Einzigartiger „Brückenpreis“
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Einzigartiger „Brückenpreis“
Kaiserpfalz in Goslar Einzigartiger „Brückenpreis“ Kulturpreis Schlesien an Matthias Kneip, Stanisław Wysocki und Alfred Theisen verliehen N iedersachsens Innenminister Uwe Schünemann und der Vizemarschall der Woiwodschaft Niederschlesien Marek Lapinski haben am 3. September 2011 in der Kaiserpfalz zu Goslar den Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen 2011 vergeben. Mit dem Hauptpreis wurden der Schriftsteller Matthias Kneip und der Bildhauer Stanisław Wysocki ausgezeichnet. Einen Sonderpreis erhielt der Verleger Alfred Theisen. Innenminister Schünemann nannte die Verleihung des Kulturpreises Schlesien eine Erfolgsgeschichte, die seit Jahren Deutsche und Polen zusammenführe. Als „Brückenpreis“ sei dieser Kulturpreis einzigartig in Deutschland. In der Kaiserpfalz zu Goslar Der prachtvolle, mit riesigen Gemälden des Historienmalers Hermann Wislicenus zur Geschichte des „Heiligen Römischen Reiches“ ausgeschmückten, knapp 800 qm große „Reichssaal“, bot einen eindrucksvollen Rahmen für die Ehrung. Innenminster Schü- 10 SCHLESIEN HEUTE 10/2011 nemann konnte zu dem herausragenden Ereignis eine Rekordbeteiligung von einigen hundert geladenen Besuchern begrüßen, darunter aktive und ehemalige Bundestagsabgeordnete, niedersächsische Landtagsund niederschlesische Sejmikabgeordnete, Vertreter des Breslauer Marschallamtes mit Vizemarschall Marek Lapinski an der Spitze, den Trebnitzer Landrat Robert Andach, den Goslarer Landrat Stefan Manke, die Goslarer Bürgermeisterin Renate Luksch, die Mitglieder der Jury des Kulturpreises Schlesien und zahlreiche Repräsentanten der deutschen Schlesier. Schünemann würdigte das gastgebende Goslar als eine der schönsten Städte Niedersachsens, die beeindruckende Zeugnisse einer mehr als tausendjährigen Stadtgeschichte biete. Zusammen mit den Museumsanlagen des stillgelegten Erzbergwerks Rammelsberg gehöre die mittelalterliche Stadt zum Welterbe der UNESCO. Die im 11. Jahrhundert durch Kaiser Heinrich III. errichtete Kaiserpfalz gewähre Einblicke in die Blütezeit sächsischer und salischer Kaiser. Er gratulierte den Gästen aus Breslau aus- Foto: Stadt Goslar Der Reichssaal in der Kaiserpfalz während der Laudatio von Prof. Michael Pietsch auf Matthias Kneip drücklich zur Auszeichnung ihrer Heimatstadt als „Kulturhauptstadt Europas“ 2016. Nach dem Hinweis auf die Tragödien des vergangenen Jahrhunderts würdigte er das heutige „gute nachbarschaftliche Verhältnis“ zu dem viele vertriebene deutsche Schlesier als „Mittler und Brückenbauer“ in zahlreichen Versöhnungsprojekten einen maßgeblichen Anteil leisteten, was zunehmend auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen werde, wie jüngste Meinungsumfragen belegten. Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten zum Ende des Zweiten Weltkrieges, so Schünemann, sei „unbestreitbar im Zusammenhang mit der Vorgeschichte des Nationalsozialismus zu sehen.“ Klar sei aber auch, so Schünemann weiter: „Jede Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat ist ein gravierendes Unrecht und Gewaltvergehen. Sie darf weder moralisch noch rechtlich gegen eine voran gegangene Schuld anderer aufgerechnet werden.“ Es sei nicht nur eine nationale sondern eine gesamteuropäische Verpflichtung, Leid und Schicksal der deutschen Vertriebenen aufzuarbeiten. Daher unterstütze die niedersächsische Landesreanzeige_07_09.qxd 16.06.2009 13:53 gierung das Anliegen der Heimatvertriebenen nach einem eigenen Gedenktag. Versöhnung durch Vertriebene Schünemann lobte die unlängst von deutschen und polnischen Regierungsvertretern anlässlich des 20. Jahrestages des deutschpolnischen Nachbarschaftsvertrages in Warschau unterzeichnete Erklärung, die „zu einem vertieften gegenseitigen Verständnis“ beitragen werde. Die Polen