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Jahrbuch 2006/2007 | Kleidon, Axel | Quantifizierung optimaler Funktion der Landbiosphäre und deren Ausw irkung auf das Erdsystem Quantifizierung optimaler Funktion der Landbiosphäre und deren Auswirkung auf das Erdsystem Quantification of optimal biospheric functioning and its impact on the Earth system Kleidon, Axel Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Die Landbiosphäre ist ein integraler Bestandteil des Erdsystems. Gibt es allgemeine Prinzipien, mit denen die Funktion der Biosphäre und deren Wechselw irkung mit dem Erdsystem beschrieben und vorhergesagt w erden kann? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich die Arbeitsgruppe Biosphärentheorie und Modellierung am MaxPlanck-Institut für Biogeochemie unter Nutzung von Ansätzen aus Thermodynamik, statistischer Mechanik und Optimalität. Nach einer kurzen Beschreibung der Biosphäre als einem dissipativen System w erden drei Beispiele aufgezeigt, die die Stärke dieser Ansätze demonstrieren. Summary The terrestrial biosphere is an integral component of the Earth system. Are there general principles w hich might explain and predict the functioning of the biosphere and its interaction w ith the Earth system? This question is central to the w ork of the biospheric theory and modeling group at the Max-Planck-Institute for Biogeochemistry, and is addressed by using concepts from thermodynamics, statistical mechanics and optimality. After a brief description of the biosphere as a dissipative system, three examples are given to demonstrate the strength of these approaches. Die Rolle der Landbiosphäre im Erdsystem Die Biosphäre spielt eine w ichtige Rolle für den Austausch von Energie, Impuls und Masse zw ischen der Landoberfläche und der Atmosphäre. Atmosphärische Bedingungen beeinflussen die Produktivität der Biosphäre durch die Verfügbarkeit von Licht, Wasser und Temperatur. Die Ausformung dieser Rahmenbedingungen ist jedoch stark von den Eigenschaften der Vegetation abhängig. So moduliert die Vegetation die Menge an Solarstrahlung, die an der Landoberfläche absorbiert w ird, und die Aufteilung dieser Energie in den fühlbaren W ärmefluss und die Verdunstung. Dies w iederum hat Ausw irkungen auf die atmosphärische Grenzschicht, auf Konvektion, Wolkenbildung und auf großskalige Zirkulationsstrukturen. Die klimatischen Unterschiede zw ischen einer natürlich bew achsenen und einer kahlen Landoberfläche lassen sich leicht vor Augen führen, w enn man an die unterschiedlichen mikroklimatischen Bedingungen eines Waldes im © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/7 Jahrbuch 2006/2007 | Kleidon, Axel | Quantifizierung optimaler Funktion der Landbiosphäre und deren Ausw irkung auf das Erdsystem Vergleich zu einem asphaltierten Parkplatz im Sommer denkt. Thermodynamik und Optimalität der Landbiosphäre Der grundlegende theoretische Ansatz zur Quantifizierung der optimalen Funktion der Landbiosphäre und deren Ausw irkung auf das Erdsystem beruht auf Prinzipien der Thermodynamik fern vom Gleichgew icht. Eine allgemeine Eigenschaft von Erdsystemprozessen ist, dass sie dissipativ sind und Energie in eine w eniger verfügbare Energieform umw andeln. Dieser Trend w ird durch den physikalischen Begriff der Entropieproduktion beschrieben. Auch die Aktivität der Biosphäre produziert Entropie: Die Photosynthese produziert chemische Energie unter Verw endung von Sonnenlicht, Strahlungsenergie niedriger Entropie, und stellt damit die Energie für die Aktivität der Biosphäre bereit. Bei der Respiration w ird diese Energie in W ärme umgew andelt, also in einen Zustand höherer Entropie überführt. Dadurch lässt sich die Gesamtaktivität der Biosphäre als ein dissipativer Prozess unter vielen im Erdsystem verstehen [1, 2]. Ebenfalls eine allgemeine Eigenschaft von Erdsystemprozessen ist, dass die Randbedingungen nicht fest vorgegeben sind. Das Klima über Land w ird nicht ausschließlich durch atmosphärische Bedingungen bestimmt, denn diese w erden durch die