Die Fußball-WM 2006 und das Deutschlandbild in der

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Die Fußball-WM 2006 und das Deutschlandbild in der
Saskia Brauer und Gernot Brauer:
Was ist bloß los mit den Deutschen?
Die Fußball-WM 2006 und das Deutschlandbild in der Welt
Einleitung
Zwei internationale Sportereignisse aus dem deutschsprachigen Raum interessierten und intere ssieren in diesen Jahren nicht nur sportbegeisterte Menschen
in aller Welt: die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland und die Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz. Deutschland war
sich im Vorfeld der WM 2006 sehr schnell bewusst, dass solche globalen Sportereignisse nicht ohne Rückwirkungen auf das internationale Bild vom Land
bleiben würden, dass man mit dem Sport also nationale Imagepolitik machen
2
kann. Das ist auch geschehen. Im Jahr der EM 2008 liegt mit dieser Publikation
nun eine Analyse von Außenwirkungen auf, die die WM zu erzielen versprach,
erzielen sollte und in durchaus überraschender Art und Weise auch erzielt hat.
Im Folgenden zeichnen wir nach, wie Deutschland aus der Sicht von WM-Beobachtern und ausgewählten Teilnehmern zu Beginn der Weltmeisterschaft einge schätzt wurde, was sich ändern sollte und was sich wie änderte. Dazu erörtert
der folgende Text den Imagebegriff1 und das Ansehen Deutschlands im Ausland. Er stellt dar, welche Vorstellungsbilder über Land und Leute bestanden,
wie es zu diesen nationalen Stereotypen kam und welche Möglichkeiten es gab,
sie zu wandeln. Die Analyse zeigt, dass der Massensport die heute am besten
geeignete Plattform ist, um die Reputation2 eines Landes auf globaler Basis
breitenwirksam zu verbessern.
Im Einzelnen resümiert der Text, mit welchen Kampagnen die Bundesregierung,
das Organisationskomitee der WM und andere auf das Deutschlandbild3 Einfluss
nehmen wollten. Anhand einer Stichprobe aus der weltweiten WM-Medienberichterstattung arbeitet er das Vorstellungsbild heraus, das bei Journalisten, die aus
Deutschland in ihre Heimatländer berichteten, zu Beginn der WM vom WM-Gastgeberland bestand. Er zeigt Veränderungen dieses Deutschlandbildes durch jenes
sportliche Großereignis nach und vergleicht sie mit Daten, die der Weltfußballverband4 und die Deutsche Zentrale für Tourismus5 zu diesem Themenkreis in
vier Kontinenten hatten erarbeiten lassen. Er ergänzt diese Analyse dann durch
eigene Recherchen auf dem fünften Kontinent Australien.6 Die Interviews sollten
Aufschluss darüber liefern, ob und wie weit die Fußball-WM 2006 auch down under ihre Spuren im Vorstellungsbild der Menschen von Deutschland hinterlassen
hat. Gleichzeitig boten sie Gelegenheit zu untersuchen, ob die Medien grundsätzlich anders berichteten als Fans, die selbst zur WM nach Deutschland gereist waren und einen unmittelbaren Eindruck von Land und Leuten gewonnen hatten.
1
vgl. Grunig 1992a. Auf die zahlreiche Literatur hierzu können wir hier nicht näher eingehen.
vgl. Fombrun 2001, 2000, 1996, 1990.
3
Andere Analysen des Deutschlandbildes hat es selbstredend auch weit vorher sowie während und nach der W M 2006
gegeben. Es war nicht beabsichtigt, sie hier einzubeziehen und eine repräsentative Gesamtdarstelllung zu geben. Wer
das tun möchte, findet eine zusammenfassende Literaturdarstellung bei http://cms.ifa.de/pub0/biblio/stereotyp-bib/
(vgl. IFA 2006a). Das Institut für Auslandsbeziehungen hat während der WM das Bild Deutschlands auch in
Einzelanalysen untersucht, so bei Meinungsbildnern im Maghreb (vgl. IFA 2006), im Nahen und Mittleren Osten. Dabei
hat sich ergeben, dass die Daten mit aus anderen Quellen gewonnenen Eindrücken korrespondieren und diese
ergänzen. Weitere Belege nennt auch http://cms.ifa.de/info/nachrichten-presseschau/deutschlandbild-in-der-presse.
4
Die Fédération Internationale de Football Associations (FIFA) hatte vor und nach der WM 2006 bei einem
Bevölkerungsquerschnitt ein Meinungsbild zum Fußball erhoben. In zwölf Ländern auf vier Kontinenten wurden vor
der WM im September/Oktober 2005 und nach Ende der WM im Juli 2006 mindestens jeweils 500 Personen befragt, in
China, Deutschland und den USA jeweils 1000. (vgl. FIFA 2006)
5
Die Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) analysierte die Ausstrahlung des Deutschlandbildes und fragte nach
Auswirkungen auf den Tourismus. Sie untersuchte dazu vor und nach der WM die Faktoren „Image des Reiselandes
Deutschland“ und „Kenntnis über die FIFA WM-Städte und die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 allgemein“ in den
sieben Ländern, deren Fußball-Nationalmannschaften sich für die WM 2006 qualifiziert hatten (Brasilien, Frankreich,
Italien, Japan, Niederlande, Polen, Schweden), jedoch ebenfalls nicht in Australien. Durchgeführt wurde die Studie von
TNS Infratest. Befragt wurden jeweils tausend Personen.
6
Dazu liefen von September bis Dezember 2006 Leitfadeninterviews auf dem australischen Kontinent.
2
3
Die Kernfrage lautete: Was kennzeichnete vor der WM 2006 das Deutschlandbild,
welches Wissen oder welche Klischees blieben dauerhaft erhalten, was wandelte
sich und wie lässt sich das möglicherweise begründen? Das Kernantwort lautet,
in zwei Sätzen verdichtet: Sportliche Ereignisse dieser Größenordnung können
über nationale Grenzen hinweg das Vorstellungsbild von einer Nation wesentlich
mitgestalten. Daher kann eine geplante und intensive Kommunikation über ein
solches sportliches Großereignis das Vorstellungsbild von einer Nation auch
positiv prägen.
Inhalt
1.
1.1
1.2
1.3
1.4
Sport und nationale Reputation
Das Image von Nationen
Deutschland als Marke
Historische Erfahrungen mit dem Sport
Der Massensport Fußball
Seite
4
4
6
10
14
2 Die Fußball-WM 2006
2.1 Die WM im Überblick
2.2 Kampagnen vor der WM
17
17
17
3
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
Das Deutschlandbild in den Medien
Land und Leute
Nationalcharakter
Geschichte und Politik
Gründe für den Imagewandel
Zugewinn an Reputation
Verbleibende Ängste
21
23
25
29
34
37
39
4
4.1
4.2
4.3
4.4
Das Deutschlandbild in australischen Interviews
Land und Leute
Nationalcharakter
Geschichte und Politik
Das Deutschlandbild der Alteingesessenen und der Einwanderer
40
42
44
48
48
5
Schlussfolgerungen und Ausblick
50
6
Anhang: Analysierte Medien und Literatur
53
4
1
Sport und nationale Reputation
1.1
Das Image von Nationen
Images entstehen nicht zufällig. Das gilt für Unternehmen und deren Marken
ebenso wie für Nationen und ihre Menschen.7 Sie lassen sich gezielt erzeugen
und zum Nutzen derer, die das tun, entwickeln und verbreiten. Man spricht
deshalb nicht zufällig von Imagepolitik.
Trotzdem: Images entwickeln sich auch, ohne dass jemand sie plant oder steuert. Das kann sehr wohl gegen den Willen und zum Schaden derer geschehen,
die davon betroffen sind. Deutschland ist dafür ein gutes Beispiel. Als Mitauslöser des Ersten und als Auslöser des Zweiten Weltkriegs galt Deutschland im
20. Jahrhundert in vielen Ländern der Welt als militaristisch. Der Holocaust be lastet das Deutschlandbild auf Generationen. Die erfolgreiche Exportwirtschaft
hat diese dunkle Vergangenheit zwar allmählich immer stärker überdeckt und
das ursprünglich einmal vom Ausland abwehrend eingesetzte Label Made in
Germany zu einem Gütezeichen gemacht. Mit ihm hat sich auch das Bild des
Herstellerlandes Deutschland entwickelt. Was aus Deutschland kommt, gilt als
technisch gut, und die Menschen, die solche Produkte hervorbringen, gelten als
tüchtig. Der Ruf des ordnungsliebenden und effizienten Deutschen machte ihn
aber keineswegs auch schon beliebt.
Nun setzen Unternehmen ihre strategische Markenführung gezielt dazu ein, ihre
Marken im Vorstellungsbild von Käufern und Nutzern zu prägen. Sie organisieren
das über Erle bniswelten. Denn sie wissen, dass besonders das nachhaltig wirkt,
was jemand persönlich erlebt hat – sehr viel stärker als das, was ihm nur erzählt
wird oder was er den Medien entnimmt. Ähnlich lassen sich auch Vorstellungsbilder von Nationen entwickeln und transportieren; dann nämlich, wenn möglichst
viele Menschen einen möglichst authentischen Eindruck von Menschen in anderen
Ländern gewinnen. Die heute am besten geeignete Plattform für einen solchen
Imagewandel ist der Sport.
Wer Images verändern will, muss vorsichtig sein, dass er nicht nur eine Fassade
verändert, sondern auch eine Substanz. Ein Image ist es ein „vereinfachtes, überverdeutlichtes und bewertetes Vorstellungsbild.“8 Es kann stimmen, aber muss
das keineswegs. Es kann nicht nur falsch sein, sondern auch gezielt gefälscht werden. Der renommierte amerikanische Wissenschaftler James Grunig unterstellte ,
dass ein Akteur ein Image aus dem Nichts kreieren könne.9 Grunig erinnerte an
Edward Bernays, der hinter Images allenfalls Schatten und Illusionen vermutete.
7
8
9
vgl. Davison 1973.
Bentele 1999: 159 nach Bergler 1991; vgl. Bentele 1992.
Grunig 1992b: 1.
5
Auch für Cutlip ist Image das Gegenteil von Wirklichkeit.10 Der frühere amerikanische Präsident Ronald Reagan, der als ehemaliger Filmschauspieler genau
wusste, wie man aus bloßen Kulissen den Eindruck von Wirklichkeit hervorzaubern kann, sagte sogar kurz und bündig: „Fakten sind ganz dumme Sachen.“11
Um in einer „pluralistischen Welt frei verfügbarer Bedeutungen“12 nicht auf be liebige Image -Kulissen herein zu fallen, ziehen Kommunikatoren für realitätsnahe Vorstellungsbilder einen anderen Begriff vor, den der Reputation. Sie entsteht, wenn jemand das, was er beurteilt, selbst einschätzen kann und dabei zu
vorteilhaften Ergebnissen kommt. Wer Vorstellungsbilder von Menschen oder
Sachverhalte n seriös entwickeln will, darf, um mit Dozier zu sprechen, kein
Image vortäuschen, sondern muss Reputation entwickeln. Das nennt Dozier
„in Organisationen etwas völlig anderes als das, was Imagemacher anbieten.”13
Das gilt wie schon erwähnt nicht nur für Produkte und Marken, sondern auch für
ganze Nationen.14 Nationale Images fußen auf Ansichten über eine gewachsene,
von den Menschen dieser Nation bewohnte Landschaft, auf Überlieferungen zur
deren Herkunft und auf ihren gemeinsamen Erinnerungen, auf einer von allen
geteilten Kultur, einer Wirtschaft sowie allgemein verbindlichen Rechtsnormen
und Plichten gegenüber der Gemeinschaft.15 Jede Nation glaubt in dieser Hinsicht
anders als andere zu sein. Ihre Bürger fühlen sich zur nationalen Gemeinschaft
zugehörig und sind mit ihr solidarisch. Im Großen und Ganzen sehen sie mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Nicht selten sind sie auf die Leistung ihrer Nation auch so stolz, dass sie anderen davon abgeben wollen - freiwillig oder unfreiwillig, letzteres oft in missionarischem Anspruch, die Welt zu beglücken oder
vor Verderben zu bewahren. Die eigene Nation ist dann etwas Besseres, und andere tun gut daran, das an zuerkennen.16 So entstehen nationale Stereotypen.
Sie sind keineswegs nur ein Korsett. Sie erleichtern es Menschen auch, Zugang
zu fremden Nationen und deren Kulturen zu finden. Denn wer ein Klischee sieht,
sieht zunächst das, was er kennt, und fühlt sich nicht fremd. Klischees erleichtern die Orientierung, weil sie die Bürger „mit vorgefertigte n Bezugsrahmen versorgen, die sie befähigen, das fremde Land und dessen Bewohner sozial einzuordnen und zu strukturieren.“17 Weil Klischees eigene Gewohnheiten und Werte
von denen anderer abgrenzen, stiften sie Identität. Das stärkt normalerweise
das Gefühl zusammen zu gehören. Natürlich können solche Klischees aber auch
abgrenzen, andere schlecht aussehen lassen, ja sogar Verachtung e rzeugen.18
10
Alle Zitate ibid., für diese Darstellung ins Deutsche übersetzt.
Time Magazine vom 29.8.1988.
12
Siemons, 1991.
13
Dozier, a.a.O., vgl. Peetz et al. 2003, zur globalen Dimension von Reputation vgl. auch Morley 1998.
14
vgl. Anholt -GMI 2006, The Pew 2006, Kunczik 1990a,b, 1989.
15
vgl. Anderson 1983: 1.
16
vgl. ibid.: 20 f.
17
Müller 2004: 48.
18
vgl. Holzhawm 1991.
11
6
Klischees prägen bis zu einem gewissen Grade das kollektive Gedächtnis einer
Nation. Es ist ein kommunikatives und ein kulturelles Gedächtnis. Kommunikativ
kann es genannt werden, weil der einzelne Bürger Erinnerungen mit anderen teilt.
Solche Erinnerungen reichen aber nur so weit zurück, wie Me nschen leben, also
etwa drei Generationen. Länger wirkt dagegen das kulturelle Gedächtnis schriftlicher, künstlerischer und anderer Artefakte. Hebt man sie sorgsam auf und zeigt
man sie immer wieder einmal öffentlich vor, überdauert es Jahrhunderte.
1.2
Deutschland als Marke
Was als regelrecht deutsch gilt, zeigt sich in verschiedenen Untersuchungen19
ziemlich ähnlich: Als typisch deutsch eingeschätzt werden Eifer und Disziplin,
Arbeitsamkeit und Wille.20 Als wenig typisch gelten dagegen Kreativität und
Unbekümmertheit. Deutsche, so sagt dieses Bild, sind effizient und deshalb
erfolgreich; sie müssen es sein, weil Menschen in anderen Nationen weniger
Effizienz durch mehr Brillanz zu ersetzen vermögen. Im Umgang mit anderen
zeigen die Deutschen sich diesem Stereotyp zufolge rau und hart, was sich auch
in der Art ausdrückt, wie sie sprechen. Ihre äußere Erscheinung ist eher groß
und ihr Auftritt wenig elegant, eher behäbig.21 Symbole des herkömmlichen
Deutschlandklischees sind Bratwurst, Bier und Gartenzwerg.
19
Müller 2004, Stierstorfer 2003, Olins 1999, Süssmuth 1996, Mahle 1995.
Als typisch deutsch galten Arbeit, Industrie, Technologie, Verkehr, Sportartikel sowie Medien, Kunst, Architektur und
Design; vgl. Schnepper 1990.
21
vgl. Müller 2004: 535.
20
7
In einzelnen Ländern wird dieses Bild von zusätzlichen Facetten geprägt. So ist
das Deutschlandbild in Großbritannien stark von der deutschen Geschichte abhängig22 sowie vom Bildungswesen, von Gebäuden und Städten, vom Essen und
Trinken und vom Sport. Diese Ausprägungen bestimmen das Bild am stärksten.
In zweiter Linie prägt die Wirtschaft, besonders gute Autos. Erst danach folgen
aus britischer Sicht die deutsche Mentalität, die überwiegend positiv eingeschätzt
wird (nett und sympathisch, effektiv und gut organisiert), in geringerem Maß die
Politik (friedliche Außenpolitik, engagierte Mitgliedschaft in der EU, gute Umweltpolitik). Für die Briten ist Deutschland machtvoll und einflussreich. Das hat positive, aber ebenso sehr negative Ausprägungen. Bei
letzteren denken Briten vor allem an die Rolle der
Deutschen in den beiden Weltkriegen, besonders an
die NS-Zeit. Aber auch schlechtes Essen und schlechter Fußball gelten als typisch deutsch, ebenso wie
ein unhöflicher, ja rüder Umgangston, Humorlosigkeit sowie Arroganz mit teilweise rassistischen bis hin
zu rechtsextremistischen Zügen.23
Deutsch ist im Ausland fast gleichbedeutend mit
süddeutsch und süddeutsch abgesehen von etwas
Schwarzwaldromantik (Bild oben) weitgehend mit Bayern. „Bayerns Erfolg war so
überragend, dass es fast dem ganzen Land ein Markenimage verpasst hat, ähnlich wie die Automobilindustrie auf dem Sektor des Güterexports. Für viele Ausländer sind Lederhosen fast gleichbedeutend mit Deutschland, und das Münchner
Oktoberfest ist die einzige Veranstaltung, von der fast jeder im Ausland schon
einmal gehört hat.“24
Es gibt aber auch Anzeichen dafür, dass sich Elemente eines frischen, aufge schlossenen, weltoffenen Deutschlandbildes verbreiten, etwa über die Werbung.
Bei internationalen Wettbewerben gewannen deutsche Einreicher 2006 so viele
Medaillen wie noch nie.25 Beim Wettbewerb des europäischen Art Directors Club
etwa erreichte die deutsche Werbung Platz 1. Jede dritte Auszeichnung (42 von
125) ging nach Deutschland. Ähnlich erfolgreich waren deutsche Einreicher beim
Werbefilmfestival in Cannes und bei Internationalen Preisen für Design, Druck
und Außenwerbung der New York Festivals. Ein Grund war nach Einschätzung
des Präsidenten des europäischen Art Directors Club Johannes Newrkla der
22
Der deutsche Botschafter Thomas Matussek sprach in einer britischen Tageszeitung von nicht „zu viel Hitler“,
sondern „zu wenig Bundesrepublik". Die Lehren, die Deutschland aus dem Holocaust und aus dem Zweiten Weltkrieg
gezogen hätte, blieben etwa im Geschichtsunterricht britischer Schulen fast vollständig unbeachtet. Mattuseks
Minister, der damalige Außenminister Joschka Fischer, fügte in einem BBC-Interview im Jahr 2005 hinzu, den
traditionellen preußischen Stechschritt könne man am besten im britischen Fernsehen lernen, „denn in Deutschland
weiß in der jüngeren Generation - sogar in meiner Generation - niemand mehr, wie das geht."
23
vgl. Goethe-Institut 2005a.
24
Olins 1999: 63.
25
vgl. Innovations-Report 2006.
8
humorvolle und selbstkritische Ansatz, den die prämierten Leistungen zeigten.
Die Deutschen, sagte er, lernten das Augenzwinkern, und das mache sie erfolgreich. Einen augenzwinkernden Umgang sogar mit nationalen Symbolen zeigten
der gebürtige Ulmer Bernhard Wilhelm mit traditionellen Trachtenelementen in
seinen Kollektionen, ferner die die zuvor bei Yamamoto, Galliano und Hermès
tätig gewesene Kölner Modedesignerin Eva Gronbach in modischen Experimenten mit deutschen Symbolen und die Designer Hugo Schneider und Uli Dziallas
mit ihrer Mode in schwarz-rot-gold. Die Schmuckdesignerin Jette Joop hatte
eine ihrer Schmuckkollektionen schon 2001 I love Germany genannt.26
Das alles ist sehr viel mehr als ein Spiel. Ist eine Marke das dynamische Resultat
der Wechselwirkung von Image und Kultur, unterstützt durch eine Vision27, dann
kann die „Marke Deutschland“ mehr leisten als nur folkloristische Versatzstücke
oder die Farben einer Landesflagge neu zu arrangieren und sie in spielerischer
Verwandlung als Produkt auf den Markt zu bringen. Was angeboten wird, muss
dann nämlich das Selbstverständnisses eines Landes widerspiegeln, die nationale Vision spielerisch, aber eben keineswegs zufällig verwandeln. Eine solche
Vision ist eine komplizierte Mischung aus tief verwurze lten, kaum oder gar nicht
veränderbaren Elementen und anderen, die eher unbeständig sind.28 Es ist also
schwer, sie zu fassen.
