West-östliche Raumkunst

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West-östliche Raumkunst
© Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co. KG, Köln 2011. Jede Vervielfältigung und Verbreitung ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig.
GESTALTUNG
| KONGRESSGEBÄUDE
West-östliche
Raumkunst
Raumgestaltung | Wer meint, im Innenausbau schon alles gesehen zu haben, der kennt noch nicht das neue
Kongresszentrum in Taschkent, Usbekistan. Unterstützt von mehreren leistungsstarken deutschen Ausbaufirmen
haben hier die Stuttgarter Architekten der Ippolito Fleitz Group die innenarchitektonische Gestaltung vorgenommen.
Herausgekommen ist dabei eine atemberaubende Verschmelzung west-östlicher Raumkunst.
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TrockenBau Akustik Y 1-2.2011
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Flüssiges Metall. Der Kongress-Saal wölbt
sich in weitem Rund in den Foyerbereich
(hier im Bereich der Empore).
Die Wandoberfläche wurde mit einer
flüssigen Metallbeschichtung versehen
und aufwendig geschliffen.
Foto: Hasenkopf
Foto: Zooey Braun
A
Kongress-Palast. In nur sechs Monaten
Bauzeit entstand ein riesiges Kongressgebäude
mit hochmoderner Ausstattung und
bemerkenswerter Gestaltung.
TrockenBau Akustik Y 1-2.2011
llein die Kennzahlen des Internationalen Forumspalastes „Usbekistan“ beschreiben schon ein bauliches Abenteuer:
knapp 40.000 m2 gestalteter Raum, über
5000 Beteiligte – und nur sechs Monate
Bauzeit! Das Großprojekt in Usbekistans
Hauptstadt Taschkent ist aber nicht nur ein
baulicher, sondern auch ein gestalterischer
Superlativ geworden.
Wohl eines der wichtigsten Repräsentationsgebäude des Landes entstand auf dem
Amir Timur gewidmeten Ehrenplatz im
Zentrum der Stadt. Der Bau, der schon bei
seiner Entstehung viele Kulturen und Nationen von Bauschaffenden zusammenführte, soll auch weiterhin den Anspruch
der Weltoffenheit und der Internationalität des zentralasiatischen Landes, das von
seiner Lage und Geschichte her immer ein
Bindeglied zwischen vielfältigen Ethnien
und Regionen war, symbolisieren.
Das innenarchitektonische Konzept der
verantwortlichen Ippolito Fleitz Group
(Stuttgart) trägt der Verschmelzung von
Tradition und Moderne Rechnung. Es
nimmt traditionelle Formen des Landes
auf und transformiert sie behutsam in
weltoffene, kommunikative Räume mit
exklusiver Stofflichkeit: weiße Räume,
Flächenornamente, organische Bewegungen, Kristalle, edelste Metalle sowie Spiele
mit Kunst- und Sonnenlicht machen die
Räume zu einem einmaligen Erlebnis.
Staatsakte, internationale Kongresse,
Konferenzen und kulturelle Höhepunkte
finden hier einen würdigen Rahmen.
Weiße Palastarchitektur mit
Stuck, Marmor und Gipsplatten
Beeindruckend ist schon der Eintritt ins
Foyer. Drei Marmorportale mit hohen
geschnitzten Holztüren führen in das
Vestibül. Von hier aus erschließt sich das
Hauptfoyer mit seinen 16 m Raumhöhe und einer Grundfläche von 2500 m2.
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Foto: Zooey Braun
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Palastarchitektur. Weißer Marmor bei Boden
und Säulen, Stucco Veneziano (mit Marmorstaub)
an den Brüstungen, verzierte GK-Konstruktionen
an Decke und im Fassadenbereich sowie
riesige Kristall-Leuchter ergeben eine
orientalisch-märchenhafte Szenerie.
Viele Funktionen. Der Grundriss (Vorabzug)
verdeutlicht die Lage von zentralem Auditorium
sowie Foyer (quer davor) und Bankettsaal im
hinteren Bereich.
Spektakulär inszeniert ein Lüster in 9 m
Höhe und auf 23 m Länge die Hauptachse
des Foyers. Gefertigt wurde der Lüster aus
1,1 Mio. Swarowski-Kristallen.
„Schwebende“ Treppen führen in obere
Geschosse. Sie unterstreichen die monumentale Palastarchitektur mit viel Marmor. Ihre Brüstungen sind mit Stucco
Veneziano beschichtet, einem glatt polierten, warmweißen Stuck mit Zusätzen von
Marmorstaub. Heller Sivec-Marmor prägt
den Foyerboden, ein umlaufender Wandfries ist aus Irish-Green-Marmor. Groß
skaliert wiederholen sich die geometrischen Bodenbewegungen an der Decke
und optimieren dabei, als dreidimensionale Dekorleiste, die Raumakustik.
