XVI Bieflal de Flafieflco

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XVI Bieflal de Flafieflco
XVI Bienal de Flamenco
XVI Bienal de Flamenco
Ein Blog von Ralph Burkart
Veröffentlicht am 09.12.2010, von Gastautor
Sevilla - Ritmos del Alma Miguel Vargas 9. Oktober 2010, Teatro Lope de Vega, Sevilla Der Abschluss der Bienal mit Paco de
Lucia, der erstmals seit langer Zeit wieder in Sevilla ein Konzert gab, war bereits seit einem halben Jahr ausverkauft. Wir gingen
stattdessen zu Miguel Vargas. Im Vergleich zu den Tänzern, welche ich in der letzten Woche hautnah erleben durfte, war dies ein
sehr deutlicher Rückschritt. Viel Ausdruck, Tempo und eine hohe Lautstärke machen noch keinen Flamenco der Spitzenklasse.
Deshalb zurecht Off Bienal. Ich lernte die leisen Töne, die verschiedenen Klangfarben, die Musik im Flamencotanz schätzen und
vermisste sie. Entschädigt wurde ich durch den wunderbaren Gesang von Esperanza Fernandez, Miguel Vargas Frau. Sie hatte
auf der Bienal ihr eigenes Konzert, welches wir zugunsten von Rafael Campallo nicht besuchten. Ihr Gesang, insbesondere das
mit Cello und Querflöte begleitete Gelem Gelem trifft ins Herz. Leider waren sie und die Musiker während des pase graficos
unfotografierbar hinter einem feinmaschigen Netzvorhang platziert und somit von der Tanzfläche abgetrennt. Dort tanzte das sehr
junge corps de ballet sehr modern wohl auch choreographiert von der schwarzen Tänzerin Asha Thomson, die mich durch ihre
Ruhe in sich und Präsenz auf der Bühne sehr beeindruckte.
Bailar Vivir, Suite flamenca para bailaora y compañia La Moneta y Compañía 8. Oktober 2010, Teatro Lope de Vega, Sevilla
Die noch relativ junge Flamenca La Moneta scheint noch damit zu experimentieren in welche Richtung sie sich entwickeln soll. Es
gab sowohl Elemente zum Tanztheater in der von ihr choreografierten Inszenierung als auch noch viel Traditionelles, zwischen
dem sie hin und her wechselte. Am beeindruckendsten und auch in der pase grafico gezeigt die Zambra mit manton und bata de
cola im Leopardenmuster. Hier hielt sie furios ihre drei Mittänzer in Schach, was wohl sehr gut zu ihrem Temperament passt. Auch
in den weiteren Tänzen folgten sehr schöne jedoch eher klassische Flamencoposen. In der Aufführung erinnerte sie mich trotz ihres
sehr weiblichen Aussehens mit der Art ihre Hände zu bewegen ein wenig an Carmen Amaya. Hier im traditionellen Flamenco
liegt meiner Meinung nach auch ihre Stärke. Aber sie sucht nach neuen Wegen auch im Zusammenspiel mit dem Pianisten Diego
Amador.
30.11.2010 Al compás de Soler Rafael Campallo 7. Oktober 2010, Teatro Central, Sevilla Nach wunderschönem
Flamenco-Tanztheater von Eva Yerbabuena und Rafaela Carrasco nun wieder zurück zu traditionellem Flamenco. Rafael
Campallo widmete seinen Bienal Beitrag Manolo Soler. Dieser 2003 verstorbene Meister des Flamencorhythmus aus Sevilla war
in den 70er Jahren ein Tänzer, welcher sich nach seiner Karriere ebenso anerkannt dem Cajón- und Gitarrenspiel widmete.
