Leseprobe RG 1/2014

Transcription

Leseprobe RG 1/2014
AL
T
MADE IN
JAPAN
196 SEITEN DAS MAGAZIN FÜR KLASSISCHE SPIELE
1/2014
Dezember
Januar/Februar 2014
1/2014
196 Seiten KLASSISCHE SPIELE FÜR HOME-COMPUTER, KONSOLEN & PCs
Deutschland @ 12,90
Österreich
@ 14,20
Schweiz
sfr 25,80
Luxemburg @ 14,85
E
B
O
R
P
E
S
LE
DIE BREAKOUTHISTORIE
Die Geschichte hinter einem
der ersten Automaten-Megahits
SPIELEVETERANEN
ÜBER SPIELEKLASSIKER
Teil 1:
Winnie Forster
über die Jahre
1973–1983
■
Alte Spiele auf
neuen Konsolen
■
S O GEHT‘S: KLASSIKER
KOMFORTABEL GENIESSEN
■
WII U, 3DS, XBOX 360, PS3: WER HAT
DAS BESTE RETRO-ANGEBOT?
B RANDAKTUELL:
WIR VERGLEICHEN
XBOX ONE UND
PLAYSTATION 4
MIT KLASSISCHEN
GERÄTEN
Anatol Locker, Heinrich Lenhardt,
Mick Schnelle, Winnie Forster u. a.
über Archon, Golden Eye 007,
Speedball 2, System Shock 2,
Thrust, Seven Cities of Gold …
NAUGHTY DOG
Wie ein kleines Start-up zum
Schöpfer von Uncharted und
The Last of Us werden konnte
SPACE
LOST VIKINGS INVADERS
Wie Blizzards erstes größeres Spiel
den Grundstein für ihren Aufstieg legte
Ihr seht Reihen nach unten ruckelnder
Alien-Sprites? Wir sehen pure Action!
DEFENDER
OF THE
CROWN
Eine Rückschau auf
Cinemaware und ihr
episches Erstlingswerk
ARCADE | ATARI | COMMODORE | MSX | NEO GEO | NINTENDO | SCHNEIDER | SEGA | SINCLAIR | SONY
P
layStation 4 und Xbox One wurden soeben veröffentlicht, für 399 respektive 499 Euro könnt ihr euch die
allerneueste (und nach konservativer Zählung: achte)
Konsolengeneration ins Haus holen. Man mag sich für
diese Konsolen interessieren, weil man aktuelle Spiele schätzt
oder schlicht auf dem Laufenden bleiben möchte. Doch ich finde
die neuen Konsolen auch rein aus dem Retro-Blickwinkel heraus
sehr spannend.
Anatol
Locker
Heinrich
Lenhardt
Jörg
Langer
Mick
Schnelle
Vergleicht man Xbox One mit NES, so kommt man auf
ziemlich genau die eintausendfache Geschwindigkeit der CPU,
und per Milchmädchen-Rechnung (acht Rechenkerne …) sogar
auf die achttausendfache – die sich stark unterscheidenden Grafikfähigkeiten außen vor gelassen. Nur: Machen die neuen Spiele
auch achttausendmal so viel Spaß? Doppelt so viel? Genau so
viel? Weniger? Ich habe gerade erst wieder Super Mario World
auf dem SNES gespielt, und ich muss sagen: Ein perfektes Spiel­
erlebnis benötigt keine 2,073 Millionen Pixel!
Alte Spiele auf neuen Konsolen: Für unsere Titelstory hat
sich mein GamersGlobal-Kollege Christoph Vent zwei Wochen
lang mit Xbox 360, Wii U, 3DS und PS3 eingeschlossen. Wir
wollten nämlich für euch herausfinden, welche der aktuellen Konsolen das beste Angebot für Retro-Freunde bereithält. Schließlich
mag nicht jeder eine Uralt-Maschine aus dem Keller holen und
umständlich an heutige Fernseher anschließen, nur um mal zwei
Stunden mit einem Klassiker einzulegen. Die Erkenntnis: Es gibt
starke Unterschiede und eine klare Empfehlung.
Made in Japan: Die japanische Videospiele-In­
dus­trie ist ein weiteres großes Thema in diesem
­Retro Gamer. Winnie Forster stellt euch im ersten Teil seiner neuen Serie die Entstehung des
dortigen Spielemarkts vor. Zudem findet ihr
in diesem Heft große Reports zu drei Jahrzehnten NES, dem Sega Master System
sowie zu den 25 besten SNES-, 30 besten
Capcom- und 25 besten Mega-DriveSpielen. Die volle Japan-Ladung also.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Winnie
Forster
Jörg Langer
Projektleitung Retro Gamer
» Unsere Aufnahme aus Tokio (vom
September 2013) deutet es an: Retro-Fans
kommen in Japan auf ihre Kosten, sei es
durch ein riesiges Space-Invaders-Sprite
mitten in Akihabara, sei es durch den
Besuch eines der vielen Dutzend SecondHand-Läden mit klassischen Konsolen.
INHALT 1/2014
Dezember, Januar, Februar
RETRO-HARDWARE
ALTE KONSOLEN-SCHÄTZE IN NEUEM GLANZ
38
76
112
128
014
030
Für Liebhaber von klassischen Spielen
HISTORIE
INTERVIEWS
006Archon (Winnie Forster)
052Thrust (Heinrich Lenhardt)
086Spindizzy (Antol Locker)
154 Seven Cities of Gold (Mick Schnelle)
190 X – Beyond the Frontier (Mick Schnelle)
054Breakout
036 Ein Moment mit Gary Winnick
112Lightguns
MAKING OF
138 Thief – der Meisterdieb
RETRO-HARDWARE
RETRO-REVIVAL
030 Flight of the Amazon Queen
Zwei Australier und ein Adventure-Hit
048 Defender of the Crown
Epischer Genremix von Cinemaware
062 Lost Vikings
Das Spiel, das Blizzard bekannt machte
136Deactivators
Das Bombenspiel war seiner Zeit voraus
164 Super Castlevania IV
Entstehung plus „Director’s Comments“
186Counter-Strike
Der Online-Hit aus Sicht seines Erfinders
FIRMEN-ARCHIVE
024 Sierra On-Line, Teil 2
Anatol Locker beschreibt den tiefen Fall
088 Naughty Dog
Vom kleinen Start-up zum Topstudio
096Mastertronic
Billig-Perlen von Kikstart bis Spellbound
KLASSIKER-CHECKS
014 Speedball 2
Brutal Deluxe mit Heinrich Lenhardt
034 Golden Eye 007
Winnie Forster über den N64-Klassiker
120 System Shock 2
Anatol Locker lernte neu das Fürchten
Zu Ataris Hit trug Steve Jobs bei
068 Space Invaders
Über die Invasion der Münzräuber
Die besten Lichtpistolen nebst Spielen
Wie Garrett Wirklichkeit wurde
Plus: Preview zu Thief (2014)
Der Maniac Mansion-Designer spricht
über LucasArts und neue Projekte
104 Auf dem Sofa mit Tom Kalinske
Der ehemalige Sega-US-Chef über
Fehler und seinen Hass auf Nintendo
038 Sega Master System
156 Die Dino-Crisis-Serie
178Kanonenfutter
076 Atari Jaguar
Wie Cannon Fodder 3 die Serie begrub
SCHWERPUNKTE
102 Machina Obscura: Sinclair QL
Mehr als ein „Resident Evil mit Dinos“!
008 Made in Japan, Teil 1
Winnie Forsters neue Serie stellt
euch Firmen, Spiele und Konsolen vor
016 Die achte Generation
PS4 und Xbox One im Überblick und
im Vergleich mit 12 alten Konsolen
018 Alte Spiele auf neuen Konsolen
Wir prüfen die Retro-Tauglichkeit von
Wii, Wii U, Xbox 360, 3DS & PS3
122 30 Jahre Capcom
Die besten 30 Spiele aus der Historie
des japanischen Herstellers
128 NES – drei Jahrzehnte
Eine Hommage an die vielleicht
wichtigste Konsole der Geschichte
148 Die 25 besten Mega-Drive-Spiele
Die aus unserer Sicht besten Spiele für
Segas großen SNES-Konkurrenten
Unser großer Plattform-Check erklärt den
wichtigsten 8-Bit-Konkurrenten des NES
Plattform-Check: Wieso der Jaguar seiner
Zeit voraus war – und scheitern musste
006
034
048
086
120
Winnie Forster stellt euch einen Sinclair
vor, der keine Massen begeisterte
AUSSENSEITER
082 Kaum bekannte Jaguar-Spiele
Hyper Force, Hover Strike, Protector u. a.
094 3D-Spiele für diverse Konsolen
052
082
138
148
164
170
Guardian, Conqueror, Elektra Glide u. a.
146 Die Unkonvertierten
Gunforce 2, 005, Prop Cycle, Mr. Goemon
162 Außenseiter des Plattform-Genres
Apprentice, Jungle Eddi, Tempo u. a.
