft stark, die Gründe hierfür sind …Preisverfall aufgrund zunehmenden Wettbewerbs …zunehmende Automatisierung der Prozesse in Mrd. Euro 7,6 0,2 0,4 +43% Neue Dienstleistungen Kundenservice/ Forderungsmgmt 5,3 0,7 Abrechnung Energie/Netz 2,0 Zählwertbeschaffung/ Datenkommunikation -33% 1,9 -4% 0,9 Marktvolumen für Abrechnung Energie und Netz bleibt nahezu konstant, bei gleichzeitig erheblichen strukturellen Veränderungen …einer rd. 85%igen Stückkostenreduktion und …einer Verzwölffachung der Mengen bei Smart Meter 0,0 +467% 0,2 Infrastruktur (MSB und neu) Stärkste absolute Veränderung des Marktvolumens ist im Leistungsbereich Zählwertbeschaffung und Datenkommunikation zu verzeichnen. Grund hierfür sind die gestiegenen Datenmengen sowie die komplexeren Austauschprozesse 4,2 +66% 2,5 Shared-ServicesMarkt 2010 Marktvolumensteigerung im Leistungsbereich Infrastruktur ist vornehmlich durch die Smart Meter-Technologie sowie die weitere infrastrukturelle Ausrüstung für Energy-Management-Leistungen begründet. Shared-ServicesMarkt 2020 Annahmen wurden in Experteninterviews und Workshops weitgehend bestätigt. Auf Basis von Extremmeinungen wurde eine Szenarioanalyse durchgeführt. Abb. 1: Entwicklung des Shared Services-Marktes über 50 Prozent der Kunden eine elektronische Rechnung erhalten werden. Die Abrechnung zusätzlicher Zählpunkte, z.B. aus PV- oder BHKW-Anlagen sowie für eCars oder die hierfür notwendigen Ladepunkte, wird den Shared Service teilweise vor neue technische Herausforderungen stellen (z.B. Roaming). Das jährliche Marktvolumen in der Wertschöpfungsstufe Forderungsmanagement wird sich signifikant reduzieren. Auch hier spielt der Smart Meter-Einsatz eine entscheidende Rolle: So lassen sich Kostenreduktionen durch die Möglichkeit zur Fernsperrung und -entsperrung sowie Effizienzsteigerungs- und Größendegressionseffekte realisieren. Im Bereich Kundenservice wird die weitere Automatisierung der Prozesse die Kosten und somit das jährliche Marktvolumen auf ein Viertel des heutigen Stands absenken. Die größten Treiber hier sind: Hohe Durchdringung von InternetSelf-Service-Angeboten Steigender Einsatz von Sprachportalen zur automatisierten Kundenanruf-Abwicklung 10 Optimierung der TexterkennungsTechnologie zur automatisierten Identifikation und Steuerung von schriftlichen Kundenanfragen Während sich das Marktvolumen für MSB/MDL gegenüber 2010 fast verdoppelt, wird sich das Marktvolumen der „klassischen“ Wertschöpfungsstufen im Shared Service trotz massiver Mengensteigerungen um rund 20 Prozent reduzieren. Ausblick und Konsequenzen Vor dem Hintergrund der dargestellten Veränderungen wird sich auch die Wettbewerberstruktur nachhaltig ändern. Es ist zu erwarten, dass es nur wenigen aus der Energiewirtschaft stammenden Shared Service-Anbietern gelingen wird, die komplexen Herausforderungen der Zukunft kosteneffizient zu bewältigen. Erfolgskritisch wird die Realisierung von Skaleneffekten beim Betrieb der komplexen Datenbestände sein – eine kritische Größe von mindestens fünf Millionen Verträgen auf einer Plattform erscheint hier nicht unrealistisch. Klar absehbar ist auch der Eintritt von Funktionsspezialisten in den Markt. So wird beispielsweise die Telekommunikationsbranche, mit großem Know-how in der Installationstechnik und Verarbeitung großer Datenmengen, versuchen, Ressourcen-Überkapazitäten durch den Eintritt in die neuen Felder der Energiewirtschaft auszulasten. Darüber hinaus wollen auch Messdienstleister und führende Facility Management-Unternehmen ihre Stellung „im Haus