Kostenloser des Memorandums

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Kostenloser des Memorandums
ATOMKRAFT IST KEINE ALTERNATIVE: Urankreislauf zu Lasten indignener Völker
Urankreislauf zu Lasten indigener Völker
ATOMKRAFT IST KEINE ALTERNATIVE
Ein Memorandum
der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007
Gesellschaft für bedrohte Völker
Menschenrechtsorganisation mit beratendem Status beim Wirtschafts- und Sozialrat
der VEREINTEN NATIONEN und mitwirkendem Status beim EUROPARAT
---Arbil - Bern - Bozen - Göttingen/Berlin - Groningen - Luxemburg - New York Ein Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007
1
Pristina - Sarajevo/Srebrenica - Temuco - Wien
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Gesellschaft für bedrohte Völker
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Impressum:
Herausgeberin und Copyright: Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen
Text: Ulrich Delius, Markus Nitsch, Yvonne Bangert
Redaktion: Yvonne Bangert, Kerstin Veigt
Dezember 2007
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Ein Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007
ATOMKRAFT IST KEINE ALTERNATIVE: Urankreislauf zu Lasten indignener Völker
INHALT
Zusammenfassung: Urankreislauf und indigene Völker
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Australien: Uranbergbau macht Ureinwohnerland zur Stätte des Todes
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Niger: Uranbergbau schürt Tuareg-Aufstand
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Kanada: Landrechte der First Nations vs. einen der größten Uranproduzenten der Welt 13
Vom Uranabbau zum Endlager für Atommüll – Indianische Uranopfer in den USA
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„Strahlende Zukunft“ - Indiens Uranbergbau und seine Folgen für die Adivasi
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Fußnoten
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Ein Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007
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ATOMKRAFT IST KEINE ALTERNATIVE: Urankreislauf zu Lasten indignener Völker
Zusammenfassung: Urankreislauf und indigene Völker
Weltweit boomt die Uranindustrie. Es gibt ca. 50 aktive Minen in 16 Staaten. Der Markt wird beherrscht vom
kanadischen Unternehmen CAMECO, der britisch-australischen Rio Tinto-Gruppe und dem französischen Unternehmen Areva, die allein fast 50% des Weltmarkts unter sich aufteilen. CAMECO aus dem kanadischen Saskatoon,
Saskatechwan ist nach eigenen Angaben der größte Uranproduzent mit einem Anteil von 20% an der Welturanproduktion, der in den Uranminen in Kanada und den USA erwirtschaftet wird. Die Rio Tinto Gruppe mit Firmensitzen in London/Großbritannien und in Melbourne/Australien ist über ihre Anteile an der Energy Ressources of
Australia (ERA; 68%) - dem drittgrößten Uranproduzenten der Welt - und der Rössingmine in Namibia (69%) am
Urangeschäft beteiligt. ERA ist nach eigenen Angaben verantwortlich für 11% der Weltjahresproduktion an Uran.1
Rund 70 Prozent der weltweiten Uranvorkommen befinden sich auf dem Land indigener Völker. Die größten
Reserven liegen in Kanada und Australien. Weitere wichtige Uranproduzenten sind Kasachstan, Niger, Russland,
Namibia und Usbekistan. Seit jeher sind Wirtschaft, Kultur und Religion der Ureinwohner eng mit der Umwelt
verwoben, in der sie leben. In weit stärkerem Maße als in der industrialisierten Welt kommt die Zerstörung der
Landschaft durch den Abbau von Rohstoffen in Australien, den USA, Kanada, Niger oder Indien einer Vernichtung
der Lebensgrundlage von Indianern und Inuit, Aboriginal Australians und Tuareg, Adivasi in Indien und anderen
indigenen Völkern gleich.
Der Uranboom wird begründet mit der Suche nach alternativen Brennstoffen, die das Klima weniger belasten als
zum Beispiel Kohlekraftwerke. Aufgrund der außerordentlich umweltschädlichen Förderung und Aufbereitung des
Urans ist Atomkraft jedoch keine umweltverträgliche Alternative, von der ungelösten Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle ganz zu schweigen. Das Menetekel der beiden Gaus in den Aromkraftwerken Tschernobyl in der
heutigen Ukraine 1986 und Three Mile Island in den USA 1979 verblasst.
Ureinwohnerland wird in mehrfacher Hinsicht von der Uranindustrie berührt. Hier wird das Schwermetall nicht
nur gefördert, sondern es wurden zum Beispiel auf dem traditionellen Land der Western Shoshone in Nevada/USA,
auf dem Moruroa Atoll in französisch Polynesien oder in der Wüste der Aborigines in Australien auch Atomwaffen
getestet. Auf der Suche nach Endlagern für radioaktiven Müll ist indianisches Land in den USA und Aborigineland
in Australien erneut gefragt.
Der Widerstand zahlreicher indigener Völker gegen Uranförderung oder Endlagerung radioaktiven Mülls auf
ihrem Land reicht weit zurück. Bereits 1984/85 blockierten kanadische Cree und Dene zusammen mehrere Tage
lang die Zugangsstraßen zur Uranmine am Wollaston Lake. Auch in Australien formierte sich ein breites Bündnis
von Mirrar-Aborigines und Umweltschützern gegen die Eröffnung der Jabiluka Mine im Kakadu National Park,
einem Weltnaturerbegebiet der UNESCO. Am 23. März 1998 machten sich fast 3000 Menschen unter dem Motto
"Jabiluka will be stopped" (Jabiluka wird verhindert) auf den Weg zum geplanten Bauplatz und behinderten die
Arbeiten. Ihre Aktionen führten schließlich zu einem Moratorium für den Uranabbau in dieser Mine bis 2011.
In Süd Dakota/USA wehren sich die Lakota derzeit vehement gegen Uranförderung mit dem besonders umweltschädlichen In-situ-Verfahren. Dabei wird das Uranerz in der Erde chemisch gelöst und anschließend abgepumpt.
Dieses Verfahren birgt unkalkulierbare Risiken einer radioaktiven Verseuchung des Grundwassers. Einen Boom
erlebte der Uranbergbau bereits in den 1950er und 1960er Jahren im Gebiet der Navajo und Pueblo-Indianer im
Südwesten der USA. Gefördert wurde dort auf dem Land der Navajo- und der Pueblo-Indianer. Auf die in diesem
Halbwüstengebiet ohnehin empfindliche Umwelt wurde wenig Rücksicht genommen. Bei Unfällen wurden 1973
der Rio Paguate, der die Laguna-Indianer mit Wasser versorgt, und 1979 der Rio Puerco, wichtige Trinkwasserquelle
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für 1700 an seinen Ufern lebenden Navajos, verseucht. Die Navajo-Bergleute der Shiprock-Uranmine in New
Mexiko wurden schlechter bezahlt, als andere Uran-Bergarbeiter. Zudem waren die Schächte der Mine schlecht
belüftet und daher hochgradig strahlenbelastet. Der Kerr-McGee-Konzern, der hier von 1952 bis 1970 Uran förderte, ließ eine riesige ungesicherte Abraumhalde zurück. Doch weder die Bergleute, die an Atemwegserkrankungen
oder Lungenkrebs litten, noch die Familien mit missgebildeten Kindern erhielten Entschädigungsleistungen oder
Renten. Denn der Kausalzusammenhang zwischen Erkrankung und Radioaktivität wird bestritten.
Im Niger schürt der Uranbergbau den Konflikt zwischen Tuareg und der Zentralregierung. Seit Februar 2007
haben Tuareg erneut zu den Waffen gegriffen, mindestens 50 Armee-Soldaten des Niger starben seither bei Zusammenstößen und Überfällen der Rebellen. Die „Bewegung der Nigerier für Gerechtigkeit“ (MNJ) droht mit der gewaltsamen Schließung von Uranminen. Minenarbeiter wurden bereits entführt. Die MNJ wirft den Betreiberfirmen
vor, ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Minenarbeiter und der lokalen Bevölkerung systematisch Vorschriften
zum Schutz von Umwelt und Gesundheit zu ignorieren. Auch Umweltschutzorganisationen berichten über eine
erhöhte Zahl von Lungenkrebs und anderen Atemwegserkrankungen in der Umgebung der Minen und kritisieren,
dass die Bergbau-Unternehmen tatenlos bleiben. Die Tuareg wenden sich nicht grundsätzlich gegen den Uranbergbau, fordern aber eine stärkere Berücksichtigung der lokalen Bevölkerung bei der Planung und Durchführung
neuer Bergbauprojekte sowie einen größeren Anteil ihrer Region an den Erlösen aus der Uranförderung.