D
26
27
28
alle Belege: ibid.
Olins 1999: 48.
ibid.
9
Deutschland ist mit Einschränkungen eine starke Marke. Die erwähnten Beispiele
zeigen, dass erfolgreich versucht wird, sie für eine ne ue Generation neu zu interpretieren und sie auf diese Weise weiter zu entwickeln. Das ist jenseits von Werbung und Mode auch anderswo möglich, etwa im Sport. Auch ein solcher Wandel,
sagen Experten, wirkt sich breit aus29 und ermöglicht neue Geschäfte.
„Anstelle eines maskulinen und technikorientierten Profils ließe sich eine realistischere und vielfältigere Vorstellung von Deutschland vermitteln, wodurch deutlich mehr Hersteller ihre nationale Herkunft als Imagefaktor nutzen könnten.“30
Auch wenn ein Land normalerweise eine Marke darstellt, die durch Diplomatie
und Werbung gepflegt und verbreitet werden kann, entwickeln erst wenige
Staaten ihre nationale Markenführung genauso strategisch wie Unternehmen
ihre Marken gestalten.31 Natürlich gibt es stets eine Flagge, ein Hymne und
29
Kunczik betont, es sei fast unmöglich, die international ausgerichteten PR-Botschaften von Staaten von solchen zu
unterscheiden, die wirtschaftliche oder sozial ausgerichtete Verbände wie die UNESCO oder die Weltbank,
Greenpeace, der World Wildlife Fund oder Amnesty International aussendeten. (Kunczik 1997: 27) Den Sport erwähnt
Kunczik nicht ausdrücklich; er ist aber ganz ähnlich zu werten.
30
ibid.: 67.
31
vgl. Schweiger 1990.
10
andere Symbole. Diese herkömmliche Methode, eine Nation als Marke zu ge stalten, hält Olins jedoch rundheraus für überholt.32 Das zeigt ein nochmaliger
Vergleich mit der Wirtschaft. Sie hat längst Konsequenzen daraus gezogen, dass
Zustimmung und Treue zu einer Marke vor allem durch Erlebniswelten gefördert
werden.33 Die Strahlkraft einer Marke gewinnt viel weniger durch symbolische
Handlungen von Repräsentanten (Vorstände von Unternehmen oder Politikern)
als vielmehr dadurch, dass man Menschen nicht zu bloßen Zuschauern macht,
sondern sie in Ereignisse einbindet.
Dies gilt negativ wie positiv. Negative Erfahrungen haben Menschen aus vielen
Staaten sehr direkt mit dem früher militaristischen Deutschland gemacht. Später
haben persönliche Erlebnisse mit Produkten aus dem Land des Wirtschaftswunders dieses historische Bild überlagert. Heute setzen sportliche Großereignisse
Massen in Bewegung und erreichen sie emotional. Es macht daher viel Sinn, den
Sport als Instrument der nationalen Markenführung34 zu nutzen; mehr noch: Es
ist so etwas wie der Königsweg für neue emotionale Erfahrung. Das gilt nicht nur
im eigenen Land, sondern – wie die WM 2006 exemplarisch gezeigt hat – weltweit.
1.3
Historische Erfahrungen mit dem Sport
Der Sport war in der Vergangenheit in manchen Gegenden populär, in anderen
galt er wenig. In der Antike war er geschätzt. Griechische Statuen sind bis heute
Sinnbilder sportlicher Körper. Die Olympischen Spiele gehen bekanntlich bis in
diese Zeitspanne zurück. In den meisten Jahrhunderten danach galt der Sport
aber wenig. Erst im 19. Jahrhundert erlebte er in Europa eine Renaissance.35
Die moderne Sportbewegung hat sich damals nämlich in England entwickelt. Dort
verbanden sich „körperliche Übungen und Kampfspiele aus vorindustrieller Zeit
mit dem Leistungs-Ethos und der Wettbewerbs-Ideologie des Manchester-Kapitalismus.“36 Das hat nichts daran geändert, dass der Sport noch im 20. Jahrhundert als eine „Rest-Barbarei in der Moderne“ eingeschätzt werden konnte.37 Theodor Adorno, der in der jungen Bundesrepublik Deutschland die kritische Theorie maßgeblich mitgeprägt hat, hielt Sportereignisse für totalitäre Massenversammlungen und den Sport deshalb für eine Erziehung des Menschen zu e iner
Maschine.38 Erst seit den 1960er Jahren wird der Sport als ein Spiegelbild der
32
Olins 1999: 23.
Besonders konsequent und erfolgreich tut dies die Automobilmarke MINI; vgl. Kleebinder 2008.
34
vgl. Kahle/Riley 2004.
35
vgl. Krüger 1980, Stollenwerk 1996.
36
Elias 1971, zit. nach Müller 2004: 70.
37
So der US-Soziologe Thorstein Veblen, cit. nach Ott 2003: 16. Auf dieses Urteil dürften die sportlichen
Massenauftritte in totalitären Regimen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts eingewirkt haben.
38
ibid.
33
11
Gesellschaft eingeschätzt und geachtet.39 Für den deutschen Soziologen Helmuth
Plessner galt er als ein geeignetes Feld, um sie zu untersuchen.40 Wie sehr heute
der Sport die Mitte der Gesellschaft erreicht hat, zeigt bereits ein einziger Blick
auf die Statistik: Jeder dritte Deutsche ist über einen Sportverein im Deutschen
Sportbund organisiert.
Der Sport wurde schon seit der Antike dazu instrumentalisiert, die Herrschenden
strahlen zu lassen. Bereits im Altertum haben Politiker in reichen Städten Sportler
dafür bezahlt, sich dieser Sportler rühmen zu können und sich selbst rühmen zu
lassen.41 In jüngerer Zeit haben die Medien diese Aufgabe übernommen, zuerst
Zeitungen. Schon im Jahr 1817 begann die britische Zeitung Morning Herald damit, Sportberichte abzudrucken. Bereits vier Jahre später erschien erstmals eine
eigene Sportzeitung, genannt Sporting Life . Bis das nach Deutschland ausstrahlte, dauerte es allerdings noch zwei Generationen. Erst 1885 leistete sich der Berliner Börsencourier einen eigenen Sportredakteur.
Parallel zum wachsenden Volumen von Sportberichten in Zeitungen42 hat auch
die Politik den Sport wiederentdeckt. Das hängt mit der Neugründung der Olympischen Spiele im Jahr 1896 zusammen. Sie entwickelten sich schnell zu Plattformen nationalen Wettbewerbs und damit politischen Ehrgeizes. Bereits vor dem
Ersten Weltkrieg stockte die deutsche Reichsregierung die finanziellen Mittel für
die 1916 in Berlin geplanten Olympischen Spiele mehrmals auf, um Frankreich
auszustechen.43 Wegen de s Krieges gab es diese Olympischen Spiele dort be kanntlich erst 1936; sie hatten die Rüstung für den Zweiten Weltkrieg auf kurze
Zeit vergessen zu machen, was ja auch gelang. Insoweit waren sie ein politisch
groß angelegtes Täuschungsmanöver.44 Diese Spiele förderten jedoch die nationale Identität ebenso wie dies der Sport ganz allgemein soll und vermag.45
Was den einen dabei half, ihre nationalen Gefühle auszudrücken, beobachteten die
anderen mit äußerst gemischten Gefühlen. Das zeigt sehr schön eine Schilderung
aus jenen 1930er Jahren: „Auf der Gegentribüne war gerade die rote Hake nkreuzfahne eines deutschen Schlachtenbummlers erschienen. Einsam und ve rlassen
ragte sie aus einer Zone noch leerer Ränge hervor. Alle Blicke wandten sich ihr zu,
verblüfft, fast ungläubig. Zum ersten Mal hatte das französische Volk Muße,
einen echten Vertreter des neuen Deutschland zu betrachten. Fünf Minuten
später strömten sie zu Hunderten, ja zu Tausenden heran, nahmen gut ein
Viertel des weiten Runds in Beschlag. Die schwarze Menge war gespickt mit
39
vgl. Rowe 1999, Elias 2003.
cit. nach Binnewies 1973: 8.
41
vgl. Krüger 1996: 70 ff.
42
vgl. Schramm/Marr 2008.
43
ibid.
44
vgl. Güldenpfennig 1992.
45
vgl. Krüger 1997, 1980, Seitz 1997, 1987, Settekorn 2006, Skibowski 1999.
40
12
einem Wald r oter Fähnchen, die sich wie Mohnblumen unter einem Gewitter
wiegten. Einen Moment lang verstummte die Geräuschkulisse und ließ einer
Totenstille Platz, einem Schweigen, das die teutonischen Kohorten sich zur Pflicht
machten mit lauten Gesängen zu brechen, deren Disziplin, Präzision und Schwere
uns buchstäblich die Eingeweide zusammenzogen. Nach einem Moment der
Verblüffung versuchte Frankreich dagegen anzusingen, aber den schweren
rheinischen Liedern waren wir nicht ge wachsen.“46
Weil der Sport in so großem Maß politisch instrumentalisiert werden kann, haben ihn die alliierten Mächte nach 1945 nur sehr vorsichtig zugelassen und die
Sportkommunikation sorgsam kontrolliert. Damals ist das zuvor deutsch gewesene Elsass wieder zu Frankreich gekommen. Deutschsprachige Zeitungen
durften dort zwar weiter erscheinen. Ihr Sportteil musste aber französisch sein,
wusste man doch, dass gerade der Sport nationale Gefühle transportiert.47
Erst sieben Jahre später, 1952, gab es wieder ein deutsch-französisches Länderspiel, und zwar in Paris. Die Vorsichtsmaßnahmen waren so groß, dass Frankreich
darauf verzichtete, die Nationalhymne zu spielen, um die eigenen Fans nicht in
nationale Wallung zu bringen. So viel Vorsicht hatte man niemals zuvor walten
lassen. Die deutschen Fans wurden von einer deutschen Zeitung ebenfalls ermahnt, sie „sollten sich nicht, wie es bei früheren Anlässen beobachtet worden
ist, im Absingen von Massenchören hervortun, weder beim Spiel noch auf den
Boulevards.“48 Zwei Jahre später hat dann der Sieg Deutschlands über Ungarn in
46
François Boyer, cit. nach Müller 2004: 99, vgl. auch Bassewitz 1990 sowie generell Preisinger 1999 und
Kozminski/Kropf/Roessner 2006.
47
vgl. Wahl 1995: 349.
48
Sonntag 1998: 242.
13
der Fußballweltmeisterschaft das „Wunder von Bern“ möglich gemacht. Es brachte den im Krieg besiegten Deutschen erstmals ein Stück Selbstvertrauen zurück.
Und es bot der Nation nach den Worten des Franzosen Raymond Aron zugleich
„die Rückkehr in die Gemeinschaft der zivilisierten Völker.“49
Mit bisher drei Weltmeistertiteln ist Deutschland eine der großen Fußball-Nationen. Nur 1930 und 1950 hatte Deutschland an FIFA Fußballweltmeisterschaften
nicht teilgenommen. Nach dem Erfolg der „Walter-Elf“ in Bern gegen Ungarn ge wann die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Jahr 1974, also zwanzig Jahre später, im eigenen Land gegen die Niederländer. 1990 siegte Deutschland in
Italien durch Elfmeter gegen Argentinien. 2002 kam Deutschland bei der Weltmeisterschaft in Korea und Japan ins Finale, verlor jedoch gegen Brasilien.
Der Sport säte aber auch Zwiespalt. Ende der 1960er Jahre lösten Qualifikationsspiele zur Fußballweltmeisterschaft zwischen Honduras und Salvador so große
Spannungen aus, dass es am 14. Juli 1969, dem französischen Nationalfeiertag,
zwischen beiden Ländern zu einem kurzen Krieg kam. Er dauerte vier Tage.
Trotz solcher beschämender Ereignisse: Der Sport hat die Verständigung und damit den Frieden auch gefördert. In den 1970er Jahren entwickelten sich Tischtennis-Kontakte zwischen den USA und China. Diese seither sprichwörtliche „PingPong-Diplomatie“ näherte mitten im Kalten Krieg beide Länder aneinander an.
Ebenfalls in den 70er Jahren wurde der Sport sogar per Gesetz zu einer nationalen Sache gemacht. Denn 1975 verabschiedete Frankreich das sogenannte loi
Mazeaud. In se iner ersten Bestimmung heißt es: Die Entwicklung und Ausübung
physischer und sportlicher Aktivitäten ist ein grundlegendes Element der Kultur
und deswegen eine nationale Verpflichtung.50
In vielen seinerzeit sozialistischen Ländern diente der Sport dazu, mangelnde
diplomatische Anerkennung oder zu geringe wirtschaftliche Macht durch Sporterfolge zu kompensieren und wenn möglich diesen Plan sogar überzuerfüllen.
Die Sportpolitik der DDR diente ausdrücklich diesem „nationalen“ Prestige. Bei
den Olympischen Spielen in Seoul 1988 war die DDR äußerst erfolgreich. Rein
rechnerisch errang sie eine Goldmedaille pro 70.000 DDR-Einwohnern. Verglichen mit einer Goldmedaille auf je 1,8 Millionen US-Amerikaner war das ein
bemerkenswertes und entsprechend breit kommuniziertes Ergebnis.51
Auch in jüngster Zeit hat der Sport seine nationale Faszination in keiner Weise
verloren. In den 1990er Jahren, nach dem Auseinanderfallen der Sowjetunion,
49
cit. nach Pfeil 1998.
vgl. Caillat 1989: 14.
51
vgl. Inst. Int. de Geopolitique 1999.
50
14
von Jugoslawien und der Tschechoslowakei, beantragten die neuen Einzelstaaten
als eine ihrer ersten Handlungen die Aufnahme in den Weltfußballverband FIFA noch vor dem Aufnahmeantrag in die Vereinten Nationen. Und noch im zu Ende
gehenden 20. Jahrhundert, 1998, zeigte ein vergleichender Blick auf die FIFA und
auf die UNO: Der Weltfußballverband hatte 198 Mitglieder, zwölf mehr als die UNO.52
1.4 Der Massensport Fußball
Fußball ist der Massensport Nummer 1. Seine Wurzeln liegen in England. Dort
entwickelte er sich in teuren Internaten als ein Freizeitvergnügen junger Burschen
aus guten Familien. Heute ist er in allen Schichten und beiden Geschlechtern be liebt. Ein World Cup machte diese Sportart selbst in einem Land bekannt, in dem
er zuvor wenig populär war, in den Vereinigten Staaten.53 Die Fußball-WM 1994
wurde von Radio und Fernsehen bereits weltweit übertragen.54 Jeweils rund eine
Milliarde Menschen sahen die Finalspiele 1998 und 2002 an den Fernsehgeräten.55
Bereits im Jahr 1998 sollen die Menschen in allen Kontinenten ihre Fernseher deswegen 37 Milliarden Mal eingeschaltet haben.56 Schon seit längerer Zeit wird die
Ausstrahlung Olympischer Spiele – das Wort Ausstrahlung ist hier durchaus in
seinem doppelten Wortsinn gemeint – relativ genau analysiert.57 Die Menge an
Menschen, die sich seit 1998 für die Fußball-Weltmeisterschaften interessierte,
stellt aber die Breitenwirkung selbst olympischer Spiele weit in den Schatten.58
Kein anderes politisches, kulturelles oder sportliches Ereignis wird weltweit so
stark beachtet. Das hat hierzulande wie anderswo auch einen einfachen Grund:
In Deutschland erklärte schon vor einem Jahrzehnt jeder zweite Bürger über 14
Jahre, er sei „sehr fußballinteressiert“ oder sogar „fußballbegeistert“.59
Als eine Konsequenz gilt er Zugang zu Fußballereignissen gilt in Deutschland ge radezu als „Grundrecht“.60 Denn die vierte Änderung des deutschen Rundfunkstaatsvertrags vom April 2000 legte fest, dass das deutsche Fernsehen außer
Olympischen Sommer- und Winterspielen auch Fußball-Europa- und Weltmeisterschaften für jedermann frei empfangbar übertragen muss, und zwar „alle
Spiele mit deutscher Beteiligung sowie unabhängig von einer deutschen Beteiligung das Eröffnungsspiel, die Halbfinalspiele und das Endspiel“ sowie zahlreiche
weitere genau festgelegte Spiele.61
52
vgl. Müller 2004: 20.
vgl. Merkel 1994.
54
vgl. Daehmen 1999.
55
vgl. FIFA 2006.
56
ibid.
57
vgl. Real 1986.
58
50 gegenüber 35 Milliarden Stunden, vgl. FIFA 2006.
59
Rahmann 1998: 5.
60
Kurbjuweit 1997: 1.
61
vgl. Breith 2002: 4 f.
53
15
Vor und nach der WM 2006 hat der Weltfußballverband international untersuchen
lassen, wie populär sein Sport aktuell ist. Das geschah in den Ländern, die sich
an der WM 2006 mit eigenen Mannschaften beteiligten: in Europa (Deutschland,
Großbritannien, Italien, Spanien, Russland), in Amerika (Brasilien, Mexiko, USA),
in Asien (China, Japan, Südkorea) sowie in Südafrika. Die Basis waren direkte Interviews bei einem Bevölkerungsquerschnitt. Sportjournalisten, Sportmarketingund -werbeleute waren ausgeschlossen, weil man bei ihnen Interesse am Fußball hatte voraussetzen können.62 Auf Australien hatte FIFA diese Analyse nicht
ausgedehnt.
Das Ergebnis war deutlich: Mit Ausnahme der USA war der Fußball überall der
Sport Nummer 1. Der Fußball ist so bekannt wie Olympische Spiele, aber interessiert noch mehr Menschen. Er hat mehr glühende Anhänger als jede andere
Sportart gelegentliche.63 Die meisten Befragten, mehr als zwei Drittel, interessierten sich vor allem für die eigene Nationalmannschaft. Aber auch ausländische Teams wurden interessiert beobachtet, freundlich begrüßt und bei Erfolgen
begeistert gefeiert. Die französische, spanische, brasilianische oder japanische
Nationalmannschaft wurden während der WM 2006 sehr populär, und dies be sonders in Deutschland, Frankreich und Italien.
Weil der Fußball so viele Menschen bewegt, ist er geradezu naturgemäß auch ein
bede utender Wirtschaftsfaktor. Besonders in England ist der Fußball ein RiesenGeschäft.64 Weltweit schätzte man den Umsatz, den er pro Jahr generiert, schon
in den späten 1990er Jahren auf 250 Milliarden Euro.65 Das entspricht etwa dem
deutschen Bundeshaushalt. Der Sport erzeugt etwa eineinhalb Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts; das sind rund 30 Milliarden Euro, und beschäftigt
in diesem Land fast zweieinhalb Prozent der Erwerbstätigen. Das ist nicht einmal
erstaunlich, wenn man diese Werte mit folgenden Zahlen vergleicht: Der Deutsche
Fußball-Bund hat in über 26.000 Vereinen mit 150.000 Mannschaften mehr als
sechs Millionen Mitglieder.
So weit dieses zusammenfassende Bild. Im Hinblick auf die später in dieser Publikation verarbe itete Fallstudie Australien sind nun einige kurze Angaben zum
Fußball auf dem fünften Kontinent nötig. Dort gibt es zwei Sportarten, die mit
dem Wort Fußball übersetzt werden: Australian rules football und Soccer. Australian rules football ist dem Rugby sehr ähnlich und in Australien äußerst be 62
vgl. FIFA 2006.
Nur jeder fünfte Befragte sagte nach der WM 2006, er interessiere sich für Fußball wenig oder gar nicht. Bei
Leichtathletik zeigte sich dagegen jeder dritte, beim Segeln deutlich mehr als die Hälfte desinteressiert. Umgekehrt
sahen vor der WM schon fast die Hälfte (49 Prozent) der Befragten Fußballspiele im Fernsehen, danach sogar 55
Prozent.
64
vgl. Blain 1993, Boyle/Haynes 2006.
