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Das Innovationsmagazin
April 2012, € 2,50
hi!tech
www.hitech.at
von Siemens Österreich
Komplexität
beherrschen
Lernende Systeme sammeln Wissen, entscheiden
und liefern Prognosen
Die Riesen
kommen
Windenergie entwickelt sich in eine
neue Dimension
Die neue Stadt
Vernetzung und intelligente IT sind der Schlüssel zu
lebenswerten Metropolen der Zukunft
Die Stadt der Zukunft ist eine,
die nichts auf morgen verschiebt.
Wir gehen neue Wege. Mit Antworten für nachhaltige Stadtentwicklung.
Städte sind die Impulsgeber unserer Gesellschaft. Doch
auch beim Klimawandel liegen sie vorn: Auf Städte
entfallen heute 75 % des weltweiten Energieverbrauchs
und mehr als 80 % der CO 2 -Emissionen. Und die urbanen
Zentren wachsen.
Geht der Klimawandel heute vielfach von Städten aus,
bieten sich genau hier auch zahlreiche Möglichkeiten,
ihn zu bekämpfen. So lassen sich CO 2 -Emissionen von
Gebäuden mit energieeffizienter Technik um bis zu 50 %
senken. Aber nicht nur die Zukunft des Klimas entscheidet
sich in den Städten: Als Wirtschafts- und Lebenszentren,
deren Bruttosozialprodukt dem ganzer Länder entsprechen
kann, sind Städte auch Ausgangspunkt für nachhaltige
Entwicklung überhaupt.
Wien, Bratislava, Istanbul: Städte bringen Menschen,
Wirtschaft und Klimaschutz gewinnbringend zusammen,
indem sie konsequent auf zukunftsweisende Technologien setzen. Wien, zum Beispiel, wird nicht nur regelmäßig zur Stadt mit einer der höchsten Lebensqualität
weltweit gekürt, Wien belegt auch beim „European Green
City Index“ Platz 4 und zeigt damit, wie grün und nachhaltig eine Metropole sein kann. Überall in Österreich
und im zentraleuropäischen Raum arbeiten Planer und
Entscheider daran, Konzepte für die Stadt von morgen in
die Tat umzusetzen.
Die Antworten für die Stadt der Zukunft sind da. Und die
Zeit für neue Wege ist jetzt. Denn die Welt von morgen
braucht unsere Antworten schon heute.
siemens.at/klimawandel
hi!tech
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser!
Impressum
IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIllllllllllllllllllllllllllllllllll
hi!tech – Das Innovationsmagazin von Siemens
Österreich Herausgeber und Medieninhaber
Siemens AG Österreich, Siemensstraße 90,
1210 Wien Mit der Herausgabe beauftragt
Mag. Gerald Oberlik, Communications (CC)
Chefredaktion Dkfm. Elisabeth Dokaupil CC
Redaktion Ursula Grablechner, Daniel Hautmann,
Markus Honsig, Günther Schweitzer
Online- und CEE-Versionen, Produktionsleitung
Sabine Nebenführ Anzeigen Gabriele Groulik
Fotoredaktion, Vertrieb Sieglinde Hofstätter, Eva
Zwanzinger Telefon 05 17 07-222 07
Fax 05 17 07-53000 Litho Repro Zwölf
Druck Druckerei Berger, Horn Mitglied
im Verband für integrierte Kommunikation.
[email protected]
www.hitech.at
Adressänderungen bitte direkt an:
[email protected]
Online-Version: dpworx, primart
Bereits heute lebt rund die Hälfte der
Weltbevölkerung in Städten. Im Jahr 2050
werden es rund 70 Prozent sein. Das massive Wachstum stellt eine enorme Herausforderung für die Metropolen dar. Die
vorhandene Infrastruktur stößt an ihre
Grenzen, und die Finanzierung des Ausbaus bereitet angesichts der aktuellen
Lage der Staatsfinanzen Schwierigkeiten.
Es geht darum Verkehrsprobleme zu lösen, die Energie- und Wasserversorgung
sicherzustellen, dabei die Umweltbelastungen niedrig zu halten und die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern.
Zwischen diesen Themen bestehen Zusammenhänge. Experten sind daher überzeugt, dass Vernetzung, Informationsaustausch und intelligente Datenverarbeitung
der Schlüssel zur lebenswerten Stadt der
Zukunft sind. Öffentliche Verkehrsmittel,
Verkehrsmanagement und Informationen über gute Verbindungen entschärfen
den Stau und verbessern die Luft. Die Nut-
zung von Alternativenergie in perfekt
gesteuerten Netzen sowie Gebäude, die
Energie sparen und selbst erzeugen, sind
wichtige Eckpunkte einer erfolgreichen
Energie- und Klimastrategie. Siemens
kann für die Stadtentwicklung im neuen
Sektor Infrastructure and Cities ein einmalig breites Produktportfolio anbieten
und die Stadtverantwortlichen bei der Finanzierung von Projekten unterstützen.
Eine neue Software sorgt für einen optimalen Start. Sie bietet Informationen, welche Investitionen sich wann für den Umstieg auf eine nachhaltige Stadt eignen.
Weitere Beiträge in diesem Heft beschäftigen sich mit Energieeffizienz in
der Industrie, Rohstoffreserven im Abfall,
lernenden IT-Systemen, automatisch fahrenden Autos und Möglichkeiten der
CO₂-Nutzung.
Wolfgang Hesoun
Vorstandsvorsitzender von
Siemens Österreich
hi!tech 01|12
03
1|12
hi!tech – das Innovations-Magazin von Siemens
Inhalt
Foto | Petra Meisel
Das Modell der Stadt wurde von
Anutorn Polphong im Rahmen
seines Diplomstudiums der Architektur in Wien im 3-D-Printverfahren
hergestellt. Der Entwurf zeigt Polphongs Ideen für eine Neugestaltung der Flaktürme im Arenbergpark in Wien. Die Flaktürme sollen
zu einem Mittelpunkt öffentlichen
Lebens werden – mit einem Museum und einem Kulturzentrum.
hi!biz
Kompromisslos effizient ............. 6
Die letzten Prozente .................. 20
Maximale Energieeffizienz und Prozesssicherheit für den Glasspezialisten f | glass.
Die Lenzing AG will ihre hohe Energieeffizienz noch weiter steigern.
News............................................ 7
Die Post holt auf ........................ 22
Energiesparer .............................. 8
Analoge und digitale Post werden immer
enger miteinander verknüpft.
Neuer Lichtbogenofen macht Stahlproduktion umweltfreundlicher und produktiver.
Effizient und sicher ..................... 9
Abschalten können ................... 26
Moderne Zugsicherung für Pinzgauer Bahn.
Im Stromnetz der Zukunft muss die Industrie
ein gutes Energiemanagement haben.
Coverstory
Die Stadt denkt mit ................... 10
Rückgrat der Energiewende ......28
Vernetzung, Informationsaustausch und
intelligente Datenverarbeitung sind der
Schlüssel zur lebenswerten Stadt der Zukunft.
Interview mit DI Reinhard Brehmer, Wien
Energie Stromnetz GmbH, über die Stromversorgung der Zukunft.
Lebenswerte Metropolen .......... 16
Abhängigkeit teuer bezahlt ...... 30
Interview mit dem Chef des neuen SiemensSektors Infrastructure and Cities Arnulf Wolfram über die Chancen der Städte, attraktive
Lebensräume zu werden.
Wachstum in Grün..................... 18
Klimaschutz gibt der Wirtschaft Impulse und
schafft neue Arbeitsplätze.
Wichtige Metalle für immer mehr elektronische Produkte, die unseren Alltag dominieren, werden knapp und immer teurer.
hi!tech
40
46
hi!school
Prozesse fest im Griff ................ 34
Innovatives Verfahren liefert Informationen
über biotechnische Produkte in Prozessen
bis zur Echtzeitfreigabe.
News.......................................... 35
Komplexität wird beherrschbar .. 36
Lernende Maschinen können riesige Datenmengen verarbeiten, erkennen darin
Muster, entwickeln ihr Wissen weiter und
geben äußerst korrekte Prognosen ab.
hi!life
Den Körper verstehen lernen ....40
Lernende Software trainiert laufend, um
den Menschen bis ins Detail abzubilden,
und erleichtert Diagnose und Behandlung.
Die Riesen kommen .................. 42
Schon bald könnten Windenergieanlagen
mit bis zu 20 Megawatt Leistung und 200
Meter Rotordurchmesser errichtet werden.
58
Zero Emission Bus ..................... 54
Antikes Großstadtleben ............62
Neue Elektrobusse punkten mit ausreichender Laufleistung, günstigen Betriebskosten
und guter Luft für die City.
Interview mit Dr. Sabine Ladstätter über die
Ausgrabungen in Ephesos, wo neben der
Grundlagenforschung auch die Möglichkeiten moderner Technik getestet werden.
News.......................................... 55
Hände weg vom Steuer ............. 46
Ein Standard für Qualität .......... 56
Wenn wir die Hände vom Steuer und die
Füße von den Pedalen nehmen können,
werden wir im Auto sicherer, komfortabler
und umweltfreundlicher unterwegs sein.
Am Radiology Teaching Center der MedUni
Wien lernen Radiologen, neue Medizintechnik in hohe Befundqualität umzusetzen.
Wie sich CO₂ nützlich macht ..... 50
Neue Biomarkertests.
Kohlendioxid muss kein Schadstoff sein.
Im Kraftwerk abgetrennt, kann es auch
Algen ernähren, die Basis für Biodiesel sind.
Schneller als der Wind............... 58
CO₂-Sparen in großem Stil ......... 52
Jigar Shah, CEO der US-Stiftung Carbon War
Room, ist überzeugt, dass sich die Hälfte der
CO₂-Emissionen einsparen ließe.
Leberfibrose erkennen .............. 57
Im Vorfeld des America’s Cup 2013 matchen
sich schon jetzt die Anwärter auf die begehrte „Kanne“ und basteln an der Optimierung ihrer Rennmaschinen.
Kampf der Giganten .................. 66
Die großen vier des Internet – Amazon,
Apple, Facebook und Google – eint das Ziel,
verwertbare Daten zu sammeln.
hi!tech Leseraum....................... 69
Smart Senior .............................. 70
Gut vernetzt, aktiv und mobil – so können
Senioren leben, wenn sie via Internet medizinisch versorgt werden.
Die dritte Dimension ................. 72
Neue Wege zum 3-D-Erlebnis auf Handy
und TV-Gerät.
hi!toys........................................ 74
hi!tech 01|12
04 ■ 05
Dank exakt ablaufender Prozesse
kann kurzfristig
auf verschiedene
Glasqualitäten
umgestellt werden.
Kompromisslos effizient
Der deutsche Glasspezialist f | glass baute eine auf maximale
Energieeffizienz und Prozesssicherheit ausgelegte Fabrik.
Energiesparen rentiert sich
Glas ist einer der ältesten und gleichzeitig
innovativsten Werkstoffe der Welt. Seine
Herstellung für die Bau-, Auto- oder Solarindustrie ist technologisch anspruchsvoll
– und sie verschlingt Unmengen an Energie. Investitionen in eine energiesparende Produktion zahlen sich deshalb aus.
Das beweist der deutsche Glasspezialist f | glass mit seiner auf maximale Energieeffizienz und Prozesssicherheit ausgelegten Fabrik, in deren Planung viele
innovative Details berücksichtigt wurden.
Dabei spielt der Schmelzofen eine zentrale Rolle. Ein weltweit einzigartiges System
zur Wärmerückhaltung sorgt dafür, dass
der Ofen von außen nur handwarm wird,
während im Inneren 2.000 Grad Celsius
Industry Journal, Ursula Grablechner
herrschen. Er braucht um 20 Prozent weniger Energie als herkömmliche Modelle.
Auch in anderen Bereichen wird Energie
gespart. Die Zuluftlamellen der Gebäudelüftung in der Außenwand neben dem
Kühlofen tragen dazu bei, die Raumluft
ohne zusätzlichen Energieeinsatz zu temperieren. Auch die Abgaswärme wird genutzt. Den größten Einfluss auf den nachhaltigen Betrieb der Anlage besitzt jedoch
eine Dampfturbine, die die Abluft des
Schmelzofens zur Stromerzeugung nutzt
und das Herz eines komplexen Systems
zur Energierückgewinnung ist – weltweit
eines der ersten in der Glasindustrie.
Ob Anlieferung und Mischung der
Rohstoffe, Schmelzprozess, Verarbeitung und Veredelung der Glasflächen
Siemens
oder die Kommissionierung – bei f | glass
verläuft der gesamte Herstellungs- und
Vertriebsprozess automatisiert. Gefordert wird dabei höchste Präzision. Die
Regie über Gemenge, Produktion, Energiewerte, Überwachung der Qualität und
Abgaskontrolle führt ein Prozessleitsystem von Siemens.
Dank der exakt ablaufenden Prozesse
lässt sich die Produktion im laufenden
Betrieb umstellen – etwa auf dickere,
dünnere Gläser oder solche mit anderer
Rezeptur und Spezifikation. So können
die unterschiedlichen Wünsche der internationalen Kunden ohne lange Wartezeiten erfüllt werden.
i www.f-glass.de
siemens.de/glas
hi!biz
News
Wie E-Autos
weiter kommen
Ein Modul aus Verbrennungsmotor und
Generator soll die Reichweite vergrößern.
Wissenschaftler arbeiten daran, die größte Schwäche von Elektroautos zu beseitigen: die geringe Reichweite. Effizienz,
Bauraum und Gewicht der einzelnen
Komponenten spielen dabei eine entscheidende Rolle. So untersucht das Pro-
jekt Plug&Play Range Extender die Möglichkeiten, die ein Modul aus einem
kleinen, verbrauchsarmen Verbrennungsmotor und einem Generator bietet. Ein Konsortium aus FEV, Siemens
und Daimler sowie der Universität RWTH
Aachen definiert Anforderungen und erstellt marktfähige Konzepte. Im Rahmen
des Projekts PELiKAn (Power Electronics
in Kraftfahrzeugen und Aeronautik) arbeiten Siemens, Daimler, EADS, Infineon, ZF Electronics und das FraunhoferInstitut für Integrierte Systeme an einer
Leistungselektronik mit erhöhtem Wirkungsgrad für Flug- und Kraftfahrzeuge.
Leistungselektronische Wandler sind dabei Schlüsselkomponenten, für die immer höhere Schaltfrequenzen gefordert
werden. Die Energie, die für die Ansteuerung eines Leistungsschalters benötigt
wird, geht heute verloren, sodass der
maximale Wirkungsgrad bei 95 Prozent
liegt. PELiKAn will diesen Wert auf bis
zu 99 Prozent erhöhen.
i siemens.com/emobility
Maximal
verdichtet
In China wird mit einer neuen Form von
Verdichtern Propylen hergestellt. Damit
soll der steigende Bedarf dieses Ausgangsstoffs für Kunststoffe gedeckt werden. Der Produktionsprozess mit der
höchsten Selektivität von über 85 Prozent
basiert auf der Catofin-Technologie. Hier
wird Propylen durch Dehydrierung, also
die Reduktion des Wasserstoffanteils von
Propan, in einem Katalysatorprozess hergestellt. Im Wechsel mit der Dehydrierungsreaktion muss der Katalysator immer wieder mit komprimierter, erwärmter
Luft aufgeheizt und regeneriert werden.
Neue Verdichterstränge können je 700.000 m³
Luft pro Stunde auf 2,4 Bar verdichten.
Diese Luft stellen in einer neuen Anlage
in Bohai zwei Siemens-Verdichterstränge
zur Verfügung. Die dabei erreichte Durchflussrate von 700.000 Kubikmeter Luft pro
Stunde ist die höchste weltweit.
i siemens.com/industry
Airport-Expo
Bei der Passenger Terminal EXPO
2012 vom 18. bis 20. April in Wien
tauscht die Branche ihre Ideen über
die Zukunft der Airportbranche aus.
Siemens zeigt Lösungen, die Airports umweltfreundlich, sicher und
effizient machen. Neben Sicherheitsthemen geht es um Passagierund Gepäckshandling, Informationssysteme, IT-Integration und
Energiemanagement.
■ siemens.com/airports
Stromnetz
managen
In den USA ermöglicht eine neue
Integrationsplattform für Stromnetze die Einbindung herkömmlicher
Anwendungen in Smart Grids. Die
gemeinsam mit Siemens entwickelte Shared-Architecture-Integrationsplattform, über die
das SpectrumPower-Energiemanagementsystem
von Siemens ins
Netzmanagement
integriert wurde, bringt dem Stromnetzbetreiber PJM Interconnection
mehr Sicherheit, Skalierbarkeit und
Flexibilität des Netzes.
■ siemens.com/energy
hi!tech 01|12
06 ■ 07
Mit dem neuen
Lichtbogenofen
können Schmelzfolgezeiten von
36 Minuten erreicht werden.
Energiesparer
Ein neuer Lichtbogenofen ermöglicht umweltfreundliche Stahlproduktion mit hoher Produktivität und geringeren Kosten.
Deutlich geringerer Energiebedarf
Bei Neuinvestitionen sind Stahlproduzenten auf der Suche nach innovativen,
energiesparenden und sauberen Produktionsmethoden. Um das zu erreichen, setzt Siemens VAI bei seinem neu
entwickelten Elektrolichtbogenofen Simetal EAF Quantum an verschiedenen
Stellen an. Der Ofen kombiniert bewährte Elemente aus der Schachtofentechnologie mit einem neuen Schrottbeschickungsverfahren, einem effizienten Vorwärmsystem, einem neuen Kippkonzept
Siemens
Siemens, Pinzgauer Lokalbahn
für das Untergefäß sowie einem optimierten Abstichsystem. Damit können in
der Stahlproduktion Schmelzfolgezeiten
von 36 Minuten erreicht werden. Der
Energiebedarf liegt mit 280 KWh pro
Tonne deutlich niedriger als bei einem
konventionellen Elektrolichtbogenofen.
In Verbindung mit dem ebenfalls geringeren Elektroden-, Erdgas- und Sauerstoffverbrauch ergibt sich für die spezifischen Umwandlungskosten ein Vorteil
von rund 20 Prozent. Die CO₂-Emissionen
können im Vergleich zu herkömmlichen
Lichtbogenöfen pro Tonne Rohstahl um
bis zu 30 Prozent reduziert werden. Bei
der Schachtofentechnologie wird der
Schrott nicht durch den geöffneten Deckel in das Ofengefäß befördert, sondern
durch einen fest auf dem Deckel installierten Schacht. Dort liegt er zunächst
auf einer Rückhaltevorrichtung und wird
vom heißen Ofenabgas auf 600 bis 800 °C
vorgewärmt. Auf diesem Weg kann die
Abwärme direkt zurückgewonnen werden.
Ist die vorangegangene Charge abgestochen, öffnen sich die sogenannten
hi!biz
News
Finger des Rückhaltesystems, und der
vorgewärmte Schrott fällt ins Stahlbad,
wo er sofort einzuschmelzen beginnt. Im
Gegensatz zu konventionellen Öfen, die
das Kippen des Gefäßes zum Abstechen
des Flüssigstahls mithilfe einer Abrollbahn realisieren, kommt beim neu entwickelten Modell ein Zylinderkonzept
zum Einsatz. Es ermöglicht sehr exakte
Kippbewegungen und vereinfacht die
Wartung und den Gefäßwechsel. Mit dem
FAST (Furnace Advanced Slag-Free Tapping) genannten Abstichsystem lässt sich
der Flüssigstahl ohne die obenschwimmende Schlacke, die hauptsächlich aus
Verunreinigungen besteht, aus dem Ofen
abstechen. Als erster Stahlproduzent der
Welt wird das mexikanische Unternehmen Talleres y Aceros S.A. de C.V. (Tyasa)
das neue Ofenkonzept einsetzen.
Emissionen reduzieren
Um die Emissionen des Stahlwerks zu
minimieren, werden zusätzlich eine Trockenentstaubung mit Verdampfungskühler, Schlauchfilter mit automatischer
Impulsreinigung und Saugzuggebläse
installiert. Das Entstaubungssystem reinigt die Abgase des Lichtbogen- und des
Pfannenofens sowie des Legierungsmittelsystems. Die Anlage verfügt über eine
Reinigungskapazität von rund einer Million Kubikmeter pro Stunde und reduziert
den Staubgehalt der Abgase auf weniger
als zehn Milligramm pro Kubikmeter.
Zum Projekt gehört auch eine Zweikreiswasserkühlung für den Elektrolichtbogenofen, die sekundärmetallurgischen
Anlagen und die Gießanlage. Für Trink-,
Brauch- und Löschwasser werden Kreisläufe installiert. Dazu kommt eine Wasseraufbereitungsanlage mit mechanischen und chemischen Stufen. Dies
ermöglicht es, den Gesamtwasserbedarf
des Stahlwerks zu optimieren.
i
Effizient und sicher
Moderne Zugsicherung für die Pinzgauer Bahn.
Seit die Pinzgauer Lokalbahn von der
Salzburger Lokalbahn betrieben wird,
wurde das Verkehrsangebot deutlich ausgeweitet. Die Einführung eines attraktiven Taktverkehrs, ergänzt um zahlreiche
Sonderverkehre, führte dazu, dass sich
die Fahrgastzahlen verdoppelt haben.
Aufgrund der Übernahme und der Leistungssteigerung der Pinzgauer Lokalbahn
war die Errichtung eines modernen Zugsicherungssystems erforderlich. Von
Anfang an war klar, dass eine technische
Sicherung mit Eingriffsmöglichkeit in die
Bremsanlage der Fahrzeuge vorgesehen
sein muss. Außerdem sollte die Grundlage für eine effiziente Betriebsführung
geschaffen werden. Damit waren die
technischen Anforderungen definiert:
■ technische Zugbeeinflussung
■ zentralisierte Betriebsführung der
gesamten Strecke
■ aktuelle Zugverfolgung mit hinterlegtem Fahrplan
■ funkbasierte Kommunikation zwischen
Zentrale und Zügen
Pinzgauer Lokalbahn: Visualisierung der
Streckenbelegung auf Basis der kontinuierlichen Zugortung am Bildschirm.
■F
ührstandssignalisierung für den Trieb-
fahrzeugführer
■g
leisselektive, fahrzeugeigene Ortung
In funktionaler Anlehnung an das ETCS
L3 (European Train Control System)
wurde mit dem Rechnergestützten
Zugleitsystem von Siemens ein Sicherungssystem errichtet, das durch GPSgestützte Ortung und Führerstandsignalisierung auf herkömmliche Signale
verzichten kann. Damit fällt auch die kostenintensive Verkabelung der Strecke
weg. Für die Visualisierung der Streckenbelegung auf Basis der kontinuierlichen
Zugortung wurde ein moderner Bildschirmarbeitsplatz geschaffen. Die Zugpositionen und -bewegungen werden
gleisselektiv dargestellt und auf einem
eigenen Bildschirm die Zugfahrten im
Belegtblatt (Bildfahrplan) protokolliert.
Im Vergleich zu herkömmlichen Sicherungssystemen betragen die Investitionskosten nur rund 20 Prozent. Sie sind stark
abhängig von der Anzahl der auszurüstenden Fahrzeuge und in geringerem
Ausmaß von der Topologie der Strecke.
Das neue System für die Pinzgauer
Lokalbahn zeigt die großen Potenziale
einer solchen Lösung auf: mit einem
signifikant kleineren Investitionsvolumen
lässt sich die Betriebsführung von Regionalstrecken deutlich effizienter und
sicherer machen.
■ www.mobility.siemens.com
■ www.pinzgauer-lokalbahn.at
www.siemens.com/metals
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08 ■ 09
Die Stadt denkt mit
Vernetzung, Informationsaustausch und intelligente
Datenverarbeitung sind der
Schlüssel zur lebenswerten
Stadt der Zukunft.
Mehr Chancen auf ein gutes Leben
Die Stadt ist der Wohnort der Zukunft.
Heute lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Die UN prognostiziert, dass es im Jahr 2050 rund 70 Prozent sein werden. Menschen zieht es in
die Städte, weil sie dort mehr Chancen
auf Arbeitsplätze, bessere Gesundheitsversorgung sowie attraktivere Freizeitund Kulturangebote erwarten.
Wird ihr Traum vom besseren Leben
in der Stadt wahr werden? Der Leiter des
UN-Siedlungsprogramms Habitat, Dr. Joan
Clos, ist optimistisch für die Zukunft,
Elisabeth Dokaupil
Petra Meisel
denn er sieht den aufrichtigen Willen,
Verstädterung positiv zu gestalten: „Nachdem Urbanisierung jahrelang als etwas
Schlechtes betrachtet wurde, was gestoppt werden sollte, beginnen die Menschen jetzt die Stadt als positive Macht für
Veränderung zu begreifen, auch um den
Klimawandel in den Griff zu bekommen
und die sozioökonomische Entwicklung
voranzutreiben.“ Genau diese hohen Ansprüche bringen die Städte aber auch unter einen enormen Entwicklungsdruck,
betont Pablo Vaggione, früherer Generalsekretär der Internationalen Gesellschaft
der Stadt- und Regionalplaner (IGSRP),
der heute überall auf der Welt Städte berät: „Das enorme Bevölkerungswachstum
überlastet die urbanen Infrastrukturen.
Gleichzeitig engen begrenzte finanzielle
Ressourcen den Spielraum der Städte
stark ein.“
Aber auch er sieht große Chancen im
Urbanisierungstrend, wenn Städte es
schaffen, eine Balance zwischen dem
Wirtschaftswachstum, den Umweltbelastungen und der Lebensqualität der Menschen herzustellen. „Diese drei Pfeiler
der Nachhaltigkeit gelten auch in der
hi!biz
Coverstory
Stadt und können nicht isoliert voneinander betrachtet werden.“
Nachhaltige Stadtentwicklung ist eine
höchst komplexe Aufgabe. „Wir werden
die Energie- und Wasserversorgung,
aber auch den Verkehr neu organisieren
müssen“, betont Dr. Klaus J. Beckmann,
Professor für kommunale Infrastrukturplanung an der Universität Karlsruhe.
Gefragt sind dezentrale Modelle, Kreislaufwirtschaften und deren sinnvolle
Verknüpfung. „Voraussetzung dafür sind
intelligente, leistungsfähige Kommunikationsnetze für fast alle Bereiche der
Ver- und Entsorgung“, betont Beckmann.
Die Herausforderungen beginnen bereits bei der Planung. Wo soll zuerst investiert werden, welche Potenziale und
Konsequenzen haben die Investments?