Funktion der Landoberfläche stark geformt. Daher diktiert die Atmosphäre nicht die Funktion der Landbiosphäre, sondern agiert lediglich als Randbedingung, unter w elcher es ein w eites Spektrum von Möglichkeiten der Klimabeeinflussung durch die Landbiosphäre gibt. © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/7 Jahrbuch 2006/2007 | Kleidon, Axel | Quantifizierung optimaler Funktion der Landbiosphäre und deren Ausw irkung auf das Erdsystem Dre i Be ispie le wie die Vie lfa lt von P fla nze nform e n und funk tione n zu unte rschie dliche n Funk tionswe ise n de r La ndobe rflä che führt. De r unte re Gra ph ze igt die Auswirk unge n a uf globa le La ndm itte lwe rte de s Ja hre snie de rschla gs und de r bode nna he n Luftte m pe ra tur, be stim m t a us e twa 100 Klim a m ode llsim ula tione n m it unte rschie dliche r Ve ge ta tionsform und -funk tion [3]. Die Fa rbsk a la ze igt die sim ulie rte P roduk tivitä t de r Ve ge ta tionsde ck e de s je we ilige n Klim a zusta nds und de m onstrie rt die Ex iste nz e ine s optim a le n Be re ichs, in de m Ve ge ta tionsproduk tivitä t m a x im ie rt ist. © Modifizie rt na ch Kle idon [3] Abbildung 1 demonstriert anhand von drei Aspekten, w ie die Vielfalt in Pflanzenform und Funktion das Landklima prägt und zu dieser Bandbreite an möglichen Klimazuständen führt. Mithilfe von Sensitivitätsexperimenten eines gekoppelten Vegetations-Atmosphäremodells, in dem Vegetationsform und funktion über einen großen Bereich variiert w ird, kann diese Bandbreite bestimmt w erden [3]. Das resultierende Spektrum ist in Abbildung 1 anhand der global gemittelten Landoberflächentemperatur und des Jahresniederschlags dargestellt. Es w ird ersichtlich, dass innerhalb des physikalisch und biologisch möglichen Bereichs die klimatischen Bedingungen für Vegetationsproduktivität stark schw anken können. Innerhalb dieses Bereichs gibt es optimale Bedingungen, für die die Produktivität maximal ist. Diese optimalen Bedingungen liegen nahe dem Klimazustand der Standardversion des Modells, w elches zur Simulation heutiger Bedingungen benutzt w ird. Daraus kann man schlussfolgern, dass das gegenw ärtige Klima nahezu optimal für die Produktivität der Landbiosphäre ist für heutige Randbedingungen. Das Besondere an dieser Optimalitätsbetrachtung ist, dass die Maximierung der Produktivität auch einer Maximierung der Dissipation chemischer Energie entspricht. Damit ist dieser Ansatz konsistent mit einem © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/7 Jahrbuch 2006/2007 | Kleidon, Axel | Quantifizierung optimaler Funktion der Landbiosphäre und deren Ausw irkung auf das Erdsystem allgemeinen Prinzip der Nichtgleichgew ichtsthermodynamik, w elches besagt, dass hinreichend komplexe, dissipative Systeme einen stationären Zustand annehmen, der maximal Entropie produziert [1]. Dieses Prinzip der Maximalen Entropieproduktion (MEP) hat potenziell w eitreichende Anw endungen, z.B. für das Verständnis von empirischen Zusammenhängen, die in Klimamodellen verw endet w erden [4, 5]. Für die Landbiosphäre bedeutet dies, dass das beobachtete Verhalten gut mit einem allgemeinen Optimierungsansatz beschrieben w erden kann, der sich auf ein fundamentales thermodynamisches Prinzip zurückführen lässt. Im Folgenden w erden drei Beispiele aufgezeigt, die die Konsequenzen dieser Perspektive für die Rolle der Biosphäre im Erdsystem illustrieren. Es geht dabei um die Bestimmung der biologisch möglichen Klimazustände und deren Evaluierung im Hinblick auf ihr dissipatives Verhalten und Optimalität. Se nsitivitä t e ine s ge k oppe lte n Ve ge ta tionAtm osphä re nm ode lls zur m a x im a le n stom a tä re n Le itfä higk e it de r Ve ge ta tion, zusa m m e nge fa sst in globa le n La ndm itte lwe rte n. Da s Ma x im um de r P roduk tivitä t (rote Kurve , link s) stim m t übe re in m it de m W e rt de r m a x im a le n stom a tä re n Le itfä higk e it, be i de m die Übe re instim m ung m it de m e m pirische n Ba ll-Be rry-Ge se tz a m be ste n ist (bla ue Kurve , link