63
65
vgl. Vassort 1999:9.
16
liebt.66 Als Soccer bezeichnen die Australier die in Europa übliche Form des Fußballs;67 ihre Aktiven und Anhänger werden deshalb Socceeros genannt. Um beide klar voneinander abgrenzen zu können, werden im folgenden Text für Fußball die englischen Begriffe Soccer und Australian rules football benutzt.
Soccer galt in Australien lange als Sport europäischer Einwanderer. Am stärksten
wurde er von Italienern und Griechen geprägt. Generell ist Soccer im Süden des
Kontinents – schon wegen der klimatischen und geographischen Bedingungen verbreiteter als im subtropischen und tropischen Norden. Populär ist er am ehe sten in den südaustralischen Großstädten Sydney und Melbourne und dort meist
unter Jugendlichen. Von professioneller Qualität war er lange recht weit e ntfernt.
Noch 2006 urteilte ein Kenner: „Die meisten Teams waren schlecht gemanagt.“68
Aber das hat sich geändert. In Brisbane und Sydney ist Soccer mittlerweile populärer als Australian rules football. Dieser europäische Sport bekam in den letzten
Jahre n vor allem deshalb mehr Aufmerksamkeit, weil der australische Fernsehsender SBS Soccer-Spiele ausstrahlte. Motor dieser Popularisierungskampagne
war der SBS-Journalist Les Murray. Den Durchbruch zu breiter Popularität schaffte
Soccer in Australien 2006, nachdem sich die australische Nationalmannschaft für
die FIFA-WM hatte qualifizieren können.
Auch in Australien gilt: Je populärer ein Sport wird, desto stärker wird in ihn investiert. 2006 beliefen sich die vertraglich gesicherten Fördermittel auf ca. 150
Millionen australische Dollar für einen Zeitraum von sieben Jahren. Noch zu Anfang des 21. Jahrhunderts69 hatte das als völlig unrealistische Summe gegolten:
„It’s jumping over the moon.70 Der Australian rules football bekommt allerdings
nach wie vor de utlich mehr Geld: 780 Mio. A$ in einem halben Jahrzehnt.
Gestiegen sind in Australien auch die Zuschauerzahlen für Soccer. Nahezu drei
Viertel der Bevölkerung schauten sich im Fernsehen die Fußball-Weltmeisterschaft an – jedenfalls so lange ihre Nationalmannschaft mit von der Partie war.
13 Millionen TV-Zuschauer hat man ermittelt. Der erwähnte Sender SBS hatte die
Ausstrahlungsrechte für die WM erworben. Parallel zur Übertragung der Spiele
verbreitete er eine Vielzahl von Beiträgen über das Gastgeberland Deutschland
und dessen Kultur. Insgesamt hat SBS im Zeitraum der Fußball-WM 64 Features
gesendet, einen Beitrag pro Fußballspiel. Dabei ging es um Stadtportraits, um
Architektur, um landschaftliche Besonderheiten, um den deutschen Alltag und,
wie nicht anders zu erwarten, um Bier (Münchner und Kölsch).
66
Es gibt 16 Clubs, zehn von ihnen im Bundestaat Victoria. Mit sechs Millionen Zuschauern in drei Jahren ist dieser
Sport der beliebteste in Australien.
67
Es gibt acht Clubs. Seit 2005 veranstalt et die Football Federation Australia (FFA) eine nationale Meisterschaft.
68
Mark van Aken, Pressesprecher des Fußballverbandes Victoria.
69
Noch 2004 waren gerade einmal ein paar Tausend Dollar für Soccer ausgegeben worden.
70
Mark van Aken, Pressesprecher des Fußballverbandes Victoria.
17
2
Die Fußball-WM 2006
Alle 64 Spiele waren ausverkauft. Die durchschnittliche Zuschauerzahl von
52491 Personen war die zweithöchste in der 76-jährigen Geschichte des Turniers.71 Das ergibt eine Auslastung von 99,98 %. Die WM 2006 war aber nicht
nur ein Sportereignis, sondern zugleich das bis dahin weltweit größte Medienereignis. Das Public Viewing außerhalb der Stadien übertraf alle Prognosen.
Denn 3,3 Millionen Menschen reisten zu den Spielorten an. 76 Prozent der
ausländischen Gäste waren nach DZT-Angaben eigens wegen dieses Public
Viewing gekommen. Dazu gab es spezielle Fanfeste. Sie wurden wegen ihres
großen Erfolges gegen Ende der WM sogar nochmals erweitert. 18 Millionen
Zuschauer erlebten die Spiele auf den Fanfesten, in Cafés, Bars und Restaurants,
in Biergärten und auf Sommerfesten vor öffentlichen Bildschirmen. Im Fernsehen
haben – alle Einschaltungen addiert - 26,3 Milliarden TV-Zuschauer die 64 WMSpiele verfolgt – das wäre rund viermal die Weltbevölkerung.
2.2 Kampagnen zur WM
Die Organisatoren in Deutschland – die Bundesregierung, ihre Zentrale für Tourismus und das Organisationskomitee für die WM – begriffen diese sportliche
Großveranstaltung als Chance, das bisherige Deutschlandbild zu konkretisieren,
zu modernisieren und insgesamt zu verbessern. Sie wollten ein neues und posi tiveres Deutschland präsentieren72 und setzten sich dazu vier Ziele: eine perfekte Organisation, gute Arbeitsbedingungen für die Medien, eine fangerechte
Programmgestaltung sowie ein ausgefeiltes Kommunikations- und Marketingkonzept. Das Organisationskomitee wurde dem Bundesministerium des Inneren
zugeordnet. Dieser Stab begann seine Arbeit rund drei Jahre vor der WM.
Die Regierung setzte politisch-administrative Ziele und gab sogar Garantien. Sie
versprach, Visa schnell und servicegeprägt auszustellen, das Arbeitsrecht ebenso wie das Zoll- und Steuerrecht speziell für die ausländischen Gäste zu vereinfachen und die Sicherheit der Aktiven und der Fans zu gewährleisten. Außerdem
wollte die Regierung auf Deutschland neugierig machen, Vorfreude entstehen lassen, Deutschland als Gastgeberland international positionieren und dazu das WMMotto Wirklichkeit werden lassen: „Die Welt zu Gast bei Freunden“.73 Das hieß im
Klartext: Ehe Ausländer Deutschland positiv beurteilen konnten, mussten sich
die Deutschen erst einmal klar machen, dass ein positives Verhalten nötig war.
71
vgl. Chronik 2006: 79.
„Die moderne Marke für eine Organisation funktioniert auf eine ähnliche Weise wie ein natio nales Image. Beide
reduzieren komplexe Zusammenhänge auf eine minimale Anzahl von Symbolen. Beide haben Bedeutungsinhalte, die
durch die jeweiligen Symbole unmittelbar kommuniziert werden. Beide sind Mittel der Verständigung. Beide müssen
sich an unterschiedliche Zielgruppen wenden.“ (Olins 1999: 29)
73
vgl. Bundesregierung (Hrsg.) 2006: 9.
72
18
Mit dieser Botschaft wandten sich die genannten Gremien gle ichermaßen an ihre
Landsleute wie an Menschen, die erwogen, aus Anlass der WM nach Deutschland
zu reisen, sowie an die Fans vor den Bildschirmen in aller Welt. Für Multiplikatoren-Zielgruppen gab es Sonderprogramme. Überall, drinnen wie draußen, sollte
das Gastgeberland Deutschland als „weltoffenes, tolerantes, modernes sowie innovatives und leistungsstarkes“74 Land dargestellt und verstanden werden.
Das Organisationskomitee und seine Partner arbeiteten mehrere Jahre an zahlreichen Projekten, die Deutschland als aufgeschlossenes, fre undliches Gastgeberland und insgesamt als einen guten Standort präsentieren sollten. Zum wichtigsten Projekt wurde das WM-Gastgeberkonzept.75 Es hatte vier Schwerpunkte.
Der erste bestand aus Leistungen der Bundesregierung, beispielsweise aus den
erwähnte n Regierungsgarantien, aus Plänen und Konzepten einzelner Ressorts
wie zum Beispiel „KinderLeicht“ oder „Green Goal“76 sowie einem ausgefeilten
Sicherheitskonzept. Zweiter Schwerpunkt war die Standortwerbung für Deutschland. Sie fächerte sich in eine Reihe von Einzelprojekten auf, die teilweise auch
zwei Jahre nach der WM noch nicht beendet waren. Zu ihnen gehörte etwa die
Initiative „Deutschland – Land der Ideen“.77 In eine Standortinitiative der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft78 waren die Standort-Marketing79-Gesellschaft des Bundes80, die Invest in Germany GmbH und die Deutsche Zentrale
für Tourismus (DZT) eingebunden.
Die DZT organisierte unter anderem Events für Investoren. Sie warb für das Reiseziel Deutschland.81 Die Initiative sollte langfristige Investitionszuflüsse sicherstellen und die Attraktivität des Wirtschafts- und Tourismusstandorts Deutschland
weiter steigern. Kooperationspartner aus Kultur und Gesellschaft, Wirtschaft und
Wissenschaft wirkten mit. Zu den Projekten gehörten eine Begrüßungsinitiative
‚Welcome to Germany – Land of Ideas‘“82, ein ‚Walk of Ideas‘, eine Veranstaltungsreihe ‚365 Orte im Land der Ideen‘, ein FanClub, ein internationaler Medienservice
sowie gemeinsame Maßnahmen mit der Standortmarketingagentur des Bundes
‚Invest in Germany – Land of Ideas‘. 2005 gab es zu den wesentlichen WM-Standorten und -Ereignissen Investorenseminare. Einbezogen waren auch die Deutschen Botschaften und Außenhandelskammern. Diese global angelegte Stand74
Bundesregierung (Hrsg.) 2006: 9.
Die finanziellen Mittel für die Umsetzung des Gastgeberkonzeptes stellte der Sportausschuss des Deutschen
Bundestages zur Verfügung.
76
Die WM-Arbeit der Bundesregierung wurde sowohl bei Veranstaltungen wie auch Messen präsentiert (z.B. Tage der
offenen Tür der Bundesregierung, Investorenkongress Leipzig, Sport -Ökonomie-Kongress Bayreuth, CeBIT).
77
Das BMI stellte dafür 10 Mio. Euro bereit.
78
Vgl. http://wm2006.deutschland.de/DE/Content/Gastgeber-Deutschland/Regierungsgarantien/Regierungsgarantien/kunst -und-kulturprogramm.html.
79
„Tatsache ist, dass jedes Land eine Marke darstellt, die es durch Diplomatie und Werbung so gut wie möglich
pflegt. Aber nur wenige Länder haben es gelernt, die Frage der Marke auf die gleiche konsequente und zielgerichtete
Weise anzugehen, wie das bei professionellen Gestaltung einer Marke der Fall ist.“ (Olins 1999: 25)
80
Bundesregierung 2006: 10.
81
Diese Werbung wurde vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert.
82
Vgl. Bundesregierung 2006: 28.
75
19
ortkampagne hat sich als Kommunikationsplattform Deutschlands bewährt. Ein
Trägerve rein betreut sie auch nach der WM.
Zum genannten zweiten Aktionsschwerpunkt gehörte auch die Marketing- und
Vertriebsstrategie der Deutschen Zentrale für Tourismus. Sie hatte die FußballWM 2006 schon ab 2001 in ihre Planung eingefügt und kommunizierte stark
auch über das Inte rnet. Basismedium war das DZT-Deutschland-Portal unter
www.deutschland-tourismus.de bzw. www.germany-tourism.de . Seit 2004 gab
es eine vom Auswärtigen Amt und nachgeordneten Dienststellen betreute Website www.socceringermany.info in neun Sprachen, darunter arabisch, chinesisch,
japanisch und russisch.
Als dritter Schwerpunkt ist das Kunst- und Kulturprogramm83 zu nennen. Es be stand aus etwa 50 Projekten verschiedenster Bereiche der Kultur. Sie sollten im
In- und Ausland die kulturelle Besonderheit und Vie lfalt des Gastgeberlandes
wie auch Weltoffenheit zeigen. Es kostete rund 31 Millionen Euro. Trägerin war
die Nationale DFB Kulturstiftung gGmbH. Insgesamt kamen ca. 3,5 Millionen Be sucher. In Deutschland wurden 4,2 Milliarden Kontakte in den Medien gemessen.
Einzelheiten würden hier zu weit führen. Näheres ist aus den angegebenen
Websites zu entnehmen.
Schließlich entwickelten die Organisatoren für WM-Gäste eine Nationale Service und Freundlichkeitskampagne.84 Die DZT setzte sie um. Ihr Motto hieß: ‚Deutschland rollt den roten Teppich aus‘. Kennzeichen war ein Logo mit einem ausge rollten Teppich in schwarzrotgolden Farben. Während sich die bisher genannten
Aktionen vorwiegend an das Ausland richteten, zielte diese Kampagne auf die
deutsche Bevölkerung, besonders auf Medien und andere Multiplikatoren, auf
die Tourismus-Branche und auf Personen, die überdurchschnittlich häufig und
direkt zu ausländischen Gästen Kontakt haben wurden wie etwa Flughafen-Angestellte und Taxifahrer. Die Kampagne sollte die Deutschen darauf aufmerksam
machen, dass sie zur WM Gastgeber sein würden. Sie sollte die Bevölkerung animieren, den Gästen mehr Service zu offerieren. Auf allen Ebenen sollte der Ruf
Deutschlands bei den WM-Gästen steigen. Auch langfristig sollte die Kampagne
das Verhalten der deutschen Bevölkerung internationalen Gästen gegenüber
positiv beeinflussen. Als Konsequenz sollte Deutschland für noch mehr Gäste
ein Reiseland werden. Die Kampagne sollte also auch den Tourismus fördern.
Die Tourismuszentrale ließ Werbemittel und Schulungsunterlagen entwickeln,
in denen das Land und die zwölf WM-Städte vorgestellt wurden.
83
„Während manche Leute ‚Marke’ mit ‚Image’ gleichsetzen und sie ganz klar und eindeutig im ‚weichen/ externen’
Quadranten der Matrix platzieren, ist es sinnvoller, eine Marke als dynamisches Resultat der Interaktionen von Image
und Kultur zu sehen, unterstützt durch eine Vision.“ (Olins 1999: 48)
84
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) finanzierte diese Kampagne mit drei Milionen Euro.
20
Zunächst sollten alle WM-Besucher so herzlich wie möglich empfangen werden,
sich gut orientieren können und sich rundum wohl fühlen. Überall wo internationale Gäste besonders häufig versorgt werden müssen, bildete die DZT Personen
zu sogenannten „Service -Botschaftern“ aus – im Ganzen zehntausend. Zehnmal
so viele, nämlich über hunderttausend Menschen, wurden in Freundlichkeit sowie
in fußballerischer und interkultureller Kompetenz unterwiesen.85 Die Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS)86 entwickelte ein Fan- und Besucherbetreuungsprogramm mit den Schwerpunkten Gastfreundschaft durch Freundlichkeit, Vertrauen und offenes, interkulture lles Verhalten. Unabhängig von ihrer Herkunft
sollten alle Fans und Gäste tolerant und respektvoll aufgenommen werden. Vorurteile sollten abgebaut werden.87 Viele bekannte Persönlichkeiten aus Sport,
Politik und Kultur sprachen positiv über Deutschland. Den Medien schließlich
bot das Organisationskomitee optimale Arbeitsbedingungen: In München schuf
es ein temporäres rund 40.000 Quadratmeter großes Fernsehzentrum, und an
jedem Spielort gab es ein weiteres Medienzentrum. So weit die Planung.
Die Umse tzung zeigte, dass sich die Planung bewährte. Alle Informationen über
Deutschland und über die WM waren auf Fußballfans abgestimmt. An jedem Austragungsort gab es zumindest eine Fan-„Botschaft“, insgesamt 17. Zusätzlich
versorgten mobile Fanstationen verschiedener Gastnationen der Fußballfans.
Insgesamt arbeiteten die deutschen Organisatoren mit Fanbetreuern aus elf Nationen zusammen.88 Das Organisationskomitee bildete 800 freiwillige Gästebe treuer aus und setzte sie ein. Hinzu kam Personal aus vielen Vereinen. Dieses
Team aus über tausend Personen versorgte die in- und ausländischen Fußballfans mit Informationen, beispielsweise mit einem auf die Fans zugeschnittenen
132 Seiten starken Fan-Guide auf deutsch und englisch mit Informationen zu
Deutschland und der WM. Er wurde in einer Auflage von knapp 500.000 Exemplaren kostenlos verteilt. 89 Das Team erteilte Ratschläge und unterstützte bei
Problemen. Mit diesen Services erreichte es mehr als eine Million Fans. Zu seinen
Ausgaben gehörte es auch, sonstiges Informationsmaterial (Filme, Flyer, Give aways) einzusetzen, Fragen zu beantworten sowie Delegationen aus den anreisenden Fußballnationen und da und dort auch einmal Journalistengruppen zu
empfangen, sofern die Pressevertreter die WM und ihr Gastgeberland nicht lieber
auf eigene Faust kennen lernen wollten.
Ein Redaktionsteam Stab WM/Bundespresseamt pflegte in erster Linie die WMHomepages der Bundesregierung. Für Minister, Staatssekretäre und Koopera85
vgl. Bundesregierung (Hrsg.) 2006: 10.
Es wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem DFB gefördert.
87
Teil des Fan- und Besucherbetreuungsprogramm war das Projekt ´Football Unites – Gemeinsam gegen Rassismus´
in Kooperation mit der europaweit aufgestellten Fanorganisation FARE (Football Against Racism in Europe). Es wurde
vom WM-Organisationskomitee finanziert.
88
Die Organisation Football Supporters International (FSI) half den Mitarbeitern des deutschen Fan- und
Besucherbetreuungsprogramms.
89
vgl. Bundesregierung 2006: 64.
86
21
tionspartner erschien während der WM ein Tägliches Bulletin. Die Fans wurden
im Internet täglich in vier Sprachen versorgt.90 Ein dort integriertes Frage -Tool
der Website wurde rege genutzt. Fragen wurden zu unterschiedlichsten Themen
gestellt. Etwa jede vierte (23,8 %) betraf Eintrittskarten, jede sechste (17,5 %) die
Stadionordnung und Stadioninfos bzw. Sicherheitsbestimmungen, jede zwölfte
(8,2 %) Trainingszeiten oder Trainingsquartiere der Mannschaften, etwa ebenso
viele (8 %) die Unterkünfte sowie weitere 8 % das Public Viewing auf den vielen
Fan-Festen. Durchschnittlich nutzten 3.500 Menschen pro Tag die Möglichkeit,
sich auf diese Weise zu informieren. Insgesamt gab es 1,5 Millionen Seite naufrufe.91 Nach Ablauf der Weltmeisterschaft publizierte die Bundesregierung eine
WM-Bilanz und ein WM-Abschlussbericht und stellte ihn ins Netz.92
Der wesentliche Erfolgsfaktor in diesem Gesamtpaket waren jedoch weder Internetse iten noch Broschüren oder Flyer oder Filme. So wichtig solche Instrumente
auch sind – was letztendlich zählte und den Ausschlag für die gute Grundstimmung gab, war die Haltung dahinter: Auf allen Ebenen begegnete man den Fußballfans mit Respekt. Sie waren kein Sicherheitsrisiko, sondern eine Bereicherung –
eben Gäste. Aus dieser Haltung heraus wurde das Fan- und Besucherbetreuungsprogramm der WM 2006 ein voller Erfolg.
Und nicht nur das: Die WM brachte dem Bund auch 57,3 Millionen Euro Steuereinnahmen. Allerdings waren das nur ein bis zwei Prozent der zuvor getätigten
Investitionen. Denn im Vorfeld der WM hatte der Bund rund 3,7 Milliarden Euro
für Verkehrswege ausgegeben, die für die WM wichtig waren, aber selbstverständlich nicht nur ihr zugute kamen, sondern das Land insgesamt weiter entwickelten.