RUBRIKEN
003Editorial
192Retro-Feed
Leserbriefe und Termine
194Vorschau & Impressum
170 Die 25 besten SNES-Spiele
Die größten Hits für Nintendos
erfolgsverwöhnte 16-Bit-Maschine
176 Transport Tycoon
Mick Schnelle mag Chris Sawyers Hit
4 | RETRO GAMER 1/2014
176
Archon
» RETRO-REVIVAL
DAS SCHACH DER GÖTTER
» PUBLISHER: ELECTRONIC ARTS
» ERSCHIENEN: 1984
» HARDWARE: ATARI 800 (ORIGINAL), C64, APPLE 2, DOS, AMIGA,
NES, SPECTRUM, SCHNEIDER CPC, MAC
Von Winnie Forster
Vom Kumpel, der eine Klasse tiefer zur Schule geht, Zahnspange trägt und auf die falsche Computermarke schwört, im
Bildschirm-Duell Prügel zu beziehen (nicht einmal, sondern
immer wieder!) hinterlässt Wunden. Wunden, die auch Jahrzehnte später nicht verheilt sind.
Am Spielautomat herrschte in der 8-Bit-Jugend Chancengleichheit, jeder konnte üben (solange das Taschengeld reichte).
Auf den Heimcomputern sah’s anders aus: Es gab Spiele, die nur
Apple-Besitzer checkten, und andere, bei denen VCS-Junkies jeden
Highscore knackten. Electronic Arts’ Archon war ein Duellspiel für
C64 und Atari XL, bei dem man als Z80-User nicht viel mitzureden,
sondern nur demütigende Niederlagen einzustecken hatte. Für den
Spectrum erschien Archon nämlich erst, als es schon zu spät war,
noch dazu in einer grauenvollen Ariolasoft-Variante, die nicht zum
Training gegen die Zahnspange taugte.
Vergessen wir billige Euro-Versionen: Mit Joystick-Steuerung
(und nicht Tastatur-Eingabe à la Speccy), auf Floppy und in der luxuriösen Klapp-Packung der frühen EA-Jahre ist das amerikanische Archon
ein Prachtstück in Schwarz, Weiß und Silber, mit Escher-ähnlicher
Drachengrafik auf dem Cover. Das Frühwerk des Skylanders-Erfinders
Paul Reiche und seiner Freefall-Kollegen setzte mit einer heroischen
SID-Hymne an und schickte dann – zu jeweils individuellen Trampelund Flatter-Geräuschen – zweimal 18 Fantasy-Kreaturen aufs Feld.
Letzteres sieht aus wie ein Schachbrett; nur ein paar Quadrate sind nicht schwarz oder weiß, sondern ändern zyklisch ihre Farbe
Die beiden Truppen repräsentieren die Mächte des Lichts und der
Finsternis: Schwert- und Knüppelkämpfer sind die Bauern, dahinter
stehen mythische Wesen wie Golem und Drache als die starken
Spielfiguren im Fantasy-Schach. Ein Shapeshifter, der die Gestalt
und Kräfte seines Gegners klaut, kämpft auf der dunklen Seite,
Dschinn und Walküren streiten für die Guten. Die Herrscher über
schwarze und weiße Armee, langhaarige Hexe und Spitzhut-Magier,
scrollen durch ihre Heil- und Angriffs-Zaubersprüche.
Wie bei Schach wird abwechselnd gezogen, wobei einige
Figuren nur mühselig kriechen, andere pro Runde viele Felder weit
segeln. Feinde werden in Archon nicht einfach geschlagen, sondern
zum Duell in eine Action-Arena geladen: Auf Knopfdruck speit
der Basilisk einen Blitz, der Troll schleudert seinen Felsblock. Der
Phoenix kann sich in einen Flammenball verwandeln, ist für ein, zwei
Sekunden unverwundbar und brandgefährlich. Die vielen Parameter
für Laufgeschwindigkeit, Widerstandskraft, Angriffsrate und Co.
verwandelt Archon in flotte Action und niedliche Sprite-Animation.
Der Golem schreitet und schlägt träge – aber wenn er trifft, ist gleich
die Hälfte des Energiebalkens weg!
Womit wir wieder in der Computer-Bude von 1984 wären:
Obwohl die Feldhelligkeit direkt die Hitpoints der Figuren beeinflusst
(ein weißer Bauer auf weißem Feld kann selbst dem schwarzen
Drachen gefährlich werden), entscheidet am Ende die Geschicklichkeit, wer bei Archon das Feld behauptet und wer wertvollen Streitern
hinterherjammern muss. Ich rede aus der eigenen schmachvollen
Erinnerung: Viel zu häufig gelang es dem zahnspangentragenden
C64-Dreikäsehoch und Joystick-Routinier mit seinem kränklichen
Bauern, den Salven meines stolzen Einhorns auszuweichen, das edle
Tier einzuholen und – patsch, patsch! – zu erlegen.
» Sobald eine
Figur die andere schlägt,
kommt es zum
Actionkampf.
6 | RETRO GAMER 1/2014
»W
eniger
Pixel, gleiche
Suchtgefahr: das
Original-Archon
auf Atari 800.
RETRO GAMER 1/2014 | 7
» SPEEDBALL 2: BRU
TAL DELUXE
STRAFFE STEUERUNG
TEMPO UND SPIELGEFÜHL
Ein Feuerknopf reicht
Rasante Rüpel
STARKE SOLO-SPIELMODI
Gut gefüllte Spielwiese
Liga-Freuden für Aufsteiger
14 | RETRO GAMER 1/2014
hers einmal treffend zusammen: „Der
Einzelspieler-Modus mit Liga und Pokal
war gut, aber Speedball 2 war vor allem
ein Zwei-Spieler-Game. Du konntest dich
VonPub
Heinrich
Lenhardt
im
betrinken,
dann ein paar Pizzas
schnappen und mit deinen Kumpels
nach Hause gehen, um Speedball 2 bis
in die frühen Morgenstunden zu zocken.
Es war diese Art von Spiel.“
Von Heinrich Lenhardt
LIEBE ZUM DETAIL
W
ihrerseits rabiate Rowdies, die beim Grabschen nach dem Ball so rücksichtslos
Angreifer niedermähen, dass man sie für
den Toni-Schuhmacher-Gedächtnispreis
nominieren möchte.
Hinter der krachigen Fassade
stecken bemerkenswert viele Details
und Finessen. Auf dem Spielfeld liegen
Boosts und Kleingeld herum, in einem
Manager-Menü investieren wir die Barschaft in Training und Transfers, um unser
Team langfristig aufzubauen. Ein LigaModus mit einer guten Bandbreite an
Computergegnern sorgt für kompetente
Solo-Beschäftigung, aber nichts erreicht
die Intensität von Zwei-Spieler-Duellen.
Gegenüber Eurogamer.net fasste
es Mike Montgomery von Bitmap Brot-
Speedball 2 will vor allem zu zweit gespielt werden. Muss es aber nicht:
Für einsame Stunden gibt es eine Fülle an unterhaltsamen Varianten.
Beim Liga-Modus beginnen wir in der unteren Spielklasse und qualifizieren uns erst durch Erreichen eines der beiden Spitzenplätze für die TopDivision. Raffiniert: Bei der Tabellenberechnung gibt’s für jeweils zehn
in einem Match erzielte Punkte einen Extra-Zähler. Es lohnt sich also,
möglichst torreich zu gewinnen, und selbst bei Niederlagen winken damit
Trostpünktchen. Im alternativen Manager-Modus können wir uns ganz
auf die Personalplanung konzentrieren und den Partien einfach zugucken.
MANNSCHAFT
Die Vergrößerung von Spielfeld und Mannschaften war die vielleicht
wichtigste Verbesserung gegenüber dem Vorgänger. Pässe spielen
nun eine größere Rolle, die Schlägertruppe reift zum richtigen Team.
Gespielt wird immer in derselben Arena, doch zufällig verteilte Extras
und Geldmünzen sorgen für eine unberechenbare Komponente. Es
geht nicht nur ums Torewerfen – die Vielfalt des Spielfelds erlaubt verschiedene Taktiken. Auch das Bewerfen bestimmter Ziele bringt kleine
Punktmengen ein, die Aktivierung eines Score-Multiplikators kann der
Auftakt für eine Aufholjagd in der Schlussphase sein.
wie Breakout als wie der Teamsport der
Zukunft an.
1990 meldete sich die SpeedballLiga zurück. Die Bitmaps hatten bei der
Brutal Deluxe unterbetitelten Fortsetzung
das Spielprinzip in allen Belangen konsequent verbessert und erweitert, ohne die
Grundidee zu verhunzen. Die Teams wurden auf jeweils neun Athleten vergrößert,
die erweiterten Spielfelder scrollten jetzt
in alle Richtungen. Im Kampf um den Ball
ist so ziemlich alles erlaubt; brutale Fouls
werden nicht bestraft, sondern belohnt:
Tackeln wir einen gegnerischen Spieler
so mürbe, dass er verletzt ausgewechselt
wird, gibt’s dafür genauso viele Punkte
wie fürs Erzielen eines Tores. Die Keeper
an beiden Enden des Spielfelds sind
Die erste Regel von Speedball 2 lautet: Es gibt keine Regeln in Speedball 2! Ok, welche Aktion wie viele Punkte einbringt, ist irgendwie
definiert. Aber was sich die Spieler gegenseitig antun dürfen, das fällt
in die Kategorie „alles geht“. Ohne Sorge vor farbigen Kartonscheiben
wird gegrätscht, was der Joystick hergibt. Ballbesitz währt selten lange: Ein Gegenspieler ist nie weit, vor dem nächsten Tackling sollte man
die Kugel rasch wieder los werden – bevorzugt in Richtung des anderen
Tors, versteht sich. Alles geschieht mit einem scharfen Tempo, dem
jedoch die Balance zwischen Kontrollierbarkeit und Chaos gelingt.
