Musikhörverhalten von selbstverletzenden Borderline

Transcription

Musikhörverhalten von selbstverletzenden Borderline
ARTEZ CONSERVATORIUM ENSCHEDE
BACHELORARBEIT IM STUDIENGANG MUSIKTHERAPIE
Musikhörverhalten von selbstverletzenden Borderline-Patienten:
Trigger oder Skill?
Eine Untersuchung der Beziehung von Persönlichkeitsmerkmalen zu musikalischen Präferenzen und der Funktion
des Musikhörverhaltens von Borderline-Patienten.
Mai 2014
Irina Deuble
[email protected]
Begleiter: Annemiek Vink & Jaap Orth
Zusammenfassung
Diese Studie befasst sich zentral mit dem Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und musikalischen Präferenzen, sowie den Gebrauch von Musik, bei Patienten mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS)und selbstverletzendem Verhalten, zentral. Hieraus leitet sich die Frage ab ob die präferierte Musik Trigger der
Selbstverletzung oder Skill bei Selbstverletzungsdruck ist. Untersucht wurde ob die Patienten einen annähernd ähnlichen Musikgeschmack haben, wie sie Musik in ihrem
Leben benutzen und ob sie Musik als Trigger oder Skill erfahren. Dies wurde anhand
einer Literaturstudie und einem Fragebogen, der von 16 Patienten mit BPS, in zwei
psychiatrischen Fachkliniken in Deutschland, ausgefüllt wurde, überprüft.
Aus der Stichprobe ergab sich, dass Patienten mit BPS Rock bevorzugen, gefolgt von
Pop und Heavy Metal, und Musik vor allem emotional, d.h. zur Stimmungsverstärkung,
- veränderung und –regulation benutzen. 100% der Teilnehmer nahmen Musik als Skill
war, während 26,67% Musik ebenfalls als Trigger empfanden.
Hieraus lässt sich schließen, dass es Verbindungen zwischen musikalischen Präferenzen und dem Gebrauch von Musik und der Persönlichkeitsstruktur von BorderlinePatienten gibt. Auch lässt sich feststellen, dass das Hören von Musik für diese Population ein Skill bei Selbstverletzungsdruck ist, allerdings auch ein Trigger sein kann. Wenn
sich die Patienten der Trigger-Gefahr bewusst werden, können sie lernen diese zu
umgehen und Musik dadurch effektiv für sich einzusetzten. So kann Musik dann ein
hilfreicher Skill bei Selbstverletzungsdruck sein.
Abstract
The purpose of this research was to investigate the relationship between personality
traits and musical preferences as well as the use of music among patients with Borderline personality disorder (BPD) and self-harming behavior. Hereof the question
arises whether the preferred music functions either as a trigger for the self-harming
behavior or as a skill for preventing. It was investigated whether the patients roughly
have the same music taste, how they use music in their lives and if they experience
music either as trigger or as skill. These different aspects were explored by analyzing
the pre-existing literature and by applying a questionnaire which was completed by
16 patients with BPD in two psychiatric hospitals in Germany. From this sample it appears that patients with BPD prefer Rock music to Pop music, followed by Heavy
Metal. Furthermore they seemed to use music especially for emotional purposes,
which involve reinforcement, change and regulation of mood through music. On the
one hand, 100% of the participants perceived music as a skill, whereas on the other
hand 26,6% also experienced music as a trigger. Accordingly, one may conclude
that there is a correlation between music preferences/the use of music and the personality structure of Borderline patients. Furthermore it can be stated that listening to
music seems to be a skill for self-harming but might also be a trigger. If patients were
aware of the danger of music being a trigger they could learn to circumvent it,
which consequently could result in using music more effectively for themselves. Thus,
music can be a helpful skill for preventing the urge of self-harming.
2
Vorwort
Dies ist eine Bachelorarbeit im Fachbereich Musiktherapie, die das Musikhörverhalten
von Borderline-Patienten mit selbstverletzendem Verhalten untersucht.
Seit dem zweiten Jahr meines Musiktherapiestudiums interessiere ich mich für Musiktherapie im psychotherapeutischen Zusammenhang. Während meines Praktikums im
dritten Jahr habe ich die Arbeit mit Borderline-Patienten kennen gelernt und hierbei
bemerkt, dass das Hören von Musik in dieser Zielgruppe eine große Rolle spielt. In einer Therapiesitzung, in der wir von Patienten mitgebrachte Musik hörten, erzählte eine junge Frau mit Borderline Persönlichkeitsstörung, dass sie gerne Musik der Band
„Blutengel“ höre. Da mir die Band unbekannt war, stellte ich Recherchen hierzu an.
Düstere Musik, die die Band selbst als Dark Pop bezeichnet, Musikvideos mit Vampiren und viel Blut, sowie destruktive Texte erwarteten mich. Aus diesem Grund stellte
ich mir die Frage welche Rolle und Funktion Musik im Leben von Menschen mit
Borderline Persönlichkeitsstörung einnimmt. Kann Musik ein Trigger der Selbstverletzung sein oder ein Skill bei Selbstverletzungsdruck? Gibt es hierbei Übereinstimmungen zwischen den Patienten mit dieser Diagnose? Des weiteren fragte ich mich inwiefern diese Erkenntnisse in der Musiktherapie eine Rolle spielen könnten.
Da in der bisherigen Literatur hierzu nur sehr wenig Informationen zu finden waren,
entschloss ich mich dies zum Thema meiner Bachelorarbeit zu machen und das Musikhörverhalten von selbstverletzenden Borderline-Patienten zu untersuchen. Das Resultat hiervon können Sie im Folgendem lesen.
Ich hätte diese Untersuchung nicht ohne die direkte und indirekte Hilfe der Menschen um mich herum ausführen können. Zuerst möchte ich den Kollegen an meinem Praktikumsplatz, der LWL-Klinik Münster, und vor allem meiner Praktikumsmentorin, Marika Hartig danken, die mir immer mit Rat und Hilfe zur Seite stand, danken.
Auch Gesine Mürling, Psychotherapeutin an der LWL-Klinik Münster, gilt mein besonderer Dank, da sie sich mit viel Engagement für dieses Projekt eingesetzt hat.
Weiterhin möchte ich mich bei meinen Kommilitonen und Freunden Thomas Kock,
der mir wiederholt organisatorische Aufgaben innerhalb der LWL-Klinik Münster abgenommen hat und Lukas Simonet, der den Fragebogen mit seinen Klienten ausgefüllt hat, mich vielmals in der Verdeutlichung meiner Ideen und Gedanken unterstützte und mir immer wieder Mut zusprach, bedanken.
Annemiek Vink und Jaap Orth, meinen beiden Thesenbegleitern, möchte ich herzlich
für ihr Feedback, die Antwort auf meine technischen und inhaltlichen Fragen und
ihre Inspiration danken.
Ein großer Dank gilt auch den beiden Kliniken, an denen Fragebögen ausgefüllt wurden durften:
LWL-Klinik Münster
LVR-Klinik Bedburg-Hau
Natürlich möchte ich mich auch bei allen Teilnehmern der Studie bedanken. Ohne
sie wäre es tatsächlich nicht möglich gewesen das Musikhörverhalten von BorderlinePatienten zu untersuchen.
3
Theresa Ziegler möchte ich für Beistand in technischen und inhaltlichen Fragen, positive Zusprachen und Beruhigung danken.
Zum Schluss geht mein Dank noch an meine Eltern, meine Freunden und die Kommilitonen meines Jahrgangs für Unterstützung, Austausch, Hilfe, Enthusiasmus, Inspiration,
neue Sichtweisen, Positivität und Realismus bedanken, womit sie mich in der letzten
Phase dieses Bachelors begleitet haben.
Ich wünsche Ihnen viel Lesefreude,
Irina Deuble
[email protected]
4
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ................................................................................................................... 2
Vorwort ...................................................................................................................................... 3
Inhaltsverzeichnis...................................................................................................................... 5
Einleitung ................................................................................................................................... 7
1. Krankheitsbild........................................................................................................................ 9
1.1 Die Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) ................................................................ 9
1.1.1 Definition ................................................................................................................... 9
1.1.2 Epidemiologie .......................................................................................................... 9
1.1.3 Symptome .............................................................................................................. 10
1.1.4 Diagnostik ............................................................................................................... 11
1.1.4 Entstehungsmodelle .............................................................................................. 12
1.1.5 Therapie: ................................................................................................................. 14
1.2 Selbstverletzendes Verhalten ..................................................................................... 17
1.2.2 Definition ................................................................................................................. 17
1.2.2 Formen: ................................................................................................................... 17
1.2.3 Gründe .................................................................................................................... 19
1.2.4 Ursachen: ................................................................................................................ 19
1.2.5 Epidemiologie: ....................................................................................................... 19
1.2.6 Diagnostik: .............................................................................................................. 20
1.2.7 Behandlung: ........................................................................................................... 20
1.3 Zusammenfassung ....................................................................................................... 20
2. Theorie ................................................................................................................................. 21
2.1 Musikpsychologie ......................................................................................................... 21
2.1.1 Musik und Emotionen ............................................................................................ 21
2.1.2 Musik und Neurotransmitter ................................................................................. 22
2.1.3 Musikalische Präferenzen und Persönlichkeitsmerkmale ................................. 23
2.1.4 Studien mit Anwendung von STOMP .................................................................. 27
2.1.4 Musikalische Präferenzen und Geschlecht ........................................................ 30
2.1.5 Funktionen und Gebrauch von Musik und Persönlichkeitsmerkmale ............ 31
2.2 Fazit ................................................................................................................................ 32
3.Methode .............................................................................................................................. 34
3.1 Gestaltung der Studie.................................................................................................. 34
5
3.2 Population & Stichprobe ............................................................................................. 35
3.3 Fragebogen .................................................................................................................. 36
3.4 Durchführung ................................................................................................................ 37
3.5 Analyse .......................................................................................................................... 37
4. Resultate.............................................................................................................................. 39
4.1 Demographische Merkmale ...................................................................................... 39
4.2 Hypothese 1 .................................................................................................................. 39
4.3 Hypothese 2 .................................................................................................................. 43
4.4 Hypothese 3 .................................................................................................................. 47
5. Diskussion und Fazit ............................................................................................................ 50
5.1 Diskussion ....................................................................................................................... 50
5.1.1 Interpretation der Resultate der demographischen Merkmale ..................... 50
5.1.2 Interpretation der Resultate von Hypothese 1 .................................................. 51
5.1.3 Interpretation der Resultate von Hypothese 2 .................................................. 53
5.1.4 Interpretation der Resultate von Hypothese 3 .................................................. 54
5.1.5 Limitierung der Studie............................................................................................ 55
5.2 Empfehlungen .............................................................................................................. 56
5.2.1 Empfehlungen für zukünftige Untersuchungen ................................................. 56
5.2.2 Empfehlung für musiktherapeutische Behandlung .......................................... 57
5.3 Fazit ................................................................................................................................ 61
Literaturverzeichnis: ............................................................................................................... 64
Anhang 1: Fragebogen ........................................................................................................ 70
Anhang 2: Kreisdiagramme.................................................................................................. 74
Anhang 3: Plagiatserklärung ................................................................................................ 76
6
Einleitung
„ Musik ist für mich mein Seelenheil. Ich
definiere mich und meine Gefühle
über Musik. Die Musik, die ich höre, bin
ich, beschreibt meinen Gefühlszustand. Meine Wut, meine Trauer, alle
Regungen werden durch Musik freigeschaltet, losgelöst, aufgefangen, spürbar. Musik löst den aufgestauten
Druck, die Verhärtungen, lässt Gefühle
und Tränen fließen, alte Momente und
Situationen eins zu eins wiederaufleben und präsent werden. Musik lindert
Seelenschmerz.“
Dieses Zitat stammt von einem
Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung und ist die Antwort
auf die Frage was Musik für ihn
bedeutet und welche Rolle Musik
in seinem Leben spielt. In dem
Zitat sind zwei Komponenten zu
erkennen: die Hervorrufung von
Gefühlen und Erinnerungen und
die Linderung des innerlich erlebten Schmerzes - Trigger und Skill.
Dieser Arbeit vorrausgehend habe
ich in der Musiktherapie mit
Borderline-Patienten festgestellt,
dass Musik für diese sowohl Trigger
als aus Skill-Komponenten hat und
sie vor allem auf emotionaler
Ebene von Bedeutung ist. Aus diesem Grund stellte ich mir die Frage wie Menschen
mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung Musik im alltäglichen Leben einsetzen,
welche Funktion Musik in ihrem Leben hat und ob die Musik selbstverletzendes Verhalten tatsächlich hervorrufen und verstärken kann, oder ob sie als Skill bei Selbstverletzungsdruck benutzt werden kann. Des Weiteren interessierte mich ob BorderlinePatienten einen annähernd gleichen Musikgeschmack haben, ob dieser mit ihrer
Persönlichkeitsstruktur zusammenhängt und was dies für die Musiktherapie mit diesen
Patienten bedeuten würde. Da in der bisherigen Literatur hierzu wenig Informationen
zu finden waren, entschloss ich mich dies zum Thema meiner Bachelorarbeit zu machen und das Musikhörverhalten von selbstverletzenden Borderline-Patienten zu untersuchen.
Mittels eines Fragebogens, der von Borderline-Patienten in klinischer Behandlung
ausgefüllt wurde, wurde eine beschreibende Studie durchgeführt. Vor dem Entwurf,
dem Austeilen und der Analyse des Fragebogens wurde eine Literaturstudie erstellt,
die sich vor allem mit den bisherigen Resultaten zu Verbindungen zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und musikalischen Vorlieben, sowie dem Gebrauch von Musik
auseinandersetzte. Die zwei Hauptfragen in diesem Kontext waren: „Besteht ein Zusammenhang zwischen bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und musikalischen
Präferenzen?“ und „Besteht ein Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen
und dem Gebrauch von Musik?“ Anhand der versammelten Informationen der Literaturstudie und der bisher fehlenden Informationen wurden drei Hypothesen erstellt,
die die Basis für die darauffolgende Studie bildeten.
7
Die Literaturstudie wird im ersten Teil der Arbeit beschrieben. Um die gestellten Fragen zu beantworten wurden verschiedene Themen bearbeitet. In Paragraph 1.1 wird
das Krankheitsbild der Borderline Persönlichkeitsstörung und in Paragraph 1.2 das des
selbstverletzenden Verhaltens erläutert. Dies dient zur Verdeutlichung der Problematik der Zielgruppe und den späteren Rückschlüssen auf die Persönlichkeitsmerkmale
von Borderline-Patienten. Paragraph 1.3 beschäftigt sich mit musikpsychologischen
Aspekten. Dabei wird auf die Verbindung von Musik und Emotionen (1.3.1) und Musik
und Neurotransmittern (1.3.2) eigegangen. Paragraph 1.3.3 beschäftigt sich mit den
bisherigen Ergebnissen von Studien zu der Verbindung von Persönlichkeitsmerkmalen
und musikalischer Präferenzen. Hierbei wird auch noch spezifisch auf Studien unter
Anwendung des STOMP (Short Test Of Musical Preferences)(1.3.4), auf den Geschlechterunterschied (1.3.5), sowie die Verbindung zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und dem Gebrauch von Musik (1.3.6)eingegangen. Im letzten Paragraph dieses Abschnittes (1.4) wird eine schlussfolgernde Antwort auf die zu Anfang gestellten
Fragen gegeben.
Im zweiten Teil der Arbeit steht die Methode der Studie zentral. Hierbei wird die Gestaltung und die sich aus der Literaturstudie ergebenen Hypothesen (2.1), die Population der Studie (2.2), der Fragebogen (2.3), die Durchführung (2.4) und die Analyse
(2.5) beschrieben.
Im dritten Teil werden die Resultate der Studie beschrieben. Nach Beschreibung der
demographischen Merkmale (3.1), werden die jeweiligen Ergebnisse für Hypothese 1
(3.2), Hypothese 2 (3.3) und Hypothese 3 (3.4) erläutert.
Abschließend werden im vierten Teil Diskussion, Empfehlungen und Fazit thematisiert.
In Paragraph 4.1 werden Resultate geschildert und Limitationen der Studie erläutert.
Paragraph 4.2 beschäftigt sich mit Empfehlungen für zukünftige Untersuchungen,
sowie für die musiktherapeutische Behandlung. In Paragraph 4.3 wir das Fazit der
Studie beschrieben.
8
1. Krankheitsbild
1.1 Die Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS)
1.1.1 Definition
Die Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) gehört zur Gruppe der Persönlichkeitsstörungen und kann auch als „emotional instabile Persönlichkeitsstörung“ bezeichnet
werden.
Der Begriff „Borderline“ wurde in den dreißiger Jahren von dem Psychoanalytiker
Stern geprägt, der die Erkrankung in den Grenzbereich (engl.: borderline) zwischen
Neurose (Persönlichkeitsstörungen) und Psychose (entwicklungsbedingte Erkrankungen) einordnete (Sendera & Sendera, 2010).
Persönlichkeitsstörungen sind für den jeweiligen Menschen typische, stabile und beherrschende Verhaltensweisen, die anhaltende Formen des Wahrnehmens, der Beziehungsmuster und des Denkens über die eigene Person und die Umwelt darstellen.
Diese manifestieren sich als anhaltende und weitgehend
gleichbleibende Verhaltensmus„Wie es sich anfühlt Borderline zu
ter, die durch starre Reaktionen
haben? Es ist wie ein chronischer
in verschiedenen Lebenslagen
emotionaler Schmerz. Es fühlt sich
gekennzeichnet sind und mit
an als ob einem alles zu wichtig ist,
persönlichen Leidensdruck, soin einer Welt, die nichts fühlt. Kleine
wie Herabsetzung der eigenen
Dinge, die die meisten nicht mal
Funktionsfähigkeit einhergehen
mitbekommen, berühren und zer(Fleischhaker & Schulz, 2010).
reißen mich. Alle Emotionen sind
Die BPS zeichnet sich durch ein
intensiver, alles erzeugt Schmerz.
beherrschendes Muster von InEmotionen sind Stürme die über
stabilität in den Bereichen zwimich herein brechen: Frustration,
schenmenschliche Beziehungen,
Wut, Verlangen, Angst, VerzweifIdentität, Impulsivität und Affektlung, Hass, Selbstabscheu, Einsamregulation aus (Leichsenring,
keit, Furcht, Sorge, Enttäuschung,
Leibing, Kruse, New & Leweke,
Verstoßung, Betrug.“
2011).
1.1.2 Epidemiologie
Die Angaben zur Häufigkeit schwanken, nach den Angaben verschiedenen Autoren
der westlichen Welt, zwischen 0,7-1,7% der Bevölkerung (Rentrop, Reicherzer &
Bäuml, 2007). Schätzungsweise sind 10% aller ambulanten und 15 - 25% aller stationären Patienten mit einer BPS diagnostiziert (Leichsenring et al., 2011). Die Diagnose
wird zu 70% bei Frauen gestellt, obwohl es „keine wissenschaftlich begründeten Anhalte dafür gibt, dass die Störung bei Männern und Frauen in unterschiedlicher Häufigkeit auftritt“ (Rentrop, Reicherzer & Bäuml, 2007, S.10). Im fortgeschrittenen Le-
9
bensalter nimmt die Störung meist ab und ist ab dem dritten und vierten Lebensjahrzehnt meist so stabil, dass sie nicht mehr diagnostiziert wird (Leichsenring et al., 2011).
Die BPS kann zwar nicht als westliche Erkrankung bezeichnet werden, doch wirft der
westliche soziale Kontext, in dem Gesellschaftsnormen wie Familienzusammenhalt
und soziales Netzwerk immer mehr an Wichtigkeit verlieren, mehr Gründe auf, diese
Züge zu entwickeln (Mushtaq, 2009).
1.1.3 Symptome
Das zentrale Problem der BPS stellt die Instabilität der Affektregulation dar, da die
Auslösung von Emotionen nur eine sehr geringe Reizschwelle hat und für Betroffene
schwierig zu steuern ist (Sendera & Sendera, 2010). „Stimmungsschwankungen treten
schnell auf und sind explosiv“ (Kreisman & Straus, 1992, S. 26). Unterschiedliche Emotionen können nicht differenziert werden und lösen starke Spannungszustände hervor
(Sendera & Sendera, 2010). Auch das Gefühl von chronischer Leere ist typisch für das
Krankheitsbild (Kreisman & Straus, 1992).
Um den Zuständen von Anspannung und/oder chronischer Leere zu entkommen
setzten Betroffene oft unterschiedliche impulsive und selbstbeschädigende Maßnahmen ein (Sendera & Sendera, 2010). Diese können extreme körperliche Betätigung, Essstörungen (Fresssucht, Magersucht, Bulimie), Drogen- und Alkoholmissbrauch, Risikoverhalten, sexuelle Promiskuität und Selbstverletzung, sowie Suizidversuche sein (Fleischhaker & Schulz, 2010; Kreisman & Straus, 1992; Sendera & Sendera,
2010).
Da selbstverletzende Verhaltensmuster als Leitsymptom deutlich zugenommen haben (Fleischhaker & Schulz, 2010) und gemeinsam mit Suizidalität als zweckdienlichste Indikation für die BPS angesehen werden (Leichsenring et al., 2011), werde ich auf
dieses Symptom im späteren Verlauf noch genauer eingehen.
Darüber hinaus ist das Fehlen eines Identitätsgefühls, ein Borderline-Symptom dem
große Bedeutung beigemessen wird. Zumeist haben Menschen mit BPS ein ungenaues und oft negatives Selbstbild, das sie durch das Spielen von Rollen zu überwinden versuchen. Dadurch entsteht in ihnen allerdings wiederum ein Gefühl von
Unechtheit (Kreisman & Straus, 1992).
In Hochstress Situationen oder subjektiv erlebten starken Belastungen kann es zu dissoziativen Symptomen kommen. Hierbei wird ein Zustand von Emotionsüberflutung
hervorgerufen. Dieser ist verbunden mit „Körperwahrnehmungsstörungen, Wahrnehmungsverzerrungen, Hyperästhesie (Schmerzüberempfindlichkeit) oder Analgesie
(Schmerzunempfindlichkeit), Veränderung der Sinneswahrnehmung und
somatoformen Veränderungen“ (Sendera & Sendera, 2010, S.20).
Auf kognitiver Ebene ist das Denken von Patienten mit BPS von starkem Schwarz-Weiß
Denken, das als „Spaltung“ bezeichnet wird (Kreisman & Straus, 1992), und der festen
Überzeugung nicht wertvoll, intelligent oder attraktiv genug zu sein, beeinflusst
(Fleischhaker & Schulz, 2010).
Auch besteht bei Patienten mit BPS eine Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen. Diese sind geprägt von der Angst vor einer engen Beziehung und dem
10
Wunsch nach Identität und Nähe, wobei Distanz und Nähe nicht adäquat reguliert
werden können (Fleischhaker & Schulz, 2010), was zu Anspannungszuständen, die die
häufigen, hierfür typischen Trennungs- und Wiederannäherungsprozesse begründen,
führt (Sendera & Sendera, 2010). Hierbei sind destruktive Beziehungsmuster zu erkennen. Es kommt zu Überidealisierung des Partners, welcher dieser nicht gerecht werden kann (Fleischhaker & Schulz, 2010), folglicher Entwertung des Partners und Spaltung, sowie Projektion von Emotionen und Gedanken (Kreisman & Straus, 1992;
Sendera & Sendera, 2010).
Allerdings finden sich neben der negativ konnotierten Beschreibung von BorderlineBeziehungsmustern auch positive Eigenschaften, wie die „Fähigkeit zur Leidenschaft,
Offenheit, ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, ein gutes Gespür für zwischenmenschliche und emotionale Prozesse […][die den] Borderline-Menschen zu einem
Partner [machen], der facettenreich ist und den man nicht missen möchte“
(Sendera & Sendera, 2010, S. 24).
1.1.4 Diagnostik
Die klinische Diagnostik der BPS erfolgt international überwiegend nach den zwei
Klassifikationssystemen, dem DSM IV (Diagnostic and Statistic Manual of Mental
Disorders)und dem ICD -10 (International Statistical Classification of Diseases and
Related Health Problems) (Doering, 2011).
Das DSM-IV (APA, 2000) wurde 2013 in der Version DSM-V erneuert (APA, 2013). Obwohl ursprünglich geplant wurden die Diagnose-Kriterien für Persönlichkeitsstörungen
im DSM-V nicht geändert.
Die Diagnosekriterien, die Impulsivität, affektive Instabilität, Identitätsstörung, ein Gefühl von Leere, Handlungen der Selbstbeschädigung, Tendenzen zu Streitereien,
übertriebenes Bemühen ein Verlassen-werden zu vermeiden, instabilen Beziehungen
sowie paranoiden Vorstellungen umfassen, unterscheiden sich leicht in DSM-IV und
ICD-10 (World Health Organisation, 2012). Entsprechend dem ICD-10 ist BPS eine
Untergruppe der emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen. Die genauen Unterschiede sind in Tabelle 1, auf der folgenden Seite, aufgeführt.
