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Das Billard in Wien – Exklusion bzw. Inklusion der Frauen im Billardsport Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades „Mag.a art.“ (Magistra artium) in den Studienrichtungen Kunst und Kommunikative Praxis und Design Architektur und Environment. Unterrichtsfach Bildnerische Erziehung und Unterrichtsfach Werkerziehung (S190 590 591) eingereicht an der Universität für angewandte Kunst Wien am Institut für Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung bei Ernst Strouhal ao. Univ. Prof. vorgelegt von Elisabeth Wurzenberger Wien, im Juni 2015 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ......................................................................................................... 4 2. Geschichte des Billardspiels ............................................................................ 6 2.1 Vom Ursprung des Billard .......................................................................... 6 2.2 Von der Verbreitung des Billard in adeligen Kreisen .................................. 8 2.3 Billard im Kaffeehaus für das Bürgertum.................................................. 12 2.3.1 2.4 Frauen im Kaffeehaus .............................................................................. 20 2.4.1 2.5 3. 4. Der Markör ........................................................................................ 19 Die Sitzkassiererin ............................................................................. 24 Das bürgerliche Frauenbild in Wien um 1800 .......................................... 28 Die Billardärinnen 1934/35 ............................................................................. 35 3.1 Berichte über den 1. Wiener Damenbillardclub ........................................ 35 3.2 Das Frauenbild um 1934 .......................................................................... 39 3.3 Die Mitglieder des ersten Damenbillardclubs in Wien .............................. 42 Exklusion und Emanzipation von Frauen im Billardsport ............................... 48 4.1 Geschlechterdifferenz im Sport ................................................................ 48 4.1.1 Versteinert oder aufgebrochen? Wie sich Rollenklischees im Sport entwickeln ...................................................................................................... 50 4.2 Billardsport – eine Männerdomäne .......................................................... 54 4.2.1 Exkurs: Grundlegendes zum Billardsport .......................................... 54 4.2.2 Sexistischer Sprachgebrauch: Zweideutige Begriffe ......................... 55 4.2.3 Sexistische Darstellungen von Frauen am Billardtisch ...................... 57 4.3 Frauen im Billardsport in Wien in der Gegenwart ..................................... 59 4.3.1 Frauen in der Billardschule Weingartner ........................................... 59 4.3.2 Frauen in Vereinen ............................................................................ 60 4.3.3 Unterschiedliche Spielstärke von Männern und Frauen .................... 61 2 4.3.4 4.4 5. Frauen im KÖÖ und im Café Weingartner ......................................... 62 Ingrid Englbrecht ...................................................................................... 63 Billard und Frauen im Film ............................................................................. 70 5.1 „I'm the emancipated type“ – Filmische Darstellung der Situation von Frauen in Poolbillardhallen (USA 1961/1984).................................................... 70 5.2 Die billardspielende Protagonistin in Karambolage (Wien 1983) ............. 72 5.2.1 Inhalt.................................................................................................. 72 6. Schlusswort.................................................................................................... 75 7. Anhang........................................................................................................... 77 7.1 Quellen..................................................................................................... 78 7.1.1 Literatur ............................................................................................. 78 7.1.2 Interviews .......................................................................................... 82 7.1.3 Audiovisuelle Quellen ........................................................................ 83 7.2 Abbildungsverzeichnis ............................................................................. 83 Danksagung .......................................................................................................... 85 Eidesstattliche Erklärung ....................................................................................... 86 3 1. Einleitung Ausschlaggebend für die Wahl meines Themas war ein Zeitungsartikel mit dem Titel „Die Billardärinnen“ aus dem Jahr 1934, der vom ersten Damenbillardclub in Wien handelt. Als leidenschaftliche Billardspielerin sah ich darin die Gelegenheit, mein Wissen über das Billard und seine Verbreitung speziell in Wien, zu vergrößern. Aufgrund der Tatsache, dass so wenige Frauen im Vergleich zu Männern professionell Billard spielen, wollte ich mich mit der Frage beschäftigen, ob Billard schon immer eine Männerdomäne war, warum das so ist, und meine Erkenntnisse dazu in Form einer kulturwissenschaftlichen Arbeit wieder geben. Meine erste Anlaufstelle war das Billardmuseum Weingartner in Wien. Heinrich Weingartner sen., selbst ehemaliger Profi-Billardspieler und Leiter eines Billard-Fachhandels und -Cafés, einer Billard-Schule sowie des Museums, gab mir in zahlreichen Interviews Antworten auf viele meiner Fragen, und lieferte mir einen großen Teil meiner verwendeten Unterlagen zum Thema Billard und Kaffeehauskultur in Wien. Der Artikel zu den „Billardärinnen“ 1934 – wie sie vom Autor in der Zeitung genannt wurden – warf zahlreiche weitergehende Fragen auf: Welche Meinungen herrschten in der Gesellschaft lange vor dem ersten Damen-Billardclub im Bezug auf die Stellung der Frau? Wie stand es im 18. und 19. Jahrhundert mit den Möglichkeiten für Frauen, Billard zu spielen? Die Frage stellt sich besonders unter dem Aspekt, dass das Spiel hauptsächlich in Kaffeehäusern betrieben wurde, wo sich Frauen – wenn überhaupt – nur in Gesellschaft eines Mannes aufhielten. Die Frage, wie Geschlechterrollen als Argumente dagegen angeführt wurden, wird daher zunächst im ersten Kapitel über die Geschichte des Billard behandelt, wo ich auch kurz auf den Ursprung des Billards eingehen, und einige bahnbrechende Neuerungen, die eine Wandlung vom Spiel zum Präzisions- und Leistungssport möglich machten, nicht unerwähnt lassen werde. Das zweite Kapitel behandelt den ersten Damen-Billard-Club in Wien, besonders den Zeitungsartikel, der 1934 dazu erschien, sowie die sozialen Umstände, unter denen Frauen zu dieser Zeit lebten. Darüber hinaus geht es der Frage nach, wer die billardspielenden Frauen waren und wie es dazu kam, dass sie trotz 4 frauendiskriminierender Politik während des Austrofaschismus im Café Billard spielten. Das nächste Kapitel behandelt die Frau im Billardsport. Dabei soll zum Kontext Geschlechterdifferenzen im Sport im Allgemeinen, auf geschlechtliche Ungleichheiten im Sport und deren mögliche Ursachen eingegangen werden. Unter dem Aspekt, dass Billard nach wie vor eine von Männern dominierte Sportart darstellt, werde ich – bevor ich Beispiele erläutere, die diesen Umstand unterstreichen