Wieder wird das Publikum per Videoprojektion auf die Aufführung eingestimmt. Aus der Erinnerung an Soler beginnen die Musiker
und Rafael mit Palmas aus der Dunkelheit heraus. Auch später eine schöne Szene des Gedenkens. Ein einziger runder Lichtstrahl
fast senkrecht von oben hinterläßt auf dem Boden der Bühne einen hellen Kreis und wir scheinen durch dieses Loch
hinabzuschauen. Am Rand des Kreises klatschen die Schatten der Hände von Bobote (Palmas), Londro (Cante) und Rafael
Campallo den Rhythmus einer Seguirija, dem klagendsten und dramatischsten aller Flamenco palos. Mit unglaublicher Leichtigkeit
und Präzision tanzt Rafael. Dies ist nicht nur sicht-, sondern auch hörbar. Bei allen Zapateados und Drehungen ruht er magisch
geführt in seinem Gleichgewicht. Dadurch bleibt selbst in technisch schwierigsten Passagen seine ihm eigene Eleganz immer
erhalten. Er hat meiner Meinung nach auch die idealsten körperlichen Voraussetzungen für einen Flamencotänzer. Im pase grafico
wirkte er jedoch seltsam unruhig und unter Druck stehend. Ich war froh ihn der Aufführung wieder sicherer und entspannter zu
erleben. Vielleicht hat dazu das Einspielen und Eintanzen des Ensembles hinter dem Theater beigetragen. Der stählerne Deckel
diente den Musikern (Juan Campallo, Rafaels Bruder) hierbei als Rhythmusinstrument. Eine herrliche Stimmung im Abendlicht, die
aus nächster Nähe mitzuerleben mir wichtiger war als sie durch das Zücken meiner Kamera zu zerstören. Gegen Ende der
Vorstellung wurde wieder ein Video von Manolo Soler eingespielt und es wurde klar wie tief Rafael Campallo seine Hommage an
ihn empfand. Er trug den gleichen Anzug mit Weste im Stil der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Etwas übertrieben auf
mich wirkten allerdings im Schlussapplaus die Tränen und die Finger nach oben zeigende Geste.
150 gramos de pensamientos, Rafaela Carrasco 6. Oktober 2010, Teatro Central, Sevilla Gitarre und Cello hängen wie
Serranoschinken von der Decke herab und werden den Musikern vom tanzenden Kellner kredenzt. Eigenwillige Kleider kommen
in Schüsseln angerichtet auf die Bühne, wo sie Rafaela Carrasco im neutralen schwarzen Top mit Pluderhosen und weinroten
Stiefeln vor den Zuschauern zu sich nimmt. Wir genießen ein fünfgängiges Flamencomenue und mir wie auch allen anderen
schmeckt es ausgezeichnet. Nicht nur durch das vor Beginn eingespielte Video aus Rafaela Carrascos Küche spürt man: sie und
ihre Compania kochen gerne miteinander. Mit dem Gitarristen und der Musik Juan Antonio Suárez tanzten sie einfühlsam mit
Raum und Nähe spielend. Zärtlich beendeten beide ihren Tanz, indem Rafaela Carrasco den Schlussakkord an der Gitarre griff.
Auch auf das Cellospiel von José Luis López ging sie mit ihrem sehr ausdrucksvollen aber niemals übertriebenem Flamencotanz
wunderschön ein. Ebenso zum Gesang des Kochs Antonio Campos. Lediglich der Tango Argentino mit ihm war wegen des viel
zu großen Abstands beider voneinander weniger schön anzusehen. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, lassen sich Flamencas
nur sehr schwer bis gar nicht führen. Hier hätte ich Rafaela den galanten argentinischen Ober gewünscht, den ich vor Jahren in
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Buenos Aires auf einer Milonga erlebte. Dieser servierte einige Tische weiter einer Dame zunächst das gewünschte Getränk um
dann sein weißes Jacket abzulegen, sie aufzufordern und mit ihr einen wunderschönen Tango zu tanzen. Aber David Coria
lieferte als tanzender Kellner auch einen guten Gegenpart zu Rafaela Carrasco. Ihre Solonummern waren bezaubernd, der Tanz
mit der weißen bata de cola trotz der roten Stiefel einmalig. Keine wirft die Schleppe so anmutig von sich weg. Rafaela vermag
es sich in ihrem Flamenco mit einer Leichtigkeit auf ganz natürliche Weise auszudrücken. Nichts wirkt übertrieben oder hergeholt.
Im Gegenteil, ihr ist die Freude an ihrem Tanzen anzusehen.