Die Borderline-Störung beginnt zumeist im frühen Erwachsenenalter und aufgrund der
noch nicht vollendeten Persönlichkeitsentwicklung darf die Diagnose auch erst im
Erwachsenenalter gestellt werden. Die Schwächen dieser Diagnostik liegen in der
Überschneidung vieler Kategorien und der fehlenden Verwendung von Ausprägungsgraden (Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007).
Es besteht eine große Komorbidität mit anderen psychischen Erkrankungen der Achse I (klinische Störungen)und II (Persönlichkeitsstörungen), die am häufigsten in einer
Verbindung zu Stimmungsstörungen, Angststörungen und Störungen, die mit Substanzmissbrauch assoziiert werden, besteht (Leichsenring, 2011).
Gegenwärtige Studien zeigen, dass Symptome der BPS im Verlauf der Jahre abnehmen (Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007).
11
Tabelle 1: Vergleich der Diagnosekriterien ICD-10 und DSM IV
ICD-10 (F60.3)
DSM IV-TR (DSM V) 301.83
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Borderline Persönlichkeitsstörung
•(F60.30) Impulsiver Typus
•a) Die allgemeinen Kriterien für eine
Persönlichkeitsstörung (F60) müssen erfüllt sein.
•b) Mindestens drei der folgenden
Eigenschaftenoder Verhaltensweisen müssen
vorliegen, darunter:
•1. deutliche Tendenz, unerwartet und ohne
Berücksichtigung der Konsequenzen zu
handeln
•2. deutliche Tendenz zu Streitereien und
Konflikten mit anderen, vor allem dann, wenn
impulsive Handlungen unterbunden oder
getadelt werden
•3. Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder
Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle
explosiven Verhaltens
•4. Schwierigkeiten in der Beibehaltung von
Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt
werden
•5. unbeständige und launische Stimmung
•(F60.31) Borderline-Typus
•A. Die allgemeinen Kriterien für eine
Persönlichkeitsstörung (F60) müssen erfüllt sein.
•B. Mindestens drei der unter F60.30 erwähnten
Kriterien müssen vorliegen und zusätzlich
mindestens zwei der folgenden Eigenschaften
und Verhaltensweisen:
•1. Störungen und Unsicherheit bezüglich
Selbstbild, Zielen und inneren Präferenzen
(einschließlich sexueller).
•2. Neigung, sich in intensive, aber instabile
Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge
von emotionalen Krisen.
•3. Übertriebene Bemühungen, das
Verlassenwerden zu vermeiden
•4. Wiederholte Drohungen oder Handlungen
mit Selbstbeschädigung
•5. Anhaltende Gefühle von Leere.
•Ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in
den zwischenmenschlichen Beziehungen, im
Selbstbild und in den Affekten sowie von
deutlicher Impulsivität. Die Störung beginnt im
frühen Erwachsenenalter und zeigt sich in
verschiedenen Situationen, gekennzeichnet
durch
•mindestens 5 der folgenden Merkmale:
•(1)verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder
vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden
(keine suizidalen oder selbstverletzenden
Handlungen, die in Kriterium 5 enthalten sind)
•(2)ein Muster instabiler und intensiver
zwischenmenschlicher Beziehungen, das
durch einen Wechsel zwischen den Extremen
der Idealisierung und Entwertung
gekennzeichnet ist
•(3)Identitätsstörung: ausgeprägte und
andauernde Instabilität des Selbstbildes oder
der Selbstwahrnehmung
•(4)Impulsivität in mindestens zwei potentiell
selbstschädigenden Bereichen, z.B.:
Geldausgeben, Sexualität,
Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren,
Fressanfälle (keine suizidalen oder
selbstverletzenden Handlungen, die in
Kriterium 5 enthalten sind)
•(5)wiederholte suizidale Handlungen,
Selbstmordandeutungen oder -drohungen,
oder Selbstverletzungsverhalten
•(6)affektive Instabilität infolge einer
ausprägten Reaktivität der Stimmung, z.B.
hochgradige episodische Dysphorie,
Reizbarkeit oder Angst, was gewöhnlich
einige Stunden und nur selten mehr als einige
Tage andauert
•(7)chronische Gefühle von Leere
•(8)unangemessene, heftige Wut oder
Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren, z.B.
häufige Wutausbrüche, andauernde Wut
oder wiederholte körperliche
Auseinandersetzungen
•(9)vorübergehende, durch Belastung
ausgelöste paranoide Vorstellungen oder
schwere dissoziative Symptome
1.1.4 Entstehungsmodelle
Borderline und das Biosoziale Modell
Es gibt verschiedene Modelle zur Entstehung der BPS. Ein weit verbreitetes ist das Biosoziale Modell nach Linehan (Sendera & Sendera, 2010). Hierbei wird die Erkrankung
als die Folge einer dyfunktionellen Emotionsregulation in Kombination mit einem
„invalidierenden Umfeld“ gesehen (Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007). Reaktionen, Mitteilungen und Emotionen des Kindes werden von der Umgebung nicht
12
wahrgenommen und/oder akzeptiert. Das Kind lernt nicht seine Gefühle richtig zuzuordnen. Stattdessen beginnt es diese zu unterdrücken und die Außenwahrnehmungen zu übernehmen (Sendera & Sendera, 2010).
Weiterhin erhöhen schwere Traumata in der Kindheit die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer BPS im Jugend- oder Erwachsenenalter (Kreisman & Straus, 1992).
Abb. 1: Entstehung BPS
Weitere ungünstige
Umweltbedingungen
/ Traumatisierungen
Emotionsregulatios
-störung
Invalidierendes
Umfeld
Borderline
Persönlichkeitsstörung
(Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007)
Borderline und Neurotransmitter
Zusätzlich spielen neurobiologische Veränderungen eine Rolle. Zum einen scheint der
Serotoninhaushalt im Gehirn von Menschen mit BPS reduziert zu sein, womit impulsive
Aggression, aber auch Depressivität, Ängste und Zwänge in Verbindung gebracht
werden (Leichsenring, 2011; Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007).
Zum anderen wurde ein Ungleichgewicht des Botenstoffes Dopamin beobachtet,
welche zu Trugwahrnehmungen und paranoiden Überzeugungen führen kann
(Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007).
Weiterhin wurden kleinere Volumen der Gehirnregionen des Hippocampus und der
Amygdala (Zentren für Emotionen und das „Emotionale Gedächtnis“) bei BorderlinePatienten beobachtet.
Möglicherweise spielen auch genetische Faktoren in der Entwicklung einer BPS eine
Rolle (Leichsenring, 2011). Es ist von einer erblichen Komponente der Erkrankung auszugehen, wobei bisher keine genetischen Veränderungen nachgewiesen werden
konnten (Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007).
13
Abb. 2: Wechselwirkung von Ursachen und Symptomen
Genetische
Belastung
Affektregulationsstörung
Umweltfaktoren/Stress
Dysfunktionale
Verhaltensmuster
(Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007)
1.1.5 Therapie:
Die Therapie der BPS erfolgt sowohl medikamentös als auch psychotherapeutisch.
Medikamente können nicht alle Probleme der Störung beseitigen. Sie werden benutzt um Symptome zu lindern und komorbide Erkrankungen zu behandeln. Hier sind
die gebräuchlichsten Psychopharmaka vor allem Antidepressiva (gegen Angst,
Zwänge und Depression), „Moodstabilizer“ (zur Stimmungsstabilizierung), Neuroleptika (gegen Wahn und Trugwahrnehmungen, um wiederkehrend psychotische Einbrüche zu verhindern) und Benzodiazepine (gegen Angst und bei Schlafstörungen)
(Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007).
Da eine alleinige medikamentöse Therapie nicht ausreichend ist, wird diese immer
mit Psychotherapie ergänzt. Das Hauptziel der psychotherapeutischen Behandlung
ist ein effektiveres Funktionieren des Patienten in der Welt, wobei die Beziehung zwischen Patient und Therapeut am wichtigsten ist (Kreisman & Straus, 1992).
Die am häufigsten verwendeten Methoden sind die Dialektisch-Behaviorale Therapie
(DBT) nach Linehan und die Übertragungsfokussierte Therapie (TFP) nach Kernberg
(Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007).
Die DBT wurde speziell zur Behandlung chronischer-suizidaler Borderline-Patienten
entwickelt (Sendera & Sendera, 2010). Hierbei werden verhaltenstherapeutische und
kognitive Therapieelemente, sowie die ZEN Perspektive des Buddhismus, durch Dialektik, der Vereinigung von Gegensätzen, ergänzt (Linehan, 1996). Die zentrale
Grundannahme ist, dass es kein richtig und kein falsch gibt, und Patienten so akzeptiert werden wie sie sind, wobei gleichzeitig der Versuch unternommen wird Veränderung zu stimulieren (Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007). Der Therapeut wechselt
ständig von Strategien der unterstützenden Akzeptanz (Wärme, Flexibilität,
Ansprechbarkeit) zu Strategien der Konfrontation und Veränderung (sachlich, offensiv). Hierbei werden Fähigkeiten der Emotionsregulierung, zwischenmenschlicher
Kompetenzen, Stresstoleranz und des Selbstmanagements vermittelt (Linehan, 1996).
Das Ziel ist die emotionale Belastbarkeit des Patienten zu erhöhen und so langfristig
Krisen zu verhindern, wobei der Schwerpunkt sowohl auf aktiver Problemlösung als
auch auf Anerkennung der aktuellen Reaktionen, liegt (Linehan, 1996; Rentrop,
Reicherzer & Bäumer, 2007).
14
Linehan hat folgende acht Grundannahmen als therapeutische Leitlinie formuliert:
1. Borderline-Patienten versuchen, das Beste aus ihrer gegenwärtigen Situation
zu machen.
2. Borderline-Patienten wollen sich ändern.
3. Borderline-Patienten haben im Allgemeinen ihre Probleme nicht selbst herbeigeführt, müssen sie aber selbst lösen.
4. Borderline-Patienten müssen sich stärker anstrengen, härter arbeiten und höher motiviert sein als andere. Das ist ungerecht!
5. Das Leben suizidaler Borderline-Patienten ist so, wie es ist, nicht auszuhalten
und unerträglich.
6. Borderline-Patienten müssen im Allgemeinen in allen Lebensbereichen neues
Verhalten lernen.
7. Borderline-Patienten können in der DBT nicht versagen.
8. Therapeuten, die mit Borderline-Patienten arbeiten, brauchen Unterstützung
(Sendera & Sendera, 2010).
DBT besteht aus Einzeltherapie und Telefonberatung in Krisensituation, in Kombination
mit Fertigkeitsgruppen und einer Supervisionsgruppe.
Um der Behandlung einen Rahmen zu geben, wird ein schriftlicher Therapievertrag
abgeschlossen.
Skilltraining
Einen wichtigen Teil der DBT nimmt das Skilltraining oder Fertigkeitstraining ein.
Der Begriff Fertigkeit wird in der DBT synonym zu Fähigkeit gebraucht. Skills oder Fertigkeiten sind, nach Linehan (1996), kognitive, emotionale und handlungsbezogene
Reaktionen, sowie die Fähigkeit zu deren Integration, die zu einem Maximum an positiven und einem Minimum an negativen Ergebnissen führen. In der DBT kann jede
Verhaltensweise als eine Fertigkeit angesehen werden. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Patienten zu meist die einzelnen Verhaltensweisen für einen Skill
besitzen, diese allerdings, wenn sie sie benötigen, nicht angemessen einsetzten können (Linehan, 1996).
Im Skilltraining werden den Patienten Fertigkeiten gelehrt, die ihnen helfen Anspannung zu reduzieren und/oder in krisenhaften Situationen Selbstverletzung (s. Abschnitt
selbstverletzendes Verhalten) zu vermeiden (Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007).
Auch jede andere Verhaltensweise, die der Patient nicht beherrscht, können thematisiert werde. Hierbei gibt es drei Vorgehensweisen: (1) den Aufbau von Fertigkeiten
(Modellvorgaben), (2) die Verstärkung von Fähigkeiten (Einübung) und (3) die Generalisierung von Fähigkeiten (Hausaufgaben) (Linehan, 1996).
Des weiteren werden die Fertigkeiten in verschiedene Bereiche eingeteilt:
1. Stresstoleranzskills: Diese kommen vor allem bei selbstverletzendem Verhalten
und hoher Anspannung zum Tragen und sind in der Regel ungefährliche
Schmerzreize, wie Chilischoten kauen, Ammoniak riechen, Eiswürfel auf der
Haut schmelzen lassen, Gummiband gegen Handgelenke schnalzen lassen,
kleine Steine in die Schuhe legen, Sport und Bewegung, kaltes Duschen, sowie
klare/rhythmische Musik.
15
2. Emotionsregulation: Identifikation von Emotionen und überlegtes Handeln.
3. Zwischenmenschliche Skills
4. Achtsamkeit (Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007).
Die Übertragungsfokussierte Therapie (TFP- Transference-Focused-Psychotherapy)
basiert vor allem auf der psychodynamischen Theorie und geht ebenfalls speziell auf
die Borderline-Problematik ein. Dabei macht sich die Therapie die Beobachtung zunutze, dass Beziehungserfahrungen zumeist wiederholt werden und es so zwischen
Patient und Therapeut zum Konflikt kommen wird und der Patient diese mit seinen
früher errungenen Erfahrung lösen wird. Dies ist „Übertragung“. Die emotionale Reaktion des Therapeuten die hieraufhin ausgelöst wird bezeichnet man als „Gegenübertragung“ (Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007). Der Fokus der Therapie liegt deshalb
auf der Bearbeitung von Übertragung und Widerstand, wobei rigide und internalisierte Objektbeziehungen sowie abgespaltene Anteile in eine „reifere Form“ (Sendera &
Sendera, 2010) übergeführt werden sollen.
Die Ziele der TFP sind alle Anteile der Beziehungsfähigkeit des Patienten, sowie die
Reduzierung der Borderline-spezifischen Symptome (Rentrop, Reicherzer & Bäumer,
2007). Anhand der therapeutischen Beziehung soll erlernt werden, dass es für den
Patienten möglich ist eine stabile Beziehung zu führen (Giernalczyk, 2005).
Der Therapeut nimmt im Gegensatz zur DBT die Haltung eines neutralen Beobachters
ein. Sein Ziel ist nicht dem Patienten Ratschläge zu geben, sondern Widersprüche im
inneren Erleben des Patienten zu erkennen und Zusammenhänge zu erstellen, die der
Patient selbst nicht erkennt. Im Falle von benötigter Krisenintervention gibt der Therapeut seine Neutralität auf (Rentrop, Reicherzer & Bäumer, 2007).
Die wichtigsten Techniken sind Klärung (genaues Verstehen), Konfrontation (mit widersprüchlichen Informationen und Gefühlen) und Deutung (der unbewussten Objektbeziehungen und Widersprüchen im Hier und Jetzt) (Giernalczyk, 2005; Sendera &
Sendera, 2010).
Therapeutische Grundprinzipien sind:
1. Aufbau eines stabilen Behandlungsrahmens
2. Vermeidung passiver therapeutischer Haltung
3. Angebot eines haltenden Rahmen (Containment)
4. Konfrontativer Umgang mit selbstverletzendem Verhalten
5. Verbindung zwischen Gefühlen und Handlungen herstellen (Ausagieren)
6. Setzen und Einhalten von Grenzen
7. Wahrnehmung der Gegenübertragung
8. Fokus im Hier und Jetzt (Giernalczyk, 2005; Rentrop, Reicherzer & Bäumer,
2007).
In der TFP besteht ebenfalls ein Therapievertrag, der allerdings nur mündlich abgeschlossen wird. Im Falle von selbstverletzendem Verhalten (s. Abschnitt Selbstverletzendes Verhalten) wird in der übertragungsfokussierten Therapie in zwei Schritten
vorgegangen. Im ersten Schritt geht es darum zu verstehen warum Selbstverletzung
subjektiv sinnvoll ist und zu erkennen wann diese Impulse auftreten. Hierbei kann es
16
auch zu verhaltenstherapeutischem Skilltraining kommen. Im zweiten Schritt werden
reale Konsequenzen der Selbstverletzung diskutiert (Giernalczyk, 2005).
1.2 Selbstverletzendes Verhalten
1.2.2 Definition
Im Bezug auf das selbstverletzende Verhalten (SVV) gibt es immer noch allgemeine
Unklarheiten über das Wesen des Störungsbildes. Innerhalb der Forschung gibt es
keine zureichende Übereinkunft hinsichtlich der Terminologie. Die folgende Graphik
gibt einen Überblick über die Bezeichnungen die in der deutsch- und englischsprachigen Literatur verbreitet sind.
Abb. 3: Terminologie Autoaggression
Autoaggression
Automutillation (nicht-suizidales
autoaggressives Verhalten)
Selbstverletztendes
Verhalten im
engeren Sinne
Suizidales und
parasuizidales
Verhalten
Artifizielle Störung
(Automanipulation
von Erkrankungen)
(Petermann & Winkel, 2005)
Der folgende Abschnitt bezieht sich auf „Selbstverletzendes Verhalten im engeren
Sinne“.
Selbstverletzung wird nach Schweregrad und Häufigkeit kategorisiert. Hierbei entstehen die Kategorien: major (z.B.: Selbstkastration), stereotypic (z.B.: Kopfschlagen) und
moderate/ superficial (z.B.: Schnittverletzungen) (Schoppmann, 2008). Im weiteren
geht es um die letzte Gruppe der Selbstverletzungen.
Hierbei ist selbstverletzendes Verhalten eine „funktionell motivierte, direkte und offene Verletzung oder Beschädigung des eigenen Körpers, die sozial nicht akzeptiert ist
und mit nicht suizidalen Absichten einhergeht“ (Sojka, 2012).
1.2.2 Formen:
SVV kann viele unterschiedliche Erscheinungsformen annehmen z.B.: Schneiden, Stechen, Aufkratzen der obersten Hautschichten, Einführen von spitzen Gegenständen
unter die Haut oder in Körperöffnungen, Kauen und Nagen am eigenen Fleisch, Aufbeißen der Mundschleimhaut und regelmassiges Öffnen der verheilten Wunden, Abzupfen von Wundschorf, Verbrennen der Haut, Verätzen der Haut mit Chemikalien,
Abreißen der Körperbehaarung (auch Wimpern und Augenbrauen), heftiges Schlagen bis hin zu Blutergüssen und Knochenbrüchen, Schlagen des Kopfes gegen harte
17
Oberflächen, Abschnüren einzelner Körperteile um die Durchblutung zu verhindern,
Einnahme geringer Mengen giftiger Substanzen oder Verschlucken von Gegenständen um Unwohlsein und Schädigung zu bezwecken u.v.m. (Smith, Cox & Saradijn,
1998).
Nach einer Studie von Briere und Gil (1998) sind unter Erwachsenen folgende Formen
zu beobachten:
Tabelle 2: Vorkommen verschiedener Formen der Selbstverletzung
Verhaltensweise
Schneiden (Arme, Beine)
Sich-Beißen (Mundinneres)
Kratzen (bis auf Blut)
Kratzen (ohne Blut)
Sich-Schlagen
Nagel- oder Nagelhautbeißen (bis aufs Blut)
Gegen Wände schlagen
Sich-Beißen (andere Stelle als Mundinneres)
Zu heißes Baden oder Duschen
Sich-Stechen (Nadel)
Sich-Verbrennen
Ausreißen von Kopfhaar
Sich-Stechen (Messer)
Ausreißen von Brauen oder Wimpern
Schneiden der Genitalien
Ausreißen von Schamhaar
Sehr heiße Einläufe
Abschneiden von Körperteilen
Anzahl
66
56
55
53
41
40
40
34
33
32
29
28
18
16
13
12
5
1
Prozent
71
60
59
57
44
43
43
37
35
34
31
30
19
17
14
13
5
0
Auffallend ist, dass viele Betroffene während der Selbstverletzung keine Schmerzgefühle wahrnehmen, was mit der Freisetzung körpereigener Opiate (Endorphine,
Glückshormon) erklärt wird. Allerdings kehrt das Schmerzempfinden kurz nach Durchführung der Selbstverletzung zurück (Petermann & Winkel, 2005). Dies wird damit erläutert, dass sich Betroffene während der Selbstverletzung in einem dissoziativen Zustand befinden, wobei das Ich als fremd und losgelöst von seelischen Regungen
wahrgenommen wird. Dies dient einerseits als Schutz vor bedrohlichen, traumatisierenden Situationen und beinhaltet andererseits ein qualvolles Erleben (Schoppmann,
2008). Viele Betroffene beschreiben, dass das Gefühl der eigen Person erst durch den
Anblick von Blut zurück kommt (Fleischhaker et al., 2010).
SVV kann verschiedene Dimensionen in Frequenz und Häufigkeit annehmen: Kompulsiv (ritualisieren, mehrmals täglich), episodisch (zur Stressreduktion) und repetitiv
(hohe Frequenz, als Reaktion auf internale und externale Reize).
Diese kann heimlich, als vorgetäuschte Erkrankung oder als offene Selbstverletzung
durchgeführt werden (Sojka, 2012).
18
1.2.3 Gründe
„Ich fühle so viel emotionalen Schmerz, dass ich denke
ich breche zusammen. Aber
der Schmerz ist unsichtbar,
unwirklich. Ich bekomme
das verlangen mich selbst zu
zerstören, um dem Schmerz
Ausdruck zu verleihen.“
Ebenso vielschichtig wie die Formen der
Selbstverletzung sind die Gründe hierfür.
Meist geht es um Verminderung dissoziativer Symptome, Verminderung von
Stress und Anspannung, Kontrolle von
aufsteigenden Erinnerungen und Flashbacks (Trigger), Demonstration von Hilfsbedürftigkeit, Gewährleistung von Sicherheit und Schutz, Ausdruck und Entlastung von Elend oder Verzweiflung,
Verminderung von Wut, Selbstbestrafung, Bestrafung anderer Menschen und Verletzung von sich selbst anstelle von anderen (Briere & Gil, 1998; Smith, Cox & Saradijn,
1998).
Außerdem kann Selbstverletzung einen appellativen und demonstrativen Charakter
einnehmen. Bei Borderline-Patienten kommt es häufig in Krisen, die durch gescheiterte Emotionsregulation ausgelöst sind, zur Selbstverletzung. Diese führt zu einer kurzfristigen Spannungsreduktion, die von erneuter Induktion von negativen Emotionen wie
Scham und Wut gefolgt wird. Diese erneute Induktion negativer Gefühle führt zu einer weiteren Reduktion des Selbstwertes (Fleischhaker et al., 2010).
1.2.4 Ursachen:
SVV ist oft Symptom einer psychischen Störung, unter anderem der Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS). Die Ursachen sind vielfältig und zeigen Gemeinsamkeiten mit
denen der Borderline Persönlichkeitsstörung auf.
Verschiedene Faktoren spielen hierbei eine Rolle (s. auch: Entstehungsmodelle BPS):
Entwicklungspsychologische (Traumata), Biologische (seretonerge Unterfunktion, Ausschüttung Dopamin), Intrapsychische/Lerntheoretische (dysfunktionelle Affektregulation) (Petermann & Winkel, 2005; Sojka, 2012).
1.2.5 Epidemiologie:
Aufgrund der uneinheitlichen Verwendung der Definition des Störungsbildes ist es
schwierig präzise Angaben über das Vorkommen zu machen. Schätzungsweise liegt
die Prävalenz bei ca. 2% in der westlichen Gesellschaft, bei ca. 4% bei Vorhandensein einer psychischen Erkrankung und bei 35% bei Vorhandensein einer Persönlichkeitsstörung (Sojka, 2012). Clarkin und Kollegen (1983) berichten von einer Häufigkeit
von 69-80% bei Patienten mit BPS.
Stationär behandelte Jugendliche zeigen in bis zu 61% der Fälle selbstverletzendes
Verhalten. Von allen weiblichen Jugendlichen mit SVV berichten 42% von sexuellem
Missbrauch in ihrer Vorgeschichte (Fleischhaker & Schulz, 2010).
19
1.2.6 Diagnostik:
Es bestehen bisher kaum standardisierte Verfahren um SVV zu identifizieren. Ein
Grund hierfür ist, dass SVV noch nicht als eigene Störung anerkannt ist und keine allgemein anerkannte Beschreibung des Störungsbildes vorhanden ist. Bei Patienten die
sich in psychiatrischer oder therapeutischer Behandlung befinden kann im Rahmen
der diagnostischen Interviews auf Selbstverletzung eingegangen werde und mit Fragebögen wie dem „Self-Harm Inventory“ gearbeitet werden. Dies ist vor allem bei
Patienten mit BPS üblich (Petermann & Winkel, 2005).
