Die ökonomischen Kosten von Adipositas in Deutschland
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Die ökonomischen Kosten von Adipositas in Deutschland
Die ökonomischen Kosten von Adipositas in Deutschland Effertz T, Linder R, Verheyen F Institut für Recht der Wirtschaft, Universität Hamburg , WINEG - Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen Einleitung - Hintergrund Material - Methode Adipositas ist ein drängendes gesundheitspolitisches Problem in nahezu allen OECD Staaten. In Deutschland ist der Anteil adipöser Menschen zuletzt angestiegen und liegt aktuell bei ca. 24%. Von großem Interesse sind daher die Kosten der Adipositas in Deutschland. Diese Kosten der Adipositas und der durch sie verursachte Komorbiditäten sind sowohl wichtige Information, wie auch Indikator, um das Problem gegenüber anderen Krankheitsbildern einzuordnen. Bisherige Untersuchungen haben zur Ermittlung der Krankheitskosten meist auf die sog. „TopDown“-Methode zurückgegriffen, bei der Kosten aufgrund von Adipositas anteilig jeweiligen Komorbiditätskosten „zugeschlüsselt“ wurden. Beim „Bottom-Up“-Ansatz besteht der Vorteil, den Zusammenhang zwischen Adipositas, Komorbiditäten und Kosten direkt am Patienten zu ermitteln und statistisch hochzurechnen. Dies wird in diesem Beitrag mittels GKV-Routinedaten getan. Als Stichprobe wurden 146.000 Versicherte der Techniker Krankenkasse untersucht, von denen 21,4% (31.244 Personen) eine Form von Adipositas – identifiziert über entsprechende ICD-Diagnosen in den einzelnen medizinischen Sektoren – aufwiesen. Die Patienten waren durchgängig TK-versichert oder schieden durch Tod aus der Stichprobe aus. Zur Modellierung der Kosten der Adipositas sowohl im Prävalenz- wie im Inzidenzansatz (Life-CycleAnsatz) wurden mittels GLM-Regression zu- nächst die Summe aller gesetzlichen Krankenkassenleistungen - ausgenommen den Zahnarztkosten - geschätzt. Die Mortalität der AdipositasPatienten wurde mittels Ereignisdaten-Regression modelliert. Ebenso wurde geschätzt, in welchem Alter Patienten im Gesundheitswesen erstmalig mit Adipositas in Verbindung gebracht werden. Für die Bestimmung der Life-Cycle-Kosten wurden verschiedene Adipositasprofile genutzt und die sich im Zeitablauf akkumulierenden Kosten mit den Einnahmen der GKV kontrastiert. Ergebnisse 1 | Mortalität bei Adipositas Ergebnisse 2 | Direkte Kosten der Adipositas pro Quartal Kürzlich erbrachte Befunde zur teils sehr unterschiedlichen Mortalität bei Adipositas werden gestützt: Bei Kontrolle anderer schädlicher Konsumfaktoren wie Alkohol und Tabak liegt nur bei starker Adipositas (BMI>40) eine signifikant erhöhte Mortalität vor. Die Hälfte der hier Betroffenen stirbt etwa 5 Jahre früher, als Patienten, die weder Alkohol noch Tabak schädlich konsumieren und weniger adipös sind. Bei einem BMI zwischen 30-35 ergibt sich sogar eine leicht gesunkene Mortalität von bis zu einem Jahr. Die zusätzlichen Kosten wurden im Rahmen der GLM-Methodik mittels Gamma-Varianzfunktion und Log-Link-Funktion modelliert, um den Besonderheiten von Kostendaten Rechnung zu