in Deutschland aber auch die deutsche Minderheit in Polen sollen danach in Zukunft stärker gefördert werden. Polen habe sich weiter verpflichtet, das Unrecht an den Deutschen vor allem in Oberschlesien zu kommunistischen Zeiten bis 1989 wissenschaftlich zu untersuchen. Der Innenminister erinnerte an die freiheitlichen oppositionellen Bewegungen in Polen, in der damaligen Tschechoslowakei, aber auch in der früheren „DDR“ die den Weg für die heutige gemeinsame „Heimat Europa“ (Papst Johannes Paul II) erst frei gemacht hätten. Aus dem Land Niedersachsen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die meisten vertriebenen Schlesier aufgenommen hat, würden heute wieder zahlreiche Brücken Richtung Schlesien gebaut. Goslar zum Beispiel sei1„eine Hochburg partnerschaftlicher Seite Beziehungen zu Schlesien“: Seit 60 Jahren bestehe eine Patenschaft zwischen Gos- Foto: Sh larern und Briegern. 2010 habe man eine zehnjährige Partnerschaft mit dem heutigen Brieg/Brzeg und eine zehnjährige Schulpartnerschaft feiern können. Der Landkreis Goslar habe eine erfolgreiche Patenschaft für die vertriebenen Trebnitzer und eine lebendige Partnerschaft mit dem heutigen Trebnitz/Trzebnica. Das Land Niedersachsen unterhalte schon seit vielen Jahren offizielle Partnerschaften mit den Woiwodschaften Großpolen und Niederschlesien. So gebe es zum Beispiel heute 165 Partnerschaften zwischen niedersächsischen und polnischen Schulen. Auf Initiative des Landesbeauftragten für Vertriebene und Aussiedler, Rudolf Götz, MdL, unterstütze man zum Beispiel auch die deutsche Minderheit in Oberschlesien durch konkrete Projekte im Bereich des Deutschunterrichtes. Auch Vizemarschall Marek Lapinski würdigte den Kulturpreis Schlesien und seine Preisträger als Brückenbauer zwischen Deutschen und Polen. Beide Völker seien heute als Nachbarn und Partner auf einem guten Weg. Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag von 1991 und die Gemeinsame Erklärung vom 21. Juni 2011 seien gute Fundamente für die Vertiefung der Zusammenarbeit in den kommenden SCHLESIEN HEUTE 10/2011 11 (v.l.) Marek Lapinski, Stanisław Wysocki und Innenminister Schünemann Jahren. Zurückblickend würdigte er die Unterstützung der Deutschen für den EU- und NATO-Beitritt Polens. Auch die vielfältigen politischen, kulturellen und sozialen Aktivitäten im Bereich der Partnerschaft zwischen Niedersachsen und Niederschlesien seine beispielhaft. Kenner des östlichen Europa In seiner Laudatio nannte Prof. Michael Pietsch den 42-jährigen Schriftsteller Dr. Matthias Kneip, der in Regensburg geboren wurde, einen „profunden Kenner des östlichen Europa“, der alle Auswahlkriterien des Kulturpreises erfülle. Er sei zwar nicht in Schlesien geboren, aber schlesischer Abstammung und würde auch die Bezeichnung als Schlesier akzeptieren. Sein Werk habe eine beachtliche thematische Breite und angesichts seines Lebensalters einen enormen Umfang. Michael Pietsch: „Als Schriftsteller schreibt er Gedichte, Aphorismen und Erzählungen, veröffentlicht in deutscher und polnischer Sprache. Seine Beiträge als Publizist für Zeitungen und Zeitschriften sind außerordentlich zahlreich und speisen sich nicht selten aus Reiseerfahrungen durch mittel- und osteuropäische Länder. Als Beobachter in Polen, der Ukraine, Moldawien, der Slowakei reflektiert er über die dortige politische und gesellschaftliche Situation. Ein profunder Kenner des östlichen Europas. Es gibt noch zu wenige davon. Sie sind aber wichtig, weil sie den Blick öffnen für europäische Regionen, mit denen wir Deutsche von alters her intensiven Kontakt und Austausch hatten. Die Namen der zahlreichen ostdeutschen Landsmannschaften der Heimatvertriebenen belegen es. Es ist eine vornehme Aufgabe, diese Fäden wieder zu spinnen, die durch den Frevel von Nationalsozialisten und Kommunisten durchtrennt worden waren. Die Beschäftigung mit