und bestätigen – die Billardform Carambol und deren Unterdisziplinen erklären. Ingrid Englbrecht, Wiens erste turnierreife Carambolspielerin, deren Leben und Karriere als Billardspielerin ausführlich beschrieben wird (insbesondere auch unter dem Gender-Aspekt) gab mir im Interview einen guten Einblick in die Situation, welcher sie sich als billardspielende Frau in den 1960er-1980er Jahren stellen musste, und wie es sich heute verhält. Daneben ist der Film Karambolage (1983 unter Regie von Kitty Kino) ein ausgezeichnetes Beispiel für eine Frau am grünen Tisch – ebenfalls im Wien der 80er Jahre – die nicht mehr nur die Rolle der Beobachterin ein-, sondern das Queue selbst in die Hand nimmt. Ein kurzer Einblick in den Handlungsverlauf des Films, ohne dabei das Ende zu verraten, und eine nähere Beschreibung themenrelevanter Szenen sollen Aufschluss über die Schwierigkeiten geben, mit denen die Protagonistin auf ihrem Weg zur Billardspielerin zu kämpfen hat. Zuvor soll anhand von zwei bekannten Billardfilmen, The Hustler (1961) und The color of money (1984), die sich ändernde Situation für Frauen in US-amerikanischen Billardhallen innerhalb von 20 Jahren aufgezeigt werden. Da Carambol die längste Tradition in Wien hat, habe ich mich bei meinen Recherchen und mit dem Ausdruck Billard in erster Line auf das Spiel mit den drei Bällen bezogen. Mai 2015 E.W. 5 2. Geschichte des Billardspiels 2.1 Vom Ursprung des Billard Im Folgenden soll der Ursprung des Billard, sein Name, und die Entwicklung der Gerätschaften kurz erklärt werden. Mit besonderem Augenmerk auf die Beteiligung der Frau am Spiel werde ich dabei auch einen Einblick in die verschiedenen Umgebungen der Verbreitung geben – von adeligen Kreisen bis in das öffentliche Wiener Kaffeehaus. Die Erfindung des Billard ist dem französischen und englischen Adel zu verdanken. Wo genau das Spiel zum ersten Mal gepflegt wurde, ist nicht überliefert, doch der Name leitet sich vom französischen Wort „bille“ ab, das soviel heißt wie Kugel, Ball oder Murmel. Andere Quellen behaupten, dass möglicherweise das französische Wort „billart“ – auf deutsch Krummstab – für die Namensgebung verantwortlich ist.1 Das Wort Queue, wie der konische Spielstab genannt wird, hat seine Wurzeln so wie viele andere Fachausdrücke beim Billard ebenfalls in Frankreich und bedeutet auf Deutsch Schwanz bzw. Schweif. Wichtige Neuerungen das Material betreffend stammen aus Frankreich, so wie zum Beispiel das Lederkäppchen2 an der Spitze des Queues, das 1807 von Francois Mingaud erfunden wurde.3 Es revolutionierte das Billardspiel, denn von da an waren genauere Manöver möglich, die den Ball durch nicht zentrales Anspielen zusätzlich in Rotation versetzten konnten, sodass dieser gegebenenfalls rückwärts, oder sogar im Bogen rollte. Wie von Hexerei gelenkt bewegten sich die Bälle plötzlich in für Laien nicht nachvollziehbare Richtungen. Zehn Jahre später folgten die ersten Erwähnungen einer Kreide zum Aufrauen des Queueleders, um zu vermeiden, dass der das Queue beim Stoßen abrutscht. Vor der Einführung der Kreide wurde die Queuespitze an den Wänden gerieben, wo der Verputz diese Funktion übernahm.4 Der französische Mathematiker Gaspard Gustave de Coriolis untersuchte die Rotationsbewegungen der Bälle und 1 Vgl. Schiffer, Franz: Billard. Pool, Snooker, Karambol: Regeln, Technik, Geschichte. München, Hugendubel Verlag. 1994, S. 14. 2 Die so genannte Pomeranze 3 Vgl. Weingartner, Heinrich: Billard. Das Buch zum Spiel. Wien, Eigenverlag. 1989, S. 325. 4 Vgl. ebd. 6 veröffentlichte 1835 die Schriften zu seinen Forschungen unter dem Titel: „Thèorie mathématique des effets du jeu de billard“.5 Aber auch in England entstanden viele Innovationen, die für die Entwicklung des Billard von der reinen Freizeitbeschäftigung zum Präzisionssport wichtig waren. Der Londoner John Thurston verwendete 1826 als erster Schiefer anstelle von Marmor und Holz als Material für die Tischplatten und ersetzte 1835 die bis dahin üblichen Stopfbanden6 durch Naturkautschuk.7 Später erreichte man durch Vulkanisation des Gummis, dass die Elastizität der Banden temperaturunabhängig wurde.8 Eindeutig ruhigeres Rollverhalten und berechenbares Abprallen der Bälle waren die Folgen. Im Billardmuseum kann man auch Bandenexperimente mit Spiralfederkonstruktionen bewundern, welche sich aber nicht durchsetzen konnten. Vor diesen modernen Ausführungen war der Verlauf der Bälle sehr stark vom Zufall abhängig gewesen. Außerdem waren die Bälle früher aus Elfenbein, deren Schwerpunkt nicht selbstverständlicher Weise in der Mitte liegen musste, was ebenfalls Auswirkungen auf deren Verlauf hatte. Heute werden sie aus Kunstharz gefertigt, das billiger sowie widerstandsfähiger ist, und den Schwerpunkt in der Mitte garantiert. Abgesehen davon stellte Elfenbein natürlich auch einen beträchtlichen Kostenfaktor dar, weshalb Billard anfangs eindeutig ein Spiel der Oberschichten war. Der erste Elfenbeinersatz wurde 1869 erfunden, nachdem 18639 der bekannter Londoner Billardfabrikant, Michael Phelan, ein Preisgeld in der Höhe von 10.000 $ darauf ausgeschrieben hatte.10 Die englischen Billardspieler haben durch die schriftliche Kodifikation genauer Regeln und das Abhalten jährlicher Meisterschaften in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wesentlich zur Entwicklung vom Spiel zum Sport beigetragen.11 Die Entstehung des Spiels ist ursprünglich darauf zurückzuführen, dass die Herren, aber auch Damen der herrschenden Gesellschaft Europas in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts12 nicht mehr gewillt waren, das Ausüben ihrer Spielleidenschaften vom Wetter abhängig zu machen. Deshalb verlegten sie ihre 5 Vgl. Schiffer, 1994, S. 14. mit elastischen Materialien wie Rosshaar und Leinen gefüllte Banden 7 Vgl. Schiffer, 1994, S. 13. 8 Vgl. Weingartner, 1989, S. 325. 9 Schiffer, 1994, S. 14. 10 Vgl. Billard. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Billard (abgerufen am 14.2.2015). 11 Vgl. Weingartner, 1989, S. 324. 12 Vgl. ebd., S. 323. 6 7 dem heutigen Krocket oder Golf ähnlichen Ballspiele von außen in den Innenraum. Bald erhob man das „Bodenbillard“13 auf den Tisch, fügte Holzleisten als Banden hinzu und auch die im Freien verwendeten Hindernisse, die meist aus Bögen und Kegeln bestanden, gehörten noch lange zum Billard-Spiel. Die grüne Farbe der Tücher, mit denen die Tische seit 146914 bespannt wurden, ist auf den früheren Spieluntergrund – den Rasen – zurückzuführen. Die Löcher, in die der Ball etwa beim Golf getroffen werden musste, verschwanden beim Billard nur teilweise und zeigten sich in England am beständigsten, wo heute Snooker zu einer der beliebtesten Sportarten überhaupt gehört. Das Queue sah lange Zeit den bei Rasenspielen verwendeten Schlägern sehr ähnlich, woher auch die Verbindung zum Wort „billet“ (für Krummstab) als möglicher Namensgeber stammt, und wurde in dieser frühen Form „Mace“ genannt. 2.2 Von der Verbreitung des Billard in adeligen Kreisen Über die adeligen Kreise, deren Residenzen, Universitäten und Ballsäle,15 verbreitete sich das Billard sehr schnell in ganz Europa und war bei Frauen und Männern eine beliebte Freizeitbeschäftigung, da es „nicht nur unterhaltend, sondern auch gesund [war]“.16 Die Vorteile des Spiels wurden schon früh erkannt und trugen, wie u.a. zum Beispiel der Aspekt der Körperbewegung, sehr zum gesellschaftlichen Ansehen des Billards bei. So schrieb Anton Baumann in seinem Buch „Gründlicher Unterricht und Regeln des Billard-Spiels“ von 1795,17 dass vor allem „nach genoßner Mahlzeit […] dieses Spiel, gleich allen anderen Leibesbewegungen, dem Körper am zuträglichsten und dienlichsten“18 sei. Neben der Schulung des Augenmaßes „erhalten unsere Augen durch die grüne Farbe des Tuchs, womit gemeiniglich die Billardtafeln überzogen sind, viel Stärke; denn es ist eine bekannte und von den Ärzten schon längst erwiesene Wahrheit, daß die grüne Farbe das Auge ungemein schärft“.19 13 Ebd. Vgl. Billardtuch. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Billardtuch (abgerufen am 2.5.2015). 15 Vgl. Weingartner, 1989, S. 323. 16 Singer, Herta: Im Wiener Kaffeehaus. Wien, Verlag für Jugend und Volk. 1959, S. 45. 17 Baumann, Anton: Gründlicher Unterricht und Regeln des Billard-Spieles. Wien, 1795. 18 Ebd., S. 2. 19 Ebd. 14 8 Abbildung 1: „Das Gesicht“ von Georg B. Probst, Kupferstich aus dem Jahre 1780, (Quelle: Billardmuseum Weingartner) Ein von Heinrich Weingartner sen. gern genanntes, gutes Beispiel dafür, dass Frauen und Männer in den Anfängen in gleicher Zahl am grünen Tisch vertreten waren, ist ein Kupferstich von Georg B. Probst aus dem Jahre 1780. „Das Gesicht“ – so lautet der Titel des Bildes – zeigt einen großen adeligen Spielsalon mit zwei Billardtischen und war als Guckkastenbild auf Jahrmärkten ausgestellt. 20 Aber eine geschlechtsspezifische Ungleichheit herrscht dennoch augenscheinlich: Wie man am Billard im Vordergrund erkennen kann, hält die Spielerin im Gegensatz zum Spieler, der sich gerade weit über den Tisch beugt, um einen Stoß mit dem Queue auszuführen, ein Mace in der Hand. Anton Baumann schreibt in seinem bereits erwähnten Buch von 1795, im Kapitel zur „Beschreibung und Benutzung der dazugehörigen Instrumente“21 Folgendes über das lange neben dem Queue verwendete Stoßwerkzeug: 20 21 Interview mit Heinrich Weingartner sen., Wien, 10. November 2014. Baumann, 1795 S. 4. 9 „Maas oder die Masse, ist ein Stab, woran unten ein Holz, der Waffenschuh genannt, befestigt ist, das ungefähr die Gestalt einer unten eingebogenen kleinen Schippe hat. Dieses Instruments bedienen sich diejenigen, welche nicht mit Queues stossen können, andere aber gebrauchen dasselbe nur in dem Falle, wenn sie den Ball mit dem Queue nicht erreichen können […]. Bey manchen Spielern muß es auch die Stelle des Bockes vertreten“.22 Da die Frau auf dem Bild anscheinend noch mit einem Mace spielt, obwohl das Queue seit Mitte des 18. Jahrhunderts schon weit verbreitet war, könnte man auch behaupten, dass damals schon die Meinung herrschte, Frauen könnten nicht mit Queues stoßen und dass die Verwendung des Mace daher „sicherer“ war, um den Tisch nicht zu beschädigen.23 Das „nicht können“ hing wahrscheinlich auch mit der für die Handhabung des Queue unvorteilhaften Mode zusammen, die die Frauen wie beim Tennis in ihrer Bewegungsfreiheit maßgeblich einschränkte. Außerdem bestand die Gefahr, dass deren Reifröcke, die oft aus leichten und deshalb zerbrechlichen Materialien gefertigt waren, dabei zu Bruch gingen.24 Das Spielen mit dem Queue verlangt, sich über den Tisch zu beugen, mit dem Mace stieß man dagegen in aufrechter Körperhaltung. Da mit dem Mace nicht annähernd so präzise Stöße wie mit dem Queue ausgeführt werden konnten, waren die Frauen somit von Vornherein im Nachteil, wodurch sie vielleicht auch rascher als ihre männlichen Mitspieler die Lust am Spielen verloren und sich deshalb vom Billard entfernten.25 Ebenfalls möglich wäre es, dass die Frau auf dem Bild gar nicht selbst am Spiel beteiligt ist, sondern das Mace nur für den Herrn bereithält, falls dieser den Ball nicht anders erreicht oder es als Stütze zum Auflegen der Queuespitze verwenden wollte. Es gibt viele Hinweise auf adelige Frauen, die gerne und wahrscheinlich gut Billard gespielt haben. Ihr Zugang zum Spiel war auch noch nicht auf öffentliche Räume wie das Kaffeehaus beschränkt, wo jedermann sie hätte beobachten können. Sie konnten in privaten Bereichen des Spiels, dem Salon, ihre Zeit am Billard vertreiben, ohne dabei in Verruf zu geraten sich „unweiblich“ zu verhalten. 22 Ebd. Shamos, Michael: Billiards: A women's history. In: Billiards Digest, 1992, S. 4. 24 Vgl. Interview mit Heinrich Weingartner sen., Wien, 15. Bezirk, 2. Mai 2015. 25 Interview mit Heinrich Weingartner sen., 10. November 2014. 23 10 Einige Anekdoten über historische weibliche Persönlichkeiten erschienen in einer deutschen Billardzeitung von 1929. Eine erzählt, dass Kaiserin Maria Theresia ebenso wie ihre Tochter Marie Antoinette eine begeisterte Billardspielerin gewesen sein soll. Im Mai 1778 – Marie Antoinette hielt sich demnach gerade in Paris auf und war schwanger – soll ihre Mutter ihr geschrieben haben, dass sie sich darüber freue, dass Marie Antoinette Frankreich einen Erben schenken werde, und sie endlich mit dem Billardspiel aufgehört habe. Angeblich habe sie oft bis in die Nacht hinein Billard gespielt, was ihrer Mutter scheinbar missfiel. Am liebsten habe sie in dem Schlößchen Petit Trianon in Versailles gespielt und ihr Queue soll aus Elfenbein, mit Gold und Edelsteinen verziert, gefertigt worden sein.26 Ob es sich hierbei um ein Queue handelte, wie man es heute kennt, oder ein Mace, ist nicht belegt.27 Angeblich verehrte sie es so sehr, dass sie den Schlüssel für das Kabinett, in dem sie es aufbewahrte, immer an einer Kette um den Hals trug.28 Auch Kaiserin Elisabeth von Österreich, soll dem Billard sehr ergeben gewesen sein.29 Dass das Billard zumindest in Österreich gegen Ende des 18. Jahrhunderts noch ein typisches Spiel des Adels und des Großbürgertums war, verdeutlicht Anton Baumann, als er in seinem Buch „Gründlicher Unterricht und Regeln des Billardspieles“ von den Vorteilen gegenüber anderen Spielen schreibt. Das Vergnügen bestehe ihm zufolge auch darin, dass sich der Spieler „[…] meistens in einer ihm und seinem Stande gleichen und angemeßnen Gesellschaft befindet“ und „er sich hierbey an einem solchen Orte, oder doch wenigstens in einem solchen Zimmer befindet, wo Personen vom niedrigsten Stande der Zutritt versagt und er also hierbey nicht in die Notwendigkeit versetzt ist, schmutzige Gespräche mit anzuhören, oder andere sein Vergnügen verringernde Unbequemlichkeiten zu ertragen“30 habe. 26 Aus dem Archiv von J. Neuhusens's Billardfabrik. In: Billard-Zeitung des Deutschen AmateurBillard-Bundes u. der angeschlossenen Clubs (Köln), Nr. 3, 6. Jg., Juli 1926, S. 727. Quelle: Billardmuseum Weingartner. 27 Interview mit Heinrich Weingartner sen., 10. November 2014. 28 Shamos, 1992, S. 4. 29 Aus dem Archiv von J. Neuhusens's Billardfabrik. In: Billard-Zeitung des Deutschen AmateurBillard-Bundes u. der angeschlossenen Clubs (Köln). Nr.3, 6. Jg., Juli 1926, S. 727. Quelle: Billardmuseum Weingartner. 30 Baumann, 1795, S. 3. 