1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund (S. 11)

Transcription

1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund (S. 11)
Inhalt
Vorwort
1. Nancy H. Kleinbaum/Peter Weir: Leben und Werk
1.1 Biografie
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
1.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
2. Textanalyse und -interpretation
2.1 Entstehung und Quellen
2.2 Inhaltsangabe
2.3 Aufbau
2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
2.6 Stil und Sprache
2.7 Interpretationsansätze
3. Themen und Aufgaben
4. Rezeptionsgeschichte
5. Materialien
Literatur
4
6
8
8
12
27
30
30
32
41
50
58
76
78
91
93
96
99
1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund (S. 11)
Ort und Zeit der Handlung
Der Club der toten Dichter spielt im Jahr 1958 an einer „Privatschule tief in
den Bergen" (7) im Norden Neuenglands, man erfährt, dass sich in der Nähe
eine „verschlafene Vermonter Stadt" (81) befindet. Aber weder die
konkreten Zeitumstände der späten fünfziger Jahre noch der Schauplatz
haben dabei eine besondere Bedeutung. Auf die politischen und sozialen
Verhältnisse wie den Kalten Krieg oder die Bürgerrechtsbewegung in den
Südstaaten der USA finden sich keinerlei Hinweise.
Auch der kulturelle Hintergrund zeigt sich hauptsächlich in Versatzstücken
von Kleidung und Musik. Die Welton-Akademie ist ein traditionsreiches
angelsächsisches Elite- Institut mit gotischen Torbögen und
efeubewachsenen Wänden, eingebettet in die prächtige Natur einer
Bilderbuch-Landschaft. Die Zeit scheint stillzustehen in diesem Vermont,
und auch stereotype Erwartungen an Neuengland werden erfüllt.
Im Roman reicht die Nennung der „flammenden Farben des Vermonter
Herbstes" (33), um die Vorstellung von den sanften Hügeln, dem Indian
Summer und den stimmungsvollen Städtchen zu wecken, die der Film
(welcher allerdings im flacheren und weiter südlich gelegenen Delaware
gedreht wurde) ausgiebig abbildet. Soziale Spannungen sind in Welton
unbekannt, die Hauptfiguren der Geschichte entstammen derselben Schicht.
Alle Schüler sind so genannte WASPs (White Anglosaxon Protestants), also
Angehörige der Ostküsten-Elite, deren Vorfahren aus Großbritannien
eingewandert waren und die ursprünglich ein Monopol auf Positionen von
Macht und Prestige besaßen. Dass ihre Lebensweise schon durch zahlreiche
Generationen unverändert fortbesteht, zeigt die „eichegetäfelte
Ehrenhalle" (28) der Akademie mit den Klassenfotos der früheren Jahrgänge.
Nichts ist hier zu spüren von den Forderungen anderer Bevölkerungsgruppen
nach mehr Einfluss, die in den USA von 1958 deutlich artikuliert werden. Es
gilt schon als bemerkenswert, dass Neil einer Familie angehört, die nur zur
normalen Mittelschicht zählt und die das Schulgeld in Welton nicht ohne
Mühe aufbringen kann. Auch der Führungsanspruch der WASPs wird nicht
offen in Zweifel gezogen, sondern lediglich ihr Verfallensein an
Rationalismus und Karrieredenken.
Insgesamt konstruieren die Autoren (siehe Vorwort) eine übersichtliche Welt
und nehmen die Komplexität der wirklichen Gesellschaft stark zurück. Die
Anlehnung des Schauplatzes an die im Vergleich zur Gegenwart relativ
unkomplizierten Verhältnisse der fünfziger Jahre trägt dazu bei, dass wenig
von dem als zeitlos angesehenen Konflikt zwischen Individuum und
Gesellschaft abgelenkt wird.
So wird die gesamte Aufmerksamkeit auf die Prozesse gerichtet, die sich in
dem geschlossenen Raum abspielen. Von der Tagespolitik und dem
beschränkten Blickwinkel der Gegenwart wird dieser Ort freigehalten, damit
darin das Bild der Freiheit und ihrer dauernden Gefährdung inszeniert
werden kann. Wenn die Autoren politische Veränderung bewirken wollen,
so glauben sie dies nicht erreichen zu können, indem sie sich konkreten
sozialen Fragen zuwenden.
Es geht ihnen um eine grundsätzliche Kritik an der anonymen Gesellschaft
der Moderne mit ihrem Zwang zum „Konformismus" (106). Rettung wird
nur durch die Rückbesinnung des Einzelnen auf die Dichtung der
Vergangenheit erwartet. Durch die nur vage Einbettung in einen historischen
Kontext und auch durch die räumliche und zeitliche Abgeschiedenheit des
Handlungsortes wird Welton zu einem der „hermetisch abgeschlossenen
Biotope [...] mit eigenen Regeln", wie es sie in vielen Weir- Filmen gibt.
Das Internat im Allgemeinen ist auch einer jener Schauplätze, die man
häufig in der amerikanischen Literatur und im Film findet, an denen
Individuen eingesperrt oder anderweitig vom Rest der Gesellschaft isoliert
werden.