Wie wirken sich Maßnahmen auf die soziale Situation und generell auf die Nachhaltigkeit der Stadt aus? Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein Projekt der
Siemens Forschungseinheit, das von Dr.
Bernd Wachmann geleitet wird. Das global
verteilte Projektteam arbeitet an einem
integrierten System für multidisziplinäre
Stadtmodellierung und Simulation. Mit
diesem System wird aufgezeigt, wie sich
Veränderungen der Infrastruktur auf die
Nachhaltigkeit einer Stadt auswirken können. Es ermöglicht, die verschiedenen Optionen für neue Infrastrukturprojekte in
Bezug auf ihre Kosten und ihre Nachhaltigkeit abzuschätzen und die optimale
zeitliche Abfolge der Projekte zu planen.
Öffentlich zugängliche Daten liefern
die Basis für Investitionsentscheidungen
der Städte. Verglichen werden kann mit
Daten aus der Vergangenheit oder denen
anderer Städte. Wachmann: „Das System
analysiert die gegenseitigen Abhängig-
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Die neue Siemens-Zentrale in München soll eines der energieeffizientesten und offensten Unternehmensgebäude der Welt werden. Die
Öffentlichkeit ist in den Innenhöfen und der Gastronomie gerne gesehen. Photovoltaik auf dem Dach und in der Fassade liefert Strom.
keiten, prognostiziert wahrscheinliche
Szenarien und Veränderungen und bezieht auch Expertenmeinungen ein.“ Damit wird auch die Grundlage geschaffen,
um auf Basis dynamischer Echtzeitdaten
völlig neue Dienstleistungen anzubieten.
Wie Gebäude Energie sparen können
Wenn es um den Energieverbrauch der
Städte geht, spielen die Gebäude eine entscheidende Rolle. Sie sind für 40 Prozent
des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich. Eine Ursache dafür ist die immer
noch übliche Trennung der Haustechnik
von der Sicherheitstechnik. „Die Zukunft
gehört integrierten Lösungen. Auf Plattformen werden dabei Echtzeitinformationen gesammelt, die eine Basis für eine
präzise Steuerung bilden“, beschreibt Josef Stadlinger, Siemens Building Technologies, den aktuellen Trend. Auf diese
Weise werden Gebäude immer sicherer,
komfortabler und energieeffizienter.
So wird es möglich, die Aufheizzeiten
eines Gebäudes nach der Wettervorhersage zu variieren oder Pumpen für Wasser
oder Kühlmedien nur dann in Betrieb zu
nehmen, wenn es nötig ist, statt nach
fixen Routinen. „Diese Optimierungen
schaffen wir nur auf Basis unserer Erfahrungen aus der Vergangenheit. Siemens
weiß, wie Heizkreise gesteuert oder der
Wärmebedarf ermittelt werden muss“,
unterstreicht Stadlinger die Bedeutung
Elisabeth Dokaupil
umfassenden Know-hows für die Funktionsfähigkeit moderner Systeme.
Intelligente Gebäudeautomation senkt
auch den Energieverbrauch in alten,
denkmalgeschützten Bauten, die oft das
charakteristische Erscheinungsbild europäischer Städte prägen. Auch wenn es
nicht möglich ist, eine entsprechende
Wärmedämmung anzubringen.
In Zukunft wird die Qualität der Informationen über den jeweils aktuellen Zustand von Gebäuden und damit die Optimierung der Steuerung noch weiter
verbessert, denn die Zahl der eingesetzten Sensoren, die Temperatur, Helligkeit
oder Luftqualität messen, nimmt zu.
„Sensoren werden selbstorganisierende
Netze formen, indem sie den Abstand
zum Nachbarsensor messen, sich regelmäßig synchronisieren und Daten interpretieren“, berichtet Dr. Rudolf Sollacher,
der bei Siemens zum Thema Sensornetzwerke forscht. „Sie können ihre Messwerte abgleichen und daraus sehr präzise einen Durchschnittswert für das Gesamtsystem errechnen.“
Das Netz kann einfache Muster identifizieren, etwa dass unter bestimmten
Umständen geltende Werte unter- oder
überschritten werden dürfen. Das haben
moderne Brandmelder ebenfalls gelernt
und vermeiden so Täuschungsalarme.
Nicht nur aufgrund ihrer zunehmenden Energieeffizienz, sondern auch als
Siemens, Petra Meisel
Energieproduzenten werden Gebäude
zu einem entscheidenden Faktor für
den Energiehaushalt einer nachhaltigen
Stadt. Die neue Siemens-Zentrale im
Herzen Münchens wird sich trotz ihrer
mehr als 45.000 Quadratmeter Nutzfläche energetisch selbst versorgen. Fassaden in V-Form und Innenhöfe werden die
Tageslichtversorgung in den Büros optimieren, Photovoltaikanlagen auf dem
Dach und in der Fassade sowie Grundund Regenwassernutzung tragen dazu
bei, dass die neue Zentrale CO₂-neutral
betrieben werden kann.
Aktivgebäude liefern Strom
In Zukunft werden auch in dicht gebauten Stadtgebieten immer mehr Aktivgebäude errichtet werden, die mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen.
Photovoltaik, Wind und Erdwärme sind
in diesem Fall nicht die einzigen nutzbaren alternativen Energiequellen. Ein Bürohaus neben dem Hauptbahnhof in
Stockholm wird beispielsweise mit der
absorbierten Wärme jener bis zu 250.000
Pendler geheizt, die täglich die Bahnhofshalle durchqueren. Gebäude können
Energie auch speichern – etwa durch das
Aufheizen von Warmwasser, da die Verluste vergleichsweise gering sind, oder
durch das Laden von Elektroautos.
Zunehmende, aber auch schwankende
Einspeisung von erneuerbarer Energie
hi!biz
Coverstory
aus großen Windparks, Solarkraftwerken,
Gebäuden oder Haushalten stellen Netzbetreiber vor völlig neue Herausforderungen. In diesem Umfeld wird es deutlich schwieriger, die Netze in Balance zu
halten und abzusichern. Das geht nur,
wenn die Verteilnetze deutlich intelligenter (Smart Grids) werden als bisher. Um
aktuelle Informationen über den Verbrauch und die Einspeisung zu erhalten,
werden derzeit bereits in ganz Europa
Haushalte mit Smart Metern, intelligenten Zählern, ausgestattet.
Strom im Netz optimal steuern
Mehr als 40 Millionen Smart Meter sind
in Europa bereits installiert. Eine hohe
Flächendeckungsquote gilt als Voraussetzung dafür, dass die größtmögliche Energieeffizienz erreicht wird und dezentral
erzeugter Ökostrom komplett genutzt
werden kann. Bisher wurde der Stromverbrauch der Haushalte nur jährlich einmal
am Zähler abgelesen. „Beim Einsatz von
Smart Metern erhalten wir Werte über den
Stromverbrauch in Echtzeit. In Wien werden wir dann 180 Millionen Daten pro Tag
zu verarbeiten haben“, berichtet DI Brehmer, Geschäftsführer der Wien Energie
Stromnetz GmbH. „Damit können wir den
Strom im Netz sinnvoll steuern.“
Ein Competence Center des neuen Siemens-Sektors Infrastructure & Cities in
Wien errichtet komplette Smart-MeteringInfrastrukturen zur Verarbeitung solcher
gewaltigen Datenmengen. Gesteuert werden die neuen intelligenten Netze, in die
neben Zähler auch intelligente Trafos und
Komponenten integriert sein werden, sowohl lokal als auch über Leitsysteme, die
„Nervenzentralen“ der Smart Grids bilden.
Trotzdem wird das Netz der Zukunft
mehr als bisher darauf angewiesen sein,
dass Verbraucher verstärkt dann Energie
einsparen, wenn die Sonne einmal nicht
so intensiv scheint, oder genau dann
Energie beziehen, wenn der Wind an der
Nordsee bläst. Für die Steuerung dieser
notwendigen Flexibilität benötigt man
eigene Softwareapplikationen. Konsumenten müssen, um ihre Rolle zu spielen, über ihren Verbrauch und natürlich
die jeweils aktuellen Strompreise, die in
Zukunft viel stärker schwanken werden,
genau informiert werden. Smart Meter geben ihnen die Möglichkeit, durch ihr
Verhalten zur Stabilität der Stromnetze
beizutragen und selbst Kosten zu sparen,
indem sie auf teuren Strom zu Spitzenlastzeiten verzichten. Zusätzliche Vorteile für
die Netzsteuerung und Konsumenten
wird der Zusammenschluss einzelner
Haushalte in einem Gebäude oder die Formierung von Gebäudegruppen bieten, die
ein gemeinsames Energiemanagement
betreiben. Sie nehmen als partnerschaftlicher Verbund aktiv am Energiehandel teil.
Damit das alles funktioniert, muss sich
das bisher schon aufgrund der eingesetzten Techniken streng abgeschottete
Stromnetz öffnen. Damit wächst auch die
Angst vor Angriffen auf die Strominfrastruktur. „Für die zukünftigen Anwen-
Ob Autos, Straßenbahnen, Busse
oder Züge: Mit
einem Multitouchtisch und der
Mobility-App von
Siemens sollen
Verkehrsmittel zu
integrierten Systemen verschmelzen. Das Elektroauto spielt auch
eine wichtige Rolle
als Energiespeicher.
hi!tech 01|12
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hi!biz
Coverstory
Singapur als reales Experimentierfeld
einer City of the Future. Das City Cockpit
fasst die jeweils aktuellen Daten der Stadt
auf einem PC-Bildschirm zusammen.
dungen muss mit der Gebäudeautomatisierung kommuniziert werden, Kunden
wollen mit Smart Metern auch ihre eigene Photovoltaikanlage steuern und die
Zähler am besten direkt mit ihrem hauseigenen Netzwerk verbinden, um Transparenz über ihren Stromverbrauch zu
gewinnen“, zeigt Alexander Schenk, Siemens, auf, wie wichtig in Zukunft ein hoher Sicherheitslevel auch bei der privaten
IT wird.
Offenheit und Sicherheit für Netze
„Als Sicherung kommen für das Stromnetz Methoden wie Verschlüsselung, Authentifizierung, Firewalls, Monitoring
von Traffic in Frage“, so Schenk. Letztlich
muss aber ein sinnvoller Mix zu vertretbaren Kosten gefunden werden. Energieversorger tendieren dazu, niemanden an
die Stromschalthebel zu lassen und die
Daten den Dienstleistern, die den Stromkunden Zusatzservices anbieten wollen,
über eine Plattform zur Verfügung zu
stellen. Das letzte Wort ist allerdings noch
nicht gesprochen. Die Energie AG Oberösterreich geht das Thema derzeit wis-
Elisabeth Dokaupil
senschaftlich an: der Ist-Stand wird genau erfasst und ein zukunftssicheres
Gesamtkonzept erarbeitet.
Eng verbunden mit der Energiefrage
ist der Themenkomplex Verkehr. So
könnte der Einsatz von Elektroautos in
größerem Umfang das Problem des Speicherns von nicht gebrauchtem Strom aus
erneuerbaren Quellen erleichtern. Ihre
Batterien eignen sich als Zwischenspeicher. Elektroautos und eine intensivere
Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel
würden die CO₂-Emissionen verringern
und die Luft verbessern – entscheidende
Punkte für eine nachhaltige Stadt.
Akut ist allerdings für die Stadtverantwortlichen derzeit meist eine andere Frage: Wie löse ich den täglichen Stau auf?
Das wird auch mittelfristig so bleiben,
denn das Bedürfnis nach persönlicher
Mobilität wird weiter ansteigen. Lebenswert werden jene Städte sein, denen es
gelingt, einen Mix aus öffentlichem und
privatem Verkehr zu organisieren.
Der Umstieg auf eine Nutzung aller
möglichen Verkehrsmittel erfordert ein
gut funktionierendes Zusammenspiel
Siemens, Foster + Partners
der öffentlichen Verkehrsmittel und Informationen in Echtzeit auf allen Geräten
potenzieller Kunden. Auf „Wann kommt
die nächste ...?“ muss es immer sofort
eine Antwort geben. Und um Tickets sollte man sich auch nicht mehr kümmern
müssen. Das könnte mit der Einführung
des elektronischen E-Tickets gelingen.
Mit dem E-Ticket in der Tasche öffnet
sich ein mietbares E-Bike genauso wie
eine Garage. Von diesem Ticket werden
Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln abgebucht und man wird damit auch
Strom fürs Elektroauto tanken können.
Parallel dazu muss der Individualverkehr gut gesteuert werden. Dazu gibt es
völlig neue Ansätze. So können die Verkehrsentwicklung auf Basis anonymer
Livedaten aus der Autosensorik prognostiziert und die Informationen direkt an
die Navigationsgeräte anderer Fahrer
weitergegeben werden, womit sich Staus
in vielen Fällen im Ansatz verhindern
lassen. Die Basis für die Vernetzung zwischen den Autos ist die von der EU und
der Automobilindustrie vorangetriebene
Extended-Floating-Car-Data-Technik.
Doch es gibt auch Zukunftsmodelle
von Städten, die es ohne Auto versuchen.
Masdar City, 30 Kilometer östlich der
Hauptstadt Abu Dhabi in den Vereinigten
Arabischen Emiraten, wird die weltweit
erste autofreie Stadt sein: Ein unterirdisches Personal-Rapid-Transit-Netz mit automatischen Einzelkabinen, eine Hochbahn und eine U-Regionalbahn sorgen
für Mobilität, die Straßenebene ist Fußgängern und Radfahrern vorbehalten.
Geplant von Foster + Partners, soll die
„Wissenschaftsstadt“, in der auch Siemens mit seinem Forschungszentrum
Naher Osten aktiv ist, CO₂-neutral mit
Energie versorgt werden. Für die Wasserversorgung sind solarbetriebene Entsalzungsanlagen vorgesehen.
Masdar City in
den Vereinigten
Arabischen Emiraten wird die
weltweit erste
autofreie Stadt
sein.
The Crystal in
London:
Siemens Zentrum
für nachhaltige
Städte und Teil
eines Projekts für
intelligente Stromnetze.
Zustand der Stadt auf einen Blick
Die Bewohner werden bei der Umsetzung
neuer Modelle ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Social Media und Smartphones haben sie daran gewöhnt, an politischen Prozessen teilzunehmen. Darum
ist es für die Stadtverwaltung auch besonders wichtig, mit den Bürgern ständig in Kontakt zu bleiben und über wesentliche Parameter der Stadt Bescheid
zu wissen. Dabei hilft das City Cockpit,
das Siemens mit Singapur entwickelt.
Bürgermeister und Beamte werden damit auf einen Blick sehen, ob der Verkehr, die Energie- und Wasserversorgung funktionieren. Auch Polizei,
Feuerwehr oder Abfallentsorgung können in das System integriert werden.
Eigene Daten müssen dafür nicht gesammelt werden. Es geht darum, vorhandene
richtig zu verknüpfen. Vernetzung, Informationsaustausch und intelligente
Datenverarbeitung sind der Schlüssel
zur lebenswerten Stadt der Zukunft.
i
siemens.com/ic
siemens.de/pof
siemens.com/innovation
hi!tech 01|12
14 ■ 15
hi!biz
Citys
Lebenswerte Metropolen
Arnulf Wolfram, Chef des neuen Siemens-Sektors
Infrastructure and Cities, ist davon
überzeugt, dass die weltweit wachsenden Städte
ein attraktiver Lebensraum sein können.
Immer mehr Menschen zieht es in die
Städte. Geht diese Entwicklung weiter?
Die Weltbevölkerung wächst und wächst,
und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht
abzusehen. Seit Oktober 2011 leben offiziell sieben Milliarden Menschen auf der
Erde, und seit 2009 erstmals mehr als die
Hälfte der Weltbevölkerung in urbanen
Regionen. Diese Zahl wird kontinuierlich
steigen. 70 Prozent aller Menschen werden zur Mitte dieses Jahrhunderts in der
Stadt leben.
Welche Folgen hat der Städteboom?
Die Auswirkungen sind vielfältig, und jeder kann davon etwas spüren: Smog,
Staus, Stromausfälle, zu wenig Trinkwasser. Die Einwohnerzahl steigt, aber die Infrastruktur wächst in vielen Fällen nicht
mit. Im Gegenteil, oft ist sie komplett
überfordert. Städte sind bereits heute für
zwei Drittel des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich und produzieren
rund 70 Prozent der CO₂-Emissionen. Es
ist daher nicht übertrieben zu behaupten,
dass die Zukunft unseres Planeten in den
Städten entschieden wird.
Übernehmen die neuen Großstädte
Verantwortung für Umwelt und Klima?
Bereitschaft dazu besteht in vielen Metropolen. Von Toronto bis London, von
Wuhan bis New York und von München
bis Jakarta gibt es zahlreiche Beispiele
für zum Teil sehr ambitionierte Ziele zur
Elisabeth Dokaupil
Petra Meisel
CO₂-Reduktion. Es ist aber nicht allein
eine Frage der „grünen“ Verantwortung.
Lebensqualität ist ein zunehmender
Wettbewerbsfaktor für Städte. Sie stehen
miteinander im Konkurrenzkampf um
die Ansiedlung von Unternehmen und
deren MitarbeiterInnen. Gewinner ist,
wer Menschen und Güter rasch transportieren kann, wer saubere Luft und insgesamt ein lebenswertes Umfeld bietet.
Wo müssen Stadtregierungen ansetzen,
um die Herausforderungen zu bewältigen?
Jede Stadt hat ihre ganz eigenen Herausforderungen, daher sind die Ansatzpunkte sehr unterschiedlich. Eines aber
ist sicher: Technik kann heute die wichtigsten Herausforderungen der Städte
bewältigen, den Verkehrsinfarkt behandeln, den Smog verringern, die Trinkwasser- und die Energieversorgung so-
»Technik kann heute die wichtigsten
Herausforderungen
der Städte bewältigen, beim Verkehr
genauso wie bei der
Energie- und Trinkwasserversorgung.«
wie das Abfallmanagement organisieren
und die Sicherheit ausweiten. Oft wissen
Städte jedoch nicht, wo sie ansetzen sollen,
welche Schritte in welcher Reihenfolge zu
tun sind und welche technischen Möglichkeiten es überhaupt gibt. Hier kommt Siemens mit Spezialisten vor Ort ins Spiel. Sie
kennen die Stadt und ihre Probleme und
sie erörtern gemeinsam mit den Stadtverantwortlichen, welche technischen Möglichkeiten bestehen und wo die Prioritäten
gesetzt werden müssen.
Welche konkreten Lösungen bieten sich an?
Moderne Technologien sind der Schlüsselfaktor für ein erfolgreiches Management von Städten. Intelligente IT und
vernetzte, aufeinander abgestimmte Systeme geben Antworten auf komplexe Anforderungen. Siemens bietet eine einmalig breite Palette von Produkten und
Lösungen, die Städte bei der Bewältigung aller Herausforderungen unterstützen. Sie wurden im Sektor Infrastructure and Cities zusammengefasst. Unsere
Lösungen beginnen bereits bei der Analyse der Probleme, dem Aufzeigen von
Zusammenhängen und dem Setzen von
Prioritäten für Investitionen.
Wie lässt sich der Energieverbrauch in den
Städten in den Griff bekommen?
Gebäude sind derzeit für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Hier lässt sich viel Energie sparen.
Wie animiert man Stadtbewohner zum
Umstieg in die neue Verkehrswelt?
Sie müssen schneller und umweltschonender zum Ziel kommen als bisher. Und
das ist mit heutiger Technik möglich.
Auch der Aufwand für den Kauf von Karten lässt sich stark reduzieren: Mit elektronischen Tickets werden im Vorübergehen U-Bahn, Zug, Elektroauto, Citybike
oder der Parkplatz bezahlt. Das Smartphone weist den Weg und informiert in
Echtzeit über Abfahrt und Ankunft.
Intelligente Vernetzung, Steuerung und
automatisierte Regelung der Gebäudetechnik sind hier die Schlagworte. Thermische Sanierung ist dafür nicht notwendig. Auch bei den Neubauten gibt es
massive Änderungsmöglichkeiten, sie
werden nicht nur Passiv-, sondern auch
Aktivhäuser sein. Mit Photovoltaik auf
dem Dach und der Möglichkeit, den eigenen Verbrauch zu steuern, werden sie zu
intelligenten und vor allem aktiven Bausteinen des Energiesystems. Diese Entwicklung, verbunden mit dem Ausbau
der erneuerbaren Energiequellen, bedeutet eine enorme Herausforderung für
den Betrieb unserer Stromnetze. Daher
müssen sie zukünftig intelligenter sein,
also Smart Grids, und in zwei Richtungen
arbeiten. Eine Voraussetzung dafür sind
intelligente Messgeräte. Netzintelligenz
wird zu einem zentralen Zukunftsthema.
Kann man ohne Einschränkung der
Mobilität die Verkehrslawine stoppen?
Stoppen wohl nicht, aber man kann Mobilität so intelligent steuern, dass es echte Alternativen zum eigenen Auto gibt.
Auch hier spielt Vernetzung wieder eine
Rolle. Die Zukunft gehört Lösungen auf
Basis intelligenter, intermodaler Vernetzung und perfekter Information über
verschiedene Verkehrsträger hinweg.
Genügen die neuen Mobilitätslösungen,
um Verkehrsstaus zu reduzieren?
Die neuen Lösungen müssen um modernes Verkehrsmanagement ergänzt werden. Die intelligente Verknüpfung und
Verarbeitung von Daten aus den unterschiedlichsten Quellen lenkt den Verkehr
in die richtigen Bahnen und macht die
Straßen frei für verbleibende private Autofahrten und die Lieferlogistik. So lässt
sich der Energieverbrauch für den Verkehr um 40 Prozent senken, die Luft sauber halten und eine Reduktion des Lärms
erreichen. Allerdings wird dieses Zukunftsbild nur dann funktionieren, wenn
wir liebgewonnene Gewohnheiten, insbesondere rund um das Auto, ändern.
Elektroautos, die im Stau stehen, sind
keine zielführende Lösung.
Sehen Sie persönlich die Zukunft der
Städte positiv?
Wir haben die Chance, das Städtewachstum so zu begleiten, dass ein lebenswerter Alltag kein Widerspruch dazu ist.
Wenn moderne Technologien und intelligente IT genutzt werden, können Städte
in Zukunft genau das bieten, was Menschen von ihnen erhoffen: Arbeit, eine
intakte Umwelt, Bildung, Kultur sowie
Gesundheits- und Altersversorgung.
i
siemens.com/ic
hi!tech 01|12
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Wachstum
in Grün
Klimaschutz gibt der Wirtschaft Impulse und schafft
Green Jobs. Die Entwicklung
neuer Technologien steigert
Produktivität und
Wettbewerbsfähigkeit.
Nachhaltige Impulse
für die europäische
Wirtschaft durch hohe
CO₂-Reduktionsziele:
Bis zu sechs Millionen
neue Arbeitsplätze
können geschaffen
werden.
A New Growth Path for Europe
Ehrgeizige Klimaschutzziele für europäische Länder – hält das die Wirtschaft aus?
Manche Experten fürchten Mehrkosten
und eine Verlagerung von Produktionen
und damit Emissionen in Regionen, wo es
kaum Auflagen für die Industrie gibt.
Doch das muss nicht sein. Eine aktuelle,
vom deutschen Bundesumweltministerium in Auftrag gegebene Studie, „A New
Industry Journal
Christina Lehner
Growth Path for Europe“, behauptet das
Gegenteil. An ihrer Neutralität besteht
kein Zweifel. Sie wurde von einer Gruppe
internationaler Wissenschaftler erstellt.
Und sie zeigt auf, dass Zielvorgaben zur
Reduzierung des CO₂-Ausstoßes um 30
statt 20 Prozent bis zum Jahr 2020 der europäischen Wirtschaft nachhaltige Impulse geben würden: Der Anteil der Investitionen am BIP könnte von 18 auf 22 Prozent
steigen. Die Schaffung von sechs Millionen neuen Arbeitsplätzen wäre möglich.
Die Wirtschaftsleistung würde sich um
620 Milliarden Euro erhöhen.
Die bisher angewandten Modelle zum
Zusammenhang zwischen Klimaschutzmaßnahmen und Wirtschaftswachstum
haben vor allem zwei Aspekte betrachtet:
den Ersatz fossiler durch regenerative
Energieträger und die Senkung des Ener-
hi!biz
Green Jobs
gieverbrauchs. Beide Maßnahmen verursachen – so die gängige Annahme – zusätzliche Kosten. Diese müssten in Kauf
genommen werden, um die langfristig
noch höheren Kosten eines ungebremsten Klimawandels zu vermeiden. Daraus
ergibt sich die Gleichung: Je stärker die
Emissionen gesenkt werden, desto höher
sind die Wachstumseinbußen.
Lernprozesse und Innovationen
„A New Growth Path for Europe“ bricht
mit dieser Logik. Denn die bisher üblichen Simulationen ignorieren nach Meinung der Autoren wesentliche ökonomische Effekte, die zum Teil als zwangsläufige positive Begleiterscheinungen
entstehen. Dazu zählen sie etwa Lernprozesse, die sich durch Investitionen im
Umweltbereich ergeben. Oder Auswirkungen durch den allgemeinen und spezifischen technologischen Fortschritt.
Zudem würden Investoren eine akzeptable Rendite erwarten und so zusätzlichen wirtschaftlichen Druck und Innovationswillen erzeugen. Die Verfasser der
Studie beziehen diese Aspekte in ihr Modell ein und gehen von einem sich selbst
verstärkenden positiven Regelkreis aus,
der die Volkswirtschaft auf einen nachhaltig grünen Wachstumspfad führt.
Die Kräfte, die dieses ökonomische
Perpetuum mobile in Schwung bringen
sollen, entfalten sich durch folgenden
Mechanismus: Durch die Lernprozesse
in der Wirtschaft und die Entwicklung
und Verbreitung neuer Technologien
nehmen Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu, das Wachstum wird stimuliert, was sich günstig auf die Erwartungen der Investoren auswirkt.
Damit dieser Mechanismus funktioniert, müssen allerdings noch einige Voraussetzungen erfüllt werden, so die Auto-
ren. Glaubwürdigkeit spiele dabei eine
Schlüsselrolle. Die EU müsse sich zu konsistenten klimapolitischen Programmen
und Maßnahmen durchringen. Beispielsweise sollten die Erlöse aus dem europäischen Emissionshandel gezielt für Maßnahmen zur Emissionsminderung in
Osteuropa eingesetzt werden. Steuererleichterungen sollen die Bereitschaft zu
klimafreundlichen Investitionen fördern.