dem polnischen Nachbarn steht allerdings im Vordergrund. Nicht ausschließlich, aber immer wieder ist es Schlesien, das literarisch verund bearbeitet wird. Es sind wohl dieser Knoten in der Familiengeschichte mit dem Trauma der versuchten Zwangspolonisierung und die oberschlesische Realität des Völkergemischs, die ihm diese Beschäftigung zur Leidenschaft haben werden lassen. Es seien die Lesungen, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen, beispielsweise des Goethe-Instituts oder des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit in Gleiwitz, und die Veranstaltungen mit Schülern und Lehrern, die ihm eigentlich sein Thema gegeben haben. Dabei gehe es immer wieder um das Verstärken des Positiven, nicht um das Wühlen im Belastenden zwischen Deutschen und Polen, um die Überwindung ignoranter Stereotypen durch Kenntnisse vom jeweils Anderen. „Kunst als Träger von Schönheit und Gefühl“ Die Würdigung des Bildhauers Stanisław Wysocki erfolgte durch den Direktor der historischen Museen Breslaus, Dr. Maciej Lagiewski, der auf das Werk des Künstlers eingehend unter anderem erklärte: „Die Skulpturen entstehen erst in Ton. Es ist ein außergewöhnlicher Moment, wenn unter den Händen des Künstlers etwas Neues Alfred Theisen Gestalt annimmt. Anschließend fertigt er die Gießform an, um diese mit lavaheißer Bronze zu füllen. Bei diesem Schöpfungsprozess verändert sich das Atelier vollkommen — durch die hohe Temperatur, die schwere körperliche Arbeit und die Emotionen des Künstlers entsteht eine einmalige Atmosphäre. Diese Arbeit, welche körperliche Anstrengung mit subtiler künstlerischer Vision verbindet, scheint wie erschaffen zu sein für Stanisław Wysocki, der in seiner Ausbildung zwei scheinbar völlig verschiedene Bereiche miteinander verband: Kunst und Sport. Zuerst beendete er die Sportakademie in Breslau, wo er auch nach seinem Studium als wissenschaftlicher Assistent im Bereich Wintersport tätig war. Er verbrachte damals viel Zeit in den Sportzentren Niederschlesiens, wo er die Ski-Nachwuchskader trainierte und betreute. War Breslau doch zu jener Zeit Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts ein pulsierendes Kulturzentrum, das den jungen Sportler schnell in seinen Bann zog. Er begann zu zeichnen, zu malen und zu formen. So entschied er sich zu einem mutigen Schritt: er gab seine Stelle an der Sportakademie auf, um ein Kunststudium in Posen und später in Berlin aufzunehmen. Wahrscheinlich erscheint seine Entscheidung allen, die auf dieses Detail seiner Biographie stoßen, mutig; aber genau diese Unabhängigkeit gehört zu Wysockis Wesenszügen. Mit seiner Kunst bestätigt er dies seit über 30 Jahren. In Zeiten, in denen die Welt von neuen Medien, konzeptueller Kunst und von Performance fasziniert ist, lässt Wysocki Arbeiten wie aus einer anderen Epoche entstehen: Wer- Marek Lapinski Innenminister Schünemannund Matthias Kneip ke, die uns mit ihrer sinnlichen Schönheit ansprechen und sowohl künstlerisch, als auch handwerklich nach klassischen Regeln angefertigt werden. Stanisław Wysocki steht in der Tradition der Meister der italienischen Renaissance, sowohl mit seinem Kunstverständnis — er sieht die Kunst als Träger von Schönheit und Gefühl —, als auch mit seiner Arbeitsmethode. Ähnlich wie seine Vorgänger konzentriert sich der Künstler in seiner mühsamen Arbeit — erst in Ton, dann in Bronze — auf die Suche nach vollkommenen Linien, Proportionen und schließlich nach dem Kontrapost, die für die Anordnung seiner Skulpturen so charakteristisch sind. Obwohl er nicht daran interessiert ist, die Natur realistisch abzubilden, und obwohl die Silhouetten seiner Frauenfiguren realitätsfremd sind, nehmen wir doch ihre Vitalität und körperliche Sinnlichkeit deutlich wahr. Durch die geometrischen Formen seiner Skulpturen zeigt er, dass die Vollkommenheit des menschlichen Körpers stets eine