EXTRAS IN DER ARENA
In modernen Sportspielen verknotet man sich bei mancher Tastenkombination regelrecht die Finger, doch Speedball 2 begnügt sich bei der
Steuerung mit einem einzigen Feuerknopf. Erstaunlich, was sich damit
alles anstellen lässt: Die Länge des Knopfdrucks bestimmt die Wurfweite
und Höhe, dem Ball lässt sich sogar etwas Effet verleihen. Die erforderte
Diagonalpräzision ist eine Domäne von Digital-Joysticks wie dem Competition Pro. Die Mega-Drive-Umsetzung spielt sich mit dem ControllerSteuerkreuz eine Spur schwammiger, von der üblen Touchscreen-Bedienung der iOS-Neuauflage Speedball Evolution mal ganz zu schweigen.
ar es nun das perfekte
Sportspiel für Actionfans
– oder der ideale Actiontitel für Sportfreunde?
Souverän setzte sich Speedball 2
zwischen die Genrestühle und macht
dort dank seiner zeitlosen Spielbarkeit heute noch eine famose Figur.
Schon 1988 experimentierten
die Bitmap Brothers mit einer futuristischen Sportart, die unkompliziert
und schnell genug war, um auch
Leibesertüchtigungs-Muffel anzulocken. Das erste Speedball hatte kleine,
schmale Arenen, die lediglich vertikal
scrollten. Das Herumgebolze eines an
den Wänden abprallenden Balls war
durchaus spaßig, fühlte sich aber eher
DENK W ÜRDIGE
Tüftelnder Teamchef
Sinn für Humor
Hinter der furiosen Dauer-Grätscherei des Spielgeschehens steckt einiges
an statistischem Unterbau. Jede einzelne Spielfigur verfügt über acht
Attribute, von der Wurfwucht bis zur „Power“ (härtere Tacklings, um
gegnerische Spieler häufiger zu verletzen). Stars sind merklich schneller
als Rekruten. Zwischen den Partien werden die Werte des Personals mit
besserer Ausrüstung gesteigert. Oder wir sparen ein wenig und leisten uns
einen neuen Spieler auf dem Transfermarkt. Auf diese Weise verbessert
der Teamchef allmählich alle neun Positionen – und da es öfters zu Verletzungen kommt, sollte man auch die Ersatzbank nicht vernachlässigen.
„Ice Cream! Ice Cream!“, lautet der internationale Erkennungsruf von
Speedball-2-Sportlern. Die Stimme des unsichtbaren Eisverkäufers, der
manchmal seine Waren anpreist, ist nur eines von zahlreichen Schmunzeldetails. Einige Teamnamen sind hinreißend, neben unserer Mannschaft „Brutal Deluxe“ gibt es zum Beispiel auch „Violent Desire“ oder
die „Turbo Hammers“. Dazu passend gucken die Visagen der SpielerPorträts so grimmig und gefährlich, dass höchste Selbstparodie-Regionen erreicht werden. Knuffig auch die Roboter-Sanitäter, die geschwind
aufs Spielfeld flitzen, um einen Halbtoten abzutransportieren.
MOMENTE
FAKTEN
» PLATTFORM: AMIGA, ARCHIMEDES,
ATARI ST, C64, CD32, DOS-PC, GAME
BOY, GBA, NES, MASTER SYSTEM, MEGA
DRIVE, PLAYSTATION, XBOX 360
» PUBLISHER: IMAGEWORKS, VIRGIN, ET AL.
» ENTWICKLER: BITMAP BROTHERS
» VERÖFFENTLICHT: 1990
» GENRE: ACTION-SPORTSPIEL
Was die
Presse sagte …
Foto: kultboy.com
K L A SSIK E R- CH ECK
» SPEEDBALL 2: BRUTAL DELUXE
Power Play 2/91: 73 %
»Das Spielfeld ist jetzt größer
und erlaubt bessere Kombinationen […] Das Trainieren und
Aufspüren von neuen Spielern
ist ein netter Zusatz. Wer eine
gute Mischung aus den Genres
Action und Sport sucht, wird
mit Speedball 2 hervorragend
bedient.« (Heinrich Lenhardt)
ASM 1/91: 11/12
»Das Scrolling ist flüssig, die
Animationen der Spieler sind
gut. […] Auch die Steuerung ist
exakt und einfach zu handhaben,
ganz so, wie man es vom Original her gewöhnt ist. Speedball 2
ist wirklich eine Klasse für sich!«
(Hans-Joachim Amann)
Was wir denken
Kaum ein anderes Spiel hat die
Mischung aus Action und Sport
so spaßig hinbekommen wie
Speedball 2. Der Zwei-SpielerModus bringt heute noch jede
Party in Schwung.
RETRO GAMER 1/2014 | 15
MAKING OF: FLIGHT OF THE AMAZON QUEEN
» [Amiga] Für Guybrush
Threepwood war so
etwas nie ein Problem.
ENTWICKLERHIGHLIGHTS
HALLOWEEN
HARRY AKA
ALIEN CARNAGE
Als liebevolle Mixtur aus Indiana Jones, Monkey Island und anderen zeitgenössischen Grafik-Adventures war Flight of the Amazon Queen ein herausragender Vertreter seiner Art. Retro Gamer berichtet von zwei Australiern, die es
LucasArts nachmachen wollten – und dabei ziemlich erfolgreich waren.
F
ür Fans von GrafikAdventures waren im
Rückblick die 90er Jahre
der Höhe­punkt des Genres.
Es erschienen zeitlose Klassiker wie
Beneath A Steel Sky, Gabriel Knight
oder The Secret Of Monkey Island,
herausgegeben von Firmen wie Revolution Software, Sierra On-Line und
natürlich LucasArts. Das Entwickeln
von Grafik-Adventures wurde zum
großen Geschäft; oft saßen Dutzende
Autoren, Künstler und Programmierer an einem Titel. Aber es gab auch
Ausnahmen. Eine solche war Flight of
the Amazon Queen, ein Spiel, das in
drei Jahren mit minimalem Budget
von zwei bescheidenen Australiern
aus Queensland erschaffen wurde.
Amazon Queen parodiert die in
den 50ern modernen Abenteuer-Matinees
mit einem Augenzwinkern. Schauplatz ist
eine leicht surreale südamerikanische
Dschungelwelt. Der gerissene Mietpilot
Joe King (Anspielung auf das englische
„joking“, scherzen – Anm. d. Red.) ist
der Held, der in eine übermütige Story
rund um zimperliche Filmsternchen,
vollbusige Amazonen, genetische
Experimente, Comichefte und Le-
30 | RETRO GAMER 1/2014
FAKTEN
» PUBLISHER: RENEGADE/
WARNER ACTIVE
» ENTWICKLER:
INTERACTIVE BINARY
ILLUSIONS
» ERSCHIENEN: 1995
» PLATTFORM: AMIGA,
MS DOS
» GENRE: GRAPHIC
ADVENTURE
derhosen verstrickt wird. Die Schöpfer
hinter dem Spiel sind der Programmierer
John Passfield und der Zeichner Steve
Stamatiadis. Die beiden lernten sich
in einem Comicbuchladen in Brisbane
kennenlernten, der einem gemeinsamen Freund gehörte. „Unser Kumpel
wusste, dass ich Spiele machte und
Steve es auch tun wollte, und brachte
uns zusammen“, erinnert sich John
und verrät uns außerdem, dass er sich
zuvor an einfachen Actionspielen auf
dem australischen MicroBee-System
versucht hatte.
„Ich entwickelte mit Steve gerade ein Spiel, das auf Halloween Harry basierte,
einem meiner ersten Spiele aus dem Jahr 1985,
als unser gemeinsamer Freund uns Monkey
Island zeigte“, erzählt John. „Ich zeichnete und
» [Amiga] Joes Erzfeind
Anderson nervt tierisch.
» Ein früher Entwurf
der
sonen von Steve Sta Hauptpermatiadis.
schrieb damals Comics und mir gefiel dieser
Aspekt von Monkey Island, ein interaktiver
Comic zu sein. Wir beschlossen also, selbst
ein Grafik-Adventure zu machen und begannen
mit Amazon Queen, während wir noch an dem
Halloween Harry-Ableger dran waren. Da hatten
wir uns ganz schön viel vorgenommen!“
Auch eine andere bekannte Marke aus
dem Hause George Lucas wurde zur Ideenquelle für das Spiel. John gesteht freimütig:
„Wir waren riesige Fans von Jäger des verlorenen Schatzes, und dieses Szenario war einfach
reif für ein Grafik-Adventure. Als wir mit der
Arbeit begannen, gab es noch keine Indy-Spiele. Wir ließen Amazon Queen in den 50ern
spielen, weil diese Epoche bei Indy noch nicht
vorgekommen war. Na ja, und wir brachten
Dinosaurier-Frauen und außerirdische Kristallschädel in die Handlung ein. Wir konnten ja
nicht ahnen, dass Spielberg und Lucas diese
Motive viele Jahre später im vierten IndianaJones-Film selbst aufgreifen würden!“
Wenn man bedenkt, dass die beiden
Australier keinerlei Erfahrung mit Grafik-Adventures hatten, war dies ein ehrgeiziger Plan.