Für die Wissenschaftler und die EUKommission spielen dabei eine höhere
Energieeffizienz und der Ausbau erneuerbarer Energien eine zentrale Rolle. Beides erfordert erhebliche Investitionen,
etwa für die Sanierung von Gebäuden,
die Modernisierung der Energieinfra-
Klimaschutz
und Wirtschaft
Um die Kosten und wirtschaftlichen
Folgen von Klimaschutz besser bewerten zu können, wurde das Projekt
AMPERE (Assessment of Climate
Change Mitigation Pathways and
Evaluation of the Robustness of
Mitigation Cost Estimates) ins Leben
gerufen. Es vereint Forscherteams
aus zwölf Ländern mit ihren Computermodellen unter Führung des
Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
Die Studie „A New Growth Path
for Europe“ wurde von Wissenschaftlern der Oxford University, der National Technical University of Athens,
der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne und dem European Climate
Forum unter Federführung von Carlo
Jaeger vom Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung (PIK) erstellt.
struktur und klimaschonende Mobilität.
Unabhängig von den Studienergebnissen schätzt die EU-Kommission selbst,
dass die angestrebte Emissionsminderung von mindestens 80 Prozent bis
2050 (bezogen auf das Jahr 1990) Investitionen von 270 Milliarden Euro pro Jahr
erfordert. Dieser hohe Preis werde teilweise ausgeglichen, führe eventuell sogar zu Gewinnen. Denn zum einen würden die durch Umweltschäden verursachten Kosten sinken. Zum anderen
betrage das Einsparpotenzial beim Ölund Gasverbrauch bis zu 320 Milliarden
Euro pro Jahr.
Die Simulationen im Rahmen der Studie zeigen, dass dieser Investitionsschub
allen Sektoren der europäischen Wirtschaft zugute käme, von der Landwirtschaft über die Industrie bis zur Dienstleistungsbranche. Vor allem der Bausektor würde profitieren, denn das
Erreichen der Klimaziele steht und fällt
mit der Optimierung der Energieeffizienz von Gebäuden.
Auch Alleingang rentiert sich
Die ökonomischen Vorteile eines 30-Prozent-Ziels bei der Emissionsminderung
seien völlig unabhängig davon, ob nach
dem Auslaufen der ersten Phase des Kyoto-Protokolls 2012 ein internationales
Klimaabkommen zustande komme, meinen die Studienautoren. Insofern sei
selbst ein europäischer Alleingang wirtschaftlich lohnenswert. Sollten die
nächsten Runden der Weltklimakonferenz die Messlatte für Emissionsziele höher legen, könnte die Wachstumskurve
der europäischen Wirtschaft noch steiler
ausfallen als in der Studie skizziert.
i
www.newgrowthpath.eu
siemens.com/sustainability
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hi!biz
Energie
Die letzten Prozente
Mit innovativem Energiemanagement will der Zellulosefaserspezialist
Lenzing AG seine hohe Energieeffizienz noch weiter steigern.
DI Gottfried Rosenauer, Vice President
der Lenzing AG: „Noch detaillierterer
Einblick in die Produktionsabläufe.“
Lenzing AG
Mit einem Umsatz von über 1,7 Milliarden Euro und einem Exportanteil
von mehr als 90 Prozent gehört der
weltweit agierende Hersteller von Zellulosefasern Lenzing AG zu den Innovations- und T
Technologieführern am
Markt. Etwa 2.900 Beschäftigte arbeiten allein am oberösterreichischen
Standort Lenzing, nach Angaben des
Unternehmens der größte integrierte
Zellulosefaserstandort der Welt. Die
Lenzing Gruppe verfügt über Produktionsstätten in allen wichtigen Märkten sowie über ein weltweites Netz an
Verkaufs- und Marketingbüros.
Elisabeth Dokaupil
Faserherstellung ist energieintensiv
Hemden, Blusen, Unterwäsche, Bettwäsche oder Feuchttücher, Wundauflagen,
OP-Abdeckungen und vieles mehr: Unser
Alltag ist geprägt von unzähligen Produkten, die aus Fasern der Lenzing-Gruppe
hergestellt oder mit ihnen veredelt wurden. Auch im technischen und im BauUmfeld sind sie zu finden. Alle diese Fasern stammen aus dem nachwachsenden
Rohstoff Holz. „Die Faserherstellung aus
Zellulose ist allerdings so energieintensiv, dass wir unsere Energieversorgung
selbst übernehmen und den Energieverbrauch seit Jahrzehnten optimieren“, berichtet DI Gottfried Rosenauer, Leiter der
Business Unit Energy der österreichischen Lenzing AG (LAG).
Mit rund 3.600 GWh pro Jahr versorgt
die LAG die Produktion des oberösterreichischen Werkes mit Wärme und Strom.
Allein der Strombedarf liegt bei rund
648 GWh im Jahr. Der Anteil der fossilen
Brennstoffe konnte dabei zwischen 1995
und 2009 systematisch von 35 auf 13,5
Prozent reduziert werden. Stattdessen
nutzt man biogenes Material wie Rinde
oder Sägespäne, Reststoffe und Klärschlamm sowie Schwarzlauge aus der
Zelluloseherstellung als Energiequelle.
Die Lenzing AG betreibt auf ihrem Gelände die größte Reststoffverbrennungsanlage Österreichs mit einer Leistung
von 110 MW.
„Durch die jahrzehntelange Optimierung unserer Energieversorgung ist nahezu jedes Verbesserungspotenzial ausgeschöpft“, erklärt Gottfried Rosenauer
und ergänzt: „Nun arbeiten wir systema-
tisch daran, mit einem Energiemanagementsystem auf Basis von B.Data von Siemens einen noch detaillierteren Einblick
in die Produktionsabläufe zu bekommen
und so die letzten paar Prozent zu nutzen.“ Mit diesem System werden die Energieströme Strom, Dampf, Wasser, Heißwasser, Druckluft, Kälte, Schutzgas und
Vakuum mengenmäßig erfasst und den
Prozessen und Anlagen zugeordnet. Rund
2.200 Variablen werden dafür im Werk
Lenzing standardisiert eingelesen. „Rund
95 Prozent der Daten gelangen über ein
vorhandenes Echtzeitdatenerfassungssystem automatisch in B.Data, lediglich
fünf Prozent der Werte erfordern eine
manuelle Eingabe“, berichtet Ing. Karl
Eder, Leiter der Abteilung Abrechung und
Optimierung der Lenzing Energie.
Alle Messstellen in Echtzeit auswerten
Während bisher für die monatliche Energiebilanz eigene Energiemanagementlösungen, basierend auf Tabellen und
Listen, genutzt wurden, lassen sich nun
sämtliche Messstellen in Echtzeit in einem 15-Minuten-Raster beobachten und
auswerten. „Damit können wir auch den
für Optimierungen wichtigen Aspekt
Zeit berücksichtigen“, betont Wolfgang
Hemetsberger, Energiespezialist in der
Abteilung Energieoptimierung & Qualitätsmanagement. Durch die Darstellung
der 15-Minuten-Stromverbrauchswerte,
wie sie bei Energieversorgern üblich ist,
können Hüllkurven gezeichnet werden,
die den Bedarf eindeutig wiedergeben.
„Ein wichtiger Aspekt der Entscheidung für B.Data war, dass das System mit
Siemens, Lenzing AG/Alois Humer, Lenzing AG/Markus Renner/Electric Arts
Durch das systematische
Energiemanagement
kann auf Bedarfsänderungen vorausschauend
reagiert und so ein Einsparungspotenzial von
zwei bis drei Prozent
herausgeholt werden.
Wolfgang Hemetsberger,
Energieoptimierung:
„Können mit B.Data auch
den für Optimierungen
wichtigen Faktor Zeit
berücksichtigen.“
seiner vergleichsweise offenen Systemarchitektur einfaches Modellieren, flexible Variablenzuweisung und somit eine
praxisgerechte Applikationserstellung
bietet“, erklärt Karl Eder. Für den Informationsaustausch mit den Anlagenbetreibern am Standort Lenzing sowie für
einen globalen Einsatz wurde ein Webservermodul eingeführt, mit dem sich
der B.Data-Viewer über einen StandardInternetbrowser im werksübergreifenden Intranet nutzen lässt.
Das neue System schafft eine unternehmensweite Transparenz auf Kosten-
stellenbasis. Der Energieverbrauch lässt
sich damit den vorhandenen 540 Verrechnungspositionen eindeutig zuordnen. „Dadurch wird es möglich, Optimierungspotenziale schneller zu erkennen
und neue Kennzahlen zu bilden“, betont
Wolfgang Hemetsberger. Ziel der B.DataEinführung ist letztlich die Erhöhung
der Datenqualität sowie die Verifizierung der Datenintegrität, was angesichts
der hohen Komplexität der Prozessabläufe ein schwieriges Unterfangen ist.
Durch den Chargenbetrieb einiger
Verfahrensschritte entstehen nicht sel-
ten Schwankungen von bis zu 30 Tonnen
Dampf pro Stunde und 10 MW elektrischer Leistung. Auf diese Bedarfsänderungen kann durch die Betrachtung der
Energieflüsse auf EnergiemanagementEbene vorausschauend reagiert und die
Energieerzeugung noch effizienter gesteuert werden. Insgesamt können durch
das systematische Energiemanagement
noch zwei bis drei Prozent Einsparungspotenzial herausgeholt werden – bei
rund 12 Millionen Gigajoule Jahresbrennstoffeinsatz kein kleiner Betrag.
Die neue Software mit offener Systemarchitektur ist standardisiert und erfüllte auch die Forderungen des Faserherstellers in Bezug auf Nachhaltigkeit und
Zukunftsfähigkeit. Aufgrund der Mehrsprachigkeit und der Webfähigkeit lässt
sie sich in der gesamten Lenzing-Gruppe
etablieren. Über die geplanten weiteren
Schritte berichtet Gottfried Rosenauer:
„Als Nächstes wollen wir unsere Werke
in Indonesien und China damit ausstatten und dann weltweit Standorte, wo
weitere Rationalisierungspotenziale vorhanden sind.“
i
www.lenzing.com
siemens.com/bdata
hi!tech 01|12
20 ■ 21
Post auf dem Weg in die
Identifikationsstrecke,
wo guttrainierte Maschinen 95 Prozent der
Adressen entziffern.
Die Post holt auf
Analoge und digitale Post werden immer enger miteinander verknüpft. Automatisierung in der Logistik
beschleunigt die Zustellung der Sendungen.
Mehr als eine Milliarde Briefe
Natürlich werden heute weniger Briefe
verschickt als noch vor zehn oder fünf
Jahren, aber im Jahr 2010 waren es immer noch mehr als eine Milliarde. Gleichzeitig stieg die Zahl der Paketsendungen
auf stolze 56 Millionen Stück – vor allem
auch durch die Einkäufe im Internet.
Dazu kamen 4,5 Milliarden Werbesendungen und 770 Millionen Zeitungen
und Zeitschriften. Genug Arbeit für die
Post, besonders wenn man berücksichtigt, dass mehr als 95 Prozent aller Briefe
am Tag nach ihrer Aufgabe ihren rechtmäßigen Empfänger erreichen. Da gibt
es wenig Zeit zu verlieren am Weg vom
Eugen Juen
Siemens
Postkasten zum Brieffach, denn seit der
Marktöffnung wartet auch noch die Konkurrenz ständig auf ihre Chance.
Neue Sortiermaschinen, die ab Sommer in fünf großen Sortierzentren der
Österreichischen Post in Betrieb genommen werden, sollen das grundsätzlich
knapp bemessene Zeitfenster noch besser nutzen. Die neuen Anlagen von Siemens sind extrem flexibel, verarbeiten
Standardbriefe ebenso wie Großbriefe
und gehören mit einem Durchsatz von
50.000 Sendungen pro Stunde dank des
hohen Automatisierungsgrads zu den
schnellsten ihrer Art. Sie sind mit der
kamerabasierten Fingerprinttechnologie
Christina Lehner
ausgestattet, die einen aufgedruckten
Barcode – inklusive aller Peripheriegeräte wie Barcodedrucker, Labelapplikator oder Barcodeleser samt ihren Verschleiß- und Verbrauchsteilen – überflüssig machen.
Die Fingerprinttechnologie identifiziert
einen Brief anhand seines spezifischen
und einmaligen Gesamtbilds – der Briefmarke, des Absenders, der Adresse –, das
ihn auf Basis eines Fotos während des gesamten Prozesses begleitet. Ein gewaltiger Fortschritt auch deshalb, weil es für
Barcodes bis heute keine internationalen
Standards gibt, was beispielsweise den
Grenzübertritt oder einen Wechsel in der
hi!biz
Post
Logistikkette unter Beibehaltung desselben Barcodes schwierig bis unmöglich
macht. Das gilt natürlich für Postsendungen aller Größen: Jeder Brief, jedes
Paket besitzt einen unverwechselbaren
Fingerabdruck.
Vollautomatisch bis zum Großformat
Die Automatisierung im Postbetrieb
nimmt über die gesamte Prozesskette
kontinuierlich zu, beginnend bei der
Vorbereitung des Postguts aus dem
Briefkasten zur anschließenden Sortierung. Diese Maschinen, Culler Facer Canceller (CFC) genannt, können inzwischen
Briefe bis zum Großformat C4 vollautomatisch verarbeiten, womit eine weitere
Lücke im Prozess geschlossen wurde.
Bisher mussten solche Großformate händisch aussortiert werden.
Automatisiertes Sortieren funktioniert auch im noch wesentlich größeren
Maßstab, für – im Vergleich zu Briefsendungen – unterschiedlich große, unterschiedlich schwere Pakete. Eine besonders eindrucksvolle Anlage zur Paketsortierung entsteht derzeit in Nanjing
im Hinterland von Shanghai: Bei der Fertigstellung werden die Wagen der Siemens-Anlage auf mehreren Ebenen rund
fünf Kilometer im Umlauf unterwegs
sein und Paket um Paket entsprechend
verteilen.
Nachholbedarf in der Automatisierung des Gesamtprozesses gibt es noch
in der vorletzten und letzten Station. Zur
vorletzten Station: Bevor sich der Postbote auf den Weg macht, muss er seine
Briefe in die richtige Reihenfolge bringen, meist noch händisch. Auch diese
Vorbereitung, die einen guten Teil der
Arbeitszeit ausmacht, könnte von der
Maschine erledigt werden. Tag für Tag
eine wertvolle Zeitersparnis, im Postamt
selbst, aber auch am Weg, wenn etwa Urlaubsvertretungen auf ihren mehr oder
weniger unbekannten Routen unterwegs
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1PTU
sind. Die perfekt zusammengestellte
Posttasche könnte in diesen Fällen ein
verlässlicher Wegweiser von Haustür zu
Haustür sein. Durch Entwicklungen wie
die Fingerprinttechnologie kann der gesamte Prozess gesteuert werden, weil
sich für jede einzelne Sendung von Beginn an die nächsten Stationen bis zum
konkreten Zusteller voraussagen und so
Die Trust-Ebox verknüpft den klassischen Brief und die elektronische
Post. Der Empfänger erhält den digitalen Briefumschlag und kann entscheiden, ob er den Brief zugestellt
bekommen will, die Post weggeworfen werden soll oder eingescannt
und elektronisch übermittelt wird.
hi!tech 01|12
22 ■ 23
hi!biz
Post
Das Open Mail Handling System verarbeitet auch Großbriefe,
Magazine, Zeitungen,
Kataloge und Flyer.
Die Kunst
des Lesens
Das maschinelle Lesen handschriftlicher Adressen ist eine Art Königsdisziplin moderner Postlogistik. Was
in gar nicht wenigen Fällen dem
erfahrenen Menschenauge schon
schwer genug fällt, ist für eine
Maschine eine besondere Herausforderung. Aber die Maschinen lernen
dazu. Die dahinterstehende Technologie heißt „Optical Character Recognition“ (OCR). Der Trick: die Systeme
darauf zu trainieren, Tausende von
handgeschriebenen Ziffern oder
Buchstaben aus unterschiedlichen
Quellen zu vergleichen und diese im
Zuge eines Lernprozesses eindeutig
zu klassifizieren.
Maschinen wie ARTread von
Siemens sind heute in der Lage, bis
zu 95 Prozent der handgeschriebenen
Anschriften zu entziffern. Automatisch erkannt werden auch der Adresse zugeordnete Nachsendeaufträge,
die korrekte Frankierung oder handschriftliche Vermerke des Zustellers.
Auch russische, chinesische und
arabische Schriftzeichen sind von
den Maschinen bereits gut lesbar –
eine entscheidende Qualität am
Weltmarkt, der derzeit eine Milliarde
Euro umfasst.
Eugen Juen
Siemens
die beste Routenzusammenstellung sowie die daraus abgeleiteten Sortierstrategien vorausplanen lassen.
Bleibt die letzte Meile zum Briefkasten.
Ein Weg, könnte man glauben, der in jedem Fall zu Fuß erledigt werden muss. Die
Schweizer Post und Siemens haben nun
gemeinsam ein neues Produkt entwickelt,
das die Zukunft des Postwesens nachhaltig verändern könnte: die Trust-Ebox, die
durch das sogenannte Reverse-HybridMail-Verfahren den klassischen Brief und
die elektronische Post miteinander neu
verknüpft. Der Kern des Verfahrens ist die
digitale Erfassung des Briefumschlags,
von dem per Mail eine Bilddatei an den
Empfänger verschickt wird.
Die neue Wahlfreiheit
Der Empfänger hat nun – von überall auf
der Welt und zu jeder Zeit, sofern eine
Internetverbindung verfügbar ist – drei
Wahlmöglichkeiten:
■ den Brief ungelesen direkt von der
Post vernichten lassen. So lassen sich
überfüllte Postfächer bei den Empfängern ebenso vermeiden wie leere Kilometer der Zusteller.
■ den Brief ganz klassisch zustellen lassen, freilich mit dem feinen Unterschied,
dass die Zustelladresse jederzeit frei
wählbar ist, besonders praktisch für Urlaubszeiten oder für Geschäftsreisende.
■ den Brief von der Post öffnen, scannen
und sich per PDF mailen lassen.
Für die Trust-Ebox wird ein sogenannter Compact Reader Sorter (CRS) der neuesten Generation eingesetzt, der Briefe
bis zum Format C4 verarbeiten kann und
jeweils Scans der Briefvorderseite herstellt. Darüber hinaus erhält jede Sendung einen Code, über den sie im weiteren Bearbeitungsprozess identifiziert
wird. Die Lesesoftware der Maschine erkennt die Adresse und weist sie automatisch nach dem ersten Maschinendurchlauf dem richtigen Empfänger und der
im System hinterlegten Mailadresse zu.
Nachdem der Adressat entschieden hat,
was mit der jeweiligen Sendung passieren soll, sortiert die Anlage die Sendungen in die entsprechenden Fächer.
Der Kreis schließt sich. Diese enge
Verzahnung analoger und digitaler Post
bringt Vorteile für alle Beteiligten: Die
Zusteller brauchen jene Post nicht auszutragen, die ohnehin ungelesen in den
Papierkorb wandern würde. Und die
Kunden habe jederzeit die Kontrolle
über ihre Post und bekommen nur jene
Briefe zugestellt, die sie auch tatsächlich
lesen wollen.
i
siemens.com/logistics
www.post.at
hi!tech 01|12
24
Ich vertraue der ersten
Autoversicherung, die
Leben retten kann.
Gewählt zur vertrauenswürdigsten
Versicherung Österreichs.
45.000 Kunden
vertrauen bereits
UNIQA SafeLine.
www.uniqa.at
Eine Analyse in der Automobilindustrie ergab, dass in
Pausen noch immer halb so
viel Energie verbraucht wird
wie während der Produktion.
Abschalten können
Im Stromnetz der Zukunftt muss die Industrie ein flexibler
Player sein. Dafür ist ein intelligentes Energiemanagement
nötig – und die Fähigkeit, Pausen zu machen.
Teure Wissenslücke
Selbst in modernen Industrieanlagen ist
häufig nicht bekannt, wie sich die Gesamtmenge an benötigter Energie auf
einzelne Produktionslinien, Maschinen
und die darin enthaltenen Verbraucher
verteilt. Das kann eine teure Wissenslücke sein: Nur wer den Energieverbrauch
von Pumpen, Pressen oder Kompressoren im zeitlichen Verlauf kennt, kann die
Effizienz von Anlagen steigern, Kosten
sparen und CO₂-Emissionen vermeiden.
Bessere Informationen über den Einsatz
der Energie sind also aus ökonomischen
und ökologischen Gründen wichtig.
Professor Frithjof Klasen, Fachhochschule Köln, versuchte anhand von Werken der Automobilindustrie Einblicke in
die Energieflüsse zu gewinnen. Als ein
Industry Journal, Elisabeth Dokaupil
zentrales Problem entpuppten sich die
Stillstandszeiten der Anlagen, in denen
sie immerhin noch halb so viel Energie
benötigten wie während der Produktion.
Der Grund: Anlagen können derzeit in
vielen Fällen nicht einfach abgeschaltet
werden, weil das komplexe Zusammenspiel zahlreicher Komponenten berücksichtigt werden muss.
Die Automatisierungs-Initiative deutscher Automobilhersteller (AIDA) hat daher gemeinsam mit der Profibus-Nutzerorganisation einen Standard für ein
verbessertes Energiemanagement entwickelt, ein Energieeffizienzprofil, das
auf dem Kommunikationsprotokoll Profinet aufbaut und bei dem Anlagensteuerung, Kommunikationsnetzwerk und
Stromverbraucher zusammenspielen.
Siemens
Christina Lehner
Nach den Messungen der Kölner Effizienzexperten spart der neue Standard
in Stillstandszeiten etwa 70 Prozent der
Energie und kann dadurch den gesamten
Energieverbrauch um Rund ein Drittel
reduzieren. „Weil an der Fertigung eines
Fahrzeugs viele Anlagen beteiligt sind,
können die Energiekosten jährlich um einen Betrag im mittleren sechsstelligen
Bereich gesenkt werden“, so Klasen.
Das individuelle Abschalten von Maschinen und Komponenten ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, Fertigungsanlagen zu Micro Grids zu machen.
Sie sind die kleinen Geschwister der intelligenten Stromnetze der Zukunft, der
Smart Grids. In diesen intelligenten Netzen sind Energieerzeuger und -verbraucher sowie Stromspeicher und -netze mit-
hi!biz
Energieeffizienz
Mit den neuen Profienergy-Kommunikationsfunktionen kann
der Motorstarter in
Produktionspausen
Anlagen abschalten.
einander verbunden, um Angebot und
Nachfrage auszugleichen. „Unternehmen
müssen in Zukunft ein intelligentes Management von Energie betreiben“, weiß
Engelbert Lang, Siemens. „Denn mit dem
Ausbau der erneuerbaren Energien werden Angebot und Preise viel stärker fluktuieren als heute. Ein ökonomisch sinnvoller Energiemix ist also unverzichtbar.“
Dazu gehöre in Zukunft auch, Teile der
Anlagen abzuschalten, wenn der Strom zu
teuer ist. Vereinzelt wird das heute bereits
gemacht, um Lastspitzen zu vermeiden.
Das stellt die Automatisierungsexperten
vor eine komplexe Optimierungsaufgabe.
„Heute sind die Anlagen für maximale
Produktivität optimiert. In Zukunft müssen Unternehmen die Produktion aber
auch an die Verfügbarkeit von Energie
anpassen“, so Lang. „Manche Einsparmaßnahmen sind relativ simpel: Ist der
Strom teuer, kann das System, beispielsweise die Belüftung und die Klimaanlage,
Beleuchtung
Druckluft
eine Zeit lang abschalten.“ Auch Teile der
Fertigung können Pause machen, wenn
Zwischenprodukte aus einem Lager nicht
zur Verfügung stehen. Voraussetzung
für solche Szenarien ist aber, dass Automatisierungstechnik und Energieversorgung künftig zusammenwachsen.
Wer entscheidet über Pausen?
Aber wer entscheidet darüber, wann welche Maschine eine Pause machen kann,
ohne dass die Produktion leidet? Dafür
wäre die übergeordnete Ebene, das Manufacturing Execution System (MES), zuständig, das die Schichtpläne und Pausenzeiten kennt und die gegenseitigen
Abhängigkeiten innerhalb der gesamten
Produktionslinie berücksichtigt.
Zur intelligenten Fabriksteuerung gehört auch die ständige Kommunikation
mit dem Stromversorger. Die Steuerung
vergleicht das aktuelle Stromangebot mit
der Produktionsplanung. Wenn die Ener-
bis zu 70%
bis zu 50%
Pumpsysteme
bis zu 30%
Kälte- und Kühlwasseranlagen
bis zu 30%
Wärmeversorgung
bis zu 30%
Lüftungsanlagen
bis zu 25%
Energie
sparen
Bei Mittelbetrieben wird
vor allem bei Beleuchtung und Druckluft viel
Energie verschwendet.
Je rund ein Drittel sicher
nicht kleiner Energiemengen sind zusätzlich
rund um Heizung, Kühlung, Lüftung und bei
Pumpen zu holen.
gie günstig ist, kann sie zum Beispiel
Vorbehandlungsprozesse wie Ätzen oder
Schneiden anstoßen oder bestimmte Lager auf Vorrat mit Zwischenprodukten
füllen. Die Herausforderung für die Entwickler besteht darin, Algorithmen zu
entwickeln, die Energiepreis- und -bedarfsprofile sowie den notwendigen
Energieeinsatz und die Möglichkeit zur
Zwischenspeicherung berücksichtigen.
Außerdem wird der Strom in Zukunft
auch nicht mehr nur in eine einzige Richtung fließen. Viele Unternehmen besitzen
Notstromaggregate, die sich regional zu
virtuellen Kraftwerken mit einigen zehn
Megawatt Leistung zusammenschalten
lassen. Sie können bei hoher Nachfrage
hochgefahren werden. Bei diesem Modell
würden spezielle Zwischenhändler die
virtuellen Kraftwerke fernsteuern und
den Strom an die Energieversorger liefern. Funktionieren kann das heute
schon. Auch Stromspeicher zahlen sich
für Firmen aus, und zwar primär Lithium-Ionen- oder Redox-Flow-Batterien, bei
denen zwei flüssige Elektrolyte in Tanks
die Energie speichern.
