Notfall-Intubationen
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Notfall-Intubationen
Notfall-Intubationen Dr. Thomas Fleischmann Notfallzentrum Klinik Hirslanden Zürich © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Wir besprechen… wie wichtig die Intubation bei Notfällen ist welche Patienten Sie notfallmässig intubieren müssen wie Sie die Intubation optimal vorbereiten wie Sie eine Notfallintubation so durchführen, dass sie gleich gelingt wie Sie sich helfen können, wenn es doch nicht sofort klappt welche Alternativen Ihnen noch zur Verfügung stehen © Dr. T. Fleischmann Die Bedeutung der Notfallintubation ist unumstritten... Die endotracheale Intubation ist eine der lebensrettendsten Massnahmen der Notfallmedizin. Eine Reihe von Notfallpatienten kann ohne Intubation nicht gerettet werden. Wir besprechen noch, welche Notfallpatienten intubiert werden müssen. Die endotracheale Intubation nimmt vor allem aus zwei Gründen ein zentrale Rolle ein: Zum ersten ist sie die mit Abstand sicherste Methode zum Freihalten der Atemwege, kein anderes Verfahren reicht an sie heran. Das ist einer der Gründe, warum sie bei bewusstlosen Patienten so wichtig ist. Zum zweiten schafft sie die besten Voraussetzung für eine kontrollierte Beatmung, zum Beispiel bei schwer hypoxischen Patienten oder bei Patienten im Schock, sei es durch Volumenmangel, kardiogenes Pumpversagen oder andere Ursachen. © Dr. T. Fleischmann … aber sie ist manchmal gar nicht so einfach Die endotracheale Intubation ist also gerade im Notfall wichtig und lebensrettend. Sie ist aber auch eine der schwierigsten und komplexesten Massnahmen der Notfallmedizin. Das liegt unter anderem daran, dass im Notfall oft unter grossem Zeitdruck und Handlungsdruck intubiert werden muss – die Hypoxietoleranz von Notfallpatienten ist gering. Dazu kommt, dass es unter Notfallbedingungen kaum vorhersehbar ist, ob die Intubation schwierig werden wird oder nicht. Und selbst wenn dies vorhersehbar wäre, es ändert nichts – der Patient muss ja trotzdem intubiert werden. Damit steht dem hohen lebensrettenden Potenzial der Intubation ein nicht unerhebliches Risiko gegenüber, dass sie schwierig wird oder gar scheitert. Wie Sie sich da helfen, besprechen wir. © Dr. T. Fleischmann Notfälle und endotracheale Intubation Die endotracheale Intubation ist der unangefochtene Goldstandard der Atemwegssicherung. Aber unter Notfallbedingungen sind: 4 % der Intubationen schwierig 1 % der Intubationen scheitert Damit wird die schwierige Intubation zu einer erwartbaren und planbaren Größe. Wenn man oft genug Patienten in Notfallsituationen intubiert, wird man früher oder später auf eine schwierige oder unmögliche Intubation treffen. © Dr. T. Fleischmann Fehl-Intubationen Fakten 1 Es ist erschreckend, aber leider wahr: Unter Notfallbedingungen ist die Rate der zunächst unerkannten Fehlintubationen hoch: Es sind je nach Studie zwischen 6 und 25%! Noch beunruhigender: Diese Rate ist gleich hoch, ob die Intubation als schwierig oder nicht schwierig empfunden wird. Böse Überraschungen sind also möglich. Nicht einmal die Intubation unter Sicht ist ein absolut sicheres Zeichen der endotrachealen Intubation. Durch klinische Zeichen werden Fehlintubationen in 95% der Fälle erst nach 5 Minuten erkannt. Was ist die Folge? 