1.2.7 Behandlung:
Die Behandlung von SVV kann medikamentös und psychotherapeutisch stattfinden.
Psychotherapie kann sowohl mit psychoanalytischem Hintergrund, als auch mit verhaltenstherapeutischem Hintergrund durchgeführt werden. Auch werden
Traumatherapie und Familientherapie eingesetzt. Das Skill-Training der dialektischbehavioralen Therapie beschäftigt sich unter anderem mit selbstverletzenden Verhalten. Da ich in meiner Arbeit von SVV als Symptom der BPS ausgehe und die Behandlung hiervon in der Behandlung der BPS inbegriffen ist, werde ich auf die Therapie der
Selbstverletzung hier nicht weiter eingehen.
1.3 Zusammenfassung
Anhand der Informationen aus den Paragraphen 1.1 und 1.2 wurde das Krankheitsbild der Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS), sowie das Symptom selbstverletzendes Verhalten erklärt. Die Borderline Persönlichkeit ist vor allem von Impulsivität, affektiver Instabilität, Identitätsstörung, einem Gefühl von Leere und Drohungen, sowie
Handlungen der Selbstbeschädigung geprägt. Betroffene neigen zu Handlungen
ohne Berücksichtigung der Konsequenzen, Tendenzen zu Streitereien und Wutausbrüchen, übertriebenem Bemühen ein Verlassen-werden zu vermeiden, instabilen
Beziehungen und paranoiden Vorstellungen.
Selbstbeschädigung, eine absichtliche Verletzung des eigenen Körpers, die nicht
Gesellschaftlich akzeptiert ist, findet vor allem aus Anspannungszuständen heraus
und zur Verminderung dissoziativer Symptome statt, wobei sie oft durch fehlende
Emotionsregulation und Situationen, die als Trigger (Schlüsselreiz) fungieren ausgelöst
wird.
Die Beschreibung des Krankheitsbildes ist von Wichtigkeit, um die Persönlichkeitsstruktur dieser Menschen zu verstehen, was Voraussetzung ist um diese in Bezug zum Musikhörverhalten der Population setzen zu können. Im nächsten Teil der Arbeit wird auf
diesen Aspekt näher eingegangen.
20
2. Theorie
2.1 Musikpsychologie
Musik ist allgegenwärtig und kann viele verschiedene Funktionen im Leben eines
Menschen einnehmen. Der zunehmende Anteil von Musik im alltäglichen Leben ist
vor allem ein Resultat der technischen Entwicklung und der ansteigenden Kommerzialisierung von Musik (Hargreaves & North, 1997; Hargreaves, Miell & MacDonald,
2002).
Neben der starken sozialen Stellung von Musik, spielen auch emotionale und physische Reaktionen auf Musik eine große Rolle in der musikpsychologischen Forschung
(Rentfrow & Gosling, 2003).
Wissenschaftler setzten sich immer mehr mit der Funktion für und der Wirkung auf den
Menschen auseinander. Die Musikpsychologie beschäftigt sich mit der Erforschung
von Gesetzlichkeiten in Bezug auf das Musizieren und das Musikhören. Hierbei wird
unter anderem auf Funktionen und Wahrnehmung von Musik, Reaktionen auf Musik,
sowie die Herausbildung musikalischer Präferenzen eingegangen (Hallam, Cross &
Thaut, 2009).
Hinsichtlich des Themas der Arbeit spielt neben der Fragestellung inwiefern Persönlichkeitsmerkmale auf die Herausbildung musikalischer Präferenzen und den Gebrauch von Musik Einfluss haben auch die Verbindung von Musik und Emotionen,
sowie Musik und Neurotransmitter eine wichtige Rolle.
2.1.1 Musik und Emotionen
Musik wird oft als „Sprache des Herzens“ (Sulzer, 1967) bezeichnet und wurde schon
im antiken Griechenland mit Emotionen in Verbindung gesetzt (Juslin, 2009).Damit ist
gemeint, dass Musik die Fähigkeit besitzt Ausdruck für menschliche Gefühle zu geben
und diese somit auch im Menschen hervorruft (Kreutz, 2011).
Emotionen sind kurze, aber intensive Reaktionen, die eine Anzahl Subkomponenten,
wie kognitive Beurteilung, subjektive Gefühle, physische Erregung, Expression, Neigung zu Aktion und Regulation mit einbeziehen. Emotionen fokussieren sich auf spezifische Objekte und können einige Minuten bis Stunden anhalten (Juslin, 2009; Juslin &
Sloboda, 2010).
Menschen benutzen Musik um ihre Emotionen zu verändern, sie auszudrücken, Übereinstimmung mit ihren Emotionen zu finden, sie zu genießen oder um Stress abzubauen (Juslin, 2009).
Forschungsergebnissen zufolge kann durch Musik eine Erhöhung der Schmerzschwelle bewirkt werden. Darüber hinaus wird tieffrequentierte Musik als angstlösend befunden und vertraute Musik kann Kontrolle bei Hilflosigkeit bieten und die Stressbewältigung unterstützen (Hellbrück, 2011).
Eine wichtige Theorie zur Entstehung musikalischer Emotionen stammt von Leonard B.
Meyer (1956). Diese besagt, dass Gefühle entstehen, weil die Neigungen des Orga21
nismus aufgrund eines Stimulus, in diesem Fall Musik, verzögert oder gehemmt werden. Der Mensch hat Erwartungen über den Verlauf eines Musikstückes. Werden diese Erwartungen nicht oder nur teilweise erfüllt, führt dies zum Entstehen von Emotionen.
Juslin und Västfjäll (2008) bestätigen in ihrer Theorie, dass musikalische Erwartungen
neben anderen Faktoren wie Erinnerungen und physischen Reaktionen, Einfluss auf
von Musik ausgelösten Emotionen haben können.
Clynes (1977) argumentiert, dass psychologisch verankerte Grundgefühle in Bewegungsmustern repräsentiert sind, und diese Grundgefühle auch in den „musikalisch
zeitlichen Schwankungen von Tempo und Lautstärke beim Musizieren kodiert sind“
(Kreutz, 2011, S. 549).
Nach Balkwill und Thompson (1999) sind emotionale Reaktionen auf Musik von zwei
Komponenten beeinflusst. Zum einen spielen psychophysische Prozesse der Reizverarbeitung eine Rolle, zu anderen ist die kulturell-biographische Prägung des Hörers
von Wichtigkeit. Somit sind einige Faktoren universell und kulturunabhängig während
andere nur mit Wissen über die jeweilige Kultur gedeutet werden können.
Folglich sind musikalische Emotionen von innermusikalischen Faktoren (musikalische
Parameter), individuellen Faktoren (Alter, Geschlecht, Persönlichkeit, musikalische
Bildung, musikalische Vorlieben, momentaner Gemütszustand) und situationellen Faktoren (Zeit, Ort, Umgebung, soziale Faktoren, Gegebenheiten etc.) beeinflusst (Juslin,
2009).
Auf die Verbindungen der individuellen Faktoren musikalische Vorliebe und Persönlichkeit wird im Weiteren genauer eingegangen.
2.1.2 Musik und Neurotransmitter
Neben emotionalen Reaktionen kann Musik auch verschiedenste physische und
physiologische Reaktionen hervorrufen. Psychische und körperliche Reaktionen auf
Musik sind ursächlich mit neuronalen Vorgängen im zentralen Nervensystem verknüpft (Kreutz, 2011). Die neurowissenschaftliche Forschung beschäftigt sich mit den
Veränderungen der Biochemie aufgrund des Musikhörens oder des Musikerlebens
(Hodges, 2009). Diese neurowissenschaftlichen Verfahren tragen unter anderem dazu bei, biologische Grundlagen emotionaler Prozesse zu verstehen (Kreutz, 2001).
Während das Gehirn Musik interpretiert, werden im Körper fortlaufende biochemische Reaktionen induziert. Durch die Produktion von Botenstoffen, Neurotransmittern,
Zytokinen und Proteinen ruft Musik biologische Reaktionen auf Stress, Emotionen und
Immunfunktionen hervor (Gangrade, 2012).
Neurotransmitter sind Chemikalien, die von Gehirnzellen oder Neuronen freigesetzt
werden. Diese überschreiten den synaptischen Spalt, zwischen dem Axon des einen
Neurons und dem Dendriten des anderen. Somit werden Informationen weitergeleitet. Neurotransmitter sind essenziell für Gehirnaktivität (Hanser, 2010).
Als Reaktion auf Musik kann es zu einer Erhöhung oder einer Abnahme der Produktion von Neurotransmittern kommen. So wird zu Beispiel die Cortisol Produktion von Dur
und Moll, sowie von der Intensität von Musik beeinflusst. Die Oxytocin Produktion wird
durch Musikhören erhöht (Gangrade, 2012). Dieser Neurotransmitter steht sowohl im
22
Zusammenhang mit traumatischen als auch ekstatischen Erlebnissen und wird in Verbindung zu Musik als Auslöser von Selbstverstärkung gesehen (Hellbrück, 2011).
Die Neurotransmitter Dopamin und Serotonin sind in Bezug auf die BorderlinePersönlichkeitsstörung von besonderer Wichtigkeit, da bei Patienten eine Veränderung im Haushalt dieser Neurotransmitter festgestellt werden kann (s. Borderline und
Neurotransmitter). Serotonin hat einen großen Einfluss auf die Stimmung. In richtiger
Konzentration führt das Hormon zu innerer Ausgeglichenheit (Hesse, 2003). Bei Beobachtungen des Serotoninlevels in Verbindung mit Musik wurde teilweise herausgefunden, dass dieses beim Hören von angenehmer Musik höher, als beim Hören unangenehmer Musik ist (Gangrade, 2012). Kumar und Kollegen (1999) haben dagegen keinen Unterschied des Serotoninlevels aufgrund von Musik herausgefunden.
Dopamin fördert unter anderem den seelisch-körperlichen Antrieb und die Kreativität. Im Gehirn existieren mehrere dopaminerge Systeme unter anderem das so genannte Belohnungssystem. Hierbei wird durch Dopaminausschüttung ein Belohnungsgefühl hervorgerufen (Hesse, 2003; Kreutz, 2011). Die Ausschüttung von Dopamin wird durch Musik nachweislich stimuliert und verstärkt. Dies weist auf eine Genussreaktion des Belohnungssystemes hin (Hodges, 2009; Gangrade, 2012).
2.1.3 Musikalische Präferenzen und Persönlichkeitsmerkmale
Wie bereits oben beschrieben spielen neben emotionalen und physiologischen Faktoren auch individuelle Faktoren eine Rolle bezüglich der Reaktionen auf Musik und
Präferenzen für bestimmte Musik.
Musikalische Präferenzen sind stabile Langzeitvorlieben für bestimmte Musikstile,
Komponisten oder Künstler (Zuidgeest, 2004). Diese Vorlieben werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Neben innermusikalischen Aspekten, sozialer Identität
(Musik als Erkennungszeichen: North & Hargreaves, 1999) und situationellen Faktoren,
spielen vor allem auch individuelle Kriterien eine wichtige Rolle (Zillmann & Gan,
1996; North & Hargreaves, 2008). Diese individuellen Kriterien sind Personenmerkmale
wie Alter, Geschlecht, Gemütszustand, musikalische Vorbildung und Kenntnis des
Genres oder Stückes, aber auch Persönlichkeitsmerkmale (Zuidgeest, 2004).Vor allem
zur Klärung des Einflusses von letzterem wurden viele Untersuchungen durchgeführt.
Auf diese wird der folgende Teil besonders eingehen.
Untersucher haben herausgefunden, dass Individuen einzigartige, bevorzugte Levels
an Erregung haben, welche global die Bevorzugung bestimmter Musikgenres oder
Musikstile erklärt (Lamont & Greasley, 2009). Innerhalb der Jugend spielt die Rebellion
gegen Autoritäten einen große Rolle in Bezug auf musikalische Vorlieben. Mit Rebellion werden vor allem Genres wie Hard Rock, Heavy Metal und Rap in Verbindung
gebracht, da diese sowohl musikalisch als auch in ihren Texten rebellisch sind
(Zillmann & Gan, 1996). Bleich und Kollegen (1991) fanden heraus, dass Rock und
Rap vor allem von Jugendlichen favorisiert wurde, die viele Probleme in der Schule
und zu Hause hatten. Sie fanden einen klaren Unterschied zwischen diesen sogenannten rebellischen Jugendlichen und denen die dies nicht waren. Robinson und
Kollegen (1996) bestätigten dies. Sie brachten in Erfahrung, dass rebellische Jugend23
liche eher Hard Rock hören, während nicht-rebellische Jugendliche Soft Rock favorisieren. Ebenfalls wurde von Dillmann, Carpentier, Knobloch und Zillmann (2003) festgestellt, dass Feindlichkeit, Aufsässigkeit und Enthemmung in Bezug zum Hören der
Genres Modern Rock, R&B und Hip-Hop stehen. Trotzdem wurde der rebellische Faktor von Rockmusikfans nicht universell bestätigt (Zweigenhaft, 2008). North (2010)
stellte eine Verbindung der Persönlichkeitseigenschaft sanft („gentle“) und der Vorliebe zu Rockmusik fest. Diese steht gegenteilig zu der Eigenschaft rebellisch. Des
Weiteren wird diese Musik nicht direkt als Auslöser deviantem Verhaltens sondern als
Ausdrucksmedium einer vorhandenen Stimmung gesehen (Gardstrom, 1999). Außerdem haben sowohl George und Kollegen (2007), als auch Renfrow und Gosling
(2003) festgestellt, dass Rock und Rap in verschiedene Gruppen musikalischen Geschmacks einzuordnen sind und deshalb unterschiedlich behandelt werden müssen
(North, 2010) (siehe auch: Studien mit Anwendung von STOMP).
Ein möglicher Link zwischen rücksichtslosem Verhalten und der Vorliebe für „härtere“
Formen von Musik ist Sensationsgier („sensation-seeking“ Zuckermann, 1979). Sensationsgier ist ein Persönlichkeitsmerkmal, dass sich in einer generellen Neigung ausdrückt, sich um abwechslungsreiche, neue, komplexe und intensive Sensationen und
Erfahrungen zu bemühen und der Bereitschaft Risiken für diese Erfahrungen in Kauf zu
nehmen (Zuckermann, 1979). Nach dem Modell von optimaler Stimulation (Zuckermann, 1979) neigen Menschen dazu Musik zu wählen, die sie zu ihrem optimalen Stimulationslevel führt. So haben extrovertierte Menschen ein besonders niedriges Level
an kortikaler Erregung und benutzen Musik um dieses Level anzuheben. Introvertierte
Menschen sind im Normalzustand schon kortikal erregter als andere Menschen und
vermeiden Überstimulation durch das Wählen von weniger stimulierender Musik um
das Level zu erniedrigen (Daoussis & McKelvie, 1986). McNamara und Ballard (1999)
bestätigen dies für männliche Teilnehmer ihrer Studie und fanden gegenteilige Ergebnisse für weibliche Teilnehmer.
Sensationsgier ist vor allem mit intensiveren und/oder komplexen Musikstilen wie Hard
Rock (Litle & Zuckermann, 1986; Dollinger, 1993) Soft Rock, Folk und Klassik (Litle &
Zuckermann, 1986) verbunden. Negative Korrelation wurden zwischen Sensationsgier
und Film- bzw. Titelmusik („Soundtrack“) gefunden (Litle & Zuckermann, 1986).
Im Verlauf machen immer mehr Studien Gebrauch von dem Fünf-Faktor-Modell oder
„Big Five“ der Persönlichkeitstaxonomie (siehe Tabelle 3)und setzten dieses in Verbindung mit musikalischen Vorlieben.
Extraversion, worunter auch Sensationsgier fällt, ist ein wichtiger Faktor in mehreren
Studien. Daoussis und McKelvie (1986) machen eine Beziehung zwischen Hard Rock
und Extraversion aus. Dollinger (1993) fand positive Korrelationen von Extraversion zu
Jazz und negative zu Gospel Musik und Rawlings und Ciancarelli (1997) stellten Verbindungen zwischen Pop und Rock Genres, sowie der relativ schmalen Breite des
Musikgeschmacks und Extraversion fest. North (2010) findet in seiner Studie Zusammenhänge von Kontaktfreudigkeit (Facette von Extraversion) und der Vorliebe für
„Dance“ Musik und „Music of Black Origin“.
Auch im Bezug auf den Faktor Offenheit lassen sich signifikante Verknüpfungen mit
musikalischen Genres finden. So fand Dollinger (1993) Verbindungen zwischen Offenheit und der Vorliebe für viele verschiedene Genres, vor allem solche die weniger
24
etabliert sind, wie New Age, Klassik, Jazz, Reggea und Folk. Rawlings und Ciancarelli
(1997) bestätigen die relativ große Breite des Musikgeschmacks offener Menschen,
wobei sie eine besondere Vorliebe für traditionelle und Rock-Genres
fanden.
Tabelle 3: Big Five Faktoren und ihre Facetten
Big Five Faktoren
Extraversion
Verträglichkeit
Gewissenhaftigkeit
Neurotizismus
Offenheit
Facetten (und entsprechende Eigenschaften)
Geselligkeit (umgänglich)
Durchsetzungsvermögen (entschieden)
Aktivität (energisch)
Sensationsgier (abenteuerlustig)
positive Emotionen (enthusiastisch)
Wärme (kontaktfreudig)
Vertrauen (verzeihend)
Direktheit (nicht verlangend)
Nächstenliebe (warm)
Zustimmung (nicht hartnäckig)
Bescheidenheit (nicht angeben)
Zärtlichkeit (mitfühlend)
Kompetenz (effizient)
Ordnung (organisiert)
Pflichttreue (nicht unvorsichtig)
Leistungsbestreben (sorgfältig)
Selbstdisziplin (nicht faul)
Überlegung (nicht impulsiv)
Angst (angespannt)
Böse Feindseligkeit (reizbar)
Depression (nicht zufrieden)
Gehemmtheit (schüchtern)
Impulsivität (launisch)
Vulnerabilität (nicht selbstbewusst)
Ideen (neugierig)
Fantasie (imaginativ)
Ästhetik (künstlerisch)
Tätigkeiten (breite Interessen)
Gefühle (erregbar)
Werte (unkonventional)
(John & Srivastava, 1999)
In Norths (2010) Studie ergaben sich vor allem Verbindungen zwischen Kreativität,
welche er als Facette von Offenheit definierte, und Klassik, Jazz, Folk, Latino und Alternative Rock. Brown (2012) fasste die Genres Klassik, Gospel, Jazz, Oper und Enka
(Japanische kommerzielle Musik) unter dem Faktor „Reflektierende Musik“ zusammen
und fand signifikante Korrelationen zwischen diesem Faktor und Offenheit bei japanischen Universitätsstudenten.
Ähnlich wie Brown (2012) haben auch andere Studien mehrere Genres unter einem
Faktorenbegriff zusammengefasst. In der Studie von Miranda, Morizot und Gaudreau
(2012) werden die fünf Persönlichkeitsfaktoren zu zwei Faktoren zusammengefasst.
25
Hieraus ergeben sich die Faktoren Stabilität (Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit,
Neurotizismus) und Plastizität (Extraversion, Offenheit). Die Forscher fanden signifikante Korrelationen des Plastizitätsfaktors zu den Genres Elektronische Musik, Klassik und
dem eklektischen Hören von Musik. Korrelationen mit dem Stabilitätsfaktor waren
nicht signifikant.
Schwartz und Fouts (2003) untersuchten den Zusammenhang von Persönlichkeitsfaktoren zu der Vorliebe für Leichte Musik („Light Music“) und Schwere Musik („Heavy
Music“), sowie für eklektischen Musikgeschmack bei kanadische Jugendlichen.
Unter Leichter Musik fassten sie die Genres Pop, Teen Pop und Dance, unter Schwerer
Musik die Genres Rock, Classic Rock, Heavy Metal und Rap zusammen. Leichte Musik
reicht hier von langsamen emotionale Balladen mit wichtigen entwicklungsspezifischen Themen bis zu rhythmischen Melodien, die zum Tanzen entwickelt worden sind.
Menschen, die vor allem Leichte Musik hören, befanden sie als übermäßig verantwortungs- und regelbewusst und anpassend in Beziehungen zu anderen. Diese Hörer
haben mehr Schwierigkeiten in der Entwicklung von Sexualität und fühlen Unbehagen gegenüber sexuellen Beziehungen. Sie sind stetig darum bemüht akzeptiert zu
werden und haben Schwierigkeiten in der Unabhängigkeit von und Interdependenz
zu Gleichaltrigen. Sie fühlen oft negative und/oder konfliktreiche Emotionen wie
Angst, Erregung und Verwirrung. Diese Beschreibung passt zu den Persönlichkeitsfaktoren Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus.
Vorliebe für Schwere Musik steht in dieser Studie in Verbindung zu Menschen, die störrisch und übermäßig durchsetzungsfähig in Beziehungen sind. Sie sind gleichgültiger
den Gefühlen anderer gegenüber, launischer, pessimistischer, übermäßig sensibel
und unzufrieden. Sie verhalten sich impulsiv, beachten die Rechte anderer nicht und
zeigen keinen Respekt gegenüber den Regeln der Gesellschaft. Oft bestehen Probleme innerhalb der Familie. Sie haben Bedenken in Bezug auf ihre eigenen Fähigkeiten und fühlen sich abgewiesen. Die Schwere Musik gibt ihnen das Gefühl nicht alleine zu sein und gewährt ihnen Zuflucht aus ihrer Identitätskonfusion. Dies findet Übereinstimmung in den Faktoren Extraversion und Neurotizismus.
Eklektischer Musikgeschmack steht hier in Verbindung zu deutlich weniger Schwierigkeiten in Bezug auf das Selbstkonzept, Umgang mit Autoritäten und Sorge über Sexualität und Beziehungen zu Gleichaltrigen.
George, Stickle und Rachid (2007) untersuchten die Verbindung von 30 Musikstilen,
die sie in acht Faktoren einteilten, mit den Big Five Persönlichkeitsmerkmalen. Die
acht Faktoren waren rebellisch (Punk, Grunge, Klassischer Rock, Heavy Metal), Klassik
(klassisches Piano/Orgel, Choral, Oper, klassische Instrumentalmusik, Oper/Ballett,
Disney/Broadway), rhythmisch & intensiv (Hip-Hop/Rap, Pop, Rhythm & Blues, Reggea), Easy Listening (Country, popular Country, Soft Rock, Disco, Folk/ethnische Musik, Swing), Fringe (Elektronische Musik, atmosphärische Musik, Techno, New Age),
Jazz & Blues (Jazz, Blues), traditionell christlich (Hymnen, Southern Gospel, Gospel)
und Zeitgenössisch christlich (soft zeitgenössisch christlich, hard zeitgenössisch christlich). Nur für vier der acht Faktoren fanden sie signifikante Korrelationen zu den Big
Five Persönlichkeitsmerkmalen. Die Faktoren rebellisch und Rhythmisch & intensiv hatten beide positive Korrelationen zu Offenheit und negative zu Gewissenhaftigkeit und
Verträglichkeit. Letzterer hatte auch starke Verbindungen zu Depressivität. Klassik
26
stand in positiver Beziehung zu Intelligenz, Verträglichkeit und Offenheit und Easy listening zu Extraversion und Gewissenhaftigkeit.
2.1.4 Studien mit Anwendung von STOMP
Universalisierung einer Faktorstruktur für Musikgenres fand 2003 durch Renfrow und
Gosling statt. Diese entwickelten den „Short Test Of Musical Preferences“ (STOMP),
bei dem Teilnehmer 14 Genres bewerten. Diese 14 Genres teilten Renfrow und
Gosling durch Faktoranalyse in vier darüberstehende Faktoren ein. Diese Faktoren
untersuchten sie daraufhin in Bezug auf die Big Five Faktoren, sowie in Bezug auf Angaben zum Selbstbild, Depression und sozialer Dominanz. Die Faktorenanalyse wurde
von mehrerer anderen Studien (Delsing, Ter Bogt, Engels & Meeus, 2008; Zweigenhaft,
2008; Langmeyer, Guglhör-Rudan & Tarnai, 2012) überprüft und übernommen. Die
vier Faktoren sind reflektierend & komplex, intensiv & rebellisch, Upbeat & konventionell und energisch & rhythmisch. Tabelle 4, auf der nächsten Seite, führt die vier Faktoren, die dazugehörigen Genres und die Musikmerkmale der Genres in den Faktoren auf.
