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Jahrbuch 2013/2014 | Elena Levashina | Vektorbiologie – Ein Musterbeispiel für W irt-Erreger-Beziehungen
Vektorbiologie – Ein Musterbeispiel für Wirt-Erreger-Beziehungen
Vector biology - a paradigm of host–pathogen interactions
Elena Levashina
Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Malaria ist eine von Mücken übertragene Krankheit, die jährlich rund 600.000 Menschen das Leben kostet.
Stark betroffen ist der afrikanische Kontinent. Verursacht w ird die Malaria durch den Parasiten Plasmodium,
dessen effizientester Vektor Mücken der Art Anopheles gambiae sind. Uns interessiert, w as diese Mücke als
W irt für den Parasiten so attraktiv macht, w ie sie den Krankheiterreger erkennt und sich vor ihm schützt. Ziel
ist, die dafür zugrunde liegenden molekularen Mechanismen zu verstehen und deren Rolle bei der MalariaÜbertragung aufzudecken.
Summary
Insects represent 90% of animal species in our planet. Only a small fraction is know n as vectors of infectious
diseases. Our w ork is focused on Anopheles gambiae, the most efficient vector of malaria, w hich kills about
600,000 people annually. W hat makes some insect species such a good host for Plasmodium, the parasite that
causes the disease? How does the mosquito detect Plasmodium and protect itself against the pathogen?
These questions are the focus of our research, w hich aims to understand the molecular mechanisms of
mosquito resistance to Plasmodium and their role in malaria transmission.
Insekten und durch sie verbreitete Krankheiten
Blutsaugende Insekten verursachen durch die Übertragung von gefährlichen Krankheiten w ie Malaria, DengueFieber, Gelbfieber und West-Nil-Fieber ernstzunehmende medizinische und sozioökonomische Probleme. Über
700 Millionen Menschen w eltw eit sind jährlich betroffen. Um die Übertragung dieser Krankheiten zu
kontrollieren und einzudämmen, ist das Verständnis der Biologie der Überträgerinsekten von entscheidender
Bedeutung.
Die Malaria ist eine klassische Infektionskrankheit, von der die Hälfte der Menschheit bedroht ist. Obw ohl sie
w eit verbreitet vorkommt, ist der afrikanische Kontinent südlich der Sahara am stärksten betroffen. Beim
Menschen w ird die Malaria durch fünf Spezies eines einzelligen Parasiten der Gattung Plasmodium (P.
falciparum, P. vivax, P. ovale, P. malariae P. knowlesi) verursacht. Der gefährlichste darunter ist P. falciparum, der
in Afrika vorherrscht und zum Tod eines befallenen Menschen führen kann. Malaria-Parasiten entw ickeln sich in
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zw ei verschiedenen W irten: Der ungeschlechtliche Teil des Lebenszyklus findet in Säugern, einschließlich des
Menschen, statt, w ährend sich der geschlechtliche Teil in der Mücke vollzieht (Abb. 1). Malaria kann von
Mensch zu Mensch nur durch den Stich einer infizierten w eiblichen Mücke der Gattung Anopheles übertragen
w erden. Obw ohl der Parasit nur aus einer einzigen Zelle besteht, verändert er w ährend seiner Entw icklung
mannigfaltig die Gestalt und kann so in verschiedene Organe und Zellen eindringen. Im Säugerw irt verbirgt
sich der Parasit die meiste Zeit innerhalb von Leberzellen und roten Blutkörperchen, w ohingegen er in der
Mücke meist extrazellulär vorkommt [1].
A bb. 1: De r Le be nszyk lus de s Ma la ria -P a ra site n. Eine
we ibliche Mück e nim m t a us de m m e nschliche n Blut
Ga m e tozyte n a uf; im Inse k t k om m t e s zur Be fruchtung und
zur Bildung von O ocyste n. Die se se tze n Sporozoite n fre i, die
durch e ine n Mück e nstich in de n Me nsche n übe rtra ge n we rde n
k önne n. Die Sporozoite n dringe n in Le be rze lle n e in und
ve rm e hre n sich dort unge schle chtlich. Die da be i e ntste he nde n
Me rozoite n be fa lle n die rote n Blutk örpe rche n, ve rm e hre n sich
we ite r und m a ssiv, und a us e inige n Me rozoite n e ntste he n
m ä nnliche und we ibliche Ga m e tocyte n, die e rst we nn sie von
de r Mück e a ufge nom m e n wurde n zur Bildung e ine r Zygote
fä hig sind - de r Zyk lus ist ge schlosse n.