Monkey Island wurde schließlich mit der bereits seit Manic Mansion erprobten SCUMMEngine entwickelt, wohingegen John ganz
von vorne programmieren musste. Auch für
die Dialoge, die Geschichte, das Interface und
die Grafik waren die beiden allein zuständig.
John begann, die neue Engine mit AMOS zu
entwickeln, einer Programmiersprache für den
Amiga. „Ich nannte sie JASPAR, das stand für
‚John And Steve’s Programmable Adventure
Resource‘ – eine furchtbare Abkürzung“, sagt
John, „aber wir wollten nun mal LucasArts in
allem nacheifern, bis hin zu einem bescheuerten Namen für die internen Tools …“
Während John an der Engine, den
Dialogen und Puzzles werkelte, wurde aus
Steve eine „Ein-Mann-Grafikabteilung“, wie
er es selbst beschreibt. Er entwarf sämtliche
Charaktere, von Joe und seinem Mechaniker
Sparky über das Filmsternchen Faye Russel
bis hin zu Dr. Frank Eisenstein, dem Kopf
der mysteriösen Organisation Flöda. Steve
gestaltete auch die vielen Hintergründe und
Zwischensequenzen und die beeindruckenden
Vollbild-Animationen, sowie das farbenfrohe
Commander-Rocket-Heftchen
„Steve musste die Bilder alle doppelt
erstellen – einmal für den PC und einmal
für den Amiga, er war also gut beschäftigt“,
schmunzelt John. „Für mich war das Entwerfen von Puzzles toll, auch wenn ich die
Schwierigkeit nicht gut einschätzen konnte
– schließlich wusste ich die Lösung schon vorher. Ich glaube, dass mir die Rätsel im Tempel
auf der Faultierinsel am besten gelungen sind.
Dort muss man etwa Schädel und Kristalle
benutzen, um Türen zu öffnen. Auch die Tipps
im Commander-Rocket-Heft fand ich klasse.“
Die Entwicklung eines Spiels von der
Größenordnung von Amazon Queen war an
sich schon ein große Leistung, doch auch das
Finden eines Publishers gestaltete sich sehr
schwierig. „Es gab in Australien einfach keine
richtigen Publisher, also mussten wir uns sehr
bemühen und auch ein wenig Glück haben, um
einen Publisher aus den USA oder aus Großbritannien zu finden“, erinnert sich John. Kurzzeitig
sah es so aus, als ob sie beim lokalen Büro von
Electronic Arts landen würden. Sie bekamen
zwar keinen Vorschuss, trafen sich aber ein paar
Mal mit ihnen und bekamen Andeutungen,
dass EA das Spiel herausbringen wollte. John
fährt fort: „Zur entscheidenden Begegnung
kam es, als wir uns mit deren US-Chef trafen.“
(Vermutlich handelte es sich um Larry Probst,
der damals CEO von EA war – Anm. d. Red.).
„Wir sollten ihm Amazon Queen und
Halloween Harry zeigen und bereiteten einen
PC und einen Amiga mit den laufenden Spielen
vor. Da kam er herein uns sagte: ‚Eure Namen
brauche ich nicht, die kann ich mir sowieso
nicht merken.‘ In den nächsten zehn Minuten
zelebrierte er sich als die arroganteste und unhöflichste Person, die man sich vorstellen kann.
Er sagte uns, dass unsere Spiele grauenvoll
wären und wir sie für die falschen Plattformen
entwickelt hätten. Ich war geschockt und
wusste nicht, was ich sagen sollte. Später, als
ich zu Hause war, wollte ich es EA zeigen und
schickte das Spiel an alle Publisher, die mir
einfielen. Und tatsächlich bekamen wir einen
Anruf von Renegade, die uns veröffentlichen
wollten. Der EA-Boss aber landete schließlich
als unausstehlicher Hotelpage im Spiel.“
Die Zusammenarbeit mit Renegade
beschreibt John als geradezu traumhaft: „Jede
Anmerkung war konstruktiv und wir waren
» [Amiga] Respekteinflößende Fische im Fluss.
(ABGEBILDET)
PLATTFORM: DOS
JAHR: 1994
TY THE
TASMANIAN
TIGER
PLATTFORM: PS2,
XBOX, GAMECUBE
JAHR: 2002
DESTROY ALL
HUMANS! 2
PLATTFORM:
PS2, XBOX
JAHR: 2006
» [Amiga] Dr. Eisenstein
amüsiert sich.
immer einer Meinung!“ Die Eröffnungsszene von Flight of the Amazon Queen, in der
John seinem Erzfeind Anderson entkommt
und Faye in die Arme läuft, war ein Ergebnis
dieser Zusammenarbeit. Eigentlich sollte es
gleich mit der Amazon losgehen, aber Renegade empfahl den Beiden, noch eine Szene
davor zu machen, um die Charaktere einzuführen und das Spiel zu verlängern. So kam die
Hotelszene zustande.
Für die Version von Flight of the
Amazon Queen mit englischer Sprachausgabe
konnte Renegade einige bekannte Namen
als Sprecher engagieren. Darunter Penelope
Keith, eine Schauspielern, die aus The Good
Life bekannt ist, den Comedian Enn Reitel
und William Hootkins (Porkins aus Star Wars
Episode IV), unter anderem in der Rolle des
erwähnten Hotelpagen. „Ich war im Studio,
RÜU
Ü CKKEHR DER
AMAZON QUEEN
John Passfield über das nie
realisierte Nachfolgeprojekt
„Ich hatte mir eine Fortsetzung namens Return of the Amazon Queen
ausgedacht. Darin sollte Joe auf dem Globus unterwegs sein und
Hinweisen nachjagen, die hinter Gemälden eines Malers namens Delpaso versteckt sein sollten. Die Hinweise sollten zu einem verlorenen
Schatz führen, der natürlich fremdartige
Technik enthalten würde. Aber leider
kam es nie bis zu einem Prototyp.“
Wir haben allerdings einige spielbare
Prototypen eines Grafik-Adventures
namens Stereo Jack entwickelt. Es war
eine helle und stilvolle Variante der ansonsten düsteren Cyberpunk-Literatur.
Man spielt einen Hacker namens Stereo Jack, der auf den Spuren
eines verlorenen Supercomputers war. Außerdem machten wir noch
ein 3D-Adventure namens Gruesome Castle. Es war schon zu 80 Prozent fertig, als der Publisher den Stecker zog. Kurz danach gründeten
wir die Krome Studios, und das Projekt wurde eingestellt.
Mit diesen Game-Boy-Entwürfen [siehe unten] wollten wir das
Point-and-Click-Genre irgendwie auf die Handheld-Geräte bringen.
Es existierte bereits ein Prototyp für Amiga. Doch leider bestand an
einer tragbaren Version kein Interesse.“
» [Amiga] Gleich startet
die Amazon Queen.
RETRO GAMER 1/2014 | 31
GLOBE
TROTTER
Klassische Videospielhelden auf Weltreise
LEGENDE
MONTY MOLE
LARA CROFT
INDIANA JONES
NATHAN DRAKE
RICK DANGEROUS
CARMEN SANDIEGO
ZAK MCKRACKEN
MONTY MOLE
ZIELE: ÄRMELKANAL, EIFFELTURM,
DEUTSCHLAND, GRIECHENLAND
■ In Monty On The Run nimmt das gehetzte
Säugetier die Beine in die Hand und flieht vor den
Behörden über den Ärmelkanal aufs europäische
Festland. In Auf Wiedersehen Monty reist
er wiederum durch Europa, diesmal auf der
Suche nach Investoren, um eine griechische Insel zu kaufen. Auch im fernen Osten
und dem Amazonas ist Monty unterwegs.
LARA CROFT
INDIANA JONES
ZIELE: ANDEN, ÄGYPTEN, ANDAMANENSEE, VENEDIG, JAPAN
ZIELE: BARNETT COLLEGE, BERLIN,
ISLAND, KAIRO, ATLANTIS
■ Nach mehr als einem Dutzend Serienteilen
■ Genau wie in den von den Filmen
inspirierten Titeln Indiana Jones’ Greatest
Adventures und The Last Crusade
sammelte er auch in Fate of Atlantis auf
der Suche nach der legendären Insel
ordentlich Bonusmeilen. Mit seiner hervorragenden, verschachtelten Story und
der Schauplatz-Vielfalt (von Island über
Südamerika bis nach Monte Carlo) ist es
immer noch unser Lieblings-Indy-Spiel.
haben Laras Hotpants mit Sicherheit schon
mehr als genug archäologische Brennpunkte
auf dieser Erde besucht, von den dinoverseuchten Anden in ihrem Debüt über venezianische Kanäle und ägyptische Gräber bis zur
chinesischen Mauer. Ihre jüngere Inkarnation
kämpfte sich zuletzt vor der Küste von Japan
durch den 2013er Serien-Relaunch.