11 Was lange Zeit der Oberschicht vorbehalten blieb, sollte Mitte des 18. Jahrhunderts das gesamte Bürgertum in seinen Bann ziehen. Durch die hohen Anforderungen des Billard an die räumlichen Begebenheiten, und die kostspielige Herstellung der Gerätschaften – wie die großen Tische und das Elfenbein für die Bälle – war es für Angehörige der mittleren Schichten (Beamte, Handwerker) schwer denkbar, sich ein Billard zu Hause aufzustellen. Doch mit der Verbreitung des Billard in den Kaffeehäusern sollte auch ihnen endlich freier Zugang zum Spiel verschafft werden – zumindest dem männlichen Anteil des Bürgertums. Außerdem kam das logische Spiel wegen seiner hohen geometrischen Ansprüche, die einen klaren Kopf und geistige Betätigung erforderten, einer vernunftbetonten und disziplinierten Geselligkeit entgegen, wie sie im Kaffeehaus und in der frühen Kultur der Bürgerlichkeit gepflegt wurde.31 Ab 1745 bekamen die Wirtshäuser, im Gegensatz zu den Kaffeehäusern, keine Genehmigung mehr für das Aufstellen von Billardtischen, da es von der Regierung als ein typisches Kaffeehausspiel eingestuft wurde.32 In den Schenken wurde viel Alkohol getrunken. Aufgrund der sinkenden Hemmschwelle, kam es regelmäßig zu gefährlichen Ausschreitungen, weshalb diese Orte bis ins 19. Jahrhundert, wo die Tendenz Richtung „Nobelbeisl“ mit Essen à la carte ging, ebenfalls kein Platz für Frauen waren. Für sie als Geselligkeit vorgesehen und erlaubt waren Theaterbesuche, Spaziergänge, oder Konversation in privaten Gesellschaften.33 2.3 Billard im Kaffeehaus für das Bürgertum Gerhard H. Oberzill beschreibt in seinem Buch „Ins Kaffeehaus! – Geschichte einer Wiener Institution“ ein sehr treffendes Bild des neuen öffentlichen Wohnzimmers der Wiener: „Ein echtes Wiener Kaffeehaus könnte ebensogut Zeitungshaus heißen. Sind doch diese praktisch gleich wichtig wie der Kaffee. Von Anfang an gewesen. […] Somit rangiert das Vergnügen der Zeitungslektüre, ex aequo mit dem des 31 Vgl. Tanzer, Gerhard: Spectacle müssen seyn. Wien-Köln-Weimar, Böhlau Verlag. 1992, S. 239. Vgl. Gugitz, Gustav: Das Wiener Kaffeehaus: Ein Stück Kultur- und Lokalgeschichte. Wien, Deutscher Verlag für Jugend und Volk. 1940, S. 31. 33 Vgl. Tanzer, 1992, S. 192f. 32 12 Billardspiels, zumindest chronologisch eindeutig vor anderen wie Würfel, Rauchen und Damen im Kaffeehaus.“34 Im Jahre 1784 gab es bereits 64 Kaffeehausbetriebe in Wien und deren Zahl wuchs von Jahr zu Jahr.35 Mit den Kaffeehäusern, die den Gästen, wie aus dem Zitat hervorgeht, in erster Instanz zur überregionalen Informationsverbreitung durch Zeitungen dienten,36 wurde ein neuer Ort geschaffen, der eine Mittelstellung zwischen Salon und Wirtshaus bezog.37 Während der Adel und das Großbürgertum sich eher in privaten Gesellschaften im Salon traf, hatten die unteren Schichten ihre Schenken.38 Die Institution Kaffeehaus war ein Ort der gehobenen Unterhaltung und der Entfaltung politischer Diskurse etc. in der freien Öffentlichkeit für das Bürgertum.39 Johann Pezzl schreibt in seiner „Skizze von Wien“ aus den Jahren 1887 bis 1890 Folgendes über die Tätigkeiten der Wiener in ihrem neuen Wohnzimmer: „Man studiert, man spielt, man plaudert, schläft, negozirt, kannengießert, schachert, wirbt, entwirft Intrigen, Komplotte, Lustpartien; liest Zeitungen und Journale etc. etc. etc.“ Pezzl gibt ebenfalls Aufschluss darüber, dass sich nicht nur geschäftstüchtige Bürger nach getaner Arbeit im Kaffeehaus vom langen Sitzen am Schreibtisch erholten, sondern auch Faulenzer und Reisende angezogen wurden: „Die Kaffeehäuser sind, wie man weiß, gegenwärtig eines der unentbehrlichsten Bedürfnisse jeder grossen Stadt. Wie würden so manche Müssiggänger ihre Stunden alle aufreiben; wie würde sich mancher kleinbemittelter unverheirateter Mensch in der Eile sein Frühstück verschaffen; wie würde mancher Abentheurer sein Kostgeld erwerben; wie würde mancher armer Schlucker im Winter umsonst sich wärmen können, wenn es keine Kaffeehäuser gäbe?“40 Die Spielleidenschaft war in Wien im 18. Jahrhundert sehr ausgeprägt und sollte sich noch lange halten, da sie den Kaffeesiedern sehr entgegen kam, und jene 34 Oberzill, Gerhard H.: Ins Kaffeehaus! Geschichte einer wiener Institution. Wien-München, Jugend und Volk Verlag. 1983, S. 51. 35 Vgl. Gugitz, 1940, S. 71. 36 Vgl. Tanzer, 1992, S. 219. 37 Vgl. ebd., S. 218. 38 Vgl. ebd. 39 Vgl. ebd., S. 219. 40 Pezzl, Johann: Skizze von Wien. Wien-Leipzig, Verlag Kraus. 6 Hefte, 1786-1790, hier: 4. Heft, 1787, S. 552. 13 somit auch ihren Gästen. Gab es in einem Kaffeehaus neben den Zeitungen keine Möglichkeit Schach oder Billard zu spielen, galt dies als ein Armutszeugnis für den Lokalbetreiber.41 So beschreibt der Lokalhistoriker Franz Gräffer um 1807 „das ‚Kramersche Kaffeehaus‘ geringschätzig, und bemerkte, dass nicht einmal ein Billard vorhanden war. Die im ersten Stock vorhandenen 2 Billards erwähnte er wohl, aber die Tatsache, dass im Hauptraum kein Billardtisch aufgestellt war, kritisierte er scharf“,42 was einiges über den Stellenwert des Billards zu dieser Zeit aussagt. Jedes Kaffeehaus, das groß genug dafür war, hatte mindestens zwei oder drei Billardtische – bald auch mehr – in eigens dafür eingerichteten Räumen. Die Billards sahen zu früheren Zeiten sehr unterschiedlich aus, da es noch keine festgelegten Maße gab. Gugitz schreibt in seinem Buch „Das Wiener Kaffeehaus“ über die Tische im Café Hugelmann in der Leopoldstadt, wo sich die Universität des Billardspiels befand und man auf die besten Spieler traf:43 „Billard! Ha, welch ein Elefant! Diese massiven Füße mit dicken Querbalken verbunden; die ganze ungeheure Maschine am Boden angeschraubt, daß sie ja nicht entwische.“44 Viele waren dreimal so lang wie breit, sodass sie eher für eine Kegelbahn gehalten werden konnten.45 Auch das Regelwerk war, wenn auch in den Kaffeehäusern ausgehängt, noch nicht wie heute von Anfang an von einem Verband festgelegt, sondern wurde von den Billardherstellern mitgeliefert.46 Es gab viele Spielformen, die heute längst nicht mehr betrieben werden. „Man spielte meistens die sogenannte Pyramidpartie, für die siebzehn Bälle vorgesehen waren. Der rote Ball und die sechzehn elfenbeinernen weißen wurden in Pyramidenform aufgelegt. Mit einem einzigen Stoß löste der geschickte Spieler dieses Arrangement auf, so daß der rote Ball frei stand. Dann sauste Kugel um Kugel in die Löcher, und jedesmal verkündete ein darunter hängendes Glöckchen mit hellem Ton, was das Auge etwa übersehen.“47 Beliebt war auch die sogenannte „spanische Partie“,48 die italienische, oder die Spielvariante à la 41 Vgl. Interview mit Heinrich Weingartner sen., 10. November 2014. Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 192, 2007, S. 43. 43 Vgl. Gugitz, 1940, S. 74. 44 Ebd. 45 Vgl. Singer, 1959 S. 46. 46 Interview mit Heinrich Weingartner sen., 10. November 2014. 47 Singer, 1959 S. 45f. 48 Oberzill, 1983, S. 44. 42 14 guerre, bei der so viele Kugeln am Tisch lagen, wie Spieler anwesend waren, und immer der am weitesten entfernte Ball zu treffen war. Die dazwischen liegenden Bälle wurden vorübergehend entfernt und ihre Stelle mit einem Punkt markiert.49 Oberzill erinnert daran, dass „das ‚französische Billard‘, wie es heute üblich ist, mit grüner Bespannung und ohne die früheren Löcher, in die die Bälle fielen, […] Napoleons Offiziere der Grande Armée mit[brachten], als sie uns 1805 ihren unerbetenen Besuch abstatteten.“50 Aus einer Textstelle aus Johann Pezzls „Skizze von Wien“ von 1787 geht jedoch hervor, „dass das Carambolspiel bereits in Mode war, ehe Napoleon Wien einnahm“.51 Pezzl schrieb dazu: „Der männliche Wiener Gek, muß wissen […] Was die Parthie Quarambol kostet. – Wo die besten Kegelbahnen sind.“52 Damit widerlegt er also die von Oberzill beschriebene und weit verbreitete These, dass Napoleon das Carambolbillard bei uns eingeführt hat. Pezzl weist im Kapitel über Glückskinder – Menschen, die ihrer Meinung nach bloß da seien, um „die Freuden der Welt zu geniessen“53 – kurz auf die positive Auswirkung des Billard auf den menschlichen Körper hin, und bezeichnet das Kaffeehaus als erste Anlaufstelle dafür: „Ein solcher Glücksvogel,[…] geht ins Kaffeehaus, um sich durch die Bewegung beim Billard mehr Eßlust zu verschaffen […].