Entscheidend für die räumliche Wahrnehmung des Foyers sind die 16 m hohen
Fensterachsen. Von der Bodenebene in
die Höhe strebend, zur Decke hin gerundet, komprimieren sie die lichte Raumhöhe. Ornamentierte Spiegel oberhalb
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der Fenster dramatisieren die vertikale
Dimension.
16 Schleifgänge für eine
Wandbeschichtung aus Metall
Das Auditorium – der größte Raum des
Bauwerks – hebt sich bereits im Foyer von
der weißen Palastarchitektur ab. Plastisch
auswölbend behauptet sich der Saalkörper
im Außenraum des Foyers und der Empore. Seine Außenfläche misst 2200 m2
und ist mit einem so genannten „LiquidMetal“ beschichtet (siehe auch Seite 52).
Beinahe sinnlich dehnt sich diese ZinkMessing-Legierung mit in 16 Schleifgängen erzielter Patina unter der Spannung
des verborgenen Inneren aus.
Innen erwartet den Besucher ein riesiges
Amphitheater. Mit 48 m Höhe und 50 m
Raumdurchmesser umschließt der Saal
ein imposantes Volumen. Für die überwölbende Lichtkuppel wurden 600 t Stahl
verbaut. Im Inneren ist das Gewölbe – üb-
rigens ein wichtiges Element usbekischer
Baukultur – weitgehend eine Trockenbaukonstruktion riesigen Ausmaßes.
Übereinander angeordnete und zueinander versetzt umlaufende Bänder
fassen Bühne und Zuhörerraum zu einer
Einheit zusammen. Mehrschichtig und
hinterleuchtet sorgen die Kuppelbänder
zum einen, da vollkommen absorbierend,
für gute Raumakustik, zum anderen für
erhabene Lichtstimmungen. Bei Bedarf
verwandeln die im Versatz der Ringe verlaufenden Leuchtstoff- und LED-Bänder
dank präziser Lichttechnik den Raum in
einen schwerelosen Lichtkorpus.
Eine ganz besondere Licht-Installation
befindet sich im unteren Bereich der umlaufenden Wand. Hier wurden die Wände
dieses Amphitheaters auf der Rückseite auf
unterschiedlichen Tiefen wellenförmig gefräst und hinterleuchtet. Die Wände sind
aus dem Mineralwerkstoff Corian, was
der Lichtinstallation einen makellosen
TrockenBau Akustik Y 1-2.2011
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Foto: Zooey Braun
Foto: Mänz
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Kuppel in Trockenbau. Für die überwölbende Kuppel wurden 600 t Stahl
verbaut. Im Innereren ist die Kuppel eine Trockenbaukonstruktionen riesigen
Ausmaßes.
Licht-Installation. Im unteren Bereich des Auditoriums wurde die umlaufende Wand auf
der Rückseite in unterschiedlichen Tiefen wellenförmig gefräst und hinterleuchtet.
Foto: Hasenkopf
Foto: Andreas J. Focke
Amphitheater. Das Auditorium ist mit seinen 48 m Höhe und 50 m
Raumdurchmesser ein imposanter Saal. Seine Kuppel und die umlaufenden
Bänder sind hochwertige Trockenbaukonstruktionen.
Corian-Puzzle. Für die Licht-Installationen
wurden die Corian-Elemente aus 1–2 m² großen
Einzelteilen zusammengebaut und an der
Rückwand befestigt.
BAUTAFEL*
Palace of International Forums „Uzbekistan“
Innenarchitektur: Ippolito Fleitz Group, Stuttgart
Trockenbau-/Ausbauschwerpunkte und beteiligte Firmen:
Auditorium:
› Heinz Mänz Ausbau GmbH, Hannover (Kuppelkonstruktion)
› Riedl Messe-/Laden- & Objektbau, Pfaffing/Lehen (Corian-Wand in
Zusammenarbeit mit Hasenkopf, Mehring)
› Baierl & Demmelhuber, Töging (Foyer; Liquid-Metal-Wand)
TrockenBau Akustik Y 1-2.2011
Konferenzraum:
› Heinz Mänz GmbH, Hannover (Decken, Lichtgräben; Formteile
Vogl Deckensysteme, Emskirchen)
Bankettsaal:
› Heikaus, Mundelsheim (Oberflächen, GK-Konstruktionen in Zusammenarbeit mit Knauf Gips KG, Zentrale Objektgruppe Iphofen)
* Aufgrund der Komplexität des Projektes sowie der Vielzahl der beteiligten
Industrie- und Ausbauunternehmen kann diese Bautafel nur einen groben und sicher unvollständigen Überblick über die wesentlichen AusbauSchwerpunkte und die daran beteiligten Unternehmen geben.
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Foto: ?? Rechte ??
| KONGRESSGEBÄUDE
Foto: ?? NN ??
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Formteile. Die Lichtgräben wurden in allen
Einzelheiten als Formteile vorgefertigt und
nummeriert auf die Baustelle geliefert. Nur so
konnte schnell eine exakte Konstruktion
gewährleistet werden.