30.11.2010 Cuando yo era...
Eva Yerbabuena Ballet Flamenco 5. Oktober 2010, Teatro de la Maestranza, Sevilla Eva Yerbabuenas Flamenco-Tanztheater ist
durchaus provokant und hinterläßt beim Zuschauer offene Fragen. Aus dem Dunkeln heraus werden zum Anfang der Vorstellung
zwei der drei auf der Bühne knienden Männer exekutiert. Wenig später beginnt sie auf der Bühne wirklich zu töpfern. Sie formt
geschickt eine Vase, die sie weich und empfindlich mit viel Hingabe von der Töpferscheibe zu lösen versucht. Augenblicke später
verliert diese ihre Form und fällt zu Boden. Auf der anderen Seite der Bühne entsteigt Eva Yerbabuena dann tanzend und
verschmiert dem Tonbad einer riesigen Schale, welche von ihrem Sänger langsam gedreht wird. Allein dies ein wunderschönes
Bild und ich bin ebenso verwundert wie überrascht, was Flamenco alles sein kann. Ähnlich geht sie mit ihren Szenen weiter. Eine
Feria wird mit riesigen Kopfmasken und an Stangen bewegten Figuren als eine Art übertriebener Karneval aufgeführt. Einleitend
dazu betrachtet sie sich in mehreren Zerrspiegeln, auf denen die Zuschauer die Tänzerin ziemlich deformiert sehen konnten. Sie
tanzte natürlich auch Flamenco und dies mit einer ihr eigenen Brillianz. Hervorzuheben hierbei ihre Fußtechnik, die nicht nur schön
zu sehen, sondern auch zu hören war. Sie vermag es die Tempi, Klang und Lautstärke zu variieren. Ihre Körperbewegungen und
die ihrer Arme und Hände sind weit vom Flamenco entfernt und dem Ausdruckstanz sehr nahe. Eine ähnliche Richtung verfolgen
die beiden Tänzer ihres Balletts, Eduardo Guerrero und Fernando Jiménez, der eine hierbei sehr pantomimisch und an Charlie
Chaplin erinnernd. Der Hahnenkampf der beiden entlarvt schonungslos Männergehabe und zeigt ebenso offen ihr tänzerisches
Können. Die Choreografie stammt komplett von Eva Yerbabuena. Ich bin sehr gespannt auf ihre weitere Entwicklung. Mit ihren
Themen und den vielen aufgeworfenen Fragen und Bildern ihrer Inszenierung erkenne ich einen großen Künstler in der Tänzerin.
Vaivenes COMPAÑÍA JAVIER BARÓN 4. Oktober 2010, Teatro Lope de Vega, Sevilla Mit Javier Baron sahen wir wieder
Flamenco auf tänzerisch höchsten Niveau. Mit zwei weiteren Tänzern, David Pérez, Antonio Molina ‘El Choro’ sowie Carmelilla
Montoya und Ana Morales, die neben ihrem eigenen Bienal Beitrag auch in Javier Barons Compania mitwirkte, war eine sehr
hohe Qualität geboten. Auch die Musiker und Sänger müssen keinen Vergleich scheuen. Beginnend mit einem Dorffest wurden in
erzählender Weise wichtige Momente auf dem Weg Javiers Barons zum Flamenco dargestellt. In diese waren immer wieder
Videosequenzen aus seiner Jugendzeit eingebunden. Am stärksten beeindruckt hat mich seine allein nur zu Gitarre und Violine auf
eine Guajira getanzte Farucca. Hier zeigte sich seine Musikalität, sein technisch perfektes Können und sein unbestrittener
Anspruch einer der Großen des aktuellen Flamencos zu sein. Selbst sein kubanischer Gitarrist konnte sich nicht mehr halten und
fing bei diesem Stück, sein Instrument spielend, zu tanzen an. Zu sehen waren auch Elemente des klassischen spanischen Tanzes,
mit denen er an seine Zeit im spanischen Nationalballett zusammen mit Antonio Gades erinnerte.