Im Juli 2007 einigten sich US-Präsident George W. Bush und der indische Ministerpräsident Manmohan Singh
über ihre Zusammenarbeit im Bereich der Atomwirtschaft. Für Indien bedeutete dies die de facto Anerkennung
seines Status als Atommacht und eine Erleichterung des geplanten massiven Ausbaus der Atomenergie. Doch nahezu
alle wirtschaftlich ausbeutbaren Uranvorkommen befinden sich auf dem Land der Adivasi, der Ureinwohner Indiens. Sie werden den Preis für den radikalen Fortschrittsglauben Indiens zahlen müssen, der keine Rücksicht auf die
Menschenrechte von Minderheiten nimmt. Die Adivasi in der Umgebung des Ortes Jadugoda im indischen Bundesstaat Jharkand, wo seit 40 Jahren Uran gefördert wird, haben bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Dort strömten
am 24. Dezember 2006 über neun Stunden lang tausende Liter radioaktiven Abfalls in einen kleinen Fluss und in
die Umgebung der Siedlung Dungridih. Dort leben überwiegend Adivasifamilien, die beim Bau der Anlage und der
dazugehörigen Absetzbecken dorthin umgesiedelt wurden. Erst als die Bewohner des Dorfes die Leitung des Werkes, das von der zu 100 % in Staatsbesitz befindliche Uranium Corporation of India Limited (UCIL) betrieben wird,
informierten, wurde das Leck geschlossen.
Betrachtet man den Urankreislauf in seiner Gesamtheit, so schädigen Förderung, Nutzung und Lagerung von
Uran und radioaktiven Abfällen die Umwelt, verletzen die Menschenrechte und übergehen die Landrechte zahlreicher indigener Völker. Traditionelle Siedlungsgebiete und rituelle Stätten werden zerstört und verseucht. Viele Ureinwohner leben als Viehzüchter, Kleinbauern oder Jäger und Sammler. Wenn ihre Böden und Gewässer durch
den Uranabbau unbrauchbar werden, verlieren sie ihre Existenzgrundlage. Ureinwohner werden oft als billige
Arbeitskräfte im Uranbergbau einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Nach Stilllegung der Bergwerke und
Aufbereitungsanlagen ziehen sich die Firmen oft ohne Sanierungsmaßnahmen zurück. Radioaktives Haldenerz
wurde sogar häufig als Baumaterial verwendet
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Deshalb fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV):
1. Von den Betreibern der Atomkraftwerke in der Bundesrepublik, kein Uran aus Minen zu verwenden, das auf
Ureinwohnerland abgebaut wurde.
2. Von den Betreibern der Uranminen, die sich auf Ureinwohnerland befinden, sich bei zur Einhaltung der
Mechanismen des internationalen Rechts gegenüber den indigenen Völkern zu verpflichten, wie sie in der
Konvention 169 zu den Rechten der indigenen Völker der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und in der
Allgemeinen Erklärung zu den Rechten der Indigenen Völker der UN festgeschrieben sind.
3. Von der EU, in ihren Umweltrichtlinien bezüglich der Projekte zum Abbau von Uran und der Endlagerung
nuklearer Abfälle gegenüber den Mitgliedsstaaten auf die Einhaltung der Menschenrechte der indigenen
Völker zu drängen.
4. Von der Bundesregierung, ihren im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Ausstieg aus der Atomenergie
konsequent umzusetzen.
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Australien: Uranbergbau macht Ureinwohnerland zur Stätte des
Todes (Yelirrie)
Etwa 40 Prozent der weltweiten Uranreserven befinden sich in Australien. Von der Förderung des Erzes sind vor
allem die Ureinwohner, die Aboriginal Australians, betroffen. Eine der Minen, die derzeit nicht ausgebeutet wird,
trägt den Aborigine-Namen Yelirrie: Stätte des Todes.
Die Aboriginal Australians kamen mit Uran erstmals durch die Atomwaffentests in Kontakt, die Großbritannien
von 1956 bis 1967 auf Aborigine-Land in Maralinga in Südaustralien durchführte. Die dort lebenden Aborigines
wurden in ein Reservat an der Küste umgesiedelt. Wer dabei übersehen wurde, diente als Versuchskaninchen für
die Tests. Das Uran für die Produktion dieser Atomwaffen wurde in australischen Minen gefördert, die ihre Arbeit
nach Abschluss der Waffentests wieder einstellten.
Als der Weltmarktpreis für Uran wieder anzog, begann die Suche nach Uranvorkommen erneut. 1969 wurde
auf dem Land der Mirrar Uran entdeckt. Hier, im Kakadu-Nationalpark, der zum UN-Weltnaturerbe gehört, liegen
zwei Uranminen, die Ranger Mine und die Jabiluka-Mine. Gegen den erbitterten Widerstand der Mirrar nahm die
Ranger Mine 1981 die Förderung auf. Die Inbetriebnahme der Jabiluka-Mine konnte bisher verhindert werden.
Nach jahrelangen Protesten verkündete der in London und Melbourne ansässige Betreiberkonzern Rio Tinto Zinc
im Jahre 2001 ein Moratorium für zehn Jahre. Die seit Monaten steigenden Weltmarktpreise für Uran machen
inzwischen aber auch solche Vorhaben im Uranbergbau wieder attraktiv, die noch vor kurzem als unrentabel
gegolten hatten. So beginnt die Debatte um Jabiluka erneut.
Das Gebiet, in dem die Ranger Mine liegt, ist den Mirrar heilig. Einst begruben sie dort ihre Toten. Das Land
wurde ihnen 1976 mit dem "Aborigines Land Rights Act" zugesprochen, allerdings ohne die Verfügungsrechte über
die Rohstoffe. Yvonne Margarula, Sprecherin der Mirrar im Widerstand gegen den Uranbergbau, klagt an: „Der
Uranbergbau hat unser Leben komplett umgekrempelt. Er hat uns unser Land genommen und hat es zerstört.
Billabongs2 und Bäche sind für immer verschwunden. Wo einst nur Busch war, gibt es jetzt Berge aus giftigen
Steinen und tiefe mit giftigem Schlamm gefüllte Löcher im Boden. Alle interessieren sich nur dafür, was heute
geschieht oder im nächsten Jahr, aber kein Wissenschaftler kann uns genau erklären, was in einem Jahrhundert auf
dem Minengelände geschehen wird, wenn sie alle fort sind. Versprechungen halten nicht lange an, aber die Probleme bleiben ewig.“ .3
1991 erwarb die Energy Ressources of Australia ERA, die zur Rio Tinto Zinc-Gruppe gehört, die Ranger Mine und
gab im Herbst 2006 eine Verlängerung der Betriebszeit bis 2020 bekannt. „Obwohl das Uran der Ranger Mine auf
dem Land der Mirrar abgebaut wird“, klagt Margarula, „haben wir in keiner Weise von der Mine profitiert. Weder der
Bergbau noch Millionen von Dollar an Gewinnen haben unsere Lebensqualität verbessert. Wir sind sehr besorgt
darüber, dass es noch mehr Uranabbau geben könnte, denn unsere Fürsorge als traditionelle Besitzer des Landes gilt
der Erde ebenso wie den Menschen. Wenn das Land vergiftet wird, kann dadurch das Leben von Menschen ruiniert
werden. Gerade die Langzeitfolgen der Ranger Mine machen uns große Sorgen. Der Uranbergbau kann auf Dauer
den Magela-Bach, die Billabongs und das Grundwasser verseuchen. Aber die Menschen, die flussabwärts von der
Mine leben, trinken dieses Wasser, fangen darin ihren Fisch und spielen darin.“
Seit Inbetriebnahme hat die Ranger Mine mehr als 30 Mio Tonnen radioaktiven Abraums produziert. 120 Leckagen
des Pipelinesystems und Verletzungen der Lizenzbestimmungen sind dokumentiert. 2005 wurde die ERA wegen einer
Reihe von schweren Sicherheitspannen angeklagt. Im selben Jahr gab das Unternehmen bekannt, den Betrieb an der
weitgehend ausgebeuteten Mine aufrecht zu erhalten und auch das geringerwertige Gestein abzubauen.
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Die Uranmine Oympic Dam/Roxby Down ist seit 1988 in Betrieb. 2005 verkaufte die Western Mining Corporation
die Mine an das australisch-britische Unternehmen BHP-Billiton, das sie durch entsprechende Investitionen zur
größten Uranmine der Welt ausbauen will. Seit ihrer Öffnung hat diese Mine mindestens 60 Millionen Tonnen
hochgradig verseuchten Abraum produziert. Mehrere Gesetze des Bundesstaates South Australia wurden für den
Betrieb der Mine außer Kraft gesetzt, darunter das Umweltschutzgesetz, das Wasserschutzgesetz, das Gesetz zum
Kulturerbe der Ureinwohner und das Gesetz zur Informationsfreiheit.
Die dritte zurzeit ausgebeutete Uranmine, die Beverly-Mine, ist im Besitz der US-amerikanischen General Atomics
und wird seit 2001 von deren Tochterunternehmen Heathgate in dem höchst umstrittenen In-situ-Verfahren betrieben. Dabei werden Säuren in eine Grundwasserschicht gepumpt, die Uran und andere Schwermetalle aus dem
Boden lösen. Diese Flüssigkeit wird an die Oberfläche gepumpt, anschließend der relativ geringe Gehalt an Uran
herausgelöst und das mit radioaktiven Partikeln, Schwermetallen und Säuren verschmutzte Wasser ins Grundwasser zurückgeleitet. Maßnahmen zur Gewässerreinigung gibt es nicht.