81% dieser Patienten sterben 18% dieser Patienten haben Dauerschäden © Dr. T. Fleischmann Fehl-Intubationen Fakten 2 In etwa 30% der ösophagealen(!) Intubationen werden beidseitige Atemgeräusche dokumentiert. Atemgeräusche sind kein sicheres Zeichen der endotrachealen Intubation. Bei 85% der ösophagealen Intubationen beschlägt der Tubus. Auch das Beschlagen des Tubus ist kein sicheres Zeichen der endotrachealen Intubation. Es gibt nur ein einzige sicheres Zeichen der endotrachealen Intubation – kennen Sie es? Dazu später mehr. Jetzt müssen wir unsere Notfallpatienten erst einmal intubieren. Aber welche? © Dr. T. Fleischmann Intubationsindikationen 1 Eines ist wichtig: Die Indikation zur Intubation stellt der Patient! Damit ist folgendes gemeint: Bestimmte Patienten profitieren sehr von der Intubation und nehmen ohne Intubation möglicherweise Schaden. Die endotracheale Intubation unter Notfallbedingungen ist unbestritten manchmal schwierig. Aber wenn die Indikation besteht, dann muss sie ein darin erfahrener Arzt auch durchführen. Wann müssen Sie an eine Intubation denken? © Dr. T. Fleischmann Intubationsindikationen 2 In folgenden Fällen sollten Sie prüfen, ob die Indikation zur Intubation besteht: Bewusstsein: Atmung: Kreislauf: GCS unter 9 SaO2 unter 90% Schock Es gibt noch weitere Indikationen, aber die meisten intubationspflichtigen Patienten erfassen Sie mit diesen Kriterien. Erklärungen: GCS: Glasgow Coma Scale SaO2: Sauerstoffsättigung © Dr. T. Fleischmann Intubationsindikationen 3 Bewusstsein: Atmung: Kreislauf: GCS unter 9 SaO2 unter 90% Schock Dies gilt natürlich nur dann, wenn diese Werte nicht durch andere, weniger invasive Maßnahmen verbessert werden können. Beispiele sind die Glucose-Gabe bei Bewusstlosen mit Hypoglykämie oder die Sauerstoffgabe oder nicht-invasive Beatmung bei ateminsuffizienten Patienten, wenn sie sich darunter entsprechend verbessern. © Dr. T. Fleischmann Intubation und Reanimation Nach den neuesten Reanimationsrichtlinien, zum Beispiel des European Resuscitation Council, ist die Intubation bei Reanimationen nicht mehr unbedingt erforderlich. Vor allem sollte die Herzdruckmassage wegen einer Intubation nicht zu lange unterbrochen werden, möglichst sogar gar nicht. Es gibt keine Evidenz, dass das Überleben bei Kreislaufstillstand durch eine Intubation verbessert wird. Setzt der Spontankreislauf jedoch wieder ein, dann sollte der Patient in der Regel intubiert werden. Ausnahme: Sofortiges Erwachen nach einer Defibrillation. © Dr. T. Fleischmann Intubation und Reanimation Wenn Sie sich für die Reanimationsrichtlinien des European Resuscitation Council interessieren, dann klicken Sie auf www.erc.edu Dort finden Sie wertvolle Informationen zur Reanimation, die den Stellenwert der Beatmung und der Intubation in dieser besonderen Notfallsituation beschreiben. © Dr. T. Fleischmann Intubationsvorbereitung Nun wird es ernst. Die Intubationsindikation besteht und es geht dem Patienten immer schlechter, je länger wir warten. Nun kommt eines der Geheimnisse einer geglückten Intubation: Oft entscheidet die Intubationsvorbereitung, ob eine Intubation gleich gelingt oder nicht. Die Mehrzahl der Gründe für das Scheitern einer Intubation liegt vor der Intubation, der Rest sind entweder Fehler bei der Technik oder eine schwierige Anatomie. All das werden wir besprechen. Aber wie bereiten Sie eine Intubation richtig vor? Die gesamte Vorbereitung und Durchführung einer Notfallintubation besteht aus „8 P“. Wenn Sie sich diese „8 P“ merken, dann werden Sie sicher durch den gesamten Vorgang geleitet. © Dr. T. Fleischmann Die 8 P der Notfallintubation Preoxigenation Preparation Premedication Positioning Paralysis Placement Proof Postintubation Management © Dr. T. Fleischmann Die 8 P der Notfallintubation im Zeitverlauf Preoxigenation Preparation Premedication Positioning Paralysis Placement Proof Postintubation Management - 5 min - 5 min - 3 min - 2 min - 45 sec 0 + 30 sec + 1 min © Dr. T. Fleischmann Preoxigenation Beginnen Sie sofort mit der Präoxigenation, sobald