Turku 2015/16 (Psychologie)
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Turku 2015/16 (Psychologie)
ERASMUS-Erfahrungsbericht Åbo Akademi in Turku, Finnland Vorbereitung & Organisation Seit Beginn meines Studiums habe ich immer wieder mit dem Gedanken gespielt ins Ausland zu gehen, jedoch habe ich mich gefragt, ob ein Auslandssemester überhaupt die für mich passende Art eines Auslandsaufenthaltes ist oder ob ich lieber auf eigene Faust reisen möchte. Nach vielem hin- und her Überlegen, habe ich mich für ein Auslandssemester entschieden, da ich es mir nicht entgehen lassen wollte, neben einem Einblick in ein neues Land und eine neue Kultur auch ein neues Universitätssystem zu erkunden und dies vor allem für einen längeren Zeitraum. Damit ging meine Vorbereitung einen Schritt weiter: Nachdem ich im International Office, bei meinem Fachstudienberater und auf zahlreichen Internetseiten mir generelle Informationen zu einem Auslandssemester und die Bewerbung dafür eingeholt habe, fiel meine Entscheidung relativ schnell auf die Åbo Akademi in Turku, Finnland. Neben einem guten Universitätssystem mit vielen Vorlesungen und Seminaren in englischer Sprache, bietet Finnland eine atemberaubende Natur und kann mit der freundlichen Mentalität und Hilfsbereitschaft der Leute auf ganzer Linie punkten. Außerdem bietet Turku als Hafenstadt auch die Möglichkeit relativ leicht in andere Länder, wie Estland, Schweden oder Russland, zu reisen. Nachdem ich meine Zusage für ein Auslandssemester an der Åbo Akademi erhalten habe, ging meine Vorbereitung in die finale Phase: Zunächst musste ich meinen Platz durch eine Annahmeerklärung für das International Office bestätigen und dann im Rahmen einer Online Bewerbung direkt bei der Åbo Akademi mein Learning Agreement, ein Transcript of Records meiner bisherigen Kurse in Würzburg und eine Kopie meines Personalausweises oder Reisepasses einreichen. Außerdem habe ich direkt nach dem Erhalt der Zusage Auslands-BAföG beantragt, was sich im Nachhinein als sehr gut erwiesen hat, da ich so pünktlich zum Semesterstart in Finnland das Geld erhalten habe. Dann war es auch an der Zeit einen Flug nach Finnland zu buchen und sich um grundlegende Fragen, wie bsw. ein Wohnplatz zu kümmern, aber dazu später mehr. Allgemeines über die Åbo Akademi & das finnische Universitätssystem Die Åbo Akademi ist eine sehr moderne schwedisch sprachige Universität in Finnland und mit ungefähr 7000 Studenten eher klein und familiär. Dadurch setzen 1 sich die Kurse meistens auch nur aus wenigen Studenten zusammen und es gibt eine sehr gute Betreuung sowohl von den Dozenten als auch von dem dortigen International Office. Dies war besonders in der Anfangsphase hilfreich, wenn es um Veränderungen der Kurswahl oder dem Unterzeichen von zahlreichen Dokumenten, wie der Aufenthaltsbestätigung, der Studienbescheinigung für Auslands-BAföG, etc. ging. Die Åbo Akademi stellt zudem die Möglichkeit von einer Tutorin bsw. am Flughafen abgeholt zu werden, die Wohnungsschlüssel zu erhalten, eine kleine Campus Tour zu bekommen, etc. Dies hat mir persönlich das „Ankommen“ in Turku sehr erleichtert und war eine gute Möglichkeit finnische Studenten kennen zu lernen. Das Wintersemester geht von Ende August bis Ende Dezember und ist in zwei Perioden eingeteilt, so dass einige Kurse bereits Ende Oktober zu Ende sein können und man dort schon erste Klausuren schreibt bzw. manche Kurse erst Ende Oktober anfangen. Meistens