tragen. Durchschnittliche Gesundheitskosten liegen für Nicht-Adipöse bei 545,20€ pro Quartal. Adipöse mit einem BMI zwischen 30 und 35 weisen um 316,56 € höhere Kosten auf. Bei einem BMI zwischen 35 und 40 liegen die Kosten bei zusätzlich 295,58€ und ab einem BMI >40 entstehen 449,92€ pro Quartal an Zusatzkosten. Adipositas ist als kostenerhöhender Faktor kausal interpretierbar. Nachstehend sind die marginalen Effekte des GLM-Modells abgebildet: Überlebenswahrscheinlichkeit 0 .1 .2 .3 .4 .5 .6 .7 .8 .9 1 Mortalität bei unterschiedlichen Konsumprofilen 0 5 dy/ dx St d . E r r o r Z - St a t i s t i c P > |z | 95% K onf i denz i nt er val l A nz ahl U mmel dungen V er s i c her ung 261, 03 3, 164712 82, 48 0, 0000 254, 8273 Ges c hl ec ht (0=M ; 1=W) 266, 102 4, 382667 60, 72 0, 0000 257, 5121 274, 6919 Fr ei w i l l i g-v er s i c her t 3, 238476 5, 845481 0, 55 0, 5800 -8, 218456 14, 69541 A LGI -E mpf änger 82, 68748 8, 04447 10, 28 0, 0000 66, 92061 98, 45435 A LGI I -E mpf änger 88, 39482 11, 95434 7, 39 0, 0000 64, 96475 111, 8249 743, 688 E mpf änger E r w er bs mi nder ungs r ent e 720, 7958 11, 6799 61, 71 0, 0000 697, 9036 A us z ubi l dender -3, 318173 10, 60875 -0, 31 0, 7540 -24, 11095 17, 4746 A r bei t er -16, 55626 9, 239936 -1, 79 0, 0730 -34, 6662 1, 553682 Fac har bei t er -6, 765267 5, 532536 -1, 22 0, 2210 -17, 60884 4, 078304 M ei s t er 5, 392434 9, 393302 0, 57 0, 5660 -13, 0181 23, 80297 A nges t el l t er -22, 65798 4, 677637 -4, 84 0, 0000 -31, 82598 -13, 48998 140, 4248 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Alter raucher=1 schweregradfinal2=3 alkoholiker=1 raucher=1 schweregradfinal2=0 alkoholiker=1 raucher=0 schweregradfinal2=3 alkoholiker=1 raucher=1 schweregradfinal2=3 alkoholiker=0 raucher=0 schweregradfinal2=0 alkoholiker=0 raucher=1 schweregradfinal2=0 alkoholiker=0 raucher=0 schweregradfinal2=0 alkoholiker=1 raucher=0 schweregradfinal2=3 alkoholiker=0 267, 2327 St udent 86, 62301 27, 45041 3, 16 0, 0020 32, 82118 Soz i al hi l f eempf änger 540, 6876 35, 84679 15, 08 0, 0000 470, 4292 610, 946 Sel bs t s t ändi ger -88, 47177 13, 35461 -6, 62 0, 0000 -114, 6463 -62, 29722 R ent ner 209, 4516 8, 334166 25, 13 0, 0000 193, 1169 225, 7863 T abak 186, 4076 4, 818157 38, 69 0, 0000 176, 9642 195, 851 A l k ohol 303, 4139 5, 014723 60, 5 0, 0000 293, 5852 313, 2425 B M I 30-35 316, 5631 14, 63108 21, 64 0, 0000 287, 8867 345, 2394 B M I 35-40 295, 5849 16, 7488 17, 65 0, 0000 262, 7579 328, 412 B M I >40 449, 9228 22, 63257 19, 88 0, 0000 405, 5638 494, 2818 A bi t ur -4, 900477 3, 882368 -1, 26 0, 2070 -12, 50978 2, 708824 Spi el s uc ht 277, 3036 17, 06928 16, 25 0, 0000 243, 8484 310, 7587 A l t er 12, 91703 0, 1809121 71, 4 0, 0000 12, 56245 13, 27161 D r ogenmi s s br auc h 740, 8415 13, 22839 56 0, 0000 714, 9143 766, 7687 Ergebnisse 3 | Gesamtkosten I Zur Ermittlung der Gesamtkosten der Adipositas im Lifecycle wurden vier Kostenprofile gebildet. Drei Profile mit den Adipositas-Schweregraden, sowie ein durchschnittlich adipöser Patient (gewichtet mit dem prozentualen Vorkommen der Schwergrade im