Hausgeburt? Ja, sicher!

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Hausgeburt? Ja, sicher!
Presseinformationen zur Tagung des BfHD e. V.
Hausgeburt? Ja, sicher!
Frankfurt, 9. und 10. Juni 2005
Ein Hintergrund-Artikel darüber, wie Frauen/Paare den Geburtsort ihres Kindes wählen
Home is where the heart is Entscheidungswege für einen ‘anderen’ Ort der Geburt
Von Jutta Ott-Gmelch, Redaktion „Hebammen-info“ und Hausgeburtshebamme, Frankfurt/Main
Vor mehr als 17 Jahren nahmen eine befreundete Kollegin und ich – damals noch
Hebammenschülerinnen, kurz vor dem Examen – am ersten Weltkongress für Hausgeburten in
London teil. Wahrscheinlich spreche ich nicht nur für mich, wenn ich betone, was dies für eine
„kleine Hebammenschülerin“, die sich tagtäglich durch den ihrem persönlichen Verständnis, wie
Menschenkinder auf dieser Welt empfangen werden sollten, völlig zuwider laufenden Uniklinikalltag
quälen musste, wirklich bedeutete. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon die gesamte
gynäkologische und geburtshilfliche Praxis der Klinik durchlaufen, viele Stunden Theorie gehört
und – welch ein Quell an Inspiration und Bestätigung! – auch schon ein vierwöchiges Externat
durchlaufen.
Obschon unsere Tätigkeit im Kreissaal von einer extrem hohem Interventions- und
Dammschnittrate geprägt war und fast jeder Frau eine Periduralanästhesie nahegelegt wurde,
hatten wir uns auf wundersame Weise eine Idee und Vision bewahrt: es einmal anders zu machen.
Viel Respekt vor den Frauen, vor ihren – meist lang unterdrückten - Instinkten und physischen und
psychischen Kompetenzen und meine innere Überzeugung, dass eine andere Geburtshilfe möglich
sei, führten dazu, dass ich seit meinem Examen vor 17 Jahren Geburten am für mich
selbstverständlichsten Ort begleite: zuhause, als zurückhaltender und unterstützender Gast der
Gebärenden, fachliches Wissen und handwerkliche Fertigkeiten bereithaltend, falls diese wirklich
benötigt werden.
Dies nur als Vorbemerkung, denn ich möchte mich in meinem Beitrag auf die Beweggründe zur
Entscheidung der schwangeren Frauen, vorrangig derer die sich für eine Hausgeburt entscheiden,
konzentrieren.
Je mehr ich mich in den letzten Wochen in die Frage, was Frauen bei ihrer Entscheidung für eine
außerklinische Geburt bewegt und trägt, vertieft habe, desto mehr wurde mir bewusst, wie wenig
„Entscheidung“ ein individueller und „selbstbestimmter“ Prozeß ist. Dazu empfehlt es sich, sich
nochmals oder wieder mit dem Begriff „Selbstbestimmung“ zu befassen, u.a. bietet das INFO Nr. 32004 dazu einiges an Material.
Beruht der gewählte ‚Ort der Geburt’ wirklich auf einer bewussten Entscheidung?
Eine Entscheidung zu treffen, bedeutet m.E. einen Algorhythmus intrapsychischer Prozesse auf
Basis unserer genetischen Ausstattung, unserer frühen Prägungen und Sozialisationen sowie
persönlicher Kenntnisse und Erfahrungen zu durchlaufen. Dies heißt vereinfacht, Entscheidungen
werden nicht, genauso wenig wie Selbstbestimmung, aus der Person an sich „unbeeinflusst und
frei“ generiert. Sie entstehen dagegen aus einer inneren Auseinandersetzung mit dem Für- und
Wieder, einer Kosten-Nutzen-Rechnung und zu einem großen Teil daraus, was wir als Einzelne in
einem gesellschaftlichen Kontext als „normal“, „sicher“ und angemessen betrachten.
Wenn wir die Grundvoraussetzungen betrachten, denen wir als Frauen in unserem Land mehr oder
minder alle unterworfen sind, erhellen sich die Beweggründe der Frauen für die Wahl eines
bestimmten Ortes zur Geburt.