370 km Autobahnstrecken wurden neu gebaut oder erweitert. 802 Millionen Euro
kostete der Ausbau des Nahverkehrs. Telematiksysteme zur optimierten Verkehrssteuerung verschlangen ebenfalls viele Millionen. Auch die Großbildwände auf
den Fan-Fasten waren nicht billig. Alle diese Investitionen modernisierten das
Land und verbesserten seinen Ruf als ein modernes, sicheres und gästefreundliches Land. Auch der Arbeitsmarkt profitierte. Denn die Weltmeisterschaft gab
befristet mehr als 85.000 Menschen Arbeit und Einkommen.93
3
Das Deutschlandbild in den Medien
So weit ein Überblick über dieses Mega-Ereignis von 2006. Wir wenden uns nun
dem engeren Thema zu, der Frage also, welchen Einfluss es auf das internationale Deutschlandbild hatte und warum dieser Einfluss so durchschlagend war.
90
siehe auch http://fanguide2006.fifaworldcup.com/de.
vgl. Bundesregierung 2006: 64.
92
Vgl. Bundesregierung 2006: 10 f.
93
Leibfried 2006: 187.
91
22
Etliche Sportarten sind erstklassige Medienthemen.94 Die Fußball-WM 2006 war
ein globales Medienereignis.95 Rund 30.000 Medienvertreter waren akkreditiert.
Ihre Berichterstattung floss in 215 Länder.
Die Mehrzahl der weltweit veröffentlichten Medienberichte betraf direkt die Fußballspiele. Diese rein sportliche Berichterstattung war nicht Gegenstand der anschließenden Medienanalyse. Die folgenden Angaben beziehen sich vielmehr auf
Berichte über Deutschland allgemein oder jedenfalls auf Passagen in Berichten
von der WM zum generellen Deutschlandbild.96 Sie entstammen 52 internationalen Medien97 aller Kontinente und acht deutschen Medien, die solche internationalen Stimmen aufgegriffen und verdichtet hatten, insgesamt also aus 60 Quelen. Zerlegt man die Zusammenfassungen in ihre Bestandteile, dann standen für
eine Auswertung aus dem WM-Zeitraum insgesamt 78 Quellen zur Verfügung.98
Diese Quellenauswahl wurde am 15. Juli 2006 abgeschlossen und danach quantitativ ausgewertet. Vollständig oder repräsentativ will sie nicht sein. Sie vermittelt vielmehr das Deutschlandbild in diesen ausgewählten Medien während und
kurz nach der WM 2006. Davon handelt Abschnitt 3 dieser Publikation.
In Abschnitt 4 lesen Sie dann Ergebnisse aus Interviews in Australien. Kurz noch
einmal die beiden wesentlichen Gründe für dieses Vorgehen: Erstens hatten der
Weltfußballverband FIFA und die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) Australien in ihren Untersuchungen ausgelassen. Und zweitens ist davon auszugehen,
dass Wirkungen, die noch im von Deutschland am weitesten entfernten Kontinent,
Australien also, nachweisbar sind, auf geringere Entfernung in anderen Ländern
eher noch stärker spürbar sein sollten.
Sowohl die Medienberichte wie auch die Interviews sind deduktiv ausgewertet,
und zwar anhand strukturierender Kategorien. Hier eine kurze Übersicht. Die
Kategorien sind:
• Land und Leute mit den Facetten (A1) Landschaft/Städte, (A2) Essen/
Trinken, (A3) Sitten/Gebräuche sowie (A4) bekannte Personen,
• Nationalcharakter mit den Facetten (B1) Organisation/Tüchtigkeit,
(B2) Verschlossenheit/Offenheit, (B3) Ernst/Freundlichkeit,
(B4) Technologie/Made in Germany,
94
vgl. Krüger/Scherenberg 1993, Crolly/Hand 2002.
vgl. Hafkemeyer 2003; zur Resonanz in Deutschland vgl. Anschlag 2006, Helios Media 2006, Leibfried 2006.
96
Die Daten wurden vom Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart zusammengestellt. Sie bestehen aus
Zeitungsartikeln in deutscher und englischer Sprache aus Printmedien und deren Internet-Ausgaben aus dem
Zeitraum der WM (9. Juni bis 9. Juli 2006) sowie eine Woche danach. Sie werden in deutscher Übersetzung
wiedergegeben.
97
Eine alphabetisch geordnete Liste findet sich im Anhang.
98
Eine Übersicht ist im Anhang beigefügt. Zweimal zwei wortgleiche Berichte in verschiedenen Medien wurden jeweils
nur einmal berücksichtigt; ein Aufsatz von ex-Außenminister Joschka Fischer in einer libanesischen Zeitung wurde
nicht ausgewertet, da es sich hierbei um eine rein deutsche Stimme ohne redaktionelle Eingriffe des ausländischen
Mediums handelte.
95
23
• Geschichte und Politik mit den Facetten (C1) Geschichte, (C2) Krieg,
(C3) Patriotismus, (C4) Internationalität,
• Die WM mit den Facetten (D1) sportliche Ereignisse, (D2) funktionelle
Betrachtung (Planung/Organisation/Ablauf), (D3) atmosphärische
Betrachtung (Stimmung, Fan-Feste) sowie (D4) persönliche Erlebnisse
(Sprache/Verständigung, Begegnungen, Gastfreundschaft).
Diese Kategorien waren das Ordnungsschema für eine quantifizierende Inhaltsanalyse.99 Was diese Analyse ergeben hat, wird anschließend dargestellt. Die Ergebnisse lassen sich als Trendaussagen werten, erheben aber wie schon gesagt
keinen Anspruch auf Repräsentativität. Um die Daten plastischer zu machen,
sind sie durch eingedeutschte Zitate ergänzt. Insgesamt ging es nicht um eine
vollständige Ergebnispräsentation, sondern um die wesentlichen Trends. Sie
werden klar sichtbar. Um das Material und seine Auswertung nicht weiter zu
verkomplizieren, wurde auf eine zusätzliche Kontigenzanalyse100 verzichtet.
3.1 Land und Leute
Gibt es ein Klischeebild von Land und Leuten in Deutschland? Eindeutig ja: Schon
in den ersten Tagen der WM-Berichterstattung tauchte es auf. „Alles was ich
jemals über Deutschland erfahren habe ”, schrieb beispielsweise der polnische
Journalist Nick Lipski, „waren schöne Autos, phantastische Straßen und hübsche
Häuser, hervorragendes Bier, ein Grundzug von Ordnung und Geschmack, nette
Leute und Qualität, wohin man sieht.” (Quelle 2a)101 „Die Deutschen haben wirklich viel, worauf sie stolz sein können“, urteilte auch der Brite Christopher Lamb,
„ihr Land, ihre Industrie, die Wiedervereinigung, Bier, Fußball, die Lufthansa und
noch vieles mehr.” (Quelle 2c)
Man darf sich von solchen pauschalen Statements aber nicht täuschen lassen;
sie sind zwar typisch, aber deswegen noch nicht unbedingt häufig. Land und
Leute (Kategorie A) wurden in den statistisch ausgewerteten Medienberichten
nämlich nur wenig dargestellt, Land/Straßen/Häuser nur in einem einzigen Be richt thematisiert. Die Themen Essen und Trinken spielten ebenfalls nur eine
kleine Rolle; lediglich das brasilianische Blatt O Globo schrieb nämlich: „Der
Fußball wird nun im Land von Bier, Wurst und Kartoffel herrschen.“ (Quelle 10)
Auch das als typisch deutsch geltende Eisbein wurde nur in einer Quelle erwähnt,
was in beiden Fällen einer Häufigkeit von 1,6 Prozent entspricht. In einem Be99
Dazu wurden alle zu berücksichtigenden Aussagen ins Deutsche übertragen.
Kontingenzanalysen stellen fest, „ob bestimmte Textelemente (z.B. zentrale Begriffe) besonders häufig im gleichen
Zusammenhang auftauchen, im T ext auf irgend eine Weise miteinander verbunden sind, kontingent sind.“ (Mayring
2003: 17). Diese Analyse könnte über das Meinungsbild hinaus feststellen, welche Elemente des Meinungsbildes mit
welchen anderen besonders eng verknüpft sind.
101
Die Verweisziffern beziehen sich auf die Liste der analysierten Beiträge im Anhang.
100
24
richt war von „schwarzwaelderkirschtorte“ die Rede (55), dem „bekanntesten
deutschen Kuchen“, in immerhin vier Berichten von Bier; das entspricht 6,6 Prozent der Nennungen. Einige australische Medien machten den systematischen
Versuch, ihren Lesern das WM-Gastgeberland näher zu bringen: Besucher, so
konnte man in einer Artikelserie des Geelong Advertiser lesen, könnten bei einem Besuch in Deutschland „großartige Kunstwerke bewundern, über mittelal-
terliche Marktplätze bummeln und einige der besten Biersorten der Welt ausprobieren.” (51) Das Stereotyp deutscher Präzisionstechnik (37) kam jedoch nur selten vor, ebenso selten wie die im obigen Zitat genannten deutschen Automobile,
die Lufthansa und pünktliche Züge.102 Diese überraschend seltenen Erwähnungen
lassen den Schluss zu, dass die berichtenden Journalisten es kaum für erforderlich hielten, die „klare Identität“ (19) des deutschen Nationalcharakters durch
Beispiele zu belegen.
102
Die Erwähnungen tauchen jeweils nur in 1,6 Prozent der ausgewerteten Berichte auf.
25
3.2 Nationalcharakter
Nach den ausgewerteten Berichten anlässlich der Fußball-WM 2006 zu urteilen
sind die Deutschen vor allem gut organisiert (18,3%), ja sogar „OrganisationsWeltmeister (3,3 %).103 Dazu passen Urteile wie gründlich und diszipliniert, sauber und ordentlich, arbeitsam und tüchtig, effizient, ja sogar „klinisch effizient“
(4). Dass solche Einschätzungen nicht immer nur lobend gemeint sind, w ird aus
gleichzeitig benutzten Begriffen deutlich, die eindeutig kein Lob enthalten: Die
Deutschen gelten demnach nämlich auch als hart, ja „stahlhart“. Solche Beurteilungen bewegen sich jeweils in der Größenordnung von fünf Prozent der Berichte. Das ist pro Begriff nicht viel; aber die Addition macht das Charakterbild aus.
In einigen wenigen Berichten werden militärisch-zackige und sogar an gewalttätig-feindselige Vorstellungsbilder in Erinnerung gerufen (je 3,3 %). Nur eine
der ausgewerteten Quellen spricht dagegen in Bezug auf den deutschen Nationalcharakter von Wissen und von Kultur (23f).
Man sieht: Ordnung und Tüchtigkeit machen die Menschen einer Nation noch
keineswegs beliebt. Das unterstreichen auch die folgenden Begriffe, die in den
ausgewerte ten und teilweise als Quelle ausgewiesenen Medien zwar jeweils nur
einmal vorkamen, in ihrer Vielfalt jedoch ebenfalls typisch sind, nämlich Worte
wie zurückhaltend, wenig gastfreundlich (35f), humorlos, dumpf (30), grau und
melancholisch (12), unflexibel, förmlich (30), bürokratisch, vorschriftengläubig,
stur regelgeleitet, unnahbar und herrisch, kleinbürgerlich (4), üblicherweise de moralisiert, pessimistisch, ängstlich, erbärmlich (41). Ein Medienbericht be 103
„Deutschland als Marke ist eine etablierte Realität, und mit gewissen Einschränkungen handelt es sich auch um
eine starke Marke. Deutschland muss die Welt nicht mehr davon überzeugen, dass es Organisationstalent besitzt.“
(Olins 1999: 33)
26
zeichnete die Deutschen dem Stereotyp zufolge rundheraus als miesepetrige
Bedenkenträger (40).
Dieses insgesamt wenig freundliche Klischeebild spiegelt sich in Begriffen wie
langweilig, humorlos und superernst. Sie tauchen in jedem zehnten der Berichte
auf (Quellen 4,8,23,33,35f,41). Begriffe wie kalt, selbstgerecht, laut und arrogant,
ungeeignet sich Freunde zu machen, ungeliebter großer Nachbar und international wenig akzeptiert tauchen zwar nur in je 1,6 Prozent der Berichte auf; sie sind
also keineswegs häufig. Auch solche Nennungen summieren sich aber zusammen
mit Aussagen wie „die Deutschen gehen zum Lachen in den Keller“ und „es ist ein
ungutes Gefühl, ein Deutscher zu sein“ zu weiteren zehn Prozent der Nennungen.
Die Briten Roger Cohen und Jerry Lampen (Quelle 8) sprachen in Bezug auf das
Klischeebild der Deutschen ausdrücklich von Dumpfheit, Ordnungsliebe, Förmlichkeit und wurden damit prompt in der New York Times zitiert (30). Das Klischee einer kalten, humorlosen, hochnäsigen Nation (8) war ebenso zu finden
das von dem „seltsamen Zweifüßler, der am Zebrastreifen wartet, bis die Ampel
auf Grün schaltet“ (35e). Wer wollte in einer so eingeschätzten Nation schon zu
Gast sein, selbst wenn sie eine Weltmeisterschaft ausrichtet?
Es passt in dieses wenig ansprechende Bild, dass den Deutschen am Beginn der
WM nach Ausweis der analysierten Medienberichte nur sehr wenig Zutrauen zu
sich selbst bzw. nur in Ausnahmefällen Zukunftsorientierung zugesprochen wird
(je 3,3 % der Nennungen). Dagegen e rscheint der Begriff Rumpelfüßler (Quelle
23h) noch harmlos. Er spielt auf mangelnde spielerische Eleganz beim Fußball an.
Die Medienberichte über das Deutschland im Weltmeisterschaftsjahr äußerten
solche Standardvorstellungen freimütig, weil sie sie fast durchweg nicht mehr
bestätigt fanden. Im Gegenteil: Fast alle Journalisten aus dem Ausland, deren
27
Berichte in die Analyse einflossen, berichteten über eine unerwartet heitere Grundstimmung, über eine Festlaune, eine Partystimmung. „Unser Stereotyp von den
Deutschen war das von vorschriftengläubigen und humorlosen Bürokraten, die
stur und rechthaberisch auf ihre knallharten Vorschriften pochen ”, schrieb Jim
White im Londoner Telegraph.104 „Was Zehntausende von Besuchern von überall
her auf der Welt jedoch feststellen, war, wie überholt dieses Image ist. Denn was
wir erlebten, war eine Nation, der nichts wichtiger war als eine gute Zeit“ (31).
Auch die Moskauer Iswestija schrieb, Deutschland habe in nur einem Monat das
Vorurteil widerlegt, seine Bewohner seien langweilig, verschlossen und wenig
gastfreundlich (35f).
Die statistische Auswertung der Medienberichte bietet hierfür viele Belege. Denn
die Medien sprechen von Wirgefühl und nennen die Deutschen, die sie erlebt
haben, zugehörig, einfühlsam, sympathisch, gefühlvoll und warm (13,3 %). Sie
sprechen von Bonhomie und nennen den Umgangsstil, der ihnen begegnete,
tolerant, freundschaftlich, ja brüderlich (15 %). Sie bezeichnen die Menschen als
freundlich (19,9 %) und sogar als liebenswert oder heiter (8,3 %) und ihren Auftritt als unbeschwert und glücklich (5 %). Der „neue“ Deutsche der WM-Tage galt
den Beobachtern als unaggressiv (19,9 %), als spontan und flexibel (5 %), ja einmal sogar als selbstironisch. Der damalige britische Premierminister Tony Blair
fasste das so zusammen: „Das altbackene Klischee von früher ist weg und ersetzt
durch ein neues Bild von Deutschland”. Er wurde weltweit zitiert (Quelle 37).
In einer scharfsichtigen Schilderung berichtete der britische Korrespondent des
Telegraph, Miles Clery-Fox, er habe elf Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet. In all diesen elf Jahren, habe er (frei übersetzt) nicht ein einziges Mal einen
Deutschen sagen hören, er sei stolz auf sein Land. Der berüchtigte stählerne
Charakter der Deutschen kontrastiere eigenwillig mit ihrer offensichtlichen Unsicherheit. Bei aller ihrer gesellschaftlichen und politischen Seelensuche hätten
die Deutschen, wenn es ernsthaft um ihr Selbstverständnis ging, keinen Zentimeter Boden preiszugeben. Spielten sie eine sportliche Rolle, schienen sie sich
von ihrem Perfektionsdrang allerdings zu befreien. Clery-Fox erinnerte an das
in seinem Land verbreitete Zerrbild des Deutschen am Strand: Auftrumpfend
beansprucht er Strandkörbe oder Sonnenliegen für sich. Hat er es zuhause mit
Fremden zu tun, heischt er Beifall, stets eingedenk dessen, was sein Land im
Sport und in der Wirtschaft zu leisten vermag. Was aber fehle, so Clery-Fox, sei
die Anerkennung durch Menschen in aller Welt. Zähle man den Deutschen auf,
was man an ihrem Land alles toll fände, seien sie zwar durchaus geschmeichelt,
aber dabei mokierten sie sich über ihre selbstempfundene Sturheit, ihre kleinbürgerliche Art, ihre Humorlosigkeit (31).
104
Ganz ähnlich lautete das Stereotyp des Deutsche in der Schweiz, nämlich „ laut und arrogant“ (35g).
28
„Bleiben die Deutschen weiterhin die harten willensstarken und bierernsten Germanen, die Ordnung und Disziplin mehr lieben als alles andere...? Werden ... [die
ausländischen Medien] in ostdeutschen Städten in besonderem Maße auf die
deutsch-deutsche Geschichte eingehen? Werden sie in Bezug auf die Lebensarten
und Gewohnheiten in den unterschiedlichen deutschen Regionen (Ost-West, NordSüd) differenzieren oder ändert sich nichts am Biertrinkerland Deutschland“,
hatte Müller im Vorfeld der WM gefragt.105 Die Antwort war eindeutig.
105
2004: 544
29
Deutschland zeigte nach den Worten von Jack Leslie, dem Chef einer der weltweit größten PR-Agenturen, „eine perfekte Liaison zwischen effektiver Organisation und mediterraner Heiterkeit“ – die Selbstfindung eines bisher völlig anders
wahrgenommenen Landes. (49) Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel berichtete
vom EU-Rat, viele Teilnehmer hätten es toll gefunden, dass Deutsche so fröhlich
sein können. „Wenn es weiter so gut läuft, wird unser Land großen Nutzen von
dieser WM haben.“106
Der Slogan „Die Welt zu Gast bei Freunden“ erwies sich als keine bloße Beschwörung, sondern als Beschreibung der Realität. André Heller, Planer der Freundlichkeitskampagne und „Erfinder“ dieses Slogans, zitierte viele seiner Ge sprächspartner mit dem Satz, sie stünden „regelrecht unter Schock: Die Deutschen sind uns
plötzlich sympathisch!" (56) „Ganz Deutschland wundert sich und die Welt ringsum erst recht. So viel fröhlicher Patriotismus und schwarz-rot-goldene Begeiste rung, gepaart mit offenherziger Gastfreundschaft, hätte den Gastgebern der
Fußballweltmeisterschaft niemand zugetraut.“ (7)
3.3 Geschichte und Politik
Die Lebensart fanden die berichtenden Journalisten
also deutlich verändert. Auch den belastenden Rang
der Geschichte? Zahlreiche ausländische Medien gingen auf die deutsche Historie 107 ein und empfahlen
auch ihren Lesern, in die deutsche Vergangenheit
einzutauchen. Der australische Geelong Advertiser
(51) empfahl beispielsweise Berlin mit seinen historischen Bauwerken zu besuchen (ohne übrigens mit
einem Wort auf die NS-Lasten der Stadt einzugehen),
München („Das Hofbräuhaus aus dem Jahr 1589 ist
das Musterbeispiel eines Münchner Bierkellers“) und
Nürnberg („Die Stadt hat ernüchternde Denkmäler
der Nazi-Vergangenheit“).
Diese Vergangenheit kam in zahlreichen Medienbe richten zur Sprache. „Die Deutschen wissen, dass sie
die wahrscheinlich unbe liebteste Nation in Europa
sind – aus offensichtlichen historischen Gründen“,
106
Bekannte Deutsche spielten im dargestellten Deutschlandbild eine zu vernachlässigende Rolle; abgesehen von
Bundeskanzlerin Angela Merkel und WM-Organisator Franz Beckenbauer fanden sich in der Medienauswahl lediglich je
eine Erwähnung von Boris Becker, von Boris (Becker) und Steffi (Graf) sowie von Michael Schumacher. Dabei sind
allerdings Erwähnungen von Fußballspielern nicht mit berücksichtigt, weil sie in der Regel im Zusammenhang mit
fußballerischen Leistungen und nicht im Kontext des allgemeinen Deutschlandbildes genannt wurden.