Nur eine Studie bestätigt diese Vier-Faktor-Struktur von STOMP nicht (Dunn, Ruyter &
Bouwhuis, 2011). Hier wird eine Sechs-Faktor-Struktur oder die folgende Vier Faktor
Struktur gefunden: Akustische Basis (Folk, Country, Religiöse Musik, Blues, Klassik), Hard
Rock (Rock, Heavy Metal, Alternative), Bass Basis (Rap, Dance, Soul, Jazz) und Soft
Rock (Pop, Soundtracks). Nur der Hard Rock-Faktor stimmt mit dem Intensiv &
Rebellisch Faktor von Renfrow und Gosling (2003) überein. Die anderen Faktoren sind
alle unterschiedlich.
Zweigenhaft (2008) hat in seiner Studie den 14 Genres, sieben weitere hinzugefügt
und diese sowohl im Faktor als auch einzeln in Bezug auf Persönlichkeitsmerkmale,
untersucht. Dunn und Kollegen (2001) und Zweigenhaft (2008) haben anstatt der „Big
Five Personality Inventory“ die „NEO Personality Inventory“ benutzt. Zweigenhaft hat
die Musikstile auch mit Facetten der Big Five Faktoren verglichen.
Tabelle 5, auf Seite 29, zeigt die Ergebnisse der fünf oben genannten Studien im Vergleich.
Rentfrow und Gosling (2003) fanden in ihrer Studie einige Korrelationen zwischen den
Genrefaktoren und Persönlichkeitsmerkmalen. Der Faktor reflektierend & komplex
war positiv verbunden mit der Offenheit für neue Erfahrungen. Des weiteren war der
Faktor positiv mit selbstwahrgenommener Intelligenz, verbalem Vermögen und politischer Liberalität verbunden. Negative Beziehungen bestanden zu der Orientierung
nach sozialer Dominanz und Athletik. Die Forscher beschreiben Individuen die gerne
Musik des Faktors reflektierend & komplex hören als erfinderisch, mit einer hohen
Imagination und der Wertschätzung von ästhetischen Erfahrungen. Sowohl Langmeyer und Kollegen (2012), als auch Zweigenhaft (2008) finden ebenfalls signifikante
Korrelationen mit Offenheit für die meisten Genres des Faktors reflektierend & komplex. Zweigenhaft findet weiterhin in der Facettenanalyse negative Verbindungen
von Folk zu böser Feindseligkeit (Neurotizismus-Facette (N)) und negative Verbindungen von Jazz und Verletzbarkeit (N). Delsing und Kollegen (2008) finden zusätzlich
noch negative Korrelationen für die Genres Klassik und Jazz, wohingegen Dunn und
27
Kollegen (2011) positive Korrelationen für den Punkt Selbstbewusstsein finden, den sie
unter Neurotizismus einordnen.
Tabelle 4: Faktoren mit zugehörigen Genres und Musikmerkmalen
Faktoren
reflektierend & komplex
Genres
Blues
Jazz
Klassik
Folk
intensiv & rebellisch
Rock
Alternativ
Heavy Metal
Upbeat & konventionell
Country
Soundtrack
Religiöse Musik
Pop
energisch & rhythmisch
Rap/Hip-Hop
Soul/Funk
Electro/Dance
Musikmerkmale
- komplexe Struktur
- langsameres Tempo
- Mehr akustische Instrumente
- weniger Gesang
- Text und Musik: komplex mit sowohl
positiven als auch negativen Gefühle
und niedrigem Energielevel
-unterstützt Selbstwahrnehmung
- voll Energie
- schnelleres Tempo
- vorwiegend elektrische Instrumente
- mäßiger Anteil an Gesang
- Text und Musik: mittelmäßig komplex, wenige positive Emotionen,
hoch im negativen Affekt, niedriges
Energielevel
- betont Themen von Rebellion
- simple Struktur
- mäßiges Tempo
- akustische und elektrische Instrumente
- mäßiger Anteil an Gesang
- Musik: simpel und direkt, niedrig im
negativen Affekt, hoch im positiven
Affekt und in Energie
- betont positive Gefühle
- lebhaft, betont Rhythmus
- mäßiges Tempo
- elektrische Instrumente
- mäßiger Anteil an Gesang
- Musik und Text: nicht emotional, mäßig an Energie
(Renfrow & Gosling, 2003)
Für den Faktor intensiv & rebellisch fanden Renfrow und Gosling (2003) ähnliche Ergebnisse. Auch dieser Faktor hatte eine positive Korrelation mit der Offenheit für
neue Erfahrungen, selbstwahrgenommene Intelligenz und verbales Vermögen. Allerdings wurde hier auch eine positive Verbindung zu Athletik gefunden. Hervorzuheben ist, dass bei diesem Faktor trotz der negativen Emotionen, die die Musik in sich
trägt keine Verbindungen zu Neurotizismus gefunden worden sind. Individuen die
diese Musik hören werden als neugierig, physisch aktiv und bereit ein Risiko in Kauf zu
nehmen, beschrieben.
28
Delsing und Kollegen (2008) finden ebenfalls positive Verbindungen zu Offenheit, sowie negative Korrelationen für die Genres Klassik und Jazz, wohingegen Dunn und
Kollegen (2011) positive Korrelationen für den Punkt Selbstbewusstsein, den sie unter
Neurotizismus einordnen, und Klassik finden.
Langmeyer und Kollegen (2012) haben zusätzlich noch positive Beziehungen zu Extraversion und negative zu Neurotizismus gefunden. Dunn und Kollegen (2011) finden
nur positive Korrelationen zwischen Rock und Extraversion, während Zweigenhaft
(2008) gar keine signifikanten Korrelationen für die Genres dieses Faktors findet. Allerdings findet Zweigenhaft einen fast signifikante negative Korrelation (p<-0.06) zwischen böser Feindseligkeit (N) und Heavy Metal.
Tabelle 5: Vergleich der Ergebnisse der STOMP Studien
Musik Dimension
Reflektierend
& Komplex
Intensiv &
Rebellisch
Upbeat &
Konventionell
Enegrisch &
Rhythmisch
Genre
R&G
D. et al.
Z.
L. et al.
Blues
O
--
O
O
Du. et
al.*
-
Klassik
Folk
Jazz
Alternativ
O
O
O
O
O, N
-O, N
--
O
O
-
O
-O
E, N, O
N
O
-
Heavy Metal
Rock
Country
O
O
-
E, N, O
-
O
E, V, G, O
O
--
-
E, N, O
--
E
-
E, V, G, O
E, V, G, O
E, V, G, O
E, V
E, V
--E, V
O
O
V, O
-
E, N, O
-E, N, O
E
-
E, V
E, V
E, O
E
-
E, V
E, V
O
E
-
Pop
Religiös
Soundtrack
Dance/
Electro
Rap/ HipHop
Soul/ Funk
R&G: Renfrow & Gosling (2003); D.et al.: Delsing et al. (2008), Z: Zweigenhaft (2008), L . et al.:
Langmeyer et al. (2012); Du. et al.: Dunn et al. (2011); *:andere Faktorstruktur, E: Extraversion;
G: Gewissenhaftigkeit; N: Neurotizismus; O: Offenheit; V: Verträglichkeit; -: keine signifikanten
Ergebnisse; --: Genre in Studie nicht untersucht, unterstrichen: negative Korrelationen
Für den Faktor Upbeat & konventionell finden Renfrow und Gosling (2003) positive
Beziehungen zu Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, selbstwahrgenommene physische Attraktivität und Athletik. Negative Verbindungen bestehen zu Offenheit für neue Erfahrungen, Orientierung an sozialer Dominanz, Liberalismus und
verbalem Vermögen. Diese Individuen sind folglich fröhlich, haben gerne soziale
Kontakte, mögen es anderen zu helfen und neigen dazu relativ konventionell zu sein.
Delsing und Kollegen (2008) finden lediglich Verbindungen zwischen Pop und Extraversion und Verträglichkeit. Zweigenhaft (2008) findet für Pop, Religiöse Musik und
29
Soundtrack negative Beziehungen zu Offenheit, sowie für letzteres auch eine positive
Beziehung zu Verträglichkeit. Des Weiteren hatte religiöse Musik eine signifikant positive Korrelation zu der Facette Pflichttreue von Gewissenhaftigkeit und eine signifikant
negative zu der Facette Impulsivität von Neurotizismus.
Langmeyer und Kollegen (2012) bestätigen positive Verbindungen von Extraversion
und negative von Offenheit für die Genres Pop und Soundtrack, finden allerdings für
beide Genres auch noch positive Korrelation von Neurotizismus zu beiden.
Der letzte Faktor, energisch & rhythmisch, ist in Renfrows und Goslings Studie positiv
korreliert zu Extraversion und Verträglichkeit. Außerdem bestehen positive Verbindungen zu der Neigung Gedanken und Gefühle direkt zum Ausdruck zu bringen
wenn sie auftreten, Liberalismus, selbstwahrgenommene Attraktivität und Athletik,
sowie negative zu Orientierung an sozialer Dominanz und Konservatismus. Menschen,
die diese Musik hören, sind folglich reich an Energie, sehen sich selbst als attraktiv an
und versuchen konservativen Idealen auszuweichen. Delsing und Kollegen (2008)
bestätigen die Big Five Korrelationen. Zweigenhaft (2008) findet keine Verbindungen
zu Verträglichkeit dafür aber positive zu Offenheit, während Langmeyer und Kollegen (2012) nur Beziehungen zu Extraversion finden. Außerdem fand Zweigenhaft
(2008) positive Korrelationen der Facette Impulsivität von Neurozitismus und negative
der Facette Direktheit von Verträglichkeit zu Rap/Hip-Hop.
2.1.4 Musikalische Präferenzen und Geschlecht
Aufgrund der vorausgehenden Ergebnisse stellt sich die Frage ob diese auch geschlechterspezifische Unterschiede aufweisen. Rawlings und Ciancarelli (1997) fanden, dass Frauen eine deutlich höhere Vorliebe für die Genres Pop, Soul und Easy
Listening hatten. Dies wurde von Schwartz und Fouts (2003) bestätigt. Sie befanden,
dass Frauen mehr leichte Musik (Pop, Dance) und Männer mehr schwere Musik (klassischer Rock, Rock, Heavy Metal, Rap) hörten. Sie begründeten diesen Geschlechterunterschied mit den damit verbundenen geschlechterrollenspezifischen Eigenschaften und Beziehungen der Themen der Musik. Diese stehen in Relation zu Entwicklungsaspekten von jungen Männern und Frauen. Somit begrünen Schwartz und
Fouts (2003), dass die Texte von leichter Musik sich auf Emotionen und Beziehungen
zu anderen fokussieren was von Wichtigkeit für junge Frauen ist und schwere Musik
mit Aggression, Dominanz und Rebellion verbunden wird, womit sich junge Männer
auseinandersetzen. Auch George und Kollegen (2007) bestätigen diese Erkenntnisse.
Colley (2008) beschreibt in ihrer Studie, dass der Geschlechterunterschied mit dem
Maß, indem die Musik an Identität und Selbstwahrnehmung anschließt, zu tun hat. Sie
fand deutlich höhere Vorlieben von Frauen für Chart Pop als von Männern. Männer
hingegen hatten eine größere Präferenz für Rock, Heavy Metal, Reggae und Blues.
Auch Langmeyer und Kollegen (2012) kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Sie finden
eine höhere Vorliebe von Frauen für den Faktor Upbeat & konventionell (Country,
Soundtrack, Religiöse Musik, Pop).
McCrown und Kollegen (1997) haben den geschlechter- und persönlichkeitsspezifischen Unterschied in Bezug auf übermäßigen Bass in Musik untersucht. Hierbei kam
30
heraus, dass Männer eine deutlich höhere Vorliebe für dieses Phänomen haben. Allerdings fanden die Forscher auch eine deutlich höhere Psychotizismus Rate unter
Männern und geben an, dass dies möglicherweise auch in Verbindung zu der Präferenz von übermäßigem Bass in der Musik beiträgt. McCrown und Kollegen begründen die Abneigung von Frauen für dieses musikalische Phänomen biologisch. Frauen
sind durch ihren schmaleren Gehörgang fähig höhere Töne zu hören und somit eher
auf Babyschreie reagieren können. Diese Fähigkeit könnte in Zusammenhang mit der
Vorliebe für höhere Musik liegen.
Weietr beobachteten die Autoren eine größere Vorliebe für Musik mit übertriebenen
Bass bei jungen Erwachsenen mit Persönlichkeitsproblematik. Sie beschreiben, dass
Erwachsene mit antisozialer und Borderline Persönlichkeitsstörung lieber populäre
Musik hören, wenn der Bass verstärkt worden ist und Musikgenres bevorzugen, die
übertriebenen Bass inne haben (z.B. Heavy Metal). Allerdings betonen sie, dass diese
Beobachtungen noch genauer untersucht werden müssen.
2.1.5 Funktionen und Gebrauch von Musik und Persönlichkeitsmerkmale
Von weiterer Wichtigkeit zur Erforschung des Musikhörverhaltens von Individuen sind
die Funktionen und der Gebrauch von Musik.
In der Literatur treten sechs verschiedene funktionale Nischen von Musik auf. Reise,
physische Tätigkeiten, intellektuelle Tätigkeiten, körperliche Tätigkeiten, emotionale
Tätigkeiten und die Teilnahme an Live-Musikveranstaltungen als Mitglied des Publikums (Sloboda, Lamont & Greasley, 2009). Schäfer und Sedlmeier (2009) fanden heraus, dass Lieblingsmusik von Teilnehmern ihrer Studie vor allem für gute Stimmung,
Entspannung, Energie, Rückerinnerung und um Gedanken und zum intensiveren Erleben von Gefühlen, benutzt wurde.
Innerhalb der sechs Nischen werden die vier Funktionen des selbstgewählten Musikgebrauchs Ablenkung, Energie gebend, Unterhaltung und Bedeutungsverstärkung
identifiziert (Sloboda, Lamont & Greasley, 2009).
Chammorro-Premuzic und Furnham (2007) beschreiben drei verschiedene Arten Musik zu benutzen: Musik als Emotionsregulation (M(emot)), kognitives Hören von Musik
(M(kog)), ein Hörverhalten das vor allem objektiv ist und sich auf die technischen Aspekte der Musik richtet, und Musik als Hintergrund für andere Aktivitäten (M(Hin)). In
ihrer Studie verglichen die Forscher die drei Benutzungen in Bezug auf die fünf Persönlichkeitseigenschaften des „Big 5 Inventory“ bei britischen und amerikanischen
Universitätsstudenten. Dafür entwarfen sie das „Uses of Music Inventory“ in dem Teilnehmer bewerten müssen, inwiefern Aussagen zu den drei Formen der Benutzung
auf sie zutreffen. Hierbei fanden sie positive Korrelationen zwischen M(kog) und Offenheit sowie IQ. Außerdem kam es zu positiven Verbindungen zwischen M(emot)
und Neurotizismus und negativen zu Gewissenhaftigkeit. Sie beschreiben die emotionale Instabilität von neurotischen Individuen und deren höherer Intensivität in der
Erfahrung von emotionaler Affektivität als Grund für den emotionaler Gebrauch von
Musik. Für den Gebrauch von Musik als Hintergrund wurden keine signifikanten Beziehungen gefunden.
31
In einer Wiederholung der Studie in Spanien wurden die positive Korrelation von
M(emot) und Neurotizität, sowie die von M(kog) und Offenheit bestätigt. Auch würden positive Verbindungen von Extraversion zu M(emot) und M(Hin) gefunden. Der
Hintergrundgebrauch war hier vor allem zur Begleitung monotoner alltäglicher Aufgaben. Auch fanden die Forscher heraus, dass der emotionale Gebrauch von Musik
vor allem unter Frauen verbreitet ist (Chamorro-Premuzic, Furnham, Muro & Goma-iFreixanet, 2009).
Diese Ergebnisse wurden in einer weiteren Studie (Chamorro-Premuzic, Swami &
Chermakov, 2010) bestätigt. Hier wurde eine negative Korrelation zwischen dem
kognitiven Gebrauch von Musik und Extraversion gefunden. Kognitive Benutzung war
in dieser Studie vor allem für Männer zutreffend.
2.2 Fazit
Die im zweiten Teil der Arbeit zusammengetragenen Informationen geben einen Einblick in die musikpsychologische Literatur. Der Subparagraph 2.1.1 erklärt den Zusammenhang von Musik und Emotionen. Menschen benutzen Musik oft aktiv um ihre
Emotionen zu beeinflussen. Emotionale Reaktionen auf Musik sind sowohl von innermusikalischen als auch von psychischen, physischen und kulturellen Faktoren abhängig.
Der Subparagraph 2.1.2 geht genauer auf einen physischen Faktor, die Neurotransmitter ein. In Verbindung zu der BPS ist vor allem der Einfluss von Musik auf Serotonin,
Dopamin und Oxytocin wichtig. Es wurden Erhöhungen der drei Neurotransmitter in
Verbindung mit dem Hören von Musik herausgefunden.
Die Subparagraphen 2.1.3 bis 2.1.5 beschreiben die Verbindung von Persönlichkeitsmerkmalen zu musikalischen Präferenzen und dienen zur Beantwortung der Hauptfrage, die zu Beginn der Literaturstudie gestellt wurde. Diese war: „Besteht ein Zusammenhang zwischen bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und musikalischen
Präferenzen?“ In 2.1.3 wird ein deutlicher Zusammenhang von Rebellion zu härteren
Musikstilen wie Hard Rock, Heavy Metal und Rap gefunden. Sensationsgier, ein Unterteil von Extraversion steht in Relation zu intensiveren und komplexeren Musikstilen.
Extraversion selbst wurde sowohl in Verbindung zu härteren Genres wie Heavy Metal,
als auch zu leichteren wie Pop, Country und Soft Rock gefunden. Offenheit steht im
Zusammenhang zu einer großen Bandbreite von musikalischen Präferenzen, während
Gewissenhaftigkeit mit leichteren Musikstilen in Verbindung steht. Neurotizismus wird
sowohl in Relation mit Pop und Rockgenres als auch in Verbindung zu Hard Rock,
Heavy Metal und Rap gesehen.
Im Subparagraph 2.1.4 werden Ergebnisse für Offenheit bestätigt. Extraversion steht
hier in Verbindung zu allen Faktoren außer reflektierend & komplex, was ebenfalls
oben genannte Resultate bestätigt. Verträglichkeit steht in Zusammenhang mit den
Faktoren Upbeat & konventionell (Country, Soundtrack, Religiöse Musik, Pop), sowie
energisch & rhythmisch(Rap/Hip-Hop, Soul/Funk, Electro/Dance). Auch Gewissenhaftigkeit hat starken Bezug zu dem Faktor Upbeat & konventionell. In diesem Teil wurden für Neurotizismus nur positive Korrelationen zu Pop und Soundtrack, sowie
32
Rap/Hip-Hop gefunden. Negative Korrelationen wurden zu Heavy Metal gefunden,
was den Ergebnissen in 2.1.3 wiederspricht.
Im Subparagraph 2.1.5 wird beschrieben, dass Männer eher zu härteren und Frauen
eher zu leichteren Genres neigen.
Die Informationen in 2.1.6 beschreiben die Verbindung von Persönlichkeitsfaktoren
und dem Gebrauch von Musik. Der emotionale Gebrauch steht in Verbindung zu
Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit und Extraversion. Offene Individuen benutzen Musik vor allem kognitiv, während extrovertierte Teilnehmer Musik im Hintergrund gebrauchen.
Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass deutliche Verbindungen von Persönlichkeitsmerkmalen zu musikalischen Präferenzen sowie dem Gebrauch von Musik bei gesunden Teilnehmern vorhanden sind. Es stellt sich die Frage, ob dies auf psychisch
erkrankte Menschen, vor allem solche mit einer Persönlichkeitsstörung zu übertragen
ist. Hierüber gibt es bisher keine Literatur.
Deshalb wird dies in der folgenden Enquetestudie durch drei Hypothesen, die in einem Fragebogen verarbeitet worden sind, untersucht.
33
3.Methode
3.1 Gestaltung der Studie
Die durchgeführte Enquetestudie ist beschreibender Art. Mittels eines Fragebogens
wurde das Musikhörverhalten von selbstverletzenden Borderline-Patienten, die sich in
klinischer Behandlung befanden, untersucht. Ziel hiervon ist die Unterbauung der
Wichtigkeit des therapeutischen Einsatzes von Musikhören um dieses als Skill passend
einzusetzen.
Anhand der vorhergehenden Literaturstudie wurden die folgenden drei zu untersuchenden Hypothesen erstellt um orientierend herauszufinden, wie sich die Ergebnisse
der Literaturstudie in Verbindung zu der Borderline-Persönlichkeitsstörung verhalten.
Hierbei wird aufgrund mehrerer Quellen, sowie der Beschreibung der Borderline
Symptomatik, davon ausgegangen, dass Menschen mit BPS hohen Neurotizismus
und niedrige Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit als beeinflussende Persönlichkeitsfaktoren besitzen (Morey et al., 2002; New Start Resources, 2013).
Hypothese 1: „Borderline-Patienten hören vor allem harte Musik mit stark anwesendem Bass, wie (Hard) Rock, Heavy Metal und Rap/Hip-Hop.“
Diese Hypothese ist aus den Ergebnissen der Literaturstudie (§ 1.3.3 bis 1.3.5) für
Neurotizismus, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit, entstanden. Die negative Verbindung von BPS zu Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit, welche in Verbindung zu
dem Faktor Upbeat & konventionell stehen, haben zu der Entscheidung geführt, dass
die Genres Pop und Soundtrack nicht in die Hypothese eingeschlossen werden, obwohl diese auch in Verbindung zu Neurotizismus stehen. Zwar haben Langmeyer und
Kollegen (2012) eine negative Verbindung von Neurotizismus zu Heavy Metal gefunden, allerdings haben McCrown und Kollegen (1997) beschrieben, dass Menschen
mit BPS eine besondere Vorliebe für Genres mit übertriebenen Bass, worunter Heavy
Metal zählt, haben. Somit wurde dieses Genre in die Hypothese eingeschlossen. Die
Autorin erwartet, dass sich diese Hypothese bestätigt.
Hypothese 2: „Borderline-Patienten benutzen Musik vor allem emotional.“
Diese Hypothese basiert auf dem Subparagraphen 1.3.6. Hierbei steht Neurotizismus,
worin Menschen mit BPS eine hohe Punktzahl erreichen, in Verbindung zum emotionalen Gebrauch von Musik. Stimmungsveränderung und
-verstärkung durch Musik und das Hervorrufen von Erinnerungen durch Musik fallen
hierunter. Die Autorin erwartet, dass diese Hypothese bestätigt wird.
Hypothese 3: „Borderline-Patienten erfahren Musik als Skill.“
Diese Hypothese begründet sich aus dem Paragraphen 1.3, insbesondere den Subparagraphen 1.3.1 bis 1.3.3. Im Subparagraphen 1.3.1 wird beschrieben, dass
tieffrequente Musik (z.B. Heavy Metal) angstlösende Wirkung hat und vertraute Musik
34
mit dem Erleben von Kontrolle verbunden ist sowie die Stressbewältigung unterstützt.
Dies sind Fertigkeiten die für Borderline-Patienten wichtig sind wenn sie dissoziative
und Spannungszustände erleben. Somit kann Musik als Skill hier eine wichtige Rolle
spielen.
In 1.3.2 wird beschrieben, dass die Ausschüttung der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Oxytocin durch Musikhören erhöht wird. Serotonin und Dopamin sind bei
Borderline-Patienten im Ungleichgewicht. Oxytocin hat eine selbstverstärkende Wirkung. Somit kann das Hören von Musik auf neurobiologischer Ebene zum Ausgleich
führen und dadurch eine Verbesserung der aktuellen Situation bezwecken und folglich als Skill dienen. Schlussendlich wir in 1.3.3 beschrieben, dass aggressivere Musik,
wie Heavy Metal, Ausdrucksmedium für eine vorhandene Grundstimmung sein kann.
Dies ist insofern für Borderline-Patienten wichtig, als sie sich oft unverstanden fühlen
und ihren inneren Schmerz durch Selbstverletzung nach außen zu tragen versuchen.
Musik kann eine andere Form der Ausdrucksmöglichkeit bieten und sie so eventuell
von einer Selbstverletzung abhalten.
Die Autorin erwartet, dass sich diese Hypothese zumindest teilweise bestätigt.
Die Hypothesen wurden im Fragebogen verarbeitet, der von Patienten mit Borderline
Persönlichkeitsstörung ausgefüllt werden sollte.
Anschließend wurden die Fragen im statistischen Programm SPSS verarbeitet, wonach die beschreibende und vergleichende Analyse ausgeführt wurde. Die Resultate wurden interpretiert und mit den Ergebnissen der Literaturstudie verglichen.
Im folgenden ist zu lesen, wie die Hypothesen genau im Fragebogen verarbeitet
worden sind und inwiefern sich die Hypothesen bestätigten bzw. nicht bestätigten.