Eine ganze Reihe weiterer Uranbergbauprojekte befinden sich derzeit in unterschiedlichen Planungsphasen. Dazu
gehören die Vorkommen Honeymoon (des kanadischen Unternehmens SXR Uranium One) und Prominent Hill
(der Ixiana Ltd) in Südaustralien, Jabiluka (Energy Resoruces of Australia und Rio Tinto) und Koongarra (Cogema/
Frankreich), Rum Jungle (Compass resoruces) im Northern Territory, mehrere Vorkommen im Herzen Westaustraliens,
bei denen das Uran in Kalkstein eingelagert ist, Manyinge (Paladin Resources) und Kintyre (Rio Tinto) ebenfalls in
Westaustralien sowie Valhalla (Summit Resources) in Queensland.
Auch bei der Suche nach Stätten für die Endlagerung radioaktiver Abfälle wird das Land der Aboriginal Australians
herangezogen. 2004 konnten die Kupa Piti Kungka Tjuta, eine Gruppe älterer Aborigine-Frauen, Überlebende der
britischen Atombombentests der 1950er und 1960er Jahre, erfolgreich ein Endlager auf ihrem Land abwehren. „Die
Leute sagten, dass man gegen eine Regierung nicht gewinnen kann“, erinnert sich eine von ihnen. „Die Regierung
hat das große Geld, um sich frei zu kaufen, aber wir haben nie aufgegeben. Wir haben (Premierminister) Howard
gesagt, dass er sich um uns kümmern sollte, anstatt zu versuchen uns zu töten. Am Ende hatte nicht er die Macht,
sondern wir haben gesiegt. Er hatte nur das Geld, aber Geld kann nicht siegen. Wir haben gesiegt, mit der Kraft
unserer Herzen.“
Im Dezember 2005 verabschiedete das Parlament das Gesetz zur Verwaltung radioaktiver Abfälle, in dem sowohl der Regierung des Northern Territory als auch den dortigen Landcouncils der Ureinwohner, die ihre Interessen
vertreten, das Recht entzogen wird, gegen ein mögliches Endlager vorzugehen. Gesetze zum Kulturerbe der Aboriginal Australians sowie die Umwelt- und Artenschutzgesetze sollen bei der Eignungsprüfung nicht zur Anwendung kommen. Das Gesetz überträgt dem verantwortlichen Minister die alleinige Entscheidungsgewalt. Der Aborigine
Steven McCormack meint: „Das Land ist nicht leer. Menschen leben in unmittelbarer Nähe der Stätte. Wir jagen und
sammeln hier. Ich bin der Hüter eines heiligen Ortes, der innerhalb des vorgesehenen Gebietes liegt. Wir wollen
dieses Gift hier nicht.“
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Niger: Uranbergbau schürt Tuareg-Aufstand
Der Streit um die Fortführung des Uranbergbaus steht im Zentrum eines neuen Tuareg-Aufstandes, der im
Februar 2007 im Norden des Niger ausgebrochen ist. So griffen 25 bewaffnete Tuareg am 19. April 2007 ein Lager
von 250 Minen-Arbeitern südlich der Stadt Arlit an. Der Ort gilt als Zentrum des Uranbergbaus im Niger. Unter den
Angegriffenen befanden sich auch 40 Angestellte der französischen Bergbaufirma Areva, die bis zum Sommer 2007
weitestgehend den Uranbergbau im Niger kontrollierte.
Spätestens seit im Juli 2007 ein chinesischer Angestellter, der nach Uran schürfenden Firma China Nuclear Engineering and Construction Corporation von Tuareg entführt und eine Woche lang festgehalten wurde, wird dieser erneute
Konflikt im Sahelgebiet in vielen Hauptstädten mit Sorge verfolgt. Zwar nahm die Entführung ein glückliches Ende, doch
die „Bewegung der Nigerier für Gerechtigkeit“ (MNJ) machte damit deutlich, dass die Armee die Kontrolle über weite
Teile im Norden des Nigers verloren hat. Insbesondere ausländische Mitarbeiter von Bergbaugesellschaften leben dort
gefährlich. Die MNJ verlangte eine vorübergehende Einstellung des Bergbaus und forderte alle Unternehmen auf, ihr
Personal abzuziehen: Wenige Tage später drohte die MNJ auch der Firma Somina, einem im Jahr 2005 gegründeten
Joint Venture zwischen China und der Regierung des Niger. Das Unternehmen will ab dem Jahr 2009 in der neuen
Mine Azelik jährlich 700 Tonnen Uran fördern. Die chinesische Regierung zeigte sich sehr besorgt über die Drohungen.
Massive Kritik an Bergbau-Unternehmen
Die Schockwellen der Entführung des chinesischen Angestellten sind bis heute nicht nur in den Bergbauzentren,
sondern auch in der Hauptstadt Niamey und an den Uran-Märkten zu spüren. So stellten einige Firmen ihre Prospektion vorübergehend aus Sicherheitsgründen ein. Am 29. Oktober 2007 erneuerte die MNJ ihre Drohungen
gegenüber dem Areva-Konzern, dem wichtigsten Betreiber der Minen, weil das Unternehmen die indigene Bevölkerung der Region missachte und marginalisiere. Die Aktivitäten des Konzerns seien „illegal“, erklärten die Aufständischen. Massiv kritisiert die MNJ die Zustände in den Minen.
An den unzureichenden gesundheitlichen Schutzmaßnahmen in den Minen üben Tuareg schon lange Kritik. Die
angesehene französische Hilfsorganisation „Médecins du Monde,“ Unweltschutzverbände und Tuareg-Organisationen warfen der Areva in einem im April 2007 veröffentlichten detaillierten Report vor, bewusst Arbeitsschutzvorschriften zu missachten und Arbeiter ohne ausreichende Schutzkleidung einer Strahlung auszusetzen, die 40 mal über
dem erlaubten Werten liegt. Viele Minenarbeiter klagten über Krankheiten und eine erhöhte Zahl von Lungenkrebserkrankungen. Auch werde Wasser in der Umgebung der Mine verseucht, ohne dass das die Areva etwas dagegen
unternehme. Nach Einschätzung der französischen Umweltschutzorganisation CRIIRAD, die in Frankreich seit Jahrzehnten die Folgen ziviler und militärischer Nutzung der Atomkraft untersucht, sind sowohl die Erde, als auch das
Wasser sowie große Mengen Schrott in gefährlichem Ausmaß radioaktiv verseucht. Massiv kritisieren die Umweltschützer die Areva, weil sie umfassende und unabhängige Recherchen zum Grad der Verseuchung behindere.
Gesundheit der Bevölkerung wird vernachlässigt
Besonders katastrophal sei die Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht gegenüber den eigenen Mitarbeitern und
der lokalen Bevölkerung. Die Betriebsärzte der Minengesellschaft würden zwar regelmäßig die Arbeiter medizinisch
untersuchen. Doch diese Arztvisiten seien eine Farce, weil grundsätzlich jeder Zusammenhang zwischen Lungenerkrankungen, Krebs und der Arbeit in den Medien geleugnet werde. Einer der Betriebsärzte erklärte in einem
Interview gegenüber einem Filmteam, das größte medizinische Problem in den Uranminen sei der Umgang mit
Ölen, die in dem Bergwerk eingesetzt und bei einigen Arbeitern Hautallergien auslösen würden. 4
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Die Ignoranz der Bergwerksgesellschaft gegenüber den Gefahren des Uranbergbaus erinnert an die Leugnung
der Risiken der US-amerikanischen Atomversuche auf dem Bikini-Atoll im Pazifik in den 40er-Jahren des letzten
Jahrhunderts. Auch damals erklärte man den direkt Betroffenen, dass von der radioaktiven Strahlung, die durch
Atomtests verursacht wurde, keine Gefahren ausgingen. Wenn in Arlit auch heute noch Arbeiter radioaktiv verstrahlte Teile der Bohrinstrumente zur Auszeichnung für besondere Verdienste erhalten und diese dann mit dem
Wissen der Betreibergesellschaft der Minen im Haushalt zum Kochen und für andere Zwecke einsetzen, dann ist
dies mehr als ein grob fahrlässiger Umgang der Minengesellschaft mit der Gesundheit ihrer Mitarbeiter und der
umliegenden Bevölkerung.