“54 Das Kapitel Pezzls über das Kaffeehaus gibt Aufschluss darüber, dass das Billard keine Besonderheit in diesen Einrichtungen war. Er erwähnt es hier aber nicht in Bezug auf den Nutzen, den es für den Gast hat, sondern im Zusammenhang mit dem Geschäft, das damit erzielt wird: „Das gewöhnlichste Spiel in diesen Häusern ist das Billard, deren immer zwei bis drei vorhanden sind und wovon jedes wenn es fleißig benützt wird, des Tages zwölf Gulden einbringen kann“.55 „Der Name des sportfreundlichen Kaffeesieders, der als erster sein Gewölbe mit Billardtischen möblierte, ist nicht überliefert. Er muß – Hut ab! – ein weitblickender, 49 Vgl. ebd. Ebd., S. 43. 51 Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 190, 2006, S. 43. 52 Pezzl, 1. Heft, 1786, S. 112. 53 Pezzl, 6. Heft, 1790, S. 917. 54 Ebd., S. 918. 55 Gugitz, 1940, S. 74. 50 15 geschäftstüchtiger Mann gewesen sein.“,56 schreibt Herta Singer 1959 in ihrem Buch „Im Wiener Kaffeehaus“. Mehrere Billardtische bedeuteten höhere Einnahmen für die Cafétiers. Von Gugitz wissen wir, „was für ein gutes Geschäft dieses Spiel für die Kaffeesieder war.[… ] 1792 kam im Durchschnitt eine Partie Karambol auf 3 Kreuzer, eine spanische Partie auf 4 Kreuzer, eine französische auf 3 Kreuzer, eine Partie blance auf anderthalb Kreuzer, ein Pyramidspiel auf 3 Kreuzer. Bei Licht wurde um die Hälfte mehr bezahlt.“57 Für einen Milchkaffee zahlte man zum Vergleich durchschnittlich 3 Kreuzer.58 Das Spiel war also nicht nur Unterhaltung, Vergnügen und körperliche Betätigung, sondern auch eine wichtige Geldeinnahmequelle der Kaffeehausbetreiber. Auch die Regierung verdiente ihren Anteil am Billardspiel, da für jedes Billard jährlich Abgaben an das Zucht- und Arbeitshaus gezahlt werden mussten.59 Außerdem gab es immer wieder neue Bestimmungen und Gesetze im Zusammenhang mit Billard, an die sich die Cafétiers zu halten hatten. „Im 17. und 18. Jahrhundert, in einem Zeitalter der Kämpfe zwischen Aufklärung und Absolutismus, durchlebte das Billardspiel ein wechselvolles Schicksal. Die Sportausübung, oder besser: die Spielmöglichkeit für eine breite Schicht hing im wesentlichen vom Wohlwollen der königlichen Machthaber bzw. der Staatsraison ab. Eine Vielzahl von Dekreten, Erlässen und Circularen schränkte das Billardspiel stark ein, verbot es ganz, belegte es mit Sondersteuern etc.“60 Baumann bemerkt 1795 im Kapitel über die Schönheit des Billard unter anderem als einen der Vorteile des Billard, dass es „von Falschspielern, Chicaniren, Hazardieren und anderen unangenehmen Vorfällen beynahe gänzlich befreyet“61 sei und es wünschenswert sei, dass „das Spiel […] alle andere läppische, pöbelhafte, gefährliche und geldfressende Spiele verdrängen möge“.62 Diese Aussage ist etwas verwunderlich, da im Kaffeehaus, wie bereits erwähnt, nicht nur zum Vergnügen und zur Leibesübung gespielt wurde, sondern auch um Güter und Geld, was klarer Weise zu Auseinandersetzungen führen konnte. Von Gugitz 56 Singer, 1959, S. 45. Gugitz, 1940, S. 76. 58 Vgl. Oberzill, 1983, S. 71. 59 Vgl. Gugitz, 1940, S. 76. 60 Weingartner, 1989, S. 324. 61 Baumann, 1795, S. 3. 62 Ebd. 57 16 wissen wir: „[…] es drängten sich oft fünfzig und mehr Spieler um die Billards, auf denen das Spiel betrieben wurde, und die Betrügereien und Zänkereien nahmen bei diesem Hasardspiele kein Ende, daher es unterdrückt wurde.63 Demnach wurde das Spiel im Kaffeehaus längst nicht so tugendhaft betrieben, wie es Baumann in seinem Regelbuch beschreibt, denn es war offenbar auch vorübergehend verboten, da es rechtlich noch Glücksspielcharakter besaß. Mitgrund dafür könnte auch eine Abart des Billard gewesen sein, bei der die Bälle mit einer Zugfeder (wie beim Flipper) statt eines Queues in Bewegung gesetzt wurden, und die Laufstärke des Balles dadurch vom Spieler nicht beeinflussbar war. Am 18. März 1804 wurde daher eine Circulare verfasst, die besagte: „Das seit einiger Zeit übliche, sogenannte Billard=Kegelspiel, bey welchem der Gewinn oder Verlust bloß von den durch eine Feder oder Maschine hervorgebrachten zufälligen Lauf der Kugel abhängt, ohne daß es dabei auf die Geschicklichkeit des Spieler ankommt, besitzt ganz das Gepräg der allgemein untersagten Hazardspiele. Es wird daher gleich diesen unter der in dem Gesetzbuch von schweren Polizey-Übertretungen […] für die verbotenen Spiele bestimmten Strafe, für die Zukunft allgemein untersagt“.64 Nicht nur in den Wirtshäusern, auch den Kaffeesiedern sollte eine Einschränkung bezüglich des Billardspiels widerfahren, und so veranlasste Maria Theresia am 7. Mai 1745 die Einführung einer so genannten Normale für die Kaffeehausbetreiber,65 die besagte, dass „sie Billards nirgends anderst wo, als in ihrem zu ebener Erde auf die Gassen hinaus gewöhnlichermaßen errichtete Schenkgewölber oder in einem gleich daran stoßenden Zimmer, wo jedoch die Fenster gleichfalls auf die Gassen gehen, halten, und so lang jemand Fremder bis zu der bestimmten Sperrstunde bei ihnen sich befindet, zur Abends- oder Nachtzeit nur innwendig Vorhänge an den Fenstern vorziehen, nicht aber die Fensterläden zumachen sollen: allermaßen auf solche Weise die hohe und unerlaubte Spiele oder einschichtige Zusammenkünfte ganz füglich aufgehoben werden, und die aller Orten aufgestellte Wachen sogar ohne besonderer Visitirung nur im Vorbeigehen den anmaßenden Unfug alsogleich beobachten, folgsam dieses zum vornehmenden Eingriffe, und alsdenn fürkehrenden Bestrafung des Spielhalters 63 Gugitz, 1940, S. 131. Weingartner, Heinrich. Damals… In: billard, Ausgabe 265, 2014, S. 41. 65 Vgl. Gugitz, 1940, S. 31. 64 17 und Spieler anzeigen können, sonst aber alle um das Geld zu spielen haltende einschichtige Billards gänzlich aufgehoben, und nicht mehr verstattet werden sollen.“66 Um also unerlaubte Zusammenkünfte, oder Spiele und Ausschreitungen zu vermeiden, sollten sich die Räumlichkeiten auf das Erdgeschoß beschränken, damit die Aufsichtsorgane der Regierung ungehindert Vorfälle sehen und unterbinden konnten. Ein Jahr nach Maria Theresias Tod hob ihr Sohn Joseph II. 1781 die Verordnung wieder auf, nachdem ein Leopoldstädter Kaffeesieder namens Joseph Leichnamschneider darum angesucht hatte, im ersten Stock ein Billard aufstellen zu dürfen.67 Eine Meldung in der Wiener Zeitung68 machte ihn nach dem langen Verbot als Ersten mit dieser Erlaubnis stadtbekannt. Knapp 20 Jahre später trat das Verbot wieder in Kraft, mit der Begründung, dass Wohnungsnot herrschte.69 In Wirklichkeit aber „wollte [die Regierung] verständlicherweise vermeiden, daß die Ideen der Französischen Revolution in Österreich publik oder gar diskutiert würden, was zweifellos zu Unruhen geführt hätte. Deshalb wurde auch die Polizei angewiesen, ‚die Wachsamkeit in den Kaffeehäusern zu verdoppeln‘.“70 Das erfreute weder die Kaffeesieder noch die Gäste, da es augenscheinlich nicht unangenehm war, sich abseits der von der Straße einsehbaren Bereiche zurückziehen zu können.71 Ein weiteres Verbot um 1800 untersagte an Sonn- und Feiertagen vor drei Uhr nachmittags das Billardspiel, was streng kontrolliert wurde und bei Nichteinhaltung sogar Geldstrafen nach sich zog.72 „Die Regierung hatte damals alle Ursache, den Staatsbürger bei den stets zunehmenden wirtschaftlichen Nöten zur Sparsamkeit anzuhalten und eine beginnende Demoralisation in der Lebensführung einzudämmen“.73 Aber nicht nur die Regierung machte den Kaffeehausbetreibern das Leben schwer, auch untereinander wurde heftig konkurriert, vor allem – wie am folgenden Beispiel gut zu erkennen ist – wenn eine Frau drohte, mehr Erfolg zu 66 Ebd., S. 31f. Vgl. ebd., S. 75. 68 „Anzeige“. In: Wiener Zeitung, 29.12.1781, S. 12. Quelle: Billardmuseum Weingartner. 69 Vgl. Gugitz, 1940, S. 142. 