En la horma de sus zapatos Isabel Bayón Compañía Flamenca 3. Oktober 2010, Teatro Central, Sevilla Leider konnte ich dieses
pase grafico nicht besuchen, die gleichzeitige Vorstellung von Dunas war mir wichtiger. Daher hier zum 2. Mal die Bilder von Luis
Castillo, dem offiziellen Bienal Fotografen. Im ersten Teil ihrer Aufführung tanzt sie drei verschiedene Interpretationen des
Gedichtes Por tu Pie von Miguel Hernández, jede von einem anderen Choreografen. Dies war zum Teil sehr interessant, gab
jedoch wenig von ihr selbst Preis. Zu perfekt ist ihr tänzerisches Können, in dem sie gänzlich aufgeht. Mit jedem Choreografen
wechselte sie ihre Schuhe. Für die dritte Interpretation fielen diese mit einem Haufen anderer Tanzschuhe vom Bühnenhimmel. Im
zweiten Teil, bezeichnender Weise mit "en mis zapatos" betitelt, zeigt sie ihre eigenen Choreografien und wirkt erheblich
lebendiger. Leider verläßt sie hierfür den modernen Tanz des flamenco contemporaneo und schwenkt zum traditionellen
Flamencotanz zurück. Aber auch hier dominiert die technische Perfektion der ausgebildeten Balletttänzerin jeden Ausdruck. Dunas
María Pagés y Sidi Larbi Cherkaoui 2. Oktober 2010, Teatro de la Maestranza, Sevilla Um es gleich vorwegzunehmen: dies
war für mich die schönste Aufführung der 16. Bienale. María Pagés und Sidi Larbi Cherkaoui können Gefühle und Gedanken
tanzen. Zusammen sind sie in der Lage Außergewöhnliches zu schaffen, ich war begeistert. Zu Beginn bewegen sich beide in
riesige elastische Tücher gehüllt, wie zwei Dünen aufeinander zu. Sie finden und begegnen sich und tanzen unheimlich schön und
wirklich miteinander. Da konnte man Harmonie und Spannung spüren. Flamenco und modernes Tanztheater treffen hier
ausgewogen und gleichberechtigt zusammen. Ein Schattenspiel der Beiden und das Wesen des Flamencos zeigen die folgenden
Szenen. Sidis Palmas klatschenden Hände und die tanzende Shilouette Marías finden sich auf einer Ebene, dem riesigen Tuch,
dem Sand der Dünen wieder und sie spielen musikalisch wie optisch miteinander. Weiter gesteigert wird dies als Sidi den Sand
selbst zum Tanzen bringt. Mit flinken Fingern zaubert er, inspiriert von Marías Tanz, in den auf einer Glasplatte liegenden Sand
mit einfachen Linien schnelle Skizzen und Gedanken. Die beleuchtete Unterseite dieser Scheibe wird auf die Düne projiziert wo
sie sich die entstehenden Bilder mit dem tanzenden Schatten Marías verbinden. Je mehr Linien Sidi auf dem Glas zeichnet , desto
mehr ist auch von seinen Händen und seinem Gesicht auf dem Tuch zu sehen. Es schaut dann im Großformat mit malenden
Händen von der Leinwand auf Maria herab und sie kommunizieren auf diese Weise miteinander. Da die Sandkörnchen am
Rande seiner Fingerstriche nur in dünnen Schichten liegen, reflektieren sie das Licht, was zu warm leuchtenden Umrandungen einer
jeden Linie des Malers führt. So spielten Licht und Schatten in immer neuen Figuren, die der Künstler mit hoher Geschwindigkeit
und Eleganz aus den Bewegungen der Tänzerin entwickelte. War ein Thema zu Ende, einfach den Sand auf der Glasplatte
wieder glattstreichen und eine neue Inspiration weiterführen .... Einfach genial diese Zwei! Die Zuschauern im vollbesetzten Teatro
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de la Maestranza waren hell begeistert, so schnell habe ich noch kein Publikum am Ende der Vorführung auf den Beinen
gesehen. Die stehenden Ovationen hielten bestimmt mehr als zehn Minuten an. Von diesen beiden möchte ich mehr sehen,
sowohl einzeln als auch hoffentlich zusammen.
Negro como la Endrina Pedro Peña, Inés Bacán, Concha Vargas 1. Oktober 2010, Hotel Triana, Sevilla Eine traditionelle
Darbietung in der wunderbaren Freilichtatmosphäre im Innenhof des Triana Hotels. Wunderschöner Gesang von Pedro Peña und
Inés Bacán und sehr authentische aber leider sehr kurze Tanzdarbietungen von Concha Vargas. Man konnte fast meinen, eine
Großfamilie trifft sich hier nach langer Zeit wieder und ist nach dem Essen zum gemeinsamen Singen übergegangen. Ein jeder
schien die Lieder und deren Geschichten lange zu kennen, bewundert und beklatscht wurde die Art und Schönheit des Vortrags.