werden für eine Klausur drei verschiedene Termine angeboten, so dass man sehr flexibel in seiner Zeitplanung ist oder falls man mit dem ersten Ergebnis nicht zufrieden ist, eine Klausur einfach wiederholen kann. Dies klappt auch ziemlich gut, da man spätestens nach zwei Wochen seine Note erhält. Das Notensystem an finnischen Universitäten geht von A (5) bis E (1), wobei A (5) das beste Ergebnis ist. Im Vergleich zu deutschen Vorlesungen und Seminaren habe ich die Erfahrung gemacht, dass in Finnland häufiger nach der eigenen Meinung der Studenten gefragt wird und das Reflektieren über Kursinhalte mehr angeregt wird, da sehr viel eigenständiges Lesen vorausgesetzt wird. Dies zeigt sich auch darin, dass die Klausuren meistens aus offenen Fragen bestehen, zu denen man ein kurzes Essay schreiben muss. Zudem gibt es sogenannte „self-study“ Kurse, bei denen man sich anfangs mit einem Dozenten trifft und ein Thema festlegt über das dann ein Essay oder am Ende des Semesterabschnitts eine Klausur geschrieben wird. Insgesamt lässt das finnische Universitätssystem seinen Studenten sehr viel Freiheit ihr Semester flexibel zu organisieren, was anfangs für einen Austauschstudenten etwas verwirrend sein kann. Mein Tipp ist bei Unklarheiten einfach in das dortige International Office zu gehen und nachzufragen. Viele der grundlegenden Informationen erhält man auch bei der Orientierungswoche. Die Åbo Akademi steht zudem in Kooperation mit der finnisch-sprachigen Universität Turun yliopisto und der Open University in Turku, so dass man teilweise auch an Kursen, die dort angeboten werden, teilnehmen kann. Für Psychologie fanden tatsächlich alle meine Kurse an der Turun yliopisto statt. Das ist auch der Grund, 2 warum ich im Nachhinein lieber ein Austauschstudent der Turun yliopisto gewesen wäre. Wohnen Auf der Homepage der Åbo Akademi erhält man viele Informationen bezüglich dem Wohnungsmarkt in Turku. Ich habe mich schließlich zum 15. April bei Retrodorm für ein Zimmer in einem Studentenwohnheim und zum 1. Mai bei TYS für ein Zimmer in einem geteilten Apartment beworben. Darauf folgten einige Wochen bangen Wartens, bis ich ungefähr Ende Juni ein Wohnungsangebot von TYS in einer 2er WG in Varissuo für etwa 310€ erhalten habe, welches ich direkt angenommen habe. In Varissuo gibt es mehrere Studentenwohnheime, so dass man leicht in Kontakt mit anderen Leuten kommt und es gibt ein großes Einkaufszentrum in unmittelbarer Nähe, was sehr praktisch ist. Varissuo liegt ungefähr 20 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln vom Stadtzentrum entfernt. Tagsüber fährt alle 5 Minuten der 32er oder 42er Bus zu der Universität und in die Stadt, wohingegen die Nachtbusse nur am Samstag fahren. Dies ist etwas unpraktisch, da nahezu alle Studenten Partys in Finnland unter der Woche stattfinden. Schließt man sich allerdings mit mehreren Leuten aus Varissuo zusammen und teilt sich ein Taxi, geht es preislich auch. Varissuo hat unter finnischen Leuten einen eher schlechten Ruf, da es als „Migranten-Viertel“ mit einer hohen Kriminalitätsrate bekannt ist. Ich habe mich dort jedoch nie unsicher gefühlt oder von Vorfällen etwas mitbekommen. Den Start in meine neue Wohnung hat mir das sogenannte Starting Package erleichtert, in dem sich grundlegende Sachen, wie Decke & Kissen, Vorhänge, ein Topf, ein Teller, ein Besteck Set, etc. befinden und von der Studentenorganisation der Universität ausgeliehen werden kann. Insgesamt war ich mit meinem Zimmer sehr zufrieden und fand es besonders spannend mit jemanden mit einer anderen Nationalität und Kultur zusammen zu wohnen und diese so kennen lernen zu dürfen. TYS hat eine sehr gute Organisation und bietet zudem die Möglichkeit vier Mal pro Monat kostenlos die Sauna, die sich direkt in dem eigenen Gebäude befindet, zu nutzen, was natürlich ein essentieller Bestandteil der finnischen Kultur ist, den man unbedingt erleben sollte. 