3.2 Population & Stichprobe
Aufgrund der kurzen Durchführungsdauer wurde eine selektierte Stichprobe an zwei
psychiatrischen Kliniken in Nordrhein-Westfalen, Deutschland, ausgeführt, da es nicht
möglich war eine nicht selektierte Stichprobe auszuführen.
Teilnehmer der Stichprobe waren stationär aufgenommene Borderline-Patienten. Die
Inklusionskriterien für Patienten waren eine anhand des ICD-10 gestellte Diagnose
Borderline Persönlichkeitsstörung durch einen Psychiater, sowie Vorhandensein von
selbstverletzendem Verhalten in Vergangenheit und/oder Gegenwart. Da die Diagnose Borderline Persönlichkeitsstörung erst ab dem Abschluss des 18. Lebensjahrs gestellt wird ist das Mindestalter für die Teilnehmer 18 Jahre.
Exklusionskriterium war eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung des impulsiven
Typen, da sich die Studie im Besonderen mit Borderline Typus auseinandersetzen sollte.
35
3.3 Fragebogen
Um untersuchen zu können welche musikalischen Präferenzen Menschen mit
Borderline Persönlichkeitsstörung haben und wie sie diese Musik im alltäglichen Leben
gebrauchen, ist ein Fragebogen entwickelt worden, da man so einfach und effizient
Patienten erreichen kann (für ein Beispiel siehe Anlage 1). Dieser wurde anhand der
vorbereitenden Literaturstudie und den daraus folgenden Hypothesen erstellt.
Insgesamt wurden13 Fragen entwickelt, die die musikalischen Präferenzen, den Gebrauch von Musik und die Funktion von Musik als Trigger oder Skill messen (siehe Anlage 1). Die Fragen wurden in einer für die Population begreifbaren Sprache verfasst.
Der Titel des Frageboges ist „Fragebogen: Musikhörverhalten bei BorderlinePersönlichkeitsstörung“. Auf der ersten Seite des semistrukturierten Fragebogens wird
das Ziel der Studie an Partizipanten erklärt. Hierauf folgen einige Fragen nach demographischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Nationalität und Kenntnis über das
Bespielen eines Instrumentes. Hieran soll getestet werden inwiefern demographische
Merkmale Einfluss auf Ergebnisse der Hypothesen haben.
Hypothese 1 wird anhand des STOMP (Short Test Of Musical Preferences, Renfrow &
Gosling, 2004) und der Frage „Bitte nennen Sie Ihre momentanen 5 Lieblingslieder“
getestet. Der STOMP besteht aus 14 Genres, die auf einer sieben-Punkte-Skala nach
Vorliebe beurteilt werden sollen. Hierbei ist „1“ starke Abneigung und „7“ starke Vorliebe. Die 14 Genres sind in vier Faktorkategorien eingeteilt: reflektierend & komplex
(Blues, Jazz, Klassik, Folk), intensiv & rebellisch (Rock, Alternative, Heavy Metal),
Upbeat & konventionell (Country, Soundtrack, Religiöse Musik, Pop) und energisch &
rhythmisch (Rap/Hip-Hop, Soul/Funk, Electro/Dance). Für die Lieblingslieder werden
die zugehörigen Genres durch die Autorin ausfindig gemacht und die Antworten
werden in der Analyse miteinander verglichen. Wenn beide Antwortmöglichkeiten
vorwiegend unter die oben genannten Genres fallen, wird konkludiert, dass die Hypothese zutrifft. Fallen entweder nur die Antworten auf SMART oder die Lieblingsmusik
unter diese Kategorie trifft die Hypothese teilweise zu. Fallen gar keine Antworten hierunter ist die Hypothese widerlegt.
Hypothese 2 wird anhand der Frage „Wann/In welchen Situationen hören Sie ihre
Lieblingsmusik?“ und des „Uses of Music Inventory“ getestet. Das „Uses of Music
Inventory“ (Chammorro-Premuzic und Furnham, 2007)besteht aus 15 Aussagen, die
die Teilnehmer auf einer fünf-Punkte-Skala beurteilen müssen (1 = trifft überhaupt
nicht zu; 2 = trifft nicht zu; 3 = trifft weder zu noch nicht zu; 4= trifft zu; 5= trifft sehr zu).
Jeweils fünf Aussagen beziehen sich auf den emotionalen, den kognitiven und den
Hintergrund-Gebrauch von Musik. Hieraus wird konkludiert welche Funktion Musik für
Menschen mit BPS hat. Wenn mehrere Funktionen gleichwertig beurteilt sind, wird im
Vergleich mit der Frage „Wann/In welchen Situationen hören Sie ihre Lieblingsmusik?“ festgestellt, welche Funktion schwerer wiegt. Hierbei wiegt die Funktion stärker
die mit der Frage übereinstimmt. Unterscheiden sich die Ergebnisse der Frage nach
der Situation und des „Uses of Music Inventory“ hat Musik mehrerer Funktionen für
36
diese Population. Hierunter sollte sich emotional befinden. Ist in keiner Antwort eine
emotionale Funktion erkennbar, ist die Hypothese widerlegt.
Hypothese 3 wird sowohl an den Fragen „Können Sie Situationen benennen in denen
Musik für Sie ein Trigger ist? Wenn ja, welche?“ und „Können Sie Situationen benennen in denen Musik für Sie ein Skill ist? Wenn ja, welche?“ getestet. Beantworten die
Partizipanten nur die Frage nach dem Skill positiv, ist die Hypothese vollkommen bestätigt. Werden auf beide Fragen positive Fragen abgegeben ist die Hypothese teilweise belegt. Erfahren Teilnehmer Musik nur als Trigger, ist die Hypothese widerlegt.
Um zu überprüfen ob alle Fragen deutlich und eindeutig formuliert waren, wurde eine Pilotstudie an den Musiktherapiestudenten des vierten Jahres an der „ArtEZ
Hogeschool voor de kunsten“ durchgeführt. Hiernach wurden drei Fragen (6.2, 7.3,
7.4) angepasst.
3.4 Durchführung
Nach der Entwicklung des Fragebogens wurde Kontakt zu mehreren Stationen der
LWL-Klinik Münster, wo die Autorin zu diesem Zeitpunkt ein Praktikum machte, aufgenommen. Insgesamt wurde mit vier Stationen, auf denen sich Patienten mit
Borderline Persönlichkeitsstörung befanden, zusammengearbeitet.
Nach der Kontaktaufnahme zur Stationsleitung, wurden die Ergebnisse der Literaturstudie, sowie der Fragebogen dem Team der einzelnen Stationen vorgestellt. Zur Ausfüllung der Fragebögen mit den jeweiligen Patienten erklärten sich die Bezugstherapeuten bereit. Dies bevorzugten die Stationen anstelle der Option, dass die Autorin
diesen selbst mit den Patienten ausfüllt.
Es wurden mehrere andere psychiatrische Kliniken in Deutschland kontaktiert, mit der
Anfrage, den Fragebogen dort ausfüllen lassen zu können. Diese Zusammenarbeit
kam allerdings aufgrund der beschränkten Durchführungszeit und der zu langen
Fahrtzeiten zu den Kliniken für die Vorstellung der Studie nicht zu Stande.
Jedoch erklärte sich ein Musiktherapeutenstudent, der innerhalb einer anderen Kliniken Praktikum machte und mit Borderline-Patienten arbeitete (Lukas Simonet an der
LVR-Klinik Bedburg-Hau), bereit, den Fragebogen mit seinen Klienten auszufüllen. Dies
geschah um trotz der kurzen Durchführungsdauer der Studie, so viele Patienten wie
möglich zu erreichen.
Der Fragebogen wurde an alle Therapeuten per E-Mail versendet, die diesen dann
selbstständig ausdruckten, austeilten und ausgefüllt per Post zum vorher besprochenen Zeitpunkt zurück an die Autorin sandten.
3.5 Analyse
Die Daten aus den ausgefüllten Fragelisten wurden anonym in dem statistischen Programm SPSS/IBM PASW21 bearbeitet. Hierbei wurden vor allem Frequenzanalysen,
deskriptive Analysen und einige vergleichende Analysen durchgeführt.
37
Frequenzanalysen wurden durchgeführt um herauszufinden wie oft das in der Hypothese beschriebene Phänomen tatsächlich vorkam. Mit deskriptiven Analysen wurden gemittelte und Standarddeviationen errechnet. Beide Analysen wurden eingesetzt um zu ermitteln, welche musikalischen Genres die Teilnehmer gerne hören, wie
sie Musik benutzen und in welchen Situationen sie sie einsetzen, sowie ob und in
welchen Situation Musik ein Trigger und/oder ein Skill ist.
Weiter wurden einige vergleichende Analysen durchgeführt um herauszufinden ob
mögliche Zusammenhänge zwischen einigen demographischen Merkmalen und
dem Vorhandensein eines Phänomens zu erkennen sind.
38
4. Resultate
Insgesamt haben 10 Psychotherapeuten und ein Musiktherapeut den Fragebogen
empfangen und mit insgesamt 16 Patienten ausgefüllt. Hiervon befanden sich 13 in
der LWL-Klinik Münster und 3 In der LVR-Klinik Bedburg-Hau.
4.1 Demographische Merkmale
Zuerst werden die Resultate der demographischen Merkmale behandelt. Insgesamt
wurde 16 ausgefüllte Fragebögen an die Autorin retourniert. Keiner dieser Fragebögen war unbrauchbar.
Nur ein Fragebogen wurde von einem Mann (6,25%) ausgefüllt, die restlichen 15 von
Frauen (93,75%). In der Beschreibung der folgenden Resultate sind Ergebnisse unter
denen sich der eine männliche Teilnehmer befindet mit einem * gekennzeichnet.
Das gemittelte Alter war 30,8 Jahre, mit einem Minimum von 18 Jahren und einem
Maximum von 51 Jahren. Zur Vereinfachung der Analyse wurden drei Altersklassen
benutzt: Altersklasse 1 (18 – 27 Jahre), Altersklasse 2 (28 – 39 Jahre) und Altersklasse 3
(40 – 51 Jahre).
Kenntnis über das Bespielen eines Instrumentes hatten drei Teilnehmer (18,75%) und
13 Teilnehmer (81,25%) hatten keinerlei Vorkenntnisse. Die Teilnehmer mit Vorkenntnissen waren zu 100% weiblich und die gemittelte Anzahl Jahre seit Beginn des Erlernens
des Instrumentes war 11,8 Jahre mit einem Minimum an 0,5 Jahren und einem Maximum an 20 Jahren. Zwei der drei Teilnehmer hatten Kenntnisse über das Bespielen
der Gitarre (66,6%), eine über das Bespielen von Handglocken (33,3%).
4.2 Hypothese 1
„Borderline-Patienten hören vor allem harte Musik mit stark anwesendem Bass, wie
(Hard)Rock, Heavy Metal und Rap/Hip-Hop.“
Diese Hypothese wurde anhand der Vorliebe für 14 verschiedene Genres (STOMP:
Short Test of Musical Preference), sowie anhand der Genres der Lieblingsliedern der
Teilnehmer gemessen. Die Vorliebe bei STOMP wurde anhand einer 7-Punkte-Skala
gemessen, wobei „1“ sehr starke Abneigung und „7“ sehr starke Vorliebe war.
In Tabelle 6 sind die Frequenzen und Mittelwerte für die Vorliebe der 14 Genres der 16
Teilnehmer zu sehen.
Nicht alle Teilnehmer haben ihre Vorliebe für alle Genres angegeben. Insgesamt haben nur für 5 der 14 Genres (Rock, Soundtrack, Dance/Elektro, klassische Musik
&Heavy Metal) alle ihre Vorliebe angegeben, für weitere 5 nur 15 (Religiöse Musik,
Country, Soul/Funk, alternative Musik & Pop) und für 4 Genres nur 14 Teilnehmer (Folk,
Jazz, Blues, Rap/Hip-Hop). Die folgenden Prozentangaben beziehen sich auf die gültigen Antworten.
39
N
M
SD
Folk
15
14
2,5333
2,7143
1,55226
1,63747
Country
15
3,2667
1,79151
Jazz
Blues
Heavy Metal
14
14
16
3,4286
3,5000
3,5000
1,74154
1,87083
2,70801
Rap/Hip-Hop
14
3,9286
1,97929
Soul/Funk
Klassische Musik
15
16
3,9333
3,9375
1,83095
1,76895
Dance/Elektro
16
4,5000
2,06559
Soundtrack
alternative Musik
Pop
16
15
15
4,6250
4,7333
4,8000
1,62788
1,57963
1,85934
Rock
16
5,5000
1,36626
religiöse Musik
gültige Werte (Listenweise)
11
Mit einem Mittelwert (M) von 5,5* ist das Genre Rock am beliebtesten, gefolgt von
den Genres Pop (4,8) und alternative Musik (4,6). 5 Teilnehmer* (31,25%), haben sehr
starke Vorliebe, 4 (25%) starke Vorliebe, 2 (12,5 %) Vorliebe, 4 (25%) weder Abneigung noch Vorliebe und 1 (6,25%) Abneigung für das Genre Rock angegeben.
Am unbeliebtesten war das Genre religiöse Musik mit einem Mittelwert (M) von 2,53.
Hierbei haben 6 (37,5%) sehr starke Abneigung, einer (6,25%) starke Abneigung, 5
(31,25%) Abneigung und 3* (18,75%)Vorliebe angegeben.
Die Genres Rap/Hip-Hop und Heavy Metal liegen nur an Stelle 8 und 9 der Beliebtheitsskala, mit Mittelwerten (M) von 3,93 (Rap/Hip-Hop) und 3,5 (Heavy Metal).
Bezüglich des Genres haben Rap/Hip-Hop haben 3 Teilnehmer (21,43%) sehr starke
Abneigung, 2 (14,29%) Abneigung, 4* (28,57%) weder Abneigung noch Vorliebe, 1
(7,14%) Vorliebe, 3(21,43%) Vorliebe und 1 (7,14%) starke Vorliebe angegeben.
Für das Genre Heavy Metal sind folgende Frequenzen ermittelt worden: 8 Teilnehmer
(50%) sehr starke Abneigung, ein Teilnehmer (6,25%) weder Abneigung noch Vorliebe, 2 Teilnehmer (12,5%) Vorliebe, ein Teilnehmer (6,25%) Vorliebe und 4 Teilnehmer*
(25%) sehr starke Vorliebe. Kreisdiagramme hierzu sind in Anlage 2 zu finden.
Auch wurde eine vergleichende Analyse zwischen den demographischen Merkmalen und den Genres ausgeführt. Hierbei ergaben sich keine deutlichen Unterschiede.
Der zweite Teil der Hypothese wurde mit Frequenzanalysen ausgewertet.
In den Tabellen 7, 8, 9, 10 und 11 sind die Frequenzen der Genres der fünf Lieblingslieder der Teilnehmer zu sehen. Die fett gedruckten Genres haben Prozentsätze von
20% und höher. Das kursiv gedruckte Genres hat den höchsten Prozentsatz innerhalb
allen fünf Lieblingsliedern.
40
Tabelle 7: Genres Lieblingslied 1
Häufigkeit (F)
Prozente
klassische Musik
1
6,7
Dance/Elektro
2
13,3
Rock
3
20,0
Pop
4
26,7
Heavy Metal
2
13,3
3
20,0
15
100,0
Hardrock
gesamt
Tabelle 8: Genres Lieblingslied 2
Häufigkeit (F)
Prozente
Dance/Elektro
1
7,7
Rap/Hip-Hop
1
7,7
Rock
5
38,5
Pop
2
15,4
Heavy Metal
3
23,1
Hard Rock
1
7,7
100,0
gesamt
13
Tabelle 9: Genres Lieblingslied 3
Häufigkeit (F)
Prozente
Dance/Elektro
1
7,7
Folk
1
7,7
alternative Musik
1
7,7
Rock
1
7,7
Pop
4
30,8
Heavy Metal
3
23,1
Punk
1
7,7
Weltmusik
1
7,7
100,00
gesamt
13
41
Tabelle 10: Genres Lieblingslied 4
Häufigkeit (F)
Prozente
Dance/Elektro
1
9,1
Rap/Hip-Hop
1
9,1
Rock
3
27,3
Pop
3
27,3
Heavy Metal
1
9,1
Soundtrack/Titelmusik
1
9,1
Punk
1
9,1
100,0
gesamt
11
Tabelle 11: Genres Lieblingslied 5
Häufigkeit (F)
Prozente
klassische Musik
1
10,0
Dance/Elektro
2
20,0
Rock
1
10,0
Pop
2
20,0
Heavy Metal
3
30,0
Punk
1
10,0
100,0
gesamt
10
Die Frage nach den Lieblingsliedern wurde nicht von allen Teilnehmern vollständig
beantwortet. Ein Teilnehmer hat diese Frage überhaupt nicht beantwortet. So haben
beim ersten Lieblingslied 15 Teilnehmer (93,75%), beim zweiten und dritten Lieblingslied 13 Teilnehmer (81,25%), beim vierten Lieblingslied 11 Teilnehmer (68,75%) und
beim fünften Lieblingslied 10 Teilnehmer (62,25%) Angaben zu ihren Lieblingsliedern
gemacht. Die folgenden Prozentsätze bezüglich der Genres der Lieblingslieder beziehen sich auf die gültigen Antworten.
Innerhalb der fünf Lieblingslieder sind 5 Genres (Rock, Hard Rock, Heavy Metal, Pop
& Dance/Elektro) zu erkennen, die von den Teilnehmern favorisiert werden. Hierbei
wird sich auf alle Ergebnisse, die 20% oder höher sind, bezogen. Die am häufigsten
genannten Genres bei Lieblingslied 1 sind Pop (26,7%), Hardrock (20%) und Rock*
(20%). Bei Lieblingslied 2 liegen die meisten Vorlieben bei Rock* (38,5%) und Heavy
Metal (23,1%). Die vielfach genannten Vorlieben von Lieblingslied 3 sind Pop (30,8%)
und Heavy Metal* (23,1). Bezüglich des vierten Lieblingsliedes sind die Genres Rock*
(27,3%) und Pop (27,3%) und bezüglich des fünften Lieblingsliedes die Genres Heavy
Metal* (30%) und Dance/Elektro (20%).
Die drei Genres Rock, Heavy Metal und Pop sind mit jeweils 3 Mal unter den Genres
der Lieblingslieder vertreten. Die Genres Hardrock und Dance/Elektro kommen nur
42
einmal vor. Den am höchsten vertretenen Prozentsatz hat Rock bei Lieblingslied 2 mit
38,5%. Pop und Rock sind jeweils zweimal das beliebteste Genre eines Lieblingsliedes
und Heavy Metal einmal.
Das Genre Rap/Hip-Hop wird bei zwei Lieblingsliedern von nur jeweils einem Teilnehmer (6,25%) benannt.
Auch hier wurden vergleichende Analysen zwischen den demographischen Merkmalen und den Genres der Lieblingslieder ausgeführt, welche wiederum keine eindeutigen Ergebnisse zur Folge hatten.
Die gemittelte Dauer, die die Teilnehmer am Tag ihre Lieblingsmusik hören ist 3,4
Stunden, mit einem Minimum an 0,5 und einem Maximum an 12 Stunden.
4.3 Hypothese 2
„Borderline-Patienten benutzen Musik vor allem emotional.“
Diese Hypothese wurde anhand der Übereinstimmung mit 15 Aussagen zum emotionalen, kognitiven und Hintergrund-Gebrauch von Musik gemessen (Uses of Music
Inventory). Die Aussagen wurden auf einer 5-Punkte Skala bewertet (1=trifft überhaupt nicht zu, 2=trifft nicht zu, 3=trifft weder zu noch nicht zu, 4=trifft zu, 5=trifft sehr
zu).
Weiterhin wurde die Hypothese anhand der Situationen in denen die Teilnehmer ihre
Lieblingsmusik hören, gemessen.
In Tabelle 12 sind die Häufigkeiten der verschiedenen Arten Musik zu gebrauchen
dargestellt.
Tabelle 12: Gebrauch Musik
N
Gebrauch kognitiv
Gebrauch Hintergrund
Gebrauch emotional
M
SD
Min.
Max.
16
2,2750
,74789
1,40
4,00
16
3,4625
,85078
2,20
5,00
16
4,0250
,50000
3,20
4,80
Die Aussagen wurden von allen Teilnehmern vollständig bewertet.
In der Analyse wurden jeweils fünf Aussagen zu den Faktoren „Gebrauch kognitiv“,
„Gebrauch Hintergrund“ und „Gebrauch emotional“ zusammengefasst und der Mittelwert der Antworten mit einer Frequenzanalyse berechnet. Hieraus ergab sich, dass
der emotionale Gebrauch mit einem Mittelwert (M) von 4,03 am häufigsten vorkam.
43
Danach folgte der Hintergrund-Gebrauch mit einem Mittelwert (M) von 3,46 und der
kognitive Gebrauch mit 2,28. Dies verhielt sich für den männlichen Teilnehmer genauso wie für die weiblichen.
Die einzelnen Aussagen der Teilnehmer wurden außerdem in einer deskriptiven Analyse verarbeitet. Die Aussage, die die höchste Übereinstimmung hatte, war „Musikhören beeinflusst meine Stimmung“, einzuordnen in den emotionalen Gebrauch, mit
einem Mittelwert von 4,56. 56,25%* der Teilnehmer bewerteten diese Frage mit „trifft
sehr zu“ und 43,75% mit „trifft zu“.
An zweiter Stelle bezüglich stand die Aussage „Ich mag es Musik in sozialen Veranstaltungen zu hören“, einzuordnen in den Hintergrund-Gebrauch, mit einem Mittelwert von 4,19. 31,25% bewerteten diese Aussage mit „trifft sehr zu“, 5,25% mit „trifft
zu“ und 12,25%* mit „trifft weder zu noch nicht zu“.
Die Aussage mit der niedrigsten Übereinstimmung war „Ich mag es komplexe musikalische Kompositionen zu analysieren“, einzuordnen in den kognitiven Gebrauch, mit
einem Mittelwert von 1,56. 62,5% bewerteten diese Aussage mit „trifft überhaupt
nicht zu“, 25%* mit „trifft nicht zu und jeweils 6,25% mit „trifft weder zu noch nicht zu“
und mit „trifft zu“. Die Ergebnisse dieser 3 Aussagen sind in den Graphiken 8 -10 auf
dieser und der folgenden Seite dargestellt.
Abb. 8: Musikhören beeinflusst meine Stimmung (n=16)
44
Abb. 9: Ich mag es Musik in sozialen Situationen zu hören (n=16)
Abb. 10: Ich mag es komplexe musikalische Kompositionen zu analysieren (n=16)
Für die demographischen Merkmale ergaben sich in der vergleichenden Analyse
keine Unterschiede.
45
Der zweite Teil dieser Hypothese, die Situationen in denen die Teilnehmer ihre Lieblingsmusik hören wurde mittels einer deskriptiven Analyse erschlossen.
In Tabelle 14 werden die Frequenzen der Situationen in denen die Teilnehmer ihre
Lieblingsmusik hören wiedergegeben.
Tabelle 14: Situation Musikhören
Häufigkeit (F)
Prozente
Entspannung & Hintergrund
1
6,25
Entspannung , wenn es mir schlecht geht & Hintergrund
1
6,25
wenn es mir gut geht, wenn es mir schlecht geht
& Hintergrund
1
6,25
wenn es mir schlecht geht
1
6,25
Entspannung
2
12,50
wenn es mir gut geht
2
12,50
wenn es mir gut geht & wenn es mir schlecht
geht
2
12,50
Hintergrund
3
18,75
3
18,75
16
100,00
wenn es mir schlecht geht & Hintergrund
gesamt
Auch die Frage nach den Situationen, in denen die Teilnehmer ihre Lieblingsmusik
hören, wurde von allen Teilnehmern beantwortet. Die Aussagen wurden je nach ihrem Inhalt in eine der folgenden Kategorien bzw. in eine Kombination der folgenden
Kategorien eingeteilt, welche sich aus den Antworten der Teilnehmer ergaben: „Hintergrund“, „wenn es mir schlecht geht“, „wenn es mir gut geht“ und „Entspannung“.
Mittels einer deskriptiven Analyse wurde die prozentuale Verteilung der jeweiligen
Situation oder Kombinationen aus Situationen ermittelt. Es ergaben sich neun Faktoren aus den Kategorien oder deren Kombinationen. Die zwei häufigsten Faktoren
waren „wenn es mir schlecht geht & Hintergrund“ und „Hintergrund“. Jeweils 3 Teilnehmer (18,75%) beschrieben so ihr Musikhörverhalten. An zweiter Stelle standen die
Faktoren „wenn es mir gut geht & wenn es mir schlecht geht“, „wenn es mir gut
geht“ und „Entspannung“ mit jeweils 2 Teilnehmern (12,5%). Nur jeweils ein Teilnehmer (6,25%) beschrieb die Situationen der folgenden Faktoren: „wenn es mir schlecht
geht“, „wenn es mir gut geht, wenn es mir schlecht geht & Hintergrund“, „Entspannung, wenn es mir schlecht geht & Hintergrund“ und „Entspannung und Hintergrund“*.