» [Amiga] Krämer Bobs
Laden im Pygmäendorf.
» Das wunderschöne
Cover im Stile der 50er.
NATHAN DRAKE
ZIELE: NEPAL, PANAMA, SÜDPAZIFIK,
ARABISCHE WÜSTE
RICK DANGEROUS
CARMEN SANDIEGO
ZAK MCKRACKEN
■ Der Held aus der Uncharted-Reihe
ZIELE: ÄGYPTEN, HYDE-PARK, FREEZIA,
ATOMIC-MUD-MINEN, PLANET BARF
ZIELE: LONDON, WASHINGTON, ATHEN,
SINGAPUR, LIMA
ZIELE: SEATTLE, KATHMANDU,
BERMUDAS, MEXIKO, MARS
■ Rick ist ein Experte darin, keine hundert Meter
■ Die mysteriöse Superspionin aus der
■ Auch der unglücksselige Reporter Zak gibt
weit zu kommen, ohne sich selbst irgendwo aufzuspießen. Gerne geht er auch mal auf Selbstmordtour
durch alte ägyptische Gräber. Sowohl seine Vorliebe
für Weltreisen als auch sein Talent, bei jeder sich
bietenden Gelegenheit ins Gras zu beißen, hat er
erfolgreich an Lara Croft weitergegeben, seine
Nachfolgerin im Geiste.
Edutainment-Reihe von Brøderbund war überall auf dem Erdball unterwegs, um Unruhe zu
stiften: Ständig mussten die Spieler herausfinden, wo sie und ihre unbequemen Gefolgsleute
sich nun wieder versteckt hatten. Spätere Teile
fokussierten sich auf bestimmte Kontinente
und in Where In Time Is Carmen Sandiego?
machte sie sogar einen auf Zeitreisende.
die meisten seiner hart verdienten Moneten für
überteuerte Flüge aus und muss sich noch dazu
mit mürrischen Stewardessen herumschlagen.
Außerdem vergisst er ständig wichtige Objekte,
sodass er die Tickets immer wieder neu kaufen
muss. Zum Trost darf er sich dann dafür auch
mal per Gedankenverschmelzung in ein Eichhörnchen oder ein Yak versetzen.
von Naughty Dog machte sich durch
das Herumturnen auf abenteuerlichen
Felsüberhängen einen Namen. Besonders
spektakulär kann man das in der Eröffnungssequenz von Uncharted 2 erleben,
die in den Gipfeln von Nepal spielt. Er war
auch schon im Südpazifik unterwegs und
überlebte in Uncharted 3 einen Flugzeugabsturz in der arabischen Wüste.
32 | RETRO GAMER 1/2014
als die Dialoge aufgenommen wurden“,
erinnert sich John. „Wir waren sehr froh, dass
wir Penelope, Enn und Will bekommen hatten.
Die Zusammenarbeit mit ihnen war großartig
und alle waren sehr liebenswürdige Personen.“
Abgerundet wurde das gelungene
Gesamtpaket durch den stimmungsvollen
Soundtrack, er stammt vom inzwischen
verstorbenen Richard Joseph, und durch die
Gestaltung der Schachtel durch Pete Mullins
– obwohl die Box in den USA eine andere
Gestaltung bekam. „Die US-Verpackung ist
fürchterlich“, ärgert sich John. „Als das Spiel
in den USA herauskam, wurde Renegade
gerade von Warner übernommen, die etwas
andere Vorstellungen hatten. Wir bekamen
erst die endgültige Fassung zu Gesicht und
ich verstand beim besten Willen nicht, was sie
dabei geritten hatte. Es sind darauf Stammes­
angehörige zu sehen, die im Spiel gar nicht
vorkamen, und eine Kobra, die es in Südamerika gar nicht gibt!“
Amazon Queen war zwar finanziell
nicht so erfolgreich wie die großen Werke
von LucasArts (Indiana Jones and the Fate
of Atlantis verkaufte sich rund eine Million
Mal), konnte aber für ein Grafik-Adventure
einen großen Erfolg erzielen. John glaubt
sich zu erinnern, dass knapp 100.000
Stück verkauft wurden: „Zum Glück hatten
wir einen 50:50-Deal mit Renegade und
verdienten richtig Geld. Wir konnten davon,
mit etwas Sparen, ein paar Jahre leben!“
2004 stellten John und Steve ihr
Spiel als einen der ersten ehemaligen
Vollpreis-Titel kostenlos für den Emulator
ScummVM zur Verfügung. Dies führte letztendlich zu einer Wiederveröffentlichung auf
iOS im Jahre 2008. John erklärt die Entscheidung: „Ich wollte, dass jeder das Spiel spielen
konnte. Die PC-Technologie hatte sich aber
weiterentwickelt, also funktionierte dort das
Original nicht mehr. Als Freeware auf ScummVM konnte das Spiel viel mehr Menschen erreichen, obwohl es gar nicht mehr im Handel
war. Außerdem half es der Veröffentlichung
auf iOS, wo es heute immer noch ein
wenig Geld abwirft, was natürlich
schön ist.“
Nach Flight of the Amazon Queen
gründeten John und Steve gemeinsam die
Krome Studios, wo sie Ty The Tasmanian Tiger
und den Game Room für Microsoft entwickelten, dem kein gutes Schicksal vergönnt war.
John ist mit seiner neuen Firma Red Sprite
Studios immer noch aktiv (www.passfield
games.com), während Steve zuletzt an Blade
Kitten und einigen daran angelehnten Comicheften gearbeitet hat.
Als erstes Projekt der beiden ist Amazon Queen immer noch ein Grund für John,
in Erinnerungen zu schwelgen. „Rückblickend
bin ich erstaunt, dass wir es geschafft haben“,
sagt er. „Tony Ball half uns bei der Konvertierung für den PC, aber alles andere haben wir
beide ganz allein gestemmt. Wir hatten keinen
Druck durch einen Publisher, also bauten wir
Witze ein, die uns gefielen, und Rätsel, die wir
mochten. Wir brauchten zwar fast drei Jahre,
aber im Nachhinein haben wir mit unseren
begrenzten Ressourcen wirklich gute Arbeit
geleistet.“ Da können wir nur zustimmen: Die
beiden Jungs aus Brisbane haben
es allen gezeigt!
» [Amiga] Ein Gorilla
in Südamerika?
» [Amiga]
Wie kommt
Flöda zu so
etwas?
RETRO GAMER 1/2014 | 33
HISTORIE: BREAKOUT
DIE GESCHICHTE VON
Die Entstehung
von Breakout ist
absolut faszinierend,
schliesslich verbindet sie indirekt
zwei der bekanntesten
amerikanischen
Elektronikunternehmen.
Retro Gamer blickt
zuruck auf einen
der ersten SpieleBlockbuster.
54 | RETRO GAMER 1/2014
P
ong war nicht nur ein sehr populäres Videospiel, es war auch der
erste große Erfolg für Atari. Ein paar
Jahre später lieferte der amerikanische Hersteller seinen zweiten Hit ab: Breakout.
Die Geschichten der beiden Titel ähneln sich.
Während der Spielverlauf von Pong an
Tischtennis erinnert, diente Racquetball als Inspiration für Breakout. Die Sportart hatte dank des
Fitness-Booms in den 70er Jahren Beliebtheit
erlangt. Zurückzuführen ist die Spielidee auf den
Atari-Gründer Nolan Bushnell und den Erfinder
von TANK, Steve Bristow. Sie erkannten schnell,
dass sich eine Pong-Variante basierend auf dem
Hallensport umsetzen ließe.
Die beiden hatten aber eine große Sorge:
Einen Ball immer wieder gegen eine Wand zu
schlagen, klang auf lange Sicht nicht sonderlich
motivierend für die Spieler. Um den Spielverlauf
spannender zu gestalten, überlegten sie sich, am
oberen Bildschirmrand eine Mauer aus einzelnen
Blöcken zu platzieren. Mit einer beweglichen
Plattform sollten die Spieler den Ball gegen diese
Blöcke schlagen und sie so zerstören. Somit
ergab sich ein klares Spielziel (zerstört alle Blöcke), außerdem wurde der Unterschied zu Pong
offensichtlicher.
Zwar dachten sich Nolan Bushnell und
Steve Bristow das Konzept aus, umgesetzt
wurde Breakout aber vom späteren Apple-Mitbegründer Steve Wozniak, der damals für HewlettPackard arbeitete. Zu dieser Tätigkeit gelangte
er über seinen späteren Gründerkollegen und
Freund, Steve Jobs, der damals als Techniker bei
Atari angestellt war.
Die Geschichte dürfte vielen bekannt
sein: Nolan Bushnell hatte seine Entwickler
aufgefordert, einen Prototyp des RacquetballSpieles zu entwerfen und dabei so wenige
integrierte Chips wie möglich zu verwenden. Die
Entwickler bei Atari zeigten jedoch kein Inte­
resse. Sie waren der Meinung, das Spielprinzip
hätte ausgedient. Schließlich erklärte sich Steve
Jobs dazu bereit, das Projekt zu übernehmen
und bekam – obwohl er nur wenig technische
Erfahrung mitbrachte – den Zuschlag.