Die Zukunft der energieeffizienten
Produktion hat bereits begonnen. Es gibt
Produkte, die Energieströme transparent
machen und ein effektives Energiemanagement ermöglichen. „Powerrate“ ist
ein Add-on für das Siemens-Automatisierungssystem Simatic, das den Energieverbrauch im Detail erfasst und Lastmanagement durch „Abschalten“ ermöglicht. Das
Energiemanagementsystem b.data von
Siemens liefert einen unternehmensweiten Überblick über die Energiekosten
und ermöglicht eine direkte Anbindung
an die Unternehmenssoftware, zum Beispiel SAP. Damit lassen sich die Verträge
mit den Energielieferanten schon jetzt
optimieren.
i
siemens.com/automation
siemens.com/bdata
hi!tech 01|12
26 ■ 27
hi!biz
Verteilnetz
Rückgrat der
Energiewende
Die Verteilnetze sind von entscheidender Bedeutung für die
Stromversorgung der Zukunft mit einem deutlich höheren
Anteil an erneuerbarer Energie, betont DI Reinhard Brehmer,
Geschäftsführer der Wien Energie Stromnetz GmbH.
Wie gut stehen die Chancen, dass Europa
die angestrebte Energiewende erreicht?
Der geplante Anstieg bei erneuerbarer
Energie ist aus europäischer Sicht angesichts der Möglichkeiten der Windenergie
und des Ausbaus der Photovoltaik schaffbar. Bei der CO₂-Reduktion hilft derzeit
die Wirtschaftskrise. Ein entscheidender
Punkt ist dabei aber auch die Erhöhung
der Energieeffizienz, die das Thema der
Zukunft sein wird. Bei der Energieeffizienz wird die Schlacht in den Städten entschieden, die für 80 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich sind.
Welche Rolle spielen die Stromnetze im
neuen Energiezeitalter?
Entscheidend für das Erreichen der Energiewende sind die Verteilnetze. Sie stellen das Rückgrat der Energiewende dar,
denn um Energie effizient einzusetzen,
müssen wir den Verbrauch messen und
steuern. Derzeit wird z. B. der Stromverbrauch aber nur einmal jährlich am Zähler abgelesen; was während des Jahres
passiert, wissen wir nicht. Wenn wir den
Strom im Netz sinnvoll steuern wollen,
Elisabeth Dokaupil
Petra Meisel
benötigen wir intelligente Zähler: Smart
Meter, die Realtime-Werte liefern können.
Wie gehen Sie mit dezentraler Energieerzeugung von privaten Photovoltaikanlagen um? Und welche Konsequenzen
hat diese Art der Stromproduktion für
die Netze?
Auch über die dezentrale Stromerzeugung haben wir bisher keine Detailinformationen. In Deutschland gab es bereits
Netzausfälle wegen zu großer unerfasster Einspeisungsmengen. In Österreich
ist das Risiko derzeit nicht so hoch, weil
die Photovoltaik nicht so stark gefördert
wird. Wenn es allerdings an manchen Tagen zu viel Wind im Burgenland gibt,
bleibt nur die Möglichkeit, Speicherkraftwerke wie Kaprun zu nutzen und die Verluste durch die Übertragung in Kauf zu
nehmen. Am effizientesten ist es natürlich, wenn in Zukunft die lokal erzeugte
Energie vor Ort verbraucht oder gespeichert wird. Bei der Erzeugung und Speicherung von Warmwasser zum Beispiel
liegen die Verluste im niedrigen einstelligen Bereich.
Benötigen neben dem Zähler auch die
anderen Teile des Verteilnetzes, etwa
Trafos, mehr Intelligenz?
Sie brauchen mehr Datenerfassung, aber
auch Steuereinrichtungen – z. B. Spannungsregelung mit Netztrafos –, um auch
bei starker dezentraler Einspeisung die
bisher gewohnte Qualität der Versorgung
sicherzustellen. In Wien gab es den letzten großen Stromausfall 1986. Wegen des
steigenden Einsatzes von alternativer
Stromerzeugung ist ein europaweiter volatiler Ausfall leichter möglich als bisher.
Mit intelligenten Netzen können wir Vorkehrungen gegen dieses Risiko treffen.
Was bringen Smart Meter den Verbrauchern?
Dienstleister können den Konsumenten
mit Smart-Meter-Daten Home-Automation-Services anbieten. Außerdem wird
mit Smart Metern die Idee verbunden,
dass normale Stromkonsumenten zu aktiven Teilnehmern am Strommarkt zu Tagespreisen werden. In den USA werden
Konsumenten von stundenweisen Strompreisanstiegen informiert und reagieren
»Wenn wir Strom im Netz sinnvoll steuern
wollen, benötigen wir intelligente Zähler:
Smart Meter, die Realtime-Werte liefern.«
mit dem automatischen zeitweisen Abschalten von Klimaanlagen oder Poolpumpen. Dadurch ergibt sich eine Spitzenlastverschiebung. In Europa haben
wir damit wenig Erfahrung, weil das bei
wesentlich niedrigeren Durchschnittsstromverbräuchen im Haushalt derzeit
kein Thema ist.
mit Smart Metern ausgestattet sein?
Nach dem derzeitigen Verordnungsentwurf sollen in Österreich 2014 etwa 15
Prozent der Smart Meter installiert sein.
Das geht sich allerdings nicht einmal legal aus, weil die Standards erst Ende
2012 stehen werden und dann erst sinnvoll ausgeschrieben werden kann.
Welche Risiken ergeben sich durch die
neuen Services für die Stromnetze?
Wir sind als Netzbetreiber für die Qualität
und Sicherheit der Stromversorgung verantwortlich und müssen daher Schalteingriffe von externen Dienstleistern vermeiden. Die notwendigen Informationen
für ihre Services werden ihnen vom Verteilnetz auf ausdrücklichen Wunsch des
Kunden zur Verfügung gestellt.
Wie viele Zähler müssen in Österreich
ausgetauscht werden?
Der Zähleraustausch ist das größte IKTProjekt, das wir je hatten. Es geht in Österreich um 5,5 Millionen und in Wien
um 1,5 Millionen Zähler und die Verarbeitung einer gigantischen Datenmenge.
Bisher mussten wir jeden Zähler einmal
pro Jahr ablesen, in Zukunft werden wir
in Wien 180 Millionen Daten pro Tag zu
verarbeiten haben. Dazu kommt die intensivere Kundenbetreuung und der zu-
Wann werden die europäischen Haushalte
sätzliche Sicherheitsaufwand. Die Umstellung läuft in Wien parallel zu einer notwendigen Erneuerung von Teilen der Netzinfrastruktur, die schon ca. 50 Jahre alt ist.
Wie kann das finanziert werden?
Die Finanzierung ist auch deshalb schwierig, weil uns seit 1999 eine laufende Reduktion der Netztarife verordnet wird.
Durch die steigende Energieeffizienz und
die private Stromproduktion sinkt der
Verbrauch und mit ihm auch die regulierten Netzerlöse. Immerhin steigt aber
das Bewusstsein dafür, dass die Energiewende und eine langfristig sichere Stromversorgung mit einem höheren Anteil an
erneuerbarer Energie Investitionen erfordert. In Deutschland liegt die Belastung
pro Haushalt für die Förderung der Erneuerbaren bei 165 Euro pro Jahr, in Österreich auch schon über 50 Euro. Für die
Einbindung der Erneuerbaren und all die
vielen neuen Aufgaben wird man um
eine moderate Netztariferhöhung nicht
herumkommen.
i
www.wienenergie.at
www.siemens.com/ic
hi!tech 01|12
28 ■ 29
Handys, Leiterplatten
und Autos landen am
Müll, obwohl sie wertvolle Rohstoffe, vor
allem seltene Metalle,
enthalten.
Pictures of the Future, Industry Journal
Getty Images/ULTRA.F, Caro/Caro/picturedesk.com, Getty Images/Pete Ryan
hi!biz
Rohstoffe
Abhängigkeit
teuer bezahlt
Wichtige Metalle für immer mehr elektronische Produkte, die
unseren Alltag dominieren, werden knapp und immer teurer. Daher
werden Alternativen gesucht und Recyclingmethoden entwickelt.
Vom Handy bis zur Windturbine
Handys und LCD-Fernseher kommen
ohne sie nicht aus, Elektromotoren ebenso, aber auch Energiesparlampen und
jene Dauermagnete, die für die neue Generation effizienter Windturbinen benötigt werden: Die Rede ist von Seltenen
Erden. Wegen der guten Eigenschaften
dieser Stoffe werden immer wieder neue
Produkte entwickelt, die den Markt noch
weiter anheizen. Zu den Seltenen Erden
zählen Metalle wie Neodym, Praseodym
und Dysprosium. Wenn sie optimal kombiniert werden, erreicht ihr Energieprodukt, das Maß für die speicherbare magnetische Energie, über 400 Kilojoule pro
Kubikmeter (kJ/m³). Das ist ein so hoher
Wert, dass Magnetsysteme mit diesen
Metallen wesentlich kleiner sein können
als mit herkömmlichen Materialien oder
Recycling-Quoten in Europa
Verwertungs- und Recyclingquote in %
80
79
82
Deutschland
83
Spanien
60
65
82
Schweden
76
86
75
Großbritannien
78
76
85
Frankreich
72
80
63
Polen
23
39
Unterhaltungselektronik
Monitore und Steuerungen
Quelle: Eurostat 2011
IT und Telekommunikation
mit erheblich höheren magnetischen
Energien ausgestattet werden können.
Der Name Seltene Erden ist eigentlich
irreführend, denn etliche der Metalle, wie
etwa Neodym, sind nicht wirklich selten.
Sie kommen in der Erdkruste sogar häufiger vor als etwa Blei, doch sind erst wenige größere Lagerstätten entdeckt worden.
So gibt es in der Inneren Mongolei, in
Westaustralien, Grönland, Kanada und
den USA Vorkommen. Derzeit wird allerdings die Weltproduktion der Seltenen Erden zu 97 Prozent von China dominiert.
„Da droht ein Ressourcenproblem“, warnt
Dr. Thomas Scheiter, Leiter des globalen
Technologiefeldes „Materialsubstitution
und Recycling“ bei Siemens CT. Denn alternative Vorkommen werden erst in fünf
oder mehr Jahren erschlossen werden.
Erhebliche Gewichtseinsparung
Seltene Erden ermöglichen es, Windturbinen mit nur einer Spule statt mit zwei und
mit einem Dauermagneten zu betreiben.
Im Vergleich zum Einsatz herkömmlicher
Werkstoffe wie Eisen und Kupfer kann daher erheblich Gewicht eingespart werden.
Doch nicht nur in den westlichen Industrienationen nimmt die Abhängigkeit
von Seltenen Erden zu. Weil auch China
bei Windturbinen und Elektrofahrzeugen eine immer größere Rolle spielt, wird
es künftig verstärkt auf die eigenen Ressourcen zurückgreifen. Grund genug,
hi!tech 01|12
30 ■ 31
Elektromotoren sollen
von Anfang an so konstruiert werden, dass
man beim Recycling
ohne große Probleme
die Permanentmagnete aus dem Motor
separieren kann.
dass sich Siemens-Materialwissenschaftler auf die Spurensuche nach technologischen Alternativen begeben.
Eine weitere Möglichkeit des nachhaltigen Umgangs mit Seltenen Erden ist das
Recycling dieser Materialien aus Elektromotoren. Allerdings muss dafür erst ein
Verfahren entwickelt werden. Motoren
landen im Schmelzofen, und Seltene Erden vermischen sich mit dem Rest. Nun
werden unterschiedliche Möglichkeiten
getestet, um an die wertvollen, oft nur in
kleinen Mengen enthaltenen Inhaltsstoffe
heranzukommen. Man arbeitet auch daran, die Produkte von Anfang an so zu
konstruieren, dass man die Permanentmagnete aus dem Motor separieren kann.
Gleichzeitig werden Verfahren entwickelt,
um Magnetmaterialien aus Schmelzen in
einer Schlacke gezielt anzureichern und
daraus Seltene Erden zurückzugewinnen.
Engpässe vorprogrammiert
Auch wenn Seltene Erden unter den kritischen Rohstoffen derzeit die höchste Priorität haben, geben noch weitere Materialien Anlass zur Sorge. Die besonders widerstandsfähigen Refraktärmetalle sind
wegen möglicher Lieferengpässe problematisch. Dazu gehörten etwa Niob, Wolfram und Molybdän, die in Röntgenröhren
oder Schaltern enthalten sind. Bei diesen
Metallen ist eine hohe Hitzebeständigkeit
gefordert, gleichzeitig wird ihnen aber
noch eine gewisse Formbarkeit und Leitfähigkeit abverlangt.
Zu Engpässen könnte es auch bei Platin, Palladium, Indium, Gallium und Germanium kommen. Gold, Silber und Kupfer sind nicht so knapp, mit weiterem
Preisanstieg ist aber zu rechnen.
Pictures of the Future; Industry Journal
Sammelquote
erhöhen
Die Umweltminister der 27 EUStaaten haben sich auf strengere
Auflagen für die Entsorgung von
Elektroschrott geeinigt. Danach soll
die Sammelquote innerhalb von
acht Jahren von heute 30 auf dann
65 Prozent steigen. EU-Umweltkommissar Janez Potočnik betont:
„Es ist wichtig, dass wir Elektromüll
als wertvolle Ressource betrachten.
Knapp vier Milliarden Euro pro Jahr
beträgt europaweit der Verlust
durch die nichtrecycelten Metalle.“
Bereits jetzt locken die hohen Preise
Diebe an. Immer wieder stehen Züge auf
der Strecke, weil Kabel gestohlen wurden. Auch jenseits krimineller Aktivitäten steckt in der Schrottverwertung Geld.
Auf einer gewöhnlichen Mülldeponie
warten Metalle im Wert von knapp 30
Millionen Euro. 1,5 Milliarden Tonnen
verwertbare Materialien entsorgen die
Europäer pro Jahr. Und in China wandern jährlich vier Tonnen Gold, 28 Tonnen Silber und 6.000 Tonnen Kupfer in
den Müll. Werden Mülldeponien in Zukunft als hochinteressante Lagerstätten
wichtiger Rohstoffe aufgewertet?
Ganz sicher. Und dieser Trend hat auch
schon einen Namen: Urban Mining. Die
„Bergwerke“ in den Städten bringen sogar
bessere Ergebnisse als die Ausbeute primärer Lagerstätten. Die auf Edelmetalle spezialisierte internationale Umicore Group
macht mehr als 60 Prozent ihres Umsatzes von knapp zehn Milliarden Euro mit
Recycling – bei einer jährlichen Steige-
Siemens
rungsrate von zuletzt knapp 42 Prozent.
Und diese Erzgewinnung ist auch bei weitem umweltfreundlicher als zum Beispiel
der Abbau von Seltenen Erden in China.
Eine zentrale Herausforderung für die
Recyclingspezialisten ist der komplexe
Materialmix im Elektronikschrott. Neben
den Edel-, Basis- und Sondermetallen finden sich Schadstoffe, Halogene, Kunststoffe, Glas und vieles mehr. In der ITHardware sind heute 60 verschiedene
Elemente enthalten.
Hohe Metallausbeute
Doch Umicore beweist, dass die Verwertung derartiger Altmaterialien funktioniert. Das Unternehmen erzielt aus Leiterplatten, Katalysatoren oder LithiumIonen-Batterien eine Metallausbeute von
mehr als 95 Prozent. Bezogen auf das
gesamte Recyclingmaterial werden hier
jährlich aus rund 300.000 Tonnen weitgehend sekundärem Einsatzmaterial
mehr als 70.000 Tonnen Metall gewonnen. Und das moderne Recycling erfordert nur einen Bruchteil der Energie, die
eine Gewinnung im Bergbau benötigt.
„Verglichen mit den Erzgehalten der Primärlagerstätten stellen Computerleitplatten oder Mobiltelefone eine wahre
Bonanza dar“, sagt Christian Hagelüken
von Umicore Precious Metals Refining.
Es ist Zeit für einen fundamentalen
Wandel. „Es geht um sinnvolles Ressourcenmanagement, die komplette Erfassung
von Altgeräten, um den Stopp zweifelhafter Exporte und den Aufbau einer globalen
Kreislaufwirtschaft“, betont Hagelüken.
i
siemens.com/innovation
www.umicore.de
siemens.de/pof
hi!tech 01|12
32
NUR BIS 27
. 4. 2012:
KlimaKre
d
EUR 600,– it mit bis zu
UmweltBo
nus.
Bei heiklen
biotechnischen
Prozessen sollte
man immer wissen, wie es dem
Produkt geht.
Prozesse fest im Griff
Innovatives Verfahren liefert Informationen über
Produkt und Prozess bis zur Echtzeitfreigabe.
Produktqualität sicherstellen
In den meisten biotechnischen Produktionen wird während des Herstellungsprozesses nicht erfasst, was mit dem Produkt passiert. Das gilt auch für die
Gefriertrocknung, ein wichtiger Schritt
bei der Herstellung vieler Arzneimittel.
Beeinträchtigungen des Produkts
während der Gefriertrocknung können
erst durch eine nachträgliche Probenentnahme und -analyse erkannt werden.
Werden die Veränderungen des Produkts
bereits während der Gefriertrocknung
kontinuierlich überwacht, lässt sich das
Prozessmanagement optimieren und
eine konstante Produktqualität sicherstellen. Ein umfassendes Bild der Prozesse im Produkt ergeben innovative Metho-
Elisabeth Dokaupil, Ursula Grablechner
den wie die Raman- und Nah-Infrarot(NIR-)Spektroskopie, die ein Team von
Wissenschaftlern von der Universität
Gent und Siemens einsetzt. Sie liefern
die notwendigen Informationen über
Produktverhalten und -eigenschaften.
Das neu entwickelte Verfahren wertet
auch verschiedene Methoden der Chargenmodellierung aus, die helfen, ungewollte Prozessabweichungen frühzeitig
zu erkennen – ein Frühwarnsystem, das
für die kontinuierliche Prozesssteuerung
und die Echtzeitfreigabe des Produkts
entscheidend ist.
Der Einsatz der Spektroskopie ergab
zunächst keine Ergebnisse in Echtzeit. Um
dieses Problem zu lösen, wurden die Analysegeräte mit der Softwarelösung SIPAT
Andi Bruckner, Siemens
(Siemens Process Analytic Technology)
verbunden. SIPAT ermöglicht die Erfassung von Echtzeitanalysedaten und verarbeitet sie mit zusätzlichen Prozessdaten
in einem Modell, das kontinuierlich Vorhersagen über die Chargenqualität trifft.
Statt nachträglicher Produkttests, die
zur Folge haben, dass Chargen mit mangelhafter Qualität ganz oder teilweise
entsorgt werden müssen, beweist der Prozess unmittelbar, dass das Produkt durch
die Gefriertrocknung nicht beeinträchtigt wurde. Einige Unternehmen planen
bereits, ihre PAT-Lösung mit SIPAT zu
kombinieren, um eine Echtzeitfreigabe
möglich zu machen.
i
siemens.com/pharma
www.ugent.be
hi!school
News
Intelligente
Fahrzeuge
Neuer Rekord
mit Photovoltaik
Mit einem neuen Modulprototypen
schaffte es Semprius mit Sitz in Durham im US-Bundesstaat North Carolina
erstmals, mehr als ein Drittel der Sonnenenergie direkt in Strom umzuwandeln. Das stellt einen Meilenstein in der
Photovoltaikbranche dar, denn selbst
führende Modulhersteller erreichten
bisher nicht mehr als 20 Prozent mit
monokristallinen und etwa 16 Prozent
mit polykristallinen Photovoltaikmodulen. Unter gleichen Installationsbedingungen können die neuen hochkonzentrierenden PV-Module also doppelt
so viel Leistung pro Quadratmeter liefern wie herkömmliche polykristalline
Module.
Der Rekordwirkungsgrad wurde in einem Gemeinschaftsprojekt mit dem spanischen Instituto de Sistemas Fotovoltaicos de Concentración und der Universität
Testsystem mit 40 hochkonzentrierenden
PV-Modulen holt mehr Energie aus Sonne.
Madrid vom Instituto de Energía Solar
gemessen. Die hochkonzentrierenden
Photovoltaiksysteme bündeln das Sonnenlicht mithilfe integrierter Speziallinsen auf sehr kleinflächige Hochleistungszellen.
i
siemens.com/industry
Fahrassistenz-, Sicherheits- und Infotainmentfunktionen sollen nicht
mehr in Steuergeräten, sondern überwiegend nur noch als Software in
Fahrzeugen installiert werden. Damit
wird die Komplexität der IKT-Architektur verringert und die Leistungsfähigkeit erhöht.
Siemens ist mit
Partnern am Projekt RACE (Robust
and Reliant Automotive Computing Environment
for Future eCars) beteiligt, das sich
mit diesem Thema beschäftigt.
■ siemens.com/innovation
Ultraleistungsschalter
Smarte Displays selektieren Infos
Mit einer neuen Entwicklung des Instituts für Pervasive Computing könnte die
allgegenwärtige Reizüberflutung eingedämmt werden. Die intelligenten Displays „SmartLight“ leiten nur genau
Aus Körperhaltung oder Gesichtsausdruck
erkennt das System die Aufmerksamkeit.
jene Informationen weiter, die der User
auch tatsächlich haben will. Mit integrierten Sensoren wie einem Ultraschalldistanzmesser und Tiefenbildsensoren
macht sich das digitale Displaysystem
quasi ein Bild von seinem Betrachter.
„So können ihm die Displays jene Inhalte anzeigen, die sowohl zur Situation
als auch zum seinem Interessens- und
Aufmerksamkeitseindruck passen“, erklärt Prof. Alois Ferscha von der JKU.
Umgekehrt können auch eigene Inhalte
wie am Smartphone aufgenommene Videos, Audionotizen oder Fotos ins Netz
hochgeladen werden.
i
www.jku.at
Bei Spannungen von 1,2 Millionen
Volt arbeitet ein neuer Leistungsschalter, den Siemens entwickelt
hat. Dieser Wert ist weltweit einmalig. Ultrahochspannungen erhöhen
die Übertragungskapazität von
Stromleitungen und bieten die Möglichkeit, auf relativ wenigen Trassen
große Mengen elektrischer Energie
zu transportieren.
■ siemens.com/energy
hi!tech 01|12
34 ■ 35
Pictures of the Future, Elisabeth Dokaupil
Christina Lehner
hi!school
Lernende Systeme
hi!tech 01|12
36 ■ 37
Pictures of the Future, Elisabeth Dokaupil
Christina Lehner
hi!school
Lernende Systeme
In Zukunft werden
wir vielleicht Apps
herunterladen,
um die Funktionen
unserer Häuser,
Fahrzeuge, Unternehmen oder
Lieferketten zu
optimieren.
i
hi!tech 01|12
38 39
hi!school
Medizin
Den Körper
verstehen lernen
Lernende Software trainiert laufend, um den
Menschen bis ins letzte Detail abzubilden und so
Diagnose und Behandlung zu erleichtern.
Alle Infos auf
einem Schirm
Medico, ein computerbasiertes Assistenzsystem, könnte Ärzte künftig bei
der Diagnose und Therapiefindung
unterstützen. Es verknüpft medizinisches Wissen, Bildverarbeitung, wissensbasierte Informationsverarbeitung und maschinelles Lernen. Ärzte
können so effizienter auf unterschiedlichste Arten medizinischer Informationen zugreifen, die heute in sehr
heterogenen Formaten vorliegen,
stark verteilt und nicht verknüpft sind.
Es handelt sich um Daten aus bildgebenden medizinischen Verfahren,
Berichte oder Labordaten. Die Software erkennt Auffälligkeiten in den
Bildern, katalogisiert die Daten automatisch, trägt Vergleichsbilder zusammen und verarbeitet sie.
Medico ist ein Anwendungsszenario des deutschen Forschungsprogramms Theseus, an dem Siemens mit
Partnern der Universitätsklinik Erlangen, des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI),
der Münchner Ludwig-MaximiliansUniversität und der Fraunhofer Gesellschaft zusammenarbeitet.
Pictures of the Future, Elisabeth Dokaupil
Organe aus jedem Blickwinkel
Ein Scan, der Ort und Funktion jeder
Körperzelle speichert, eröffnet völlig
neue medizinische Möglichkeiten. So
könnten damit alle Herz- oder Prostatazellen visualisiert und ein 3-D-Bild des
jeweiligen Organs erzeugt werden, aus
jedem Blickwinkel, per Joystick. Forscher
kommen dieser Idee schon recht nahe,
zumindest in bestimmten Körperregionen und auf der Ebene von Voxeln –
also 3-D-Pixeln –, von denen jeder rund
100.000 Zellen repräsentiert.
„Wir arbeiten darauf hin, dass letztlich jeder einzelne Voxel eines Scans
automatisch gekennzeichnet werden
kann“, erklärt Dr. Shaohua Kevin Zhou,
Leiter eines Programms zur Analyse von
Ganzkörperaufnahmen bei Siemens in
Princeton, USA. „Im Rahmen einer semantischen Suche könnten Ärzte sich damit durch bloßes Erwähnen eines Lebertumors Bilder des Tumors zeigen lassen.
Das System würde die Tumorgröße auf
jeder Aufnahme automatisch messen
und damit belegen, wie der Tumor auf
die Behandlung reagiert hat.“
Aufgrund ihrer Lernfähigkeit erkennen Systeme nun auch Herzklappen und
-kammern, Katheter oder Stents automatisch und schaffen die Voraussetzungen
für schonende Eingriffe mit minimalinvasiven Katheterverfahren. Mithilfe von
Siemens
Algorithmen für maschinelles Lernen, die
gleiche anatomische Orientierungspunkte in Aufnahmen aus verschiedenen Bildgebungsverfahren automatisch identifizieren, werden Behandlungen wie der
Ersatz von Aortenklappen immer präziser.
„Die neue Technik bezeichnen wir als modellbasierte Fusion“, erklärt Dr. Razvan Ionasec, Siemens. Die dreidimensionale Angiographie auf Röntgenbasis eignet sich
zwar hervorragend, um die Position des
Katheters zu sehen, aber nicht für die Visualisierung von Gewebe. Das kann allerdings der Ultraschall. Daher wurde eine
lernbasierte Erkennungs- und Verfolgungstechnologie entwickelt, die das Erfassen von Bildern aus Angiographie und
Intravaskulärem Ultraschall (IVUS) optimiert. Solche Geräte werden oft eingesetzt, um die Menge von Plaques in den
Herzkranzarterien – also Ablagerungen in
den Herzschlagadern – zu bestimmen.
Auch zum Training von Computertomographiesystemen, die verkalktes Gewebe auf Herzaufnahmen identifizieren
sollen, wird maschinelles Lernen genutzt. Die Software soll dabei helfen, das
Ausmaß von Kalkablagerungen auf Herzklappen und in der Aorta zu quantifizieren. Die Wissenschaftler hoffen, dass
sich mithilfe maschinellen Lernens langfristig die Unterschiede zwischen normalen Plaques, die auf der Oberfläche
Dr. Shaohua Kevin
Zhou, Leiter eines
Programms zur
Analyse von Ganzkörperaufnahmen
bei Siemens in
Princeton, USA.
verankert sind, und den instabilen
Plaques, die sich ablösen und Herzinfarkte oder Schlaganfälle auslösen können, erkennen lassen.