70 Oberzill, 1983, S. 58f. 71 Vgl. ebd., S. 42f. 72 Vgl. Gugitz, 1940, S. 131. 73 Ebd., S. 130. 67 18 haben als die männlichen Kaffeesieder. Als um 1800 die ersten Luxuskaffeehäuser mit kostbarer Ausstattung wie Silbergeschirr und feinstem Porzellan entstanden, wurde auch die Musik im Café eingeführt. Man wollte „der unumgänglichen Lebensgefährtin des Wieners“,74 den Betrieb mit „Harmoniemusik“ anziehend gestalten. Es war eine Frau namens Kleopha Lechner, eine gebürtige Münchnerin, die im Jahre 1792 einen eigenen Betrieb übernommen hatte, und mit Hilfe ihres „weiblichen Feinsinns“ bahnbrechende Erneuerungen den Komfort im Café betreffend schuf.75 Die neuartige Aufmachung und die Veranstaltung von Konzerten brachten großen Zulauf, weckte aber auch die Neider. Doch „anstatt daraus zu lernen und ihre Betriebe zu heben, [reichten die übrigen Kaffeesieder] eine Beschwerde nach der anderen gegen die ihr verliehene Personalbefugnis ein.“76 Es wurde darum gebeten, ihr diese wieder zu entziehen und das Kaffeehaus zu sperren – jedoch ohne Erfolg, denn ein Jahr später eröffnete sie ein neuerrichtetes Lokal am hohen Markt im Fischhof, welches bald als eines der schönsten Wiens gepriesen wurde. Es waren natürlich auch Billards vorhanden. Aber bald erkannten auch andere, wie förderlich die innovativen Unternehmungen Kleopha Lechners für die Geschäfte waren, und schlugen ebenfalls den Weg zu Luxuskaffeehaus ein.77 2.3.1 Der Markör Eine sehr wichtige Rolle im Kaffeehaus, vor allem im Bezug auf das Billard, spielte der Beruf des Markörs.78 Das Wort Markör kommt, wenig überraschend, aus dem Französischen und bedeutet markieren, wie es auch heute noch genannt wird – „auf-markieren, oder ab-markieren“ – wenn der Betrieb am Tisch aufgenommen, oder wieder eingestellt wird. Zu den Aufgaben des „Marqueurs“79 zählt Baumann 1795 neben dem Vermerken von Vorteilen und Fehlern der Spieler auch, dass er ihnen „die benötigten Instrumente darreicht, und wieder aus den Händen nimmt […] und überhaupt […] an allem was zur Bedienung und Bequemlichkeit der Spieler gehört, nicht ermangeln läßt“.80 Diese Beschreibung wirft wieder die Frage 74 Ebd., S. 138. Vgl. ebd. 76 Ebd., S. 139. 77 Vgl. ebd., S. 139-141. 78 Alternative Schreibweise: Markeur. Vom französischen „marquer“ für zählen, notieren. 79 Baumann, 1795, S. 30. 80 Ebd., S. 31. 75 19 auf, wo Baumann seine Beobachtungen gemacht hat. Denn ein Kellner hatte nebenbei auch andere Gäste zu bedienen, konnte also nicht permanent dem Spiel beiwohnen. Baumanns Markör erweckt den Anschein einer gehobenen Umgebung. Vor dem Kaffeehaus gab es in den Ballsälen im 18. Jahrhundert, die weitgehend mit Billardtischen ausgestattet waren, für jedes Brett eine eigens dafür zuständige Person, deren einzige Aufgabe darin bestand, den Spielern und Spielerinnen so weit es ging jeden Handgriff abzunehmen, den sie zum eigenmächtigen Stoßen nicht selbst erledigen mussten. Außerdem waren Marköre oft selbst ausgezeichnete Spieler und gaben daher in den Ballsälen Unterricht im Billard.81 Der Beruf hat seine Wurzeln also nicht im bürgerlichen Kaffeehaus, sondern in den adeligen Unterhaltungseinrichtungen dieser Zeit und seine Tätigkeiten waren vorerst rein auf die Betreuung der Spieler und Spielerinnen am Billard bezogen. Da der Kellner nun die Aufgaben des Markörs auszuführen hatte, wurde diese Bezeichnung später auf den Kellner übertragen und erlangte im Kaffeehaus größere Bekanntheit. Dort war der Markör zusätzlich damit beauftragt sich darum zu bemühen, dass die Billardtische ausreichend und abwechselnd bespielt wurden, denn das bedeutete höhere Einnahmen. Nach Einbruch der Dunkelheit war der Markör für die Beleuchtung am Billard verantwortlich. Das sogenannte Schnäuzen82 der Kerzen war immer wieder erforderlich, um das Spiel bei gutem Licht zu ermöglichen, deshalb wurden bei Nacht auch höhere Billardgelder verrechnet.83 Es handelte sich beim Markör offensichtlich um einen reinen Männerberuf, denn in keinem Bericht über den adeligen Ballsaal, so das bürgerliche Kaffeehaus, fand sich eine einzige Erwähnung einer weiblichen Markörin. 2.4 Frauen im Kaffeehaus Andere Cafétiers wie Josef Wirschmidt legten weniger Wert auf die ästhetischen Aspekte bezüglich der Einrichtung und der musikalischen Unterhaltung. Er „entwickelte sein Kaffeehaus zu einem Eldorado für die Raucher, die damals nur 81 Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 254, 2013, S. 41. Wenn der Docht zu lang wurde, begannen die Kerzen an zu rußen und flackerten, deshalb mussten die Marköre die Kerzen schnäuzen (überwachen/stutzen). 83 Vgl. Gugitz, 1940, S. 76. Vor 1882 gab es kein elektrisches Licht am Billard. Einer der ersten soll ein Herr Schnitzar gewesen sein, der in seinem Kaffeehaus Ecke Schottengasse und Franzensring „diese neuartige Beleuchtung einführte“. 82 20 in abgesonderten Zimmern geduldet wurden“.84 In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts gab es aber eine neue Tendenz, die abermals zur Steigerung der Attraktivität der Kaffeehäuser für die weiblichen Gäste beitragen sollte. Frauen machten immerhin die Hälfte der Bevölkerung aus, fehlten aber als Kundschaft. Bei den Bemühungen der Cafétiers, handelte es sich um abgesonderte, oft im ersten Stock eingerichtete, schön verzierte und mit reichlich Spiegeln prunkvoll ausgestattete Zimmer, in denen nicht geraucht werden durfte. Diese wurden praktischerweise „Damensalons“ genannt,85 da „rauchende Damen undenkbar waren“86 – was jedoch nicht gleichzeitig bedeutete, dass Männer dort keinen Zutritt hatten.87 Aber „kaum ein Blaustrumpf dürfte dort Platz genommen haben, und wenn mit größtem Aufsehen“.88 Doch die Kaffeesieder legten augenscheinlich großen Wert auf den Zuwachs von weiblichen Besucherinnen. Mit der Nebenbezeichnung „Damenkaffeehaus“ versuchten einige Betreiber von derartigen stilvoll eingerichteten Etablissements um 1850 das Eis zu brechen.89 Der Erfolg wollte sich allerdings nicht einstellen, und so waren Frauen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Seltenheit im Paradies der Männer.90 Es herrschte laut Oberzill die weit verbreitete Meinung, dass „wirkliche Damen […] nur nach einer Soirée oder nach dem Ball mit ihren Herren ins Kaffeehaus [gehen] und […] sich dabei so verrucht vor[kommen] wie ein Mann, der in einen Harem geführt wird.“91 In dieser gesellschaftlichen Institution des Kaffeehauses lässt sich der Ursprung für die andauernde Unterzahl Billard spielender Frauen suchen – also in den Umständen, unter denen die Frauen lebten, als unselbstständige Personen, denen durch den Ausschluss von den machthabenden Männern der Zugang zum Billard verwehrt war. Trotzdem kann man behaupten, dass solange das Billard ein Spiel war bei dem der Ausgang vom Glück abhängig war, man(n) anscheinend nichts gegen die Frau 84 Gugitz, 1940, S. 147. Vgl. ebd., S. 185. 86 Oberzill, 1983, S. 48. 87 Vgl. Gugitz, 1940, S. 192. 88 Ebd., S. 186. 89 Vgl. ebd., S. 192. 90 Vgl. ebd., S. 186. 91 Oberzill, 1983, S. 49. 