BMVF aktuell Zur Umsatzsteuerpflicht bei mehrstufigen
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BMVF aktuell Zur Umsatzsteuerpflicht bei mehrstufigen
Management & Wissen 3 BMVF aktuell Von Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes mittelständischer Versicherungsund Finanzmakler (BMVF) e.V. Für AssCompact greift der Verband monatlich aktuelle Themen für Makler auf. Zur Umsatzsteuerpflicht bei mehrstufigen Vermittlungsverhältnissen Die umsatzsteuerliche Behandlung von Vermittlungsleistungen im Versicherungs- und Finanzbereich sorgt weiterhin für Gesprächsstoff. Im Schreiben vom 23.06.2009 hat das BMF zuletzt auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des BFH Bezug genommen und die dort ausgeführten Grundsätze für die Praxis der Finanzverwaltung ab 2010 übernommen. Einige steuerliche Berater von Vermittlungsbetrieben schlussfolgern bereits, dass Untervermittlungsverhältnisse zwangsläufig zur Umsatzsteuerpflicht führen, und sorgen so für noch mehr Unruhe bei den ohnehin verunsicherten Vermittlern. Deshalb noch einmal das Wichtigste in Kürze. Nach der Rechtsprechung des BFH gelten für die umsatzsteuerliche Behandlung von Vermittlungsleistungen der Versicherungs- und Finanzvermittler folgende Rechtsgrundsätze: April 2010 Richtlinienkonforme Auslegung des Vermittlungsbegriffs im Umsatzsteuergesetz Der Begriff der Versicherungs- und Finanzvermittlung ist im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH autonom gemeinschaftsrechtlich auszulegen. Die Mehrwertsteuerrichtlinie enthält keine allgemeine Steuerbefreiung für Vertriebsleistungen, die dem Absatz von Versicherungs- und Finanzprodukten dienen, sondern beschränkt die Steuerfreiheit auf die Vermittlung von Versicherungs- und Finanzprodukten. Auf die handelsrechtliche Beurteilung der Vermittler kommt es dabei nicht an. Für die umsatzsteuerliche Behandlung von Vermittlungsleistungen im Versicherungs- und Finanzbereich ist also nicht der handelsrechtliche Status des Vermittlers maßgeblich, sondern die Feststellung, ob die tatsächliche Tätigkeit des Vermittlers eine Vermittlung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes darstellt. Steuerfreie Vermittlungstätigkeit Unter Vermittlung ist nach der Rechtsprechung die Tätigkeit einer Mittelsperson zu verstehen, die darauf gerichtet ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, an dessen Inhalt der Vermittler kein Eigeninteresse hat. Die Mittlertätigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder über Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Gemeinsames Merkmal dieser Vermittlungstätigkeiten ist der Bezug zu einzelnen Finanz- oder Versicherungsverträgen. Die Mittlertätigkeit muss sich dabei jeweils auf ein einzelnes Geschäft beziehen, das vermittelt werden soll. Wesentliche Elemente der steuerfreien Vermittlung von Versicherungs- und Finanzprodukten sind also die Tätigkeit, Kunden zu suchen und diese mit Produktanbietern zusammenzubringen, und der konkrete Bezug der Tätigkeit auf ein Geschäft, das vermittelt werden soll. Steuerpflichtige „Backoffice“-Tätigkeiten Demgegenüber sind Leistungen, die keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu dienen, als Subunternehmer den Versicherer bei den ihm selbst obliegenden Aufgaben zu unterstützen, ohne Vertragsbeziehungen zu den Versicherten zu unterhalten, nicht steuerfrei. Dies gilt etwa für sog. „Backoffice“-Tätigkeiten wie z. B. die Festsetzung und Auszahlung der Provisionen der 4 Es ist auch nicht erforderlich, dass zwischen dem Vermittler und einer der Vertragsparteien ein Vertragsverhältnis (z. B. Maklerauftrag oder Handelsvertretervertrag) besteht. Daher könnten auch Untervermittler ohne unmittelbare Beauftragung durch eine der Vertragsparteien umsatzsteuerfreie Vermittlungsleistungen erbringen, solange eine mittelbare Verbindung zu einem anderen besteht, der selbst in unmittelbarer Verbindung zu einer Vertragspartei steht und die dargestellten Grundsätze zum arbeitsteiligen Zusammenwirken beachtet werden. Fazit Grundsätzlich bleibt es wie bisher bei der Umsatzsteuerfreiheit von Vermittlungscourtagen und -provisionen. Auch der in der Praxis übliche Einsatz von UntervermittArbeitsteiliges Zusammenwirken lern (Handelsvertretern) in Vermittlerbüros wird keine Die Unterscheidung zwischen umsatzsteuerfreier