Der Norden des Niger profitiert kaum vom Bergbau
Die Tuareg fordern von der Areva mehr Respekt gegenüber Natur und Umwelt, eine angemessene Gesundheitsversorgung, insbesondere für die Opfer erhöhter radioaktiver Strahlung, eine verstärkte Förderung von Aus- und
Fortbildung sowie mehr Arbeitsplätze für Tuareg-Personal. Auch die Regierung des Niger verfolgt die Aktivitäten
des Unternehmens mit Argwohn. Grund dafür ist vor allem die Preispolitik der Firma. Zu wenig profitiere der Niger
von den stark gestiegenen Rohstoffpreisen, kritisiert die Regierung. Während Areva 41 Euro pro Kilo Uran zahle,
liege der Weltmarktpreis inzwischen bei 186 Euro, warf Premierminister Seini Oumarou dem Unternehmen im
August vor. „Das Volk des Niger profitiert nicht von diesen Einkünften“, kritisiert auch Ali Idrissa, der Koordinator des
Netzwerkes „Publish What You Pay“ im Niger den Uranbergbau. Das Netzwerk setzt sich für mehr Transparenz bei
der Verwertung der Einkünfte aus der Bergbauindustrie ein. Obwohl rund 100.000 Tonnen Uran in den letzten vier
Jahrzehnten im Niger gefördert worden seien, zähle das Land bis heute zu den Ärmsten in der Welt. Die Lebenserwartung liege noch immer nur bei 45 Jahren, 71 Prozent der Erwachsenen könnten weder lesen noch schreiben
und 60 Prozent der Bevölkerung lebten von weniger als einem Euro pro Tag. Besonders in den Bergbaugebieten im
Norden des Landes sei die Unterentwicklung und Verarmung der Bevölkerung zu spüren.
Bis heute kommen gerade 5,5 Prozent der Einnahmen aus dem Bergbau dem Niger zugute. Ein Großteil dieser
Einnahmen wird in den Uranbergbau und den Ausbau der Infrastruktur für die Minenindustrie investiert. So wurde
zum Beispiel eine Straße in den Minenzentren gebaut, doch der allgemeine Lebensstandard und die Entwicklung
der Region wurden nicht verbessert. Nicht nur die MNJ fordert bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in den
Bergbaugebieten. Auch ein Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen appellierte im August 2007 an
die Areva, 647 Millionen US-Dollar Schadensersatz für die Jahrzehnte ungerechter Förderung von Uran zu leisten.
Französische Firma verliert Monopolstellung
Nigers Regierung verstärkte im Sommer 2007 ihren Druck auf das französische Unternehmen, indem es der
Firma vorwarf, die Tuareg-Revolte zu unterstützen, um französische Uran-Interessen zu sichern. Schließlich wurde
Ende Juli 2007 der Leiter der im Niger tätigen Areva-Niederlassung ausgewiesen. Am 1. August 2007 gab die Firma
dem Druck nach und erklärte sich bereit, die Aufkaufpreise für Uran zu erhöhen und dem Niger zu gestatten, einen
Teil des Urans zu höheren Weltmarktpreisen selbst zu verkaufen. Somit hat die Areva ihre Monopolstellung im
Niger verloren, 60 Uran-Schürflizenzen wurden inzwischen an 20 internationale Unternehmen aus China, Kanada,
Großbritannien und Indien vergeben.
Die französische Areva-Gruppe – bekannter unter ihrem früheren Namen Cogema – ist der drittgrößte Uranproduzent der Welt. Im Niger ist das Unternehmen seit 40 Jahren aktiv, zurzeit betreibt es dort zwei Bergwerke.
Nach dem Staat ist die Firma der zweitwichtigste Arbeitgeber des Landes.
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Regierung des Niger setzt auf militärische „Lösung“
Die Tuareg begründen ihre Revolte mit nicht eingehaltenen Versprechungen der Regierung für die Entwicklung
im Norden des Niger. Schon einmal hatten sie zu Beginn der 90er Jahre zu den Waffen gegriffen und sich aufgelehnt. Erst nach mehreren Jahren der Kämpfe und Menschenrechtsverletzungen, denen rund 2000 Menschen zum
Opfer fielen, war die Revolte 1995 mit einem Friedensabkommen beigelegt worden. Kritiker halten der MNJ entgegen,
dass seit der Unterzeichnung dieses Abkommens 1996 viel Geld in den Norden geflossen sei. Auch seien Tuareg
überdurchschnittlich stark in Verwaltung und Armee integriert worden und hätten auch Ministerposten erhalten.
Andere Bevölkerungsgruppen verfolgten diese Unterstützung sogar mit Argwohn.
Trotz dieser Hilfen ist auch in den Tuareg-Gebieten die Unzufriedenheit noch immer groß, so dass die MNJ
keine Rekrutierungsprobleme hat. Im Februar 2007 begann sie mit Überfällen auf Polizeistationen und Kasernen,
verminte Straßen und entführte Soldaten. Niemand hatte erwartet, dass sie so schnell und so massiv militärische
Gewinne verbuchen könnte. Inzwischen vergeht keine Woche, ohne dass neue Überfälle gemeldet werden. Die
Regierung reagierte in gewohnter Weise mit Arroganz und lehnte jedes Gespräch ab. Die Rebellen seien nichts
weiter als „Banditen“, erklärte sie. Solche Äußerungen schürten nur noch weiter die Gewalt, so dass schließlich am 5.
Juli alle politischen Parteien des Niger an die Regierung appellierten, den Dialog mit den Rebellen zu suchen, statt
nur auf eine militärische „Lösung“ zu setzen. Doch bislang gibt es keine Anzeichen für eine Verhandlungsbereitschaft.
Stattdessen lässt Niamey mit Söldnern aus Russland und russischen Hubschraubern Jagd auf die Tuareg-Rebellen
machen.
Pressefreiheit wird unterdrückt
Die Behörden gehen mit brutaler Härte auch gegen in- und ausländische Journalisten vor, die über die Hintergründe der Tuareg-Revolte objektiv informieren. So wurden Zeitungen und Radiosender geschlossen, Journalisten
der Deutschen Welle und von Radio France Internationale wurden verhaftet. Ein französischer Dokumentarfilmer
wurde festgenommen und ausgewiesen. Massiv wird die Pressefreiheit verletzt, um Berichte über die Revolte zu
unterdrücken. Ein untaugliches Mittel, um das Land zu befrieden, das tatsächlich die Gewalt nur weiter schürt: Seit
Februar 2007 sind rund 50 Soldaten Kämpfen und Überfällen zum Opfer gefallen, mehrere Dutzend Armeeangehörige wurden von Tuareg verschleppt.
Besonders besorgniserregend sind jüngste Berichte von Massakern, die Anfang Oktober 2007 nahe der algerischen
Grenze von Soldaten begangen worden sein sollen. Nach Augenzeugenberichten seien dabei rund 30 Zivilisten
allein aufgrund ihrer ethnischen Abstammung als Tuareg getötet worden.
So schürt der Uranbergbau im Niger die Marginalisierung der Tuareg-Bevölkerung und den Konflikt zwischen
aufständischen Tuareg-Bewegungen und der Regierung des Niger. Die Tuareg, die rund ein Zehntel der Bevölkerung der 13 Millionen Einwohner des Landes stellen, lehnen den Uranbergbau nicht grundsätzlich ab, fordern aber
mehr Mitbestimmung, eine stärkere Einbeziehung der Tuareg und anderer lokaler Arbeitskräfte, eine bessere gesundheitliche und soziale Betreuung der lokalen Einwohner, größere Rücksicht auf die Umwelt und mehr Hilfen für
die Entwicklung des nördlichen Niger.
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Kanada: Landrechte der First Nations vs. einen der größten
Uranproduzenten der Welt
Kanada hat eine lange Geschichte im Uranbergbau auf indianischem Land. Beim Großen Bären See im Land der
Dene First Nation von Sahtu in den Nordwest Territorien wurde das Uran für die Atombomben abgebaut, die 1945
Nagasaki und Hiroschima zerstörten. Die Dene, die im Bergbau arbeiteten, wurden über die Gesundheitsrisiken
nicht aufgeklärt. In den 1960er Jahren starben viele von ihnen, nachdem sie an Lungen-, Darm- oder Nierenkrebs
erkrankt waren. Untersuchungen aus dem Jahre 1974 über den Uranbergbau im Gebiet um den Elliot Lake in
Nordontario wiesen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen dem Umgang mit Uranerz und Krebserkrankungen
nach.5
Kanada birgt zusammen mit Australien die größten Uranreserven weltweit. Ein Drittel der Welturanproduktion
wird allein in der kanadischen Provinz Saskatchewan gefördert. Oft sind von den Vorhaben auch die Landrechte
der First Nations berührt, wie die Ureinwohner Kanadas genannt werden. Sie setzen sich zur Wehr, wenn sie bei der
Planung von Abbauvorhaben übergangen werden, denn sie wollen ihr Land und ihre Gewässer vor den Risiken
einer nuklearen Verseuchung schützen. So ist der Versuch des Unternehmens Ur-Energy (TSX:URE), das in den USA
und in Kanada Uranvorkommen ausbeutet, bis zu 20 Probebohrungen in der Nähe des Thelon-River im Mackenzie
Valley im Südosten der Nordwest-Territorien (NWT) niederzubringen, im Mai 2007 vorerst gescheitert. Die Umweltbehörde Mackenzie Valley Environmental Review Board hatte dem Minister für indianische Angelegenheiten
Jim Prentice dringend empfohlen, Bohrungen in diesem für die Dene Nation der NWT aus spirituellen Gründen
wichtigen Gebiet grundsätzlich zu unterlassen. Damit ist das Vorhaben zunächst einmal blockiert.6
Der Thelon fließt durch eines der letzten nahezu unberührten Naturgebiete der Erde aus den Nordwestterritorien
östlich des Großen Sklaven Sees durch Nunavut, das Autonomiegebiet der Inuit, nach Osten bis zum Baker Lake.