Es herrschte eine sehr gelöste und familiäre Stimmung wozu nicht zuletzt der große Anhang der Künstler in den ersten Reihen des
Publikums beitrug. Um hier zu sitzen, sollte man zeitig kommen und die etwas höhere Lautstärke in Kauf nehmen. Beides wird
durch Blicke, Erklärungen, Beifallsrufe und Palmas mehr als wettgemacht. Die Gitano-Familien sind nicht nur stolz auf ihre Kunst,
sie beziehen Fremde auch gerne mit ein.
30.11.2010 Puertas Adentro Compania de Flamenco Antonio el Pipa 1. Oktober 2010, Teatro Lope de Vega, Sevilla Eine gute
Inszenierung eines schönen Themas. Leider sah ich nur den 1. Teil. Es beginnt mit der Rückkehr eines Trauerzuges, welcher in sich
selbst zum Kreislauf des Lebens führt, da die Frau des trauernden Hauptdarstellers hochschwanger ist. Dieser drückt mit viel Mimik,
Gesten und auch tanzend seine Gefühle in dieser Situation aus. Später im Schaukelstuhl vor großen Fenstertüren erinnert er sich an
seine Kindheit und seine nun verstorbene Mutter zurück. Diese Erinnerungen werden auf der gegenüberliegenden Seite der Bühne
gesungen, getanzt und gespielt. Zum Abschluß tritt das zwischen diesen beiden Polen vergangene Leben in Form der sechs
Flamencotänzerinnen auf. Nicht schlecht gemacht, eigentlich aber getanztes Theater und kein Tanztheater. Das für meinen
Geschmack übertriebene Spielen Antonio el Pipas erinnerte mich an Schauspieler aus der Stummfilmzeit. Hibiki (Resonancia
este-oeste) Yoko Komatsubara 30. September 2010, Teatro de la Maestranza, Sevilla Yoko Komatsubara ist der Grund weshalb
soviele hübsche wie ambitionierte japanische Tänzerinnen in Sevilla Flamenco lernen. Sie sind auffallend diszipliniert und verfügen
meist bereits über eine abgeschlossene Tanzausbildung. Eine Flamencogruppe mit überwiegend andalusischer Beteiligung betritt
vielleicht 15 Minuten nach Kursbeginn mal den Tanzraum. Ein Kurs mit deutschen Teilnehmern steht pünktlich zur vereinbarten Zeit
in Flamencoschuhen bereit. Befinden sich jedoch japanische Flamencas im Kurs, sind diese zu diesem Zeitpunkt längst gründlichst
aufgewärmt und beeindruckend gedehnt. Selbst erlebt! Mit Hibiki zelebrierte Yoko Komatsubara das 40-jährige Bestehen ihres
Balletts auf der Bienal in Sevilla. In diesen Jahren hat sie eine Brücke zwischen zwei Kontinenten und Kulturen geschaffen.
Tatsächlich findet sich viel Ähnliches in beiden Welten, nicht nur Zapateados und japanische Trommeln. Die Inszenierung der
einzelnen Tänze lebt vom Auftreten des gesamten Corps de Balletts. Dieser ist ebenso anmutig wie auch perfekt und nutzt
choreografisch gut die sich bietenden Möglichkeiten und wirkt daher besser mit größerem Abstand. Es ist schon recht
ungewöhnlich für einen Flamencobegeisterten soviele Tänzer auf einmal zu beobachten. Leider war das Theater an diesem Abend
nur ca. zur Hälfte besetzt. Sollte dies an dem gleichzeitig stattfindenden U2-Konzert im Olympiastadion gelegen haben, sind viele
Flamencos wohl auch Fans von Bono. Falls nicht, tun sich die wahren Aficionados wohl etwas schwer mit der revueartigen
Choreografie und der teilweise konservierten Musik. Die beeindruckend geschlagenen und getanzten Trommeln hätte man noch
besser, noch kreativer für den Flamenco nutzen können. Vollkommen zurecht merkte meine Begleiterin an "Was hätten innovative
Flamencotänzer wie Andres Marin oder Israel Galvan draus gemacht!" Algo Concha Jareño 28. September 2010, Teatro
Central, Sevilla Diese Tänzerin kann alleine im Raum stehen und sie hat etwas zu sagen! Ein bemerkenswertes pase grafico.