Im Fokus der Forscher steht grundsätzlich das ganze Herz. Unter dem Titel
Semantic Heart soll maschinelles Lernen
eingesetzt werden, um alle vier Klappen
automatisch zu identifizieren. Diese Informationen werden dann in die Modelle
der Herzkammern integriert, um ein Gesamtmodell des Herzes zu erhalten. Ärzte sollen vor der Behandlung die Auswirkungen verschiedener interventioneller
Verfahren auf die Dynamik des gesamten
Herzes eines Patienten simulieren und
analysieren können.
Mehr Details über die Herzklappen
Auch die Mitralklappe, die den Blutfluss
zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer regelt, soll immer besser modelliert werden. Die Mitralklappe
ist viel komplexer als die Aortenklappe
und wird von einem Netz von Sehnenfäden gehalten, die die beiden Mitralsegel
davon abhalten, in den linken Vorhof
umzuschlagen. Bei Überanstrengung
oder Erkrankungen können diese Sehnenfäden jedoch reißen – die Folgen können lebensbedrohlich sein.
Als Behandlung kann das lose Mitralsegel über ein kathetergestütztes Verfahren am zweiten, gesunden Segel befestigt
werden. „Zurzeit können wir uns allerdings nur über Fluoroskopiebilder orientieren. Das macht es nicht einfach, einen
winzigen Clip an zwei sich bewegenden
Segeln über einen Katheter zu befestigen“, erklärt Ionasec. Sein Team arbeitet
deshalb an einem Ansatz, der die Submillimeterauflösung von präoperativen
Ultraschallaufnahmen, die von einem
Wandler in der Speiseröhre erzeugt werden, mit intraoperativen Röntgenbildern
kombiniert. Auch hier wurden die Algorithmen wieder anhand von Tausenden
von Patientenbildern trainiert.
Gearbeitet wird auch an einem digitalen pathologischen Diagnosescanner. Er
soll genau und kostengünstig Tausende
Objektträger pro Stunde analysieren, auf
denen jeweils papierdünne Gewebeschichten aufgebracht sind, bei denen
»Im Rahmen einer
semantischen Suche
könnten sich Ärzte
durch Erwähnen
eines Lebertumors
Bilder des Tumors
zeigen lassen.«
ein Verdacht auf krankhafte Veränderung
vorliegt. Die Resultate werden dann mit
anderen Untersuchungsergebnissen der
Patienten kombiniert. Bereits jetzt arbeiten die Siemens-Spezialisten für biomedizinische Bildanalyse aus Princeton
daran, Krebsstadien von Proben aus Prostatabiopsien vorherzusagen. Und die lernenden Systeme fanden heraus, dass die
Länge der schleifenförmigen Anordnungen von Krebszellen und die Anzahl der
darin enthaltenen Zellen ausreichen, um
das Stadium zu erkennen. Von intelligenter IT ist noch viel zu erwarten.
i
siemens.com/healthcare
siemens.de/pof
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40 ■ 41
Die Riesen kommen
Schon bald könnten Windenergieanlagen mit bis zu 20 Megawatt Leistung
und 200 Meter Rotordurchmesser errichtet werden. Sie könnten
den Stromertrag erhöhen und die Logistikkette vereinfachen.
Erfolgsstory Offshore-Windkraft
Das Staunen war groß. Mitten im Wasser
errichteten die Arbeiter erst einen 35 Meter hohen Turm. Obendrauf montierten
sie dann ein riesiges Maschinenhaus.
Schließlich befestigten sie noch drei 17
Meter lange Flügel daran. Fertig war das
Windrad. Elf Anlagen, jede 450 Kilowatt
(kW) stark, bauten die Männer auf und
schufen einen Rekord: „Vindeby“ war
1991 die erste kommerzielle und die
größte Offshore-Windfarm der Welt. Gefertigt und installiert wurde sie vom dänischen Unternehmen Bonus Energy, das
2004 von Siemens übernommen wurde.
Vor mehr als 20 Jahren wurde so der
Grundstein für die Offshore-Windenergie
gelegt, eines der nun am schnellsten wachsenden Geschäfte im Energiesektor von
Siemens. Inzwischen ist das Unternehmen
mit mehr als 700 installierten Anlagen
Marktführer im Offshore-Bereich.
Dass eines Tages noch größere Anlagen
als die 450-kW-Maschinen in Vindeby ge-
Daniel Hautmann
Siemens
baut werden, hielten viele damals für unwahrscheinlich. Heute gibt es Windenergieanlagen mit fünf, sechs, ja sogar 7,5
Megawatt (MW) Nennleistung. Ihre Türme
sind bis zu 150 Meter hoch, Rotordurchmesser von 120 Metern sind gängig. Eine
einzelne Siemens-6-MW-Anlage erzeugt
heute mehr Strom als der gesamte Vindeby-Park, der damals vor Dänemarks Küste
für Aufsehen sorgte. Doch selbst mit den
6-MW-Giganten ist die Evolution der Windkraft noch nicht abgeschlossen. Größe
zählt. Denn je größer und leistungsstärker
eine Anlage, desto höher sind Stromausbeute und die Profitabilität.
Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts UpWind haben rund
120 Windkraftspezialisten einen Blick in
die Zukunft gewagt und das technisch
Machbare ausgelotet. Fazit: Riesenräder
mit Rotoren von über 200 Meter Durchmesser und mit bis zu 20 MW starken
Generatoren sind realistisch.
Die enormen Dimensionen der Wind-
energieanlagen der nächsten Generation
haben einen simplen Hintergrund: Viele
Regierungen dieser Welt wollen mit erneuerbaren Energien ihren CO₂-Ausstoß
und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern. Nur in der EU sollen
2020 rund 20 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen sprudeln. OffshoreWind spielt dabei eine zentrale Rolle.
Geht es nach der European Wind Energy
Association, dann stehen im Jahr 2030
europaweit 200 Gigawatt Windkraftleistung im Meer. Im Klartext heißt das:
40.000 Anlagen, je fünf MW stark. Oder
10.000 Maschinen, jeweils 20 MW stark.
Statt wie bislang vieler kleiner Turbinen möchte man in Zukunft lieber wenige Großanlagen aufstellen. „Think big!“
heißt die Devise, denn:
■ Große Anlagen sparen Platz. Statt vier
kleiner Windräder mit entsprechend nötigen Abständen zueinander verbraucht
die neue Klasse bei gleicher Leistung
weniger Grundfläche.
hi!school
Windenergie
■ Das Wetterfenster, einer der kritischsten Faktoren bei der Aufstellung von Offshore-Windrädern, wird besser genutzt.
■ Statt vier Anlagen muss nur eine aufgebaut und verkabelt werden.
Die Geschichte der
Offshore-Windkraft
begann vor etwas
mehr als 20 Jahren.
Heute boomt das
Geschäft.
Ist der Traum von Riesen realisierbar?
Sind Windenergieanlagen dieser Leistungsklasse sinnvoll? Können 100 Meter
lange Flügel wirtschaftlich gefertigt werden? Und alle anderen Komponenten wie
Getriebe und Generatoren, die die massive Beanspruchung aushalten? Ja, ist
Peter Hjuler Jensen, Leiter Windenergie
im dänischen Nationalforschungsinstitut
Risø DTU und Koordinator des UpWindProjekts, überzeugt.
Doch mit dem einfachen Upscalen à la
„Wir bauen Turm, Generator und die Flügel viermal so groß“ ist es nicht getan.
Aus 60 Meter langen Flügeln würden
240-Meter-Monster, ihr Gewicht würde
von derzeit rund 30 Tonnen auf 120 Tonnen anschwellen. Aus der rund 350 Ton-
hi!tech 01|12
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nen schweren Gondel würde ein Schwergewicht von 1.400 Tonnen. Auch Turm und
Fundament müssten viermal stabiler sein.
„Das Upscalen der heutigen Designs mit
der verfügbaren Technik hat Grenzen. Wir
brauchen neue Entwürfe und/oder Materialien“, schreibt Bert Janssen vom Energy
Research Centre of the Netherlands (ECN)
im UpWind-Abschlussbericht.
Analysiert haben die Wissenschaftler
die gesamte Anlage – vom Fundament bis
in die Blattspitzen. Ihr Resultat: Die Fundamente müssen einfacher und günstiger
werden. Kompliziert geformte Stahlbleche, die anschließend zu riesigen Stativen
verschweißt werden, sind zu teuer. Eine
Lösung könnten Jacket-Konstruktionen
sein, große, vierbeinige Stahlrohrskelette. Vielleicht werden sogar schwimmende Plattformen nötig sein.
Dringlicher scheint ohnehin die Beantwortung der Frage nach dem perfekten Antriebsstrang: Mit oder ohne Getriebe? Die Zahnradkisten sind nicht nur
schwer, sondern gelten noch immer als
Achillesferse. Siemens und einige andere Hersteller favorisieren daher getriebelose Großanlagen. In den vergangenen Jahren kamen interessante Turbi-
Daniel Hautmann
Siemens
nenkonzepte auf den Markt, meist mit
permanent erregten Generatoren. Die
erlauben eine kompakte Bauform bei
geringem Gewicht. Die Abspeckkur des
Generators und das Wegfallen des Getriebes haben Einfluss auf das gesamte
Anlagendesign. So können Fundament
und Turm leichter gebaut werden, da sie
weniger Gewicht tragen müssen. Das
wiederum hat Einfluss auf die Errichtung
der Anlagen und auf deren Preis.
Technische Wunderwerke werden vor
allem die Rotorblätter der neuen Anlagengeneration. Bis zu 135 Meter Länge, zehn
Meter Profiltiefe, 6,5 Meter Blattwurzel-
durchmesser und eine Durchbiegung im
Wind von bis zu 35 Metern sind enorme
Werte. Dazu kommt das immense Eigengewicht der Flügel von bis zu 50 Tonnen.
Ohne teure Kohlenstofffasern ließen sich
solche Blätter kaum bauen, meinen die
UpWind-Forscher. Auf jeden Fall müssen
sie schlau werden. Smart Blades heißen
Blätter, die mit kabellosen Sensoren, Piezoelementen oder Formgedächtniswerkstoffen gespickt sind, pausenlos Auskunft
über ihre Belastungen geben und auch sofort auf die Messwerte reagieren.
Eingebaute Flaps, also Steuerklappen,
wie sie Flugzeuge haben, könnten die
Für den Ausbau
der OffshoreWindkraft werden
große Montageschiffe benötigt,
die mehrere Anlagen gleichzeitig
transportieren
können. Siemens
liefert dafür
Antriebs- und
Automatisierungstechnik.
hi!school
Windenergie
Erster Prototyp
der neuen Windenergieanlage
SWT-6.0 120 von
Siemens: mit
6 MW Leistung,
120 Meter Rotordurchmesser,
basierend auf
der innovativen
Direktantriebstechnik. Sie wird
neue Standards
im OffshoreWindgeschäft
setzen.
Blätter so bewegen, dass sie Lastspitzen
aktiv reduzieren. Auf den Windrädern
sollen sogar optische Messgeräte wie
Lidar installiert werden, die mit Laserstrahlen ständig den Wind bis an die
Blattspitzen analysieren. Kommen Böen
auf die Anlagen zu, könnten sich die Maschinen darauf einstellen und rechtzeitig
die Flügel aus dem Wind nehmen. Durch
diese Maßnahmen könnten auch die Rotorblätter leichter gebaut werden, da Sicherheitszuschläge entfallen würden.
Alles Vision? Nein! „Die ersten Großanlagen könnten 2020 stehen“, schätzt
Andreas Reuter, Leiter des Fraunhofer
Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Bremerhaven.
Weg führt über kleinere Modelle
Doch der Weg zu den Riesenrädern führt
über kleinere Modelle. In den vergangenen Jahren wurden Offshore meist
5-MW-Anlagen errichtet. Zahlreiche Hersteller haben so Erfahrung in dieser Klasse gesammelt. Diese Erkenntnisse fließen jetzt in die Entwicklung der nächsten
Evolutionsstufe ein. Um im Meer wirtschaftlich Wind zu ernten und daraus
Strom zu gewinnen, braucht es spezielle
Offshore-Windräder – große Anlagen,
die leicht sind und eine hohe Verfügbarkeit erreichen. Die ersten Maschinen dieser Generation, meist mit sechs bis sieben MW, kommen jetzt aus den Fabriken.
Derzeit testet Siemens im dänischen
Høvsøre seine neueste Entwicklung: die
SWT-6.0. Diese sechs MW starke Windenergieanlage ist eine spezielle OffshoreEntwicklung – mit zahlreichen Innovationen an Bord. Auf dem Maschinenhaus
bietet sie eine Helikopterlandeplattform
und im Innern reichlich Platz für Reparaturarbeiten – falls welche nötig sind. Der
Antriebsstrang ist getriebelos und hat einen permanent erregten Generator.
Bei dessen Konstruktion bedienten
sich die Ingenieure eines einfachen, aber
wirkungsvollen Tricks: Statt wie üblich
den Rotor im Innern des Stators rotieren
zu lassen, bewegt sich dieser außen um
den Stator herum. So wurde der Durchmesser des „Außenläufers“ auf vergleichsweise geringe 4,2 Meter reduziert
und kann noch gut auf Europas Autobahnen transportiert werden.
Auch dem Gewicht kommt das neue
Design zugute: Die Turmkopfmasse beträgt rekordverdächtige 350 Tonnen. „In
die Entwicklung der neuen OffshoreWindenergieanlage ist unser technisches
Know-how aus drei Jahrzehnten eingeflossen. Bisher sind Windturbinen mit
höherer MW-Leistung überproportional
schwerer als kleinere Maschinen. Die
SWT-6.0 bricht diese Regel und wiegt nur
so viel wie konventionelle Windturbinen
in der 2- bis 3-MW-Klasse“, sagt Henrik
Stiesdal, CTO der Division Wind Power von
Siemens Energy im dänischen Brande.
Doch jetzt müssen Taten folgen. Und
das werden sie auch: Siemens wird in
den kommenden Monaten eine Vorabserie von bis zu 50 SWT-6.0-Maschinen
an Offshore-Standorten in Deutschland,
Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden installieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden dann wiederum in die nachfolgende Anlagengeneration einfließen. Die 20-MW-Windräder
sieht Henrik Stiesdsal aber noch in weiter
Ferne: „Wir erwarten, dass die größten kommerziellen Anlagen im Jahr 2020 rund
zehn MW leisten und einen Rotordurchmesser von 200 Metern haben werden.“
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siemens.com/windpower
www.ewea.org
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H
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Wenn wir die Hände
vom Steuer und die
Füße von den Pedalen
nehmen können,
werden wir im Auto
sicherer, komfortabler
und umweltfreundlicher unterwegs sein.
Markus Honsig
BMW, Mercedes
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S
Viel fehlt nicht mehr
Wer in einem modernen, mit den gängigen Assistenzsystemen ausgestatteten
Auto auf der Autobahn unterwegs ist,
dem drängt sich der Gedanke ganz von
alleine auf: Viel fehlt nicht mehr, bis das
Auto die Strecke ebensogut ohne Zutun
des Fahrers bewältigen könnte. Die Geschwindigkeits- und Abstandsregelung
bremst dosiert und wenn nötig bis zum
Stillstand, beschleunigt zügig und theoretisch bis 250 km/h, wenn die Strecke
wieder frei ist. Den natürlichen Reflex,
bremsen zu wollen, legt man schnell ab.
Der Spurhalteassistent hält das Auto
auf dem richtigen Fahrstreifen, lenkt in
langgezogenen Autobahnkurven fast unbemerkt mit – oder auch dagegen, falls
man aus Unachtsamkeit die Spur verlieren sollte. Nimmt man aber die Hände
vom Lenkrad, schaltet sich das System augenblicklich aus, nicht ohne Ermahnung
am Display, das Steuer wieder selbst zu
übernehmen. Schade eigentlich.
Denn diese Systeme können – durch
die fortschreitende Vernetzung untereinander – auch komplexere Situationen
auf der Straße beurteilen: Mit den immer
genaueren Informationen des Navigationssystems sind sie etwa in der Lage abzuschätzen, ob das vorausfahrende Auto
nur deshalb langsamer wird, weil es von
der Autobahn abfährt – und bremsen daher selbst entsprechend sanft. Andererseits leiten sie Voll- und Notbremsungen
ein, wenn eine Kollision nicht mehr zu
verhindern, aber abzumildern ist. Außerdem lesen moderne Autos Verkehrsschilder, parken fast vollautomatisch ein
und beherrschen auch die Steuerung
von Fern- und Abblendlicht.
Die Liste ließe sich noch beliebig lang
fortsetzen. Um es abzukürzen: Das selbstfahrende Auto muss nicht neu erfunden,
sondern nur fertig entwickelt werden.
Unsere Autos werden immer intelligenter, und es kann nur noch eine Frage der
Zeit und der gesetzlichen beziehungsweise versicherungstechnischen Voraussetzungen sein, bis sie mehr oder weniger autonom unterwegs sein werden.
Zwei ausgewählte Beispiele aus jüngerer Zeit demonstrieren die Möglichkeiten
künstlicher Intelligenz auf der Straße:
hi!school
Auto
Mercedes: Advanced Driving Assist ermöglicht selbständigen gefahrlosen
Spurwechsel auf mehrspurigen Straßen. Überholen folgt als Nächstes.
Auf Autobahnen könnten
sich Fahrer bereits entspannt zurücklehnen:
Das Auto fährt
mit ihnen.
Audi schickte einen unbemannten TT auf
den legendären Pikes Peak in Colorado
– zwanzig Kilometer und 156 Kurven
auf wechselndem Untergrund. Der Sportwagen hat nicht nur unfallfrei den Gipfel
der abgesperrten Rennstrecke erreicht,
sondern auch noch in einer durchaus
achtbaren Zeit. Dazu, so Audi, brauchte
es keine wesentlich kompliziertere Hardware, als in einem Laptop verbaut ist.
Durch den Berliner Stadtverkehr
Im Herbst vergangenen Jahres steuerte
ein von Forschern der Freien Universität
Berlin präparierter Passat Variant im
Rahmen des Projekts Autonomos selbständig durch den Berliner Stadtverkehr,
bewältigte ampelgeregelte Kreuzungen,
Spurwechsel und Kreisverkehre weitgehend alleine. Zwar sitzt während solcher
Testfahrten auf öffentlichen Straßen immer ein Mensch im Auto, um notfalls eingreifen zu können. Aber auch in diesem
Bereich beginnen sich die Vorzeichen zu
ändern: Im US-amerikanischen Bundesstaat Nevada wurde im letzten Sommer
ein Gesetz verabschiedet, das den Betrieb
von autonomen Autos auch auf öffentlichen Straßen erlaubt.
„It’s a bug that cars were invented
before computers“, meinte Google-Chef
Eric Schmidt auf der Techcrunch Disrupt
Conference 2010: Es sei ein Fehler, dass
Autos vor den Computern erfunden wurden. Ein Fehler, an dessen Korrektur die
Automobilhersteller schon lange arbeiten.
Volkswagen zeigte Mitte vergangenen
Jahres den „Temporary Auto Pilot“, die logische Weiterentwicklung gegenwärtiger
Assistenzsysteme, die Autobahnfahrten
bis 130 km/h tatsächlich automatisch erledigen kann und auf einer vergleichsweise seriennahen Sensorplattform aufbaut: Radar- und Ultraschallsensoren für
die Abstandsmessung, Videosensoren
zur Bilderfassung, Radsensoren. Dazu
kommen ein Laserscanner und ein sogenannter Elektronischer Horizont, also
detaillierte Navigationsdaten, die neben
dem Streckenverlauf auch Kurvenradien,
Steigungen oder Geschwindigkeitslimits
im System hinterlegt haben.
Noch einen Schritt weiter geht BMW
mit dem Prototypen eines BMW 5er, der
auf der Autobahn nicht nur selbständig
beschleunigt oder bremst, sondern auch
Überholmanöver beherrscht. Der bayerische Technologieträger ist ein ebenso kluges wie höfliches Auto: Auf die Autobahn
auffahrende Autos lässt er einfädeln, wenn
möglich macht er die rechte Spur frei.
hi!tech 01|12
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Kameras und Sensoren sorgen
dafür, dass der Audi fast rundum „sieht“ und den Fahrer
umfassend unterstützen kann.
Mercedes hat in seinem jüngsten Forschungsfahrzeug F 125 ein ähnliches System vorgestellt, das auf Anweisung des
Fahrers Spurwechsel und Überholvorgänge übernimmt. Auf Kommando soll auch
das Forschungsfahrzeug eT! von Volkswagen seinem Besitzer unauffällig folgen, konzipiert für die speziellen Anforderungen von Zustellern, um auf dem Weg
von Haustür zu Haustür Zeit zu sparen.
Die Richtung ist vorgezeichnet: Nachdem moderne Assistenzsysteme die Längsführung eines Autos – das Bremsen und
Gasgeben – bereits ziemlich gut beherrschen, soll in naher Zukunft also auch sei-
ne Querführung – das Lenken – immer
stärker vom Computer kontrolliert und
gesteuert werden. Die technischen Voraussetzungen dafür sind mit Einführung der elektromechanischen Lenkung
längst gegeben, jüngere ESP-Generationen beispielsweise stabilisieren ein Auto
nicht mehr nur durch Bremseingriffe an
den einzelnen Rädern, sondern können
auch dezent gegenlenken.
Die teil- oder vollautomatische Querführung ist freilich eine noch einmal
größere Herausforderung an die Datenerfassung und -verarbeitung, verlangt
nach neuen Sensoren, neuer Steuerungs-
Wie Google fährt
Schon im Oktober 2010 gab Google bekannt, dass man intensiv an der Entwicklung eines autonomen Fahrzeugs arbeite und dass die Prototypen, sechs Toyota
Prius und ein Audi TT, bereits mehr als 200.000 Kilometer unterwegs gewesen
seien. Äußeres Erkennungszeichen: der große, am Dach montierte Laserscanner.
Es ginge darum, die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen, erklärt Google selbst
sein Engagement. Aber natürlich sind vom Computer gesteuerte Autos auch das
ideale Anwendungsfeld für die klassischen Produkte wie Google Maps und Google
Street View, die im Gegenzug wieder neue Daten generieren können. So weit
bekannt, war ein Google Car auch das erste automatisch fahrende Auto, das
einen Auffahrunfall verursachte. Verletzte gab es keine, und, keine Überraschung:
Zum Zeitpunkt des Unfalls wurde der Prius von einem Menschen gesteuert.
■ maps.google.com/intl/en/help/maps/streetview/
Markus Honsig
Audi, VW
software, noch mehr Informationen und
Rechnerleistung. Denn der Straßenverkehr ist ein hochkomplexer Vorgang, der
von allen Teilnehmern – ob Radfahrer,
Fußgänger oder Autofahrer – ein hohes
Maß an Aufmerksamkeit und Erfahrung,
Verständnis und Abschätzungsvermögen verlangt. Mercedes hat für die nächste S-Klasse unter dem Titel „6D-Vision“
einen neuen Videosensor angekündigt,
der die Verkehrslage mithilfe einer Stereokamera permanent analysiert, auch
Fußgänger und Radfahrer eindeutig
identifizieren und ihre Bewegungsrichtung abschätzen kann. Das kommt den
menschlichen Reaktionsmustern schon
sehr nahe. Mit einem feinen Unterschied:
Die Reaktionszeit von „6D-Vision“ beträgt 200 Millisekunden, um ein Vielfaches schneller, als irgendein Mensch jemals die Bremse erreichen kann.
Bleibt die Frage: Wozu der gewaltige
Aufwand? Erste Antwort: Der Mensch ist
grundsätzlich ein schlechter Autofahrer,
auch wenn sich das im Einzelfall unterschiedlich zeigt. Er reagiert zu langsam
oder zu hektisch, er wird müde und lässt
sich ablenken, er bremst oft zu zaghaft,
wenn es darauf ankommt, und lenkt
nicht weniger selten zu heftig, wenn eine
ruhige Hand am Lenkrad nötig wäre.
hi!school
Auto
Will man die Sicherheit auf den Straßen erhöhen und die Unfallzahlen reduzieren, kommt man an fahrdynamischen
Systemen, die schneller und präziser reagieren als jeder Mensch, nicht vorbei.
Bestes Beispiel: Die inzwischen fast
durchgängige Einführung des Elektronischen Stabilitätsprogramms ESP zur Stabilisierung von schleudernden Autos hat
die Unfallzahlen merkbar gesenkt. Zweitens: Mehr oder weniger automatisch
fahrende Autos bringen nicht nur einen
Gewinn an Komfort – erst recht auf der
Langstrecke –, sondern fahren auch harmonischer und gleichmäßiger. Sie verursachen daher weniger Staus, weniger
Abgase, weniger Verbrauch. Das ideale
Auto wird also erst das automatisch fahrende Auto sein.
i
autonomos.inf.fu-berlin.de
www.autonomes-fahren.de
Spritsparen mit EU-Hilfe
grammiert, mit einer systematischen Kooperation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur will die EU im Rahmen des Projekts eCoMove die Emissionen im gesamten Straßenverkehr aber zusätzlich um bis zu 20 Prozent reduzieren. Neben dem
Verhalten der Fahrer sollen die Routenwahl, die Verkehrssteuerung und das Verkehrsmanagement optimiert werden. Das technologische Fundament dafür bilden
■ eine erweiterte Kommunikation zwischen Fahrzeugen und zur Infrastruktur
■ lokale Modelle für Kurzfristprognosen, die im Fahrzeug die wahrscheinlichste
Bewegung bestimmen
■ Emissions- und Netzmodelle, die verlässliche Schätzungen des augenblicklichen
Verbrauchs aller Fahrzeuge pro Straßenabschnitt berechnen und die im Hinblick
auf den Verbrauch die optimale Verteilung von Verkehrsströmen im Netz bestimmen können.
Basierend auf diesem Fundament, wird es in unseren Autos unter dem Begriff
ecoSmartDriving zusätzliche Fahrerassistenzsysteme geben, die den Fahrer auch
mit umfassenden Informationen über die Verkehrssituation der Umgebung versorgen. Damit ist das Auto in der Lage, Kurzfristprognosen über den weiteren Fahrtenverlauf zu berechnen und daraus die jeweils optimalen Geschwindigkeitsprofile
und Fahrmanöver abzuleiten.