107
vgl. Dann 1994.
30
schrieb beispielsweise Glen Moore in der britischen Zeitung The Independent
(32) und wortgleich im nordirischen Belfast Telegraph (44). In fast einem Viertel
aller analysierten Beiträge (23,3 %) wurde die NS-Zeit direkt angesprochen. In
16,6 Prozent der Berichte wurde Hitler erwähnt. Immer wieder kam dabei zum
Ausdruck, dass diese Last der Geschichte einen unbefangenen Umgang mit dem
deutschen Nationalgefühl stark erschwert.108 „Seit dem Ende Adolf Hitlers und
dem Zusammenbruch des Dritten Reichs gilt der Satz ‚Ich bin stolz, ein Deutscher
zu sein‘, als neonazistisch“, hieß es beispielsweise auf www.charlotte.com (6).
Die deutsche Geschichte der Weimarer Republik, des Kaiserreichs oder der Zeit
davor spielte dagegen ebenso wie die Geschichte seit 1945 – abgesehen vom
Fall der Mauer und von der Wiedervereinigung – eine weit geringere Rolle.
Einige Angaben aus der statistischen Auswertung im Einzelnen: Auch wenn das Wort Teutonen nur einmal auftauchte (1,6 %) und das
Wort Hunnen gar nicht, auch wenn nur einmal
von einer Pickelhaube und nur einmal vom Ersten Weltkrieg die Rede war: In sechs Berichten (10 %) wurden Lasten des Nationalismus
erwähnt, die Geschichte generell in neun Beiträgen (15 %), in fünf (8 %) der Holocaust, je
einmal Dachau und Auschwitz. Der Zweite
Weltkrieg kommt elf Beiträgen vor (18,3 %),
die Erwähnung von Deutschland als Friedenstaube nur einmal. Denn es gab „zwei Weltkrie ge und nur eine WM“ (42).
108
„Es dient Deutschland nicht, noch immer in erster Linie mit dem letzten Weltkrieg und mit dem Wirtschaft swunder
der Nachkriegszeit assoziiert zu werden. Werder das eine noch das andere ist für die heutige Position des Landes von
besonderer Bedeutung, aber abgesehen von der Wiedervereinigung wird Deutschland im Ausland kaum mit etwas
anderem in Verbindung gebracht.“ (Olins 1999: 35)
31
Die Nachkriegszeit spielte in der analysierten Berichterstattung dagegen kaum
eine Rolle (nur eine Erwähnung der Zeit „nach 1945“, nur einmal DDR, nur einmal Olympische Spiele von München). Dagegen wurden der Fall der Berliner
Mauer fünfmal (8,3 %) und die Wiedervereinigung zehnmal genannt (16,6 %).
Um stereoptyp vergangenheitsgeprägte Vorstellungen von Deutschland überwinden helfen, hatte der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) schon
im Vorfeld der WM 2006 in Großbritannien unter der Überschrift „But don't mention the war" an britischen Universitäten zu einem studentischen Essay-Wettbe werb aufgerufen. Dieser Satz spielt auf die wohl berühmteste Episode der legendären britischen Comedy-Serie Fawlty Towers an, in der der jähzornige britische
Hotelier Basil Fawlty alias John Cleese seine deutschen Gäste durch ständige Erwähnung des Krieges erzürnt. Den Dialog kennt in Großbritannien jedes Kind.
Cleese, Altmeister des Stechschritts, fungierte als Schirmherr des DAAD-Wettbewerbs: Er sei froh, sagte er, helfen zu können, die lächerlichen Vorurteile der
Revolverblätter und solcher Clowns wie Basil Fawlty zu brechen. Sie seien einer
Weltsicht von vor 50 Jahren verhaftet (vgl. 4, 45).
Um angesichts der NS-Historie nicht erneut in Problemzonen zu stoßen, hatte
Deutschland weltweit Verhaltensregeln empfohlen. Wir zitieren sie hier einmal
aus einem Bericht von Phillip Hudson im Sydney Morning Herald: „Die deutsche
Regierung hat Fußballfans, die nach Deutschland reisen, davor gewarnt, über
den Krieg zu reden oder den Hitlergruß zu zeigen. In einer Empfehlung an die
Tausende von Australiern, die zur WM nach Deutschland kommen wollen, haben
das Außen- und das Wirtschaftsministerium erklärt, es sei auch für Touristen
provozierend und gesetzeswidrig, Zeichen aus der Nazizeit zu benutzen, selbst
wenn das als Parodie gemeint sei (55). Denn “sechzig Jahre nach dem Zweiten
Weltkrieg blicken die Deutschen immer noch argwöhnisch auf demonstrative
Zeichen nationalen Stolzes; und die nationale Flagge zu zeigen gilt weithin als
ein faux pas“, als ein Fehlgriff (11).
Die französische Tageszeitung Le Monde hatte sich zu Beginn der WM noch
ausführlich über e inen deutschen Balljungen mokiert, der sich stur geweigert
hatte, seinen ihm angewiesenen Platz auf einem Sportareal zu verlassen, um
einem Touristen ein Foto möglich zu machen. „Willkommen in Deutschland“,
kommentierte das Blatt. Und der Fußball-Funktionär und -Trainer Guy Roux
wurde zum WM-Start mit den Worten zitiert: „So lange die Deutschen nicht die
Pickelhaube aufsetzen, geht’s.“
All das galt plötzlich nicht mehr. „Die Deutschen haben massenhaft wiederentdeckt, dass man die wegen der Vergangenheit Jahrzehnte lang verpönten Ze ichen
nationalen Stolzes wieder vorzeigen kann.“ (22) Einen Monat nach dem Balljungenbericht in Le Monde später räumte das ebenfalls in der französischen Haupt-
32
stadt erscheinende Blatt Le Parisien dem deutsch-französischen Grünen-Politiker im EU-Parlament Daniel Cohn-Bendit eine halbe Seite ein, um den Franzosen das „WM-Phänomen Deutschland“ zu erklären. „Auf viele Franzosen wirkt
die Fußball-WM wie ein Kulturschock. Dieses fröhliche Vielvölkergemisch in den
WM-Städten hatten sie nicht erwartet“ (35). In Großbritannien bescheinigte die
Times den Deutschen, ihr Land sei gut 60 Jahre nach dem Krieg „reif für ein
neues Markenimage“ (18).
Das Markenimage von Deutschland wandelte sich; ganz anders als von den Be obachtern im Ausland wie im Inland erwartet und desto überraschter und breiter
kommuniziert. Die offensichtlichste Veränderung ging von dem plötzlichen
schwarzrotgoldenen Flaggenmeer aus, das die Spiele der Fußball-WM 2006
kennzeichnete. Das Thema Nationalfarben tauchte denn auch in über der Hälfte
der ausgewerteten Medienberichte (57 %) ausdrücklich auf. 1989, im Jahr der
Wiedervereinigung, sei es noch etwas riskant, gar gefährlich gewesen, die deutsche Flagge zu schwenken. „Normale Deutsche scheuten sich damals noch, Stolz
auf ihr Land auszudrücken – bisweilen sah es so aus, als seien Neonazis die einzigen gewesen, die nationale Symbole mit Stolz vorzeigten“ (28).109 Jetzt hieß es
hingegen: „Mitten im strahlenden Sonnenlicht dieser WM zeigt sich das Flaggenschwenken, zeigen sich Hochrufe und das Absingen der Nationalhymne der unbekümmerten Menge als Zeichen eines ungezügelten Patriotismus in einem
Maße wie nie zur seit dem Zweiten Weltkrieg.“ (5) „Man kann gar nicht den Kopf
wenden, ohne schwarzrotgoldene Flaggen jeder Größe aus Fenstern, Geschäften
und Autos wehen zu sehen“ (11). „Weder die Olympischen Spiele von 1972 von
München – besudelt von durch die Ermordung der israelitischen Athleten – noch
die [ebenfalls in Deutschland abgelaufene] Weltmeisterschaft von 1974 waren
vergleichbar, noch nicht einmal der Moment, als in Berlin die Mauer fiel“ (28).
Fast alle von der WM ins Ausland berichtenden Journalisten waren sich einig: Ein
neuer Nationalstolz hatte das Land erfasst und geprägt. Von ihm sprachen über
ein Drittel der Berichte (35 %), von einem neuen Patriotismus sogar fast die Hälfte (43,3 %), von einem neuen nationalen Gesicht weitere fünf Prozent, zusammen
also rund 80 Prozent. So meinte die russische Iswestija: „Die WM war seit 16 Jahren der erste Ausbruch von Patriotismus in Deutschland. Den letzten hatte es
zur Wiedervereinigung des Landes gegeben, aber die Bevölkerung wurde wieder
still und ließ die nationale Zugehörigkeit nicht mehr heraushängen“ (35f). Auch
die kroatische Zeitung Jutarnji list sprach von der „Geburt eines neuen deutschen
109
Eine Reihe von Berichten grenzte die schwarzrotgoldenen Nationalfarben ausdrücklich gegen schwarzweißrot ab.
Rechtsextreme Befürchtungen wurden nämlich häufig mit thematisiert. In zwölf Berichten wurden sie direkt
angesprochen, jedoch durchweg als unbegründet klassifiziert. In einigen Berichten ist ausdrücklich vermerkt, dass
Neo-Nazis keine schwarzrotgoldenen, sondern schwarzweißrote Flaggen zeigen und dass auch die Nazis selbst die
schwarzrotgoldene Flagge ebenfalls nicht benutzten, sondern ein rotes Banner mit dem schwarzweißen Hakenkreuz.
Auch die Kampagne Say No To Racism (14) wird in einigen Berichten ausdrücklich erwähnt und gelobt. Die kaum
bemerkbaren Neo-Nazi-Auftritte wurden überrascht und erleichtert zur Kenntnis genommen.
33
Patriotismus“; ihr Berichterstatter erlebte diesen als „ganz frei, ohne Scham und
ohne die bisher verbreiteten Schuldgefühle“ (23p).
Die Nachrichtenagentur Reuters verbreitete die folgende Einschätzung des Emnid-Forschers Klaus Schöppner: „Mit dieser Weltmeisterschaft haben es die Deutschen aus ausländischer Perspektive geschafft, das bisher herrschende Gefühl
von Schuld am Zweiten Weltkrieg zu überwinden.“ (17) Eine populäre britische
Zeitung, die vor Jahren unmittelbar vor Beginn eines Fußballspiels gegen die
Deutschen den Nationalspieler Paul Gascoigne mit Stahlhelm auf der Tite lseite
abgebildet hatte, zeigte nun ein Bild von deutschen Polizisten, die auf einer
Straße in Frankfurt mit englischen Fans tanzten (4).
„Das flaggenschwenkende Deutschland“, fasste die die New York Times zusammen, „war das dominierende Ereignis dieser WM. Stereotypen über das Land wie
beispielsweise die ausgeprägte Liebe zur Disziplin und Ordnung erwiesen sich
als größter Irrtum eines Turniers, das mit festivem Charakter und überschwänglicher Generosität der Deutschen ausgetragen wurde“ (35). Der deutsche Nachrichtensender N24 fasste einen Querschnitt ausländischer Stimmen mit den Worten zusammen: „Das Klischeebild vieler Ausländer über Deutschland scheint
kaum noch Bestand zu haben“ (10).
Dieser Stimmungswandel ist keine bloße Medien-Interpretation. Das zeigt ein
vergleichender Blick auf Einschätzungen von politischer Seite: „Nach einer erfolgreichen WM bringt Patriotismus das Land nach vorne“, hieß es in der Deutschen Botschaft in London.110 Nach der Einschätzung des Deutschen Generalkonsulats in New York erlebte Deutschland nicht einen ausgrenzenden Nationalismus111, sondern, wie die Deutsche Botschaft in Paris es ausdrückte, einen
„patriotisme bon-enfant“.112
110
Deutsche Botschaft London/Großbritannien. In: Bundesregierung 2006.
Deutsches Generalkonsulat New York/USA.
112
Deutsche Botschaft Paris/Frankreich. ibid.
111
34
Zustimmende politische Reaktionen kamen aus aller Welt. UN-Generalsekretär
Kofi Annan fand einen „freundschaftlichen Geist […] eingefangen.“ Die Welt habe
keine Angst mehr vor übertriebenem Patriotismus in Deutschland und ein vereintes und glückliches Volk erlebt. (43) Bundespräsident Horst Köhler sprach von
„gutem Patriotismus“. (43) Der Wiesbadener Landtag begrüßte in einer Entschlie ßung ausdrücklich und einstimmig, dass Flagge und Hymne zu selbstverständlichen Symbolen geworden seien (7).
Roger Cohen und Jerry Lampen von Reuters setzten allerdings hinzu: „Die deutsche Normalität ist noch nicht normal genug, um übersehen werden zu können“
(8); eine Aussage, die die New York Times nachdruckte. (30) Die führende israe litische Zeitung Haaretz sah in dieser neuen Normalität „den Teil eines modernen
deutschen Mythos“ (12). Auch die zum Zeitpunkt der WM 2006 frisch gewählte
Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland Charlotte Knobloch sprach
sich in einem Interview für mehr Patriotismus aus – Worte, die nach Einschätzung
der New York Times „von einer solchen Quelle noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären“ (25). Nur ganz vereinzelt übten Beobachter an diesem
Wandel Kritik. Der holländische Trouw-Journalist Eric Brassem kleidete sie in die
Worte: „Die Nazis haben Schwarz-Rot-Gelb113 niemals benutzt. Die Deutschen
sollten jetzt mit dem Gesülze über die Fahne aufhören“ (23l).
3.4 Gründe für den Imagewandel
Die Gastgeberrolle hatte auf das Bild der Nation großen Einfluss. Sie war klug
gewählt. In fast jedem vierten Medienbericht (23,3 %) wurde Deutschland ausdrücklich gastfreundlich genannt. Das Gastgeber-Motto „A time to make friends
– Die Welt zu Gast bei Freunden'' wurde bis in die australische Provinz zitiert (54).
Ein Journalist wertete es ausdrücklich als Mittel „um das Image der effizienten,
aber deshalb noch längst nicht gastfreundlichen Deutschen zu überwinden”. In
18,3 Prozent der ausgewerteten Berichte wurde das Gastgeber-Motto deutsch
oder englisch direkt zitiert. Die englischsprachige Yemen Times publizierte es
sogar auf deutsch: „‘Zu Gast Bei Freunden’. Germany is re -branding its image in
order to be known as a friendly nation” (21). Deutschland schaffte es also, den
bisher imageprägenden Gegensatz von tüchtig, aber nicht freundlich zu überwinden – die Times erle bte „vergnügt tüchtige Gastgeber“. Über „vorbildliche
Gastgeber weit über den Fußball hinaus“ berichtete die dänische Jyllands-Posten
(23o) ebenso wie der Zürcher Tages-Anzeige. (35g). Für die Ausrichter der nachfolgenden Fußball-EM in Österreich und in der Schweiz wurde das Maßstab.114
113
Niederländische Medien sprachen mehrfach von schwarzrotgelb statt von schwarzrotgold.
Diese Gastgeberrolle habe „das Bild des Landes in aller Welt positiv verändert“, sagte Friedrich Stickler, der
Präsident des Österreichischen Fußballverbandes (Quelle 18). Sein Schweizer Amtskollege Ralph Zloczkower nannte das
Ergebnis „überwältigend“. (ibid.)
114
35
Die Stimmung machte die WM zu einer einzigen großen Party. Nach den Worten
der Neuen Zürcher Zeitung erlebte Deutschland ein „Volksfest, als wären Fassnacht, Love Parade und Oktoberfest auf denselben Tag gefallen“ (7). India eNews
sprach von einer „Karneval-Atmosphäre, die die legendäre deutsche Effizienz als
den ursprünglich erwarteten positivsten Eindruck in den Hintergrund drängte“ (26).
Der Londoner Telegraph berichtete von einer „40-Tage-Fiesta, die das Land
überrollte ”, der britische Independent von „Wärme und Freundlichkeit” und die
New York Times von „Bonhomie in diesem Narben tragenden Land”. Ein kanadischer Journalist sprach gar von einem „Ozean der Liebe ” (45), in dem „die Deutschen auf Party aus sind und diese richtig auskosten, bevor die in die Realität
zurück finden.“ Immerhin handele es sich dabei um Deutschland und nicht um
die Karibik, ergänzte die israelitische Zeitung Haaretz (12).
Statistisch betrachtet zeigten sich Bewertungen wie gefühlvoll, passioniert, euphorisch, begeistert oder ausgelassen in jedem fünften Medienbericht, Einschätzungen wie humorvoll, fröhlich, lustig oder Freude ebenfalls in fast jedem fünften Text, die Begriffe Fest bzw. feiern können in jedem sechsten, die Adjektive
stimmungsvoll oder farbig in jedem zwölften und die Schlüsselwörter Party bzw.
Spaß sogar in deutlich mehr als jedem vierten Bericht. Das ergibt addiert fast
hundert Prozent – praktisch jeder Bericht machte also die gute Stimmung zum
Thema.
Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer fühlte sich „an Shakespeares Sommernachtstraum erinnert, gemischt mit einem Schuss Woodstock“ – mit diesen
Worten wurde er sogar vom libanesischen Daily Star zitiert (34). Ein „Woodstock
des Sports“ war die WM 2006 auch für die Pariser Zeitung L’Exprès (23b). Im ame rikanischen Christian Science Monitor urteilte Andreas Tzortzis, das Deutschlandbild habe „immense Fortschritte“ gemacht. Besonders hübsch war seine Begründung: Das Land habe das ausgegebene Motto “Die Welt zu Gast bei Freunden”
ebenso ernst genommen wie sonst den Fußball (39). Ausländische Berichterstatter zum Beispiel in der italienischen Gazzetta dello Sport, im ebenfalls italienischen Fernsehsender RAI 2, in der New York Times und in der kanadischen Zeitung Ottawa Sun hielten es für besonders positiv und deshalb erwähnenswert,
dass die Stimmung auch dann nicht kippte, als feststand, dass Deutschland nicht
Weltmeister wurde. Nicht zuletzt deshalb stellte die Deutsche Zentrale für Tourismus fest, dass sich 91 Prozent der Gäste in Deutschland willkommen fühlten
und dass 93 Prozent bestätigten, die WM in Deutschland sei ein tolles Ereignis.115
115
Durchschnittswerte (nach Schulnoten) zwischen 1,3 und 1,8 belegten dieses allgemeine Stimmungs-Hoch. Es
w urde auch durch eine andere Studie bestätigt: Im Rahmen einer WM-Konzept -Controlling-Studie befragten
Studenten der Reinhold-Würth-Hochschule Künzelsau/Heilbronn 5000 ausländische WM-Gäste. 95,3 Prozent
bewerteten die Stimmung im Gastgeberland mit den Noten sehr gut und gut. (Quelle 13).
36
Eine neue Generation sah in der Art und Weise, wie sie sich bei der WM präsentierte, nichts was man angreifen könnte. Für das gewandelte Verhalten galten
auch in den internationalen Medien die Deutschen unter 30 Jahren116 als zentrale
Erklärung.117 „Die Anzahl an Deutschen mit Erinnerungen an den Krieg schrumpft,
und jüngere Jahrgänge haben begonnen, ein völlig natürliches Verhältnis zu Ihrer
Nation und zu ihrer Nationalflagge zu zeigen“, urteilte die britische Nachrichtenagentur Reuters (17). Und der nordamerikanische Boston Globe stellte fest, dass
„Deutschland einen politisch-demografischen Wandel erlebt, weil die Führer der
sogenannten 68er-Generation Platz machen für eine jüngere Generation“ (5).
Diese Einschätzung entspricht Ergebnissen aus einer Untersuchung des deutschen
Instituts für Demoskopie in Allensbach. Nach seinen Feststellungen waren zwar
58 Prozent, also eine Mehrheit der Bevölkerung, überrascht, dass das Land plötzlich Flagge zeigte. Nur 37 Prozent, also ein Drittel, empfanden das während einer Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land als ein normales Phänomen. Vor
allem die ältere Generation traute kaum ihren Augen. Aber „die junge Generation
kann die Überraschung mehrheitlich nicht nachempfinden. Sind es doch vor allem
die Jüngeren, die die Welle der Begeisterung so sichtbar gemacht haben. 58 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahren haben während der WM selbst eine deutsche Fahne oder andere Dinge mit Nationalfarben getragen oder angebracht.