des Kunden“ sichern und ggf. über ein Engagement als Messstellenbetreiber und Energy Management-Dienstleister stärken. Unter noch stärkeren Wettbewerbsdruck geraten auch die Bereiche Kundenservice und Forderungsmanagement. Große, branchenfremde oder bereits in der Energiewirtschaft etablierte Dienstleister werden versuchen, hier ihre Position auszubauen. Dies geschieht nicht zuletzt wegen ihrer vergleichsweise exzellenten Lohnkostenstrukturen, ausgereiften Personal- und Laststeuerungsmechanismen sowie ihrem bereits hohen Automatisierungsgrad. Im Ergebnis wird erwartet, dass der Markt von spezialisierten Funktionsdienstleistern dominiert werden wird und hier nur wenige, meist konzerngebundene Shared ServiceAnbieter verbleiben werden. Die Energiewirtschaft scheint gut beraten zu sein, sich frühzeitig auf diese Entwicklung einzustellen. Dabei sind zwei grundsätzliche Handlungsoptionen denkbar: Einerseits das sukzessive Auslagern an Unternehmen, die über die notwendige kritische Masse verfügen. Diese können aus der Energiewirtschaft oder aus externen Branchen kommen. Andererseits die Positionierung des eigenen Shared Service als spezialisierter Funktionsdienstleister. Aber auch hier ist eine kritische Größe notwendig, über die aktuell nur ganz wenige Unternehmen verfügen. Entsprechend stellen für diese Option Zukäufe oder Partnerschaften zwingende Voraussetzungen dar. CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 11 Das Geschäftsmodell Inkasso: zusätzliche Ertragspotenziale realisieren Marc Herrnstädter S hared Service-Einheiten bzw. -Gesellschaften sind i.d.R. für das komplette Forderungsmanagement verantwortlich. Dabei werden den säumigen Zahlern geringe Mahn- und Sperrgebühren berechnet. Diese Gebühren reichen bei Weitem nicht aus, um die internen Tätigkeiten zu refinanzieren. Kleinstforderungen werden nach Durchlauf des automatisierten Mahnwesens üblicherweise ausgebucht, da die internen Kosten der Weiterverfolgung meistens deutlich höher sind als der Wert der Forderung an sich. Diese Praxis führt dazu, dass das schlechte Zahlungsverhalten weniger Kunden den Energiepreis der „guten“ Kunden durch Forderungsausfälle und administrative Kosten belastet. Damit verschlechtert sich auch die Wettbewerbsfähigkeit auf dem stark preisorientierten Energiemarkt. Außerdem können zusätzliche Umsatzpotenziale durch die Vereinnahmung von Inkassogebühren nicht realisiert werden. Die Telekommunikation hat sich mit diesem Problem bereits vor einiger Zeit auseinandergesetzt. Das dabei entwickelte „Geschäftsmodell Inkasso“ wird seither sehr erfolgreich praktiziert. Das Prinzip dieses Modells ist einfach und kann – wie erste Umsetzungsbeispiele zeigen – problemlos auf die Energieversorgung übertragen werden: Die Shared Service-Einheit bzw. -Gesellschaft lässt sich eine Inkasso- lizenz erteilen und berechnet säumigen Zahlern ab einem bestimmten Mahnstadium (z.B. nach Ablauf einer in der ersten Mahnung gesetzten Frist) Inkassogebühren für alle weiteren Aktivitäten. Voraussetzung für die Berechnung der Inkassogebühren ist allerdings, dass der Inhaber der Forderung und der Inhaber der Inkassolizenz nicht identisch ist. Je nach bisheriger gesellschaftsrechtlicher Aufstellung ist hierfür zwischen verschiedenen rechtlichen Konstrukten zu wählen. Dies kann z.B. bedeuten, dass eine eigenständige „EnergieInkasso-Gesellschaft“ etabliert wird. Sollte an dieser eine maßgebliche Beteiligung des Forderungsinhabers bestehen, ist ggf. ein Entherrschungsvertrag zu schließen. Die Höhe der Inkassogebühr