s). Die Se nsitivitä te n von Be wölk ung (rote Kurve , re chts) und bode nna he r Luftte m pe ra tur (bla ue Kurve , re chts) ze ige n, wie wichtig die a dä qua te Da rste llung von stom a tä re r Le itfä higk e it im Klim a syste m ist. © Na ch Kle idon [6] und Autor Beispiel 1: Verständnis von empirischen Zusammenhängen Das erste Beispiel illustriert, w ie man einen im Labor bestimmten ökophysiologischen Zusammenhang zw ischen stomatärer Leitfähigkeit der Vegetation und Umw eltbedingungen (das so genannte – „Ball-BerryGesetz”) durch Optimalität verstehen kann. Eine Reihe von Sensitivitätssimulationen w urde mit einem gekoppelten Vegetations-Atmosphärenmodell durchgeführt, w obei der Wert der maximalen stomatären Leitfähigkeit verändert w urde [6]. Diese Simulationen w urden analysiert in Bezug auf Optimalität und Übereinstimmung mit dem Ball-Berry-Gesetz (quantifiziert durch den linearen Korrelationskoeffizienten). Die Ergebnisse in Abbildung 2 zeigen, dass die beste Übereinstimmung in der Simulation gefunden w ird, in der die Vegetationsproduktivität maximal ist. Somit kann das Ball-Berry-Gesetz als Folge optimalen Verhaltens betrachtet w erden. © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/7 Jahrbuch 2006/2007 | Kleidon, Axel | Quantifizierung optimaler Funktion der Landbiosphäre und deren Ausw irkung auf das Erdsystem Se nsitivitä t de r optim a le n stom a tä re n Le itfä higk e it zu de r a tm osphä rische n Konze ntra tion von Kohle ndiox id (C O 2). De r W e rt für da s O ptim um in stom a tä re r Le itfä higk e it ve rschie bt sich m it a nste ige nde m C O 2 (200 ppm (bla u), 280 ppm , 360 ppm (schwa rz), 540 ppm , 720 ppm (rot), und 1000 ppm ) zu zune hm e nd k le ine re n W e rte n (link s). De r re chte Gra ph ze igt die Auswirk unge n von ve rschie de ne m Ve ge ta tionsve rha lte n a uf die Klim a se nsitivitä t von La ndve rdunstung zu C O 2. Die dre i Kurve n ze ige n (rot) die Sta nda rdve rsion de s Mode lls, (bla u) die a n de n he utige n Klim a zusta nd optim a l a nge pa sste stom a tä re Le itfä higk e it und (schwa rz) die a n de n je we ils vorge schrie be ne n C O 2-W e rt optim a l a nge pa sste stom a tä re Le itfä higk e it. © Ma x -P la nck -Institut für Bioge oche m ie / Kle idon Beispiel 2: Klimasensitivität einer anpassungsfähigen Biosphäre In gegenw ärtigen Modellen der Landbiosphäre w ird die Anpassung von Pflanzenfunktionen an die Umw eltbedingungen nur ungenügend berücksichtigt. Der Ansatz der Optimalität bietet eine Möglichkeit, die potenziellen Ausw irkungen von Anpassung auf Klimasensitivität abzuschätzen: Wenn Umw eltbedingungen sich ändern, verändern sich die Randbedingungen unter denen optimiert w ird, und folglich das optimale Ve rhalte n. Abbildung 3 zeigt ein Beispiel, w ie sich die optimale stomatäre Leitfähigkeit für verschiedene Konzentrationen von atmosphärischen Kohlendioxid (CO 2 ) verschiebt. Die resultierende Sensitivität der Leitfähigkeit ist konsistent mit Rekonstruktionen aus Paläodaten. Die Ausw irkungen auf die simulierte Klimasensitivität w ird in Abbildung 3 anhand der Landverdunstung gezeigt. Dieses Beispiel demonstriert, dass die Vernachlässigung von Optimalität und Anpassung zur systematischen Unterschätzung der Produktivität und veränderter Klimasensitivität führen kann. © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 5/7 Jahrbuch 2006/2007 | Kleidon, Axel | Quantifizierung optimaler Funktion der Landbiosphäre und deren Ausw irkung auf das Erdsystem Se nsitivitä t von Klim a größe n übe r La nd (Te m pe ra tur (TEMP , rot); Ve rdunstung (ET, bla u); und Nie de rschla g (P R EC , bla u ge punk te t)) und P roduk tivitä t (NP P , bla u; und m e nschliche Ve re inna hm ung (e nglisch „hum a n a ppropria tion“, HANP P , rot ge punk te t)) zur Stä rk e m e nschliche r La ndnutzung. Die Stä rk e de r La ndnutzung ist hie r a usge drück t in e ine m P roze ntsa tz, de r be schre ibt, wie vie l von de r Ve ge ta tionsproduk tivitä t vom Me nsche n ve re inna hm t wird. Ein W e rt von f