Zunächst trippelt sie unauffällig hinter der Bühne an uns wartenden Fotografen vorbei und mustert uns aus den Augenwinkeln.
Kurze Zeit später steht sie im Kostüm vor uns auf der Bühne und sagt an, was sie für uns und die Kameras tanzen wird. Das war
auf der Bienal einmalig! Concha Jareño ruht sicher und selbstbewußt in sich und sie weiß was sie kann. Deshalb strahlt sie so viel
aus. Von ihr stammen die Idee und die Choreografie, sie hat die künstlerische Leitung und führt Regie, ihre Kleider hat sie selbst
entworfen und genäht. Universaltalent! Nur die Musik hat sie Juan Antonio Suárez Cano überlassen, welcher sie auf der Gitarre
auch zu einer wunderschön getanzten langsamen Milonga, der fröhlichen Schwester des Tango Argentino begleitet. In ihrem
Werk stellt sich Concha Jareño dem Publikum und sich selbst, mit ihrem Tanz erzählt sie die Dinge aus ihrem Leben, welche sie
geprägt haben und zur Künsterlin machten. Ich will nicht zuviel verraten. Sie kommt im November nach Karlsruhe. Unbedingt
hingehen, es lohnt sich nicht nur für die Aficionados des Flamenco.
Die Aufführung von Algo wenige Stunden später war für mich ein wunderbares Tanzerlebnis. Das zeigen bereits die Bilder des
pase grafico.
Pastora Pastora Galvan 27. September 2010, Teatro Lope de Vega, Sevilla Pastora Galvan ist einer der Stars aus Sevilla. In La
Macarena sammelt man in den Bars Zeitungsausschnitte und Fotos ihrer Auftritte. Auf dem Weg zu meinem Kurs bei Vicky Bareas
traf ich sie zwei Tage später früh morgens (in Sevilla ist das 10Uhr), im schicken Kostüm mit ihrem kleinen Hund auf ihren
Chauffeur wartend. Auf der Pressekonferenz zeigte sie sich ähnlich. In ihrem Auftritt provozierte sie dagegen mit Mut zum weniger
Hübschen, wie die Bilder aus dem pase grafico zeigen. In Hauskleid und Kniestrümpfen und einfachen Schlappen, die in hohem
Bogen von der Bühne flogen, war sie voll und ganz die alte, mit allen Wassern gewaschene Zigeunerin. Statt den üblichen
anzüglichen Gesten jedoch häufig mit erotisch sehr entblößenden Posen und Bewegungen zeitgenössischer Popstars. Ihr Bruder
Israel zeichnet für die musikalische Leitung und ihre Choreografie verantwortlich. Wird sie seinen provokanten Stil weitergehen?
Oder bleibt sie eher konservativ dem eher traditionellen Flamenco gitano treu? Natürlich zeigte sie sich in anderen Tänzen auch
in schönen Kleidern und mit bata de cola, jedoch leider immer mit Kniestrümpfen, was bestimmt nicht nur mir etwas weh tat.
De Sandalia a Tacón Soleá Ensamble 26. September 2010, Teatro Alameda, Sevilla Leider gab es hierzu kein pase grafico und
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während der Aufführung durfte ich nicht fotografieren. Daher nutze ich ausnahmsweise die offiziellen Pressefotos der Bienal von
Luis Castilla. Die Vorstellung ist zu schön, um sie nicht zu beschreiben und ich war froh sie nicht durch das Kameraobjektiv
betrachten zu müssen. Zu sehr bin ich als Fotograf auf gute Bilder konzentriert, als dass ich gleichzeitig Tanz und Musik wirklich
genießen könnte. Ana Morales führte uns im ersten Teil ihrer Show von den Tanzfiguren ägyptischer Reliefs mit arabischer Musik
zum aktuellen Flamenco. Diese Zeit und Kulturreise wurde nicht nur durch ihr Schuhwerk von der Sandale zum Absatz, sondern
auch sehr schön durch ihre Kostüme verdeutlicht. Im 2. Teil des Programms stand der Pianist Borja Évora als Solist als auch im
Duett mit der Sängerin Alicia Gil und als musikalischer Begleiter des Tanzes von Ana Morales im Mittelpunkt. Durch sein
Jazzpiano mit gleitenden Percussions nahm er dem Compas des Flamenco die Härte jedoch nicht die Intensität. Im Zusammenspiel
mit ihm wurde der Flamencotanz Ana Morales zum gleichwertigen musikalischen Instrument. Hier wurde die hohe Qualität ihres
tänzerischen Vermögens und Ausbildung sicht- und hörbar.