Hier leben Grissly-Bären, Elche, Wölfe, Moschusochsen und Karibus. Als Herz und Seele der Dene bezeichnen es
die indianische Flussanrainer aus der Gemeinde Lutsel K’e.
Entlang des Thelon durchwühlen mindestens 40 Unternehmen die Tundra auf der Suche nach Uran, seit der
Preis für ein Pfund Uran von sieben Dollar vor einigen Jahren auf über 100 Dollar empor geschnellt ist. Mehr als
1000 Genehmigungen, nach Uran zu suchen, Förderanträge und Abbaulizenzen gibt es inzwischen auf dem Gebiet
der NWT und in Nunavut. Diese Genehmigungen stehen zum Teil im Widerspruch zu Umweltauflagen, einige
überschneiden sich auch mit geplanten Schutzgebieten und Parks. Zudem ist das Gebiet Gegenstand eines Abkommens zwischen den Dene und der Bundesregierung, alle das Land betreffenden Maßnahmen zu unterlassen, bis ein
anhängiges Landrechtsverfahren abgeschlossen ist.
Die Dene von Lutsel K’e sind gegen jeglichen Uranabbau entlang des Thelon. Adeline Jonasson, Häuptling der
Lutsel K’e Dene, gab Anfang Mai in einem offenen Brief an alle Rohstoffe fördernden Unternehmen bekannt, dass
diese sich gar nicht erst um Projekte zur Entwicklung des Thelon-Gebietes bemühen sollten, da die Dene nicht an
solchen Projekten interessiert seien. „Wir sind absolut gegen eine Uranmine im Gebiet des Thelon“, schreibt sie
darin, „und deshalb werden wir auch die Voruntersuchungen nicht unterstützen.
Auch die Algonkin in der kanadischen Provinz Ontario setzen sich gegen den geplanten Uranabbau in der Nähe
des Shabot Lake im Osten der Provinz zur Wehr. Das Unternehmen Frontenac Ventures sucht dort nach Uran,
dessen Förderung die Ardoch Algonkin First Nation verhindern will. Sie erhebt Anspruch auf das Land auf der
Grundlage eines Claims, den ihre Vorfahren bereits 1772 angemeldet hatten.7 Demnach hätte die Regierung der
Provinz Ontario das für den Uranbergbau vorgesehene Land nicht an das Unternehmen verkaufen dürfen, ohne
Ein Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007
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zuvor eine Einigung mit der Ardoch Algonkin First Nation zu erzielen. Die First Nation bestätigt, sie habe niemals die
Hoheitsrechte über dieses Land an den kanadischen Staat abgetreten. "Dieses Land ist unsere Heimat", sagt Doreen
Davis, Häuptling der Shabot Obaadjian Algokin, Nachbarn der Ardoch-Algonkin. "Unsere Vorfahren haben hier
gejagt, gefischt und Pelztiere erlegt. Wir haben weiter Ansprüche auf dieses Land". Tatsächlich haben die Algonquin
vor 15 Jahren mit Landrechtsverhandlungen mit den Regierungen des Bundes und der Provinz begonnen.8 Somit
sind die Eigentumsverhältnisse an dem von Frontenac Ventures erworbenen Land noch gar nicht geklärt.9
In der Provinz Saskatchewan liegen die größten Uranvorkommen Kanadas. Im Athabasca-Becken in dieser Provinz befinden sich Vorkommen mit besonders hochgradigem Uranerz mit einem Urananteil von 19 bis 25 Prozent.
Ein Drittel des weltweit geförderten Urans stammt aus diesem Gebiet. An manchen Orten, z.B. den Minen McArthur
River und Cigar Lake im Osten des Athabasca-Beckens, gibt es Stellen, die 20.000 US-Dollar pro Tonne Erzgestein
wert sind.10 Die Uranförderung der Mine Cigar Lake durch das Unternehmen Cameco liegt derzeit auf Eis. Hier
wollte die französische Areva-Gruppe ab 2007 für mindestens 30 Jahre geschätzte 7000 Tonne Uran pro Jahr
fördern. Doch im Oktober 2006 wurde bekannt, dass die bereits seit 2004 im Probebetrieb laufende Mine zum
zweiten Mal unter Wasser stand. Schon am 6. April 2006 hatte es in 329 Metern Tiefe einen beträchtlichen Wassereinbruch gegeben. Bevor der Normalbetrieb aufgenommen werden kann, muss das verseuchte Wasser zunächst
abgepumpt und gereinigt werden. Die Genehmigung der kanadischen Atomaufsichtsbehörde läuft am 31. Dezember 2007 aus. Wie es danach weitergeht, weiß niemand.11 Das Unternehmen Cameco bezeichnet dieses Vorkommen als das größte noch nicht ausgebeutete Vorkommen an besonders hochgradigem Uran und rechnet trotz aller
Widrigkeiten damit, ab 2010 mit der Förderung zu beginnen.12
14
Ein Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007
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Vom Uranabbau zum Endlager für Atommüll – Indianische
Uranofper in den USA
In den USA wird auf Indianerland Uran nicht nur abgebaut, es wurden auch Waffentests durchgeführt, zum
Beispiel in der Nevada Test Site, dem traditionellen Land der Western Shoshone Nation. Je nach der Windrichtung
nach den Tests mit Atomraketen schlug sich der deren Fall Out auch auf den Farmen, dem Vieh und dem Land der
Western Shoshone nieder. Auch der Yucca Mountain, der noch immer als Endlager für radioaktive Abfälle und
Brennelemente der USA im Gespräch ist, liegt auf traditionellem Shoshone-Land. Er ist der heilige Berg der Western
Shoshone und hat für sie die gleiche Bedeutung, wie der Petersdom in Rom für gläubige Katholiken. Der Berg soll
für das nukleare Endlager mit Höhlen und Stollen durchzogen werden.
Doch der Urankreislauf, der die Indianer in den USA zu Uranopfern macht, beginnt bereits mit dem Abbau des
Erzes. In den 1950er und 1960er Jahren arbeiteten im Südwesten der USA zahlreiche Navajo im Uranbergbau ohne jede Sicherheitsmaßnahmen und in schlecht belüfteten Schachtanlagen. Die Strahlenwerte lagen 1959 in der
Shiprock-Mine in New Mexiko, die vom Kerr-McGee-Konzern ausgebeutet wurde, um das 90fache über dem
damals zulässigen Grenzwert. Gleichzeitig verdienten die Navajo-Bergleute aber nur zwei Drittel des außerhalb des
Reservats für diese Arbeit üblichen Lohnes.
Als die Mine 1970 erschöpft war und still gelegt wurde, ließ Kerr-McGee riesige ungesicherte Abraumhalden
zurück, in denen noch immer der größte Teil der im Uranerz ursprünglich vorhandenen Strahlung eingelagert war.
Teile des Abraums wurden im Haus- und Straßenbau verwendet. Viele Navajo-Minenarbeiter starben in den Jahren nach der Schließung der Mine an Atemwegserkrankungen, Lungenkrebs und anderen Krebsarten. Auch viele
Menschen, in deren Häusern Minenabraum verbaut worden war, erkrankten. Ihre Familien erhielten jedoch weder
Renten noch Entschädigungen, denn der Kausalzusammenhang zwischen Uranbergbau und Erkrankung wird bestritten. Dabei hatte der Uranabbau die indianischen Anwohner der Mine und auch die Bergarbeiter radioaktiver
Strahlung und giftigen Schwermetallen in der Luft, im Boden und im Wasser ausgesetzt.13 Der Stammesrat hat
inzwischen den Staranwalt John C. Hueston, der als Anklagevertreter gegen den wegen Korruption angeklagten
Gründer des Enron-Konzerns Kenneth L. Lay bekannt geworden ist, angeheuert. Hueston ist mit einer Navajo-Frau
verheiratet. Er soll die US-Umweltbehörde davon überzeugen, dass sie die noch nachweisbaren Schäden dokumentiert und die Uranindustrie dazu bewegen, die Beseitigung dieser Schäden zu finanzieren.14
Bevor Ende der 1970er Jahre die Uranförderung zunächst eingestellt wurde, kam es noch zu weiteren schweren
Zwischenfällen. 1973 erfuhren die Bewohner des Laguna Pueblo in New Mexiko von der US-Umweltbehörde EPA,
dass die Jackpile-Uranmine des Anaconda-Konzerns den Rio Paguate, das einzige Oberflächengewässer des Pueblo,
dauerhaft verseucht hatte. Die Mine war zwischen 1952 und 1981 in Betrieb. 1979 brach bei Churchrock in New
Mexiko der Damm, der unter Wasser gesetzten Abraum einer Uranmühle der United Nuclear Corporation zurückhielt und ergoss fast 400 Millionen Liter hochradioaktiven Wassers in den Rio Puerco. Der Fluss war die einzige
Wasserquelle für 1700 Navajo-Indianer.