Alt, aber wahr: die normative Kraft des Faktischen
Ungefähr 98% der bundesdeutschen Geburten finden in Krankenhäusern statt. So erscheint den
meisten Frauen weniges selbstverständlicher, für sie ‚gehört’ die Geburt dorthin.
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Wenn dort in den vergangenen Jahren wohnlichere Räume in den Kreissälen eingerichtet wurden
und sich – aufgrund einer sich verschärfenden Markt-Situation durch zurückgehende
Geburtenzahlen konkurrierenden Häuser – kundenzentrierte Dienstleistungsangebote (die Geburt
als „Event“) etabliert haben, so kann dies nicht über die Realität zunehmender invasiver
Geburtsmedizin, einer Kaiserschnitt-Rate von annähernd 30% und einer mehrheitlichen RisikoStigmatisierung bereits in der Schwangerschaft hinwegtäuschen. Wie in bekannten Studien
nachgewiesen, erleben unter 10% der Frauen eine Geburt ohne medizinische Eingriffe – im
Umkehrschluss bedeutet dies für eine Erstgebärende, dass sie umgeben ist von verunsicherten
Schwangeren‚ ‚risikoerfahrenen’ und bei der Geburt körperlich und seelisch verletzten Frauen in
ihrem Bekannten- und Verwandtenkreis. Ihre Mütter erzählen eher Horrorgeschichten als von
guten Geburten, Freundinnen bangen sich durch ihre Schwangerschaft und die Medien verbreiten
die Kunde von gefährlicher Schwangerschaft, jungen Frauen, die von attraktiven Schwangeren
durch die Wehen zu um-Erlösung-wimmernden-Leidenden mutieren und von vorgeblich
glücklichen, prominenten „Wunschkaiserschnitt“-Müttern. Auf mehreren Sendern wird in
Vormittags-Soaps der Blick tief in den geöffneten Bauch zelebriert, und noch immer sehen wir viel
öfter Neugeborene mit Schnullern und künstlicher Flaschennahrung als wohlig an der Brust.
Nur ein kurzer Gedanke: eine heute 20 bis 35 jährige Schwangere wurde selbst in einer Zeit von
großzügiger Valium-Verabreichung an die Mütter (bei vorzeitigen Wehen, etc.), zunehmenden
Ultraschalls, hoher Rate an medikamentöser Wehenhemmung, dem Siegeszug der
Fruchtwasseruntersuchung, programmierten Geburten, willkürlichen Einleitungen, freigiebiger
Schmerz- und Wehenmittelgabe, Anästhesie, routinemäßigem Dammschnitt, selbstverständlichem
„Zufüttern“ des Neugeborenen und dergleichen geboren und hat dies in ihrer Kindheit und Jugend
immer wieder als „normal“ erlebt.
Kaum eine Frau im Gebäralter macht die Erfahrung, dass Kinder an einem anderen Ort als im
Krankenhaus zur Welt kommen können.
Feminismus und frauenbewegte, gesellschafts- und medizinkritische Gedanken erscheinen jungen
Frauen nicht nur verstaubt, sie werden, wenn überhaupt noch bekannt, als Lila-Latzhosen-Zeit
belächelt. Die wenigen jungen Frauen, die mithilfe sozial engagierter und/oder ökologisch bewegter
Eltern eine kritischere Haltung einnehmen, haben einen schweren Stand.
Medizinisch optimal zu managende Körpervorgänge ?
In einem Land mit einer so etablierten Verankerung von Schwangerenvorsorge und Geburtshilfe
als medizinisch zu managenden Lebensphasen und einer Gesellschaft, die das Wort
„Selbstbestimmung“ überwiegend als Recht zum Konsum von Waren und Dienstleistungen, auch
und gerade am und mit dem eigenen Körper betrachtet, fällt die Bereitschaft, Kinderkriegen als
aktive „Leistung“ der Frau zu akzeptieren.
Auf der Basis von vordergründig enttabuisierter und freier Sexualität, gesteuerter Fruchtbarkeit
(Verhütung wie künstliche Befruchtung) und der scheinbar einfachen „Verschönerung“ und
Manipulation des Körpers, entstand bei vielen Frauen die Vorstellung, jeder Lebensvorgang sei
kontrollierbar, jeder Schmerz und jedes negative Gefühl vermeidbar.