© Ma x -P la nck -Institut für Infe k tionsbiologie /a us [1], m it
fre undliche r Ge ne hm igung de s Ve rla gs
Der Kreislauf im Menschen
Plasmodium-Zellen, Sporozoiten genannt, w erden durch den Stich einer w eiblichen Mücke eingeschleust. Sie
w andern zur Leber und vermehren sich in den Leberzellen (Hepatozyten). Die entstehenden runden Formen,
Merozoiten genannt, brechen die Leberzellen auf, um in die Blutbahn und dort in das Innere der roten
Blutkörperchen
(Erythrozyten) zu
gelangen. Dort
erfolgt
die
Vermehrung
der Parasiten
durch
sich
w iederholende Zyklen von Eindringen, Wachstum und Teilung. Durch den massiven Anstieg an befallenen
roten Blutkörperchen im Blutkreislauf kommt es zu vielen Krankheitssymptomen und Komplikationen. Im Laufe
dieser Infektion des Blutstroms, die unbehandelt Monate dauern kann, verändern sich einige Merozoiten und
bilden geschlechtlich differenzierte Zellen (männliche und w eibliche Gametozyten) aus. Diese Gametozyten
entw ickeln sich im Säugerw irt nicht w eiter, sondern w arten im Blutkreislauf darauf, bis sie nach einem Stich
von einer Mücke aufgenommen w erden, um dort Zygote und Oocyste zu bilden (Abb. 1).
Der Kreislauf in der Mücke
W ährend der Blutaufnahme nimmt die Mücke zusammen mit den Blutzellen die Gametozyten in ihren Darm auf.
Dort entw ickeln sie sich zu reifen w eiblichen und männlichen Gameten, die die roten Blutkörperchen verlassen
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und sich zu Zygoten paaren. Diese entw ickeln sich zu bew eglichen Ookineten, durchlaufen den Darm der
Mücke und sammeln sich auf der basalen Seite in Form von Oozysten an. Wachstum und Teilung jeder Oozyste
erzeugt Tausende von aktiven haploiden Sporozoiten, die aus der Oozyste ausbrechen und in die
Speicheldrüsen der Mücke eindringen, w o sie, so lange die Mücke lebt, verw eilen. Sobald die Mücke sticht,
w erden die Sporozoiten in den neuen W irt injiziert und ein neuer Ansteckungszyklus beginnt (Abb. 1).
Die Immunität der Mücke erforschen
Evolutionsbedingt ernähren sich Mücken und andere Insekten von Blut, das für ihre Fortpflanzung unerlässlich
ist. Das Blutsaugen w iederum bietet Krankheitserregern, die sich in den Insekten befinden, eine mühelose
Eintrittspforte. Um sich
vor ihren
„Mitbew ohnern“
zu
schützen, entw ickelten
die
Insekten
in
ihrer
Immunabw ehr Strategien, auf verschiedene solcher Pathogene zu reagieren. Neue, leistungsstarke Methoden
der reversen Genetik [2, 3] und die komplette Sequenzierung des Genoms der Mücke A. gambiae haben
w esentlich
dazu
beigetragen, die
molekularen
Wechselw irkungen
zw ischen
der Anopheles-Mücke und
Plasmodium zu verstehen.