Sie anfangen an eine Intubation zu denken. Geben Sie so viel Sauerstoff wie möglich, mindestens 10 l/min über eine Maske mit Reservoir oder ein Non-Rebreathing-Ventil – alles andere ist zu wenig! Die Lungen haben ein Luftreservoir von etwa 4 l. Wenn es gelingt diesen Raum mit Sauerstoff zu füllen statt mit Luft, dann toleriert der Patient die Apnoe und Hypoxie im Zusammenhang mit der Intubation besser und länger – er und Sie gewinnen Zeit. Führen Sie wegen der Aspirationsgefahr aber keine Maskenbeatmung durch, ausser bei einem Atemstillstand. © Dr. T. Fleischmann Preoxigenation Diese Tabelle gibt Ihnen einen Überblick über die unter Optimalbedingungen erreichbaren maximalen inspiratorischen Sauerstoffkonzentrationen bei verschiedenen Beatmungsformen. In der Realität liegen die Werte oft deutlich darunter. Beatmungsformen FiO2 Mund-Nase-Beatmung 0,17 Beutelbeatmung 0,21 Beutel + 10 L O2 0,35 Beutel + O2-Reservoir 0,9 Beutel + Demandventil 0,97-1,0 © Dr. T. Fleischmann Preparation 1 Bereiten Sie alle Materialien für die Intubation vor. Es ist besser, wenn Ihre Mitarbeiter alles vorbereiten und Sie dies nur überwachen, dann haben Sie einen wesentlich besseren Überblick. Was brauchen Sie? Tubus Mann I.D. 8,0-8,5; Frau 7,5-8,0; Kind 4+LJ/4 Plastikführungsstab eingelegt + gebogen eine Tubusgrösse darunter muss bereit liegen Laryngoskop (Funktion geprüft?) Beatmungsbeutel mit Maske (aufgesteckt, abgezogen ist sie schnell) Erklärung: I.D.: Innerer Durchmesser © Dr. T. Fleischmann Preparation 2 Was brauchen Sie noch? Grosse Absaugung Die Absaugung muss unmittelbar bereit liegen und laufen – ein Griff von Ihnen muss genügen, wenn der Patient erbricht. Tubusfixation Lassen Sie sich das von Ihnen gewünschte Fixationsmaterial vorher bereit legen, denn nach Intubation brauchen Sie es rasch. Beatmungsgerät Stellen Sie während der Vorbereitungen das Beatmungsmuster ein, damit Sie das Beatmungsgerät nach der Intubation nur noch einschalten müssen. Machen Sie das lieber selbst und verlassen Sie sich nie auf ein vorher eingestelltes Beatmungsmuster. © Dr. T. Fleischmann Preparation 3 Das ist noch nicht alles. Der Patient muss gut überwacht sein: Pulsoximetrie EKG / RR Kapnometrie Zwei sichere venöse Zugänge Noch etwas: Das alternative Beatmungsinstrumentarium - dazu kommen wir noch - muss jetzt schon bereit liegen. © Dr. T. Fleischmann Premedication 1 Nur sehr tief bewusstlose Patienten können Sie ohne Narkose intubieren. In allen anderen Fällen müssen Sie narkotisieren. Seien Sie dabei grosszügig mit Narkosemedikamenten. Es ist wesentlich schwieriger einen zu flach narkotisierten Patienten zu intubieren als einen tief narkotisierten oder gar relaxierten Patienten. Folgende Medikamentengruppen stehen Ihnen je nach Ihrer Erfahrung zur Verfügung: Analgetika Hypnotika Sedativa Narkotika © Dr. T. Fleischmann Premedication 2 Wir gehen nicht weiter auf die Narkose unter Notfallbedingungen ein. Dies ist ein eigenes Thema und in der Literaturliste finden Sie gute Quellen. Nur so viel: Wichtig ist eine zuverlässige Wirkung und ein schneller Wirkungseintritt. Und noch etwas ist wirklich wichtig: Es ist kaum vorherzusehen, welche Medikamentendosis in der Notfallsituation erforderlich ist, bis Ihr Patient sicher und schonend intubiert werden kann. Lassen Sie sich daher immer die doppelte der erwarteten Dosis aufziehen. Glauben Sie es: Sie werden es nie bereuen dies zu tun, aber garantiert einmal bereuen, wenn Sie es nicht getan haben. Versprochen. © Dr. T. Fleischmann Positioning 1 Jetzt kommen wir zu einem Punkt, dessen Bedeutung nicht selten unterschätzt wird: Die Lagerung des Patienten und die Position des Arztes. Gute