wird durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt. Sie ist abhängig von der Forderungshöhe und beträgt im Durchschnitt 35 Euro. Die Vereinnahmung dieser Gebühr stellt eine Steigerung des Ergebnisbeitrags in nahezu 100 Prozent der Forderungshöhe dar, da die Aktivitäten zur Beitreibung ohnehin unternommen werden müssten. Auch die Abgabe an einen Rechtsanwalt bzw. eine Inkassogebühr befreit den Forderungsinhaber nicht von jeglichem administrativen Aufwand. Allein die erforderliche formale Aufbereitung der „Akte“ verursacht enorme Kosten. Gleiches gilt für Factoring, dem Verkauf von Forderungen an Dritte, wobei in diesem Fall mit hohen Abstrichen beim erzielten Verkaufserlös auf die Hauptforderung gerechnet werden muss. Die ökonomischen Vorteile einer konzerninternen Inkassolösung bzw. -gesellschaft liegen also auf der Hand: Für die nicht ausgebuchten Fälle können zusätzliche Ertragspotenziale in Form von Inkassogebühren realisiert werden. Die aufgrund ihrer geringen Höhe in der derzeitigen Praxis ausgebuchten Forderungen werden zukünftig verfolgt. Damit können die negativen Ergebnisbeiträge aus der Forderungsausbuchung vermieden werden. Für die Verfolgung der unter 2. genannten Forderungen können zusätzliche Ertragspotenziale in Form von Inkassogebühren realisiert werden. Da auf der einen Seite die Realisierungsquoten von Haupt- und Nebenforderungen deutlich über 85 Prozent liegen und auf der anderen Seite für die verstärkten Inkassoaktivitäten kaum zusätzliche Kosten entstehen, haben die Effekte der Punkte 1 bis 3 eine 100-prozentige positive Ergebniswirkung. Ein Umsetzungsbeispiel zeigt: Ein Vertrieb mit 100.000 Energielieferverträgen konnte sofort ein Zusatzergebnis in Höhe von 120.000 Euro realisieren. Juni 2010 CONect 11 CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 12 BELEUCHTEN Höhere Effizienz und Kundenzufriedenheit durch Automatisierung im Kundenservice Christian Guhl Gegenwärtig steigt der Kostendruck auf Kundenservice-Abteilungen und ausgegründete Shared-Service-Gesellschaften spürbar an. Dies ist zum einen durch den zunehmenden Kostendruck im Energielieferungsmarkt begründet, den die Vertriebe an ihre Kundenservice-Dienstleister weitergeben. Zum anderen liegt es an dem erfolgreichen Markteintritt branchenfremder Anbieter. D 12 iese verfügen vor allem in solchen Branchen über Erfahrungen in der Abwicklung von Kundenservice-Prozessen, die sich durch eine hohe Wettbewerbsintensität, starken Preisdruck und einen signifikanten Standardisierungsgrad der Leistung auszeichnen. gleich aktuell eher gering ist, zeigt unsere aktuelle Studie, dass er durch den Wettbewerbsdruck bis zum Jahr 2020 auf die Best Practice-Werte anderer Branchen ansteigen wird. Vorbilder sind insbesondere die Telekommunikation, der Versandhandel und das Online-Banking. Hieraus resultiert ein hoher Automatisierungsgrad der Leistung: Während der Automatisierungsgrad im Kundenservice der Energiewirtschaft im Branchenver- Für Kundenservice-Dienstleister in der Energiewirtschaft stellt sich entsprechend die Frage, wie der Automatisierungsgrad gesteigert werden kann. In der Praxis ha- ben sich vier wesentliche Hebel bewährt: Verzicht auf die persönliche Kundenbetreuung Ausbau der Funktionen im InternetSelf-Service Einsatz von Sprachportalen Einsatz von DokumentanalyseWerkzeugen CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Verzicht auf die persönliche Kundenbetreuung Der Tätigkeitsschwerpunkt in den Kundencentern der EVU liegt aktuell im Abwicklungsbereich (Stammdatenänderungen, Rechnungserläuterung/-korrektur, teilweise Kassenbetrieb oder Kassenautomaten). In den Sales-Centern der Telekommunikationsbranche (beispielsweise T-Punkt, Mobilfunk-Shops) werden im Gegensatz hierzu bereits heute Leistungen mit dem Schwerpunkt Vertrieb erbracht. Leistungen aus dem Abwicklungsbereich werden dort hingegen nicht durchgeführt. In der Energiewirtschaft ist eine analoge Entwicklung vorstellbar: Klassische Abwicklungsleistungen werden künftig nicht im persönlichen Kontakt über ein Kundencenter vor Ort erbracht, sondern in andere Kanäle gelenkt, in denen Automatisierungspotenziale existieren. Für vertriebliche Beratungsleistungen besteht nach wie vor die Möglichkeit einer persönlichen Beratung in Form von Sales-Centern. Im Ergebnis ergibt sich allein durch diese Maßnahme eine Kostenreduktion um mehr als 30 Prozent, basierend auf Projekten, in denen durchschnittlich 20 Prozent der Kundenkontakte im Kundencenter mit 30 Prozent des gesamten Kundenservice-Personals abgewickelt wurden. Ausbau des Internet-Self-Service Der Internet-Self-Service (ISS) ist aus zwei Gründen jedem anderen Kommunikationskanal vorzuziehen: Erstens aufgrund der vollständigen Automatisierbarkeit und zweitens durch die tendenziell bessere Datenqualität, die sich durch Wegfall von manuellen Bearbeitungsschritten ergibt. Durch einen konsequenten Einsatz des ISS lassen sich weitere Kostenreduktionen im Kundenservice von ca. 25 Prozent erzielen. Hierzu müssen jedoch zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Seite 13 Die vollfunktionale Anbindung des ISS an das Abrechnungssystem, so dass Kundeneingaben im ISS nach verschiedenen Vollständigkeits- und Plausibilitätsprüfungen direkt und automatisch in das Abrechnungssystem übernommen werden. Die aktive Lenkung des Kunden u.a. durch die prominente Platzierung des ISS-Zugangs auf der InternetHauptseite, eine nutzerfreundliche ISS-Gestaltung, die Bewerbung des Zugangs (z.B. durch Warteschleifenansage) sowie das Anbieten von reinen Internet-Tarifen. Die verbleibenden Kundenkontakte gliedern sich in die telefonischen und die schriftlichen Kontakte. Für beide Eingangskanäle sind Automatisierungswerkzeuge bekannt und in anderen Branchen bereits erfolgreich erprobt: Sprachportale und Dokumentanalyse-Werkzeuge. Einsatz von Sprachportalen Im Bereich der telefonischen Kundenbetreuung werden die bestehenden Technologien und Instrumente immer weiter verfeinert. Auf Basis der heutigen Technik kann angenommen werden, dass in den kommenden zehn Jahren einfache Standardgeschäftsvorfälle wie z.B. Stammdatenänderungen oder An- und Abmeldungen gänzlich über Sprachportale abgewickelt werden können. Sprachportale sind eine Weiterentwicklung der numerischen Auswahlsysteme („Drücken Sie die 1“) hin zu einer flexibleren, dialoggeführten Steuerung. Die konsequente Anwendung dieser Technologie reduziert die Kosten für die Call-Bearbeitung analog zum Volumen der Geschäftsvorfälle, die automatisiert abgeschlossen werden können. In unserer aktuellen Studie wird hierfür ein Anteil von mehr als 50 Prozent des gesamten Call-Aufkommens geschätzt. Einsatz von DokumentanalyseWerkzeugen Im Verarbeitungsprozess von Schriftstükken (Fax, E-Mail, Brief) gibt es drei Automatisierungsschritte: erstens die Dokumenterfassung, zweitens die Dokumentanalyse (Identifizierung des Geschäftspartners, des Vertrags sowie der Geschäftsvorfallart) sowie drittens die skillsbasierte Verteilung auf die Bearbeiter (inklusive automatisierter Anlage eines Geschäftsvorfalls im CRM- oder