Das Immunsystem der Mücken spielt eine entscheidende Rolle bei der Beherrschung der Plasmodium-Infektion,
denn es vernichtet die meisten eindringenden Parasiten bereits kurz nach dem Blutsaugen [4]. W ir fanden,
dass die Mücken Malariaparasiten auf ähnliche Weise zerstören, w ie Säuger gegen Infektionen reagieren. Die
w esentliche Komponente dieses Systems in der Mücke, das Hämozyten spezifische, thioesterhaltige Protein
TEP1, erkennt Mikroorganismen und zielt auf deren Vernichtung ab. Die Struktur von TEP1 ähnelt seinem
Homolog C3 beim Säugetier (Abb. 2). Mit Hilfe eines Plasmodiumstammes, der grün fluoreszierendes Protein
produziert und so im Fluoreszenzmikroskop sichtbar gemacht w erden konnte (vgl. Abb. 3), entdeckten w ir,
dass TEP1 an die Oberfläche der Ookineten - also die bew eglichen Zygoten (Zygote = befruchtete Eizelle) von
Plasmodium - bindet, und zw ar auf der Basalseite des Mitteldarms der Mücken. Die TEP1-Ookinet Bindung führt
zum Tod der Zygoten und damit zur Unterbrechung des Infektionszyklus in der Mücke [5-8].
A bb. 2: Struk tur und Dom ä ne n-Anordnung von TEP 1*R 1 im
Ve rgle ich zu se ine m m e nschliche n Hom olog, de m
Kom ple m e ntfa k tor C 3. Die ve rschie de ne n Be re iche sind
ge fä rbt. MG, Ma k roglobulin Dom ä ne ; LNK, Link e r, TED,
Thioe ste r-Dom ä ne ; A NK, Ank e r; TE, P osition de s Thioe ste rBindung.
© Aus [9], m it fre undliche r Ge ne hm igung de r Na tiona l
Aca de m y of Scie nce s USA
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Von Laboruntersuchungen zu Feldbedingungen
"Insects are individuals, and even within a single species insects often do things in subtly different ways from each
other; this is, after all, a prerequisite for evolution."
M. J. Lehane “The Biology of Blood-Sucking in Insects”
Mücken der Gattung Anopheles sind, dieses Zitat betrachtend, keine Ausnahme und können hinsichtlich ihrer
Fähigkeit, die Entw icklung des Malaria-Parasiten zu fördern oder zu hemmen, beträchtlich voneinander
abw eichen. So w ird in manchen Mückenpopulationen in einigen, jedoch sehr seltenen Fällen die Entw icklung
von Plasmodium schon kurz nach der Infektion komplett unterdrückt (Abb. 3). Laborversuche zeigten, dass
manche Allele von TEP1 eine solche fast vollständige Unterdrückung des Parasiten hervorrufen können,
w ohingegen andere TEP1-Allele w eniger effizient w aren und nur 80% der Ookineten auslöschten [9].
A bb. 3: R e siste nz zwe ie r ve rschie de ne r Mück e npopula tione n
ge ge n Ma la ria -P a ra site n. Die Inse k te n wurde n m it Plasmodium
infizie rt; die Erre ge r wurde n m ithilfe de s grün fluore szie re nde n
P rote ins (GFP - grüne P unk te in de n Bilde rn) unte r de m
Mik rosk op sichtba r ge m a cht. Zu se he n ist de r Mitte lda rm de r
je we ilige n Mück e n a cht Ta ge na ch Infe k tion. Im Da rm
re siste nte r Mück e n ze igte n sich nur se hr we nige P a ra site n
(obe re s Bild), im Ge ge nsa tz da zu ga b e s se hr vie le le be nde
P a ra site n in de n Mück e n de s nicht-re siste nte n Sta m m e s
(unte re s Bild).
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Nun w äre es interessant zu überprüfen, ob solche w ie von uns charakterisierten, gegen Plasmodium
resistenzverleihenden Allele von TEP1 auch in afrikanischen Mücken natürlicherw eise in deren Genomen
auftreten. Bei einem Screening Tausender von Mücken in Mali, Kamerun und Kenia stellte sich dann tatsächlich
heraus, dass in den dort vorkommenden Mückenpopulationen TEP1 Allele vorhanden sind, die Plasmodium in
ihren Därmen fast vollständig besiegen. Allerdings: Neue Daten deuten darauf hin, dass die Parasiten
Mutationen
entw ickeln, die
Untersuchungen
sollten
sie
daher
w iederum gegen
die
genetische
TEP1-Angriffe
Vielfalt
der
w iderstandsfähig
beiden
Organismen
machen. Zukünftige
Mücke
und
Parasit
berücksichtigen, um das „molekulare W ettrüsten“ besser zu verstehen.
W ir konzentrierten unsere Studien auf ein Dorf in Mali, w o alle allelen Formen von TEP1 gefunden w urden.