Lagerung des Patienten bedeutet: Kopf hoch, Oberkörper hoch, Trage hoch Also: Schnüffelstellung des Patientenkopfes (z.B. Tuch unterlegen), leichte Oberkörperhochlagerung (zur Aspirationsprophylaxe) Hochfahren der Trage bis zur Brusthöhe des Arztes, so möglich (erleichtert die Sicht und verhindert eine gebeugte Zwangshaltung) © Dr. T. Fleischmann Positioning 2 Nun geht es um uns. Gute Position während der Intubation bedeutet zum einen das Hochfahren der Trage, damit haben wir bessere Sicht und stehen nicht in einer wackeligen Beugehaltung. Der Rücken des Intubierenden sollte gerade sein. Stehen Sie während der Intubation nicht zu nah am Patienten – Ihr Arm sollte etwas gestreckt sein. Das klingt paradox, aber steht man zu nah am Patienten, dann hat man eine schlechtere und eine nur zweidimensionale Sicht mit nur einem Auge. Steht man etwas weiter weg, dann ist die Übersicht wesentlich besser und man sieht dreidimensional in den Rachenraum. Probieren Sie es aus – Sie werden schnell überzeugt sein. Die nächste Grafik gibt Ihnen einen guten Eindruck. © Dr. T. Fleischmann Intubationsposition © Dr. T. Fleischmann Paralysis ? Dies ist ein heikler Punkt. In Deutschland wird in Notfallsituationen meist mit Narkose, aber ohne Relaxation intubiert. In anderen Ländern, zum Beispiel den USA, ist dies anders: Dort sind die Narkosetiefen geringer, aber die Notfallpatienten werden relaxiert. Verwendet wird in der Regel Succinylcholin, da die Wirkung mit meist nur 5 – 8 Minuten recht kurz ist. Für die Relaxierung spricht, dass die Patienten dann wesentlich leichter und sicherer zu intubieren sind als ohne Relaxation. Wir können hier keinen generellen Rat geben. Wenn Sie Erfahrung mit Muskelrelaxantien haben, dann werden Sie diese sicher in Betracht ziehen. Haben Sie die Erfahrung nicht, dann sollten Sie diese nie und nimmer in einer Notfallsituation erwerben – dies gilt übrigens für alle notfallmedizinischen Massnahmen. Wenn Sie sich zu einer Relaxierung entschlossen haben, dann sollte ab jetzt bis zum Ende der Intubation zur Aspirationsprophylaxe der Sellick-Handgriff, also Druck auf den Ringknorpel (nicht den Larynx), ausgeübt werden. © Dr. T. Fleischmann Paralysis ? Zur Notfall-Intubation und zur Verwendung von Muskelrelaxantien gibt es auch eine Website der European Society of Anaesthesiologists. Die Website enthält weitere Informationen und Tipps. Sie finden sie unter: http://www.euroanesthesia.org/education/rc_vienna/13rc1.htm © Dr. T. Fleischmann Placement Jetzt geht es los. Sie haben Ihren Patienten gut vorbereitet und sich selbst in die richtige Position gebracht. Jetzt müssen Sie den Tubus platzieren – und das ist manchmal ein sehr komplexer Prozess, den Sie bei begrenzter Sicht in einem engen Raum und unter Zeitdruck durchführen müssen… Folgendes hilft Ihnen dabei sehr: Intubation ist auch ein mentaler Prozess. Konzentrieren Sie sich auf die paar Sekunden vor Ihnen, länger brauchen Sie nicht. Lassen Sie sich nicht stören. Das einzige was Sie jetzt wissen wollen ist, wenn mehr als 30 Sekunden vergangen ist – dann müssen Sie stoppen und zwischenoxigenieren. Sie brauchen ein klares Konzept für den Vorgang der Intubation. Ich nenne es den Pfad der Tugend. Dies bedeutet: Eine Intubation erfolgt in vier aufeinander folgenden Schritten. In jedem Schritt suchen Sie eine anatomische Struktur. Diese leitet Sie zu der nächsten Struktur des nächsten Schrittes. Den nächsten Schritt machen Sie erst, wenn die anatomische Struktur zuvor eindeutig sichtbar ist. © Dr. T. Fleischmann Optimale Intubation Stufe 1 Weite Mundöffnung Rasches Eingehen von rechts Wegschieben der Zunge nach links Vorschieben bis zu den Valleculae © Dr. T. Fleischmann Optimale Intubation Stufe 2 Langsam vorarbeiten auf der Mittellinie der Zunge bis die Epiglottis sichtbar wird © Dr. T. Fleischmann Optimale Intubation Stufe 3 Langsam weiter vorarbeiten auf der Mittelinie der Zunge bis die Ary-Knorpel sichtbar werden © Dr. T. Fleischmann Optimale Intubation Stufe 4 Jetzt Zug nach hinten-oben bis die Stimmbänder sichtbar sind jetzt den Tubus von rechts unter Sicht einführen © Dr. T. Fleischmann Placement Das müssen Sie ein paar Mal unter Anleitung gemacht haben. Wie oft? Das kann niemand so genau sagen. Nach etwa 50 bis 80 Intubationen haben Sie etwas mehr Routine und Gelassenheit. Noch etwas: Wie tief platzieren Sie den Tubus? Dazu folgende Regel: Tubustiefe bei Erwachsenen 20 - 22 cm, Tubustiefe bei Kindern 12 cm + LJ/2 © Dr. T. Fleischmann Proof Jetzt kommt ein sehr sehr wichtiger Punkt. Wir besprachen ja schon, dass eine Fehlintubation unter Notfallbedingungen nicht so ganz selten ist. Sie wird aber oft erst dann erkannt, wenn die Gefahr für den Patienten schon sehr groß ist. Weder die Intubation unter Sicht, noch Atemgeräusche beim Auskultieren, noch ein Beschlagen des Tubus, noch Brustkorbbewegungen, noch Zwerchfellbewegungen, noch eine zunächst gute Sauerstoffsättigung sind sichere Zeichen einer endotrachealen Intubation. Das einzige sichere Zeichen der endotrachealen Intubation ist der exspiratorische CO2-Nachweis. Man kann es Ihnen nur mit Nachdruck ans Herz legen: Sichern Sie jede Intubation mit einer Kapnometrie oder Kapnographie ab. Es geht einfach um zu viel. Ausnahme: Reanimation, da wird kein CO2 mehr produziert. © Dr. T. Fleischmann Postintubation Treatment Ein paar wichtige Maßnahmen kommen noch: Blocken: Nicht zu fest, leichter Druck genügt. Inzwischen ist das Blocken des Tubus auch bei Kindern zulässig. Beissschutz: Nehmen Sie einen Guedeltubus oder ein Tubusfixationsset. Fixation: Fixieren Sie den Tubus wirklich sicher. Sekundäre Tubusdislokationen sind ohne Kapnometrie nur schwer zu erkennen. Nehmen Sie ein Tubusfixationsset oder eine Mullbinde. Pflaster sind meist zu unsicher. Beatmung anschließen: Das Beatmungsmuster haben Sie ja schon eingestellt. Monitoring: Beatmungsdruck + Kapnometrie + Pulsoximetrie + Blutdruck + Herzfrequenz Narkosetiefe: Merken Sie rechtzeitig, wenn der Patient wacher wird. © Dr. T. Fleischmann Beispiel Notfall-Intubation Lassen Sie uns das alles an einem Beispiel durchdenken. Sie werden als Notärztin/Notarzt zu einer jungen Frau gerufen, die als Fahrradfahrerin von einem PKW angefahren wurde. Sie finden folgende Situation vor: 18 Jahre alte Frau, bewusstlos, ungezielte Reaktion auf Schmerzreize, Glasgow Coma Scale 7, Blutung aus Nase und Ohren Rippenfrakturen rechts, Beckenfraktur, Oberschenkelfraktur rechts RR 100/80, HF 116/min, SaO2 96% © Dr. T. Fleischmann Beispiel Notfall-Intubation Frage 1: Besteht eine Intubationsindkation? Ja ? Nein ? © Dr. T. Fleischmann Beispiel Notfall-Intubation Frage 1: Besteht eine Intubationsindkation? Aber ja. Es bestehen sogar zwei Indikationen zu Intubation: Schädelhirntrauma mit Bewusstlosigkeit und zu erwartender Volumenmangelschock durch die Becken- und die Oberschenkelfraktur. Wir kommen auf diesen Fall zurück. © Dr. T. Fleischmann Intubation schwierig? Und wenn die Intubation doch nicht gleich klappt? Sie sehen die anatomischen Leitstrukturen nicht? Nach 30 Sekunden müssen Sie definitiv stoppen! Wenn Sie die Stimmbänder bis dahin nicht gefunden haben, finden Sie sie bei diesem Versuch nicht mehr. Aber Sie müssen den Patienten jetzt zwischenoxigenieren. Das machen Sie mit dem Beatmungsbeutel. Vergessen Sie den hohen Sauerstoffflow und Reservoir oder Demand-Ventil