Estrella Morente en Concierto 26. September 2010, Teatro de la Maestranza, Sevilla Estrella Morente ist ebenfalls ein Star und
wird von allen auch so behandelt. Klare Hierarchien werden nach wenigen Augenblicken des pase graficos sichtbar. Sie
korrigiert singend mit unauffälligen Fingerzeichen den Sound und bestimmt mitten im Lied welche ihrer Sängerinnen sie begleiten
darf: ¡Solo tu! El Popo, ihr 1. Tänzer dirigierte die Compania und Papa Jose Enrique Morente, ebenfalls ein sehr bekannter
Sänger in Spanien, führt die Gesamtregie. Leider zeigten die beiden Tänzer ihre Solos nicht im im pase grafico. Wir besuchen
das Konzert nicht und gehen stattdessen zu De Sandalia a Tacón des Soleá Ensamble mit Ana Morales, was musikalisch und
tänzerisch die richtige Entscheidung war.
30.11.2010 Noche de Extremadura Flamenco 25. September 2010, Hotel Triana, Sevilla Ich wusste bislang nicht, daß es
auch in der Extremadura Flamenco gibt und La Kaita aus dieser Region stammt. Schön besonders ihren Gesang und den ihrer
Landsleute live zu erleben. Ich habe diese traditionelle Aufführung als Zuschauer genießen können und nur die Zugabe als Fin de
Fiesta fotografiert. Beeindruckt haben mich der strenge und harte Tanz von La Parrena und die Reduktion auf das Wesentliche von
El Peregrino. Beide haben zusammen tanzend und einzeln jedesmal das Publikum im Innenhof des Hotels Triana mitgerissen.
Vielleicht gelingt es mir auf einer Extraseite einen kurzen Film einzubinden. XVI Bienal de Flamenco Luz de Guia Tomatito 25.
September 2010, Teatro de la Maestranza, Sevilla Dieses pase grafico war eher als Training für mich gedacht. Sich in kürzester
Zeit im Dunkeln, nur die Bühne ist beleuchtet, auf unterschiedliche Aufnahmesituationen einzustellen, will geübt sein. Fotografisch
gaben Tomatito und seine Mitstreiter nicht so viel her. Eher interessant und ein Hörerlebnis wie er und seine Gruppe sich auf ihren
Auftritt einstimmten und vorbereiteten. Tomatito genießt deutlich spürbar seinen Status als Star. Wir lassen sein Konzert aus und
entscheiden uns an diesem Abend für den Flamenco der Noche Extremadura - nicht zuletzt wegen der beiden Flamencotänzer in
deren Ensemble.
La Gloria de mi Mare, Choni Compania Flamenca, 24. September 2010, Teatro Central, Sevilla Mein erstes pase grafico auf
der Bienal. Bin recht aufgeregt, doch Regie und Akteure machen es mir leicht. Die Schlüsselszenen der Comedia del Arte werden
mehrmals geprobt und das Ensemble nimmt es dem Werk entsprechend mit Humor. Ich taste mich an die richtige Art der
Lichtmessung und optimale Belichtungszeiten heran. Nicht so einfach mit so wenig aber extrem ungleich verteiltem Licht schnelle
und komplexe Bewegungen einigermaßen schön einzufangen. Aber Tänzer, Sänger und Musiker lassen sich durch die Kameras
nicht stören, sie kokettieren sogar mit uns Pixeljägern. Ich war überrascht Flamenco als Theaterstück und Asunción "Choni" Pérez
schauspielend zu erleben. Gerne hätte ich das Stück, welches der Mutter der Künstlerin gewidmet ist, gesehen, doch wir haben
uns an diesem Abend für ein anderes Programm aus der Bienal entschieden.
© Ralph Burkart
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