Allein gegen den Strom
Frauen, die sich bewusst gegen den gesellschaftlichen Trend für eine aktive, selbstbestimmte
Geburt in Eigenverantwortung und an einem nicht medizindominierten Ort entscheiden, müssen
schnell erfahren, dass sie Außenseiterinnen sind. Ihnen wird nicht nur mit mehr oder weniger
sachlichen Begründungen abgeraten, sondern es wird vielfach Druck ausgeübt und es wird ihnen
Verantwortungslosigkeit ihrem Kind gegenüber vorgeworfen. Diese Haltung treibt teils sonderbare
Blüten: eine Frau erzählte mir, dass ihre Mutter ihr vorwarf, wenn sie keine
Fruchtwasseruntersuchung machen ließe, würde sie „dem Kind schaden“, denn dann wüsste sie
„ja nicht, ob alles dran ist“ – interessante Logik, die die Sorge darüber ausdrückt, ob dem Kind
eventuell die Möglichkeit, abgetrieben zu werden, vorenthalten würde!
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So brauchen Frauen schon eine gehörige Portion Selbstvertrauen, gute und fundierte
Informationen außerhalb der von Lobbyisten gestreuten Thesen („Kaiserschnitt schont Kind!“, und
andere Unsäglichkeiten), ein gesundes und gestärktes Körpergefühl und die Bereitschaft, sich auf
eine neue, weder vorhersagbare, noch zu erlernende und schon gar nicht willentlich zu
kontrollierende Grenz-Erfahrung einzulassen. Und sie brauchen noch etwas, was häufig
unterschätzt wird: einen ‚geeigneten’ Partner.
Der Partner als wesentlicher Entscheidungsträger
Wenn wir über Entscheidungswege von Frauen nachdenken, die nicht den üblichen Weg der
Geburtshilfe beschreiten wollen, wird oft der Einfluss und die Macht des Partners vergessen.
Manche Frau, die für sich sehr klar in der Entscheidung war, zuhause zu gebären, wird vom
Partner direkt oder indirekt gedrängt, sich besser dem Medizinsystem zu überlassen. Viele Männer
haben eine tiefliegende Angst vor weiblichen Körpervorgängen, besonders vor etwas so Extremem
wie dem Gebären.
Neben der bei Männern genauso wirkenden Sozialisation, sehen sich Männer weiteren
Schwierigkeiten ausgesetzt: vielen fällt es schwer, die Partnerin in der massiven physischen wie
psychischen Veränderung durch die Schwangerschaft zu erleben und zu akzeptieren. Der sich
wandelnde Körper, die Bedürftigkeit der Frau nach Sicherheit, Zuverlässigkeit, Verbindlichkeit und
Liebe überfordern oder bedrohen manchen Mann, viele ahnen in der unausweichlich
näherrückenden Geburt die Veränderung, - der Beziehung, der Frau, des gesamten Lebens.
Nur zu verständlich, dass einige Männer da wenigstens einen kleinen Aufschub der steigenden
Erwartungen an sich wünschen: lieber keine ambulante Geburt, bitte nicht die Verantwortung für
Mutter, Kind und Haushalt tragen müssen, gleich von Anfang an! Nicht auch noch eine
Hausgeburt! – mit all den Erwartungen und Ansprüchen der Partnerin und den vielen
Alltagsaufgaben zuhause...
Nicht zuletzt fällt es vielen Männern schwer, sich ihre Partnerin unter Wehen vorzustellen, mit –
von ihm im übertragenen Sinne auch – auszuhaltenden Schmerzen, möglicherweise konfrontiert
mit tief verborgenen eigenen Erfahrungen und Ängsten. Ein Mann, dessen Frau gerne zuhause
gebären möchte oder zumindest ambulant im Geburtshaus ohne die irgendwie Sicherheit, Halt und
Trost versprechenden „Spielsachen“ und „Fetische“ moderner Medizin, ist sich offensichtlich sehr
genau seiner größeren Verantwortung bewusst. Selbstverständlich beruhigt einen Menschen, der
sich mit einer nie da gewesenen Situation konfrontiert sieht, die Anwesenheit von mehr Fachleuten
und die Verfügbarkeit von allen notfalls lebensrettenden Geräten und Medikamenten mehr, als
„nur“ seine Frau, von der er nicht weiß, wie sie die Geburt meistern wird, und der (einzigen)
Hebamme, die weder OP-Team noch Kinderarzt ersetzen kann.