Abrechnungssystem) oder die automatisierte Beantwortung durch Standardschreiben. In anderen Branchen werden diese Technologien heute bereits in großem Umfang erfolgreich eingesetzt, beispielsweise bei Versicherungen und Banken. Es ist zu erwarten, dass in der Energiewirtschaft ähnliche Automatisierungsgrade erreicht werden. Im Ergebnis kann die konsequente Anwendung dieser Technologie die Kosten für die Schriftbearbeitung (je nach Größe des Unternehmens und damit des Umfang der Posteingangsbearbeitung) um 15 bis 55 Prozent reduzieren. Fazit In zahlreichen Praxisprojekten zeigen sich aktuell noch Widerstände und Bedenken gegen den Einsatz von Automatisierungstechniken. Der zunehmende Kostendruck und die Konkurrenz durch Spezialanbieter, die branchenübergreifend Best Practice-Prozesse im Kundenservice anwenden, werden schlussendlich die Automatisierung auf das Niveau heben, welches die Kunden aus anderen Branchen kennen und gewohnt sind. Hiermit geht eine Reduzierung der Kosten für den Kundenservice um ca. 50 bis 70 Prozent einher. Juni 2010 CONect 13 CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr Seite 14 BEGEGNEN Carsten Liedtke im persönlichen Gespräch Guido Wendt trifft Führungskräfte der Energiewirtschaft. Heute: Carsten Liedtke, Vorstand der SWK STADTWERKE KREFELD AG Guido Wendt: Herr Liedtke, nach der globalen Wirtschaftskrise ist vor dem Neuanfang: Verändert die Wirtschaftskrise Ihre private Einstellung zu bestimmten Themen? Carsten Liedtke: Ein neuer Anfang ist immer nur dann möglich, wenn man auch bereit ist, aus Krisen zu lernen. Natürlich haben sich auch bei mir Einstellungen verändert. Nachhaltigkeit hat für mich bei Erwartungshaltungen einen neuen, höheren Stellenwert bekommen. Was kurzfristig positiv sein kann muss langfristig noch lange nicht richtig sein – und umgekehrt. G. W.: Welche Auswirkungen der Krise sehen Sie für die Unternehmen in der Energiewirtschaft? tischen Einbruch der Strom- und Gaspreise aber auch die deutlich erschwerte Kapitalbeschaffung deutlich verändert. Seit Mitte 2008 ist auch die Konjunkturanfälligkeit der Energiewirtschaft deutlich stärker ins Bewusstsein gerückt. Jetzt gilt es plötzlich nicht mehr nur, im Wettbewerb mit anderen und gegenüber der BNetzA zu bestehen, sondern das eigene Unternehmen auch gegen Marktrisiken auf dem Erzeugungs- und Beschaffungsmarkt abzusichern. Willkommen in der Realwirtschaft. Handel mit Energie haben privatwirtschaftliche Strukturen sicher einen klaren Vorteil. Im lokalen Umfeld jedoch können kommunale Unternehmen die regionale Identität der Bürger in eine regionale Identität als Kunde wandeln und damit positiv für sich nutzen. Oder anders ausgedrückt: MultiUtility – heute bei Großkonzernen gar nicht mehr so gern gehört – funktioniert in der etablierten Stadtwerke-Landschaft. Und das schon lange bevor dieser Begriff in seiner neudeutschen Fassung vor gut zehn Jahren überhaupt geboren wurde G. W.: Wo liegt aus Ihrer Sicht die höhere Kompetenz zum Betrieb von Infrastruktur: im öffentlich-kommunalen oder im privatwirtschaftlichen Umfeld? G. W.: Welche Aspekte im wachsenden Wettbewerb sehen Sie mit Sorgenfalten? C. L.: Das kommt ganz darauf an, in C. L.: Waren wir vor gut zehn Jahren noch eine Monopolbranche, so hat sich durch Wettbewerb und Regulierung die Energiewirtschaft z.B. durch den drama14 welchem Umfeld wir uns bewegen: Bei großen, nationalen Aufgaben wie z.B. den Großkraftwerken, den Transportnetzen für Strom und Gas oder auch im risikoreichen C. L.: Wir dürfen den Wettbewerb an sich nicht zum