Die Entscheidung darüber trafen Bushnell
und der Pong-Erfinder Allan Alcorn. Nicht ohne
»A
uf dem Flyer lag der
Breakout-Automat in Ketten.
Hintergedanken: Sie rechneten fest damit, dass
Jobs Wozniak an Bord holen würde. Wozniak
hatten die beiden Atari-Persönlichkeiten schon
vor dem Projekt kennengelernt, als er ihnen eine
eigene Heimversion von Pong gezeigt hatte. Das
Spiel kam mit wenigen Chips aus und gab unhöfliche Kommentare ab, wenn der Spieler einen
Ball verfehlte. Allan Alcorn gefiel die Idee gut.
Gerüchten zufolge bot er Wozniak direkt im Anschluss einen Job an, den dieser aber ablehnte.
Der Plan von Bushnell und Alcorn ging
auf. Jobs war aber nicht ganz ehrlich zu seinem
Partner, als es um die Entlohnung ging: Bushnell
bot 100 Dollar für jeden eingesparten Chip. Da
ein Spiel damals zwischen 100 und 170 Chips
bedurfte, stellte dies ein attraktives Angebot
dar. Jobs erzählte Wozniak angeblich nur, dass
Atari 700 Dollar zahlen würde. Dabei handelte es
sich um den Grundbetrag, den sich die beiden
teilten. Es wurde aber auch ein Bonus aufgrund
der eingesparten Chips in Höhe von 5.000 Dollar
gezahlt, den Jobs nicht erwähnte und selbst
einsteckte. Außerdem teilte Jobs seinem Kollegen angeblich mit, dass das Spiel in vier Tagen
fertiggestellt sein musste. Atari hatte aber nie
eine solche Deadline gesetzt.
Trotz eines knappen Zeitplans (normalerweise dauerte es mehrere Monate, um allein die
Hardware zu entwerfen) und der Tatsache, dass
nur Jobs ihm das Spielkonzept erklärt hatte, stellte Wozniak eine erste Version tatsächlich in nur
vier Tagen fertig. Als der Prototyp ein paar Tage
später auf Allan Alcorns Schreibtisch landete,
war dieser überrascht: „Ich hatte keine Ahnung,
dass das Spiel überhaupt entwickelt wurde – und
dazu noch von Steve Jobs! Später erst habe ich
herausgefunden, dass in Wirklichkeit Wozniak für
die Version verantwortlich war.“ Es blieb nicht
die einzige Überraschung. Als Ataris Techniker
Wozniaks Hardware-Design genauer unter die
Lupe nahmen, bemerkten sie die Komplexität
seiner Arbeit. „Für ‚normale“ Entwickler war es
schwer, das Design von Wozniak zu reproduzieren, da viele überhaupt nicht verstanden haben,
wie es funktioniert“, sagt Alcorn und lacht.
Als Nächstes sollten Änderungen an Woznikas Version vorgenommen werden. Er hatte
noch auf RAM zurückgegriffen, um die Spiel­
RETRO GAMER 1/2014 | 55
HISTORIE: BREAKOUT
Die Kopfe hinter Breakout
Trotz des simplen
Spielprinzips zeichneten
viele Personen fur die
Entstehung von Breakout
verantwortlich. Wir
stellen sie euch vor ...
STEVE WOZNIAK
■ Er war gar kein Atari-Mitarbeiter, entwarf aber die
erste Breakout-Version. Steve Jobs hatte ihm die
Tätigkeit angeboten. Wozniak erhielt 350 Dollar für
seine Arbeit, Jobs steckte 5.350 Dollar ein.
NOLAN BUSHNELL
STEVE JOBS
Breakout. Seine Idee war es, ein Spiel auf Basis von Racquetball zu entwickeln. Die Sportart erfreute sich dank des
Fitness-Booms in den siebziger Jahren großer Beliebtheit.
Initiative wäre Breakout nicht zustande gekommen.
Er brachte Steve Wozniak die Spielidee von Bushnell
und Bristow näher. Danach konnte er Wozniak davon
überzeugen, einen Prototyp zu entwickeln.
STEVE BRISTOW
GARY WATERS
Bristow die Rolle des Vice President of Engineering bei Atari. Mit Nolan Bushnell sammelte er Spielideen. Eine davon
war eine Pong-Variante, die zu Breakout werden sollte.
Waters arbeitete bei Ataris Tochterunternehmen Cyan Engineering. Er baute Wozniaks Hardware-Konstruktion so um,
dass sie sich leichter in großen Mengen produzieren ließ.
■ Bushnell ist einer der Erfinder des Konzepts hinter
■ Nach seiner erfolgreichen Zeit bei Kee Games bekleidete
zu einem Erfolg. Deshalb wurde
informationen über die zerstörbaBreakout auch als eines der ersten
ren Blöcke zu speichern. Für die
Arcade-Spiele auf das Atari 2600
Serienproduktion war das aber
portiert. Der Titel diente vielen
zu teuer. Außerdem fehlten noch
anderen Entwicklern als „InspiraSoundeffekte und ein Modus, in
tion“. Schon wenig später waren
dem zwei Spieler abwechselnd
zahlreiche Klone erhältlich. Warum
gegeneinander antreten konnten.
Breakout so beliebt war? Unter anAlcorn erinnert sich: „Der Protoderem dürfte das „zerstörerische“
typ ist erst in Serie gegangen, als
Gameplay eine Rolle gespielt
wir die Hardware so umgebaut
haben. Taito orientierte sich bei
hatten, dass jeder Entwickler sie
der Entwicklung des prägenden
verstehen, zusammenbauen und
Space Invaders genau an diesem
testen konnte. Im Zuge dessen ist
Aspekt. Später veröffentlichten die
die Zahl der Chips wieder von 20
Japaner noch eine offensichtlicheauf ungefähr 100 gestiegen.“
re Breakout-Hommage unter dem
Zuständig für die Ände» [ Arcade] Breakout basierte auf
Titel Arkanoid.
rungen war Cyan Engineering
einer einfachen Idee und wurde
Breakout war zudem einaus Grass Valley in Kalifornien.
zum Mega-Erfolg.
fach zu verstehen und zu bedieDas Unternehmen war auch
nen. Wenn die Spieler den Ball
bei der Entwicklung des Atari
verfehlten, dann konnten sie nur sich selbst und
2600 ein wichtiger Partner und bei technischen
nicht das Spiel dafür verantwortlich machen. Am
Aufgaben Ataris erste Anlaufstelle. Wozniaks
oberen Bildschirmrand wurden acht Blockreihen
Breakout-Version landete beim Cyan-Mitarbeiter
dargestellt. Da das Spiel in Schwarz-Weiß geGary Waters, der das Spiel fit für die Produktion
halten war, wurden bunte Cellophan-Steifen auf
machte. Er sparte dabei zwar nicht an Chips,
den Bildschirm des Automaten geklebt. Immer
Wozniak selbst musste später aber zugeben,
zwei Reihen trugen die gleiche Farbe. Das Spiel
dass die beiden Fassungen „quasi identisch“
sollte dadurch nicht nur ansehnlicher werden, die
aufgebaut waren.
Farben gaben auch Auskunft darüber, wie viele
Im April 1976 wurde die SpielhallenverPunkte ein Block wert war. Im weiteren Spielversion veröffentlicht und entwickelte sich schnell
56 | RETRO GAMER 1/2014
■ Jobs arbeitete als Techniker bei Atari. Ohne seine
»A
nfangs schien
Super Breakout
eine exakte Kopie
des Originals zu
werden.
■ Der Mann hinter der veröffentlichten Breakout-Version.
lauf wurde Breakout fordernder: Die Geschwindigkeit des Balles und die Größe des Schlägers
veränderten sich.
Der erste Breakout Nachfolger – Super
Breakout – wurde 1978 veröffentlicht. Verantwortlich zeichnete Ed Logg, der zuvor Asteroids
programmiert hatte. Super Breakout war eines
seiner ersten Projekte bei Atari. „Ich habe bei
Atari im Februar 1978 angefangen“, erinnert er
sich. „Ich habe an Dirt Bike, Avalanche und einem U-Boot-Spiel gearbeitet.“ An all diesen Projekten war übrigens auch Dennis Koble in irgendeiner Weise beteiligt. „Avalanche war kurz davor,
in Produktion zu gehen, Dirt Bike hat mir zu der
Zeit am meisten Aufmerksamkeit abverlangt. Für
Super Breakout habe ich das Atari-Management
erst gar nicht um Genehmigung gebeten, sondern in meiner freien Zeit daran gearbeitet. Mit
der Entwicklung habe ich irgendwann im April
1978 begonnen. Während ich auf neue Lochstreifen für Dirt Bike gewartet habe – ja, die haben wir
damals noch in das Entwicklersystem geladen
– tauschte ich die Grafik-EPROM aus und habe
Super Breakout geladen. Ich glaube, das war das
erste Mal, dass irgendjemand bei Atari an zwei
Spielen gleichzeitig gearbeitet hat.“
Ed Loggs Aussage lässt darauf schließen, dass ein Breakout-Nachfolger kein allzu
großes Thema bei Atari war. Bei dem Erfolg des
Spieles eine überraschende Erkenntnis! Super
» [ Arcade] Der
„Progressive”Modus erinnerte an
Space Invaders.