Eine vergleichende Analyse der Situationen, in denen Teilnehmer Musikhören, mit
den Altersklassen ergab keine eindeutigen Ergebnisse.
46
4.4 Hypothese 3
„Borderline-Patienten erfahren Musik als Skill.“
Diese Hypothese wurde anhand der Fragen gemessen „Können sie Situationen benennen, in denen Musik für sie ein Trigger ist?“ und „Können Sie Situationen benennen, in denen Musik für sie ein Skill ist?“ Sowie der Zusatzfrage „Wenn ja, welche?“ bei
positiver Antwort auf die erste Frage. Beide Teile der Hypothese wurden mittels einer
Frequenzanalyse ausgewertet.
In den folgenden zwei Graphiken werden die Frequenzen für die zwei Hauptfragen
wiedergegeben:
Abb. 4: Musik Trigger (n =14)
Abb. 5: Musik Skill (n=15)
47
Die Frage „Können sie Situationen benennen in denen Musik für sie ein Trigger ist?“
wurde von 15 Teilnehmern gültig und die Frage „Können Sie Situationen benennen in
denen Musik für sie ein Skill ist?“ von 14 Teilnehmern gültig beantwortet. Die folgenden Angaben zu Prozenten beziehen sich auf die gültigen Antworten. Vier Teilnehmer (26,67%*) beantworten die Frage ob Musik für sie ein Trigger sein kann mit „ja“,
11 (73,33%) mit „nein“. 100%* der Teilnehmer nehmen Musik als Skill wahr.
Auch wurde eine vergleichende Analyse zu den Altersklassen und der Frage „Können Sie Situationen benennen in denen Musik für Sie ein Trigger ist?“ durchgeführt.
Hierbei ergab sich, dass die jüngste Altersklasse (18 – 27 Jahre), dies geschlossen mit
„nein“ beantwortet hat. In der zweiten Altersklasse (28 – 39 Jahre) empfinden eine
Mehrheit Teilnehmer Musik als Trigger. 2 Teilnehmer haben diese Frage mit „ja“, einer
mit „nein“ beantwortet. Die älteste Altersklasse (40 – 51 Jahre) beantwortete die Frage genauso oft mit „nein“ (2 Teilnehmer), wie mit „ja“(2 Teilnehmer*).
Eine vergleichenden Analyse zwischen der Kenntnis ein Instrument zu bespielen und
den Fragen, ob Musik Trigger oder Skill sein kann, ergab, dass die drei Teilnehmer, die
Kenntnis über das Bespielen eines Instrumentes haben, alle „nein“ auf die TriggerFrage geantwortet haben.
Die Antworten auf den zweiten Teil der Hypothese, die Frage nach den Situationen,
wurden wiederum in Kategorien eingeteilt und mittels einer Frequenzanalyse ausgewertet, die in den folgenden zwei Tabellen dargestellt sind.
Tabelle 16: Situationen, in denen Musik Trigger ist (n=4)
Häufigkeit (F)
Prozente
Musik ruft Erinnerungen an früher hervor
1
25,0
Hardcore macht Suchtdruck
1
25,0
Musik, die mich an meine Kindheit erinnert
1
25,0
wenn ich Heavy Metal höre
1
gesamt
4
25,0
100,0
Tabelle 17: Situationen, in denen Musik Skill ist (n=14)
Häufigkeit (F)
Prozente (gerundet)
bei Anspannung
4
28,6
bei Anspannung & in dissoziativen Momenten
1
7,1
bei Panikattaken
1
7,1
zur Emotionsregulation
1
7,1
Stimmungsverbesserung
3
21,4
Stimmungsverbesserung & Entspannung
2
14,3
Ablenkung
2
14,3
100,0
gesamt
14
48
Vier Teilnehmer hatten angegeben, dass sie Musik als Trigger empfinden. Alle vier
Teilnehmer taten dies in verschiedenen Situationen. Die Situationen sind „Musik ruft
Erinnerungen an früher hervor“*, „Hardcore macht Suchtdruck“, „Musik, die mich an
meine Kindheit erinnert“ und „wenn ich Heavy Metal höre“, mit einer jeweiligen Gewichtung von 25%. In einer vergleichenden Analyse ergab sich, dass die Aussage des
Mannes ,„Musik ruft Erinnerungen an früher hervor“* und die Aussage „wenn ich
Heavy Metal höre aus Altersklasse 3 (42 – 51 Jahre) stammen. Die Aussagen „Hardcore macht Suchtdruck“ und „Musik, die mich an meine Kindheit erinnert“ stammen
aus Altersklasse 2 (30 – 41 Jahre).
Dem gegenübergestellt empfanden 15 Teilnehmer* (100%) Musik als Skill und 14* haben hierbei auch eine Situation angegeben. In der Tabelle sind die Situationen mit
der höchsten Frequenz fett gedruckt. Die Antworten sind inhaltlich in die folgenden
Kategorien mit der folgenden Gewichtung eingeteilt worden: Vier Teilnehmer (28,6%)
empfanden Musik „bei Anspannung“ als Skill. Dies war die am häufigsten gewählte
Antwort. Gefolgt wurde diese Situation von „Stimmungsverbesserung“, was drei Teilnehmer (21,4%) antworteten. Jeweils zwei Teilnehmer (14,3%) empfanden Musik als
Skill in den Situationen „Ablenkung“ und „Stimmungsverbesserung & Entspannung“
und jeweils ein Teilnehmer (7,1%) in den Situationen „bei Anspannung & in dissoziativen Momenten“*, „bei Panikattacken“ und zur Emotionsregulation“.
Eine vergleichende Analyse der Situationen in denen Musik Skill ist und der Altersgruppen ergab folgende Ergebnisse. Die Altersklasse 1 (18 - 27 Jahre) empfand Musik
vor allem bei Emotionen, Stimmungsverbesserung und Anspannung als Skill. Altersklasse 2 (28 – 39 Jahre) tat dies zur Ablenkung und Stimmungsverbesserung. In Altersklasse 3 (40-51) wurde Musik vor allem zur Ablenkung und Entspannung als Skill wahrgenommen. Die genauen Ergebnisse sind in Tabelle 18 noch einmal aufgeführt.
Tabelle 18: Kreuztabelle Situation Skill / Altersklassen
In welchen Situationen ist Musik ein Skill?
Anzahl
bei
bei Anspan-
bei Panik-
Emotions-
Anspan-
nung & in
attacken
regulation
nung
dissoziativen
gesamt
Stimmungs- Stimmungs-
um
verbesse-
verbesse-
mich
rung
rung &
abzu-
Entspan-
lenken
Momenten
nung
1
2
0
1
1
1
2
0
7
Altersklassen 2
0
0
0
0
2
0
1
3
3
2
1
0
0
0
0
1
4
4
1
1
1
3
2
2
14
gesamt
49
5. Diskussion und Fazit
5.1 Diskussion
Zuerst erfolgt die Interpretation der Resultate und die Besprechung der Übereinstimmung und Unterschiede in Bezug auf die beschriebene Literatur in Paragraph 1 und
2. Für jede Hypothese werden sie Resultate mit der bereits bestehenden Literatur
verglichen und am Ende dieses Subparagraphen die Limitationen der Studie beschrieben.
5.1.1 Interpretation der Resultate der demographischen Merkmale
Insgesamt wurden 16 Fragebögen ausgefüllt und retourniert. Diese Anzahl ist, verglichen mit der Schätzung, dass 15 bis 25% aller stationär aufgenommenen Patienten
mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung diagnostiziert sind und die Fragebögen an
zwei Kliniken ausgeteilt wurden, sehr klein. Dies kann zum einen an der Exklusion von
Patienten mit emotional instabiler Persönlichkeitsstörung des impulsiven Typus gelegen haben und zum anderen an zu großer Instabilität der Patienten. Patienten die
noch starken Selbstverletzungsdruck empfinden können durch die Frage, ob Musik
ein Trigger sein kann und wenn ja in welchen Situationen, so stark getriggert werden,
dass dies erneute Selbstverletzung hervorruft. Psychotherapeuten, die diese Gefahr
sahen, haben den Fragebogen, in Absprache, an diese Patienten nicht ausgeteilt.
Darüber hinaus kann die kurze Durchführungsdauer von 6 Wochen zu der kleinen
Anzahl beigetragen haben.
Um zu evaluieren ob die Stichprobe repräsentativ für die Population von Patienten
mit Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) ist, müssen die Resultate der demographischen Resultate mit den aktuellen Zahlen und der bereits beschriebenen Epidemiologie der BPS verglichen werden. Laut der AG Psychiatrie der Obersten Landesgesundheitsbehörden an die rezenteste Gesundheitsministerkonferenz zum Thema
„Psychiatrie in Deutschland – Strukturen, Leistungen, Perspektiven“ im Jahre 2007 gibt
es in Nordrhein-Westfalen(NRW) 8591 vollstationäre Plätze in psychiatrischen Fachkrankenhäusern für erwachsene Patienten. Wie bereits beschrieben liegt die Anzahl
der Patienten mit BPS zwischen 15% und 25% der stationär aufgenommen psychiatrischen Patienten, was ca. 1706 Patienten in NRW wären (20% von 8591). Die Anzahl
Teilnehmer dieser Stichprobe (16) repräsentiert also 0,94% der gesamten Population.
Dies liegt sehr deutlich unter der Grenze von 10%, die gesetzt wird um Informationen
einer Studie auf die gesamte Studienpopulation zu generalisieren.
Weiterhin sind, wie in Subparagraph 1.1.2 beschrieben, schätzungsweise 70% der Patienten mit BPS weiblich. Die Anzahl weiblicher Teilnehmer dieser Stichprobe ist 15,
was ca. 94% der Teilnehmer sind. Dieses Ergebnis kann wiederum auf die kleine Größe der Stichprobe zurückzuführen sein.
Zahlen zu einem gemittelten Alter von Menschen mit BPS sind nicht zu finden, allerdings soll die Störung, wie bereits beschrieben, mit dem 3. und 4. Lebensjahrzehnt
50
abnehmen. In der Stichprobe ist zu sehen, dass sich 50% der Teilnehmer in der Altersklasse 1 (18 – 27 Jahre) und jeweils 25% in Altersklasse 2 (28 – 39 Jahre) und Altersklasse 3 (40- 51 Jahre) befindet, was für eine Abnahme sprechen könnte.
Die demographischen Merkmale der Teilnehmer kommen also in ihrer Tendenz mit
denen der allgemeinen Population überein. Schwankungen sind auf die kleine Größe der Stichprobe zurückzuführen, die auch dazu führt, dass man bei den Ergebnissen nicht von eine Repräsentation der gesamten Populationen sprechen kann.
5.1.2 Interpretation der Resultate von Hypothese 1
Die erste Hypothese war, dass Borderline Patienten vor allem harte Musik mit übertriebenen Bass, wie (Hard) Rock, Heavy Metal und Rap/Hip-Hop, hören. Die Autorin
erwartete, dass sich diese Hypothese bestätigen sollte.
Aus den Resultaten geht hervor, dass, bezüglich des STOMP, Rock, mit einem Mittelwert von 4,8, das meistfavorisierte der 14 Genres ist. Das Genre Rap/Hip-Hop war an
achter Stelle mit einem Mittelwert von 3,93 und das Genre Heavy Metal an neunter
Stelle mit einem Mittelwert von 3,5. Allerdings ist bei Genres Rap/Hip-Hop und Heavy
Metal zu erkennen, dass sich Vorliebe und Abneigungsantworten fast im Gleichgewicht befinden. So haben bei Rap/Hip-Hop 35,71% der Teilnehmer eine der VorliebeAntworten gewählt und 35,72% eine der Abneigungsantworten. Die restlichen 28,57%
haben „weder Vorliebe noch Abneigung“ geantwortet.
Bezüglich des Genres Heavy Metal haben 50% „sehr starke Abneigung“ geantwortet
und 43,75% haben eine Vorliebeantwort gegeben. Die restlichen 6,25% haben mit
„weder Vorliebe noch Abneigung“ geantwortet.
Im Hinblick auf die fünf Lieblingslieder sind die fünf Genres Rock, Pop, Heavy Metal,
Hard Rock und Dance/Elektro mit 20% und mehr vertreten. Hierbei war zweimal Pop
das am stärksten vertretene Genre der Lieblingslieder, zweimal Rock und einmal
Heavy Metal. Diese drei Genres kamen auch bei jeweils drei Liedern über 20%. Die
anderen beiden Genres taten dies nur einmal. Wenn man Hard Rock unter das Genre Rock zählt, ist dieses sogar viermal vertreten. Rock hat mit 38,5% auch die höchste
Vorliebe innerhalb der Lieblingslieder erreicht. Die höchste Wertung von Pop war
30,8% und von Heavy Metal 30%. Hard Rock und Dance/Elektro erreichten jeweils
einmal 20%.
Aufgrund dieser Resultate kann man sagen, dass Rock das beliebteste Genre unter
den Teilnehmern der Stichprobe ist, und für dieses Genre die Hypothese bestätigt ist.
Hierbei ist eine starke Übereinkunft der Ergebnisse der Stichprobe mit den Ergebnissen
von Schwartz und Fouts (2003) , die starke Übereinkünfte von Neurotizismus zu Rockgenres, Heavy Metal und Rap fanden, zu erkennen. Die Ergebnisse widersprechen
allerdings, wie erwartet, den Ergebnissen von Langemeyer et al. (2012), die negative
Korrelationen von Rock zum Neurotizismusfaktor fanden.
Bezüglich des Genres Heavy Metal finden sich unterschiedliche Ergebnisse. Der
STOMP ergibt sowohl starke Vorliebe als auch starke, Abneigung für dieses Genre
und insgesamt einen durchschnittlichen Mittelwert. Allerdings zeigen die Lieblingslieder der Teilnehmer, dass Heavy Metal stark vertreten und somit ein beliebtes Genre
51
ist. Wie in Paragraph 3.3 beschrieben wird den Lieblingsliedern eine schwere Gewichtung gegeben, da diese authentischer als die Bewertung eines Genres sind und somit ist die Hypothese für dieses Genre ebenfalls bestätigt.
Dieses Resultat bestätigt wiederum die Ergebnisse von Schwartz und Fouts (2008) und
die Hypothese von McCrown und Kollegen (1997), dass Menschen mit Borderline Persönlichkeitsstörung vor allem Musik mit übertriebenen Bass wie Heavy Metal hören,
und widerspricht, wie erwartet, Langmeyer et al. (2012).
Hinsichtlich des Genres Rap/Hip-Hop ist die Hypothese allerdings wiederlegt.
Im SMART hat es zwar einen leicht höheren Mittelwert als Heavy Metal, ist bei den
Lieblingsliedern allerdings kaum vertreten (bei 2 Lieblingsliedern, von jeweils einem
Teilnehmer gewählt). Dies wiederspricht den Ergebnissen von Schwartz und Fouts
(2008) und Zweigenhaft (2008), die jeweils positive Korrelationen zwischen Rap und
Neurotizismus fanden.
Außerdem muss erwähnt werden, dass das Genre Pop unter den Lieblingsliedern hohe Werte erlangt hat und auch bei STOMP an zweiter Stelle der Beliebtheitsskala
steht. Somit ist der Entschluss Pop nicht in die Hypothese mit einzubeziehen als falsch
belegt worden und die Ergebnisse von Langmeyer et al. (2012), die positive Verbindungen zwischen Neurotiszismus und Pop fanden, unterstützt.
Es könnte verschiedene Erklärungen für die der Hypothese widersprechenden Ergebnisse. In Bezug auf die Ergebnisse der Genres Heavy Metal und Rap/Hip-Hop bei
STOMP, sind starke Gegensätze in der Vorliebe gefunden worden, die ungefähr
gleichstark vertreten waren. Dies kann auf die Borderline-typische Spaltung zurückzuführen sein (Kreisman & Straus, 1992; siehe Paragraph 1.1.3). Dieses Symptom kennzeichnet sich im Schwarz-Weiß-Denken, wodurch Beurteilungen entweder sehr positiv
oder sehr negativ ausfallen. Somit sind diese Genres von einem Anteil sehr positiv von
einem anderen allerdings als sehr negativ bewertet worden, was zu dem „nur“
durchschnittlichen Ergebnis der Vorliebe dieser Genres geführt haben kann. Andererseits sind dies auch extreme Genres, die nicht dem Massengeschmack entsprechen,
was zu diesen starken Meinungsunterschieden geführt haben kann.
Die Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung erreichen zwar hohe Punktzahlen
in dem Persönlichkeitsfaktor Neurotizismus (Morey et al., 2002; New Start Resources,
2013), allerdings wird dies höchstwahrscheinlich in verschiedenen Ausprägungen
vorkommen, da es sich um unterschiedliche Menschen handelt und so werden auch
Punktzahlen in den anderen Persönlichkeitsfaktoren in verschiedenen Ausprägungen
vorhanden sein. Diese Unterschiede in der Ausprägung der Borderline-Persönlichkeit
können sich wiederum auf den Musikgeschmack auswirken.
Darüber hinaus ist nicht außer Acht zu lassen, dass musikalische Präferenzen nicht nur
von der Persönlichkeit, sonder auch von anderen individuellen Faktoren, wie Alter
Geschlecht, Gemütszustand, musikalische Vorbildung , Kenntnis des Genres oder des
Stückes (Zuidgeest, 2004), sowie innermusikalischen Aspekten, sozialer Identität (North
& Hargreaves, 1999) und situationelle Faktoren (Zillmann & Gan, 1996; North & Harg-
52
reaves, 2008) beeinflusst wird. In Bezug auf das Alter sind in dieser Stichprobe keine
Unterschiede gefunden worden.
Über den Geschlechterunterschied ist aufgrund der kleinen Anzahl der männlichen
Teilnehmer schwerlich eine Aussage zu treffen. Allerdings ist von mehreren Autoren
(Rawlings und Ciancarelli, 1997; McCrown et al., 1997; Schwartz und Fouts, 2003;
George und Kollegen, 2007; Colley, 2008 & Langmeyer et al., 2012) festgestellt worden, dass weibliche Teilnehmer ihrer Studien eher leichtere Musik hören, während
männliche Teilnehmer eher härtere Musik hören. Dies hat, wie bereits vorher beschrieben, einerseits mit den Themen der Musik, als auch mit der Fähigkeit von Frauen aufgrund des kleineren Gehörgangs höhere Frequenzen wahrzunehmen, zu tun.
Rückschlüssig könnte also die große Anzahl an weiblichen Teilnehmern dieser Studie
Begründung für die starke Vorliebe für Pop sein. Auch fanden Langmeyer und Kollegen (2012) eine Verbindung zwischen Pop und Neurotizismus, welche allerdings außer Acht gelassen wurde wegen der starken Verbindung von Pop zu Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit worin Borderline Patienten negative Punktzahlen erreichen.
Zuletzt ist vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bezüglich musikalischer Präferenzen die soziale Identität von großer Wichtigkeit (North & Hargreaves,
1999). Die Autoren beschreiben, dass Musik innerhalb von Peergroups als Erkennungszeichen gehandhabt wird. Somit können die musikalischen Präferenzen der
Freunde die eigenen Vorlieben beeinflussen, was zu Abweichungen hinsichtlich der
Ergebnisse von Persönlichkeitsmerkmale führen kann.
Diese Vermutungen müssen allerdings noch in Bezug auf die Borderline-Persönlichkeit
untersucht werden.
5.1.3 Interpretation der Resultate von Hypothese 2
Die zweite Hypothese war, dass Borderline-Patienten Musik vor allem emotional benutzen. Die Autorin erwartete, dass sich diese Hypothese bestätigt.
Aus den Ergebnissen geht hervor, dass der emotionale Gebrauch von Musik innerhalb der Stichprobe mit einem Mittelwert von ca. 4,03 am meisten vorkam. Darauf
folgten der Hintergrund-Gebrauch mit einem Mittelwert von 3,46 und der kognitive
Gebrauch mit 2,28. Hinsichtlich der Altersklassen ergab sich, dass die jüngste Altersgruppe noch am stärksten kognitiv Gebrauch von Musik machte.
Die Situationen, in denen die Teilnehmer Musik hören, weisen sowohl auf häufigen
emotionalen als auch auf häufigen Hintergrund-Gebrauch hin. So waren die Aussagen „wenn es mir schlecht geht & Hintergrund“ und „Hintergrund“ mit jeweils 18,75%
mehrfach vertreten. Gefolgt wurden diese von den Aussagen „Entspannung“, „wenn
es mir gut geht & wenn es mir schlecht geht“ und „wenn es mir gut geht“ mit jeweils
12,5%.
Somit ist die Hypothese für den emotionalen Gebrauch belegt und die Resultate
stimmen mit denen in Paragraph 3.1.5 beschriebenen Ergebnissen für Neurotizismus
und den Gebrauch von Musik überein (Chammorro-Premuzic und Furnham, 2007;
Chamorro-Premuzic, Furnham, Muro & Goma-i-Freixanet, 2009 & Chamorro-Premuzic,
Swami & Chermakov, 2010).
53
Allerdings ist aus den Resultaten auch zu erkennen, dass sowohl der HintergrundGebrauch als auch Entspannung wichtige Funktionen von Musik für die Teilnehmer
der Stichprobe sind. Dies könnte zum Beispiel durch das Alter bedingt sei, was noch
zu untersuchen ist.
Den Ergebnissen könnten mehrere Ursachen zugrunde liegen. Zum einen wurden die
Teilnehmer gefragt in welchen Situationen sie ihr Lieblingsmusik hören, während der
„Uses of Music Inventory“ nur auf den Gebrauch von Musik im Allgemeinen eingeht.
Wie in Paragraph 3.1.5 bereits beschrieben, wird Lieblingsmusik vor allem für gute
Stimmung, Entspannung, Energie, Rückerinnerung und um Gedanken und Gefühle
intensiver zu erleben, benutzt (Schäfer und Sedlmeier, 2009). Diese Befunde bestätigen sich in den Aussagen der Teilnehmer der Stichprobe.
Auch können hier wiederum andere Faktoren als nur die Persönlichkeit eine Rolle
spielen. Auch musikalische Vorbildung, situationelle Faktoren und soziale Identität
könnten von Wichtigkeit in Bezug auf den Gebrauch von Musik sein. Hierzu müssen
weitere Untersuchungen angestellt werden.
5.1.4 Interpretation der Resultate von Hypothese 3
Die dritte Hypothese war, dass Borderline-Patienten Musik als Skill erfahren. Die Autorin erwartete, dass sich diese Hypothese zumindest teilweise bestätigt.
Aus den Resultaten ist zu erkennen, dass 100% der Teilnehmer Musik als Skill erfahren.
Gleichzeitig wird Musik von 26,67% als Trigger erfahren und von 73,33% nicht.
Somit wird von fast ¾ der Teilnehmer Musik nicht als Trigger wahrgenommen. Alle
Teilnehmer, die Musik als Trigger wahrnehmen, empfinden Musik auch als Skill. Folglich ist die Hypothese belegt.
Die Teilnehmer, die Vorkenntnisse über das Bespielen eines Instrumentes haben, haben die Trigger-Frage alle mit „nein“ beantwortet, was darauf hindeuten könnte,
dass musikalische Vorbildung dazu führen kann Musik als Skill wahrzunehmen und
einzusetzen.
Weiterhin ist zu erkennen, dass in Altersklasse 1 (18 – 27Jahre) keiner der Teilnehmer
Musik als Skill empfand, in Altersklasse 2 (28 – 39 Jahre) zwei Teilnehmer Musik als Skill
empfanden und einer nicht und in Altersklasse 3 (40 – 51 Jahre) ein Gleichgewicht
von 2 zu 2 bestand. Dies könnte wiederum auf den Faktor soziale Identität zurückzuführen sein.
Wie bereits beschrieben definieren sich junge Erwachsenen stärker über die Musik,
die sie hören (North & Hargreaves, 2010), was dazu führen könnte, dass diese eine
größere Rolle für sie spielt und somit häufiger als Skill betrachtet wird. Dies gilt es allerdings zu untersuchen.
Situationen in denen Musik als Trigger wahrgenommen wird, werden von zwei Teilnehmern auf Erinnerungen, die durch die Musik hervorgerufen werden und von zwei
Teilnehmern auf einen bestimmten Musikstil (Hardcore und Heavy Metal) bezogen.
Die Wahrnehmungen bezüglich der Musikstile sind sehr individuell. Eine Teilnehmerin
beschreibt, dass Hardcore Suchtdruck bei ihr auslöst, was wahrscheinlich mehr mit
damit zu tun hat, dass dies ihr Konsummusikstil ist (sie hörte diese Musik im Zusammenhang mit Drogenkonsum). Da Drogenkonsum auch als Form der Selbstverletzung
54
eingestuft werden kann, ruft Konsummusik Suchtverhalten hervor, was dann hier als
Selbstverletzungsdruck gesehen werden kann.