nicht. Zwischenoxigenieren Sie aber auch sich selbst. Und lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man einen zweiten Intubationsversuch braucht. Wir bauen jetzt zusammen einen Algorithmus auf. Wo stehen wir? © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Algorithmus Stufe 1: Endotracheale Intubation Stufe 2: Optimierte Intubation © Dr. T. Fleischmann Intubation schwierig? Optimierung Sie müssen jetzt beim zweiten Versuch etwas anders machen als beim ersten sonst verläuft der zweite Versuch genau so wie der erste. Was können Sie optimieren? Vor allem drei Bereiche: Lagerung Narkosetiefe (Relaxation?) Technik © Dr. T. Fleischmann Optimierung Lagerung Denken Sie an das, was wir bereits über die Lagerung des Patienten und Ihre eigene Position gesagt haben: Kopf hoch Oberkörper hoch Trage hoch Und stehen Sie nicht zu nah am Patienten – Sie haben bei leicht gestrecktem Arm eine bessere Übersicht. © Dr. T. Fleischmann Optimierung Narkosetiefe Die Intubation eines zu flach narkotisierten Patienten ist wesentlich schwieriger als bei einer tieferen Narkose. Wehrt sich der Patient sogar gegen die Intubation, dann kann sie kaum gelingen. Überlegen Sie, ob Sie die Narkose nicht vertiefen wollen. Der Gedanke, dass der Patient dann vielleicht nicht mehr genug Eigenatmung hat, ist gefährlich: Diese Schwelle haben Sie mit der Narkoseeinleitung längst überschritten. Sie müssen den Patienten in diesem Stadium beatmen, ob mit oder ohne Tubus. Manchmal ist es sinnvoll mehr der bereits gewählten Medikamente zu geben. Manchmal wurden auch keine Analgetika gegeben – dann wäre jetzt der Zeitpunkt dies zu tun. Wenn Sie die Erfahrung damit haben, dann können Sie jetzt den Einsatz von Succinylcholin erwägen. © Dr. T. Fleischmann Optimierung Technik Gehen Sie beim zweiten Versuch ganz bewusst nach dem Stufenschema vor, dem Pfad der Tugend. Dabei führt Sie eine anatomische Struktur zur nächsten. Noch einmal die Stufen: Stufe 1: Stufe 2: Stufe 3: Stufe 4: von rechts, schnell: Mitte, langsam: Mitte, langsam: Nach schräg oben: Valleculae Epiglottis Ary-Knorpel Stimmbänder © Dr. T. Fleischmann Beispiel Notfall-Intubation Kommen wir auf unseren Fahrradunfall zurück und stellen wir uns die Frage 2: Sie leiten die Narkose ein und versuchen zu intubieren. Die junge Frau wird unruhig dabei und würgt. Sie haben keine gute Sicht auf die Stimmbänder. Wie gehen Sie vor? © Dr. T. Fleischmann Beispiel Notfall-Intubation Frage 2: Wie gehen Sie vor? In diesem Fall ist ganz klar, was Sie vor dem zweiten Intubationsversuch optimieren müssen: Die Narkosetiefe! Dies ist nicht ungewöhnlich, der Narkosemittelbedarf ist schwer abzuschätzen und nicht selten benötigt man mehr als anfangs erwartet. Brechen Sie den Intubationsversuch ab, zwischenoxigenieren Sie und vertiefen Sie die Narkose, so wie wir das besprochen haben. © Dr. T. Fleischmann Beispiel Notfall-Intubation Frage 3: Sie konnten die junge Frau nach der Vertiefung der Narkose einfach und sicher intubieren. Was ist die einzige sichere Methode zum Nachweis, dass der Tubus wirklich in der Trachea liegt? © Dr. T. Fleischmann Beispiel Notfall-Intubation Frage 3: Was ist die einzige sichere Methode zum Nachweis, dass der Tubus wirklich in der Trachea liegt? Das ist ganz und gar eindeutig: Die Kapnometrie oder Kapnographie. Bitte führen Sie sie nach einer Notfall-Intubation immer durch, wenn der Patient einen Spontankreislauf hat und somit CO2 produziert. © Dr. T. Fleischmann Beispiel Kinder-Intubation Frage 4: Beschäftigen wir uns noch kurz mit der Intubation von Kindern. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine klare Intubationsindikation bei einem 8 Jahre alten Mädchen. Welche Tubusgrösse nehmen Sie (I.D.) ? 