Dies erscheint mir als ein sehr wichtiger Punkt, den es unbedingt zu beachten gilt: wie sicher und
entschieden die Frau in ihrer Wahl des Geburtsortes sein mag, wenn ihr Partner diese
Entscheidung nicht voll mitträgt, könnte dies eine (vermeidbare!) Quelle von Komplikationen sein.
Was macht die Besonderheit des nicht-klinischen Geburtsortes aus?
‚Zuhause’ ist der Ort von Entspannung und Geborgenheit
Auf eben jener Tagung in London sprach eine englische Kollegin über das eigene Zuhause der
Frau als den Ort, an dem „das Herz lebt“. Heim oder Zuhause bedeuten soviel mehr als nur ein
Dach über dem Kopf, Heizung und eigenen Herd. Daheim fühlen wir uns dort, wo wir ungestört
sind, wo wir ganz sein können, wie wir sind, wo wir keine fremden Erwartungen erfüllen müssen,
wo wir nach eigenem Gusto, Zeitrhythmus und Geschmack leben können. Unser Zuhause ist der
einzige Ort, an dem wir unserer Persönlichkeit komplett freien Raum geben können, zumindest im
Rahmen unserer räumlichen und finanziellen Möglichkeiten.
Dies beginnt mit recht geringen, jedoch nicht zu unterschätzenden Dingen wie dem eigenen Bett,
der Einrichtung nach eigenem Geschmack, den vertrauten Gerüchen der Wohnung, dem eigenen
Bad- und Toilettenbereich, der Küche, in der die Lieblingsspeisen und –Getränke
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selbstverständlich vorhanden sind. Es ist der Platz, an dem wir uns gesund, ganz „normal“ und auf
gänzlich unaufgeregte Weise im Alltag eingebunden und kompetent fühlen können. Im Gegensatz
zu einem Klinikkreissaal oder ebenso zu einem meist wesentlich wohnlicher eingerichteten
Gebärzimmer in einem Geburtshaus, vermittelt die eigene Wohnung der Gebärenden und späteren
Wöchnerin die Sicherheit und Geborgenheit entspannend-banaler Normalität: ein Ort zum Leben,
Schlafen, Essen, Arbeiten, Erholen, Träumen, Lieben, Zeugen, Gebären und am Ende des Lebens
auch zum Sterben.
Das intensive Erleben von „Sich-Öffnen“ und „Verletzlich Sein“, das mit der Geburt einhergeht, der
unausweichliche Kontrollverlust des unbeeinflussten Gebärens, diese Urgewalten, die sich für die
meisten Frauen mit der Geburt das erste Mal im Leben so durchdringend zeigen, verlangen nach
einem geschützten Raum, mit Menschen, die diese Vorgänge schätzen und schützen, nicht stören.
Wo könnte dies besser gelingen, als an unserem ureigensten Platz?
Mein Ort
Dieses tiefe Grundgefühl, „dies ist mein Ort“, trägt zu einer intensiven physiologischen
Entspannung bei, stärkt die Persönlichkeit, lässt Umgebungs- und Interventions- bedingte Ängste
erst gar nicht entstehen, vermeidet Fremdheit, ermöglicht Kontakt, Bindung und Rückzug und
schafft die so wichtige „Privatheit“ („Privacy“ im Englischen, von Odent geprägter Begriff).
Inzwischen wissen wir aus diversen Studien, wie wohltuend und die persönliche Kompetenz
unterstützend diese Privatheit ist, die die Voraussetzung für eine optimale Hormonlage gerade in
einer physiologisch anstrengenden, jedoch gesunden und kreativen, positiven Krisensituation – der
Geburt – ist.