Auch die Black Hills in Süd Dakota wurden seit den 1970er Jahren von Uranminen durchlöchert. „Der radioaktive Staub aus mehr als 87 Minen, die es in diesem den Lakota heiligen Bergmassiv gibt, wird seit nun mehr als 40
Jahren durch ganz Süd Dakota geweht, ganz zu schweigen davon, was noch heute an Radioaktivität auf dem
Wasserwege transportiert wird”, so die 58jährige Oglala Sioux Indianerin Charmaine White Face, die 2007 mit dem
Nuclear-Free Future Award für Widerstand ausgezeichnet wurde.15 Die Biologin ist Koordinatorin der NGO Defenders
of the Black Hills. Die Defenders kämpfen gegen Uranabbau mit dem In-situ-Verfahren im Süden der Black Hills.
Dabei wird das Uran unterirdisch im Gestein gelöst und anschließend an die Oberfläche gepumpt. Wenn die geoEin Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007
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logischen Gegebenheiten des Untergrundes nicht stabil genug sind, kann diese Mischung sich aber auch im Grundwasser verteilen und zum Beispiel in Quellen wieder an die Oberfläche treten. Langfristig besteht überdies die
Gefahr, dass nach dem Ende der Förderarbeiten die Mine und der Abraum sich selbst überlassen werden, mit
unkalkulierbaren Risiken für das gesamte umgebende Grundwassersystem.
„Die Lakota Formation beispielsweise, die im Bereich der Inyan Kara-Grundwasserader liegt und für den Uranabbau im In-situ-Verfahren vorgesehen ist“, so White Face, „tritt in mehreren artesischen Quellen zutage, die den
Cheyenne River speisen. Wie viel Vieh, wie viele Pferde, wie viel Wild, Fische, Schildkröten, Frösche trinken dieses
Wasser oder leben darin. Der Cheyenne River ist bereits durch Uran aus Wyoming verseucht. Man sollte ihn nicht
zusätzlich durch verseuchte Grundwasserflüsse belasten, die ebenfalls in ihn münden.“16
Die US-Umweltschutzorganisation Environmental Working Group hat auf Basis von Untersuchungen des Bureau of Land Management, der US-Verwaltungsbehörde für öffentliches Land, darauf hingewiesen, dass ein regelrechter Run auf Bergbaulizenzen für die Suche nach neuen Uranvorkommen eingesetzt hat. In den ersten neun
Monaten des Jahres 2006 wurden allein in Wyoming 20.000 neue Lizenzen für Uranexploration beantragt, in
Nevada waren es sogar 90.000. Sehr groß ist das Interesse der Uranunternehmen auch in Arizona, Colorado, New
Mexico, Oregon, South Dakota, und Utah.17 2007 setzte sich dieser Trend fort. Bis Ende März dieses Jahres wurden
allein in Colorado 2.700 neue Uranabbaulizenzen beantragt, 2004 waren es gerade 104 im gesamten Jahr.18 Alle
diese Staaten im Westen und Südwesten der USA sind traditionelles Indianerland.
Fast 40 Jahre lang war der Bau neuer Atomkraftwerke in den USA kein ernsthaft diskutiertes Thema. Aber
inzwischen kursieren Zahlen von bis zu 29 neuen Reaktoren, die in den kommenden Jahren errichtet werden
sollen. Doch für Edward McGaffigan, ehemals Mitglied in der Nuclear Regulatory Commission (Kernaufsichtsbehörde),
ist das größere Problem, dem sich die Nation endlich stellen müsse, das der ungelösten Endlagerung von hochgradig
verseuchtem Abraum und verbrauchten Brennstäben, die sich in dutzenden kommerziellen Zwischenlagern im
ganzen Land stapeln. McGaffigan riet dazu, den lange favorisierten Standort im Yucca Mountain aufzugeben und
mit der Suche nach einem Endlager von vorn zu beginnen. „Meiner Meinung nach war der gesamte Yucca Mountain
Prozess von Anfang an gekennzeichnet von schlechter Gesetzgebung, schlechter Aufsichtspolitik, schlechter
Wissenschaftspolitik, schlechter Personalpolitik und schlechter Finanzpolitik“, meint McGaffigan.19
Doch das US-Energieministerium sieht dies offenbar anders. Am 4. Oktober 2007 stellte es zwei auf das Projekt
Yucca Mountain bezogene Gesetzesentwürfe vor, zu denen die Öffentlichkeit innerhalb von 90 Tagen, d.h. bis zum
10. Januar 2008, Stellung nehmen kann. Die Western Shoshone Nation, vertreten durch das Western Shoshone
Defense Project (WSDP), sind ein wichtiger Teil dieser kritischen Öffentlichkeit. Sie befürchten große Gesundheitsrisiken für die Bewohner der Regionen, durch die gegebenenfalls die Atommülltransporte über riesige Entfernungen
aus dem ganzen Land zu dem Depot im Yucca Mountain geführt werden müssten. Außerdem berufen sie sich auf
den Vertrag von Ruby Valley (1863), der ihre Rechte an dem für Projekt und Transportwege benötigten Land
festschreibt. Das UN-Komitee zur Beseitigung von Rassendiskriminierung (CERD) hatte kürzlich die US-Regierung
aufgefordert, jegliche das umstrittene Shoshone-Land betreffenden Maßnahmen zu unterlassen, also auch keinerlei
Nutzungsgenehmigungen zu erteilen, bis der Landrechtsstreit zwischen den Western Shoshone und den USA beigelegt ist. Zudem ist die Sicherheit dieses Endlagers keineswegs unumstritten. Zukünftige Klimaänderungen (feuchtes
Klima anstatt Wüstenklima), Erdbeben und Vulkanausbrüche werden als mögliche Gefahren genannt.20
Blockiert bleibt bis auf weiteres die Alternative eines Zwischenlagers auf dem Land der Skull Valley Goshute in
Utah. Auf ihrem Reservat sollen 44.000 Tonnen Atommüll aus Reaktoren auf einer Fläche in unmittelbarer Nachbarschaft eines Dorfes der Goshute und nur ca. 60 km von Utahs Hauptstadt Salt Lake City entfernt zwischengelagert werden. 40 Jahre lang soll der hochradioaktive Müll in Containern aus Stahl und Beton oberirdisch gelagert
16
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werden. Das Projekt hat das kleine Volk der Skull Valley Goshute gespalten. Gerade 125 Menschen zählen sie noch.
Ein Teil will gemeinsam mit dem Firmenkonsortium, das den Lagerplatz betreiben will, das Projekt verwirklichen
und von den satten Gebühren profitieren, die Übrigen wollen gemeinsam mit dem Staat Utah die Atommülldeponie verhindern, solange nicht garantiert ist, dass es sichere Transportwege gibt und die Betreiber über eine
gültige Lizenz verfügen. Beides ist derzeit nicht erfüllt, denn das Bureau of Land Management, legte im September
2006 den Plan für die Transportwege auf Eis, das Büro für indianische Angelegenheiten (BIA) lehnte gleichzeitig den
Pachtvertrag zwischen den privaten Deponiebetreibern und den Befürwortern unter den Goshute ab. Wie lange es
dauern wird, bis das formale Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist, steht in den Sternen.21
Corbin Harney, der "große alte Mann des anti-nuklearen Widerstands" der Western Shoshone (1920 - 2007);
Foto: eMöller
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„Strahlende Zukunft“ - Indiens Uranbergbau und seine Folgen für die
Adivasi
Im Bestreben, Indien als machtpolitisches Gegengewicht zu China zu stärken, verabschiedete der US-Kongress im
Dezember 2006 mit großer Mehrheit den Hyde-Act und erkannte Indien dadurch als militärische Atommacht an,
obwohl Indien den Atomsperrvertrag nicht unterzeichnet hat. Auch der geplante massive Ausbau der zivilen Kernenergie des Landes wird so erheblich erleichtert. Im Juli 2007 einigten sich Indien und die USA dann auf die Inhalte
ihrer zukünftigen Kooperation. Damit wird auch der Import von Uran möglich. Trotzdem hat Indien bereits angekündigt, weiter den eigenen Uranabbau zu fördern, um unabhängig zu bleiben. Den Preis für diese Politik werden
vor allem die indigenen Adivasi zu zahlen haben. Denn die Uranvorkommen des Subkontinents liegen fast ausschließlich auf ihrem Land.