Die Teilnehmerin, die durch Heavy Metal getriggert wird, empfindet eine starke Abneigung gegen diesen Musikstil. Grund hierfür könnte sein, dass Aggressionen durch
die Musik hervorgerufen werden und die Teilnehmerin diese gegen sich selbst leitet.
Zwei Teilnehmer beschreiben, dass Musik Erinnerungen hervorruft, die sie triggern.
Musik hat die Gabe starke autobiographische Erinnerungen hervorzurufen, welche
mit dem Gefühl, das derjenige in der Erinnerung hatte, einhergeht (Georgieva, 2014).
Vor allem bei traumatisierten Borderline-Patienten kann dies zu negativen Erinnerungen und Flashbacks führen und die Selbstverletzung triggern.
Als Skill wird Musik vor allem zur Entspannung von 28,6% und zur Stimmungsverbesserung von 21,4% der Teilnehmer empfunden. Dies bestätigt die, in Paragraph 3.1.1,
beschriebene Wirkung von Musik auf Emotionen. Hier wurde beschrieben, dass Menschen Musik benutzen um Emotionen zu verändern sie auszudrücken, Übereinstimmung mit ihren Emotionen zu finden, sie zu genießen oder um Stress abzubauen
(Juslin, 2009).
Auffällig war, dass die jüngste Altersklasse (18 – 27 Jahre) Musik am stärksten für Emotionen, Stimmungsverbesserung und bei Anspannung benutzte. Altersklasse 2 (28 – 39
Jahre) empfindet Musik als Skill zur Ablenkung und Stimmungsverbesserung und Altersklasse 3 (40 – 51 Jahre) zur Ablenkung und Entspannung. Bemerkenswert hieran
ist, dass der emotionale Einsatz von Musik als Skill mit dem Alter abnimmt und Ablenkung zunimmt, was sich allerdings nicht in den Resultaten der Hypothese 2 wiederfindet.
Auch hier könnte wiederum die soziale Identität eine Rolle spielen. Dadurch, dass
sich Jugendliche und junge Erwachsene über die Musik, die sie hören, definieren
(North & Hargreaves, 2010), könnten sie auch ihre Emotionen stärker an diese Musik
binden und somit mehr Emotionsregulation und Stimmungsverbesserung hervorrufen.
5.1.5 Limitierung der Studie
Die durchgeführte Stichprobe hatte eine Anzahl Limitierungen, die im Folgenden näher beschrieben werden.
Die größte Limitierung war die kleine Teilnehmerzahl der Studie. Es wurden nur 16 Fragebögen retourniert, die allerdings alle für die Analysen gebraucht werden konnten.
Die Anzahl der Teilnehmer ist zu klein um (signifikante) Verbindungen zwischen zwei
Variablen erstellen zu können, sowie um Aussagen über die gesamte Population zu
treffen.
Auch wurde die Studie durch die kurze Durchführungsdauer von 6 Wochen limitiert.
In einer längeren Durchführungsdauer hätten mehr Patienten erreicht werden können.
Eine weitere Einschränkung ist das Fehlen bestimmter Hintergrundinformationen über
die Teilnehmer, die schwieriger aufzubringen waren. Hierdurch konnte nicht getestet
werden, inwiefern bestimmte Hintergrundvariablen Einfluss auf die Ergebnisse hatten.
Fehlende Hintergrundinformationen sind zum Beispiel der IQ, der soziale Hintergrund,
55
abgeschlossene Schul- und Ausbildungen, eventuelle komorbide Diagnosen und der
momentane Zustand des Selbstverletzungsdrucks.
Auch fehlen Informationen über die Behandlungsphase der Teilnehmer, welche Einfluss auf ihre Krankheitseinsicht, aber auch auf das Verständnis von und den Umgang
mit Triggern und Skills hat. Darüber hinaus ist nicht bekannt ob die Patienten in einem
früheren Klinikaufenthalt und /oder diesem Aufenthalt in der psychiatrischen Fachklinik an Musiktherapie teilgenommen haben. Hierdurch könnte ihr Umgang mit Musik
als Trigger bzw. Skill bereits beeinflusst sein.
Eine weitere Limitierung ist die Unklarheit darüber, in welcher Situation die Teilnehmer
den Fragebogen ausgefüllt haben. Es ist undeutlich ob sie diesen mit dem jeweiligen
Therapeuten ausgefüllt haben oder dieser ihnen den Fragebogen mitgegeben hat,
sowie ob sie ihn im Stillen oder im Austausch mit dem Therapeuten oder anderen
Patienten ausgefüllt haben.
Auch die Interpretation der Genres im STOMP (Short Test Of Musical Preferences) ist
eine Einschränkung. Die Teilnehmer können verschiedene Vorstellung von der zu einem Genre gehörigen Musik haben, was die Antworten beeinflussen und unterschiedlich ausfallen lassen kann.
Des Weiteren muss man berücksichtigen, dass die Patienten bezüglich des Triggers
und des Skills eventuell sozial erwünschte Antworten gegeben haben um gegenüber
ihrer Therapeuten Fortschritt in der Behandlung zu zeigen oder die Behandlung
schneller abzurunden.
Zuletzt hatte die Untersucherin dieser Strichprobe nur wenig Kenntnisse über das statistische Programm SPSS, da sie keinen Universitätsstudiengang besucht hat, wodurch
die Kenntnis über Statistik gering ist. Im Musiktherapiestudiengang des Konservatoriums wurde stattdessen mehr Aufmerksamkeit dem Ausführen von Analysen rund um
Frequenzen, Gemittelte und Kreuztabellen gewidmet, weshalb nur hiermit gearbeitet
wurde.
5.2 Empfehlungen
5.2.1 Empfehlungen für zukünftige Untersuchungen
An erster Stelle wäre es interessant die Hypothesen dieser Studie an einer Befragungsgruppe zu testen, die qua Größe und Merkmalen repräsentativ für die gesamte
Population von Borderline-Patienten in klinischer Behandlung ist. Hierdurch könnte
unterbaut werden, ob die Ergebnisse dieser Stichprobe auf die gesamte Population
übertragbar sind. Dabei könnte ein ähnlicher Fragebogen wie in dieser Stichprobe
benutzt werden. Bei einer solchen Studie sollte sichergestellt werden, dass der Fragebogen in einer kontrollierten Umgebung ausgefüllt wird, um einige der Limitierungen
auszuschließen. Auch wäre es wichtig noch weitere Hintergrundinformationen wie IQ,
soziales Umfeld, Ausbildung, Teilnahme an Musiktherapie in Vergangenheit und/oder
Gegenwart, sowie den momentanen Zustand in Bezug auf Selbstverletzungsdruck zu
bekommen um hierüber hinreichende Aussagen treffen zu können.
56
In dieser Stichprobe sind ein paar Phänomene beschrieben worden, die allerdings
wegen fehlender Signifikanz-Niveaus keine tatsächliche wissenschaftliche Unterbauung haben. Diese könnte in zukünftigen Studien behandelt werden. Zum Beispiel
könnte untersucht werden inwiefern durch Musik hervorgerufene Erinnerungen einen
Triggereffekt auf Borderline-Patienten haben können oder wie die entspannende
und stimmungsverbessernde Wirkung von Musik effizient als Skill bei Selbstverletzungsdruck eingesetzt werden kann. Dies könnte auch von neurobiologischer Seite, die die
Nachweisbarkeit dieser Effekte im Gehirn untersucht, behandelt werden.
Darüber hinaus könnte untersucht werden wie sich die beiden Neurotransmitter Dopamin und Serotonin, die mit der Entstehung der Borderline Persönlichkeitsstörung in
Verbindung gebracht werden, sowie Oxytocin, welches selbstverstärkende Wirkung
hat, beim Hören von Musik bei dieser Population verhalten.
Ein weiteres interessantes Thema für zukünftige Untersuchungen wäre der Einfluss anderer Faktoren auf das Musikhörverhalten von selbstverletzenden BorderlinePatienten und mögliche Übereinstimmungen und Unterschiede mit dieser Studie. Vor
allem die Bedeutung der Peergroup, der sozialen Identität und der Funktion von Musik als Erkennungszeichen bei Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung wäre
aufgrund ihrer Identitätskonfusion zu untersuchen interessant.
Auch wurden in dieser Stichprobe komorbiden Erkrankungen und deren möglicher
Einfluss auf das Musikhörverhalten von Borderline-Patienten keine Aufmerksamkeit
geschenkt. Zukünftige Studien könnten sich hiermit beschäftigen.
Alles in allem können eine große Anzahl verschiedener Studien ausgeführt werden,
die sich mit dem in dieser Stichprobe beschriebenen Phänomen auseinandersetzen.
5.2.2 Empfehlung für musiktherapeutische Behandlung
Aus den Ergebnissen der Stichprobe ist zu erkennen, dass Musik von BorderlinePatienten als Skill erfahren wird und teilweise auch eingesetzt wird. Bezüglich des
selbstverletzenden Verhaltens erstrebt die Behandlung von Borderline-Patienten, den
besseren Umgang mit stressvollen und triggernden Situationen, sowie das Erlernen
einer Anzahl Fertigkeiten im Umgang mit solchen Situationen. Dies wird innerhalb der
dialektisch-behavioralen Therapie nach Linehan im Skilltraining geübt.
Da in der Stichprobe deutlich zu erkennen ist, dass Musik als Skill wahrgenommen
wird, ist es wichtig dies für die Patienten weiter auszubauen. Innerhalb der Musiktherapie kann dies thematisiert werden, da der Musiktherapeut genügend Kenntnis über
Musik besitzt um diese zielgerichtet einzusetzen und auch Patienten den zielgerichteten Einsatz von Musik beizubringen. Auf der anderen Seite ist es aber auch erforderlich. Patienten, die Musik als Trigger erfahren, hierbei Hilfestellung zu leisten und ihnen
den besseren Umgang hiermit innerhalb der Musiktherapie zu ermöglichen.
Im Folgenden wird grob beschrieben wie ein solches musiktherapeutisches
Skilltraining umgesetzt werden könnte. Allerdings benötigt dies zum tatsächlichen
Einsatz noch weitere Ausarbeitung.
57
Musiktherapeutisches Skilltraining:
Wie bereits in Paragraph 1.1.5 beschrieben beinhaltet das Skilltraining der Dialektischbehavioralen Therapie vier verschiedene Arten von Skills:
1.
2.
3.
4.
Stresstoleranzskills
Emotionsregulation
zwischenmenschliche Skills
Achtsamkeit
Skilltraining wird im Allgemeinen in Gruppentherapie durchgeführt. Dies kann auch
innerhalb der Musiktherapie geschehen, da so Austausch über Erfahrungen mit Musik
als Skill angeregt werden kann.
Patienten, die Musik auch stark als Trigger, vor allem in Bezug auf Selbstverletzung,
erfahren, sollten allerdings zunächst in Einzelmusiktherapie betreut werden, um zum
einen nicht durch die Musik anderer getriggert zu werden, und zum anderen durch
das Mitteilen dieser Wahrnehmung nicht andere Patienten zu triggern. Um dies vor
Beginn der Therapie feststellen zu können, kann der zuvor beschriebene und sich in
Anhang 1 befindenden Fragebogen benutzt werden.
1.Stresstoleranzskills:
Stresstoleranzskills bezwecken die Bewältigung und Vorbeugung von Hochstressphasen, was sehr wichtig für Menschen mit Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) ist.
Hierbei geht es um das rechtzeitige Erkennen von Hochspannung und den Aufbau
von funktionalen Strategien der Spannungsregulation, was vor allem in Bezug auf
selbstverletzendes Verhalten von großer Wichtigkeit ist (Sendera & Sendera, 2007).
Vor allem bei letzterem kann die Musiktherapie eine wichtige Rolle spielen.
Wie in den Resultaten zu sehen ist wird Musik als Skill von Borderline-Patienten am
häufigsten zur Entspannung und bei Anspannungszuständen empfunden. Dies kann
innerhalb der Musiktherapie thematisiert und verstärkt werden.
Entspannung zu Musik kann innerhalb der Musiktherapie hervorgerufen und geübt
werden, wobei der Musiktherapeut gezielt Musik mit entspannenden musikalischen
Parametern einsetzten kann. Auch können Patienten auch durch das anfängliche
Hören von Musik mit angespanntem Charakter von der Anspannung in die Entspannung geführt werden, indem sich die musikalischen Parameter von gespannten zu
entspannten ändern. Hierzu können Aufnahmen, sowie vor Ort frei improvisierte Musik
durch den Musiktherapeuten benutzt werden. Der Vorteil von letzterem ist, dass der
Musiktherapeut bei dem momentanen Anspannungszustand der Klienten anschließen kann und sie von dort in die Entspannung führen kann.
Auch kann das aktive Entspannen innerhalb von musikalischen Improvisationen behandelt werden. So kann von einer Anspannung zu einer Entspannung gespielt werden, wobei der Musiktherapeut dies mit seinem musikalischen Spiel aktiv beeinflusst.
Weiterhin können Atemübungen in das Spiel integriert werden. So kann das Tempo
der Improvisation durch den Atemrhythmus des Klienten bestimmt werden. Hierbei
wird sich der Klient seiner eigenen Atmung bewusster und kann diese verlangsamen
und so Entspannung hervorrufen.
58
Ein weiteres Element des Trainings von Stresstoleranzskills ist der so genannte „Notfallkoffer“. Hierbei werden Strategien gesammelt die in Hochstresssituationen eingesetzt
werden können. Innerhalb der Musiktherapie kann mit dem musikalischen Notfallkoffer gearbeitet werden. Diese Methode bezweckt das Erlernen von funktionalem Einsatz von Musik. Musik wird, wie bereits beschrieben, von allen Teilnehmern der Stichprobe als Skill und nur von einigen auch als Trigger wahrgenommen.
Innerhalb der Musiktherapie können Klienten Musik mitbringen, die sie als Skill erfahren. Diese kann gemeinsam gehört werden und anschließend besprochen werden,
welche Eigenschaften der Musik diese zu einem Skill und in welchen Situationen diese
Musik als Skill benutzt werden kann. Daraufhin kann gemeinsam weitere Musik mit
ähnlichen Eigenschaften gesucht werden, wobei sich Klienten gegenseitig Hilfestellung leisten können. Somit kann für verschiedene Situationen Musik mit Skill-Charakter
gesucht und auf eine CD zusammengestellt werden, die die Patienten in akuten
Hochstresssituationen hören können. Hierbei muss man allerdings umsichtig umgehen, da Musik, die für den einen Patienten Skill-Fähigkeiten hat, für einen anderen
Trigger-Fähigkeiten haben könnte.
Innerhalb der Gruppentherapie muss man vorsichtig mit der Thematisierung von Musik als Trigger für einzelne Klienten sein, da diese auch andere Klienten triggern könnte. Wenn innerhalb der Gruppe Patienten vorhanden sind, die Musik auch sehr stark
als Trigger erfahren, wäre zu empfehlen dies innerhalb einer musiktherapeutischen
Einzelsitzung zu thematisieren.
Im Mittelpunkt der Stresstoleranz steht außerdem, trotz Emotionsüberflutung in der
Gegenwart zu bleiben. Dazu kann klare und vor allem rhythmische Musik helfen, die
durch Struktur Orientierungspunkte gibt (Sendera & Sendera, 2007). Für dieses Ziel
kann mit klaren musikalischen Aufgaben, wie die Einübung eines deutlichen Rhythmus gearbeitet werden.
2. Emotionsregulation:
Hierbei geht es um das Erlernen der Identifikation eigener Gefühle, um dann Emotionsregulation durch eine Veränderung der Reizexposition, der Bewertung der Emotionen, sowie das Setzten von adäquaten Handlung, zu bewerkstelligen (Linehan,
1996).
Auch bei dem Training dieses Skills kann die Musiktherapie eine wichtige Rolle einnehmen. Wie bereits in Paragraph 3.1.1 beschrieben kann Musik starke Emotionen
hervorrufen. Anstatt verbal zu thematisieren welche Emotionen die Klienten kennen,
können diese innerhalb von Musik direkt erlebt und ausgedrückt werden.
Innerhalb von freien Improvisationen können die Klienten spielerisch ausprobieren,
wie sie Emotionen musikalisch ausdrücken können und welche Emotionen sie tatsächlich während des Musizierens wahrnehmen. Auch beim Hören von Musik kann
die Wahrnehmung von Emotionen geübt werden.
Im Nachgespräch können Emotionen identifiziert und analysiert werden. Hierbei geht
es vor allem um die Besprechung, welche Handlungsimpulse die, durch die Musik,
hervorgerufenen Emotionen ausgelöst haben und ob diese angemessen sind. Ist der
59
Handlungsimpuls nicht angemessen, kann innerhalb einer darauffolgenden Improvisation geübt werden nicht zu handeln oder entgegengesetzt zu handeln.
Hierbei geht es vor allem auch darum, dysfunktionale Gedanken- und Handlungsmuster zu durchbrechen und den Klienten ein Verständnis dafür zu geben, dass sie
ihre Gefühle erkennen, benennen und kontrollieren können und nicht von diesen
beherrscht werden.
Auch kann für die präferierte Musik der Klienten besprochen werden welche Emotionen diese hervorruft oder an welche Emotionen sie Ausdruck verleiht und wie diese
gezielt eingesetzt werden kann um Emotionen zu verstärken oder zu verändern. Da
die Angst Emotionen direkt zu thematisieren bei Borderline-Patienten groß sein kann,
ist das Hören der eigenen Musik ein guter Einstieg, um sich mit der Wahrnehmung von
Emotionen zu beschäftigen, bevor man aktiv innerhalb der Musik experimentiert wie
sich Emotionen vertonen lassen.
Das Erleben von positiven Emotionen und Erfahrungen ist sehr wichtig für Patienten
mit Borderline Persönlichkeitsstörung, da sie einen starken Selbsthass und ein geringes
Selbstwertgefühl haben. Innerhalb von musikalischen Improvisationen kann der Musiktherapeut positive Emotionen innerhalb der Musik verstärken, sowie dem Patienten
die positive Erfahrung geben etwas zu können und gemeinsam Musik entstehen zu
lassen.
3. Zwischenmenschliche Skills:
Das Ziel der zwischenmenschlichen Skills ist die Verbesserung sozialer Kompetenzen,
um so mit interpersonellen Konflikten besser umgehen zu können, ohne Beziehungen
zu gefährden oder die Selbstachtung zu verlieren (Linehan, 1996).
Im gemeinsamen Musizieren geht es immer darum, aufeinander zu hören, zusammenzuspielen und Kompromisse einzugehen. Diese Fertigkeiten können von daher
innerhalb der musiktherapeutischen Improvisation geübt werden. Auch können innerhalb der Musik kleine Gespräche geführt werden, indem abwechselnd musikalische Fragmente gespielt werden. Hierbei können verschiedenen Arten der Kommunikation besprochen und geübt werden. Meinungen können gesagt werden und es
kann auf Bedürfnisse bestanden werden, indem man so spielt wie man es gerade will
oder braucht. Die Musik bietet hierbei Sicherheit, da das Instrument erklingt und somit
das Instrument einen Teil der Kommunikation ausmacht. So können sich die Patienten
hinter dem Instrument noch etwas verstecken, was zu Anfang hilfreich sein kann.
Auch können verschiedene Situationen in musikalischen Rollenspielen geübt werden.
Diese werden gestoppt und analysiert sobald problematische Verhaltensmuster auftauchen. Die Musik bietet hier wiederum Sicherheit und verstärkt die Wahrnehmung
des Spiels, wodurch es für die Patienten leichter sein kann, sich darauf einzulassen.
Beim Hören von mitgebrachter Musik der Klienten können diese miteinander ins Gespräch kommen. Hierbei können die Fähigkeiten, wie die eigene Meinung zu äußern
ohne den Gegenüber anzugreifen oder zu verletzen, geübt werden.
60
4. Achtsamkeit:
Ziel der Achtsamkeitsübungen ist das Fördern von bewusster Wahrnehmung und das
Zurückgewinnen von Kontrolle sowie Stabilisierung. Die Kontrolle über Gedanken, Gefühle und Impulse setzt voraus, dass sie bewusst erlebt und zugeordnet werden können und erfordert die Schulung der reinen bewertungsfreien Wahrnehmung und die
Fokussierung auf den Augenblick (Sendera & Sendera, 2007).
Innerhalb der Musiktherapie kann dies aktiv, während einer freien Improvisation oder
rezeptiv, beim Hören von Musik, geschehen.
Bei ersterem wird die Aufmerksamkeit nur auf das Spiel und auf die entstehende Musik gelenkt. Klienten bekommen während des Spiels die Aufgabe ihre Sinneswahrnehmungen zu beobachten und anschließend das Wahrgenommene ohne Bewertung zu beschreiben. Gedanken und Gefühle, die entstehen, ignoriert man nicht
aber man beurteilt sie auch nicht. Durch das aktive Musizieren kann die Konzentration darauf gelenkt werden, was den Prozess der Achtsamkeit erleichtern kann.
Bei der rezeptiven Form wird entweder gemeinsam mit dem Therapeuten Musik gehört oder der Therapeut musiziert aktiv für die Klienten, wobei diese genau wie bei
der aktiven Form ihre Aufmerksamkeit auf die Musik und ihre Sinneswahrnehmungen
lenken und diese in darauffolgendem Gespräch ohne Bewertung beschreiben.
Indem Gedanken und Gefühle aus einem gewissen Abstand heraus betrachtet werden, soll klarer erkannt werden, wie die Entstehung von Gedanken- und Gefühlsabläufen geschieht.
Dieses Annehmen der eigenen Gedanken und Gefühle ohne sie zu beurteilen ist
wichtig für Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung, um sich von diesen nicht
überrannt zu fühlen und diese besser nach außen verbalisieren zu können.
Musiktherapeutisches Skilltraining im Ganzen kann Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung helfen den Alltag besser zu bewältigen und vor allem die von ihnen
präferierte Musik zielgerichtet und funktional einzusetzen. Dies kann dazu führen, dass
sie akuten Selbstverletzungsdruck durch das Hören von Musik bewältigen können.
5.3 Fazit
Nach Interpretation der Resultate und der Besprechung von Limitierungen und Empfehlungen kann ein Fazit gezogen werden. Durch die kleine Anzahl von Befragten
können die Erkenntnisse dieser Stichprobe nicht für die gesamte Population von
selbstverletzenden Borderline-Patienten in stationären Aufenthalt in seiner psychiatrischen Fachklinik generalisiert werden.
Jedoch gibt diese Studie einen Eindruck über das Vorhandensein und den Eindruck
bestimmter Phänomene, die hier zentral standen, nämlich:
-
Die Verbindung zwischen Persönlichkeit und musikalischen Präferenzen
Die Verbindung zwischen Persönlichkeit und dem Gebrauch von Musik
Die Funktion von Musik als Skill
61
Aus der Literaturstudie wurde deutlich, dass bei gesunden Erwachsenen eindeutig
ein Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und musikalischen Präferenzen vorhanden ist. Forscher arbeiteten hier vor allem mit dem Big Five Persönlichkeitsmodell,
dass Persönlichkeitszüge in die folgenden fünf Hauptfaktoren einteilt: Extraversion,
Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit und Neurotizismus. Es wurden Verbindungen von Extraversion zu sowohl härteren Musikstilen wie Heavy Metal, Rock,
Rap/Hip-Hop und Dance/Elektro, sowie zu leichteren wie Pop, Country und Soundtrack gefunden. Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit stehen in Verbindung zu
leichteren Musikstilen wie Pop, Country, Soundtrack und Religiöse Musik. Offenheit
wies Beziehung zu eklektischem Musikgeschmack auf und Neurotizismus zu Pop,
Soundtrack, Rap/Hip-Hop, Rock und Heavy Metal. Es stellte sich die Frage ob dies auf
Patienten mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung, die vor allem hohe Punktzahlen
in Neurotizismus erreichen, zu übertragen ist. Auch ergab sich, dass männliche Teilnehmer vor allem härtere Musikstile und weibliche Teilnehmer vor allem leichtere Musikstile bevorzugen.
In der Stichprobe stellte sich heraus, dass die teilnehmenden Borderline Patienten am
meisten das Genre Rock (STOMP-Mittelwert: 5,5; 38,5 % Lieblingslieder) favorisieren,
gefolgt von dem Genre Pop (STOMP-Mittelwert: 4,8; 30,8% Lieblingslieder)und danach von dem Genre Heavy Metal (STOMP-Mittelwert: 3,5; 30% Lieblingslieder). Dies
weist darauf hin, dass die Ergebnisse für Verbindungen zwischen Persönlichkeitsfaktoren und musikalischen Präferenzen bei gesunden Erwachsenen auf die Population
Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) übertragen werden können. Der Geschlechterunterschied konnte hier aufgrund nur eines männlichen Teilnehmers nicht untersucht werden. Für die musiktherapeutische Behandlung kann dieses Ergebnis insofern
von Wichtigkeit sein, dass der Musiktherapeut sich so bereits auf den Musikgeschmack der Population vorbereiten kann und mit ihnen gezielt rezeptiv arbeiten
kann.