alleinigen Ziel unseres Handelns machen und dabei jeden Aufwand von den Unternehmen verlangen. Mal ehrlich, wenn wir heute den Aufwand, den uns viele Gesetze und Verordnungen beschert CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:49 Uhr CARSTEN LIEDTKE (41) ist seit September 2007 Mitglied des Vorstandes der SWK STADTWERKE KREFELD AG. Zuvor war der Diplom-Betriebswirt als Leiter der Unternehmensentwicklung für die RWE Rhein-Ruhr AG tätig. Carsten Liedtke ist verheiratet und Vater einer Tochter und eines Sohnes. Mit ihren Tochtergesellschaften in den Geschäftsfeldern Energie, Wasser, Entsorgung und Verkehr ist die SWK STADTWERKE KREFELD AG der Infrastrukturdienstleister für rund 180.000 Kunden in Krefeld und der Region. Im Geschäftsfeld Energie wurde im Jahr 2008 mit 414 Beschäftigten ein Umsatz von 746 Millionen Euro erwirtschaftet. haben, den erreichten Einsparungen beim Kunden gegenüberstellen, bin ich mir nicht mehr sicher, ob etwas übrig bleibt. Wie eine Kundenwechselquote von 20 Prozent und mehr, wie in einigen Ländern üblich, als Erfolg für eine auf Nachhaltigkeit ausgelegte Branche wie die Energieversorgung angesehen werden kann, vermag ich nicht zu verstehen. Wir stellen uns dem Wettbewerb – keine Frage. Aber die Politik muss auch langfristig stabile Rahmenbedingungen dazu schaffen, wenn sie sich denn schon das Recht der „Einmischung“ in diesen Wirtschaftszweig vorbehält. G. W.: Konsolidierung und Rekommunalisierung sind gegenläufige Trends. Wie wird sich der Markt aus Ihrer Sicht in fünf Jahren strukturiert haben? C. L.: Nachdem dies schon oft versucht wurde, für einen Fünf-Jahresabschnitt zu deuten, glaube ich, dass sich in diesem Zeitfenster gar nicht so viel ändern wird. Natürlich nutzen viele Kommunen, die in der nächsten Zeit auslaufenden Konzessionsverträge für einen eigenen Einstieg in die Energiewirtschaft. Zusammenschlüsse zwischen Energieversorgern sehe ich aber nur vereinzelt. Dazu ist das lokale Kirchturmdenken immer noch zu sehr ausgeprägt und der wirtschaftliche Druck noch nicht groß genug. Das ist eigentlich schade, denn in guter Verfassung lassen sich solche Zusammenschlüsse viel besser bewältigen. Seite 15 G. W.: Welche Rolle nimmt in diesem Szenario Ihr Unternehmen ein und wo liegen die wesentlichen Herausforderungen auf dem Weg dorthin? C. L.: Wir müssen zunächst intern noch eine ganze Menge Hausaufgaben machen, um uns auf die neue Markt- und Wettbewerbssituation einzustellen. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Energiebeschaffung, Risikomanagement, Kraftwerkssteuerung und auch Vertrieb. Daran arbeiten wir bereits mit Hochdruck und können auch bereits erste Erfolge verbuchen. Der nächste Schritt sind dann Kooperationen, kleinere Übernahmen bzw. Beteiligungen, die dazu dienen können, das „Machbare“ zu machen und Möglichkeiten für weitergehende Schritte auszuloten. Dieser Weg ist aber beschwerlich. Viele Mitarbeiter müssen eingebunden und motiviert werden. Er dauert lang, der Erfolg ist nicht immer sicher. schlag und welche machen Ihnen am meisten Spaß? C. L.: Durch das „Unbundling“ sind auch wir gezwungen worden, unsere bisher integriert auftretenden Unternehmenseinheiten voneinander zu trennen. Bei dem Eigenleben der neuen Strukturen bleibt manchmal das Unternehmensinteresse insgesamt auf der Strecke. Hier muss man oft Verständnis wecken für Dinge, die früher selbstverständlich waren. Spaß macht es dann, wenn Dinge, die man auf den Weg geschickt hat, klappen und wenn man spürt, dass die Mitarbeiter sich an selbst gestellten