Das zurzeit einzige Uranabbaugebiet Indiens liegt in der Gegend von Jadugoda im indischen Bundesstaat Jharkand.
Dort leben vor allem Angehörige der Adivasivölker Ho und Santhal. Im Dorf Dungridih nahe Jadugoda strömten
am 24. Dezember 2006 neun Stunden lang tausende Liter radioaktiven Abfalls in einen kleinen Fluss und in die
Umgebung der Siedlung. Sie wird überwiegend von Adivasifamilien bewohnt, die beim Bau der Anlage und der
dazugehörigen Absetzbecken dorthin umgesiedelt wurden. Die Mine wird von der zu 100 Prozent in Staatsbesitz
befindlichen Uranium Corporation of India Limited (UCIL) betrieben. Erst als die Bewohner des Dorfes die Leitung
des Werkes informierten, wurde das Leck geschlossen. 1986 war schon einmal der Damm eines der mit radioaktivem Abraum gefüllten Absetzbecken gebrochen. Trotzdem existierten offensichtlich keine Warnvorrichtungen. Der
ausgetretene Abfall bildete auf dem Fluss einen Giftteppich, der die Wasservorräte zahlreicher flussabwärts gelegener Gemeinden verseuchte und einen Großteil der im Fluss und in der Uferregion lebenden Tierwelt vernichtete.
Das genaue Ausmaß des Schadens ist schwer abzuschätzen und es kann nur spekuliert werden, welche gesundheitlichen Folgen der Unfall für die Adivasi haben wird.
Uranbergbau in Jadugoda
Uranerz wird von der UCIL im Gebiet von Jadugoda seit 1967 im Untertagebau gefördert. Gegenwärtig gibt es
dort drei Minen, Bhatin, Narwapahar und Jadugoda, welche die in Jadugoda selbst befindliche Uranmühle mit Erz
versorgen. Dieses wird dort zu einem feinen Pulver zermahlen, aus dem dann mit Hilfe von Säuren das Uran herausgelöst wird. Das so gewonnene und nach seiner auffälligen Färbung „Yellowcake“ genannte Uranpulver besteht zu 7080 Prozent aus Uranverbindungen und ist eine wichtige Zwischenstufe bei der Produktion von Kernbrennstoffen.
Die Uranmühle in Jadugoda stellt aus täglich etwa 1.000 Tonnen Uranerz pro Jahr etwa 200 Tonnen Yellowcake
her. Die nicht genutzten 99,94 Prozent des Erzes ergeben im gleichen Zeitraum eine Abraummenge von geschätzten 330.000 – 360.000 Tonnen. Diese ist noch stark säurehaltig und wird daher zunächst mit Kalk neutralisiert.
Anschließend werden die groben Bestandteile – etwa 50 Prozent des Abraums – von den feinen Bestandteilen
getrennt. Erstere werden zum Auffüllen der Förderstollen verwendet. Die feineren Bestandteile des Abraums werden mit Wasser vermischt und durch eine – teilweise über die Dächer eines Dorfes verlaufende – Rohrleitung in
Absetzbecken gepumpt. In Jadugoda existieren bislang drei Absetzbecken, die insgesamt eine Fläche von mehr als
78 ha einnehmen22 und mehrere zehntausend Tonnen radioaktiven Abraums enthalten. Der Bau eines vierten
Beckens wird in absehbarer Zeit erforderlich sein23.
Der Abraum in den Absetzbecken enthält immer ca. 80 Prozent der ursprünglichen Radioaktivität des Erzes.
Dazu kommen noch die Rückstände der Säuren, mit denen das Uran ausgewaschen wurde sowie die im Uranerz
18
Ein Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007
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enthaltenen Schwermetalle Zink, Blei, Mangan, Cadmium und das hochgiftige Halbmetall Arsen. Die Absetzbecken
sind weder eingezäunt noch abgedeckt. So verdunstet im Verlauf der Trockenzeit das Wasser aus den Becken und
der Wind kann den giftigen Staub in die Umgebung verteilen. Während der Monsunzeit laufen die Becken dagegen
häufig über, so dass sich ihr Inhalt in den nächstliegenden Fluss ergießt.24 Da der Boden der Absetzbecken nicht
abgedichtet ist, können die Giftstoffe ständig ins Erdreich versickern. Außerdem wurden die Absetzbecken von
Jadugoda für geraume Zeit illegal als Endlager für radioaktive Abfälle anderer Produktionsanlagen, Forschungseinrichtungen und Krankenhäusern aus dem ganzen Land genutzt.25
Fehlende Sicherheitsvorkehrungen
Bemühungen, um die vor allem aus Adivasi der Ho und Santhal bestehende Bevölkerung in den angrenzenden
Dörfern oder die Arbeitskräfte in Uranmine und –mühle vor der Radioaktivität zu schützen, gibt es kaum.26 Nach
dem indischen Atomgesetz sind Siedlungen innerhalb eines Radius von 5 km um Atommülldeponien und Absetzbecken nuklearer Abfälle nicht erlaubt. Dessen ungeachtet leben in diesem Bereich 30.000 Menschen. Sieben Dörfer befinden sich innerhalb eines Umkreises von 1,5 km. Das eingangs erwähnte Dorf Dungridih liegt sogar in nur 40
m Entfernung von einem Absetzbecken.27 Die Dämme der Absetzbecken dienten lange als Viehweiden und Spielplatz. Oft werden sie von den Adivasi auch als Wege genutzt. In den Überlaufzonen der Becken wird Getreide
angebaut. LKWs transportieren das Uranerz auf offenen Ladeflächen durch die Dörfer zur Mühle und verlieren
Teile ihrer Ladung auf den Straßen. Fässer mit radioaktivem Inhalt werden an öffentlich zugänglichen Orten gelagert.28 Zudem finden Teile des radioaktiven Abraums Verwendung für Geländeaufschüttungen oder werden als
Baumaterial verwendet.29
Es kann kaum verwundern, dass dieser extrem sorglose Umgang mit dem Uran Auswirkungen auf die Gesundheit der Anwohner hat. Besonders schlecht bestellt ist es um die Gesundheit der 7.000 Arbeiter in Mine und Mühle
– die überwiegende Mehrzahl von ihnen Adivasi.30 Als einzige Schutzmaßnahme erhalten sie Handschuhe. Berichten der indischen Presse zufolge gab es zahlreiche Todesfälle. Bekannt sind die Zahlen für den Zeitraum 1994-1997.
Ihnen zufolge starben im Jahr 1994 dort 17 und in den Folgejahren 14, 19 und 21 Arbeiter.31 Kranke Arbeiter
werden in einem werkseigenen Krankenhaus behandelt. Ihre Krankenakten sind ein ebenso gut gehütetes Geheimnis wie die von ihren Dosimetern gemessene Strahlenbelastung.32 Angesichts dieser Missstände verbreiteten sich
unter der Belegschaft mit der Zeit Angst und Unzufriedenheit. Die UCIL begegnete dem durch den Einsatz von
Leiharbeitern, die problemlos ausgetauscht werden konnten, sobald sie erste Anzeichen von Krankheit zeigten.33
Gesundheitsschäden
Zu den im Gebiet von Jadugoda auffälligen Gesundheitsschäden gehören zahlreiche Krebserkrankungen und
erblich bedingte Missbildungen bei Neugeborenen wie z.B. Down-Syndrom und zusammengewachsene Finger
oder Zehen. Vor allem Minenarbeiter leiden häufig an Tuberkulose und Lungenkrebs. Vielfach beklagt werden
allgemeine Erschöpfungszustände, Appetitlosigkeit und Erkrankungen der Atemwege. Deutliche Zunahmen gibt es
auch bei der Zahl der Fehl- und Totgeburten, bei Impotenz und Kindersterblichkeit sowie bei Blutarmut, Erkrankungen des Nervensystems wie Parkinson und bei Hautkrankheiten wie z.B. Krötenhaut. Beobachtungen von Dorfkrankenschwestern bestätigen übereinstimmend zahlreiche Fehl- und Totgeburten34 sowie Fälle von Unfruchtbarkeit und Menstruationsproblemen.35 Eine Delegation der National Commission for Women, die kürzlich eines der
betroffenen Dörfer, Telaitannd, besuchte, sah sich diesbezüglich mit einer Flut von Klagen der Dorfbewohnerinnen
konfrontiert.36 Auch in der Tier- und Pflanzenwelt finden sich zunehmend Anzeichen für Strahlenschäden. Kälber
werden ohne Schwänze geboren, Fische entwickeln bislang unbekannte Geschwüre und die Mutation von Früchten führt zu samenlosen Varianten.37
Ein Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007
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Staatliche Verschleierungstaktik
Offizielle Stellen und der Staatsbetrieb UCIL bezeichnen dessen ungeachtet Kernenergie als sichere und zukunftsträchtige Form der Energiegewinnung. Die für die friedliche und militärische Nutzung notwendige Förderung
und Aufbereitung des Urans stellt ihnen zufolge keinerlei Gesundheitsrisiko dar. Wenn die seltenen eigenen Untersuchungen doch Auffälligkeiten ergeben, dann wird einfach jeglicher ursächliche Zusammenhang mit dem Uranbergbau bestritten. Stattdessen werden alle möglichen anderen Ursachen wie schlechte Ernährung, Alkoholismus,
mangelnde Hygiene und genetische Veranlagung der Adivasi ins Feld geführt. Zusätzlich abgesichert wird diese
Verschleierungstaktik durch das indische Atomgesetz, das alle Daten, die in Zusammenhang mit dem indischen
Atomprogramm stehen, unter strenge Geheimhaltung stellt.38 Selbst der unbefugte Besitz eines Geigerzählers ist
unter Strafe gestellt.39
Jadugoda als einziges Uranabbaugebiet Indiens ist von zentraler Bedeutung für die Autonomie des indischen
Atomprogramms. Selbst einfachste Sicherheitsmaßnahmen und eine Aufklärung der Bevölkerung über die gesundheitlichen Gefahren lassen sich mit dessen möglichst reibungslosen Voranschreiten offensichtlich nicht vereinbaren.