Selbstbild und ‚Hausrecht’
In ihrem Zuhause erlebt sich die Frau zusammen mit PartnerIn und eventuell weiteren Liebsten als
die „Chefin“, es ist ihr Bereich, ihre Wünsche und ihre Entscheidungen stehen im Mittelpunkt sachlich ausgedrückt: die Gebärende hält eine natürliche Definitionsmacht. Dies mag theoretisch
klingen, erklärt sich jedoch von selbst, wenn wir Kleinigkeiten des Geburtsablaufes vergleichen:
zuhause kann die Frau sich anziehen wie sie will (oder ausziehen!), sich frei in allen Räumen
bewegen, sie kann all ihren Bedürfnissen nachgeben, sie fühlt sich sicher, sie muss nicht darauf
achten, wie wohl an den meisten anderen Orten, nichts zu verschmutzen, nichts kaputt zu machen
oder jemanden zu stören.
Sie allein bestimmt, wer, wann dabei ist, sie entscheidet über Raumtemperatur, Duft, Stille oder
Musik, Kerzenlicht und vieles andere mehr. Sie kann in die Badewanne steigen und muss sich
nicht „schämen“, wenn erst Wasser eingelassen wurde und sie dann doch merkt nach zwei
Minuten, dass das nicht das Richtige für sie ist...
Viele Frauen äußern bei der Vorbereitung einer Hausgeburt die Angst, Nachbarn durch Stöhnen
und Schreien zu belästigen – dies ist zumeist der einzige problematische Punkt bei den sachlichen
Aspekten. Glücklicherweise zeigt sich in der Praxis, dass die meisten Nachbarn trotz des einen
oder anderen Lauts weniger als befürchtet mitbekommen vom Geburtsgeschehen.
Nur zuhause kann sie ganz sicher sein, dass nichts und niemand anderes die Aufmerksamkeit von
ihr abzieht oder dass sie sich mit einer weiteren Geburt im Nebenraum auseinandersetzen muss.
Zuhause empfindet sich der Mensch als „gesund“ und gut aufgehoben und in Zeiten von
Anstrengung, Streß oder Krankheit liegt hier der Ort, sich auszuruhen, sich beschützt zu fühlen und
sich wieder zu stärken.
Während das Zuhause ein Symbol von Autonomie, Wohlfühlen und Eigenkompetenz ist, strahlt für
viele Menschen, besonders junge, gesunde Frauen, die meist noch nie im Krankenhaus gelegen
haben, das Krankenhaus eine Atmosphäre aus, die mit Notfall, gesundheitlicher Gefährdung,
Angst, Unfall, Krankheit, Hilfsbedürftigkeit und oft Ausgeliefertsein assoziiert wird.
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Helfende als Gäste
Das Heim ist der Ort, an dem die Frau selbst das uneingeschränkte Hausrecht hat, wo die Dinge
nach ihren Vorstellungen laufen – und fremde, nicht zur Familie gehörende Menschen auch bei
großer Vertrautheit und Nähe doch immer Gäste bleiben.
Die Hebamme, die zu einer Hausgeburt aufbricht, verlässt ihr Zuhause und stellt sich
empfindungsmäßig darauf ein, sich als erwünschter Gast zu anderen Menschen, in „deren Revier“
und Kompetenzbereich zu begeben. Dies belässt nicht nur die Gebärende in ihrem vertrauten
Zuhause, sondern fokussiert die Hebamme auf den Ort, an dem die Bedürfnisse der betreuten
Familie im Mittelpunkt stehen. Das eigene Erleben als Hebamme, wenn ich das geschützte und
intime Heim Anderer betreten darf, unterscheidet sich völlig vom Selbstbild der Hebamme, die in
einer ihr vertrauten Klinik, in „ihrem“ Kreissaal eine Frau zur Betreuung aufnimmt. Erinnert sei
hierbei an die geradezu symbolische Einrichtung der „Kreissaalklingel“: die Frau steht vor der Tür
und begehrt Einlass, die Hebamme empfängt, auch bei größter Empathie, die Frau als Gast; die
Hebamme hält das „Hausrecht“ und definiert, was die Frau in Anspruch nehmen kann und darf:
Raum, Zeit, Zuwendung.