»G
ebt in der Bildersuche von
Google „atari breakout“ ein
und spielt den Klassiker im
Browser.
>>
Ich tauschte die Grafik-EPROM [von Dirt Bike]
aus und habe Super Breakout geladen. Ich
glaube, das war das erste Mal, dass jemand
bei Atari an zwei Spielen gleichzeitig
arbeitete.<< Ed Logg
Breakout war trotzdem ein guter Nachfolger, der
etwas mehr Abwechslung als das Original bot.
Anders als Breakout, für das extra eine Hardware
entwickelt wurde, wurde Super Breakout für den
6502 Mikroprozessor programmiert. Aus diesem
Grund musste Ed Logg das Programm von
Grund auf neu schreiben und konnte nichts aus
dem Original übernehmen.
Super Breakout enthielt drei Spiel­
modi. In „Double Breakout” gab es zweimal
vier Blockreihen am oberen Bildschirmrand.
Zwei Bälle befanden sich im Spiel, die man mit
zwei übereinanderliegenden Schlägern gegen
die Blöcke brettern musste. In „Captivity“ galt
es, zwei zusätzliche Bälle, die in den Blöcken
eingesperrt waren, zu befreien. Waren zwei Bälle
im Spiel, gab es auch die doppelten Punkte, und
bei drei die dreifachen. Der letzte Spielmodus
nannte sich „Progressive“ und erinnerte an
Space Invaders. Zwei Blockreihen kamen auf die
Schläger-Plattform zu und wurden mit der Zeit
immer schneller. Laut Ed Logg waren ursprüng-
lich sogar sechs Modi geplant. „Neben den drei
im Spiel enthaltenen Varianten sollte es noch
drei mit einem vertikalen Level-Aufbau geben.
Meine Idee war es, zwei Versionen des Spiels mit
jeweils drei Spielmodi zu veröffentlichen. In den
Praxistests kamen aber nur drei der sechs gut bei
den Probekunden an, und so wurden die anderen
nie veröffentlicht. Die Entwickler von Arkanoid
scheinen sich von meinem ursprünglichen Plan
etwas abgeschaut zu haben.“
Wer kam eigentlich auf die verschiedenen Spielmodi? Ed Logg zufolge hat ein AtariMitarbeiter (er glaubt, es war Owen Rubin) mit
Nolan Bushnell gesprochen. Daraus ergaben
sich die Ideen. „Das Gespräch drehte sich um
mehrere Bälle, mehrere Pattformen, einen vertikalen Level-Aufbau und so weiter. In manchen
Breakout-Klonen für das Atari 2600 (VCS) konnte
man mehrere Plattformen steuern. Womöglich
war das eine Inspiration.“
Wie bereits erwähnt, basierte das Original
auf der Sportart Racquetball. Aufgrund eines
Marketing-Schachzugs von Atari drehte sich
die veröffentlichte Version aber um eine andere
Thematik. Es wurde laut Hintergrundstory nicht
virtuelles Racquetball gespielt, vielmehr zerstörten die Spieler Mauersteine, um aus einem
Gefängnis auszubrechen! Umso skurriler ist es
angesichts dieses Marketing-Drehs, dass Ed
Logg bei der Entwicklung des Nachfolgers beinahe wirklich mit dem Gesetz in Konflikt geraten
wäre. Und das kam so …
„Nach dem Praxistest in den Spielhallen
durften Atari-Mitarbeiter den Prototyp des Spiels
kaufen und nach Hause nehmen“, erinnert sich
» [ Atari 2600] Natürlich wurde Breakout auf
die Heimkonsolen portiert.
RETRO GAMER 1/2014 | 57
HISTORIE: BREAKOUT
» [ iOS] Breakout Boost bietet Power-ups im Arkanoid-Stil.
Logg. „Im Fall von Super Breakout habe ich das
getan. Die Entwickler in einer Abteilung bei Atari
wollten jedoch ein VCS-Spiel basierend auf dem
Spiel entwickeln. Also habe ich ihnen den Automaten ausgeliehen. Einige Monate später habe
ich ihn dann wieder nach Hause mitgenommen.
Es war, glaube ich, an einem Freitag. Als ich in der
folgenden Woche ins Büro gekommen bin, sagte
mir jemand, dass der Automat gestohlen worden
sei. Ich erklärte, dass ich den Spielautomaten
mitgenommen hatte, es war ja schließlich meiner.
Die Entwickler der VCS-Version wollten das aber
nicht wahrhaben und haben behauptet, dass der
Automat ihnen gehöre. Die Situation hat sich später geklärt, nur wie, weiß ich nicht mehr genau.“
Nach Super Breakout wurde es für lange
Zeit ruhig um die Serie. Zahlreiche BreakoutKlone hielten das Interesse der Spieler jedoch
aufrecht, bis endlich ein weiterer Teil herauskam:
Breakout 2000. Das war neben Missile Command
und Tempest einer der wenigen Arcade-Klassiker,
der seinen Weg auf Ataris ziemlich erfolglose
Jaguar-Konsole fand. Entwickelt wurde das Spiel
von L4 Software und Telegames. Ein paar Ideen
wurden Taitos Arkanoid entliehen.
Es gab zwei Spielmodi: Classic und Breakout 2000. Ersterer war im Grunde ein Remake
des Originals, Letzterer ein kunterbuntes Update,
das mit einer geneigten Kameraperspektive ein
Bisschen an Klax erinnerte. In Breakout 2000
konntet ihr allerlei Gegenstände aufsammeln, die
beispielswiese die Geschwindigkeit des Balles
oder die Größe eures Schlägers beeinflussten.
Zum ersten Mal konnten zwei Spieler gleichzeitig
gegeneinander antreten. Wie beim Tennis war
es möglich, den Ball ins gegnerische Spielfeld zu
schlagen. Enttäuschend fiel die Steuerung aus,
die einfach nicht so direkt war wie beim Original.
Heute ist das Spiel nur noch schwer zu finden
und deshalb ein beliebtes Sammlerstück.
>>
[Wozniaks Breakout] wurde erst veroffentlicht,
nachdem die Hardware umgebaut wurde und
>normale< Entwickler sie verstehen, zusammenbauen und testen konnten. Die Anzahl der
Chips stieg von 20 auf 100.<< Allan Alcorn
Im Jahr 2000 veröffentlichte Hasbro ein
Spiel mit dem Titel Breakout. Es handelte sich dabei um eine Neuauflage in 3D und mit Plattformer-Elementen. Mitte der neunziger Jahre hatte
Hasbro Atari zahlreiche Marken abgekauft. Der
Spielwarenhersteller veröffentlichte anschließend viele Spielhallenklassiker in aktueller 3DGrafik, unter anderem Pong, Centipede, Missile
Command und eben auch Breakout. Supersonic
Software entwickelte die Version und veröffentlichte sie auf der PlayStation, dem PC und dem
Mac. Es erinnerte an ein Adventure-Spiel im
bunten Cartoon-Look und übernahm die Kameraperspektive aus Breakout 2000. Hasbros Spiel
verband zudem die altbekannte Spielmechanik
mit einer Handlung.
In der Rolle von Bouncer – so hieß die
bewegliche Plattform – mussten Spieler aus dem
Gefängnis fliehen. Eine böse Plattform (!) hatte
sie dort eingesperrt. Zugegeben, tiefgründig
war die Geschichte nicht, das Spiel entwickelte
dadurch aber einen gewissen Charme, zumal
die Levels thematisch daran ausgerichtet waren.
Unter anderem dienten ein düsteres Gefängnis,
ein Schloss und ein Bauernhof mit besessenen
Hühnern als Schauplätze. Der Titel enthielt MiniSpiele (in einem flüchtete Bouncer vor einem
Wolf und bewegte sich auf die Kamera zu, ein
heute gerne verwendetes Stilmittel in Spielen
wie Uncharted), Bosskämpfe und unterschiedliche Schussarten. Ihr konntet den Ball anschneiden und mit Hilfe der Schultertasten den
Aufschlagwinkel ändern.
Die aktuellste Veröffentlichung in der
Breakout-Serie ist das iOS-Spiel Breakout Boost.
Ihr benötigt dafür nur einen Finger, was sich fast
schon so komfortabel anfühlt wie die Steuerung
des Originals. Boost ist eine gute Version für
unterwegs und bietet ein paar neue Features.
Wenn ihr bestimmte Blöcke zerstört, regnet es
kleine Kapseln mit Extrapunkten, und Power-ups
gibt es auch. Mit einem Schieberegler beeinflusst
ihr die Geschwindigkeit des Balls – je schneller er
sich bewegt, desto mehr Punkte erhaltet ihr. Die
In-App-Käufe stören dagegen. Nur 15 Levels sind
kostenlos erhältlich. Map Packs mit 50 bis 80 neuen Levels kosten jeweils 99 Cent. Außerdem wird
immer wieder nervige Werbung eingeblendet.
Das ist also die Historie von Breakout.
Was aus Wozniak und Jobs wurde, ist Geschich-
» [PlayStation] Breakout bot auf der
Sony-Konsole einen Story-Modus.
DAS PONG-ERBE
» [ Jaguar] Breakout 2000 unterschied sich deutlich vom Original.