3 Stadt & studentisches Leben Turku ist mit ungefähr 180.000 Einwohnern eine eher kleine Stadt und was die Auswahl von Geschäften, Bars, Cafès etc. angeht, ungefähr mit Würzburg vergleichbar. Meiner Meinung nach hat Turku ein schönes Stadtbild, da beispielsweise ein großer Fluss namens Aura durch die Stadt fließt, an dem sich im Sommer viele Studenten treffen und das schöne Wetter genießen und es im Zentrum einen großen Marktplatz mit zahlreichen Ständen, an denen finnische Beeren oder Pilze verkauft werden, gibt. Dadurch das Turku im Süden von Finnland (ungefähr zwei Stunden von der Hauptstadt Helsinki entfernt) gelegen ist, gibt es im Winter eigentlich auch nicht so viel Schnee, wie man es vielleicht erwarten würde. Es ist eher sehr windig. Als Austauschstudent profitiert man sehr von dem großen ESN-Netzwerk in Turku, das zahlreiche Ausflüge und Events organisiert. Neben großen Trips nach St. Petersburg oder Lappland, die in Kooperation mit dem Reiseveranstalter Timetravels organisiert werden, gibt es auch viele kleine nette Veranstaltungen, wie Ausflüge in Nationalparks, Cottage Weekends, Spieleabende, Outdoor Games, Sauna Abende, Welcome & Farewell Partys, etc. Für das Freizeitleben wird auf jeden Fall viel geboten. Allerdings steigen dadurch natürlich auch die Lebenshaltungskosten. Gerade am Anfang sollte man ein paar Reserven einplanen, da neben organisatorischen Kosten, wie Studentenbeitrag, -ausweis, etc., auch weitere Kosten durch die vielen Unternehmungen anfallen. Das Essen war allerdings nicht so teuer wie erwartet. Ich habe häufig in der Mensa zu Mittag gegessen, die im Vergleich zu deutschen Mensen viel gesünder ist und für 2,60€ pro Gericht inklusive Salat eine sehr gute Auswahl hat. Sprache Turku ist offiziell zweisprachig – Schwedisch und Finnisch sind die Amtssprachen. Zwar sind bsw. alle offiziellen Dokumente oder die Straßenschilder in beiden Sprachen aufgeführt, aber im Alltagsgeschehen wird nur Finnisch gesprochen. Das war auch mit ein Grund, warum ich mich dazu entschlossen habe, Finnisch anstatt Schwedisch zu lernen. Mein Finnisch Kurs fand zweimal die Woche für je zwei Stunden an der Open University statt und hat mir sehr viel Spaß gemacht, da man bereits nach wenigen Stunden das Gelernte im alltäglichen Leben anwenden konnte. 4 Generell beherrschen die meisten finnischen Leute ein sehr gutes und fließendes Englisch, so dass man sich im Alltag oder in der Universität ohne Probleme verständigen kann. Fazit Schlussendlich war es für mich trotz anfänglicher Unsicherheiten und dem Organisationsaufwand genau der richtige Schritt für eine längere Zeit ins Ausland zu gehen und ein neues Universitätssystem kennen zu lernen. Während meines Auslandssemesters habe ich sehr tolle und einzigartige Erfahrungen gemacht, die ich auf keinen Fall mehr missen möchte. Ich kann jeden, der an fremden Kulturen, neuen Erlebnissen und anderen Perspektiven interessiert ist, ermutigen den Schritt zu wagen und ein Auslandssemester zu machen. 5