Auch ist in der Literaturstudie zu erkennen, dass bei gesunden Erwachsenen ein Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und dem Gebrauch von Musik besteht. Hierbei
wurde zwischen drei Arten Musik zu benutzen unterschieden: dem emotionalen Gebrauch, wo Musik zur Stimmungsverstärkung oder –veränderung eingesetzt wird, dem
kognitiven Gebrauch, wo Musikhören als intellektuelle Erfahrung gesehen wird und
sich hierbei vor allem auf die technischen Aspekte von Musik konzentriert wird, und
dem Hintergrund-Gebrauch, wo Musik als Hintergrund bei anderen Aktivitäten dient.
Forscher fanden heraus, dass der emotionale Gebrauch vor allem mit Neurotizismus,
Extraversion und Gewissenhaftigkeit in Verbindung stand. Der kognitive Gebrauch
wurde vor allem von offenen Individuen präferiert und der Hintergrund-Gebrauch
von extrovertierten Individuen. Für den grundsätzlichen Einsatz von Lieblingsmusik
fanden Forscher folgende Funktionen: gute Stimmung, Entspannung, Energie, Rückerinnerung und um Gedanken und Gefühle intensiver zu erleben. Wiederum stellte
sich die Frage ob dies auf Patienten mit BPS übertragen werden kann.
Die Stichprobe ergab, dass Borderline-Patienten Musik am häufigsten emotional benutzen(Mittelwert: 4,03), was allerdings dicht gefolgt ist vom Hintergrundgebrauch
62
(Mittelwert: 3,46) von Musik. Ihre Lieblingsmusik hören diese Patienten vor allem wenn
es ihnen schlecht und/oder gut geht, im Hintergrund und zur Entspannung.
Für die musiktherapeutische Behandlung ist dies insofern von Wichtigkeit, da die Ergebnisse zeigen, dass der Zusammenhang von Musik und Emotionen, sowie der Einsatz zur Stimmungsverstärkung und/oder –veränderung in dieser Population eine
wichtige Rolle spielt und dies innerhalb der Musiktherapie thematisiert und verstärkt
werden kann. Ziel hiervon kann sein den Patienten Emotionen bewusster zu machen
und Hilfestellung zu leisten besser mit ihren oft heftigen Emotionen umgehen zu können.
Weiter ergab die Literaturstudie, dass Musik neben dem Hervorrufen von Emotionen,
eine angstlösende Wirkung haben kann und Hilfestellung bei Stressbewältigung geben kann. Hieraus stellte sich die Frage ob Borderline-Patienten diese Wirkungen für
sich positiv erfahren und Musik als Skill wahrnehmen oder ob das hervorrufen von
Emotionen ein Trigger sein kann.
Aus der Stichprobe ergab sich, das 100% der Teilnehmer Musik als Skill erfahren und
26,67% als Trigger. Alle Teilnehmer, die Musik als Trigger empfinden, erfahren dies
auch als Skill. Als Trigger wurde vor allem Musik bestimmter Genres, die Aggressionen
oder Suchtdruck, sowie Musik, die bestimmte Erinnerungen hervorruft, empfunden.
Als Skill wurde Musik von 28,6% zur Entspannung und von 21,4% der Teilnehmer zur
Stimmungsverbesserung, empfunden. Diese Ergebnisse sind von besonderer Wichtigkeit für die Musiktherapie, da dies als Grundlage benutzt werden kann um mit Patienten an dem Einsatz von Musik als Skill zu arbeiten und ein musiktherapeutisches
Skilltraining einzusetzen. Hierbei ist auch von Wichtigkeit adäquaten Umgang mit Situationen zu erlernen, in denen Musik ein Trigger sein kann.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Borderline-Patienten der Stichprobe größtenteils eine Vorliebe für Rock, Pop und Heavy Metal haben, was auf einen
annähernd gleichen Musikgeschmack hinweist, der auf die Persönlichkeitsstruktur
zurückzuführen ist. Auch benutzen Borderline-Patienten Musik vor allem emotional
und als Hintergrund für andere Aktivitäten.
Alle Teilnehmer nehmen Musik als Skill wahr. Die Haupt- und Subfragen der Arbeit
können somit größtenteils positiv beantwortet werden.
Die Hauptfrage, ob das Musikhörverhalten von selbstverletzenden BorderlinePatienten Trigger oder Skill ist, kann somit vor allem mit „Skill“ beantwortet werden,
auch wenn einige Musik auch als Trigger wahrnehmen.
Es ist von großer Wichtigkeit, dass Patienten mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung
lernen Musik für sich gezielt als Skill einzusetzen, sowie mit triggernder Musik umzugehen, um so eventuell Selbstverletzung vermeiden zu können
63
Literaturverzeichnis:
AG Psychiatrie der Obersten Landesgesundheitsbehörden. (2007). Tabellenanhang
zum Bericht "Psychiatrie in Deutschland - Strukturen, Leistungen, Perspektiven" der AG
Psychiatrie der Obersten Landesgesundheitsbehörden an die Gesundheitsministerkonferenz 2007. Zuletzt konsultiert am 09.04.2014 auf:
http://www.dgppn.de/fileadmin/user_upload/_medien/dokumente/referate/versorg
ung-sozialmedizin/Psychiatrie_in_Deutschland._Strukturen-LeistungenPerspektiven._Tabellenanhang.pdf
American Psychiatric Association. (2000). Diagnostic and statistical manual of mental
disorders (4th ed., text rev.). Washington, D.C.
American Psychiatric Association (2013). Diagnostic and Statistical Manual of Mental
Disorders (DSM-5). Arlington: American Psychiatric Publishing.
Balkwill, L. L. & Thompson, W. F. (1999). A cross cultural investigation of perception of
emotion in music: psychophysical and cultural cues. Music Perception, 17 (I), 43-64.
Bleich, S., Zillmann, D. & Weaver, J. (1991). Enjoyment and consumption of defiant
rock music as a function of adolescent rebelliousness. Journal of Broadcasting and
Electronic Media, 35 (3), 351-366.
Briere, J. & Gil, E. (1998). Self-mutilation in clinical and general population samples:
Prevalences, correlates, and functions. American Journal of Orthopsychiatry, 68. 609620.
Brown, R. A. (2012). Music preference and personality among Japanese university
students. International Journal of Psychology, 47 (4), 259-268.
Chamorro-Premuzic, T. & Furnham, A. (2007). Personality and music: Can traits explain how people use music in everyday life? British Journal of Psychology, 98, 175185.
Chamorro-Premuzic, T., Furnham, A., Goma-i-Freixanet, M. & Muro, A. (2009). Personality, Self-Estimated Intelligence, and Uses of Music: A Spanish Replication and Extension Using Structural Equation Modeling. Psychology of Aesthetics, Creativity, and the
Arts, 3 (3), 149–155.
Chamorro-Premuzic, T., Swami, V. & Chermakova, B. (2010). Individual differences in
music consumption are predicted by uses of music and age rather than emotional
intelligence, neuroticism, extraversion or openness. Psychology of Music, 40(3), 285–
300.
Clarkin J.F., Widiger T.A., Frances A., Hurt S.W., Gilmore M. (1983) Prototypic typology
and the borderline personality disorder. Journal of Abnormal Psychology, 92, 263–275.
64
Colley, A. (2008).Young People’s Musical Taste: Relationship With Gender And Gender-Related Traits. Journal of Applied Social Psychology, 38 (8), 2039–2055.
Daoussis, L., & McKelvie, S. J. (1986). Musical preference and effects of music on a
reading comprehension test for extraverts and introverts. Perceptual and Motor Skills,
62, 283–289.
Delsing, M. J. M. H., Ter Bogt, T. F. M., Engels, R. C. M. E., Meeus, W. H. J. (2008). Adolescents’ Music Preferences and Personality Characteristics. European Journal of Personality, 22. 109-130.
Dillmann Carpentier, F., Knobloch, S. & Zillmann, D. (2003). Rock, rap and rebellion:
comparisons of traits predicting selective exposure to defiant music. Personality and
Individual Differences, 35, 1643–1655.
Dollinger, S. J. (1993). Research note: Personality and Music preference: Extraversion
and excitement seeking or openness to experience? Psychology of Music, 21, 73-77.
Dunn, P. G., de Ruyter, B. & Bouwhuis, D. G. (2011) Toward a better understanding of
the relation between Music preferences, listening behavior and personality.
Psychology of Music, 40, 411-428.
Fleischhaker, C. & Schulz, E. (2010). Borderline – Persönlichkeitsstörung im Jugendalter. Freiburg: Springer Verlag.
Gangrade, A. (2012). The Effect of Music on the Production of Neurotransmitters,
Hormones, Cytokines, and Peptides: A Review. Music and Medicine, (4), 40-43.
George, D. M., Stickle, K., Rachid, F., & Wopnford, A.(2007). The association between
types of music enjoyed and cognitive, behavioral, and personality factors of those
who listen. Psychomusicology, 19, 32–56.
Georgieva, S. (2014). Nachlesen & Nachdenken: Musikalische Memoiren. Zuletzt konsultiert am 18.04.2014 auf: http://www.zentrum-rodaun.at/lesen/memories.html
Giernalczyk, T. (2005). Psychodynamische Therapie bei Borderline-Störungen. In T.
Giernalczyk (Hrsg.) Zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen. 2. Auflage, Tübingen:
DGVT-Verlag.
Hallam, S. Cross, I. & Thaut, M. (2009). The Oxford Handbook of Musicpsychology. Oxford: Oxford University Press.
Hanser, S. B. (2010). Music, Health and Well-Being. In P. N. Juslin & J. A. Sloboda
(Hrgs.) Handbook of Music and Emotion. Theory, Research, Applications. Oxford: Oxford University Press.
65
Hargreaves, D. J., MacDonald, R. A. R. & Miell, D. (2002). Musical Identities. Oxford:
Oxford University Press.
Hargreaves, D. J. & North, A. C. (1997). The social psychology of music. In D. J. Hargreaves & A. C. North (Hrsg.) The Social Psychology of Music. Oxford: Oxford University Press.
Hellbrück, J. (2011). Das Hören in der Umwelt des Menschen. In H. Bruhn, R. Kopiez &
A. C. Lehmann (Hrsg.): Musikpsychologie: Das neue Handbuch. Hamburg: Rohwolt
Taschenbuch Verlag.
Hesse, H. (2003). Musik und Emotionen: Wissenschaftliche Grundlagen des MusikErlebens. Wien: Springer-Verlag.
Hodges, D. A. (2009). Bodily responses to music. In S. Halla,, I. Cross & M. Thaut (Hrsg.)
The Oxford Handbook of Music Psychology. Oxford: Oxford University Press.
John, O. P., & Srivastava, S. (1999). The Big-Five trait taxonomy: History, measurement,
and theoretical perspectives. In L. A. Pervin & O. P. John (Eds.), Handbook of personality: Theory and research(Vol. 2, pp. 102–138). New York: Guilford Press.
Juslin, P. N. (2009). Emotional responses to music. In S. Hallam, I. Cross & M. Thaut
(Hrsg.) The Oxford Handbook of Musicpsychology. Oxford: The Oxford University Press.
Juslin, O.P. & Sloboda, J.A. (2010). Introduction: aims, organization, and terminology.
In O. P. Juslin & J. A. Sloboda (Hrsg.) Handbook of Music and Emotion. Theory, Research, Applications. Oxford: Oxford University Press.
Juslin, P. N. & Västfjäll, D. (2008). Emotional Responses to music: The need to consider
underlying mechanisms. Behavioral and Brain Science, (31), 559-621.
Kreisman, J. J. Starus, H. (1992). Ich hasse dich – verlass mich nicht. Die schwarzweiße
Welt der Borderline Persönlichkeit. München: Kösel-Verlag GmbH & Co.
Kreutz, G. (2011). Musik und Emotion. In H. Bruhn, R. Kopiez & A. C. Lehmann (Hrgs.)
Musikpsychologie: Das neue Handbuch. 3. Auflage, Hamburg: Rohwohlt Taschebuch
Verlag.
Kurmar, A., Tims, F., Cruess, D. & Mintzer, M. (1999). Music therapy increases serum
melatonin levels in patients with Alzheimer’s disease. Alternative Therapies in Health
and Medicine, 5(6), 49-57.
Lamont, A. & Greasley, A. (2009). Musical Preferences. In S. Hallam, I. Cross & M.
Thaut The Oxford Handbook of Music Psychology. Oxford: Oxford University Press.
Langmeyer, A., Guglhörn-Rudan, A. & Tarnai, C. (2012). What do Music Preferences
reveal about Personality? Journal of Individual Differences, 33(2), 119–130.
66
Leichsenring, F., Leibing, E., Kruse, J., New, A. S., Leweke, F. (2011). Borderline
personality disorder. Lancet 377: S. 74-84.
Linehan, M. M. (1996). Dialektisch Behaviorale Therapie der Borderline Persönlichkeitsstörung. München: CIP-Medien.
Litle, P. & Zuckermann, M. (1986). Sensation-seeking and music preferences. Personal
and Individual Differences, 7, 575-578.
McCrown, W., Keiser, R., Mulhearn, S. & Williamson, D. (1997). The Role of Personality
and Gender in Preference for Exaggerated Bass in Music. Personality and Individual
Differences, 23, 543-547.
McNamara, L. & Ballard, M. E. (1999). Resting arousal, sensation seeking, and music
preferences. Genetic, Social and General Psychology Monographs, 125, 229-250.
Meyer, L. B. (1956). Emotion and meaning in music. Chicago: Chicago University
Press.
Miranda, D., Morizot, J, & Gaudreau, P. (2012). Personality Metatraits and Music Preferences in Adolescence : A Pilot Study. International Journal of Adolescence and
Youth, 15, 289-302.
Morey, L. C.,. Gunderson, J. G., Quigley, B. D., Shea, M.T., Skodol, A. E., McGlashan, T.
H., Stout, R. L., Zanarini, M. C. (2002). The Representation of Borderline, Avoidant, Obsessive-Compulsive, and Schizotypal Personality Disorders by the Five-Factor Model.
Journal of Personality Disorders, 16(3), 215-234.
Mushtaq, S. A. (2009). Immigration and borderline personality disorder. The British
Journal of Psychiatry, 194, 467-468.
New Start Ressources (2013). Borderline Personality Disorder And The Bog Five Traits.
Zuletzt konsultiert am 25.02.2014 auf
http://www.newstartresources.com/blog/borderline-personality-disorder-big-five/
North, A. C. (2010). Individual Differences in Musical Taste. The American Journal of
Psychology, 123 (2), 199-208.
North, A. C. & Hargreaves, D. J. (1999). Music and adolescent identity. Music Education Research, 1 (1), 75-92.
North, A. C., & Hargreaves, D. J. (2008). The social and applied psychology of music.
Oxford: Oxford University Press.
Petermann, F. & Winkel, S. (2005). Selbstverletzendes Verhalten. Göttingen: Hogrefe
Verlag GmbH & Co. KG.
67
Rawlings, D. & Ciancarelli, V. (1997). Music Preference and the Five-Factor Model of
NEO Personality Inventory. Psychology of Music, 25, 120-132.
Rentfrow, P. J., & Gosling, S. D. (2003). The do re mi’s of everyday life: The structure
and personality correlates of musical preference. Journal of Personality and Social
Psychology, 84, 1236–1256.
Rentrop, M., Reicherzer, M. & Bäuml, J. (2007). Psychoedukation Borderline-Störung.
Manual zur Leitung von Patienten- und Angehörigengruppen. München: Elsevier
GmbH.
Robinson, T. O., Weaver, J. B. & Zillmann, D. (1996) Exploring the appreciation of rock
music. Psychological Reports, 18, 259-269.
Schäfer, T. & Sedlmeier, P. (2009). From the functions of music to music preferences.
Psychology of music, 37 (3), 279-300.
Schoppmann, S. (2008). Autoaggression oder Fürsorge? Heilberufe, 7. 16-18.
Schwartz, K., D. & Fouts, G. T. (2003). Music Preferences, Personality Style And Developmental Issues Of Adolescents. Journal of Youth and Adolescence, 32 (3), 205–213.
Sendera, A. & Sendera, M. (2010). Borderline – die andere Art zu fühlen. Wien: Springer Verlag.
Sloboda, J., Lamont, A. & Greasley, A. (2009). Choosing to hear music: Motivation,
Process, and effect. In S. Hallam, I. Cross & M. Thaut (Hrsg.) The oxford Handbook of
Music Psychology. Oxford: Oxford University Press.
Sojka, G. (2012). Selbstverletzung bei jungen Mädchen. Psychopraxis, 1. 18-21.
Sulzer, J. (1967). Allgemeine Theorie der schönen Künste (orig. 1771-1774). Hildesheim:
Georg Olms.
World Health Organization, (2012). The ICD-10 classification of mental and behavioural disorders: clinical description and diagnostic guidelines. Genf, Schweiz: Author.
Zillman, D. & Gan, S. (1995). Musical taste in adolescence. In D. J. Hargreaves & A. C.
North (Hrsg.) The Social Psychology of Music. Oxford: Oxford University Press.
Zuckermann, M. (1979). Sensation seeking: Beyond the optimal level of arousal. Erlbaum: Hillsdale, NJ.
Zuidgeest, M. (2004). Determinanten van Muziekvoorkeur. Abschlussarbeit, Universiteit
van Amsterdam, Amsterdam.
68
Zweigenhaft, R. L. (2008). A do re mi encore: A closer look at the personality correlates of music preferences. Journal of Individual Differences, 29 (1), 45–55.
69
Anhang 1: Fragebogen
Enschede, den 10.02.2014
Lieber Teilnehmer, liebe Teilnehmerin,
vor Ihnen liegt ein Fragebogen der einen Teil einer Studie zum Musikhörverhalten von Menschen mit der Diagnose Borderline Persönlichkeitsstörung ausmacht. Diese Studie ist Teil meiner Bachelorarbeit im Fach Musiktherapie am
ArtEZ Conservatorium in Enschede, Niederlande.
Ziel dieser Untersuchung ist es herauszufinden welche Rolle Musik im Leben
von Menschen mit Borderline spielt. Hierbei wird erforscht ob eine bestimmte
Vorliebe für musikalische Genres vorhanden ist, wie und wann Musik im alltäglichen Leben eingesetzt wird und welche Funktion Musik in Krisensituationen
einnimmt.
Anhand dieser Ergebnisse sollen Schlussfolgerungen gezogen werden, inwiefern man den individuellen Musikgeschmack von Borderline Patienten in die
Musiktherapie einbeziehen kann und dieser Hilfestellung zur Behandlung sein
kann.
Ich bitte Sie, den Fragebogen sorgfältig auszufüllen. Es gibt keine falschen
Antworten und alle Angaben werden selbstverständlich vollkommen anonym
behandelt. Das Ausfüllen nimmt ungefähr 15 bis 20 Minuten in Anspruch. Es ist
wichtig, dass sie alle Fragen beantworten, im Zweifel mit einem „Nein“.
Hierbei schon einmal ein herzliches Dankeschön für die Teilnahme an der Studie.
Mit freundlichen Grüßen
Irina Deuble
MusiktherapieStudentin im vierten Jahr am ArtEZ Conservatorium in Enschede,
Niederlande
Praktikantin in der LWL-Klinik Münster, Abteilung Musiktherapie
Wenn Sie mehr über meine Bachelorarbeit zum Thema „Das Musikhörverhalten bei Borderlinepatienten“ erfahren wollen, können Sie jederzeit Kontakt
aufnehmen.
E-Mail: [email protected]
70
Fragebogen:
Musikhörverhalten bei Borderline-Persönlichkeitsstörung
1. Wie alt sind Sie? ______Jahre
2. Was ist Ihr Geschlecht?
Mann
Frau
3. Was ist Ihre Nationatität? ______________
4. Können Sie ein Instrument bespielen?
Ja
Nein
4.1. Wenn ja, welches Instrument? _____________________________
4.2. Seit wie vielen Jahre? _________________________________
5. Musikgeschmack
Bitte geben Sie Ihre Präferenzen bezüglich der folgenden Musikgenres
an. Benutzen Sie hierzu diese Angaben:
1---------------2----------------3----------------4----------------5----------------6----------------7
Starke
Abneigung
weder Abneigung
noch Vorliebe
1. ____ Klassische Musik
8. ____ Religiöse Musik
2. ____ Blues
9. ____ Alternative Musik
starke
Vorliebe
3. ____ Country
10. ____ Jazz
4. ____ Dance/ Electro
11. ____ Rock
5. ____ Folk
12. ____ Pop
6. ____ Rap/Hip-Hop
13. ____ Heavy Metal
7. ____ Soul/Funk
14. ____ Soundtrack/Titelmusik
71
6. Persönlicher Musikgeschmack:
6.1. Bitte nennen Sie Ihre momentanen 5 Lieblingslieder:
1.__________________________________________________________________
2.__________________________________________________________________
3.__________________________________________________________________
4.__________________________________________________________________
5.__________________________________________________________________
6.2. Wann/In welchen Situationen hören Sie ihre Lieblingsmusik?
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
7. Musikhörverhalten
7.1. Bitte geben Sie an inwiefern die folgenden Punkte auf sie zutreffen.
1 = trifft überhaupt nicht zu
2 = trifft nicht zu
3 = trifft weder zu noch nicht zu
4= trifft zu
5= trifft sehr zu
1. ____ Musikhören beeinflusst meine Stimmung.
2. ____ Ich bin sehr nostalgisch wenn ich alte Lieder höre, die ich
früher viel gehört habe.
3. ____ Wenn ich fröhlich sein möchte, höre ich mir fröhliche Musik an.
4. ____ Wenn ich mir traurige Lieder anhöre werde ich sehr emotional.
5. ____ Fast jede Erinnerung die ich habe ist mit einem bestimmten Lied
verbunden.
6. ____ Ich mag es komplexe musikalische Kompositionen zu analysieren.
7. ____ Ich mag selten Lieder, außer wenn ich die Technik der Musiker
bewundere.
8. ____ Ich mag es nicht Pop-Musik zu hören, weil sie sehr primitiv ist.
9. ____ Ich höre lieber Musik auf die ich mich konzentrieren kann anstatt
entspannende Musik.
10. ____Musikhören ist eine intellektuelle Erfahrung für mich.
11. ____Ich mag es Musik zu hören während ich arbeite.
12. ____Musik ist für mich sehr ablenkend, also brauch ich absolute Ruhe
wenn ich lerne.
13. ____Wenn ich keine Musik höre während ich etwas tue, langweile ich
mich.
14. ____ Ich mag es Musik in sozialen Veranstaltungen zu hören.
15. ____ Ich fühle mich oft einsam, wenn ich nicht Musik höre.
72
7.2. Wie viele Stunden hören Sie ungefähr am Tag Musik? ________________
7.3. Können Sie Situationen benennen in denen Musik für Sie ein Trigger ist? Wenn
ja, welche?
Trigger: Sinneseindrücke, die Erinnerungen an alte Erfahrungen in einer Art wecken,
als ob diese Erfahrung jetzt nochmal neu gemacht werden würde oder ein Schlüsselreiz für eine darauffolgende Reaktion
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
7.4. Können Sie Situationen benennen in denen Musik für Sie ein Skill ist?
Wenn ja, welche?
Skill: Fertigkeit, Hilfsmittel in bestimmten Situationen.
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________
73
Anhang 2: Kreisdiagramme
Abb. 6: Vorliebe Rock (n=16)
Abb. 7: Vorliebe Religiöse Musik (n=15)
74
Abb. 8: Vorliebe Rap/Hip-Hop (n=14)
Abb. 9: Vorliebe Heavy Metal (n=16)
75
Anhang 3: Plagiatserklärung
Name: Irina Deuble
Thema: Musikhörverhalten von selbstverletzenden Borderline-Patienten – Trigger oder
Skill?
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit zum oben genannten Thema
selbstständig verfasst habe, dass ich keine anderen Quellen und Hilfsmittel als die
angegebenen benutzt habe und dass ich die Stellen der Arbeit, die anderen Werken
– auch elektronischen Medien wie dem Internet – dem Wortlaut oder Sinn nach entnommen wurden, auf jeden Fall unter Angabe der Quelle als Zitate oder Entlehnungen kenntlich gemacht habe. Zudem versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit
zum oben genannten Thema auch noch nicht an anderer Stelle eingereicht habe.
Ort, Datum
Unterschrift
76