4.0 ? 5.0 ? 6.0 ? 7.0 ? 8.0 ? © Dr. T. Fleischmann Beispiel Kinder-Intubation Frage 4: Welchen Tubus nehmen Sie (I.D.) ? Denken Sie an die Formel: 4 + Lebensjahre/4 Das wäre dann 4 + 8/4 = 4 + 2 = 6 Die richtige Tubusgrösse ist 6.0 © Dr. T. Fleischmann Beispiel Kinder-Intubation Frage 5: Sie konnten das Mädchen schnell und sicher intubieren und Sie haben die Tubuslage durch die Kapnometrie verifiziert. Blocken sie den Tubus bei diesem 8 Jahre alten Mädchen? Ja ? Nein ? © Dr. T. Fleischmann Beispiel Kinder-Intubation Frage 5: Blocken sie den Tubus bei diesem 8 Jahre alten Mädchen? Die Antwort ist Ja. Allerdings erst seit kurzem. Bis vor kurzer Zeit durften Kindertuben nicht geblockt werden. Dies hat sich nur geändert. Geben Sie so viel Luft in den Cuff des Tubus, dass bei jeder Beatmung gerade etwas Luft nach oben entweicht. © Dr. T. Fleischmann Dritter und letzter Versuch Ist der Tubus jetzt sicher endotracheal platziert? Gut! Wenn nicht, dann gilt jetzt das Gleiche wie beim ersten Versuch: Nach 30 Sekunden müssen Sie stoppen und den Patienten zwischenoxigenieren. Nehmen Sie sich etwas Zeit und kommen Sie zur Ruhe. Für den dritten - und letzten - Versuch schlagen wir Ihnen eine besondere Technik vor, die BURP-Technik. Aber sehen wir uns unseren Algorithmus noch einmal an. © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Algorithmus Stufe 1: Stufe 2: Stufe 3: Endotracheale Intubation Optimierte Intubation BURP-Technik © Dr. T. Fleischmann BURP-Technik 1 Was ist die BURP-Technik? BURP steht für: Backward Upward Rightward Pressure © Dr. T. Fleischmann BURP-Technik 2 Was bedeutet das? Gar nicht so selten, in manchen Studien in etwa 2/3 der Fälle, werden die Stimmbänder oder zumindest die Ary-Knorpel sichtbar, wenn man den Kehlkopf in eine bestimmte Richtung bewegt: Nach dorsal (Backward), kranial (Upward), nach rechts (Rightward) und das mit mässigem Druck (Pressure). Dazu lassen Sie das Laryngoskop in der linken Hand und gehen mit Ihrer rechten Hand zum Kehlkopf (nicht zum Ringknorpel wie beim SellickHandgriff). Dann bewegen Sie den Kehlkopf wie beschrieben. Bekommen Sie keine Sicht auf die Stimmbänder, dann versuchen Sie die gleiche Bewegung, nur diesmal nach links. © Dr. T. Fleischmann BURP-Technik 3 Sehen Sie jetzt die Stimmbänder, dann muss ein Helfer den Kehlkopf in genau dieser Position fixieren, damit Ihre rechte Hand für die Intubation frei wird – das muss man vorher besprochen haben. Dann platzieren Sie den Tubus, aber immer nur unter Sicht, alles andere ist zu gefährlich. Danach können sie den Kehlkopf loslassen. Sichern Sie die endotracheale Tubuslage immer durch die Kapnometrie oder Kapnographie. © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen - und wenn es doch nicht klappt? Wenn auch dieser dritte Intubationsversuch nicht gelingt, dann müssen Sie wieder nach 30 Sekunden stoppen und oxigenieren. Alle Erfahrungen und Studien zeigen: Wenn man nach 30 Sekunden nichts sieht, dann sieht man auch nach 60, 90 und 120 Sekunden nichts. Jetzt kommt etwas sehr Wichtiges: Unternehmen Sie keinen weiteren Intubationsversuch mehr! Auch hier sind alle Erfahrungen und Studien gleich: Wenn die Intubation beim 3. Versuch nicht gelingt, dann gelingt sie auch beim 4., 5., 6. und 10. Versuch nicht. Aber andere, schreckliche Dinge geschehen: Die Patienten werden tief hypoxisch, die Atemwege werden stark traumatisiert und das Schlimmste: Die Fehlintubationsrate steigt drastisch an. Denken Sie daran: Der Patient stirbt nicht an der gescheiterten Intubation, er stirbt entweder an der Fehlintubation oder der fehlenden Ventilation. © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Plan