■ www.ecomove-project.eu
Der Volkswagen eT!
könnte das Zustellfahrzeug der Zukunft
sein. Er folgt dem
Zusteller halbautomatisch und lässt sich
auch von der Beifahrerseite aus steuern.
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Wie sich CO₂
nützlich macht
Pilotanlage zur
CO₂-Abscheidung
aus Kohlekraftwerken im Kraftwerk Staudinger
bei Hanau,
Deutschland.
Kohlendioxid muss kein Schadstoff sein. Es eignet sich als Futter für Algen –
die einzigen Pflanzen für Biotreibstofferzeugung, die kein Ackerland brauchen.
CO₂ abscheiden und nutzen
Trotz der zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien gibt es eine schlechte
Nachricht: Der globale Anstieg des Kohlendioxidanteils in der Erdatmosphäre
konnte auch 2011 nicht gebremst werden. Nach wie vor müssen also alle Register gezogen werden, um die CO₂-Emissionen zu reduzieren. Eine interessante
Perspektive bietet die CO₂-Abscheidung,
vor allem in jenen Bereichen, wo CO₂Emissionen auch mittelfristig nicht vermeidbar sein werden. Etwa bei der Nutzung der Kohlekraft: Aus Kohle Energie
zu gewinnen verursacht – auch im Vergleich zu Erdöl und Erdgas – hohe CO₂Emissionen. Aber: Kohle ist billig, Kohlevorkommen sind außerdem geografisch
gut verteilt und für noch mindestens
150 Jahre gesichert.
CO₂-Abscheidung kann ein Ausweg
aus diesem Dilemma sein. Mit dem PostCombustion-Carbon-Capture-Verfahren
von Siemens könnte der CO₂-Ausstoß von
Kohlekraftwerken um mehr als 90 Prozent verringert werden. Bei dem Verfahren wird CO₂ aus dem Rauchgas fossil
Eugen Juen
befeuerter Kraftwerke ausgewaschen. Als
Lösungsmittel wird eine Aminosäure
eingesetzt. Eine erste, 2009 in Betrieb
genommene Pilotanlage am E.ON-Kohlekraftwerk Staudinger in Deutschland
brachte durchwegs positive Ergebnisse:
Die hohe Stabilität des Waschmittels und
der äußerst geringe Waschmittelverlust
wirkten sich positiv auf die Betriebskosten der CO₂-Abscheidungsanlagen aus.
Da die Aminosäuresalzlösung nicht
flüchtig ist, treten nahezu keine Waschmittelemissionen auf. Im Gegensatz zu
bisher bekannten Verfahren kommt der
PostCap-Prozess ohne aufwendige Nachreinigung des Rauchgases nach der CO₂Abscheidung aus. Außer dem CO₂ entfernt das Waschmittel auch weitere im
Rauchgas enthaltene Schadstoffe. Zurzeit
wird in Florida eine zweite Pilotanlage für
das Kohlekraftwerk Tampa Electric aufgebaut, die nächstes Jahr in Betrieb gehen
soll. Ziel ist, die Effizienz des Verfahrens
weiter zu erhöhen und die Kosten weiter
zu reduzieren. Ein zusätzlicher Vorteil
der Technologie: Sie kann sowohl bei neuerrichteten Kohlekraftwerken integriert
Siemens, Patrick Pleul/dpa/picturedesk.com
als auch bei alten nachgerüstet werden.
Bleibt die Frage, was mit dem auf diese
Weise gewonnenen CO₂ anschließend
passieren soll. Sinnvoller als eine Lagerung ist es, das CO₂ weiterzuverwerten,
etwa in der Energieproduktion selbst.
Dazu kann man sich an der Natur, an der
Photosynthese, ein Beispiel nehmen.
An Pflanzen ein Beispiel nehmen
Pflanzen wandeln mithilfe der Sonnenenergie das in der Umgebung vorhandene Kohlendioxid und Wasser in Kohlenwasserstoffe und Sauerstoff um. Die
Kohlenwasserstoffe versorgen die Pflanzen mit jener Energie, die sie für ihr
Wachstum brauchen. Treibstoffe, wie wir
sie kennen, sind Kohlenwasserstoffverbindungen. Deshalb lässt sich aus Biomasse Treibstoff erzeugen: Biodiesel
oder Ethanol.
Bei der Verbrennung solcher Treibstoffe wird dann nur jenes CO₂ freigesetzt, das man der Natur zuvor entnommen hat. Herkömmliche Biotreibstoffe
sind allerdings umstritten, weil ihre
Erzeugung potenzielle Flächen für den
hi!school
Kohlendioxid
Anbau von Nahrungsmitteln blockiert.
Algen aber könnten sich als perfekte
Energiepflanzen erweisen.
Sie sind ideale Rohstofflieferanten
für die Erzeugung von Biomasse, Biogas
oder Biodiesel. Weil im Unterschied zu
Landpflanzen der gesamte Organismus
Photosynthese betreibt, sind sie fünf- bis
zehnmal effizienter in der Umwandlung
von Sonnenlicht in Biomasse. Sie brauchen nur Sonne, Salzwasser, Dünger und
Kohlendioxid, um zu wachsen. Entsprechende Anlagen können praktisch überall aufgebaut werden.
Der deutsche Energieversorger RWE
hat in Niederaußem eine Pilotanlage aufgebaut, in der pro Jahr bis zu 6.000 Kilogramm Algen produziert und 12.000 Kilogramm CO₂ eingebunden werden können. Inzwischen wird auch schon daran
gearbeitet, Algen zu züchten, berichtet
das deutsche Nachrichtenmagazin „Der
Spiegel“, die nicht geerntet werden müssen,
sondern den Treibstoff direkt herstellen.
Biotreibstoffe wollte ursprünglich auch
Gregor Waldstein mit seinem deutsch-österreichischen Unternehmen Solarfuel erzeugen. Tatsächlich kann die von ihm –
gemeinsam mit den renommierten Forschungsinstituten Fraunhofer IWES und
dem Stuttgarter Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoffforschung – entwickelte Technologie wesentlich mehr leisten.
Erdgas synthetisch erzeugt
Solarfuel produziert vereinfacht gesagt
aus regenerativ erzeugtem Strom Methan, synthetisch erzeugtes Erdgas, das
sich als klimaneutraler Kraftstoff direkt
im Auto einsetzen, aber auch in das Erdgasnetz einspeisen oder in bestehenden
Erdgaslagern speichern lässt. Methan
eignet sich daher auch, um überschüssige Wind- oder Sonnenenergie langfristig
zu speichern. Erneuerbare Energie soll
genutzt werden, um durch Elektrolyse
Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff
zu trennen. Dann wird der Wasserstoff
durch Reaktion mit Kohlendioxid methanisiert, also in CH₄ umgewandelt.
Einen Schritt weiter geht Profactor mit
seinem Projekt Reg-Store. Mikroorganismen in einer Elektrolytflüssigkeit sollen
unter elektrischer Spannung Kohlendioxid direkt über die Wasserstofferzeugung in Ethanol oder Methan umwandeln. Die Symbiose von Elektrochemie
und Biologie ermöglicht effiziente dezentrale Anlagen zur CO₂-Verwertung
V
und Energiespeicherung.
i
siemens.com/energy
www.solar-fuel.net
www.profactor.at
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hi!school
Carbon War Room
CO₂-Sparen in großem Stil
Jigar Shah, CEO der US-Stiftung Carbon War Room, ist überzeugt, dass
sich die Hälfte der CO₂-Emissionen einsparen ließe. Die vom britischen
Milliardär Sir Richard Branson gegründete Organisation kämpft für die
drastische Reduzierung von CO₂-Emissionen weltweit.
Ihre Organisation nennt sich Carbon
War Room. Was hat die Klimaerwärmung
mit einem Krieg zu tun?
Sie ist so gefährlich wie der Erste und der
Zweite Weltkrieg zusammen. Heutzutage
sterben mehr Menschen durch Naturkatastrophen als durch Kriege. Anders
als in einer militärischen Auseinandersetzung konzentrieren wir uns mit dem
Carbon War Room allerdings auf positive
und konstruktive Wege, um dieses Problem zu lösen. Wir haben berechnet,
dass bereits heute 50 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen durch vorhandene Technologien kosteneffizient ausgeglichen werden könnten.
Warum funktioniert die CO₂-Reduktion
nicht?
Diese Frage versuchen wir gerade zu beantworten – um anschließend die Ursachen dafür zu beseitigen. Wir analysieren
aktuell 25 Branchen – von der Energiewirtschaft über die Industrie bis zur
Forstwirtschaft – und suchen dabei nach
Möglichkeiten, den CO₂-Ausstoß zu reduzieren. Dabei denken wir in großen Maßstäben und verfolgen nur solche Projekte,
mit denen wir mindestens eine Gigatonne CO₂-Emissionen vermeiden können.
Versagt die Marktwirtschaft, wenn es
um CO₂-Emissionen geht?
Das sehe ich tatsächlich so. Man könnte
denken, dass sich der Markt stets für die
kostengünstigste Variante entscheidet. Das
ist aber leider nicht so. Wir alle lieben
niedrige Anfangskosten. Leider muss man
für viele grüne Projekte anfangs eine
Menge Geld auf den Tisch legen. Die Einsparungen ergeben sich erst deutlich
später – dieser Vorgang widerspricht der
Intuition. Die Finanzkrise hat viele Finanzierungen sehr schwierig gemacht.
Und so platzen häufig interessante Deals.
Wir analysieren daher, was man hier tun
kann. Der Carbon War Room will kein Think
Tank sein, sondern ein Do Tank. Der Drehund Angelpunkt unserer Arbeit besteht
in kreativen Projektfinanzierungen.
Wie wollen Sie es schaffen, grüne
Technologie rentabel einzusetzen?
Nehmen Sie als Beispiel UPS. Das Logistikunternehmen weiß, dass es mit Autopiloten im Cockpit effizienter fliegen kann.
Um diese Technik in alle Flugzeuge einzubauen, wären enorme Investitionen
nötig. Damit sich eine Kreditfinanzierung nach herkömmlicher Berechnung
rentiert, müssten die Investitionen zu unmittelbaren Einsparungen von mindestens 15 Prozent der Investitionssumme
führen. Tatsächlich liegen sie darunter. Zur
Finanzierung wäre daher eine Off-BalanceSheet-Transaktion nötig. Dabei werden
die Kreditkosten und die Tilgungsraten
im Laufe vieler Jahre durch die Kerosineinsparungen gedeckt. In diesen Fällen
können wir mit unserer Expertise helfen.
Was hat der Carbon War Room schon
erreicht?
Unsere ersten großen Erfolge liegen im
Bereich der Schifffahrt. Sie verursacht
weltweit drei Prozent aller CO₂-Emissio-
»Wir haben ein Effizienzranking
für Schiffe eingeführt. Die Kunden,
die eigentlich die Energierechnungen bezahlen, haben nun die Wahl.«
Nele Husmann
Siemens
Jigar Shah, Carbon War Room:
„Der Dreh- und Angelpunkt
unserer Arbeit sind kreative
Projektfinanzierungen.“
nen. Schon in den 70er und 80er Jahren
wurden Technologien entwickelt, die den
CO₂-Ausstoß von Schiffen um 30 Prozent
reduzieren können. Doch die Reeder haben diese Technologien nicht eingeführt,
weil sie die Treibstoffrechnungen zu
70 Prozent problemlos an ihre Kunden
durchreichen konnten. Denn diese hatten bislang kaum eine Möglichkeit, zwischen effizienten und weniger effizienten Schiffen zu unterscheiden. Bei 60.000
Schiffen weltweit sind 30 Prozent Energiekosteneinsparung erheblich. Wir haben daher ein Effizienzranking für Schiffe eingeführt, das den Verbrauch der
Fahrzeuge für Kunden transparent
macht. Diese Transparenz wird dazu beitragen, dass sich effiziente Schiffe durchsetzen. Hier hatte die Marktwirtschaft
versagt – es brauchte eine gemeinnützige Organisation wie den Carbon War
Room, um etwas zu bewegen.
An welchen Projekten arbeiten Sie
derzeit?
Derzeit beschäftigen wir uns intensiv mit
der Energieeffizienz von Bürogebäuden.
Auch hier gibt es bereits fantastische
Technologien. Doch seit der Finanzkrise
ist der Wert vieler Immobilien gesunken,
was Finanzierungen erschwert, obwohl
Modernisierungsmaßnahmen langfristig auch finanziell sinnvoll wären. Für
solche Fälle existieren Pay-as-you-saveFinanzierungen, die bilanzextern verbucht werden. Insgesamt geht es da um
die gewaltige Investitionssumme von einer Billion US-Dollar. Die Rückzahlung
der Kredite erfolgt aus den Energiekosteneinsparungen. Das ist der Kerngedanke
unserer Philosophie: Jeder Ansatz, Kohlendioxid einzusparen, muss sich wirtschaftlich rechnen. Sonst lassen sich die
enormen Veränderungen, die wir anstoßen wollen, nicht durchsetzen.
Was verbirgt sich hinter Ihrem Programm
für CO₂-neutrale Städte?
Die „Green Capital Global Challenge“ haben wir aus unseren Gesprächen mit
Vancouvers Bürgermeister Gregor Robertson entwickelt. Vancouver hatte im
Februar 2010 die Olympischen Winterspiele ausgerichtet und es erstmals geschafft, Olympia dank Wasserkraft und
grüner Gebäudestandards CO₂-neutral
zu veranstalten. Jetzt wollen wir einen
Anreiz geben, dass sich Städte in einer
Art Wettbewerb bemühen, als Erste wirklich grün zu sein.
Wo sollen Städte ansetzen, um grün zu
werden?
Der Fokus liegt auf der Energieeffizienz
kommerzieller Gebäude. Dabei bringen
wir lokale Banken, die KfW (Kreditanstalt
für Wiederaufbau) und auch Pensionsfonds an einen Tisch. Bislang beteiligen
sich Vancouver, Toronto, Kopenhagen,
London, Birmingham, New York City,
Washington und Chicago. In Deutschland suchen wir noch nach interessierten
Städten.
i
www.carbonwarroom.com
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Neu entwickelter Elektrobus:
umweltfreundlich, leise und
mit niedrigen Betriebskosten unterwegs.
Zero Emission Bus
Eine neue Generation von Elektrobussen punktet mit ausreichender
Laufleistung, günstigen Betriebskosten und guter Luft für die City.
Elektrobus ohne Kompromisse
Leise und absolut emissionsfrei ist eine
neue Generation von Elektrobussen, deren Einsatz die Wiener Linien für den
Verkehr in der Wiener City planen. Siemens hat für die Fahrten durch die engen Gassen der Wiener Altstadt Zero
Emission Elektrobusse entwickelt.
„Die Technologie der Batterien ist erst
jetzt so weit ausgereift, dass die Laufleistung ohne Nachladen groß genug ist“,
berichtet Franz Proksch, Siemens. Nun
ist eine Laufleistung von 120 bis 150 Kilometer möglich. Wien könnte aber ein
Modell mit einer Zwischenladestation
einführen, gespeist von der Straßenbahnoberleitung, wodurch ein ununterbrochener Betrieb erreicht wird. Proksch:
Elisabeth Dokaupil, Ursula Grablechner
„Bei einem derartigen routengeführten
Einsatz lässt sich die Batteriegröße erheblich reduzieren, was eine weitere Gewichtsreduktion und Kostenersparnis ermöglicht und zusätzlich die Batterielebensdauer erhöht.“
Die Anschaffungskosten von Elektrobussen sind zwar rund doppelt so hoch
wie die von Dieselbussen. „Die Investition
rentiert sich aber, weil die Betriebskosten
mehr als 28 Prozent unter jenen der Dieselmodelle liegen“, betont Proksch.
Besonders eindrucksvoll ist der Wirkungsgradvergleich der beiden Antriebssysteme. Der Dieselmotor nutzt bescheidene 25 Prozent der eingesetzten
Energie, der Elektromotor stolze 90 Prozent. Der Elektromotor erreicht bis zu
Siemens
50 Prozent Rückspeisung der Traktionsenergie. Die neuen Elektrobusse zeichnen sich durch eine innovative Ladetechnologie aus und können über Stecker
oder Stromabnehmer geladen werden.
Die Ladezeit der Lithium-Ferrit-Batterien
liegt bei 10 bis 15 Minuten pro Stunde.
Hohe Wendigkeit ist ein weiterer Vorteil der neu entwickelten Elektrobusse.
Personen mit reduzierter Mobilität werden ihre „Kneeling“-Funktion schätzen.
Natürlich verursachen die elektrischen
Busse keinen CO2-Ausstoß, zusätzlich
aber auch keinen störenden Geruch. Das
tut der City gut.
i
siemens.com/mobility
www.wienerlinien.at
hi!life
News
OP-Monitor mit
Gesten steuern
Bei einer Operation könnten Chirurgen künftig mit einer Handbewegung in den Röntgenaufnahmen
ihres Patienten blättern. Basis ist die
Kinect-Technik der Xbox. Eine Weiterentwicklung der Spielkonsole von
Siemens ermöglicht, dass die Ärzte
per Hand- und Armbewegung Aufnahmen wechseln, Details heranzoomen oder dreidimensionale Bilder drehen können.
■ siemens.com/innovation
Neue flexible
OLED liefern pro
Watt elektrischer Leistung
32 Lumen Licht.
OLED auf dem Vormarsch
Effizienter als eine Halogenlampe ist eine
etwa elf mal drei Zentimeter große, weiß
leuchtende flexible OLED, die Forscher von
Osram entwickelt haben. Erreicht wurde
die hohe Effizienz unter anderem durch
ein spezielles Design der aufgedampften
elektrischen Kontakte. Eine Herausforderung beim Design flexibler OLED ist der
Schutz der empfindlichen Leuchtschicht
vor Sauerstoff und Feuchtigkeit. Statt mit
einer Glasabdeckung wird die flexible
OLED mit einem speziellen Dünnschichtverfahren versiegelt. Eine Stahlfolie, die
dünn wie ein Blatt Papier und biegsam ist,
ersetzt die Glasscheibe auf der Rückseite.
i
www.osram.com
Kochen mit Öl
statt mit Holz
Nachhaltig angebautes Jatrophaöl ersetzt
Holz als Brennstoff beim Kochen.
Rund 50 Millionen Menschen kochen in
Indonesien mit Holz. Das zerstört wertvolle Wälder. Nun erproben indonesische Bauern einen von BSH entwickelten
Pflanzenölkocher, der mit Jatrophaöl
funktioniert. Die Brechnüsse für diesen
Brennstoff bauen sie in nachhaltig bewirtschaftetem Agrarwald selbst an.
Das ist gewinnbringend für die Bauern
und schont außerdem die Wälder. Das
Projekt wird vom Pflanzenölhersteller
Waterland, BSH und der nationalen
Forstbehörde gefördert.
i
www.bshg.com
siemens.de/pof
Trinkwasser aus
Schmutzwasser
Weltweit haben
rund 900 Millionen
Menschen keinen
Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Mit dem Skyhydranten von Siemens
können Laien praktisch überall verschmutztes Wasser
in sauberes Trinkwasser verwandeln.
Der Skyhydrant braucht weder Strom
noch Chemikalien und ist einfach zu
bedienen. Das Gerät kostet 3.500 USDollar und reinigt jeden Tag 10.000
Liter Wasser.
■ siemens.com/water
hi!tech 01|12
54 ■ 55
Modernes Radiology Teaching
Center im AKH
mit innovativer
Software.
Ein Standard für Qualität
Am Radiology Teaching Center der MedUni Wien lernen
Radiologen, die Möglichkeiten neuer Medizintechnik effizient
in hohe Befundqualität umzusetzen.
Präzise Diagnosen
Moderne Medizintechnik liefert immer
präzisere Bilder. Um daraus die richtigen
Schlüsse zu ziehen und die neuen Methoden rasch und effizient für präzise
Diagnosen und Therapien verwenden zu
können, müssen Radiologen stets über
die neuesten Trends Bescheid wissen.
Optimale Ergebnisse in möglichst kurzer
Zeit sind nicht nur in Notfällen wie zum
Beispiel bei akuten Herzbeschwerden
notwendig. Auch im Routinebetrieb, bei
dem eine große Zahl von Fällen im Laufe
eines Tages abgewickelt wird, ist eine
zügige und trotzdem hochqualitative Befundung gefragt.
„Radiologen benötigen daher Ausbildungsmöglichkeiten, die sie mit den neuesten Entwicklungen der Medizintechnik
vertraut machen“, betont Universitätsprofessor Dr. Christian Herold, Vorstand der
Universitätsklinik für Radiodiagnostik an
der MedUni Wien. „Im Mittelpunkt stehen
die Möglichkeiten moderner Technik. Beispiele sind neue Sequenzen beim MR,
Elisabeth Dokaupil
Siemens
neue CT-Untersuchungsprotokolle, die
dosissparende Computertomographie erlauben, Änderungen in der Untersuchungstechnik und vor allem auch die
Auswertung und Darstellung der enorm
großen Datenvolumina mit innovativsten
Softwareprogrammen und modernsten
Workstations.“ In Zusammenarbeit von
MedUni Wien, AKH und Siemens wurde
»Radiologen benötigen Ausbildungsmöglichkeiten,
die sie mit den
neuesten Entwicklungen der Medizintechnik vertraut
machen.«
Universitätsprofessor Dr. Christian Herold
am AKH ein Radiology Teaching Center errichtet, das, so Herold, „eine problemorientierte Wissensvermittlung ermöglicht“.
„Die Themen der Kurse orientieren
sich an Fragestellungen, die im klinischen Alltag künftig aufgeworfen werden, und denjenigen Problemen in der
Visualisierung und Befundung, die am
meisten Kopfzerbrechen machen“, be-
hi!life
News
richtet Professor Herold. „Wir haben ein
sehr breites Kursprogramm quer über
alle Organe des menschlichen Körpers
und können aufgrund der Zusammenarbeit mit dem klinischen Bereich auf ein
breites Spektrum auch komplexer Fälle
zurückgreifen.“
Mit syngo.via wird auch die modernste Server-Client-basierte Software und
Arbeitsoberfläche der Siemens-Radiologiesysteme für das Radiology Teaching
Center eingesetzt. Anwender haben damit Zugriff auf Visualisierungswerkzeuge, mit denen sich die Befundungszeiten
deutlich verkürzen lassen. Die Software
ist in der Lage, Daten von bildgebenden
Systemen wie MR und CT und von Bildarchivierungs- und Kommunikationssystemen via Internet auf einer integrierten
Plattform zusammenzuführen.
Automatisch 3-D-Bilder erzeugt
Für die Workshops, bei denen mit maximal zwölf Teilnehmern die Gruppen bewusst klein gehalten werden, hat die
neue Software zahlreiche Vorteile. „Als
Demonstrator kann ich auf jeden Bildschirm der Workshopteilnehmer zugrei-
Universitätsprofessor Dr. Christian
Loewe: „Das System unterstützt
besonders interaktives Lernen.“
fen, beobachten, woran gearbeitet wird,
jeden Monitor auf den Beamer holen und
mich in die Rekonstruktionen einschalten“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Christian Loewe. Das System unterstützt besonders
interaktives Lernen. Alle teilnehmenden
Radiologen erhalten die Möglichkeit, ihre
Ergebnisse zu präsentieren.
Die neue Software unterstützt die
Radiologen, indem sie zum Beispiel
automatisch ein 3-D-Bild erzeugt und
die Bilder in der vorgegebenen Reihenfolge für die einzelnen Analyseschritte
lädt. Im Rahmen der rund 70 Fälle, die
in einem Herz-CT-Workshop behandelt
werden, wird ein auf jahrelanger Erfahrung basierender Analysegang mit
vordefinierten Algorithmen vermittelt.
„Das Ziel ist, zeiteffizient zu arbeiten,
ohne etwas zu übersehen“, betont Professor Loewe. „Es geht um eine Arbeitsstruktur für die Zukunft.“
Aussagekraft erhöht
Bei Herz-CT-Untersuchungen werden neben den Herzkranzgefäßen zum Beispiel
auch der Herzmuskel und die Herzklappen überprüft. „Das erhöht entscheidend
die Aussagekraft und den Wert der HerzCT-Untersuchungen“, weiß Loewe. Der
Herzkurs hat bereits 15 Mal stattgefunden. Zehn Prozent der österreichischen
Radiologen haben die Ausbildung gemacht und arbeiten daher auf einem besonders hohen Qualitätslevel.
Das Radiology Teaching Center ist international angesehen. „Wir haben zahlreiche Gäste aus dem Ausland und arbeiten auch mit der Vetmeduni Vienna
zusammen“, berichtet Professor Herold.
„Das Feedback war bisher sehr gut.“
i
www.siemens.com/healthcare
www.meduniwien.ac.at
Leberfibrose
erkennen
Biomarkertests zur Diagnose
und Beurteilung.
Eine Leberfibrose kann zum Beispiel die
Folge einer chronischen Leberschädigung (durch eine Virushepatitis), einer
alkoholischen Lebererkrankung oder
einer Fettlebererkrankung sein. Dabei
vernarbt das Lebergewebe mit der langfristigen Prognose Leberzirrhose oder
Leberkrebs – eine häufige Todesursache. Mit dem automatisierten ADVIA
Centaur ELF-Test von Siemens lassen
sich nun in standardisierter Weise
sowohl der Schweregrad als auch das
Risiko des weiteren Fortschreitens einer
Leberfibrose schnell und schonend
erkennen. Er untersucht drei direkte
Blutserumbiomarker. Die Ergebnisse
werden mit einem speziellen Algorithmus in den ELF-Score umgerechnet, der
den Grad der Fibrose angibt. Der Test
dauert nur eine Stunde.
Wie mehrere internationale Studien
ergaben, können mit dem ELF-Test
geringe und schwere Fibrosen erkannt
werden. Bei einer geringen Fibrose
haben die Patienten normalerweise
keine Symptome. So können Ärzte
schon vor einer deutlichen Schädigung
der Leber eingreifen und zusätzlich
den Fortschritt der Therapie verfolgen.
■ siemens.com/innovation
■ siemens.com/healthcare
hi!tech 01|12
56 ■ 57
Schneller als der Wind
Im Vorfeld des America’s Cup 2013 matchen sich schon jetzt
die Anwärter auf den Gewinn der traditionsreichen "Kanne" und arbeiten
an der Optimierung der Boote für die Endausscheidung.
Die Formel 1 der Segler
Sie jagen auf zwei messerscharfen Rümpfen mit bis zu 60 km/h über das Wasser.