85 21 am Billardtisch einzuwenden hatte. Als es sich jedoch in Richtung Sport zu entwickeln begann, der zwar wenig Körperstärke, dafür aber körpermotorisches Feingefühl, logisches und mathematisches Denken erforderte, wurde der weibliche Anteil der Spielerinnen immer geringer, das heißt Frauen wurden immer systematischer ausgeschlossen. Nicht zuletzt, weil eine respektable Frau alleine nichts an einem Ort wie dem Kaffeehaus zu suchen hatte, oder sogar für eine Prostituierte gehalten, und dann wahrscheinlich nicht einmal bedient wurde. Fritz Riha fasst diesen Umstand in seinem Buch „Das alte Wiener Caféhaus“ von 1967, gut zusammen: „Man kann mit etwas Übung ein guter Durchschnittsspieler werden, Spitzenkönner aber sind mit jenem Schuß Talent ausgestattet, das eben ein Geschicklichkeitsspiel – und solches ist Billard – verlangt. Vielleicht ein Wort, das dokumentieren soll, wieweit sich das Kaffeehaus an demokratische Prinzipien hält. Die Emanzipation der Frau reicht bis ins Spielzimmer. Eine Partie Rommé oder Bridge gibt dem schwachen Geschlecht jederzeit die Möglichkeit, am grünen Spieltisch das stärkere zu sein. Eigenartigerweise gilt dies [nur] für die beiden angeführten Kartenspiele. Weder am Schachbrett noch am Billardtisch, geschweige denn bei den anderen Kartenspielen wird man eine zarte Hand am Werk sehen“.92 Captain Rawdon Crawley veröffentlichte 1866 „The Billiard Book“, das, wie aus dem Vorwort hervorgeht, eher ein Billardlehrbuch für Amateure als für Profis darstellt. Am Beginn des ersten Kapitels weist er darauf hin, dass Billard vor nicht allzu langer Zeit ein Spiel „for gentlemen only“ gewesen sei, und nicht gerade die anständigste Unterhaltung war, da bis spät in die Nacht gespielt wurde, und das oft in nicht nüchternem Zustand.93 Wie Baumann spricht er von sozialem Vergnügen und Leibesübung, und weist speziell auf die vortreffliche Eignung des Spiels für Frauen hin. Während er eine Vielzahl an sportlichen Betätigungen aufzählt, die gerne von Männern betrieben werden, meint er „for ladies Billiards and Croquet are almost the only games combining exercise with amusement.[…] The Miniature Billiard-tables that have lately come into use are admirably adapted for ladies.“94 Das Gehen um den Tisch sei eine angemessene Bewegung für Frauen, da sie mit Eleganz ausgeführt werden konnte. Und es wurden sogar 92 Riha, Fritz. Das alte Wiener Caféhaus. Salzburg, Festungsverlag. 1967, S. 123. Carwley, Rawdon: The Billiard Book. London, Longmans, Green, and Co. 1866, S. 1. 94 Ebd., S. 2. 93 22 kleinere Tische auf die Bedürfnisse der weiblichen Spieler angepasst. Bei der Beschreibung des Mace meint er „It is now very little used, even by ladies.“,95 was darauf schließen lässt, dass es davor üblich war, dass „Damen“ vorrangig das Mace verwendeten, obwohl das Queue bereits erfunden war, worauf ich bereits hingewiesen habe. Crawley erklärt einige Arten von Spielvariationen, die vor allem in größeren Gesellschaften von Männern und Frauen gespielt werden könnten. Neben den Regeln geht er auch auf die üblichen Spieleinsätze ein, und meint, diese könnten immer erhöht werden, jedoch sei das Ziel der Spaß an der Sache, darum „– especially when ladies play – a penny will be found quite enough.“96 Hier schwingt mit, dass Frauen nicht so gut spielen, bzw. man nicht wollte, dass sie beim Spiel viel Geld verlieren. Bei der Beschreibung der Position, also des Standes am Billardtisch, gibt er spezielle Anweisungen für Frauen: „Place aux dames! In the figure on p.20 we have the posture a lady assumes when about to make her Hazard at Billiards. The pose should be easy and natural, unrestrained and graceful; with the Cue held as nearby parallel to the table as possible; the Bridge-hand resting firmly, but not to rigidly, on the table, and the Cue-hand so disposed as not to interfere with its perfectly free action. The Cue should be taken in the palm with a gentle grasp; not held as you would hold a whip or a stick, nor suspended between the fingers like a fork or fan. The stoop should be made from above, not from below, the waist – the head inclined gently forward, and the feet well planted on the floor at such a distance from the table as is demanded by the nature of the stroke. All violence or extravagancy of gesture and position should be avoided.“97 Die Anweisungen für die Frauen, in der Wörter wie graceful, easy and natural und gentle vorkommen, sollen sie zu einem anmutigen Spiel anleiten. Es folgt eine Abbildung, die die beschriebene Haltung darstellt – die einzig zulässige für Frauen, wie sich später herausstellt. Für die Herren gibt es ein Bild mit genau der gleichen Körperhaltung, sowie vier weitere Bilder, die die erforderliche Körperhaltung bei harten Stößen, Stößen von oben – wenn der Ball zu nah an der Bande liegt, oder ein Kunststoß ausgeführt werden soll – zeigt, sowie für ein weit 95 Ebd., S. 9. Ebd., S. 201. 97 Ebd., S. 19. 96 23 über den Tisch gelehntes Spiel und dem Stoß hinter dem Rücken. Im Anschluss erklärt Carwley die restlichen vier Bilder mit den Männern schriftlich, und leitet diesen Teil mit den Worten „This bit of advice is, however, adressed to gentlemen – ladies are always greaceful!“98 ein. Er schließt somit also aus, dass Frauen auch schwierigere Stöße ausführen könnten, weil es die erforderliche Körperhaltung nicht erlaubt, da sie nicht elegant, anmutig, oder ansprechend genug für Frauen sei. Zusammenfassend ist anhand von Crawleys Analyse festzuhalten, dass Frauen einerseits zu den Spielern gezählt, aber trotzdem diskriminiert wurden. Sie werden von vorherein als schwächere Spieler eingestuft, da ihre Art zu spielen eingeschränkt wird: Es geht in erster Linie darum gut auszusehen. Aus seinen Aufzeichnungen geht hervor, dass es sich bei den Rahmen, in denen das Spiel stattfindet, um private Gesellschaften handelt, wo es um Spaß und Unterhaltung geht, und nicht um Billard in halböffentlichen Räumen oder zur Messung von Können. Frauen wurden die für das Billard erforderlichen geistigen Eigenschaften in geringerem Maße zugesprochen wie den Männern: logisches und mathematisches Denken, räumliches Vorstellungsvermögen usw. Ihnen wurde lange unterstellt, dass ihre aus körperlicher Kraft entstehende Unterlegenheit auch auf minderwertige geistige Fähigkeiten schließen lasse, ja dass sogar ihr Gehirn leichter sei und früher zu schrumpfen beginne etc.99 2.4.1 Die Sitzkassiererin Die einzige – Aufsehen erregende, und seit den 20ern des 19 Jahrhunderts weit verbreitete Frau im Wiener Kaffeehaus, die „sich […] unter die zahlreichen Herren wagte, und zwar rein berufsmäßig, war die Sitzkassiererin.“100 Dabei handelte es sich oft um die Frau des Hauses, oder was wohl häufiger vorkam, um hübsche junge Mädchen, die von den männlichen Gästen zahlreich umworben wurden.101 „Und dies, obwohl die Dame praktisch ohne Unterleib war. Denn sie thronte hinter 98 Ebd., S. 26. Vgl. Braun, Lilly: Die Frauenfrage. Die geschichtliche Entwicklung und die wirtschaftliche Seite. Leipzig, S. Hirzel Verlag. 1901, S. 189. 100 Oberzill, 1983, S. 48. 101 Vgl. Gugitz, 1940, S. 186. 99 24 einer hüfthohen Theke, die ein Gutteil ihrer Figur verbarg. Aber offensichtlich hat den Kavalieren das, was ihnen in Augenhöhe entgegenlachte, genügt.“102 Ihre Aufgabe war nicht – wie der Name vermuten lässt – das Geld für die konsumierten Speisen und Getränke zu kassieren, denn das übernahm der Kellner selbst. Sie notierte lediglich, welche und wie viele Getränke die Kellner wegtrugen. Sie kontrollierte also die Marköre und war somit die Vertrauensperson zwischen Lokalbetreiber und Servierpersonal.103 Vermutlich, und dieser Aspekt sei nicht zu unterschätzen, hatte sie auch noch die Funktion Männer ins Kaffeehaus zu locken, wie zwei Kaffeehausbilder mit Sitzkassiererinnen illustrieren: Abbildung 2: „Wie sich die alten und die jungen Herren um die schöne Marie die Füße weglaufen.“, Kupferstich aus dem Jahre 1838 (Quelle: Billardmuseum Weingartner) Der Kupferstich aus dem Jahre 1838 (Abbildung 2) erzählt die Geschichte einer offenbar besonders begehrten Sitzkassiererin, wegen der die Männer in Scharen 102 103 Oberzill, 1983, S. 48. Interview mit Heinrich Weingartner sen., 2. Mai 2015. 