Im Geburtshaus stellt sich die Situation etwas anders dar: auch dort übt die Hebamme eine Art
„Hausrecht“ aus – sie dürfte dort vertrauter und mehr „Zuhause“-Sein als die Schwangere, die sich
immerhin meist wesentlich besser mit dem von ihr ausgesuchten Ort der Geburt vertraut gemacht
hat und dort vermutlich die meisten Hebammen schon kennt. Für eine Frau, die sich – aus welchen
Gründen auch immer – nicht vorstellen kann, zuhause zu gebären, kann das Geburtshaus im
günstigen Fall ein ‚Ersatz-Zuhause’ werden, ein Ort, der ihr gefällt, wo sie sich zurückziehen und
entspannen kann, keine Nachbarn Sorge bereiten, ihre älteren Kinder nicht gestört werden oder für
die Gebärende eine Belastung sein könnten. Manche Frauen äußern, dass der Weg zum und der
Aufenthalt im Geburtshaus für sie eine klare Markierung, vielleicht einen Initiationsweg darstellen,
„jetzt geht die Geburt los, jetzt verändert sich unser Leben“.
Diese subtilen Unterschiede zwischen der persönlichen Befindlichkeit, je nach Ort und Rolle, die
die Hebamme, bzw. die Frau einnehmen, können sich entscheidend auf den Geburtsverlauf
auswirken.
Wir können gar nicht anders, als unseren hormonalen und psychischen Grundbedingungen zu
folgen.
Bei sich bleiben oder Sich-auf-den-Weg-machen
Ein derart sensibler Vorgang wie der Geburtsbeginn, der – zumindest für Erstgebärende – mit einer
Reihe völlig neuer Körperempfindungen und Gefühle verbunden ist, kann durch einen Ortswechsel
nachhaltig gestört werden. Wir alle kennen die Situation: eine Frau kommt in der Klinik an und
berichtet, sie hätte seit einiger Zeit regelmäßig alle fünf Minuten Wehen. Diese bleiben dann infolge
des Transports und der veränderten Situation zunächst einmal einige Zeit aus. Manche Frauen
erholen sich nur schwer von dieser Unterbrechung ihrer physiologischen Abläufe und brauchen
sehr lange, bis wieder eine regelmäßige Wehentätigkeit eintritt, oder es kommt zu einem
zeitweiligen „Geburtsstillstand“, was die Invasiven unter den Hebammen und/oder ÄrztInnen
manchmal zu wohlmeinenden Maßnahmen, Medikamentengaben (selbst Homöopathie wird dabei
oft vorschnell oder ohne „strenge“ Indikation eingesetzt!) oder gar nicht so harmlosen
Anmerkungen veranlasst. Ein freundlich lächelndes „Das ist aber noch nix zum Kinderkriegen!“
oder saloppes „erst ein Zentimeter Muttermundsöffnung“ kann bei einer Frau, die möglicherweise
durch ihre Vorgeschichte oder Sozialisation belastet ist und nicht wirklich an ihre Gebärfähigkeit
glaubt, den Stress der neuen Umgebung und des – wie ich es nennen möchte – „fremden Reviers“
fatal verstärken.
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Mutter und Familie werden
Dass eine Geburt an verschiedenen Orten und mit anderen Fachleuten sehr unterschiedlich
verlaufen kann, ist weder bestreitbar noch nachweisbar. Um darüber Aussagen zu machen, ist das
Geschehen zu komplex und verläuft je nach Persönlichkeitstyp und Kompatibilität der Beteiligten
unvorhersehbar.
Ein derart vielschichtiger Prozess ist letztlich nicht wissenschaftlich erschöpfend erforschbar – aber
vielleicht muss und sollte die Geburt zu einem gewissen Teil ein „Geheimnis“ und ein Naturereignis
bleiben.
Was wir durch neuere Forschungen inzwischen sehr genau ermessen können, ist die Bedeutung,
die ein ungestörtes Bonding zwischen der Mutter und ihrem Neugeborenen hat. Erforscht ist
zudem, welch vermeintlich geringe Störungen und kurzfristige Trennungen bereits weit reichende
Folgen für die Bindung und wie ich es nennen möchte, „Synchronisation“ zwischen Mutter und Kind
(und in erweitertem Sinne durchaus mit dem Vater!) haben.