» [ Jaguar] Einer der wenigen ArcadeKlassiker für Ataris Konsole.
te: Kurz vor dem Release von Breakout im Jahr
1976 gründeten die beiden zusammen mit
Ronald Wayne (ein Arbeitskollege von Jobs bei
Atari) Apple Computer. Mit der Veröffentlichung
des Apple I begann der rasante Aufstieg des Unternehmens auf dem Heimcomputer-Markt. Der
Apple II war der erste massentaugliche Heimcomputer. Da Lügen bekanntlich kurze Beine
haben, erfuhr Wozniak Jahre später, dass Jobs
ihm nicht die ganze Wahrheit über die Entlohnung bei der Entwicklung von Breakout gesagt
hatte. Wozniak verkündete daraufhin, dass er
Off The Wall
Spielfeld um 90 Grad.
Spieler schlugen den Ball
über ein Netz in der Mitte
des Bildschirms. Es wurde
auch als Pong-Upgrade
veröffentlicht.
die Tennis-Version von Rebound und basierte natürlich
auch auf dem Spielkonzept von
Bushnell. Entwickelt wurde es
von Bally-Sente. Ihr konntet
den Schlagarm wechseln.
■ Off The Wall war im Grunde
Spike
Hit, sondern diente unter anderem Tomohiro Nishikado
bei der Entwicklung von Space Invaders als Inspiration.
58 | RETRO GAMER 1/2014
Jobs das Geld gerne überlassen hätte, wenn ihn
dieser nur gefragt hätte.
Imitationen von erfolgreichen Spielen gehörten in den Anfangsjahren der Spiele-Industrie
einfach dazu. Breakout ist ein sehr gutes Beispiel
dafür. Schließlich ist es selbst „nur“ eine PongVariante – und dennoch erschienen zahlreiche
Klone und ein paar offizielle Nachfolger dazu. Es
verwendet eines der simpelsten Spielkonzepte
überhaupt und stellt unter Beweis, dass sich
gerade die einfachsten Ideen zu einem
absoluten Hit entwickeln können.
ursprünglich vor, eine Handheld-Version von Super
Breakout (zusammen mit Umsetzungen von
Touch Me und Pin It) zu veröffentlichen. Es wird
davon ausgegangen, dass heute lediglich zwei
Prototypen des eingestellten Spieles existieren.
Zwei Breakout-Fassungen waren auf Ataris VideoPinball-Konsole aus dem Jahr 1978 vorinstalliert.
Super Breakout wurde zusammen mit dem
Atari 5200 ausgeliefert. Aufgrund des analogen
Controllers war diese Version quasi unspielbar.
Der erste exakte Port des Breakout-AutomatenSpieles stammt von Martin Goldberg. Das Spiel
wurde zusammen mit dem Kinder-Menü der
amerikanischen Fast-Food-Kette Taco Bell vertrieben. Warum nicht die Atari-2600-Version die erste
Portierung war? Diese Fassung wurde nicht direkt
umgesetzt, sondern von Grund auf neu entwickelt.
Rebound
Off The Wall
■ Der Rebound-Klon
■ Breakout entwickelte sich nicht nur selbst zu einem
■ Nach dem Erfolg von Breakout hatte Atari
Nach dem Erfolg von Pong sind zahlreiche Varianten des Spielprinzips erschienen. Hier einige Beispiele.
■ Rebound drehte das
Breakout
MEHR BREAKOUTUMSETZUNGEN
stammt von Ataris inoffiziellem Tochterunternehmen
Kee Games. Neu war eine
Taste, mit der Spieler einen
besonders starken Schlag
ausführen konnte.
Puppy Pong / Dr. Pong
■ Die kostenlos spielbare Version von Pong war für die
Wartezimmer in Kinderarztpraxen gedacht. Eine clevere
Strategie, Kinder und ihre Eltern an Pong heranzuführen.
■ Dieser Titel hat nichts mit
dem Spiel von Bally-Sente zu
tun. Es handelt sich um eine Mischung aus Breakout und Klax.
Mit dem Ball räumt ihr euch
den Weg zum Ausgang frei.
RETRO GAMER 1/2014 | 59
HISTORIE: BREAKOUT
Breakout
klone
Vier offizielle
Nachfolger sind zu
Breakout erschienen.
Die Zahl der Klone
ist bei weitem
grosser. Hier sind
die 14 besten.
TRAZ (1988)
QUESTER (1987)
■ Dieser Breakout-Klon ist voll-
■ Quester ist Namcos Arkanoid. Es war ver-
gestopft mit besonderen Features.
Die Power-ups und Feinde variieren
je nachdem, in welchem der 64
Levels ihr euch befindet. Zudem
kontrolliert ihr gleich mehrere Plattformen. Mit Hilfe des Level-Editors
baut ihr eure eigenen Levels.
dammt schwer, machte ansonsten aber nichts
großartig anders als vergleichbare Klone.
Vielleicht ist das der Grund dafür, dass das Spiel
ausschließlich in Japan veröffentlicht wurde.
WOODY POP (1987)
■ Nur in Japan ist dieses Spiel fürs Master System
HOTSHOT (1988)
erschienen – weltweit erfolgte der Release etwas
später auf dem Game Gear. Mit dem speziellen
Paddle-Controller konntet ihr euren Schläger bewegen. Die Blöcke erinnerten an Spielsachen. Wie
in Arkanoid waren Power-ups vertreten, Feinde
bewegten sich ebenfalls über das Spielfeld.
■ Dank seiner kompetitiven Komponente kam Hot-
Shot gut an. Ziel war es, die meisten Blöcke zu zerstören. Es traten entweder zwei Spieler gegeneinander
an oder einer gegen den Computer. Die fummelige
Steuerung und die öde Grafik enttäuschten.
GEE BEE (1978)
■ Es war das erste Spiel, das Namco intern entwickelte.
Der spätere Pac-Man-Erfinder Toru Iwatani zeichnete
verantwortlich und kombinierte Pinball-Elemente mit
Breakout. Ursprünglich wollte er Pinball-Automaten
entwerfen, was das Spieldesign beeinflusste.
CIRCUS (1977)
■ Der Titel von Exidy war der erste Breakout-Klon mit
ALLEYWAY (1989)
■ Es gab eine Zeit, da gab es für quasi jede Hardware einen
Breakout-Klon. Nintendos Entsprechung war Alleyway für
den Game Boy. Es handelte sich dabei um eine klare Kopie.
Das Besondere an Alleyway war, dass sich in bestimmten
Levels die Blöcke am oberen Bildschirmrand bewegten.
ARKANOID (1986)
■ Taitos eigene Breakout-Version war so erfolgreich, dass
eine ganze Serie daraus wurde. Zu den Besonderheiten
von Arkanoid gehörten Power-ups, unterschiedliche
Blockarten und Level-Layouts sowie gegnerische Raumschiffe. In den Nachfolgern kamen Bossgegner hinzu.
menschenähnlichen Charakteren. Die Blöcke wurden durch
Ballons ersetzt, als Plattform dienten zwei Figuren auf einer
Wippe. Das Spielprinzip blieb dasselbe. Für das Atari 2600
ist ein ähnliches Spiel mit dem Titel Atari Circus erschienen.
KIRBY’S BLOCK BALL (1995)
■ Kirby ist am Ball und dank der Power-ups gelingt es gleich leichter, die Blöcke zu
zerstören. Drückt ihr die A-Taste im richtigen Moment, verstärkt ihr euren Schuss. Das
Spiel hält mehrere Inseln für euch bereit, die wiederum aus mehreren Levels bestehen.
KRAKOUT (1987)
BATTY (1987)
Klon. Ihr weicht feindlichen Kamikazefliegern aus, die es
auf eure Plattform abgesehen haben. Eine interessante
Breakout-Variante, auch wenn die Perspektive nicht so
gut funktioniert wie die vertikale Sicht des Originals.
beliebt. Später wurde es als alleinstehende Version zum
Budgetpreis verkauft. Das Spiel von Elite erinnerte nicht
nur grafisch an Arkanoid. Auch nützliche Power-ups
und feindliche Flugobjekte waren in Batty vertreten.
■ Krakout ist ein horizontal ausgerichteter Breakout-
60 | RETRO GAMER 1/2014
■ Als Beilage im Magazin Your Sinclair war Batty
VORTEX (2006)
SHATTER (2009)
schon am Original beteiligt, ironischerweise
veröffentlichte Apple Jahre später aber seinen
eigenen Breakout-Klon. Das iPod-Spiel erinnerte ein wenig an Tempest, da die Levels wie
ein 3D-Zylinder aufgebaut waren. Die Eingaben
erfolgten über das Click-Rad des MP3-Players.
Arkanoid-Klon, den nicht nur seine hübsche
Retro-Grafik ausmacht. Mit der beweglichen
Plattform könnt ihr Objekte – unter anderem
euren Ball – wegblasen oder einsaugen. So
ergeben sich viele taktische Möglichkeiten. Der
tolle Soundtrack rundet die Spielerfahrung ab.
■ Steve Jobs und Steve Wozniak waren zwar
■ Das Download-Spiel Shatter ist ein guter
RETRO GAMER 1/2014 | 61
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