toskana - Windsurfen
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toskana - Windsurfen
TOSKANA Wenn Gott ein Surfer wäre, dann stünde das Tor zum Paradies vor Roberto Hofmanns Haustür in der Toskana. Denn da, wo Geschichte lebt, wo Oliven reifen und Zypressen duften, wo zwölf Monate im Jahr das Klima surferfreundlich bleibt, da ist das Leben schön. 3/2003 93 Fotos: Raffaello Bastiani, Text: Steve Chismar R oberto ist Lombarde. Genau genommen kommt Roberto Hofmann vom Lago Maggiore. Eigentlich ist er dann schon Schweizer – „il tedesco“, der Deutsche, schimpfen ihn ironisch seine italienischen Kollegen. Das stört ihn nicht, oder zumindest lässt er sich das nicht anmerken, nicht hier in der Toskana, wo das Leben vor Schönheit lacht. Er versteckt alles hinter seinem Redeschwall, gleich einem Quakkonzert von Enten im Teich. Sein Teich sind die Weltmeere – vor allem das Tyrrhenische hat’s ihm jetzt angetan. Mal quakt er italiensch, mal deutsch, mal englisch, mal spanisch und mal französisch: quak, quak, quak, quak, quak – ein multikulti Enterich, der jeden Satz wie einen Paukenschlag aus „Vivaldis vier Jahreszeiten“ mit dem Handrücken auf der Brust seines Gesprächspartners beendet. So verwundert es keinen, dass Roberto schon nach einem Jahr Dienst als Chef-Tester bei Roberto Ricci Designs (RRD) in Grosseto die schlagfertigsten Theorien über Windprognosen in der Toskana erstellt: „Ola Madonna“, gackert er auf nordisch, „wenn die Sonne über der Talebene Grossetos knallt und alle Schafe nach Osten furzen, dann hat Marina die geilste Thermik in der Toskana.“ Schlag auf die Brust. Punkt! Aber Spaß bei Seite: Hofmann weiß genau, woher der Wind bläst und wo man hin muss. Als alter Gardasee-Local ist ihm diese Eigenart als Wind-Scout geblieben. Und in dieser Eigenschaft lieben und kennen wir ihn. Auch das Gackern natürlich. Das surf Magazin besuchte Roberto im Sommer und im Winter auf seinem Landgut bei Marina di Grosseto und entlockte ihm bei einer Flasche Rosso di Montalcino und Blutwurst Sanguinaccio – so herzhaft frisch, dass man die Sau noch grunzen hörte – seine neu errungenen Surf-Geheimnisse über die wildromantische Toskana. „Den Wind in der Toskana kann man in zwei Phasen einteilen“, erklärt Hofmann, „die Herbst- bis Frühlingsphase mit kräftigen Tiefdruckgebieten und aufbrausenden Stürmen und die Thermikphase im Sommer.“ September und Januar zählen, so Roberto, zu den windärmeren Monaten. Im Januar und Februar herrscht oft der kalte Tramontana aus Nordost. Aber: das Tyrrhenische Meer misst auch im Winter fast nie weniger als 15 Grad. Ein Kurzarm-Semi-Anzug (4 mm) reicht. Man surft hier, mit Ausnahme eines Kälteeinbruchs, das ganze Jahr hindurch. Die Bedingungen können jedoch, je nach Windrichtung, sehr unterschiedlich sein, denn die Küste der Toskana erstreckt sich im Süden von der Halbinsel Monte Argentario bis Livorno und Pisa. Topographisch beschreibt die Küste in südlicher Richtung ab Elba bei Piombino einen fast 90-Grad-Knick nach Südosten. Dort blasen Libeccio (Südwestwind) und Sirocco (Südostwind) im richtigen Winkel (im Norden ablandig) zur Küste. Wenn zum Beispiel ein großes Tief vom Atlantik hereinläuft, ein stabiles Hoch unter der Türkei liegt, bildet sich eine kräftige Südost-Strömung (Südostwind). Dann rollen auch in der Toskana hohe Wellen an. Allgemein gilt: Wenn in Deutschland ein Tief aus dem Westen naht, 94 3/2003 Erste Doppelseite und links oben: Im herrlichen Nationalpark von Maremma surft Roberto bei Ost-Südostwind vor Marina di Alberese. Am Homespot Marina di Grosseto loopt sichs besonders leicht (rechts). Vor allem im Winter funktioniert der Wavespot vor der Dorfkulisse von Castiglione della Pescaia (rechts unten). dann bläst’s in der Toskana meist aus dem Südosten. Robertos Tipp bei Südost: „Der südliche Strand vom Monte Argentario (Feniglia) ist mein absoluter Traumspot in der Toskana. Bei Südostwind schiebt eine Welle in die riesige, sandige Bucht. Wenn der Wind dann auf Südwest dreht, hat man perfekte Sideoffshore-Bedingungen mit zwei bis drei Meter hohen und sauberen Wellen.