HANPP = 0 e ntspricht de m na türliche n R e fe re nzk lim a zusta nd ohne m e nschliche n Eingriff, wä hre nd da s a nde re Ex tre m von f HANPP = 100% e ine k om ple tte Ve re inna hm ung de r Ve ge ta tionsproduk tivitä t be de ute t. Trotz sta rk unte rschie dliche n Klim a s und Konse que nze n für NP P ist die m ittle re La ndte m pe ra tur nicht se nsitiv. © Modifizie rt na ch Kle idon [7] Beispiel 3: Klimasensitivität von Landnutzungsänderungen Die durch den Menschen verursachten Landnutzungsänderungen, w ie z. B. die Umw andlung natürlichen Waldes in landw irtschaftliche Nutzflächen, ändern die physikalische Funktion der Landoberfläche, mit entsprechenden Ausw irkungen auf das Klimasystem. Aber die bodennahe Lufttemperatur ist dafür kein gutes Maß, da sie nicht direkt mit dissipativem Verhalten in Beziehung steht. Um dies zu zeigen, w urden Sensitivitätssimulationen zu verschiedenen Intensitäten von Landnutzung durchgeführt [7] und anschließend im Hinblick auf die Ausw irkungen auf bodennahe Lufttemperatur und Vegetationsproduktivität analysiert (Abb. 4) . Diese Sensitivitäten zeigen eindrucksvoll, dass die Landmitteltemperatur nicht sensitiv ist, w ährend das Klima über Land sich drastisch unterscheidet und nur geringere Produktivität erlaubt. Ausblick W ährend diese ersten Ergebnisse bereits den Wert des thermodynamischen Ansatzes bestätigen, gibt es noch ein w eites Feld an offenen Fragen. Gegenw ärtige Projekte in der Arbeitsgruppe beschäftigen sich unter anderem damit, (i) biogeochemische Wechselw irkungen besser zu berücksichtigen; (ii) Individuen-basierte Modelle w eiter zu entw ickeln, um das Entstehen von Optimalität aus der Populationsdynamik besser zu verstehen; (iii) Methoden zu entw ickeln, um Optimalität standardmäßig in einem Erdsystemmodell zu implementieren; (iv) diesen Ansatz in Szenarienläufe für die nächsten 100 Jahre einzuarbeiten; und (v) w eitere Beispiele von Optimalität in Vegetation zu demonstrieren. Danksagung. Diese Arbeiten w urden durch die National Science Foundation der USA gefördert. Originalveröffentlichungen Nach Erw eiterungen © 2007 Max-Planck-Gesellschaft suchenBilderw eiterungChanneltickerDateilisteHTMLw w w .mpg.de 6/7 Jahrbuch 2006/2007 | Kleidon, Axel | Quantifizierung optimaler Funktion der Landbiosphäre und deren Ausw irkung auf das Erdsystem Erw eiterungJobtickerKalendererw eiterungLinkerw eiterungMPG.PuRe-ReferenzMitarbeiter (Employee Editor)Personenerw eiterungPublikationserw eiterungTeaser mit BildTextblockerw eiterungVeranstaltungstickererw eiterungVideoerw eiterungVideolistenerw eiterungYouTubeErw eiterung [1] Kleidon, A., and Lorenz, R. (Eds.): Non- equilibrium therm ody nam ics and the production of entropy : life, Earth, and bey ond. Springer-Verlag, Berlin 2005, 260 p. [2] Kleidon, A.: Bey ond Gaia: Therm ody nam ics of life and Earth sy stem functioning. Climatic Change 66, 271-319 (2004). [3] Kleidon, A.: Quantify ing the biologically possible range of steady - state soil and surface clim ates with clim ate m odel sim ulations. Biologia Bratislava 61 Suppl. 19, S234-239 (2006). [4] Kleidon, A., Fraedrich, K., Kunz, T., and Lunkeit, F.: The atm ospheric circulation and states of m axim um entropy production. Geophysical Research Letters 30 (23), 2223, doi: 10.1029/2003GL018363 (2003). [5] Kleidon, A., Fraedrich, K., Kirk, E., and Lunkeit, F.: Maxim um Entropy Production and boundary lay er exchange in an atm ospheric General Circulation Model. Geophysical Research Letters 33, L06706. doi: 10.1029/2005GL025373 (2006). [6] Kleidon, A.: Optim ized stom atal conductance of v egetated land surfaces and its effects on sim ulated productiv ity and clim ate. Geophysical Research Letters 31, L21203. doi: 10.1029/2004GL020769 (2004). [7] Kleidon, A.: The clim ate sensitiv ity to hum an appropriation of v egetation productiv ity and its therm ody nam ic characterization. Global and Planetary Change 54, 109-127. doi: 10.1016/j.gloplacha.2006.01.016 (2006). © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 7/7