Und wenn sie kentern und sich überschlagen, dann kann es schon vorkommen, dass die Besatzungsmitglieder aus
der Höhe eines dreistöckigen Hauses aufs
Wasser knallen. So geschehen bei Regatten der AC 45-Katamarane, die sich derzeit auf den Weltmeeren in Küsten- und
Großstadtnähe spektakuläre Rennen im
Vorfeld des America’s Cup liefern. Die
Fans sind davon fasziniert. Auf
YouTube waren laut Russell
Coutts vom US-Team Oracle die
wildesten Überschläge dieser
Günther Schweitzer
13,5 Meter langen und 6,50 Meter breiten
Rennmaschinen mit rund 5,8 Millionen
Zusehern ein absoluter Hit. Die Formel 1
hat nun damit auch bei den Seglern Einzug gehalten.
Insgesamt acht dieser in Neuseelands
Hightech-Jachtschmiede nahe Auckland
von Tim Smyth produzierten Katamarane, die die dreifache Windgeschwindigkeit erreichen können, üben in medienwirksam platzierten Übungsregatten für
den Ernstfall im kommenden Jahr. Vom
7. bis 22. September 2013 wird dann auf
noch größeren Katamaranen um eine der
ältesten Sporttrophäen der Welt, die sogenannte Kanne, gesegelt.
Guilain GRENIER/ORACLE Racing
Vorher jedoch müssen all jene, die das
US-Oracle Racing Team zum Kampf um
den 160 Jahre alten Pokal herausgefordert haben, gegeneinander beim Louis
Vuitton Cup vor San Francisco antreten.
Und zwar mit AC 72-Kats, die 22 Meter lang,
14 Meter breit und noch ein paar Knoten
schneller sind als die kleineren AC 45er.
Insgesamt fünf Teams aus den USA,
Frankreich, Neuseeland, Italien und Korea lassen derzeit schon ihre 72-Fuß-Giganten bauen. Aber nur einer davon, der
Beste, darf gegen die Oracle Crew antreten. Im Gegensatz zu den AC 45-Racern
ist es bei den 72-Fuß-Booten erlaubt, alle
verfügbaren Designtricks bei Rumpf und
hi!life
Segeln
Das Oracle Team
beim Training in San
Francisco – mit einem
Katamaran AC 45.
hi!tech 01|12
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hi!life
Segeln
Wie im Flug
Dipl.-Ing. Richard Anzböck
k von der Schiffsbautechnischen
Versuchsanstalt Wien berichtet, wie Segler von den Ideen
der Flugzeugbauer profitieren können.
Ihr Schwerpunkt ist die Großschifffahrt, Sie arbeiten aber auch an
Segelbooten – woran genau?
Wir haben mit zahlreichen Schlepptankversuchen den hydrodynamischen
Auftrieb für Segelboote optimiert. Der
Auftraggeber konnte immerhin weltweit Patente dafür anmelden. Im Prinzip geht es dabei um ein Unterwasserschiff, das ähnlich wie die Tragfläche
eines Nurflügelflugzeugs geformt ist.
Dadurch erreicht man mit weniger
Energie höhere Geschwindigkeiten.
Das gilt natürlich auch für Katamarane.
Warum verwenden die Teilnehmer
am America’s Cup diese Technik
nicht?
Gute Frage. Wir haben bei Motorfahrzeugen schon bewiesen, dass dieses
Unterwasserdesign auch bei Wellengang funktioniert. Die Bootsbauer glauben ganz einfach nicht daran.
Wie ist man auf die Idee gekommen,
das Flügelprofil eines Flugzeugs auf
das Wasser umzulegen?
Die Schwimmer der Wasserflugzeuge
waren dafür ausschlaggebend. Die
Günther Schweitzer
Flugzeugindustrie hat überhaupt
einen großen Einfluss auf die Konstruktion von Segelbooten und Segeln.
Ein Beispiel sind die Profilflügel bei
den America‘s-Cuppern.
Ist diese Entwicklung auch für die
große Masse der Freizeitsegler interessant?
Derzeit noch nicht, da ein starres Flügelprofil nicht gerefft werden kann.
Außerdem erzeugt so ein Flügelprofil
so viel Auftrieb, dass es demontiert
werden muss, wenn das Schiff im
Hafen steht.
Wie werden Segelboote optimiert,
um schnell zu sein?
Die Abrisskante, das Heck des Boots,
muss möglichst gerade sein. Früher hat
man geglaubt, dass das Heck eines
Schiffes gerundet sein muss. Heute gilt
das nicht mehr. Heute baut man auch
Einrumpfbote mit Knicken in der Bordwand. Dadurch erreicht man bei Schräglage einen guten Wellenabriss und
verringert den Wasserwiderstand.
Außerdem werden Leichtbaumaterialien wie Kevlar und Karbon verwendet.
1
schwerer als ein konventioneller Mast mit
Segel. 2 Abgeschrägte Rümpfe erleichtern
das Aufstellen nach dem Untertauchen.
3 Drei Seile kontrollieren den Profilflügel.
4 GPS-Anlage – jedes Boot ist genau zu
orten. 5 Neben dem Profilflügel hat der Kat
auch normale Segel.
stofffolie gespannt und dann erhitzt, damit das Material sich an das Gerippe aus
Karbon passgenau anlegt. So filigran
dieses Flügelprofil auch aussieht, es ist
enorm widerstandsfähig. Bei Kenterungen während der AC 45-Races ist an den
Booten und dem 21,5 Meter hohen Flügel
bisher noch kein gröberer Schaden aufgetreten.
Einer der Gründe dafür ist, dass –
trotz der hohen Geschwindigkeit – der Kat
sofort stoppt, wenn das Flügelprofil vom
Wind nicht mehr angeströmt wird. Mast
und Flügel tauchen daher recht sanft ins
Wasser ein – was für Crewmitglieder auf
den AC 72-Kats bei einem Überschlag
nicht gilt. Bei den großen Booten geht es
dann gleich 20 Meter bergab – fünf statt
Herbert Schlosser, Guilain GRENIER/ORACLE Racing, Gilles Martin-Raget/ORACLE Racing
Christina Lehner
Die Kats des siegreichen Oracle-Teams beim Training für den America’s Cup. Der Bau
der Boote muss laut Reglement in dem Land erfolgen, aus dem das Team stammt.
wie bei den kleineren drei Stockwerke.
Nach den Regeln der Ausrichter des
Americaʼs Cup darf der AC 72 nicht weniger als 5.900 Kilogramm wiegen. Will
man an dieses Limit gehen, muss auch
der Katamaran aus Hightechmaterialien
gefertigt werden. Die Kiwis bei Auckland
zeigten bereits mit den AC 45ern, wie das
geht. Das Mindestgewicht dieses SerienRenn-Kats beträgt nur 1.400 Kilogramm.
Rümpfe und Mast wurden unter der
Leitung von Tim Smyth quasi in Kühlhäusern produziert. Der Grund dafür:
Das verwendete Epoxidharz härtet unter
diesen Bedingungen langsamer aus. Dadurch ist man in der Lage, die Kohlefasern exakt nach der zu erwartenden
Belastung auszurichten. Um den Rumpf
noch steifer zu machen, werden auch
Nomex-Honeycomb, sehr leichtes und
stabiles Wabenmaterial, und Längsversteifungen mit eingelegt. Erst wenn alles
auf den Millimeter genau passt, wird die
Temperatur erhöht und dann das überschüssige Harz im Vakuum abgesaugt.
Bootskonstrukteure gesucht
Die AC 72-Katamarane müssen dem Reglement des America’s Cup entsprechend
im jeweiligen Herausfordererland konstruiert und gebaut werden. Was sicher
einige der Teams vor Probleme stellen
wird. Die US-Amerikaner haben dieses
Problem gelöst, sie werden ihren AC 72
noch im Juni dieses Jahres vorstellen. Die
Neuseeländer können ihre Erfahrungen
aus der Serienproduktion von AC 45-Kats
in den Bau des AC 72 einfließen lassen.
Davon profitieren auch die Italiener, die
eine Trainingsgemeinschaft mit den
Neuseeländern eingegangen sind. Die
Franzosen werden ihre Wettkampf-72er
vermutlich in jenen Werften fertigen lassen, die bereits die Weltrekordmehrrumpfboote in Zusammenarbeit mit der
Luftfahrtindustrie gebaut haben.
Wer keine geeigneten Konstrukteure
im Land hat, wird sie für den America’s
Cup kurzerhand einbürgern lassen, erzählt Andreas Hagara, der bis vor kurzem Steuermann für ein chinesisches
Team und somit der erste Österreicher
war, der beim America’s Cup mitmachte.
Er meint, dass die Herangehensweise der
US-Amerikaner an dieses Event und ihre
absolut hervorragende Medienarbeit die
Zukunft des Segelsports schlechthin ist.
Deshalb bedauert es auch der österreichische America’s-Cupper, dass sich das
Seglerteam rund um die chinesischen
Herausforderer aufgelöst hat. „An Bord
waren so viele Segelsportler der Spitzenklasse – wir hätten Chancen gehabt. Leider war das derzeitige Management nicht
in der Lage, uns genügend Trainingszeit
zur Verfügung zu stellen.“
Vielleicht hat auch das Geld nicht gereicht. Denn der America’s Cup verschlingt jede Menge davon. Allein das
Meldegeld für die Regattaserie 2011 betrug 100.000 Dollar, für 2012 sind weitere 200.000 Dollar fällig. Ein in Neuseeland produzierter AC 45-Übungs-Kat
kostet nicht weniger als 700.000 Dollar.
Um dann am echten America’s Cup teilnehmen zu können, sind nach Coutts
von Oracle für Entwurf und Bau eines
AC 72ers etwas mehr als fünf Millionen
Euro und für die Flügelprofile 1,5 Millionen Euro notwendig. Für die gesamte
Campagne rechnet Coutts pro Team mit
40 bis 50 Millionen Euro.
i
www.americascup.com
www.oracleracing.com
hi!tech 01|12
60 ■ 61
Antikes
Großstadtleben
erforschen
Dr. Sabine Ladstätter, Direktorin des
Österreichischen Archäologischen Instituts,
setzt als Grabungsleiterin in Ephesos erfolgreich auf moderne Technik, kombiniert mit
klassischer archäologischer Forschung.
Sie leiten die international bekannten
österreichischen Ausgrabungen in
Ephesos. Welche Bedeutung hatte
Ephesos in der Antike?
Im zweiten Jahrhundert nach Christus
war Ephesos eine antike Metropole mit
rund 200.000 Einwohnern, die anders als
etwa Rom nicht überbaut wurde. Später
war die Stadt ein christliches Zentrum.
Es gibt eine lange Liste von Heiligen, die
angeblich oder tatsächlich in Ephesos
waren. Hier können wir antike Großstadtphänomene erforschen. Das ist der
Reiz für mich als Archäologin.
Was macht Ephesos für die Wissenschaft
besonders interessant?
Elisabeth Dokaupil
Bisher sind erst 15 Prozent der Stadt ausgegraben. Wir können hier archäologische Grundlagenforschung und Methodenentwicklung an einem Ort betreiben.
Ich selbst forsche vier Monate im Sommer in Ephesos, wo mehr als 200 Wissenschaftler aus 17 Ländern aktiv sind. Zusätzlich beschäftigen wir 60 MitarbeiterInnen aus Ephesos, wo wir der größte
Arbeitgeber sind.
Welche Techniken benützen Sie für Ihre
Untersuchungen?
Zur großflächigen Erfassung der Stadtstruktur wird Geomagnetik eingesetzt.
Details sind allerdings schwieriger abzugrenzen, wenn mit Ziegeln gebaut wird.
Orhan Durgut, Astrid Bartl
Und das ist auch in Ephesos der Fall. Wir
setzen daher in Zusammenarbeit mit der
österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) auf
Bodenradar. Damit kann man in verschiedenen Tiefen Reste von Mauern
oder Mosaiken erkennen und virtuelle
Schnitte durch den Untergrund machen,
die Zeithorizonten entsprechen. Archäologen nützen eine Technologie, die unter
anderem im Tunnelbau oder für Gletscheranalysen eingesetzt wird. Wir sind
damit Nutznießer anderer Bereiche.
Wo und mit welchem Erfolg wurden die
geophysikalischen Methoden eingesetzt?
Seit dem Jahr 2000 wurden etwa 53
Hektar mit Geomagnetik und 22 Hektar
mit Bodenradar untersucht. Gemessen
wurde an unterschiedlichen Stellen in
der Stadt, in der bronzezeitlichen Siedlung am Çukuriçi Höyük und in Teilen
des Artemisions. Südlich des Domitianstempels konnte auf einer Terrasse ein öffentliches Zentrum mit mehreren Monumentalbauten erschlossen werden. Am
hi!life
Ephesos
„Bisher sind erst 15 Prozent der Stadt
Ephesos ausgegraben. Wir können hier
archäologische Grundlagenforschung
und Methodenentwicklung an einem
Ort betreiben“, erklärt Ladstätter.
Domitianstempel selbst lieferten Radarmessungen die Basis für die Ausgrabung
eines spätantiken Großbaus mit Bodenmosaiken. Derzeit beschäftigen wir uns
mit den Nekropolen, dem Friedhof, wo es
noch intakte Grabhäuser geben sollte.
Welche Folgen hat der Einsatz geophysikalischer Techniken für die Arbeit der
ArchäologInnen?
Die Arbeit der Archäologen hat sich
durch die neuen Techniken fundamental
geändert. Früher mussten wir Suchgrabungen durchführen, um historische Gebäude zu finden, nun können wir zerstörungsfrei
großflächige
Lagepläne
historischer Städte am Computer erfassen. Wir ersparen uns Leerläufe und minimieren die Kosten. Die neuen Techniken machen es auch einfacher, wichtige
archäologische Lagerstätten, etwa bei
Straßenbauprojekten, zu schützen. Eine
großflächige archäologische Analyse ist
in kürzester Zeit möglich.
Welche Aufgaben übernehmen nach dem
Einsatz geophysikalischer Techniken die
ArchäologInnen?
Bei der Arbeit der Archäologen geht es
um zeitliche Einordnung, beginnend bei
der Bauzeit über die Zeit der Nutzung bis
zu einer eventuellen Zerstörung. Sie müssen herausfinden, welche Funktion die
einzelnen Gebäude hatten. Spezialanalysen informieren über den Speiseplan der
Menschen, Keramik- und Glasfunde über
die Lebensumstände. Im vergangenen
Jahr konnte in Ephesos eindeutig geklärt
werden, dass das Odeion ein Theater war
und die Tribüne als Austragungsort für
musische Wettstreite zu Ehren der Göttin
Artemis diente.
Wissen Sie bereits, wie die Bevölkerung
in Ephesos gelebt hat?
Einen guten Einblick in das Leben der
obersten Gesellschaftsschichten gibt das
Hanghaus mit umfangreichen Malereien
und Mosaiken, das inzwischen durch ein
modernes Dach geschützt ist. Im Rahmen
eines weiteren Projekts sollen die Lebensbedingungen der normalen Bevölkerung
Wissenschafterin
des Jahres
Vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten Österreichs wurde
Dr. Sabine Ladstätter zur Wissenschafterin des Jahres 2011 gekürt. Neben
einer herausragenden wissenschaftlichen Leistung müssen die Ausgezeichneten auch in der Lage sein, ihr Fachgebiet in der Öffentlichkeit erfolgreich
zu präsentieren.
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Zur großflächigen Erfassung der Stadt wird
Geomagnetik eingesetzt, Details liefert das
Bodenradar, das virtuelle Schnitte durch den
Untergrund macht.
Links: Der Domitianstempel.
Unten: Die Verulanushallen.
erforscht werden, die am Stadtrand in
verschachtelten Häusern lebte. Fest
steht, dass Wohnen und Arbeiten nicht
getrennt waren. Anhand dieser Stadtteile
lässt sich auch nachvollziehen, wie eine
Großstadt in der Antike funktioniert hat.
Es geht um Fragen wie Wasserversorgung oder Müllentsorgung. Interessant
ist auch, wie die Stadt mit den Erdbeben
im dritten Jahrhundert n. Chr. umgegangen ist. Wir wissen zum Beispiel bereits,
dass in den Häusern einzelne Räume mit
Schutt gefüllt wurden, um sich den mühsamen Abtransport zu ersparen.
Lässt sich auch rekonstruieren, wie die
Landschaft rund um Ephesos ausgesehen
hat?
Bei der Beantwortung dieser Frage hilft
uns die Paläogeographie. Aus Bohrungen
unter Luftabschluss erhalten wir geschlossene Biotope aus verschiedenen
Perioden, in denen sogar noch Pollen
vorhanden sind. Daraus können wir auf
die Vegetation der Region zu bestimmten
Zeiten schließen.
Elisabeth Dokaupil
Niki Gail, ZAMG
Was sagen die Untersuchungen über die
Umgebung von Ephesos aus?
Ephesos hat über die Jahrhunderte gegen
Erdbeben und die Verlandung des Hafens
gekämpft. Bereits die Römer bauten einen
künstlichen Hafen und einen Kanal zum
Meer. Durch die Abholzung und Besiedlung des Berghanges, der eine massive
Erosion zur Folge hatte, haben sie, ohne es
zu wissen, an der weiteren Verlandung des
Hafens gearbeitet. Das Hinterland wurde
mit den Römern kultiviert. Hier wurden
Oliven, Wein und Getreide angebaut. Die
Umgebung von Ephesos war reich an Bodenschätzen, vor allem an Metallen.
Welches aktuelle Projekt läuft derzeit in
Ephesos?
Wir arbeiten am Thema Kult und Herrschaft. Wir wissen, dass der Artemiskult
hi!life
Ephesos
als staatlich verordnete Religion dominiert hat. Gleichzeitig finden sich in Häusern Altäre mit ägyptischen Gottheiten,
die als Überwinder des Todes und als
Heilsgötter galten. Eine Jenseitsvorstellung scheint ein Grundbedürfnis der
Menschen zu sein, auf die zwar das
Christentum, aber die eigene Kultur damals keine Antwort geben konnte.
Highlight CelsusBibliothek: Pro
Jahr besuchen zwei
Millionen Menschen Ephesos.
Wie gehen Sie als Archäologin damit um,
dass das große Theater in Ephesos für
Veranstaltungen genutzt werden soll?
Natürlich wird kein Denkmalschützer
Ausgrabungen gerne zur Nutzung freigeben. Doch für Politiker und Tourismusfachleute ist eine solche Nutzung sehr
attraktiv und mittlerweile international
ein gängiges Phänomen. Wir werden das
Theater so sichern, dass es eine größere
Menge an Besuchern verträgt, gleichzeitig aber auch dafür sorgen, dass die Besucher sicher sind. Eine Voraussetzung
für die Nutzung ist, dass keine Verstärker
eingesetzt werden, weil Vibrationen das
Gestein lockern können. Die Maximalzahl der Besucher wird mit 2.500 auf ein
Zehntel des Fassungsraumes des antiken
Theaters begrenzt.
Archäologie wird wie andere Geisteswissenschaften immer wieder als Orchideenfach bezeichnet. Was sagen Sie dazu?
Die Geisteswissenschafter sind derzeit extrem verunsichert. Darum finde ich es auch
so wichtig, dass ich als Wissenschafterin
des Jahres ausgewählt wurde. Pro Jahr besuchen zwei Millionen Menschen die Ausgrabungen von Ephesos. Unsere Erkenntnisse beruhen auf einer interdisziplinären
Zusammenarbeit von Technik, Natur- und
Geisteswissenschaften. Sie sind für die
Menschen sehr wichtig. So wie die Kinder
wissen wollen, wer ihre Eltern sind, will
der Mensch seine eigene Historie kennen.
i
www.oeai.at
[email protected]
Freunde von Ephesos
Seit über 100 Jahren forscht das Österreichische Archäologische Institut
in Ephesos, einer einstigen Großstadt der Antike in der heutigen Türkei.
Die Gesellschaft der Freunde von Ephesos hat es sich zur Aufgabe gemacht,
die Arbeit der ArchäologInnen zu unterstützen und mitzuhelfen, das wertvolle Kulturerbe für die Nachwelt zu erhalten und zu schützen.
Wollen auch Sie sich dafür einsetzen? Dann treten Sie der Gesellschaft der
Freunde von Ephesos bei.
■ www.ephesos.at
■ [email protected]
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hi!life
Internet
Kampf der Giganten
Die großen vier des Internet, Amazon, Apple, Facebook und Google, eint
das Ziel, verwertbare Daten zu sammeln – auf unterschiedlichen Wegen.
Jeder will die Märkte der anderen
Über mangelnden Erfolg können sich
Amazon, Apple, Facebook und Google
wohl nicht beschweren. Apple feiert fast
mit jedem Produkt neue Umsatzrekorde,
Google ist mit Android auf der Überholspur, der Internethandel über Amazon
boomt, und Facebook dominiert die Social-Media-Szene. Bestimmte Geschäftsfelder möchte man aber den anderen
nicht überlassen: Google und Amazon
versuchen den iPad-Bann zu brechen,
Facebook will die wichtigere Suchmaschine als Google werden. Apple wiederum
schielt schon auf den nächsten Markt:
Steve Jobs persönlich soll noch den Startschuss zur Eroberung der TV-Welt gegeben haben.
Der Apple-Fernseher wird vermutlich
ein weiteres Produkt sein, das einschlägt
wie iPhone, iPad und Co. Schickes Design, einfache Bedienung und perfektes
Marketing sind längst nicht mehr die einzigen Erfolgsgaranten. Mit der Sprachsteuerung Siri versucht Apple ein neues
Geschäftsfeld aufzutun, das auch für die
Konkurrenz interessant sein wird.
Wie genau machen diese Unternehmen
ihre Milliardenumsätze? Die Antwort ist
einfach: mit den Daten der Benutzer. Die
Sprachsteuerung Siri etwa merkt sich,
welche Programme ihr Meister bevorzugt,
und steuert einen schneller ans Ziel. Das
ist ein Service für den User – und die per-
Christian Pressler
fekte Zielgruppenanalyse für Apple. Siri
ist aber nicht der Anfang des Datensammelns: Über die beliebten Apps werden
schon lang Daten aller Art gesammelt.
Standortanalysen mit integrierten Suchabfragen protokollieren auch fleißig das
Nutzerverhalten mit. Der Werbewelt ist
das Millionen wert, weil Streuverluste
immer besser reduziert werden können.
Bei den Konkurrenten läuft das Geschäft nicht anders: Benutzerdaten werden von allen gesammelt. Bei Google werden aus aller Welt täglich eine Milliarde
Suchanfragen deponiert. Das Gesuchte
verrät viel über den Benutzer – und
prompt bekommt er auch passende Werbung angezeigt. Die Ergebnisse sind dabei längst auf den Benutzer zugeschnitten, auch wenn wir es nicht unbedingt
merken.
Bei der Google-Tochter YouTube verhält es sich ähnlich. Wer sich drei ElvisVideos am selben Notebook ansieht, bekommt beim nächsten Öffnen gleich die
neuen Uploads des Unsterblichen präsentiert. Und die Treffer werden mit Werbeseiten durchmischt. Die Botschaft kommt
an, ob wir sie wollen oder nicht. Die beliebte
Suchmaschine ist Standard bei der Suche
im Netz, und auf Geräten wie iPhone oder
iPad ist eine YouTube App vorinstalliert.
Facebook hat es noch einfacher. Dort
müssen die Strategen weniger spekulativ
vorgehen, weil die Kunden ihre Daten
freiwillig eingeben. Firmengründer Mark
Zuckerberg ließ deshalb auch wissen,
dass es ihm in Zukunft weniger um das
Anwerben neuer Nutzer gehe. Wichtiger
sei ihm jetzt, das Engagement der bestehenden Klientel zu vertiefen. Die oft
zitierte Timeline ist der erste Versuch,
das ganze Leben der User auf einen Blick
sichtbar zu machen. Vom Babyfoto bis
zur ersten Liebe, vom Uni-Abschluss bis
zum 40. Geburtstag.
Millionen füttern Facebook mit Daten
Natürlich gibt es immer stärkere Widerstände gegen diesen Trend. Trotzdem
werden Millionen in aller Welt die Timeline mit ihren Daten füttern. „Und es
wird zumindest in der jungen Generation die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen, verändern“, schreibt
das Magazin „Der Spiegel“. Je zielgenauer die angegebenen Daten sind, desto
mehr sind sie wert. Das wohl genialste
Tool der Zuckerberg-Welt ist aber sicher
der „Like“-Button. Während Google über
die Suchintentionen seiner Surfer nur
spekulieren kann, weiß Facebook ganz
genau, was wem gefällt: Weil es die User
per Mausklick selbst bestätigen.
Bei Amazon ist es ähnlich. Wer dort
einkauft, deklariert, was ihm gefällt. Und
Amazon speichert die Daten, um die Kunden nach jedem Abschluss noch gezielter
zu bewerben. Telefonbuchdicke Versand-
Facebook, Amazon, picturedesk.com: Markham Johnson/AFP, Ryan Anson/AFP, LOIC VENANCE/AFP, Google
Die Mächtigsten im Netz
Jim Bezos, Mark Zuckerberg, Steve Jobs, Larry Page und Sergey Brin
haben aus kleinen Projekten Großes geschaffen: Amazon gilt als
erfolgreichster Überlebender der Internet-Bubble-Zeit, Facebook
wurde von einem Campus-Verzeichnis in nur sieben Jahren zu einem
millionenschweren Unternehmen. Von der Garage bis zu einer der
wertvollsten Marken der Welt war es ein weiter Weg für Steve Jobs.
Nun liegt es an Tim Cook, Apple unter den mächtigen vier zu halten.
Eine innovative Suchmaschine war der Anfang von Google, mittlerweile bietet das Unternehmen zahllose Services im Netz an.
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Berührungspunkte
Angriffe
Wechselwirkungen
Amazon vs.
Apple
Mit dem Kindle Fire will Amazon
die Herrschaft des iPad brechen.
Amazon wetteifert bei Mediendownloads mit iTunes. Längst
zählen etwa MP3-Downloads zu
den konstanten Umsatzbringern.
Mit iBooks und iTunes steigt Apple
wiederum ins Kerngeschäft (Vertrieb von Büchern und Filmen) von
Amazon ein.
Amazon verdient inzwischen
selbst Millionen durch den
Verkauf von iPads und der
dazupassenden Accessoires.
Amazon wird für iPad- und
iPhone-User zum mobilen
Shoppingtempel.
Apple vs.
Google
Die größte Schlacht zwischen Apple
und Google tobt um die Vorherrschaft in der Smartphone- und
Tablet-Welt. Geräte mit Googles
Android holen laufend gegenüber
iPhone und iPad auf.