“ Auch die nördliche Seite vom Argentario (Gianella) weist bei Südwestwind gute Sideshore-Bedingungen mit kleiner Welle auf. Aber auch bei Nordostwind funktioniert der Spot hin und wieder. Besser ist dann jedoch Punta Ala weiter im Norden. Wenn Ponente oder Mistral aus West- bis Nordwest ballern, dann lohnen sich die Nordspots ab Piombino (San Vincenzo bis Vada). Westliche Winde sind im oberen Teil der Toskana zuverlässiger, weil sie nicht durch Korsika und Elba abgeblockt werden. Dann ziehen die etruskischen Surf-Heere im Eroberungsmarsch auf Vada zu: Veni, vidi, Vada. An guten Tagen kann es dort dann voll werden wie bei einer Eroberungsschlacht. Im Süden geht’s zwar auch, nur muss der Mistral schon ziemlich stark blasen, um über die Berge von Korsika hinwegzufegen. Während der Monate Juni, Juli und August hackt es zwar weniger, dafür sorgt das heiße, trockene und hügelige Hinterland der Toskana für eine sehr zuverlässige West-Nordwestthermik in den Buchten südlich von Piombino. Die Insel Elba wirkt sogar an manchen Stellen als windbegünstigend, da die Thermik durch die Meeresenge beschleunigen kann. Als beste Thermik-Spots gelten Castiglione della Pescaia, Marina di Grosseto und Talamone. Man kann in diesen drei Monaten ohne weiteres eine Thermik zwischen zwölf und 20 Knoten erwarten. Voraussetzung dafür ist ein stabiles Hoch über Italien. Für Robertos Hoch ist gesorgt: Denn er lebt sein dolce vita am Strand. Und so lange er aufs Wasser kann – und das am liebsten jeden Tag – solange bleibt er unser fröhliches Quitsch-Entchen. SPOT CHECK MIT ROBERTO HOFMANN (siehe dazu Landkarte): 1) Calambrone ist der Homespot der Pisaner und gut für Wave-Einsteiger bei Südwestwind. Autobahn Livorno ab und Richtung Calambrone nach Westen. 2) 3-Ponti, Livorno: Sehr gut bei Südost mit Sideshore-Bedingungen, muss aber vorher aus Südwest geblasen haben. Der Einstieg an der Uferpromenade erweist sich als etwas schwierig, und der Strand ist oft am Wochenende überfüllt. Im Zentrum Livornos Richtung Mare Lungo. 3) Vada: Bei West- und Nordwestwind der beste Spot mit guter Welle. Leicht auflandig, türkises Wasser. Ausfahrt auf der Staatsstraße N1 Vada (Maut am Autobahnende) und immer den Schildern (spiaggia bianca) zum Strand folgen. Der erste Spot oberhalb der langen Mole. 4) Marina di Cecina (Le Gorette, fünf Kilometer südlich von Vada) hat Sideshore-Bedingungen bei Südost. Oft ein guter Ausweichspot, wenn der Südostwind noch nicht in Vada angekommen oder Vada überfüllt ist. 5) Marina di Bibbona: Gut bei Nordwestwind. Auf der Schnellstraße N1 RomLivorno die Ausfahrt Marina di Bibbona wählen. 6) San Vincenzo: Dies ist der letzte Spot, der nicht mehr in der Abdeckung von Korsika liegt. Auch gute Sideshore-Bedingungen bei Nordwestwind. Bei Ponente onshore und anspruchsvoll. Auf der Schnellstraße die Ausfahrt San Vincenzo folgen. Unendlich viele Spots am langen Pinienstrand. 7) Perelli: Superspot bei Ost- bis Südostwind mit guten Side-Onshore-Bedingungen und spaßigen Wellen. Ausfahrt Vignale-Riotorto wählen, Schilder Richtung Piombino folgen und dann vor dem Kraftwerk (unübersehbar) links abfahren. 8) Follonica: Guter Spot bei sehr starkem Mistral direkt an der Strandpromenade mit guten Sideshore-Bedingungen von rechts. 9) Punta Ala ist der beste Spot bei Tramontana (Nordostwind), perfekter Freestyle-Spot. Von Follonica Richtung Grosseto rechts nach Punta Ala. Vor dem Ort rechts zum Spiaggia (Strand) abbiegen. 10) Castiglione della Pescaia funktioniert bei starkem Nordwestwind mit sauberen Wellen. Hat gute Thermik während der Sommermonate. Gute Wellenreitbedingungen im Winter an der Hafenmole. Spots um Castiglione: Pinetina Süd im Sommer bei Thermik, Pinetina Nord im Herbst und Frühling bei Nordwestwind. 