VermittUmsatzsteuerpflicht zur Folge haben. In der Regel reichen Untervermittler Anträge auf Abschluss oder Ändelung und umsatzsteuerpflichtiger Backoffice-Tätigkeit wirft die Frage auf, ob die gesamten Tätigkeiten der Versi- rung von Versicherungsverträgen bei einem Versichecherungs- und Finanzvermittler nun entsprechend in umrungsmakler oder einem anderen Obervermittler ein. Dieser prüft und bearbeitet satzsteuerfreie und umsatzsteuerpflichtige Bereiche aufgeteilt den Antrag und reicht ihn an den Versicherer weiter. In diesen und getrennt erfasst werden Fällen ist den Voraussetzungen müssen. Dies ist nach der Rechtsprechung nur dann der Fall, der Entscheidung des BFH gewenn der jeweiligen (grundsätznüge getan. Jeder Vermittlungslich umsatzsteuerpflichtigen) betrieb ist gut beraten, die interne Ablauforganisation Tätigkeit der konkrete Bezug zur und die bestehenden VermittVermittlung eines Versicherungs- oder Finanzprodukts lungs- oder Kooperationsverträge zu prüfen und ggfs. den fehlt (Bsp.: Vertreter übernimmt für Versicherer Provisionsabdargestellten Erfordernissen (generelle Möglichkeit der rechnungen für fremde Vermittler). Es ist nämlich auch zulässig, Die Backoffice-Tätigkeit bleibt bei sog. arbeitsteiligem Zusammenwirken Einflussnahme auf jedes eindie (steuerfreie) Vermittlungstä- steuerfrei. gereichte Geschäft) anzupassen. tigkeit in verschiedene Dienstleistungen so aufzuteilen, dass jeder Mitwirkende einen Risiken bestehen eher für Strukturvertriebe und Pools, Teil der Vermittlungstätigkeit übernimmt (sog. arbeitsteiwenn und soweit sie selbst oder Untervermittler (auch) liges Zusammenwirken). Dann bleibt auch die Backoffice- für die Administration der Vertriebsorganisation Tätigkeit steuerfrei, wenn und soweit sie einen konkreten Provisionseinnahmen erzielen, ohne an der konkreten Bezug zu einer Vermittlungstätigkeit aufweist (Beispiel: einzelfallbezogenen Mittlertätigkeit beteiligt zu sein. Vermittler übernimmt Provisionsabrechnung seiner Unter- Provisionseinnahmen bleiben nur steuerfrei, wenn vermittler, die das Geschäft über ihn abgewickelt haben). gewährleistet wird, dass auf jeder Stufe der VermittlungsMaßgebliches Kriterium für den konkreten Bezug zu einer kette auch Vermittlungsleistungen erbracht werden. Vermittlungstätigkeit ist nach der Rechtsprechung die Das setzt voraus, dass auf jeder Stufe organisatorisch Möglichkeit des Unternehmers, der die jeweilige die Möglichkeit besteht, durch eine Einzelfallprüfung Backoffice-Tätigkeit übernimmt, durch Prüfung eines jeden eines Vermittlungsvorgangs mittelbar auf eine der Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien Vertragsparteien einzuwirken. Ob technische Systeme einwirken zu können. Dafür reicht es aus, dass die Mögausreichen, um die Möglichkeit des Einwirkens auf lichkeit besteht, eine solche Prüfung im Einzelfall durcheine Vertragspartei darzustellen, kann noch nicht zuführen. Solange der Vermittler gewährleistet, dass bei beurteilt werden. Derartige Systeme werden an Sinn arbeitsteiligem Zusammenwirken mit anderen (Ober- und Zweck der Gesetzesvorschriften gemessen. Ob die oder Untervermittlern) die generelle Möglichkeit besteht, getroffenen Maßnahmen ausreichen, um Umsatzsteuer zu vermeiden, werden am Ende nur Betriebsprüfungen auf jedes Geschäft Einfluss zu nehmen, bleiben auch die im Zusammenhang mit der Vermittlung erbrachten und finanzgerichtliche Entscheidungen beantworten können. W Backoffice-Leistungen umsatzsteuerfrei. Management & Wissen Steuerfreie Untervermittlung April 2010 Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter. Demgemäß sind die Tätigkeit eines Schadenabwicklers, der sich mit Schadensmeldungen, Kundenanfragen, der Regulierung von Schäden und Begutachtung vor Ort befasst, die Tätigkeit eines Werbeagenten, der Kundendaten zur Vorbereitung eines Versicherungsabschlusses erhebt oder die Tätigkeit eines „Overhead-Handelsvertreters“, der Betreuungs-, Schulungs- und Überwachungsleistungen erbringt, nach der Rechtssprechung des BFH nicht steuerfrei. Zur Begründung wird noch einmal hervorgehoben, dass das Umsatzsteuergesetz keine allgemeine Steuerbefreiung für alle Vertriebsleistungen enthalte, die dem Absatz von Versicherungs- und Finanzprodukten dienen, sondern nur die Vermittlung von Finanzdienstleistungen steuerfrei stelle.