Erst mit den Aufklärungskampagnen der 1991 gegründeten Jharkandi´s Organisation against Radiation (JOAR)
erfuhr die Mehrheit der Adivasi, dass ihre Krankheiten nicht von den Göttern gewollt, sondern von Menschen
gemacht sind. Im Jahr 2004 wurde JOAR für seine Arbeit mit dem Nuclear-free Future Award ausgezeichnet. Die
Organisation setzt sich für eine Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen und der medizinischen Versorgung, vor
allem aber für eine angemessene Entschädigung der beim Ausbau des Urankomplexes von ihrem Land Vertriebenen ein. Jadugoda ähnelt in dieser Hinsicht vielen anderen Umsiedlungsfällen: Es wurde zunächst viel versprochen
und hinterher gleichgültig, ob es sich um Entschädigung in Geld und Land oder um zugesagte Arbeitsplätze handelte – sehr wenig gehalten. Allzu oft haben die Adivasi selbst für geringe Entschädigungssummen lange kämpfen
müssen. Und auch der Wert der wenigen von der UCIL für einige von ihnen zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze
ist in Anbetracht der mit ihnen verbundenen Gesundheitsrisiken eher zweifelhafter Natur.
Neue Minenprojekte
Langsam aber sicher erschöpfen sich die Vorkommen von Jadugoda, so dass die Erschließung neuer Abbaugebiete immer dringlicher wird. Dies gilt umso mehr, als Indien die Kernenergie auch als vermeintlich Klima schonende Form der Energieerzeugung entdeckt hat und nun ebenso umfangreiche, wie angesichts der miserablen Sicherheitsstandards40 der indischen Atomindustrie beunruhigende Ausbaupläne schmiedet.
Gegenwärtig verfügt Indien über 14 Reaktoren mit einer Leistung von 2.720 Megawatt. Acht weitere mit einer
Leistung von zusammen 3.960 Megawatt befinden sich derzeit im Bau. Bis zum Jahr 2020 soll die Gesamtkapazität
auf insgesamt 20.000 Megawatt erweitert werden. Gegenwärtig in der Diskussion ist die Ausbeutung der Vorkommen von Turamdih, Bagjata und Banduhuran in Jharkhand, Lambapur und Peddagattu in Andhra Pradesh und
Domiasiat in Meghalaya.41 In jedem dieser Gebiete wären wiederum vor allem Adivasi betroffen. Besonderes Interesse hat das Gebiet um Domiasiat geweckt, wo die wohl ergiebigsten Uranvorkommen Indiens oberflächennah
und leicht abbaubar lagern. Voraussichtlich 30.000 Adivasi müssten dort ihr Land verlassen.42 Der Widerstand ist
hier wie auch an den anderen Orten allerdings erheblich. Das abschreckende Beispiel Jadugodas hat sich herumgesprochen.43
20
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Fußnoten
1 No2NuclearPower.org.uk, Briefing January 2007
2 Wasserläufe, die nur in der Regenzeit Wasser führen; Red
3 aus: „yellowcake country Australia’s uranium industry“, Friends of the Earth/FoE Australia 2006
4 Interview in dem Film “Arlit. Das zweite Paris“, 2005
5 Algonquin Resist Uranium Mine; http://www.dominionpaper.ca/articles/1414
6 Bob Weber, The Canadian Press, 9. Mai 2007
7 Algonquin Resist Uranium Mine; http://www.dominionpaper.ca/articles/1414
8 http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/seite_3/685414.html
9 http://www.aafna.ca/Uranium_mining.html
10 Frankfurter Finance Newsletter, (FFN), 11. April 2006 und 12. September 2006
11 Anti-Atom-Aktuell, Oktober 2006
12 http://www.cameco.com/operations/uranium/cigar_lake/
13 Uran-Opfer, Zeitschrift pogrom 135, 1987
14 Los Angeles Times, 25. Februar 2007
15 Der Nuclear-Free Future Award – für eine atomfreie Zukunft wird seit 1992 von der Franz Moll Stiftung
für die kommenden Generationen in den Kategorien „Widerstand“, „Lösungen“ und „Aufklärung“ verliehen
16 http://www.silkwoodproject.com/SILKWOOD.Charmaine.Shortsightedness.htm & Indian Country Today,
2. Februar 2007
17 Associated Press, 14. 12. 2006
18 New York Times, 28. März 2007
19 www.theenergydaily.com, www.reviewjournal.com Januar 2007
20 Brief des Western Shoshone Defense Project vom 5.12.2007 & www.h-o-m-e.org/Yucca/index.htm.
21 The Salt Lake Tribune, 5. März 2007
22 Http://www.thimmakka.org/Newsletters/SA/0india/0india.htm
23 C.J. Sonowal, C.J. and Sunil Kumar Jojo: Radiation and Tribal Health in Jadugoda: The Contention
Between Science and Sufferings. 2003, p. 115. Unter: http://www.krepublishers.com/02-Journals/
TProzent20&Prozent20T/TProzent20&Prozent20T-01-0-000-000-2003-Web/TProzent20&Prozent20T01-2-091-174-2003-Abst-PDF/TProzent20&Prozent20T-01-2-111-126-2003-Sonowal/
TProzent20&Prozent20T-01-2-111-126-2003-Sonowal.pdf (eingesehen am 07.08.2007).
24 Ludlam, Fn. 2, p. 19.
25 "A Deformed Existence". In: Down to Earth Magazine, 15 June 1999.
26 Ludlam, Fn. 2, p. 21.
27 Dubey, Fn. 1.
28 Belegt durch den Dokumentarfilm “Buddha weeps in Jadugoda”. Unter: http://www.youtube.com/
results?search_query=buddha+weeps (eingesehen am 07.08.2007).
29 Ludlam, Fn. 2, p. 19.
30 Ludlam, Fn. 2, p. 18.
Ein Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007
21
ATOMKRAFT IST KEINE ALTERNATIVE: Urankreislauf zu Lasten indignener Völker
31 Ludlam, Fn. 2, p. 18.
32 "Uranium mining in Jaduguda, Bihar, Living in Death's Shadow.", Fn. 12.
33 "Uranium mining in Jaduguda, Bihar, Living in Death's Shadow.", Fn. 12.
34 Sonowal/ Jojo, Fn. 4, p. 120.
35 Association for India´s Development. Unter: http://aidindia.org/main/content/view/386/1/.
(eingesehen am 07.08.2007).
36 Association for India´s Development, Fn. 22.
37 Gill, Adnan: Indian Nuclear Program: Disasters in the Making. 10 July 2006. Unter: http://www.bhopal.net/
opinions/archives/2006/07/index.html (eingesehen am 07.08.2007); Ludlam, Fn. 2, p. 17.
38 Madhavan, P.: Beyond Headlines - A Photo Exhibition on Uranium mining. Jadugoda today, Domiasiat
tomorrow? 3 March 2004. Unter: http://indianenvironment.net/new/BeyondHedlines.pdf (eingesehen am
07.08.2007): Gill, Fn. 24.
39 „Neue Technik gegen internationale Kontrolle.“ In: taz, 19.01.2006; „Für Geigerzähler gibt es Gefängnis.“
In: Berliner Zeitung, 26.04.2000, S. 8.
40 Gill, Fn. 24; “Für Geigerzähler gibt es Gefängnis.”, Fn. 27.
41 Dubey, Fn. 1.
42 Misra, Neelesh: India´s lethal Weapon. Unter: .http://www.caroptionsonline.com/2000news/11_5_w1.htm
(eingesehen am 07.08.2007).
43 “Red Alert in Nuclear India.” In: Down To Earth Magazine, 30 April 2004. Unter: http://
www.downtoearth.org.in/cover.asp?foldername=20040430&filename=anal&sid=1&sec_id=7
(eingesehenam 07.08.2007).
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Ein Memorandum der Gesellschaft für bedrohte Völker - Dezember 2007