Daraus lässt sich neben der Wichtigkeit des möglichst ungestörten Geburtsablaufes ableiten, dass
die Zeit unmittelbar nach der Geburt ebenso ungestört verlaufen soll, ja geradezu muss, wenn wir
uns der Verantwortung für die Zukunft des Kindes wirklich voll bewusst sind. Ein Ort, an dem die
Geburt nicht invasiv bedroht wird, wird sicher weniger invasiv auf das Neugeborene einwirken; dies
ergibt sich bereits aus veränderten Rahmenbedingungen: es gibt Kliniken, da wird jedem Kind
gleich Fersenblut zur Blutzuckerbestimmung abgenommen, oder es werden immer noch
Augentropfen oder –Salben verabreicht, oder alle Kinder werden – mit guter Absicht! – gebadet,
was oft mit einer Trennung von der Mutter verbunden ist, u.a.
Die Erfahrung bei Hausgeburten zeigt, dass die Eltern oft die von ihnen vorher geplanten
Maßnahmen, z.B. das sofortige Bad, instinktiv unterlassen, wenn von der Hebamme keinerlei
Vorgaben gemacht werden und in Ruhe abgewartet wird und Eltern und Kind Zeit haben, sich in
Ihrem
Tempo miteinander vertraut zu machen. Da vergehen bisweilen zwei „nackige“, in Decken gehüllte
Familien-Stunden, was rein organisatorisch in den meisten Kliniken unmöglich ist.
Endlich angekommen! - das frühe Wochenbett
Zur Wahl des Geburtsortes gehört es, sich Gedanken über das Danach zu machen, was viele
werdende Eltern gern vergessen. Frauen, die die Erfahrung schon einmal gemacht haben, was es
bedeutet, den Ort der Geburt innerhalb weniger Stunden zu verlassen, wählen beim nächsten Mal
bewusst die Hausgeburt, weil sie sich nicht vorstellen können, den Geburtsort so schnell verlassen
zu müssen: der Abschied, das Anziehen, der ‚Rummel’ und Aufwand des Nachhause-Fahrens
(egal, ob aus der Klinik bei ambulanter Geburt oder aus dem Geburtshaus), der gerade nach einer
anstrengenden und kräftezehrenden Geburt schwer zu bewältigende Weg in den dritten Stock.
Viele Eltern berichten, wie glücklich sie waren, dass sie einfach Liegenbleiben konnten, nichts
mehr tun mussten, außer ihr Kind zu bewundern und sich zu ihrer wunderbaren Leistung zu
gratulieren.
Befreundete Kolleginnen, die in verschiedenen Geburtshäusern gearbeitet haben, erzählten mir
öfter davon, dass es manchen Eltern sehr schwer fällt, ihre Siebensachen und ihr Neugeborenes
ein zu packen und nach Hause zu fahren. Bei Eltern, die ich selbst nach deren Geburtshausgeburt
nachgesorgt habe, konnte ich hören, dass es offensichtlich eine besondere Verbindung zum
Geburtsort gibt, wenn dieser gemütlich war und den eigenen Wünschen entsprach: die Eltern
wollten eigentlich noch gar nicht gehen, sondern diesen ganz speziellen Ort, der durch die Geburt
seine eigene Magie erhalten hat, noch in sich nachklingen lassen.
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Wahlfreiheit schützen
Viele Aspekte, die ich benennen konnte und sicher gibt es mindestens noch einmal so viele, die
noch hinzu zufügen wären.
Geburten an anderen Orten als in der Klinik, die widersinniger Weise im Mutterpass „extern“
genannt werden, sind heute bereits selten in unserem Land. Sie nicht aussterben zu lassen und
Frauen weiterhin eine echte WAHL und ENTSCHEIDUNG für den Ort der Geburt zu ermöglichen,
ist eine dringliche Aufgabe eines Gesundheitssystems, das der Gesunderhaltung des (kleinen und
erwachsenen) Menschen mehr Wert beimessen sollte, als kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen.
Dazu brauchen wir allerdings einen Gesinnungswandel, so dass Geburt nicht länger als
medizinisches, sondern psycho-soziales und gesundes Ereignis betrachtet wird.
Artikel zur Hintergrundinformation
Volltext auf Anfrage beim BfHD erhältlich