[…] Die Fahnen wurden als Zeichen eines angenehmen, fröhlichen Patriotismus
empfunden“ (43).
Eine neue Normalität breitete sich aus. „Die Deutschen scheinen verwirrt, ein
wenig benommen, und trotzdem erfreut, dass ihr Land wieder strahlt“, schrieb
der Boston Globe (5). Auch der amerikanische Nachrichtensender CNN berichte te über „eine Nation mit neu gefundenem Selbstvertrauen, ja Stolz“ (22). Einen
Vorschlag zur Begründung offerierte die Londoner Times mit dem Satz „Die
Deutschen lernen sich wieder zu lieben.“ Der US-Nachrichtensender ABC News
drückte es plastischer, drastischer und unübersetzbar aus: “Proud to be a Kraut”
(11). Während Associated Press noch überrascht zur Kenntnis nahm, dass „die
Deutschen den massenhaften Einsatz von Zeichen nationalen Stolzes wiederentdeckten, die wegen der Nazi -Vergangenheit für Jahrzehnte unterdrückt worden
waren“, fand gerade die führende israelitische Zeitung Haaretz das in keiner
Weise erstaunlich: „Deutschland fühl wie ein ganz normales Land“ (25).
Das Allensbach-Institut belegte auch diesen Befund mit Ergebnissen aus einer
Bevölkerungsumfrage: 79 Prozent der Deutschen, also fast vier Fünftel, sahen
demnach „in der Identifikation mit dem eigenen Land grundsätzlich etwas Posi116
laut Allensbach 90 Prozent dieser Altersgruppe.
Auf eine neue, junge, an historischen Lasten nicht mehr unmittelbar beteiligte Generation verwiesen 19,9 Prozent
der ausgewerteten Quellen. Von neuer Normalität sprachen 11,6 Prozent, von neuem Selbstbewusstsein fünf Prozent,
zusammen also mehr als ein Drittel der ausgewerteten Berichte.
117
37
tives, das die Haltung zu anderen Nationen in keiner Weise negativ prägt.“ Verglichen mit anderen Nationen halten die Deutschen dem Allensbach-Befund zufolge „sich selbst nach wie vor für eher unpatriotisch“. Trotzdem sagten sie in
dieser Befragung: „Die Art und Weise, wie Deutschland sich bei der Fußballweltmeisterschaft präsentierte und sich mit unbefangen-fröhlichem Patriotismus selbst
überraschte, hat den Stolz auf das eigene Land gefestigt und vergrößert“ (43).
1990, als die deutsche Einheit eine nur kurzfristige Welle nationaler Begeisterung
ausgelöst hatte, waren politische Auftritte erstmals in einem schwarzrotgolde nen Fahnenmeer abgelaufen. Das hatte die Grundeinstellung der deutschen Bevölkerung zu nationalen Symbolen aber noch kaum berührt. Das damalige de monstrative Bekenntnis der DDR-Bevölkerung zu Deutschland hatte nach Analyse des Instituts für Demoskopie noch überwiegend Beklemmungen hervorgerufen.
Nur 22 Prozent aller Deutschen quittierten diese Anzeichen eines neuen Patriotismus damals mit Sympathie, 43 Prozent, dagegen mit Unbehagen (43). Auch
fünf Jahre später, 1994, waren noch 44 Prozent der Bevölkerung, also nahezu die
Hälfte, davon überzeugt, dass die deutsche Geschichte weitgehend verbiete, Nationalgefühl und nationale Symbole zu pflegen. Im Jahr 2006 teilten hingegen
nur noch 22 Prozent der Bevölkerung diese Meinung, während die Mehrheit,
nämlich 58 Prozent, entschieden widersprach. Für diese Mehrheit ge hörten die
Lasten der Historie einer Vergangenheit an, die sich nicht mehr betraf.
3.5 Ein Zugewinn an Reputation
Nach den ausgewerteten Medienberichten hat die WM 2006 den Ruf des Gastge berlandes ohne Zweifel gehoben. „Die Macht des Sports, das Bild eines Landes in
der Breite der Bevölkerung verändern zu können, wird seit langem erörtert. Nie mand hat die Richtigkeit dieser Ansicht klarer belegt als die Deutschen“, schrieb
Jim White im Londoner Telegraph (31). Auch für den US-Nachrichtenkanal CNN
bedeutete die Weltmeiste rschaft „einen Boom für das deutsche Image ” (22). Ob
dieser Boom das Image indessen nur „poliert“ (26) oder ob diese neue Erfahrung
zum Verhalten der Deutschen die Haltung anderer Nationen den Deutschen ge genüber nachhaltig verändert hat, müsste in einer Langzeitstudie erst noch untersucht werden. Das einstweiliges Ergebnis lässt sich jedoch schon jetzt in die
folgenden vier Punkte verdichten:
Klischeeabbau: Der damalige Bundesaußenminister Joschka Fischer hatte sein
Land „ein junges, cooles, entspanntes, sorgenfreies Deutschland“ genannt,
„kosmopolitisch, freundlich und in guter Stimmung“ (34). Wenn das ein Außenminister sagt, mögen solche Sätze als Schönwetterworte erscheinen. Die Welt
stimmte ihm jedoch weitgehend zu. „Deutschland macht Eindruck mit Spaß ebenso
wie mit Fußball“ war sogar in der Zeitung China Daily zu lesen (33). Das Klischee
38
des fleißigen, aber langweiligen, konzentrierten, aber auch ruppigen Deutschen
ist blasser geworden. Ein neues, freundlicheres hat sich entwickelt.
Weltweite Ausstrahlung: Dieses neue Deutschlandbild hat sich mit Hilfe der globalen Medienwirkung der WM weltweit verbreitet. „Alles in allem haben geschätzt
zwei Millionen ausländischer Touristen Deutschland im Monat der Weltmeisterschaft überflutet, doppelt so viele wie erwartet“, berichtete Associated Press (48).
Die britischen Journalisten Roger Cohen und Jerry Lampen rechneten im Nachrichtendienst Reuters nach, „vielleicht ein Sechstel der Menschheit auf unserem
Planeten“ habe die „flaggenschwenkende deutsche Selbstfindung“ zur Kenntnis
genommen. Addiert man Stadionbesucher, Fanfest-Gäste und das weltweite TVPublikum, erlebten „geschätzt 32 Milliarden Menschen“118 ein „gewandeltes und
demokratisiertes Deutschland“ (8). Im Durchschnitt hat sich damit jeder Erdenbürger – Kind, Erwachsener und Greis – viermal in einen dieser Berichte eingeschaltet. Das war für die Breitenwirkung des Deutschland-Images im Urteil der Zeitung
Trumpet aus Philadelphia schlicht „unbezahlbar“ (3).
Nachhaltige Wirkung: Schon während der WM-Vorrunde hatte die Deutsche Zentrale für Tourismus 1.281 Personen aus aller Welt, die in Hamburg, Berlin, Dortmund, Köln oder München zu Gast waren, nach ihren Erfahrungen im Gastland
gefragt.119 Die Resultate waren weit überwiegend positiv. Was die Gäste dann
während der WM erlebten, verstärkte dieses erfreuliche Bild. Internationale Nachrichtenagenturen fassten es in Worte wie „Die positiven Eindrücke, die die Fans
mit nach Hause nehmen, dürften wichtiger sein als jedes einzelne Spielergebnis“
(Reuters, 8) oder „So wie das Turnier organisiert worden ist, wird es das Image der
Deutschen auf Jahre hinaus verändern“ (BBC, 4). Die Londoner Tageszeitung Guardian fand es zwar „zu einfach zu sagen, dass die WM Deutschland ermöglicht
hat, sich selbst wie der zu mögen“, hielt es aber für wesentlich festzustellen,
„dass dieses Land in den vergangenen fünf Wochen eine unumkehrbare und
grundlegende Veränderung durchgemacht hat“ (35b).
Reiseland Deutschland: Die Ergebnisse zeigen auch einen klar messbaren wirtschaftlichen Effekt. 43 Prozent der WM-Besucher waren nach Angaben der Nachrichtenagentur AP (48) zum ersten Mal in Deutschland gewesen und hatten deshalb auch zum ersten Mal das zuvor nur von anderen übernommene Klischeebild persönlich überprüfen können. Die für viele angenehme Überraschung führte
dazu, dass Deutschland als Reiseland stark an Attraktivität gewann. „Das war der
Urlaub unseres Lebens“, urteilte beispielsweise der 51 Jahre alte Australier Micha118
119
nach vorsichtigeren Angaben der FIFA 26,3 Milliarden, eine immer noch fast unvorstellbare Zahl.
Drei Viertel der Befragten w aren eigens für die WM nach Deutschland gekommen und fast die Hälfte (43 %) der
Befragten zum ersten Mal nach Deutschland gereist. 16 Prozent hatten das WM-Erlebnis mit einem Deutschland-Urlaub
kombiniert, zehn Prozent besuchten bei der Gelegenheit Verwandte oder Freunde. Knapp die Hälfte der Befragten
blieb länger als eine Woche in Deutschland, fast ein Drittel (27 %) – überwiegend aus Übersee –zwei Wochen und
länger.
39
el O’Neill rückblickend.120 Im Hinblick auf Deutschland als touristische Destination zählt aber vor allem, ob dieser günstige Eindruck anhält. Glaubt man dem
britischen Telegraph, ist das so: Jeder, der in diesen vier sonnensatten Wochen
in Deutschland gewesen sei, schrieb diese Zeitung, sei mehr als bereit, nochmals
hinzufahren und das Land detaillierter zu erleben (41). Die Deutsche Zentrale für
Tourismus teilte mit, dass über 90 Prozent der ausländischen Gäste Deutschland
als Reiseland weiterempfehlen wollten.121
3.6 Verbleibende Ängste
Trotz aller Zustimmung zum neuen, erfreulicheren Deutschlandbild sind nicht
alle kritischen Stimmen verstummt. So befürchtete der Boston Globe nach der
dunklen Vergangenheit Deutschlandes im 20. Jahrhundert – nach der Nazi -Ära,
der Zerstörung Europa, dem Holocaust – dass die Stimmen neuen nationalen
Stolzes doch auch Ängste wachrufen könnten (5). Er fuhr daher fort: „Erwägt man
die Übel, die der deutsche Nationalismus schon einmal ausgelöst hat, wäre es
naiv, die ersthaften Konsequenzen dieses Trends im Deutschland von heute zu
ignorieren.“ Dort, bei den Deutschen also, traf diese Kritik und Befürchtung je doch auf „völliges Unverständnis“ (43).
Die in Philadelphia / USA erscheinende Zeitung Trumpet sprach von „German
aggrandizement“, was wörtlich Machterweiterung heißt, aber neue Größe ebenso
wie neue Großmannssucht bedeuten kann, und von dem Herzklopfen, das dies
auslösen müsse. Deutschland beginne zum vierten Mal in seiner Geschichte einen neuen Höheflug (3), schrieb das Blatt, ohne dabei auf ein Viertes Reich anzuspielen – viele Leser dürften diesen Schluss trotzdem gezogen haben. Die römische Zeitung La Repubblica fragte ihre Leser, was von der WM in Deutschland
wohl in Erinnerung bleiben werde, und gab folgende Antwort: „Die deutsche
Menschenmenge etwa. Ein diszipliniertes Meer von Fans. Sie wirken immer so, als
hätten sie eine natürliche Fernbedienung. Die Furcht, die daraus entsteht, ist, in
wessen Händen der Kontrollknopf letztlich landet“ (36e).
Milde las sich dagegen die Einschätzung des Sozialwissenschaftlers Andrei Markovitz (6): „Das ist alles harmlos, wahrscheinlich gesund und wird wahrscheinlich
vorbei sein, sobald Deutschland ein WM-Spiel verliert oder die WM selbst vorbei
120
www.woche.com.au Rund zwei Drittel der Gäste besuchten nach einer DZT -Analyse (vgl. DZT 2006 a,b,c) neben
WM-Ereignissen auch Sehenswürdigkeiten in Deutschland, mehr als die Hälfte nutzten ihren Aufenthalt auch für
Shopping-Ausflüge. Vor allem bei den Amerikanern und Australiern wurde der WM Besuch mit 31 Prozent bzw. 43
Prozent mit einer Urlaubsreise verbunden. Die teils aufwendigen Kulturprogramme der WM-Städte interessierten zwar
nach Angaben einer WM-Konzept -Controlling-Studie nur am Rande. Kunst und Kultur sind aber dieser Analyse zufolge
ein starker Faktor für einen Wiederholungsbesuch. (Quelle 13)
121
In einer DZT-Analyse erklärten 66 Prozent der Befragten, sie würden nach der WM Deutschland wieder besuchen,
dann oft mit Frauen und Kindern. (13) – ein Ergebnis, das bis nach Neuseeland ausstrahlte: „A huge majority of those
who Germany for the soccer World Cup would recommend the nation as a travel destination.” (Quelle 38)
40
ist.“ Mit dieser Prognose hatte Markovitz zu pessimistisch geurteilt. Verlorene
Spiele dämpften die gute Stimmung des Fußballpublikums nicht, und Normalität
kehrte nach dem Ende der WM erst allmählich zurück.
4
Das Deutschlandbild in australischen Interviews
Ist es zulässig, aus den analysierten Berichten in den Medie n auf die Meinung
der Bevölkerung zu schließen, oder überbetonen Journalisten bestimmte Facetten bzw. lassen sie andere, ebe nfalls wichtige, unerwähnt? Und würde das, was
diese Medienanalyse bisher an Stimmungswandel ergeben hat, wirklich den Erdball umrunden? Wie bereits erwähnt sollten sich Antworten auf diese beiden
Fragen aus einer Analyse von Interviews ableiten lassen, die in den Monaten
nach der WM das Deutschlandbild im fünften Kontinent Australien refle ktierten.
Auf diesem Kontinent hatte es vor der WM zu Deutschland fast nur kurze Meldungen gegeben. In australischen Zeitungen gab es Hinweise auf das WM-Gastgeberkonzept und im Besonderen Berichte zum Sicherheitskonzept der Bundesregierung. Denn Terrorismus und innere Sicherheit waren zu diese m Zeitpunkt
in Australien wichtige Themen. In den Interviews spielte das jedoch praktisch
keine Rolle; nur ein Gesprächspartner ging hierauf ein.
Kurz vor und während der WM gab es in australischen Zeitungen teilweise sogar
relativ ausführliche Reiseberichte bzw. Reisempfehlungen. Denn Australier verreisen sehr gern. Zugleich brachten einige Blätter kurze Beiträge zur deutschen
Küche. Der Fernsehsender SBS zeigte sogar 64 Beiträge – je einen pro Spiel – zur
deutschen Landschaft und zur deutschen Kultur (einschließlich Münchner und
Kölner Bier, aber auch zur Architektur). Diese Fernsehbeiträge sind nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Es würde aber sicher weiter führen, würde man diese Untersuchung noch auf den Bereich TV-Berichterstattung ausweiten.
Basis der Untersuchung in Australien war ein Forschungsdesign.122 Analysiert
werden sollte vor allem, welche Aspekte in Australien das Deutschlandbild in den
Medien und in der Bevölkerung kennzeichnen, welche von ihnen stabil waren und
welche sich wie veränderten. Trendaussagen hierzu waren anhand von Zeitungsberichten und Interviews möglich; sie werden gleich zusammenfassend dargestellt.
122
Forschungsdesigns sind ein Mittel, um Forschungsziele zu erreichen. „Sie binden Theorierahmen, Fragestellung,
Forschungs-, Generalisierungs- und Darstellungsziel mit den verwendeten Methoden und verfügbaren Ressourcen
unter dem Focus der Zielerreichung zusammen.“ (Flick 2007: 264) Zur Erstellung eines Forschungsdesigns vgl. auch
LeCompte/Preissle 1993.
41
Zunächst waren das Sampling123 und die Zugänglichkeit124 zu den Gesprächspartnern sicher zu stellen. Als Inte rviewform wurde das Leitfadeninterview125
gewählt. Es ist die gebräuchlichste Form qualitativer Befragungen. Die Interviews
liefen einerseits mit Experten, nämlich Deutschland-Promotoren im Dienst der
Deutschen Botschaft, der Außenhandelskammer bzw. der Deutschen Zentrale für
Tourismus, dann mit australischen Fußball-Funktionären und Journalisten sowie
ferner mit Personen, die einerseits aufgrund ihres Lebenslaufs über eine besondere Kenntnis deutsch-australischer Themen verfügen, etwa Manager deutscher
Clubs in Australien, sowie andererseits mit „Normalbürgern“ in Großstädten wie in
ländlichen Regionen, und zwar (alphabetisch geordnet) in Airlie Beach, Broome,
Bunberry, Cairns, Cooktown, Darwin, Melbourne, Mission Beach, Sydney und Turnburry. Bei den Interviews ging es weniger um eine möglichst große Fallzahl als
um eine optimale Variation.126 Bei der Anzahl und Auswahl der Interviewpartner
stand eine möglichst variantenreiche Aussagequalität127 im Vordergrund – in anderen Worten: Gesucht wurde ein möglichst facettenreiches Bild. Vor allem interessierten Argumente und Begründungen für oder gegen einen Wandel des australischen Deutschlandbildes. Einbezogen wurden daher nicht nur Gesprächspartner, die einen Wandel des Deutschlandbildes voraussichtlich bestätigen würden, sondern auch in dieser Hinsicht kritische.128
Die Gesprächsprotokolle selbst sind vertraulich; sie werden nicht veröffentlicht.
Als Basis für ihre nachvollziehbare Auswertung129 galt es, die Intersubjektivität
der Untersuchung sicherzustellen.130 Das Befragungsmaterial wurde dazu dokumentiert, die zunächst akustischen Aufzeichnungen also schriftlich transkribiert131. Die anschließende Auswertung erfolgte systematisch und regelgelei-
123
Beim Sampling wurde beachtet, „dass der Fall facettenreich erfasst“ wurde (Merkens 2007: 291. Zu Stichproben
extremer, typischer, kritischer Fälle vgl. Patton 1990) und dass besonders Personen befragt wurden, die an zentralen
Punkten eines Netzwerks arbeiten; denn “Informationen sind einerseits an Funktionen und damit ve rbundenes Wissen
gebunden, sie können andererseits bei Personen besonders gut abgerufen werden, die in Netzen eine zentrale Position
einnehmen.“ (Me rkens 2007: 294)
124
Bei der Analyse in Australien wurde darauf geachtet, dass Personen nicht nur über Zugänglichkeit ausgewählt
wurden, sondern dass soziale und regionale Aspekte mit berücksichtigt wurden.
125
vgl. Helfferich 2005, Mey 2007 und Bortz/Döring 42006: 311. Die Methode orientierte sich an journalistischen
Gewohnheiten. Das ist zulässig; denn „betrachtet man die qualitative Forschung auf der operativen Ebene, so ist
Denzin (1997) zu folgen, der einen Bezug zum investigativen Journalismus herstellt. Die journalistische Recherche, die
mehr die soziale Szene als einzelne Fakten fokussiert, hat danach enge Berührungspunkte.“ (Moser 2007: 215)
126
Denn für eine theoretische Generalisierung „ist weniger die Zahl der untersuchten Personen oder Situationen
entscheidend als die Unterschiedlichkeit der einbezogenen Fälle (maximale Variation) oder die theoretische Reichweite
der durchgeführten Fallinterpretationen.“ (Flick 2007; 260)
127
Im Sinne von Mayring, der sagt: „Fallanalysen sind ein hervorragendes Anwendungsgebiet ihrer eher offenen, eher
deskriptiven, eher interpretativen Methodik.“ (Mayring 2003: 21)
128
Bei der Auswahl von Zitaten wurde auf diese Auswahlprinzipien geachtet, sodass nicht etwa nur die prägnantesten
bzw. „stimmigen“ Zitate ausgewählt wurden. Auch widersprüchliche Zitate wurden einbezogen, wenn solche vorlagen,
um dem Leser eine eigene Einschätzung zu ermöglichen. (vgl. Bortz/Döring 2006: 330)
129
z Methoden der Auswertung vgl. Schmidt 2007.