Erstaunlicherw eise ist die allele Verteilung in dieser Population nicht zufällig, w as auf einen dort herrschenden
Selektionsdruck schließen lässt. W elche Stadien der Mückenentw icklung sind für diesen Selektionsdruck
empfindlich? W elche Kräfte treiben diese Auslese an? Es sind zw ar noch viele interessante Fragen offen, doch
erste Befunde legen nahe, dass neben der genetischen Vielfalt von Mücke und Plasmodium viele andere
Umw eltfaktoren die genetische Struktur der Mückenpopulationen prägen und dabei das Vermögen der Mücke,
Malaria zu übertragen, beeinflussen.
Genetik versus Umwelt
Die unreifen Stadien von A. gambiae leben in der mikrobenreichen Umgebung bestimmter W asservorkommen
mit der Folge, dass Mikroorganismen den Mitteldarm von Larven besiedeln. Es ist w ahrscheinlich, dass schon
die Umgebung der Larvenbrutstätten zur Entw icklung verschiedener Immunabw ehrmechanismen führt. Erste
Berichte dokumentieren bereits die Zusammensetzung und Ausw irkung der mikrobiellen Umgebung auf die
W iderstandsfähigkeit von Mücken gegenüber Malaria; eine gründliche Analyse steht noch aus. Über ein
komplettes Jahr w ollen w ir den Einfluss der Larvenbrutstätten auf die genetische Struktur von
Mückenpopulationen in einem einzelnen Dorf in Mali untersuchen. Dabei sollen eine genaue Beschreibung der
mikrobiellen Zusammensetzung in den Brutstätten erstellt und diejenigen Mikroorganismen-Gemeinschaften
ermittelt w erden, die einen derartigen Selektionsdruck auf die Mückenpopulationen ausüben könnten, dass
daraus auch eine Änderung des Übertragungsmusters der Malaria folgen könnte. Das Verstehen regionaler
Umstände und Bedingungen, die Malaria-Epidemien prägen, könnte neue Möglichkeiten zur Bekämpfung von
Krankheitsüberträgern eröffnen. Vor allem aber w erden diese Befunde auch neue Denkansätze bezüglich der
W irt-Parasit W echselw irkung anstoßen, die auch umw eltbedingte Faktoren in die vielfältigen
Übertragungsw ege einbezieht.
Immunität und Fortpflanzung
Mit der Aufnahme von Blut erw erben A. gambiae Mückenw eibchen die für ihre Eientw icklung und damit für ihre
Fortpflanzung notw endigen Nährstoffe. Enthält das Blut jedoch Plasmodium, infizieren die Mücken sich
gleichzeitig mit den Malariaerregern. Uns interessiert, ob eine Modulation von Immunfaktoren w ie TEP1 den
Reproduktionserfolg der Mücken beeinflusst. Tatsächlich fanden w ir, dass zw ei lipidtransportierende Proteine,
die zur Nährstoffversorgung der Eier nach der Blutaufnahme von der Mücke im Darm gebildet w erden
(Lipophorin und Vitellogenin), die TEP1-gesteuerte Vernichtung der Parasiten einschränken [10]. Bei
Abw esenheit der beiden Lipidtransportproteine w iederum ist die Bindung von TEP1 an die Ookineten von
Plasmodium effizient und vollständig - der Erreger w ird erfolgreich attackiert. Folglich mogeln sich die Erreger
nicht nur durch das Blutsaugen in eine Mücke hinein, sondern nutzen gleichzeitig diese Gelegenheit auch, um
unentdeckt vom Immunsystem der Mücke sich in deren Darm versteckt zu halten. Dagegen nun entw ickelt die
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Mücke
eine
Strategie,
bei
der
sie
durch
Aktivierung
des
Immunsystems
die
Synthese
ihrer
fortpflanzungsrelevanten, Nährstoff transportierenden Proteine stilllegen kann [10].
Zurzeit erforschen w ir detailliert die molekularen Mechanismen dieses crosstalks und überlegen gleichzeitig,
w ie diese neuen Erkenntnisse zur Eindämmung gefährlicher, Plasmodium übertragender Mückenpopulationen
genutzt w erden könnten.
Literaturhinweise
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