11) Marina di Grosseto: Guter Thermikspot im Sommer und einer der besten Spots bei Südostwind. Flachwasser mit Chop, bei Sturm auch anspruchsvolle Wellen. Von Grosseto etwa zehn Kilometer westlich ans Meer. Dort am Nordstrand (Bagno Moreno) an der Segelschule parken. Castiglione (Pinetina Nord) Richtung Marina di Grosseto. 12) Principina a Mare: Guter Spot (nur fünf Kilometer südlich von Marina di Grosseto) bei Südwind. Die Alternative, wenn in Marina di Grosseto der Wind zu auflandig bläst. 13) Marina di Albarese: Anspruchsvoller Spot (Strömungen, Shorebreak), funktioniert am besten, wenn der Wind aus Ost-Südost bläst. Die Fahrt durch den Naturpark der Maremma lohnt sich. 14) Talamone: Absolute Flachwasser-Bedingungen und durch die verstärkte, schräg ablandige Thermik (Fallwind etwas böig), die beste Wahl im Sommer (Achtung: im Wasser befinden sich mehrere Steinplatten). Vorteil: Die Sandbucht ist nur Wassersportlern (Kiter und Surfer) vorbehalten. Bei leichtem Südwestwind verstärkt sich die Thermik mit einem netten Break an der Mole. 15) Bocche di Albegna und Strand von Gianella: Guter Spot mit kleiner Welle bei Südwestwind. Bei Nordostwind weiter Richtung Porto St. Stéfano fahrbar. Dieser Strand ist der nördliche Deich vom Monte Argentario. Staatsstraße N1, Ausfahrt Porto St. Stéfano folgen. Nach 300 Metern rechts am Pinienwald abbiegen. 16) Feniglia: Wohl einer der besten Spots in der Toskana. Voraussetzung ist starker Südostwind, der Wellen aufbaut. Wenn der Wind auf Südwest dreht (etwas böig), dann herrschen perfekte Sideshore-Bedingungen. Der herrliche Strand ist der Süddeich vom Monte Argentario. Gleiche Ausfahrt wie Spot 15 wählen. Richtung St. Stéfano links Richtung Porto Ercole abbiegen und dann links in die Sackgasse nach Feniglia fahren (Parkplatz am Ende). 1 Pisa 2 Livorno 3 4 5 6 Piombino Follonica 7 8 Castiglione 9 della Pescaia 10 Elba Grosseto 11 12 13 80 Windtage mit 6 und mehr Beaufort Gleitwindhäufigkeit in Prozent 70 60 Windtage mit 4-5 Beaufort 14 Monte 15 Argentario 16 50 40 30 20 10 0 Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Wassertemperatur 14,5° 15° 16,5° 18,0° 20,2° 24,1° 26,8° 27,3° 25,5° 23,1° 18,0° 16,0° Luft 11,1° 12,2° 14,4° 17,2° 21,7° 25,6° 28,9° 28,9° 25.6° 20,6° 15,0° 11,7° 60 50 INFOS TOSKANA 30 20 10 0 SO N/NO SO N/NO N/NO SO/SW SO/S SW/W SO SW S SW/W NW SW/W NW SW/W N SW/W SW/W SO/S SO/S NNO SO/S NNO Windrichtung in % 40 Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Die Statistik wurde über 30 Jahre am Militärflughafen bei Grosseto erhoben. Im Norden wird z.B. Vada mit mehr Nordwestwind (NW) vernachlässigt. ANREISE: Mit dem Auto etwa 800 Kilometer ab München. Zwei Routen: 1) Über Parma, La Spezia, Livorno (ab Livorno bis Grosseto/Monte Argentario ist die Autobahn mautfrei), 2) Über Bologna, Florenz, Siena, Grosseto (starker Verkehr, ab Siena Landstraße). SEHENSWÜRDIGKEITEN: Pisa, Florenz, Siena, Lucca, Massa, Populonia, Volterra, San Gimignano, Maremma Nationalpark, Weinberge von Scansano oder Chianti. WELLENREITEN: Surfspots (im Winter): Le Canelle am Westzipfel des Monte Argentario, Castiglione della Pescaia an der Mole, die Bucht von Barratti nördlich von Piombino. UNTERKÜNFTE: Allgemeine Reiseinfos über das Fremdenverkehrsamt Grosseto: Tel. 0039/0564/462611. Italienisches Fremdenverkehrsamt: Tel. 089/ 531317. Im Internet unter www.enit.it. Für Womos und Camper gibt es kaum Park- oder Stellplatzverbote. Man kommt vor allem in der Nebensaison immer bequem an die jeweiligen Spots heran. ROBERTO RICCIS RESTAURANTTIPPS: Günstig: Pizzeria da Celso in Castiglione; Insider: Mastica Brodo in Istia d’Ombrone, Papagone in Grosseto; Il Bivio nähe Vetulonia. SURFSHOPS: Blue Reef in Vada (Tel. 0039/0586/789256), Hoasy in Livorno (Tel. 0039/ 0586/401253), Marine Sports in Follonica (Tel. 0039/0566/44545, Planet Riders in Grosseto (Tel. 0039/0564/418585, Surf Relax in Follonica (Tel. 0039/0566/264050).