Altersablauf). Ebenso wurde das Kostenprofil eines Nicht-Adipösen sowie der Verlauf der durchschnittlichen Einnahmen der GKV kontrastiert. Ergebnisse 4 | Gesamtkosten II Alter Diskussion Die hier gezeigten Kostenverläufe bilden lediglich einen Teil der ökonomischen Kosten der Adipositas in Deutschland ab. Dennoch zeigt sich, dass, obwohl adipöse Patienten in den meisten Fällen eine gleich hohe und sogar gesteigerte Lebensdauer aufweisen, die medizinischen Kosten deutlich höher sind, als bei nicht-adipösen Patienten. Die Stichprobe wurde bestmöglich an das Versichertenkollektiv der GKV angepasst, so dass Repräsentativität dieser Befunde hergestellt sein sollte. Wichtige Aspekte der negativen Auswirkungen der Adipositas etwa auf Rente oder Pflegebedürftigkeit, aber auch die intangiblen Kosten wie Schmerz und Stigmatisierungen müssen ebenfalls erfasst werden. Aufgrund der annähernd gleichen Mortalität in diesen Bereichen sind aber kaum „Einsparungen“ bei adipösen Personen erwartbar. Durch den frühen Beginn – etwa die Hälfte der Patienten erscheint mit 20 Jahren zum ersten Mal im Gesundheitssystem bei gleichzeitig allmählicher Entwicklung von Adipositas lässt sich der Schätzer als kausaler kostenerhöhender Faktor interpretieren. Kontakt | Dr. Tobias Effertz | [email protected] Institut für Recht der Wirtschaft | Max Brauer Allee 60 | 22765 Hamburg Es zeigen sich deutlich höhere Kosten der Adipositas-Patienten im Life-Cycle-Ansatz: Patienten mit BMI 30-35 verursachen bis zum Lebensende etwa 172.804 € zusätzlich gegenüber Nicht-Adipösen, solche mit BMI 35-40 etwa 158.133€ und BMI>40 ca. 219.576. Ein mit 20 Jahren adipöser junger Mensch, der zeit seines Lebens adipös bleibt, entspricht damit einem Gegenwartswert von zusätzlich ca. 43.653€ (bei einem Diskontierungssatz von 2%). Die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung werden bei allen drei Adipositasausprägungen nicht gedeckt. Ein nicht schädlich konsumierender, nicht-adipöser Patient subventioniert in dieser Rechnung die GKV mit ca. 82.000€ Endwert bzw. 22.635 € Gegenwartswert. Bezogen auf die Prävalenz von ca. 16. Mio. adipösen Personen bedeutet dies Mehrkosten im Gesundheitswesen von mindestens 20,26 Mrd. € pro Jahr. Schlussfolgerungen Die Kosten der Adipositas allein im Gesundheitswesen mit über 20 Mrd. € p.a. übersteigen die direkten Kosten von Alkohol (ca. 10 Mrd. € p.a.) und Tabak (ca. 8 Mrd. € p.a.) deutlich. Adipositas resultiert aus der allmählichen Akkumulation ernährungsbedingter unausgeglichener Energiebilanzen. Diese sind Resultat stark habitueller Konsummuster und schwer durch Aufklärungs- und Informationskampagnen veränderbar. Angesichts der aktuellen Entwicklung – der Zunahme der Adipositas in Deutschland – ist dringend Handlungsbedarf erforderlich. Es ist daher zu empfehlen, Adipositas mit wirksamen gesundheitspolitischen Maßnahmen aus dem Bereich der Verhältnisprävention zurückzuführen, da so deutliche Einsparungen für das Gesundheitswesen möglich sind. 8. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGepi) Universität Leipzig | 24.- 27. September 2013