Google kontert Apple-TV mit
Google-TV, der Verschmelzung
von Fernsehen und Internet.
Google ist auch auf den AppleGeräten die mit Abstand beliebteste Suchmaschine.
Auf iPhone und iPad ist YouTube
als optimierte App bereits vorinstalliert.
Apple vs.
Facebook
HTC soll für Facebook an einem
Social Network-Smartphone basteln.
Facebook macht Apple auch das
Geschäft mit Games aus dem
iTunes-Store streitig (durch die
Onlinespiele-Firma Zynga).
Apple torperdierte in sämtlichen
seiner Foren die neue FacebookTimeline. Offizieller Tenor: Hier wird
Datenschutz mit Füßen getreten.
Die Facebook-App ist eine der
beliebtesten am iPhone. Die App
für das iPad ließ zwar auf sich
warten, ist aber seit letztem
Oktober ebenfalls höchst erfolgreich.
Apple-Gruppen gehören wiederum zu den beliebtesten auf Facebook. Hier diskutieren Tausende
User über neue Produkte, bewerten sie und tauschen Tipps aus.
Amazon vs.
Facebook
Der „Like“-Button auf Facebook
verrät dem Unternehmen im Detail
die individuellen Vorlieben seiner
Nutzer. Das könnte Amazon im Onlinehandel gefährlich werden.
Amazon forciert Rezensionen seiner
User, um eigene soziale Netzwerke
und Chatrooms aufzubauen (für
Bücher, Musik etc.).
Aus Protest gegen die „Stop
Online Piracy Act“ (SOPA)
genannte Gesetzesinitiative
der US-Regierung drohten
Amazon und Facebook (gemeinsam mit Google übrigens),
gleichzeitig ihre Internetangebote abzuschalten.
Facebook vs.
Google
Google will Facebook mit seinem
sozialen Netzwerk Google+ Mitglieder abjagen.
Gleichzeitig integrierte der Konzern
zu Jahresbeginn Google+-Daten seiner User, um Suchmaschinentreffer
zu optimieren. Facebook liebäugelt
laut Insidern schon seit längerem
mit einer „sozialen Suche“.
Durch den „Like“-Button und die
Informationen in den Nutzerprofilen besitzt Facebook überdies
Daten, die auf die Werbeindustrie
verlockender wirken als jene von
Google.
Das soziale Netzwerk und der
Suchmaschinengigant sind die
größten Kräfte und Regulatoren
im Netz. Sie stellten sich gemeinsam gegen das in den USA
geplante SOPA-Gesetz und arbeiten an einem Standard gegen die
Phishing-Umtriebe im Netz.
Google könnte seine Produktsuche
schon bald mit einem Lieferdienst
verbinden. Erklärtes Ziel: Zustellung
innerhalb von 24 Stunden. Auslöser
für die Idee war der Erfolg von Amazons Lieferservice „Prime“: Viele
Kunden suchten ihre Artikel nur
noch bei Amazon direkt und umgingen so Google als Suchmaschine.
Google arbeitet auch an einem Tablet-PC mit Sieben-Zoll-Display für
unter 200 US-Dollar. So will man das
Amazon-Lesegerät Kindle angreifen.
Bei der Digitalisierung von
Büchern hätten die beiden Konzerne enorme Kooperationsmöglichkeiten. Derzeit digitalisiert
Google urheberrechtsfreie
Bücher, um sie abrufbar zu
machen. Amazon dagegen bietet
gescannte Bücher im Volltext an
und will damit den Verkauf
gedruckter Werke fördern.
Google vs.
Amazon
Christian Pressler, Sabine Nebenführ
hauskataloge haben keine Chance gegen
den schnellen Klick. Das Internet ist für
Amazon eine Verkaufsmaschinerie, die
man noch gewaltig ausreizen kann. Etwa
mit dem Kindle: Das mausgraue Stück mit
dem Charme eines klobigen Taschenrechners verkaufte sich bisher sieben Millionen Mal. Nicht weil es so chic wie AppleSpielzeug ist, sondern weil es schlicht
praktisch ist. Nicht weniger als 1.400 Bücher speichert die Letztversion. Wer am
Kindle liest, kann Stellen markieren, Anmerkungen anderer Leser abrufen oder
sich unverständliche Worte erklären lassen. Amazon kann aber noch mehr. Unternehmensboss Jeff Bezos hat sein Sortiment in den letzten Jahren so aufgemotzt,
dass der Umsatz von 2,7 Milliarden Dollar
im Jahr 2000 auf 34 Milliarden im Jahr
2010 explodierte und selbst Handelsriesen wie MediaMarkt erschauern lässt.
Ihre einzigartigen Machtpositionen
stacheln die Chefs der vier Giganten aber
nur weiter an. Ständig präsentiert einer
aus dem Quartett neue Ideen, die die anderen drei beflügeln und letztlich erfolgreiche Unternehmen aus der digitalen
Vorzeit die Existenz kosten.
Facebook plant eine eigene Währung
Facebook plant derzeit eine eigene Währung, die das ganze Netz erobern soll.
Vielleicht kann man damit ja bald bei
Amazon ein Apple iPad kaufen. In jedem
Fall werden die großen Kreditkartenfirmen jeden weiteren Entwicklungsschritt
ängstlich verfolgen. Zu wichtig ist das
Webgeschäft inzwischen auch für sie.
Aufhalten wird Apple, Google, Facebook
und Amazon aber niemand. Die größte
Konkurrenz befindet sich innerhalb dieser Gruppe der vier Giganten. Welcher
Gigant sich letztlich durchsetzen wird,
wird von der Gunst der Nutzer bestimmt.
i
amazon.com
apple.com
facebook.com
google.com
Amazon, Apple, CANADIAN PRESS LTD./Action Press/picturedesk.com
hi!life
Bücher
hi!tech Leseraum
Bücher. Von der Energiewende, der Irrationalität von Zahlen,
Future Jobs, den Möglichkeiten der Spieltheorie und Gerechtigkeit.
JOHANNES WINTERHAGEN
Abgeschaltet
Wird die Energiewende gelingen? Johannes Winterhagen macht in diesem Buch
klar, dass sie ein Mammutprojekt ist, das erst ganz am Anfang steht. Es geht um
einen Umstieg auf eine völlig klimaneutrale Energiewirtschaft. Der Autor analysiert die derzeit genutzten Formen erneubarer Energie von Wind- über Wasserkraft bis zu Geothermie und Solarenergie und macht klar, dass sie nicht ausreichen
werden. Sein Resümee: Es geht nicht ohne große, zentrale Kraftwerke. Neue fossile Kraftwerke sollten Vorfahrt erhalten. Die Energieforschung muss intensiviert
werden und Energiesparen rettet die Welt nicht. Basiswissen zum Thema Energiewende, das viele Zusammenhänge verständlich erklärt.
■ Hanser, 18,40 Euro
FRIEBE / ALBERS
L
LYNDA
GRAT TON
PIERRE BASIEUX
RUDOLF TAS
T CHNER
Was Sie über 6
wissen wollten
Job Future –
Future Jobs
Die Welt
als Spiel
Gerechtigkeit
siegt (nicht)
Über ihren
mathematischen Wert
hinaus haben
Zahlen, Mengen und Größenverhältnisse auch eine ästhetische und
psychologische Wirkung. Die
Kenntnis dieser oft unbewussten
Mechanismen ist wichtig, in
Design und Architektur genauso
wie in der Kunst. Sie hilft uns
außerdem, beim Einkaufen
Lockangeboten zu widerstehen.
Denn das Buch liefert auch die
Gründe für unseren häufig irrationalen Umgang mit Zahlen.
■ Hanser, 18,40 Euro
Megatrends
wie Klimawandel, Globalisierung
und Vernetzung verändern die Welt.
Auch die Arbeitsformen sind
betroffen. Volle Stellen werden
seltener, hochspezialisierte
Experten arbeiten überall in der
Welt. Für die nächsten Jahre ortet die Autorin folgende Trends:
Vom Generalisten zum Meister
in Serie, vom Einzelkämpfer
zum innovativen Brückenbauer,
vom unersättlichen Konsumenten zum Produzenten.
■ Hanser, 25,60 Euro
Spieltheoretiker haben
erstaunlich
präzise gesellschaftliche
Entwicklungen,
etwa den Arabischen Frühling,
vorhergesagt. Zunehmend werden wirklichkeitsnahe Modelle
und Strategien für Konflikt- und
Spielsituationen entwickelt,
die sich auf Kriegsführung und
-vermeidung ebenso anwenden
lassen wie auf Firmenmanagement und Konkurrenzsituationen. Grund genug, sich damit
zu beschäftigen.
■ rororo science, 9,20 Euro
Bisher ist Professor Rudolf
Taschner vor
allem durch
seine Marketingaktivitäten für die
Mathematik bekannt geworden.
In diesem Buch beschäftigt er
sich mit einem philosophischen
Thema, das sich auch der beste
Mathematiker nicht schönrechnen kann. Der Buchtitel sagt
es bereits – Gerechtigkeit siegt,
aber nur im Film. Und die im
Buch sporadisch eingesetzte
Mathematik unterstreicht, dass
das stimmt.
■ ecowin, 19,90 Euro
hi!tech 01|12
68 ■ 69
hi!life
Senioren
SmartSenior
Gut vernetzt, aktiv und mobil – so können Senioren
leben, wenn sie via Internet mit Freunden in Kontakt
bleiben und medizinisch versorgt werden.
Sicher und selbstbestimmt
Unsere Lebenserwartung steigt. Die Menschen werden aber nicht nur immer älter,
sie wollen auch möglichst lange mit hoher Lebensqualität, selbstbestimmt, sicher und mobil leben. Mit Unterstützung
durch altersgerechte Assistenzsysteme,
kurz Ambient Assisted Living (AAL), ist
das möglich. Im Rahmen des Forschungsprojekts SmartSenior werden Informations- und Kommunikationstechnologien
entwickelt, die die notwendigen Dienstleistungen organisieren können.
Es geht unter anderem um Notfallassistenz, Sicherheitslösungen für den
Haushalt, Systeme zur sozialen Vernetzung und eine telemedizinische Servicezentrale. Die Herausforderung liegt vor
allem in der Standardisierung und Integration verschiedener Systeme, vom Fernseher über Smartphone und Hausgeräte
bis zum Auto. In neun Teilprojekten arbeiten 28 Partnerfirmen und -organisati-
onen aus Forschung und Industrie, darunter auch Siemens, unter Leitung der
Deutschen Telekom Laboratories (T-Labs)
zusammen. Ein Feldtest soll nun zeigen,
ob die Technik zusammenpasst und wie
die Nutzer sie annehmen. 35 bestehende
Wohnungen in Potsdam werden mit einer schnellen Internetverbindung, dem
AAL Home Gateway als Datendrehkreuz
und Raumsensoren ausgerüstet.
„Innerhalb einer Woche erlernt das
System anhand der Sensordaten den regulären Tagesablauf des Bewohners“, erklärt Karsten Raddatz von der TU Berlin.
Hat der Senior das Haus verlassen und
dabei ein Fenster, das normalerweise
geschlossen ist, offengelassen, bekommt
er eine Meldung auf sein Smartphone.
Wertvoll sind auch Bewegungsdaten. Ein
Beispiel: Der Bewohner geht nachts wie
immer zwischen zwei und drei Uhr zur
Toilette, kommt aber nicht innert zehn
Minuten wie im Allgemeinen üblich zu-
rück ins Schlafzimmer. Das System stellt
eine Anomalie fest und sendet ein Signal
an ein Assistenzzentrum, das dann versucht, den Senior telefonisch zu erreichen. Scheitert dies, würde die Rettungsleitstelle alarmiert.
Individuell auf den Senior abgestimmt
Die Möglichkeit zur individuellen Einstellung und die Modularität der Lösungen
ist wichtig, betont Michael Balasch, Research & Innovation Director bei den TLabs und Gesamtkoordinator des SmartSenior-Konsortiums, denn: „Es gibt nicht
‚den‘ Senior.“ Manche ältere Menschen
sind mobil und können die Plattform beispielsweise nutzen, um mit Familie und
Freunden Kontakt zu halten und sich mit
Komfortdienstleistungen das Leben zu erleichtern. Andere sind sturz- oder schlaganfallgefährdet und benötigen vor allem
Sicherheitsfunktionen. Im Feldtest soll
auch ein interaktiver Trainer zur SturzAlle Komponenten müssen
zusammenspielen, um den
Senior smart zu
machen – Infos
gibt es auch auf
einem Webpad
und natürlich
am Smartphone.
Pictures of the Future
Siemens
Blutdruck, Medikamenteneinnahme. Telemedizin könnte nicht nur für Senioren in
Städten, sondern auch für ländliche Regionen mit Ärztemangel ein Ausweg sein. Im
Notfall kann der Arzt über Telemedizin
Anleitung zur Eigenhilfe geben, bis professionelle Helfer eintreffen.
Elektronischer Arztbesuch: Daten vom Blutdruckmesser werden über die Med-I-Box
direkt zur Ordination übertragen. Bei Bedarf meldet sich der Arzt persönlich.
prävention erprobt werden. Möglich wäre
auch, dass sich im Notfall der Pflege- oder
Rettungsdienst über die Videofunktion
bereits vor Eintreffen ein Bild über die
Situation macht – falls der Nutzer diese
Funktion vorab freigegeben hat. Siemens
entwickelt derzeit eine Armbanduhr, die
die Bewegungen und bestimmte Vitaldaten des Trägers misst und per Funkchip
an das AAL Home Gateway überträgt.
Telemedizin wird in Zukunft vielen Senioren den Weg zum Arzt ersparen. „Eine
telemedizinische Visite läuft ab wie ein
normaler Besuch beim Arzt oder wie ein
Hausbesuch“, sagt Dr. Martin Schultz,
Leiter des Telemedizincentrums Charité
(TMCC) in Berlin-Mitte. Der Arzt fragt nach
Beschwerden und Symptomen. Die bisherigen Befunde und aktuell erhobene Vitaldaten wie Puls, Körpertemperatur, Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz sind auf
dem SmartSenior-Portal sichtbar: „Die
Daten werden für den Arzt und für den
Patienten unterschiedlich aufbereitet“, so
Schultz. In der elektronischen Patientenakte sind alle Daten zu sehen, etwa EKG,
Autounfälle vermeiden
Die Erfassung medizinischer Daten wie
Sauerstoffsättigung, Bewegung, Herzund Atemfrequenz und ihre Übertragung hat noch weitere Vorteile. Sie kann
helfen, Autounfälle zu vermeiden. BMW
entwickelt im Rahmen des SmartSeniorProjekts einen Nothalteassistenten, der
zum Beispiel in Aktion tritt, wenn der
Fahrer durch eine Herzattacke das Bewusstsein verliert.
Die Forschungsgruppe beschäftigt sich
auch mit der Prävention und Rehabilitation von Sturz- und Schlaganfallpatienten. Jeder dritte über 65-Jährige stürzt
mindestens einmal pro Jahr, bei den über
80-Jährigen sind es mehr als 80 Prozent.
Problematisch ist oft der Übergang aus
der Rehabilitation nach Hause: Motivation
und Regelmäßigkeit des Trainings schwinden. „Menschen müssen lange und intensiv trainieren“, weiß Michael Balasch. „Mit
einem interaktiven Trainingssystem kann
die Therapie zu Hause weitergeführt werden, unterstützt durch den Therapeuten.“
Neben einer Erhöhung der Lebensqualität der Senioren und dem Erhalt ihrer Eigenständigkeit bringt AAL auch eine Senkung der Kosten für Krankenhausaufenthalte – und damit eine Entlastung unseres Gesundheitssystems. Das Publikum
auf der CeBIT im vergangenen Jahr war
begeistert, vor allem die Senioren. Ältere
Menschen sind nämlich keineswegs technophob, ganz im Gegenteil.
i
www1.smart-senior.de
siemens.de/pof
hi!tech 01|12
70 ■ 71
Optimus D3 von LG: Das erste Smartphone mit einem räumlichen Screen nutzt vorgelagerte Linsen.
Die dritte
Dimension
Der Weg zum Filmerlebnis in 3D auf allen Geräten, vom Fernseher bis zum Handy, ist ohne Brille noch schwer zu schaffen.
Nur Lichtfeldaufnahmen könnten eine Revolution einleiten.
Prismenlinsen bringen 3D ins TV
Nach den ersten Erfolgen im Kino wurde
3D auch fürs Heimkino zum Hype erklärt.
Doch dann stellte sich heraus, dass niemand bereit war, sich mit Brille vor den
Fernsehschirm zu setzen. Inzwischen
wurde auch TV-Dreidimensionalität ohne
Brille präsentiert: Der Apparat hat eine
spezielle Oberfläche aus winzigen Prismenlinsen, die jeden einzelnen Bildpunkt
bündeln, und überträgt dadurch gleichzeitig getrennte Perspektiven für das linke und das rechte Auge, die dann im
Gehirn des Betrachters zu einem Bild verschmelzen und den dreidimensionalen
Eindruck entstehen lassen. Die Nachteile
dieser „autostereoskopischen“ Bildschirme: Die Zuschauer sind an sehr eng begrenzte Blickwinkel gebunden.
Der japanische Hersteller Toshiba hat
aber auch dafür bereits eine Lösung. Die
Cevo Engine, eine Multiprozessorplattform, auf der die Bildtechnik basiert, erzeugt neun unterschiedliche Perspektiven, die durch speziell angefertigte Miniaturlinsen auf diverse Sitzpositionen im
Raum gerichtet werden. Dadurch können
mehrere Personen gleichzeitig 3D sehen.
Christian Pressler
Da es bisher kaum dreidimensionale TVSendungen gibt, kann man mit der integrierten Resolution+-Technik zweidimensionale Programme in 3D umwandeln.
Die Konkurrenz betont allerdings, dass
Kopfbewegungen zu störenden Bildeffekten führen können. „Bis die Technik für
Fernseher über 40 Zoll soweit ist, werden
sicher noch fünf bis sechs Jahre vergehen“, schätzt LG-Experte Kenneth Hong.
Die Idee mit den vorgelagerten Linsen
hält er für massentauglich – allerdings
auf Handys. Hong: „Für die kleinen Displays ist die Beschränkung auf einen engen Betrachtungswinkel kein Problem.
Benutzer schauen bei Handys fast immer
im gleichen Winkel auf die Anzeige.“ LG
brachte daher mit dem Optimus 3D das
erste Smartphone mit einem räumlichen
Screen auf den Markt. Die integrierte Dual-Sens-Kamera schießt auch Fotos in 3D
und dreht dreidimensionale Filme, die
über den HDMI-Anschluss sofort auf einen 3-D-Fernseher übertragen werden
können. Einziger Nachteil: der 3-D-Modus
verringert die Auflösung und lässt Bilder
mitunter etwas unscharf aussehen. An
einer Verbesserung wird bereits gearbei-
LG, OSRAM-Pressebild, Stanford Light Field Archive/Andrew Adams
tet. Beim HTC-Rivalen Evo 3D legt sich,
so betonen Tester unisono, sogar ein
kleiner Grauschleier über das Bild, durch
den die Farben matt wirken. Das schärfste Smartphone im 3-D-Trio ist das Sharp
Aquos Phone SH-12C, das aber nur in
Japan vertrieben wird.
Warum es mit Brille besser geht
Doch kehren wir zum Fernsehen zurück.
Selbst wenn die Toshiba-Idee tatsächlich
noch ein einige Zeit bis zur Massentauglichkeit braucht, kann man 3D inzwischen anspruchsvoll genießen. Zugegeben: mit Brille. Doch auch hier tut sich
einiges. 3-D-Fernseher mit Shutterbrillen geben die zwei für 3D notwendigen
Perspektiven im schnellen Wechsel nacheinander wieder – mindestens 60 Mal pro
Sekunde ein Bild für das rechte Auge im
Wechsel mit ebenso vielen Bildern für
das linke. So sorgen sie dafür, dass jedes
Auge nur die jeweils passenden Bilder
sieht. Dazu schalten sie im Wechsel immer ein Brillenglas undurchsichtig, während das andere das Bild vom Fernseher
durchlässt. Ein Infrarotsender sorgt für
den Gleichschritt mit dem Bildwechsel.
hi!life
3D
Shutterbrillen
kommunizieren
mit dem 3D-TVGerät auf Basis
von Infrarotlicht,
das von IR-LEDs
im TV-Monitor
erzeugt wird.
Leistungsstarke
IR-Komponenten
für Shutterbrillen
werden von
Osram erzeugt.
Schach mit
digitaler Lichtfeldfotografie:
Sie macht dreidimensionale
Sicht ohne Hilfsmittel möglich.
3-D-Fernseher mit Polarisationstechnik wiederum machen sich die zwei unterschiedlichen Schwingungsrichtungen
von Lichtwellen zunutze. Die Brillen lassen auf der einen Seite nur horizontal polarisiertes Licht durch, auf der anderen
vertikal polarisiertes. Der 3-D-Fernseher
strahlt dabei gleichzeitig die zwei verschiedenen Bilder aus, nicht im schnellen
Wechsel wie bei der Shuttertechnik. Der
Nachteil: Die Auflösung des Bildes halbiert sich, da die eine Hälfte der Pixel für
das Bild des linken Auges zuständig ist
und die andere für das Bild des rechten.
Dafür sind Polbrillen billiger.
Während LG und Philips auf Letzteres
setzen, haben sich auf Shutterseite Panasonic, Sony, Samsung und Xpand zur
„Full HD 3D Brillen“-Initiative vereint.
Ziel ist es, bis 2012 eine einheitliche 3DShutterbrille auf den Markt zu bringen,
bei der die Funk- und Infrarotübertragungsprotokolle normiert sind. Mit diesem Anlauf zu einem Standard könnte 3D
für daheim doch noch zum angesagten
Hype werden.
Ersatz für Brillen
Bleibt also doch nur die bebrillte Zukunft
für den 3D-Spaß? Nicht ganz, ist man an
der Johannes Kepler Universität (JKU) in
Linz überzeugt. Dort haben Informatiker
eine Methode zur Bearbeitung von Lichtfeldern entwickelt. Zunächst mal zur Begriffsklärung: Wer mit einer herkömmlichen Digitalkamera fotografiert, erhält
bekanntermaßen ein zweidimensionales
Bild. Neuartige Lichtfeldkameras nutzen
dagegen spezielle optische Elemente
(wie Mikrolinsenfelder), um Richtungsinformationen des Lichtes zu erhalten.
Zu den zweidimensionalen Bildkoordi-
naten kommen also zweidimensionale
Richtungskoordinaten dazu. Daraus entstehen vierdimensionale Abbildungen.
Und genau die nennt man Lichtfelder.
Lichtfelder haben nun den Vorteil, dass
sie weit mehr Informationen enthalten als
herkömmliche Bilder. So kann man im
Nachhinein Fokus und Perspektive einer
Aufnahme ändern oder Tiefeninformationen und Abbildungen mit sehr hoher Tiefenschärfe errechnen. „Und das Potenzial
ist beträchtlich“, sagt Manfred Rathmoser,
Sprecher der JKU. Das gilt nicht nur für
bildgebende Systeme und die Verarbeitung digitaler Bildinformationen, sondern
auch für Displaysysteme. Für zukünftige
Displaytechnologien ermöglichen Lichtfelder die Darstellung dreidimensionaler
Inhalte für beliebig viele Betrachter und
ohne Hilfsmittel wie 3D-Brillen.
Lichtfelder digital nachbearbeiten
Bevor es aber so weit ist, müssen Lichtfelder genauso digital nachbearbeitet
werden können, wie es heute für zweidimensionale Abbildungen, also für Bilder
und Videos, möglich ist. Und hier kommen die JKU-Forscher ins Spiel: Unter
der Leitung von Professor Oliver Bimber
gelang es ihnen, Softwarealgorithmen
zu entwickeln, die es ermöglichen, Lichtfelder entsprechend zu analysieren und
zu bearbeiten.
Zur im Mai stattfindenden Fachtagung Eurographics präsentieren die JKUForscher erstmals ein Verfahren, das das
nichtlineare Strecken und Stauchen von
Lichtfeldern ermöglicht. Dabei können
Aufnahmen aus einer Lichtfeldkamera
bequem auf eine beliebige Größe und
ein gewünschtes Seitenverhältnis angepasst werden – ohne dass wichtige Inhalte unnatürlich verzerrt werden. Und
das ist der erste Schritt zur gezielten
Veränderung der Tiefeninformation.
i
www.jku.at/cg
www.osram.com
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hi!life
Toys
Ein Blickfang von Logitech: Ohne Tasten
und Scrollrad steuert man mit der Multitouch-Oberfläche der Maus.
■ www.logitech.de
hi!toys
Ein Minicomputer versteckt sich in diesem
USB-Stick. Der Mikrorechner lässt sich an
beliebige Bildschirme
anschließen und ist
über eine SmartphoneApp steuerbar. Als
Betriebssystem steht
Android 4.0 oder
Ubuntu zur Auswahl.
■ www.fxtech.com
41 Megapixel – Rekord für ein
Smartphone! Das Nokia 808
Pure View sorgt mit Carl-ZeissOptik für scharfe Erinnerungen.
www.nokia.at
Fast zur Gänze recyclebar ist dieses Kartonradio. Außerdem verfügt es auch über einen
Anschluss für den MP3-Player.
■ www.sowaswillichauch.de
Die schrillen Ghettoblaster aus den
80er Jahren sind wieder in – heute
werden sie allerdings mit MP3s statt
mit Kassetten gefüttert.
Diese Dockingstation für das
iPhone kann mehr: Apps downloaden und zocken, während
das Smartphone lädt!
■ www.sowaswillichauch.de
■ www.sowaswillichauch.de
Sabine Nebenführ
Logitech, Nokia, FXI, sowaswillichauch.de
hi!tech 01|12
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Nr. 02 | Februar 2012 | Euro 4,40
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P.b.b. 02Z030115 M Ö S T E R R E I C H I S C H E
INDUSTRIE
MAGAZIN
Das Magazin für Ihren unternehmerischen Erfolg
Rohstoffe Was auf
die Industrie im Jahr
2012 zukommt
Seite 18
Standort
der
Alle Bundeslän
im Wachstums
vergleich
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Seminaranbieter
80 Dienstleister im Qualitätscheck. Seite 68
Firmenfuhrpark Alle neuen Kompakt- und Mittelklassemodelle 2012. Seite 34
Schwerindustrie Wie schlanke, hocheffiziente Prozesse Einzug halten. Seite 44
Software as a Service Was Auslagern der heimischen Industrie bringt. Seite 54
C_FOTOLIOA.COM
INDUSTRIEMAGAZIN
D A S