B Nochmals in aller Deutlichkeit: Unternehmen Sie keinen weiteren Intubationsversuch mehr! Oxigenieren Sie den Patienten mit der Maske. Was der Patient jetzt braucht – und Sie auch – ist der nächste Schritt in unserem Algorithmus. Und der ist jetzt die Larynxmaske. Sehen wir uns unseren Algorithmus noch einmal an. © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Algorithmus Stufe 1: Stufe 2: Stufe 3: Stufe 4: Endotracheale Intubation Optimierte Intubation BURP-Technik Larynxmaske © Dr. T. Fleischmann Larynxmaske Im Notfall hat die Larnyxmaske viele Vorteile: Sie ist recht schnell zu legen und gestattet in vielen Fällen eine gute Oxigenation. Die Technik muss zwar erlernt werden, aber wirklich schwierig ist sie nicht. Wenn die erforderlichen Beatmungsdrücke zu hoch sind, zum Beispiel bei einem Asthmaanfall, dann tritt eine Leckage auf. Die Larynxmaske gewährt zwar keinen sicheren Aspirationsschutz, aber die Oxigenation hat Vorrang. Die Komplikationsrate der Larynxmaske ist gering. Der exspiratorische CO2Nachweis ist ebenso möglich wie beim Tubus. Es gibt verschiedene Größen für die verschiedenen Lebensalter und Körpergrößen. Die Technik des Einlegens sehen Sie auf der übernächsten Folie, aber Lernen müssen Sie es unter Anleitung am Patienten. © Dr. T. Fleischmann Larynxmaske Vorteile Schwierigkeitsgrad einfach Zeitbedarf kurz Sicherheit hoch Komplikationsrate gering Nachteile Platzierung und Oxigenation gelingen nicht immer Kein Aspirationsschutz Leckage bei hohem Beatmungsdruck © Dr. T. Fleischmann Platzieren der Larynxmaske 1. 4. 2. 3. 5. © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Stufe 5: Koniotomie Für den wenig wahrscheinlichen Fall, dass der Patient weder intubiert noch mit der Larynxmaske beatmet werden kann, bleiben nur noch sehr wenige Optionen. Die wesentlichste ist die Koniotomie. Wir reden jetzt über nur vereinzelte Fälle, aber dann ist die Koniotomie lebensrettend. Fürchten Sie sich nicht vor dieser Maßnahme, sie dauert im Notfall nur etwa eine Minute und ist wesentlich einfacher als Sie denken. Wir können Ihnen die Koniotomie hier nicht beibringen, aber es gibt Kurse dafür. Wenn Sie Notärztin oder Notarzt sind, dann ist es besser, wenn Sie diese Technik beherrschen. Sehen wir uns unseren Algorithmus noch einmal an. © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Algorithmus Stufe 1: Stufe 2: Stufe 3: Stufe 4: Stufe 5: Endotracheale Intubation Optimierte Intubation BURP-Technik Larynxmaske Koniotomie © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Sie haben jetzt viel gelernt! Unseren Glückwunsch! Viel Erfolg! © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Weiterführende Literatur I Roberts J, J. Hedges (eds.): Clinical Procedures in Emergency Medicine. Philadelphia 2003, Saunders Marx J et al. (eds.): Rosen‘s Emergency Medicine. Philadelphia 2006, Mosby Elsevier Kuhnigk, H et al.: Narkose in der Notfallmedizin. Stuttgart 2007, Georg Thieme Verlag © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Weiterführende Literatur II European Resuscitation Council: Guidelines on Resuscitation 2005. http://www.erc.edu Mort TC: Complications of Emergency Tracheal Intubation. J Intensive Care Med 2007; 22:208-215 © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Benutzerkreis: Notärzte und Notfallmediziner aller Weiterbildungsstufen Evidenzgrad: IV © Dr. T. Fleischmann Notfall-Intubationen Der Autor Dr. Thomas Fleischmann, Chefarzt des Notfallzentrums der Klinik Hirslanden Zürich, hat keinerlei wirtschaftliche Verbindungen zu den im Text genannten pharmazeutischen oder medizintechnischen Produkten oder Konkurrenzprodukten. © Dr. T. Fleischmann