Konferenzraum. Den runden Konferenztisch
(Durchmesser 10 m) überspannt ein Deckenfeld mit
konzentrisch verlaufenden, beleuchteten
Deckenringen.
Lichtgräben. Die Basisdecke ist durch eine
Beschichtung akustisch wirksam. Die hinterleuchteten Lichtgräben kreisen konzentrisch um einen
großen Kristall-Leuchter.
Charakter verleiht. Für die Wand galt es,
eine über 1000 m2 große Fläche aus 1–2 m2
großen Einzelteilen zusammenzubauen
und fugenlos zu verkleben. Nur durch
die feine Hinterfräsung (CNC-gesteuert)
konnte die ausdrucksstarke Optik mit den
zierlichen Linien erreicht werden.
Licht ist auch in anderen Räumen des
Kongressgebäudes Gegenstand der Rauminszenierung, so z. B. im großen Konferenzraum. Hier bildet ein imposanter
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runder Tisch mit 10 m Durchmesser den
stoischen Arbeitsmittelpunkt. Diesen
überspannt ein konzentrisches, mit Blattpalladium beschichtetes Kuppelfeld. Darunter wölbt sich ein Swarowski-Kegel.
Fertigstellung in Rekordzeit
mit Formteilen und Vorfertigung
Die zentrierte Raumwirkung aufnehmend, strebt die Trockenbaudecke aus
Lichtringen, deren Leibungen mit Palla-
dium belegt sind, zu den Außenkanten.
Gegenüber der Fensterfront bildet eine
große facettierte Fläche mit dreidimensionalem Relief einen Fokuspunkt. Auf diesem modern interpretierten Flächenornament bricht sich das Raumlicht vielfältig
und raffiniert. Die Lichtringe wurden im
Wesentlichen aus vorgefertigten GK-Elementen montiert.
Vorfertigung und Formteile aus Gipsplatten spielten auch in einem weiteren
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Foto: Knauf Gips KG
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Foto: Andreas J. Focke
Foto: Knauf Gips KG
Wellenwand. Die seitlichen, gebogenen
Wände des Bankettsaals wurden mit
ondulierenden Wellen versehen. Zusammen
mit einem Kristall-Vorhang ergeben sich so
interessante Lichteffekte.
Prächtiges Bankett. Eine Swarowski-Tapete vor der gewellten Wand (im Hintergrund),
Kristall-Leuchter, und natürlich die zur Decke gebogene Perlmutt-Wand sowie die hinterleuchteten
Deckensegel geben dem Raum einen prachtvollen Glanz.
Kuppel. Die Unterkonstruktion der flachen
Kuppeldecken im Bankettsaal deutet hier bereits
die Grundform des fertigen Innenausbaus an.
Prunkstück des Konferenzforums eine
wesentliche Rolle: im Bankettsaal. Sowohl
die Wände als auch die Decke sind hier
meisterhafte Beispiele moderner Trockenbautechnik. Links und rechts der Bühne
streben zwei mit Swarowski-Tapeten verkleidete und gewellte GK-Wände dem
Präsidialplatz entgegen. Die ondulierende
Wandstruktur erscheint als fortgesetzter
Bühnenvorhang und erwirkt durch Reflexionseffekte zusätzliche Tiefen.
Ein zusammenführendes Element ist die
kostbare, dramatisch in die Decke ragende, gebogene Perlmutt-Wand. Sie wird eingefasst von Deckenfeldern, die mit leichtem Schwung eine Verbindung zwischen
Bühne und Präsidialplatz schaffen. Zwei
sche Konzept von einem Stuttgarter Planerteam stammt, zeigt die auch international herausragende Stellung des deutschen
Ausbaus in Planung und Ausführung. <
TrockenBau Akustik Y 1-2.2011
abgehängte 11 m messende Lichtkuppeln
überkrönen den Saal. Ihre sphärisch aufgelösten Kristalle füllen ihn mit Weichheit. Diese herausragenden Trockenbaukonstruktionen waren nur in ausgefeilter
Falt- und Biegetechnik möglich. Dank des
hohen Vorfertigungsgrades konnten die
extrem kurzen Montagezeiten für diese
ausgefallenen Konstruktionen eingehalten werden.
Nicht zuletzt dank deutscher Industrietechnik und deutschem Know-how,
einem hohen Vorfertigungsgrad sowie
dem Einsatz ausgezeichneter Fachhandwerker konnte das Projekt in kurzer Zeit
mit einem hohen Qualitätsstand realisiert
werden. Dass auch das innenarchitektoni-
Quellen
Grundlage für diesen Bericht sind Informationen
der Ippolito Fleitz Group, Stuttgart (Press
Information: Palace of International Forums
„Uzbekistan“); Knauf Gips KG, Iphofen;
Hasenkopf, Mehring; Vogl Deckensysteme,
Emskirchen.
www.trockenbau-akustik.de
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