Quelle der Inspiration darstellt und unbegrenzte Möglichkeiten für die Kreativität des Künstlers bietet. Selbst eine weitgehende Vereinfachung der Formen bedeutet hier keine anti-ästhetische Deformierung. Die Kunst Stanisław Wysockis ist weit entfernt von der zeitgenössischen Faszination für das Hässliche und Tragische, wie auch von der aufdringlichen Didaktik, die uns von allen Seiten aufgezwungen wird. Der Künstler sucht nach einer objektiven Schönheit im eigenen Gespür für Proportionen, in der Feinheit der Texturen, im Spiel des Lichtes auf den ungleichmäßigen Oberflächen des Abgusses, in der Sinnlichkeit der Skulptu- ren. All diese Eigenschaften bewirken, dass wir beim Betrachten seiner Arbeiten Ruhe und ästhetischen und intellektuellen Genuss empfinden. Wir nehmen sowohl die Schönheit der Figuren, als auch die des verarbeiteten Materials wahr. Die Hände strecken sich von selbst zu den Figuren, um sie zu berühren, zu streicheln... Die Skulpturen Stanisław Wysockis bereiten dem Betrachter auch Freude aus dem Kontakt zu dem „Ich möchte in der Kunst die vollkommene Form zeigen. Ich möchte die Menschen nicht erschrecken, belehren oder ihnen Ratschläge erteilen, wie sie zu leben haben. In ihrem Alltag erfahren sie genug Böses und Trauriges. Ich möchte ihnen Schönheit, Liebe und Wärme zeigen.“ Stanisław Wysocki Meister selbst und seinem schlüssigen und interessanten Blick auf die Kunst, sowie seinem außergewöhnlichen bildhauerischen Können; einem Künstler, der uns nicht belehrt, sondern seinen Sinn für das Schöne, für Zartheit und Anmut mit uns teilt.“ Wirkungsvoller Botschafter für Schlesien Landtagspräsident a. D.: Gottfried Milde würdigte den in der Eifel geborenen und heute bei Görlitz im deutschen Niederschlesien lebenden Publizisten und Verleger Alfred Theisen als Brückenbauer zwischen Polen und Deutschland. Ohne familiäre Wurzeln in Schlesien habe er sich zu einem Fotos: Sh der profundesten Kenner Schlesiens entwickelt. Mutig habe er 1998 in Görlitz einen eigenen schlesischen Verlag gegründet und 1999 eine Niederlassung auf dem St. Annaberg in Oberschlesien. Die von ihm herausgegebenen Zeitschriften „Schlesien heute“ und „Oberschlesien“ seien wichtige Informationsquellen über das heutige Schlesien und die deutsch-polnischen Beziehungen. Durch „seine treffenden, aber nie verletzenden“ Kommentare trage er wesentlich zur Meinungsbildung heutiger Verantwortungsträger für Schlesien bei. Nicht die trennenden Spannungen aus der Vergangenheit sondern die Polen und Deutsche gemeinsam herausfordernden Aufgaben der Gegenwart bildeten den Schwerpunkt seiner Berichterstattung. Zugleich habe er sich fortdauernd um die Erhaltung, Weiterentwicklung und Verbreitung des schlesischen Kulturerbes verdient gemacht. Die deutsche Minderheit im polnischen Nieder- und Oberschlesien aber auch Görlitz und das bei Deutschland verbliebene Niederschlesien hätten in Alfred Theisen einen ihrer „wirkungsvollsten Botschafter“. Im Rahmenprogramm zur diesjährigen Preisverleihung wurde unter anderem im Forum des Goslarer Kreishauses eine Ausstellung mit Werken des Preisträgers Stanisław Wysocki sowie in der Kaiserpfalz die Ausstellung „Schlesien bei Nacht“ mit prachtvollen Aufnahmen des in Oppeln/Opole lebenden Meisterfotografen Marek Maruszak gezeigt. Der Begleitband zur Ausstellung kann zum Preis von 14,90 Euro über die Schlesische Schatztruhe in Görlitz, Tel. 03581/410956, bezogen werden. Gasthof „Zum Grünen Ei“ Wir laden Sie herzlich ein, sich mit eigenen Augen zu überzeugen, wie einzigartig und schön dieser Ort ist. Genießen Sie unsere rustikalen Zimmer und unsere exzellente Küche! Tanken Sie Ruhe und Kraft!!! Margaret und Anthony Jackiewicz ● Płóczki Górne 102 59-600 Lwówek Śląski ● Polen ● Mobil: + 48 663 849 888 Tel: + 48 75 789 0 789 ● www.podzielonymjajem.pl 12 SCHLESIEN HEUTE 10/2011 SCHLESIEN HEUTE 10/2011 13