130
Dazu sind Kriterien erforderlich, die die Entscheidungen der Untersuchung leiten, damit andere bei gleicher
Vorgehensweise zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen können. (vgl. Merkens 2007: 286)
131
zur Transkription vgl. Boehm et al. 1990; Ehlich/Switalla, 1976; Ramge 1978.
42
tet.132 Auch hier wurden Kategorien gebildet. Damit die Ergebnisse möglichst
vergleichbar sind, wurden die selben Kategorien wie bei der Medienanalyse verwendet. Die folgenden Abschnitte bringen wiederum sinngemäße Zusammenfassungen von Einzelaussagen. Sie erheben wie schon die früheren Angaben aus
der Medienanalyse ke inen Anspruch darauf, repräsentativ für das Deutschlandbild in Australien zu sein. Erneut handelt es sich vielmehr um Trendaussagen.
Zur Erläuterung werden auch hier einzelne Zitate wiedergegeben.
4.1 Land und Leute
Die internationalen Medien hatten anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft ein
Deutschlandbild transportiert, in dem die Überwindung historischer Lasten die
prägende Rolle spielte. Land und Leute waren dagegen nur von geringer Bedeutung. Das stellte sich in den Interviews jedoch ganz anders dar: Von Australien aus
gesehen ist Deutschland erst einmal räumlich weit weg. Das Interesse an Deutschland ist in Australien generell nicht sehr groß, Deutschland ist „einfach zu weit
weg“, so eine junge Australierin. Eine Vorstellung ist aber durchaus vorhanden.
Und wieder spielt die Geschichte eine tragende Rolle, diesmal aber nicht die be lastende des 20. Jahrhunderts sondern die länger zurück liegende. Deutschland
gilt als ein Land, in dem man in die Historie zurück finden kann, in eine Zeit, als
Australien noch gar nicht von Europäern besiedelt war.
Deutschland ist für die Menschen des fünften Kontinents nicht nur ein Teil Europas133, sondern für die unter ihnen, die sich für Deutschland als Reiseland interessieren, eines mit „alten Sachen“. Jede m vierten Interview wurde die Historie
ausdrücklich angesprochen, aber eben nicht in erster Linie die politische oder
militärische, sondern die allgemeine, zivile, zu besichtigen in alten Schlössern
und Städten. In erster Linie verwiesen die Interviewpartner dabei auf Berlin.
Außer der deutschen Hauptstadt wurden wie zu erwarten auch Bayern genannt,
dort die Landeshauptstadt München und das in aller Welt bekannte Königsschloss
Neuschwanstein, ferner Hamburg, der Rhein und die Mosel sowie ohne beson-
132
Es galt die Intersubjektivität der Untersuchung sicherzustellen, um intuitive Deutungen mit dem Charakter der Beliebigkeit zu vermeiden, die weder objektiv bzw. intersubje ktiv nachvollziehbar noch zuverlässig wären. Üblich sind
kurze Fallbeschreibungen. Eine Darstellung aller in Kategorienlisten übertragenen Einzelaussagen ist hier aus
Platzgründen nicht möglich.
„Qualitative Auswertungsverfahren interpretieren verbales bzw. nichtnumerisches Material und gehen dabei in
intersubjektiv nachvollziehbaren Arbeitsschritten vor. Gültige Interpretationen müssen konsensfähig sein, d. h. von
mehreren Forschern, von Experten, Laien und/oder den Betroffenen selbst als zutreffende Deutungen akzeptiert
werden.“ (S. 331)
133
dessen Attraktivität allerdings hinter Paris, London und Rom zurück steht.
43
dere geografische Eingrenzung „viele gute Campingplätze“ und ganz allgemein
„Natur + Kultur + Mega-Events“.
Anders als in der Auswertung der Medienberichterstattung spielte auch der The menkreis Essen und Trinken eine nennenswerte Rolle. Dabei dominierte eindeutig deutsches Bier (es wurde in 60 % der Gespräche erwähnt, zweimal nannten
Gesprächspartner ausdrücklich die Biermarke Becks) vor Wein, Eisbein und Sauerkraut, Schnitzel, Würstchen und Senf sowie Kaffee und Kuchen. Sofern deutsches
Essen in allgemeinen Worten charakterisiert wurde, galt es als gesund.
In dieses insgesamt folkloristisch geprägte Bild passt, dass bei Sitten und Ge bräuchen das Oktoberfest134 mit weitem Abstand (40 %) am häufigsten genannt
wurde, vor weiteren ebenfalls bayerischen Stereotypen wie Schuhplattlern, vor
dem Schwarzwald, vor Rheinfahrten und der Loreley, vor deutscher Blasmusik,
Sängerfesten und Seemannsliedern (was dem im Allgemeinen von Süddeutschland, vor allem von Bayern geprägten Deutschlandklischee ein Stück weit auch
eine norddeutsche Anmutung gibt) und der Love Parade in Berlin. Generell ge nießen deutsche Feste hohe Popularität; jeder zweiten Gesprächspartner sprach
in den Interviews davon.
134
„Bayerns Erfolg war so überragend, dass es fast dem ganzen Land ein Markenimage verpasst hat, ähnlich wie die
Automobilindustrie auf dem Sektor des Güterexports. Für viele Ausländer sind Lederhosen fast gleichbedeutend mit
Deutschland, und das Münchner Oktoberfest ist die einzige Veranstaltung, von der fast jeder im Ausland schon einmal
gehört hat.“ (Olins 1999: 63)
44
Ebenso eingeschränkt wie typisch war in den Interviews der Fokus auf bekannte
deutsche Personen. Es sind, wie ein Interviewpartner sich ausdrückte, fast ausschließlich zwei Berufsgruppen: Musiker und Sportler. Letztere sind in diesem
leidenschaftlich sportlichen Land eindeutig am bekanntesten. In jedem dritten
Interview wurde Michael Schumacher erwähnt, in jedem vie rten, überwiegend
verkürzt auf die Vornamen, Boris Becker und Steffi Graf, aber in nur jedem achten die Bundeskanzlerin Angela Merkel und zu jeweils einmal Mozart, Beethoven
oder Wagner. „Nur in kleineren Kre isen nimmt man deutsche Kultur wahr“, sagte
einer der Gesprächspartner.
4.2 Nationalcharakter
Würden sich auch im Hinblick auf den Nationalcharakter deutliche Unterschiede
zur internationalen Medienberichterstattung ergeben? Würde der schwarzrotgoldene Grundzug auch hier das Gesamtbild bestimmen? Es war nicht der Fall.
Vielmehr zeigte sich in den Interviews ein manife ster Imagebestandteil, der in
der Medienberichterstattung nur eine marginale Rolle gespielt hatte: Deutschland gilt zunächst einmal als ein enorm entwickeltes Land, als dicht bevölkert
und nicht nur als sauber und diszipliniert (12 %), sondern auch als gut organisiert und als stark technisch geprägt (beides wird zu 19 % genannt) – lauter Einschätzungen also, die in den Weiten des australischen Kontinents ein ausgesprochenes Kontrastprogramm zu den alltäglichen Erfahrungen abgeben.
Es ist ein „Made in Germany“-Bild. In den Interviews zeigte es sich manifest. Am
populärsten war der Verweis auf deutsche Automobile. Jeder fünfte Gesprächspartner erwähnte sie, ohne dabei ein bestimmte Marke zu nennen135, jeder dritte
sprach konkret von BMW oder Mercedes, jeder fünfte von Volkswagen, jeweils einer von Audi und Porsche. Technische Güter trugen auch jenseits der Autobranche zum Vorstellungsbild von Deutschland stark bei. Das zeigen folgende Zahlen:
In zwölf Prozent der Gespräche erwähnten die Interviewpartner Siemens oder
Miele, halb so häufig Bosch. Als erwähnenswert gelten konsequenterweise deutsche Technikmuseen. Einen starken Eindruck hinterließ für die, die Deutschland
persönlich erlebt hatten, der in Australien kaum vorstellbar dichte Zugve rkehr
und die entwickelte Kommunikation. Gelobt wurde auch das in Deutschland verwendete giftfreie, umweltfreundliche Material. Alle diese Aussagen festigen das
Nationalbild eines technisch führenden Landes.
135
„Da dieses Image, zumindest in den Augen der Verbraucher von der Automobilindustrie dominiert wird, hat es
kaum emotionale Facetten, ist überwiegend maskulin orientiert und daher stark begrenzt. Deshalb wirkt es auch
beschränkend auf die Möglichkeiten des Landes, sich im Ausland in seiner ganzen Vielfalt darzustellen.“ (Olins 1999:
35)
45
Dieses nationale Bild wird auch in Australien mit folgenden Begriffen umschrie ben: pünktlich, ordentlich, sicher, verlässlich, fleißig, gut ausgebildet, gute Arbeiter, pragmatisch, kreativ, modern, genau, präzise, professionell, methodisch,
qualitätsvoll, zuverlässig, erfolgreich.
Dass in Deutschland alles vergleichsweise gut organisiert ist, dass ein Rädchen
ins andere greift, löst bei den befragten Australiern jedoch keineswegs einhellige Begeisterung aus: „In Deutschland rennt immer alles.“ Aber Kritik wurde in
den Gesprächen durchweg relativiert: Dort leben „auch nur Menschen“ mit „guten Eigenschaften, man kann sich auf sie verlassen, sie hinterlassen bei allen
Australiern einen guten Eindruck“. Sie gelten als positiv, wenn auch in allem als
ein starker Wettbewerber. Frühere, vor allem in der NS-Zeit wurzelnde negative
Konnotationen des Deutschlandbildes spielten in den Interviews keine nennenswerte Rolle mehr. Eine deutsche Einwanderin sagte sogar: Das Deutschlandbild
war immer sehr gut. Die meisten Australier seien begeistert. Die deutschen Einwanderer sehen dieses Bild durch deutsche Einrichtungen der politischen und kulturellen Repräsentanz sowie der Brauchtumspflege geprägt, vor allem durch das Goethe-Institut, deutsche Clubs, Chöre und die australischen Oktoberfeste.136
Rangliste ausgewählter Imageausprägungen in der Medienberichterstattung zur Fußball-WM 2006 (in %)
136
An der generellen Sichtbarkeit Deutschlands äußerte die Mehrzahl der Gesprächspartner dagegen massive Unzufriedenheit: „Deutschland präsentiert sich nicht; es müsse in Australien ein Tourist Bureau haben“ (tatsächlich existiert
es, weit über 50 % der Befragten nahmen seine Arbeit aber nicht wahr und sagten deshalb: es „macht seine Arbeit
nicht“). Nach Ansicht der Befragten sollte mehr Deutschland-Marketing geben. Vom Land müsse mehr gezeigt werden,
man müsse muss es anpreisen, mehr über touristische Möglichkeiten aufzeigen. Da geschehe zu wenig. Jeder dritte
Interviewpartner verwies hierbei auf das Problem der Sprachbarriere.
46
Das in den Medien immer wieder dargestellte veraltete 137 Klischeebild des ve rschlossenen, teilweise muffigen Deutschen hat sich im Verlauf der Weltmeiste rschaft in Australien zum Besseren gewandelt: „Ja, die Reputation Deutschlands
hat sich verändert“, sagte zum Beispiel ein australischer Journalist, der zur WM
aus Deutschland berichtet hatte. Er erläuterte: „Die Australier hielten Deutschland für einen trostlosen Ort. Sie dachten nicht, dass es ein fröhlicher Ort sei.
Aber in den Medien sah man viele Menschen auf den Straßen, die fröhlich waren
und die Stimmung genossen.“ Diese Bilder hätten sich in den Köpfen seiner Landsleute festgesetzt. Ein seit 50 Jahren in Australien lebender deutscher Einwande rer urteilte ganz ähnlich: Die Deutschen gälten als „nicht mehr so spießig“, als
„lockerer“; denn australische WM-Gäste seien während dieses Fußballfestes „positiv und offen aufgenommen" worden. Zwar finden sich in der Auswertung der
Interviews auch Einschätzungen des deutschen Charakters wie „grimmig, nicht
fröhlich“, „nicht sehr begeistert“, „zu ernst, nicht wirklich freundlich“, ja gerade zu als „Spaßbremse“; aber es heißt auch: „Im Befehlston reden: darüber werden
viele Witze gemacht“. Das historische Klischee zumindest des überaus zackigen
Deutschen wird also nur mehr belächelt. 19 % der Interviewpartner nannten den
deutschen Charakter grundsätzlich „freundlich“, einer sprach sogar von Spaß.
Rangliste ausgewählter Imageausprägungen in den Interviews zur Fußball-WM 2006 (in %)
137
„Das nationale Image ist veraltet. Es hat zwei Hauptkomponenten: Technik und Volkstümelei. Solange dieses
Image keine lebendigeren, der heutigen Realität entsprechenden Züge annimmt, wird das stereotype Bild des
Deutschen als distanziert, kontrolliert, arrogant und gefährlich weiter unangefochten bestehen bleiben.“ (Olins 1999:
37)
47
War dieser Wandel nur mit Hilfe des Fußballs erreichbar? Nein, meinte eine professionelle Beobachterin des Deutschlandbilds in Australien. Jedes ähnlich große
Mega-Event werde das auch tun. An dieser Einschätzung sind jedoch Zweifel e rlaubt. Denn erstens gibt es vergleichbar bedeutende Mega-Events kaum. Und
zweitens interessierten sich die fast durchweg sportbegeisterten Australier sehr
für alles, was die „Sportnation“ Deutschland ausmacht. Gerade als Folge der WM
hat sich deshalb ihr Bild von Deutschland deutlich entwickelt. Vor der WM war die ses Land „irgend ein Land mit einer großen Fußballtradition.” Danach hatte sich
das Bild konkretisiert. Etwa so: Nach Meinung mehrerer Gesprächspartner spielte die deutsche Elf „verwegen“ Fußball, „wie ein frischer Atemzug“.
Ähnliche Image -Erfolge wären für australische Beobachter sicherlich auch möglich gewesen, wäre ein anderer Sport in Deutschland Nationalsport. Aber nur der
Sport wäre zumindest auf diesem Kontinent geeignet, einen massenhaften Einstellungswandel zu fördern, vor allem dann, wenn im jeweiligen Gastgeberland
auch Landsleute auftreten. Dass Deutschland in Australien verstärkt wahrgenommen wurde, war nach übereinstimmender Ansicht der Interviewpartner nämlich
eine Folge der Tatsache, dass die australische Mannschaft an der WM in Deutschland teilnahm und auch noch gut spielte. Erst das lenkte das Interesse auf das
Gastgeberland. Zuvor galt Deutschland in Australien eher als Tennis- und Motorsportland. Imageprägend war der Rennsport, zum Beispiel der Hockenheimring,
der Grand Prix und insgesamt der Motorsport. De utschland galt als „gut für alle
Arten von Rennen, beispielsweise für Autorennen.“ Man erinnere sich an die populärsten Deutschen auf diesem Kontinent: Noch vor „Boris und Steffi“ rangiert
Michael Schumacher.
Die meisten der Gesprächspartner empfanden die WM als so organisiert, wie sie
das generell von Deutschland erwarteten: gut. Nur ein Australier, der das Land
zur WM besucht hatte, übte Kritik.
Auch in australischen Augen zeigte sich Deutschland zur WM im Übrigen gastfreundlich, ohne dass diese Bewertung einen ähnlich hohen Stellenwert wie in
der Medienanalyse einnahm. Grundsätzlich bewerteten die australischen WMGäste jedoch sehr positiv, was sie erlebt hatten; hier eine kennzeichnende Auswahl einer Reihe von Stimmen: „Die Deutschen können nicht nur arbeiten, sondern auch fe iern. Sie können auch Party machen. Es gab viele glückliche junge
Leute, die ihr Leben genossen. Es war großartig, aufregend, es hat einfach Spaß
gemacht. Alle haben sich wohl gefühlt. Wir hatten so viel Spaß. Es war das Beste
überhaupt. Besser geht’s nicht. Ich konnte es nicht glauben. Es war rundum toll.
Die Fanfe ste waren gut besucht. Sie barsten den ganzen Tag vor Besuchern.“
48
Andere sagten: „Die Deutschen haben sich von ihrer besten Seite gezeigt. Es hat
ja alles gestimmt: das Wetter, die Atmosphäre. Die Deutschen waren während
der WM so gastfreundlich, in jeder Stadt war die Freundschaft zu spüren.”138
4.3 Geschichte und Politik
Frühere militaristische und nazistische Prägungen des Deutschlandbildes spielten in den Inte rviews keine nennenswerte Rolle mehr. Einige sagten sogar, das
Deutschlandbild sei in Australien immer sehr gut gewesen. Die meisten Australier seien von Deutschland begeistert. Zwar erwähnte jeder dritte der australischen Interviewpartner noch das Thema Krieg, jeder fünfte direkt den Zweiten
Weltkrieg und ebenso viele den Namen Hitler. In zwölf Prozent der Interviews
kam auch der Holocaust vor, doppelt so häufig übrigens wie der Fall der Berliner
Mauer und die Wiedervereinigung. Diese belastenden Elemente aus der Ge schichte
werteten jedoch alle der Gesprächspartner selbst als ein überbewertetes Element
des Deutschlandbildes. Weder bei den älteren noch bei jüngeren Gesprächspartnern spielten ein alter oder ein neuer Nationalismus eine Rolle. Die Themen Nationalflagge und Nationalhymne kamen – ganz im Gegensatz zur internationalen
Medienberichterstattung – weder in den Aussagen der befragten deutschen Einwanderer noch bei den alteingesessenen Australiern vor.
Das könnte daran liegen, dass politische The men in der australischen Öffentlichkeit einen deutlich anderen Stellenwert haben als in vielen anderen Ländern
und schon gar einen anderen als in den Medien: Die Politik wird längst nicht so
wichtig genommen. Die Mehrzahl der Gesprächspartner nannte sich unpolitisch
und als an politischen Themen wenig oder gar nicht interessiert. Und die befragten Immigraten aus Deutschland lebten in Australien schon zu lange, als dass
sie die Zeit vor 1945 für ihr heutiges Erleben noch als wichtig betrachteten.
4.4 Das Deutschlandbild der Alteingesessenen und der Einwanderer
Diese Charakteristica im Deutschlandbild der schon seit Generationen in Australien lebenden Menschen (die früher überwiegend aus Großbritannien kamen,
das traditionell kein Freund Deutschlands war) mit dem der Einwanderer lohnt
es noch kurz zu vertiefen. Vergleicht man die Aussagen alteingesessener Australier mit denen von Einwanderern, zeigen sich nämlich typische Unterschiede.
Für die Alteingesessenen hat sich Deutschlands Image in den letzten Jahren verändert, besonders bei denen, die nach Deutschland gereist waren. Ihr Bild von
Deutschland hat neue und positive Aspekte gewonnen und klischeehafte Alt138
Alle Zitate außer dem letzten aus den Interviews, das letzte aus: Heinz, C.: Rückblick auf WM bei Empfang des
Generalkonsuls. In: http://www.woche.com.au/_inhalt/indexcnd.htm, 20.08.2006.
49
ansichten damit überlagert. Bei Einwanderern aus Deutschland – auch bei solchen, die schon Jahrzehnte in Australien leben – fällt hingegen keine große Veränderung auf. Auch wenn sie aus Deutschland hatten fliehen müssen: Ihr Deutschlandbild war immer sehr gut. Ob da Verklärung mitspielt, lässt sich aus den Interviews nicht belegen und ist auch nicht entscheidend. Als ex-Deutsche gelten
sie natürlicherweise in ihrer Umgebung als Deutschland-Experten und prägen
das allgemeine Verständnis dieses Landes daher überproportional.