Aufgaben motivieren können. Wir stellen uns dem Wettbewerb – keine Frage. Aber die Politik muss auch langfristig stabile Rahmenbedingungen dazu schaffen. G. W.: Haben Sie einen „goldenen Weg” gefunden, wie Sie Ihre Mitarbeiter in den Veränderungsprozess einbinden? C. L.: Wir müssen unsere Mitarbeiter aktiv einbinden in diesen Prozess. Sie müssen ihn selbst aktiv mitgestalten. Dazu muss ihnen die Herausforderung, vor der wir stehen, erst einmal klar werden. Dann können wir uns an erste Lösungsansätze machen. Ich persönlich glaube dabei, dass uns eine Beratungsunterstützung dabei nur sehr bedingt helfen kann bzw. helfen sollte, wenn ich das hier so sagen darf. Zuallererst sollten wir die Mitarbeiter selbst mit der Lösung der Probleme befassen. G. W.: Würden Sie Ihren Kindern empfehlen, Manager in der Energiewirtschaft zu werden? C. L.: Eher nicht. Wenn ich dereinst mit Ihnen als hoffentlich noch rüstiger Rentner am Tisch sitze, möchte ich mich mit meinen alten Geschichten nicht in ihren Berufsalltag einmischen wollen. Ich fände es viel spannender, wenn sie etwas ganz anderes machen würden. IMPRESSUM Herausgeber: C1 CONEXUS GmbH Osterbekstraße 90c, 22083 Hamburg Tel.: 040 52388 500, Fax: 040 52388 599 E-Mail: [email protected] www.c1-conexus.com Verantwortlich für den Inhalt: Guido Wendt Autoren dieser Ausgabe: Jan-Emanuel Brandt, Prof. Dr. Jörg Effmann, Dr. Thorsten Gliniars, Christian Guhl, Susanne Hellbusch, Marc Herrnstädter, Michael Martenka, Patrick Müller, Guido Wendt Gestaltung: J · G & Partner, Baden-Baden G. W.: Welche Ihrer Aufgaben als Topmanager nehmen Sie besonders in Be- Druck: Druckerei Ganz, Baden-Baden Juni 2010 CONect 15 CONect2 Kopie:Layout 1 07.06.2010 11:48 Uhr Seite 12 Das Historische E-Werk in Baden-Baden: Eine Kathedrale der Industriekultur Dieselmotoren rattern hier schon lange nicht mehr. Im Februar 1966 endete die Eigenerzeugung in Baden-Baden mit der Umstellung von Gleich- auf Wechselstrom. Sie begann am 3. Juli 1898, als das EWerk erstmals, in erster Linie zur Beleuchtung des Kurhauses und einiger Geschäfte, Strom bereitstellte. Infolge der Umstellung der öffentlichen Straßenbeleuchtung von Gas auf Strom und der auch sonst wachsenden Nachfrage wurden 1906 zwei je 450 PS starke Dampfturbinen installiert. Doch schon 1914 mit dem Bau einer 20 kV-Freileitung, die eine Fremdversorgung ermöglichte, verlor das E-Werk seine ursprüngliche Bedeutung. Die Dieselmotoren wurden in der Folgezeit lediglich zur Sicherung der Versorgung angeworfen. Nach 1966 diente das EWerk dann als Lagerhalle. Als die Stadtwerke schließlich über die weitere Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes nachdachten, war im Strommarkt gerade der Wettbewerbe voll entbrannt. Das erwies sich als ausschlaggebend. Nicht Lagerhalle oder Bürogebäude sollte das Gemäuer werden, sondern Ausstellungs- und Veranstaltungsraum. Mit den modernen Zweckbauten der Stromproduktion hat das Back- steingebäude ohnehin wenig gemein. Das Innere - rot-weiß gefliest im Rautenmuster mit Rundbogenfenstern in den hohen Wänden und in Teilen noch bestückt mit den Reliquien der Technikgeschichte wirkt wie eine Kathedrale der Industriekultur. Nach den Renovierungs- und Umbauarbeiten, erwachte das alte E-Werk dann im Jahr 2000 zu neuem Glanz. Heute ist es als einzigartige Kulisse der wöchentlichen SWR-Talkshow mit Frank Elstner „Menschen der Woche“ weit über Baden-Baden hinaus bekannt. Darüber hinaus stellen es die Stadtwerke Baden-Baden auch für Tagungen, Vorträge und Präsentationen zur Verfügung.