Verändert hat sich jedoch die Art, wie diese Einwanderer das Deutschlandbild
bei ihren alteingesessenen Landleuten wahrnehmen, und zwar „zum Besseren
hin.” Dabei spielen persönliche Erfahrungen mit: ”Meine eigene Erfahrung als
Deutscher in Australien ist positiv, ich habe wegen meiner Herkunft nur einmal
eine negative Erfahrung gemacht.“ Früher, so sagten Einwanderer, habe Kriegspropaganda das Deutschlandbild beherrscht. Jetzt präge es die deutsche Industrie. ”Die gute Produkterfahrung hat sich nie verändert.” Deutschland wird – und
damit schließt sich ein Kreis – außerdem als Land angesehen, in dem Disziplin
herrscht, Qualität und Disziplin. Wenn Einwanderer das Deutschlamndbild ihrer
alteingesessenen Landleute zusammenfassten, sagten sie: „Man kann sich auf
Deutschland verlassen, haben die Australier gemerkt.“ Dass das ein Entwicklungsprozess war, der von einer schwierigen Basis aus startete, veranlasste einen der
interviewten Einwanderer, ausdrücklich hinzuzusetzen: „Menschlich und wirtschaftlich wurden wir respektiert. Politisch waren wir vielleicht anders einge stellt.
Wir wurden anerkannt und respektiert, vielleicht allerdings nicht gerne gemocht.“
Bei den Einwanderern gelten Deutsche in erster Linie als gute, fleißige Arbeiter.
Bei den alteingesessenen Australiern gelten sie in erster Linie als ernst. Einwanderer verbinden Deutschland vor allem mit deutschen Marken, Alteingesessene
eher mit deutschem Essen und Trinken (Bier), mit historischen Gebäuden und
generell der deutschen Historie. Einwanderer registrieren auch, wie Deutschland
in Australien auftritt und ob und wie weit das im Lande bemerkt wird. Alteingessene Australier nehmen diese Botschaften in der Regel nicht wahr. Viele Interviewpartner wünschen sich, dass die deutsche Lebensart und deutsche Gewohnheiten mehr dargestellt werden. Sie möchten den Alltag in Deutschland und die Le bensweise der Deutschen genauer kennen lernen. Gleichzeitig betonten sie aber,
dass sich Australier vor allem für landschaftliche Besonderheiten interessieren –
das sind sie vom eigenen Land so gewohnt. Landschaften kennenzulernen hat
außerdem einen großen Vorzug: Kulturelle Besonderheiten sind aufgrund der
mehrfach beklagten Sprachbarriere nur schwer aufzunehmen.
Spricht man alteingessene Australier auf die deutsche Geschichte an, stellen sie
Vergleiche mit Vietnam oder Singapore an, die früher ebenfalls ein belastetes
Image hatten, aber es geschafft haben, nun gut dazustehen. Diese Relativierung
dessen, was einmal war, lässt auch die Erwähnung des Zweiten Weltkriegs in Be-
50
zug auf Deutschland als eine Überbetonung erscheinen. Dagegen ist das Bild
von der Lebensart der Deutschen unterentwickelt. Und das gilt auch ganz gene rell für die Tatsache, dass Deutschland heute, wie sich einer der Gesprächspartner ausdrückte, „eine offene, liberal denkende Gesellschaft ist“. Eine gezielte
Weiterentwicklung des nationalen Bildes bleibt deshalb eine Aufgabe. Die WM
hat gezeigt, dass ihre massenhafte Mobilisierung von Menschen eine gute Möglichkeit ist, überlieferte Klischees durch neue Erfahrungen zu relativieren und
zunehmend zu ersetzen.
5
Schlussfolgerungen und Ausblick
Die Analyse hat gezeigt, dass der Massensport Fußball wegen seiner emotionalisierenden Kraft und seiner weltweiten Ausstrahlung nationale Imageverände rungen zu transportieren vermag. „Fußball ist eine große Sache“, urteilten australische Gesprächspartner. Das betrifft nicht zuletzt sein Einfluss auf eine nationale Reputation. Gerade auch in Australien gilt Deutschland als sportliche
Nation, als Land des Fußballs. Die WM hat gezeigt: Der Sport kann ein wichtiger,
zu Zeiten der wichtigste Botschafter eines Landes sein. Gezielt geplante Sportdiplomatie ist deshalb sehr wichtig.139 Der Sport bringt Nationen einander näher: „Er bringt Beziehungen zur Geltung, entwickelt irgendwie alles“ - die Politik
selbst bezeichnet ihn als den „vermutlich größten Wundenhe iler“.140
Nie zuvor wurde den Menschen durch eine Weltmeisterschaft so vor Augen ge führt und damit bewusst gemacht, urteile die Wiener Presse (36b), „dass Fußball
nicht nur ein Mannschaftssport ist, sondern ein Gesellschaftsspiel.“ Zumindest
temporär sei er in der Lage, setzte die Zeitung hinzu, sowohl Perspektiven der Gesellschaft als auch das Image eines Landes zu verändern. „Der World Cup kriegt
hin, was Jahrzehnte zuvor nicht vermochten“, urteilte auchwww.charlotte.com (6).
Nach Überzeugung der deutschen Regierung festigte die WM die positive Einstellung Deutschland gegenüber in den Ländern, in denen Deutschland bereits
großes Ansehen genoss, und e rweiterte sie um neue Aspekte. In Ländern mit
traditionell eher kritischer Sicht stellte sie Stereotype vielfach zumindest infrage.
Die deutsche Bundesregierung kam zusammenfassend zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie sie sich aus der Analyse der internationalen Medienstimmen und
aus den Australien-Interviews ableiten ließen: Die als typisch deutsch geltenden
Tugenden Ordnung, Gründlichkeit, Sauberkeit, Pünktlichkeit und Sicherheitsbewusstsein wurden um die bisher weniger gesehenen die Attribute Herzlichkeit,
Offenheit, Gastfreundschaft, Lebensfreude und Fairness ergänzt. Alte Vorurteile
139
140
Alle diese Begriffe entstammen den Interviews.
Auch diese Aussagen entstammen den Interviews.
51
wie Sturheit, Humorlosigkeit, Fremdenhass, emotionale Kälte, sagte die Bundesregierung, seien fallen gelassen worden.
Weltweite Sympathien errang Deutschland nach Ansicht der Bundesregierung
durch eine Kombination gut vorbereiteter und mit Glück erzielter Bedingungen:
durch die erfolgreiche Absicht, ein guter Gastgeber zu sein, durch das mitreißende Spiel der deutschen Nationalmannschaft und durch die Begeisterung der
vielen meist jugendlichen Zuschauer auf den Fan-Meilen. Ergebnis war, was die
Regierung als unverkrampften Patriotismus bezeichnet.141 Deutschland gelang
es gewisse rmaßen, ein neues Markenbild zu kreieren und sein zuvor verzerrtes
Bild ganz im Sinne von Olins „in den Augen der ausländischen Konsumenten in
ein neues Gleichgewicht bringen. Anstelle eines maskulinen und technikorientierten Profils“ habe sich „eine realistischere und vielfältigere Vorstellung von
Deutschland“ vermitteln lassen. Und so hätten auch „deutlich mehr Hersteller
ihre nationale Herkunft als Imagefaktor nutzen“ können.142
Als politische Belege für diesen von allen Beobachtern wahrgenommen Wandel
zitierte die Regierung einige Deutsche Botschaften. Sie werteten den Einfluss der
WM als „ohne Zweifel die be ste PR-Maßnahme für die Bundesrepublik seit Beste hen.“143 Sie maßen der WM mehr imageprägenden Einfluss zu „als es eine Million
politischer Pressekampagnen bewirkt hätte.“144 „Kein Ereignis“, heißt es im Abschlussbericht der Regierung, „dürfte seit dem Mauerfall das Deutschland-Image
so intensiv und so positiv beeinflusst haben.“
Solche Gesamturteile spiegeln die Bandbreite von Einzelbildern selbstverständlich nicht wider. Deshalb lohnt sich abschließend ein kurzer Blick auf Großbritannien. Dort waren Stechschritt und Nazi-Vergangenheit, ja sogar die seit fast
hundert Jahren ausgemusterte Pickelhaube auch im beginnenden 21. Jahrhundert noch imageprägend gewesen.145 Um so signifikanter erscheint, dass sich
das Deutschlandbild als Folge der Fußball-Weltmeisterschaft gerade in Großbritannien am stärksten zum Positiven gewandelt hat.146 In London wurden deutsche Diplomaten dazu immer wieder beglückwünscht. Die dortige Deutsche
Botschaft urteilte: „Das Deutschlandbild hat sich zu einer fast überschwänglichen Wahrnehmung entwickelt.“ Und selbst noch im entfernten Neuseeland
hieß es: „Die Fußball-WM war für das Deutschlandbild von unschätzbarem Wert.
Es kann kein besseres Ergebnis geben.“ 147
141
vgl. Bundesregierung 2006.
Olins 1999: 67
143
Deutsche Botschaft Abu Dhabi. In: Bundesregierung 2006.
144
Deutsche Botschaft Stockholm/Schweden. ibid.
145
vgl. Wendt 1994.
146
Deutsche Botschaft London/Großbritannien. ibid
147
Deutsche Botschaft Wellington/Neuseeland. Ibid.
142
52
Zur Bandbreite gehört, dass es Länder gab, die sich von diesem Stimmungswandel gewissermaßen nicht anstecken ließen. Berichte aus Polen und Italien
deuten nach Ansicht der deutschen Regierung darauf hin, dass bestehende
Vorurteile dort nicht entkräftet werden konnten.148 Trotz dieser vereinzelten
Negativbefunde ist das Gesamtbild sehr gut. Das in der vorliegenden Analyse
ausgewertete Material aus globalen Medienberichten sowie aus Interviews im
fünften Kontinent bestätigt diese Einschätzung nicht nur. Es liefert auch Hinweise zur Begründung. Statistisch belastbare Ergebnisse waren dabei wie erwähnt nicht beabsichtigt149, Trendaussagen dagegen schon. Sie haben sich
eingestellt.
Die Signifikanz des Massensports für die nationale Reputation ist offensichtlich.
148
vgl. Bundesregierung 2006.
Auf der Basis der vorliegenden Materialien, also der FIFA- und der DZT -Aussagen sowie des Berichts der
Bundesregierung, auf Basis der Medienanalyse und der qualitativen Untersuchung in Australien ließe sich in einem
späteren Untersuchungsschritt eine quantifizierende Vertiefung aufbauen. Ähnliche Vorhaben laufen auch andernorts.
An der Universität Klagenfurt wurde eine englischsprachige Dissertation zum Themenkreis verfasst, die aber zum
Zeitpunkt, als dieser Bericht abgeschlossen wurde, noch nicht freigegeben war. Eine kurze Studie zu Nachwirkungen
der Fußball WM 2006 in Deutschland legte der Innovations-Report vor (http://www.umfragen.info/online/umfrage/archiv/2007/02/18/studie-nachwirkungen-der-fussball-wm-2006-in-deutschland)
149
53
Analysierte Medien (alphabetisch)
abc/ USA, Associated Press/ USA, Belfast Telegraph/ Nordirland, Blick/ Schweiz, The Boston Globe/
USA, Business Day/ Südafrika, Alastair Campbell/ Großbritannien, CanWest News Service/ Kanada,
www.charlotte.com/ USA, China Daily/ China, The Christian Science Monitor/ USA, CNN/ USA, Daily
Mail/ Großbritannien, The Daily Star/ Libanon, Deutsche Welle, Deutschlandradio, Diário de Notícias/
Portugal, L’Exprès/ Frankreich, Frankfurter Allgemeine Zeitung, La Gazzeta dello Sport/ Italien,
Geelong Advertiser/ Australien, O Globo/ Brasilien, The Guardian/ Großbritannien, Haaretz/ Israel,
The Independent/ Großbritannien, India News/ Indien, International Herald Tribune/ USA, Iswestija/
Russland, Jyllands Posten/ Dänemark, Jutarnji List/ Kroatien, Libération/ Frankreich, Mirror/
Großbritannien, Le Monde/ Frankreich, El Mundo/ Spanien, N24, netzeitung, Neue Zürcher Zeitung/
Schweiz, The New York Times/ USA, The New Zealand Herald/ Neuseeland, NRC Handelsblad/
Niederlande, Ottawa Sun/ Kanada, El Pais/ Spanien, People’s daily/ China, Die Presse/ Österreich,
RAI 2/ Italien, La Repubblica/ Italien, Reuters/ Großbritannien, Der Standard/ Österreich, Sydney
Morning Herald/ Australien, Tages-Anzeiger/ Schweiz, Der Tagesspiegel, The Telegraph/
Großbritannien, The Times/ Großbritannien, Toronto Sun/ Kanada, The Scotsman/ Großbritannien,
Der Spiegel, SWR, taz, De Telegraaf/ Niederlande, Trouw/ Niederlande, The Trumpet/ USA, De
Volkskrant/ Niederlande, yahoo Sport, Washington Post/ USA, Yemen Times/ Yemen, Die Woche/
Australien.
Statistisch analysierte Beiträge aus Medien
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2 Deutsche Welle World online, posted 22.06.06, mit Beiträgen von (a) Nick Lipsi/ Polen, (b) Jim
Ritchey/ USA, (c) Christopher Lamb/ Großbritannien, (d) Veril Scott/ USA u.a.
3 The Trumpet.com, Philadelphia/USA, posted 23.06.06
4 Die Tageszeitung online, Zugriff 22.06.06, mit Bericht aus Dublin/ Irland über Großbritannien
5 The Boston Globe online, USA, Zugriff 24.06.06
6 www.charlotte.com, USA, posted 25.06.06
7 Neue Zürcher Zeitung online, Schweiz, posted 25.06.06
8 Reuters online, Großbritannien, posted 28.06.06
9 The Scotsman online, Großbritannien, Zugriff 28.06.06
10 N24 online, Zugriff 29.06.06, über die US-Resonanz auf die WM
11 abc News online, USA, Zugriff 11.07.06
12 Haaretz online, Israel, Zugriff 13.07.06
13 netzeitung.de, posted 03.07.06
14 Ottawa Sun online, Kanada, posted 07.07.06
15 Toronto Sun online, Kanada, posted 07.07.06 (inhaltsgleich mit 14)
16 Washington Post online, USA, posted 04.07.06
17 Reuters online, Großbritannien, posted 05.07.06
18 yahoo Sport, Zugriff 11.07.06
19 Mirror online, Großbritannien, posted 06.07.06
20 People’s daily online, China, Zugriff 06.07.06
21 Yemen Times, Yemen, Zugriff 11.07.06
22 CNN online, USA, Zugriff 11.07.06
23 Deutsche Presse-Agentur, veröffentlicht vom Kölner Stadtanzeiger online, posted 07.07.06,
mit folgenden Zitaten: (a) Le Monde/ Frankreich, (b) L’Exprès/ Frankreich, (c) El Mundo/
Spanien, (d) Diário de Notícias/ Portugal, (e) Tages-Anzeiger/ Schweiz, Blick/ Schweiz, (g) Neue
Zürcher Zeitung/ Schweiz, (h) Daily Mail/ Großbritannien, (i) Independent/ Großbritannien, (j)
Alastair Campbell/ Großbritannien, (k) Volkskrant/ Niederlande, (l) Trouw/ Niederlande, (m)
Telegraaf/ Niederlande, (n) NRC Handelsblad/ Niederlande, (o) Jyllands Posten/ Dänemark,(p)
Jutarnji List/ Kroatien, (q) RAI 2/ Italien
24 Frankfurter Allgemeine Zeitung online, posted 10.07.06, mit folgenden Zitaten: (a) UN-Generalsekretär Kofi Annan, (b) Außenminister Frank-Walter Steinmeier, (c) Bundespräsident Horst
Köhler, (d) SPD-Generalsekretär Heil, (e) Präsidentin des Zentralrats der Juden Charlotte Knobloch
25 Haaretz online, Israel, posted 02.9.06
26 India News online, posted 09.07.06
27 International Herald Tribune online, USA, posted 16.06.06
28 Times online, Großbritannien, posted 20.06.06
54
29 ipsnews online, posted 16.06.06
30 The New York Times online, USA, posted 09.07.06
31 Telegraph online, Großbritannien, posted 07.07.06
32 The Independent online, Großbritannien, posted 11.07.06
33 China Daily online, China, posted 10.07.06
34 The Daily Star online, Libanon, posted 10.07.06, mit Beitrag von ex-Außenminister Joschka Fischer
35 Deutsche Presse-Agentur, veröffentlicht vom Kölner Stadt-Anzeiger, posted 10.07.06, mit folgenden Zitaten: (a) The Times/ Großbritannien, (b) The Guardian/ Großbritannien, (c) El Pais/ Spanien, (d)
Standard/ Österreich, (e) Libération/ Frankreich, (f) Iswestija/ Russland, (g) Tages-Anzeiger/ Schweiz
36 Volksstimme online, Zugriff 11.07.06, mit folgenden Zitaten: (a) Der Standard/ Österreich, (b)
Die Presse/ Österreich, (c) Tages-Anzeiger/ Schweiz, (d) Neue Zürcher Zeitung/ Schweiz, (e) La
Repubblica/ Italien, (f) La Gazzeta dello Sport/ Italien, (g) De Telegraaf/ Niederlande, (h) De
Volkskrant/ Niederlande, (i) The New York Times/USA
37 Business Day/ Südafrika, posted 11.07.06
38 The New Zealand Herald/Neuseeland online, posted 11.07.06
39 The Christian Science Monitor/ USA, posted 12.07.06
40 Deutschlandradio online, posted 13.07.06
41 The Telegraph online/ Großbritannien, posted 02.08.07
42 Der Tagesspiegel online, Zugriff 16.08.07, mit einem Beitrag von Mark Perrryman, Großbritannien
43 FAZnet posted 16.08.06, mit einem Beitrag von Renate Köcher
44 Belfast Telegraph online/ Nordirland, posted 10.07.06 (identisch mit 32)
45 CanWest News Service online/ Kanada, posted 08.07.06
weitere Medienberichte außerhalb der statistischen Auswertung
46 The Advertiser, Adelaide/ Australien, 08.03.06 (Section Sport: “Yorke back”); 10.03.06
(Section News: “Thugs out”); 11.07.06 (World Cup The Final - Fireworks, flags and tears of
happiness”); 12.07.06 (Section Sport: “World cup final - Four years to clean up”)
47 The Age, Melbourne/Australien,14.06.06 (Section News: “All aboard the Aussie express –
focus – history making socceeros“)
48 Associated Press, 07.09.06
49 Canberra Times/ Australien,01.05.06 (“Canberra looking to Bangladesh, Germany and Belgium to
recruit skilled workers”); 17.06.06 (“Turn on, tune in, then drop out”); 18.06.06 (“Truth stretched all
the way to Germany”)
50 Courier Mail, Brisbane/ Australien, 8.05.06 (Section World: “Berlin priests and imams have a ball”)
51Geelong Advertiser/ Australien, Big Weekend Edition vom 03.06.06 (Reiseempfehlungen)
52 Herald Sun, Melbourne/ Australien, 09,06.06 (Section Theeye: “Up for the cup”)
53 MX/ Australien, 13.04.06 8Section News: “Nice one”); 20.04.06 (Section News: “What the?”);
08.05.06 (Section Sport: „ Nice one”); 30.05.06 (Section Sport: „Start spreading the news,
Germany Kahn do it”); 02.06.06 (Section Sport: “The kickoff's so close we can almost taste it”)
54 Northern Territory News, Darwin/Australien, 19.05.06 (Section Sport: “Brazil outright favourite...”)
55 Sydney Morning Herald/ Australien, vom 17.05.06 (Section Ne: “Fans warned: we have ways
of making you shut up”); 10.06.06 (Section News and Features: “Ready for kick-off - The only
true World Cup”); 07.10.06 (Section News and Features: “Angela's ashes unlike Schroeder, who
sued a newspaper that wrote that he dyed his hair, Merkel seems oblivious to how she is
portrayed”); 28.11.06 („Black forest cake - history of a dish”)
56 Spiegel online, 10.07.06
57 Sunday Age, Melbourne/ Australien, 5.03.06 (Section Extra: “The cannibal camp”)
58 Sunday Magazine, Perth/ Australien, 16.07.06 (Section Sunday Magazine: “HOT 100”)
59 Sunday Mail, Brisbane/ Australien, 02.07.06 (Section Escape: “Christmas with real trimmings”)
60 Sunday Times, Perth/ Australien, 03.09.06, Seite 40
61 Sun Herald, Sydney/ Australien, 03.09.06 (Section Insert: “10 Tenors album launch...”)
62 Die Woche/ Australien, 20.08.06 (Bericht über Empfang beim deutschen Generalkonsul in Sydney)
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