25 in das Café liefen. Sie musste, heißt es, nicht nur schön, jung und gebildet sein, sondern musste sich auch, ohne einem Gast Vorzüge einzuräumen, von jedermann den Hof machen lassen und dabei zuvorkommend, liebreizend und artig sein.104 Der Stich zeigt links einen Billardtisch und rechts den Tresen, hinter dem eine Frau in einem roten Kleid mit Hochsteckfrisur steht. Der Raum ist voller Männer, und fast alle haben den Blick auf die Sitzkassiererin gerichtet. Bei näherem Hinsehen fällt auf, dass die Männer zwar über Augen verfügen, aber nicht über Füße, denn die Bildunterschrift lautet: „Wie sich die alten und die jungen Herren um die schöne Marie die Füße weglaufen.“ Auf diesem Bild ragt die Kassiererin über die Köpfe ihrer Kundschaft hinaus, als stehe sie auch im übertragenen Sinne über den Bewunderern. Die Theke bildet eine Erhebung, es wirkt, als throne sie in gewisser Weise über den Gästen. In diesem Sinne wird sie zwar zum Sexualobjekt degradiert, jedoch steht sie rein physisch betrachtet über ihren Verehrern. Der Stich ist als Beilage für die „Allgemeine Theaterzeitung für Kunst, Literatur, Musik Mode und geselliges Leben“105 angefertigt worden, die ein Bild dieser Szene im Café mit dem bereits erwähnten Titel: „Wie sich die alten und die jungen Herren um die schöne Marie die Füße weglaufen“ zeigt, um auch nichtwissende Ehefrauen darüber in Kenntnis zu setzen bzw. sich über sie lustig zu machen. Die Zeitungsbeilage hatte ihre Wirkung getan und die Männer gingen wieder an ihre gewohnten Plätze.106 Eine sehr bekannte, häufig kopierte Kreidelithografie zum Thema Kaffeehaus aus dem Jahr 1871, welche auch das Cover des Buches von Gerhard Oberzill „Ins Kaffeehaus!“ ziert, entstand als ebenfalls Beilage einer Zeitschrift107 und zeigt „Die Kassiererin vom Silbernen Kaffeehaus“ – ebenso lautet auch der Titel des Bildes (siehe Abbildung 3). Das Café von Ignaz Neuner im 1. Bezirk, das zu dieser Zeit ein bekanntes Literatencafé war, verdankt seinen Namen dem Umstand, „daß 104 Vgl. Artikel zum Bild „Wie sich die alten und die jungen Herren um die schöne Marie die Füße weglaufen“: GR_325_(A3s)_S. 4. In: Inventargrafik III, Billardmuseum Weingartner. 105 Zeitungsausschnitt der Allgemeinen Theaterzeitung für Kunst Literatur, Musik, Mode und geselliges Leben. Wien. 1838, Quelle: Billardmuseum Weingartner. 106 Interview mit Heinrich Weingartner sen., 10. November 2014. 107 Anton Langer (Hrsg.): Hans Jörgl 1871. 26 Kännchen, Tassen und Besteck aus Silber waren […].“108 Aber nicht nur das, selbst die Türklinken und Kleiderhaken seien aus dem Edelmetall gewesen. 109 Abbildung 3: Die Kassierin vom silbernen Kaffeehaus, Kreidelithografie von Vinzenz Katzler, Wien 1871 (Quelle: Billardmuseum Weingartner) Auch auf diesem Bild trägt die abgebildete junge Kassiererin ein rotes Ballkleid und ihre schwarzen Haare als Hochsteckfrisur. Der Blick des Betrachters ist von vorne auf sie gerichtet, wo sie in der Mitte des Bildes hinter einer Theke sitzt. Im Gegensatz zur Kassiererin im Silbernen Kaffeehaus liegt ihre Augenhöhe deutlich unter jenen der Männer, die sich so etwas zu ihr herunterbeugen müssen. Sie ist umringt von sieben Männern, unter denen mehr und weniger bekannte Persönlichkeiten wie Severin von Jaroszinsky (1789-1827), Johann Ludwig Deinhardstein (1794-1859), Ignaz Franz Castelli (1781-1862), Josef Lanner (18011843), Johann Strauß Vater (1804-1849), sowie sitzend Ferdinand Raimund (1790-1836) und Ignaz Schuster (1779-1835) als Gäste des Silbernen 108 109 Oberzill, 1983, S. 60. Vgl. ebd. 27 Kaffeehauses zu sehen sind. Es handelt sich um eine künstlich konstruierte Gesellschaft, die vom Silbernen Kaffeehaus lanciert wurde, um es als Künstlerund Literatencafé auszuweisen. Auffallend ist die große Ähnlichkeit der beiden dargestellten Sitzkassiererinnen. Die Kleider haben beide einen weit ausgeschnittenen weißen Spitzenkragen und beide Frauen haben das schwarze Haar zu einem Knoten hochgesteckt. Es stellt sich hier natürlich auch die Frage, welchen Ruf eine Frau in diesem Beruf bei ihren Mitbürgern und Mitbürgerinnen hatte. Von den Männern wurden sie routiniert umschwärmt, das Bildnis der „schönen Marie“ lässt sogar auf eine gewisse Prominenz schließen, wie sie heute Film- oder Musikstars eigen ist. 2.5 Das bürgerliche Frauenbild in Wien um 1800 Auf der Suche nach Erklärungen für die Tatsache der Exklusion von Frauen aus dem Wiener Kaffeehaus (und dadurch aus dem Billardspiel) stößt man auf befremdliche Anmerkungen in Johann Pezzl „Skizze von Wien“ (1786-1790). Er weist im Vorwort seines in sechs Heften erschienenen Werks darauf hin, dass er „das Kolorit der heutigen Sitten, die Richtung der herrschenden Begriffe, die Situazion des Nazionalgeistes.“110 beschreibt. Man erfährt unter anderem über verschiedene Wiener Typen „beiderlei Geschlechts“, über deren Auftreten in der Öffentlichkeit und ihre Gewohnheiten. Wenn vom „weiblichen Geschlecht“ die Rede ist, verwendet er Bezeichnungen wie: „die schöne Welt“, „die bessere Ehehälfte“, „die schönere Hälfte des Menschengeschlechts“ und ähnliches, was zwar sehr höflich klingt, sie trotzdem auf ihre Äußerlichkeiten und Funktion als Ehefrau reduziert. Spricht er von den mittleren Klassen, sind es Frauen, sobald sie geheiratet haben, und in den oberen Schichten handelt es sich um Damen. Am öftesten bedient er sich jedoch des generellen Ausdrucks der Weiber, da dies zu der Zeit eine geläufige, nicht wertende Bezeichnung für Frauen war, was man nicht zuletzt daran erkennt, dass bei der Zählung von Einwohnern, sogenannten Volkslisten, zwischen Männern, Weibern, Knaben und Mädchen unterschieden wurde.111 110 111 Pezzl, 1. Heft, 1786, S. 8. Pezzl, 3. Heft, 1787, S. 458. 28 Pezzl beschreibt ein recht trostloses Bild von Frauen, deren Zukunft immer in den Händen ihrer Bevormundeten, also zuerst ihrer Eltern und danach ihres Ehemannes liegt. Ihr Dasein besteht seiner Meinung nach darin, zu hoffen einen Mann zu heiraten, bei dem es ihr gut geht, egal, ob dieser sie liebt oder nicht – Hauptsache, sie könne ein Haus führen und sich endlich als richtige Frau bezeichnen. Er geht weiter darauf ein, dass seine Vorfahren wohl noch krank vor Liebe waren, und aus romantischen Gründen heirateten, so wie es in den unteren Schichten noch üblich wäre. Ein Mann aus den Zirkeln höherer Stande heirate aber wegen Vorteilen, die die Ehe mit sich bringt. Dass ein Paar sich auch liebe, komme nur sehr selten vor. Die Mitgift und dadurch entstehende vorteilhafte Verbindungen seien für den Mann vorrangig bei der Wahl der Partnerin. Im Kapitel „Von der Liebe“112 schreibt Pezzl folgendes: „Die Leute aus dem Mittelstande, vom Halb-Adel, aus den Familien der Räthe, Dikasteianten, Regozianten, Kaufleute, suchen unter dem Schirm der Liebe, und der darauf folgenden Ehe, entweder eine Stelle, oder ein Kapital, das sie bequem nährt und versorgt. Da diese Absichten offenbar sind, und die Braut selbst wohl weiß, daß es nicht bloß um sie, sondern noch um eine wichtige Nebensache zu thun ist; so macht sie auch keine Ansprüche auf die ächte Liebe ihres Erklärten, und wird keineswegs in ihren Erwartungen getäuscht. Sie heiratet ihn, weil sie dadurch eine Frau wird, freier leben, ein Haus kommandieren – Ce qui plait aux Dames – und regieren, und verwirren kann; und die Wahl hat, sich einen Liebhaber zu halten, der sie für die gleichgültige Gesellschaft des Gemahls entschädigt“.113 An Liebe in der Ehe denke der Mann nicht, ebenso wenig daran, dem Mädchen nach der Heirat mehr Aufmerksamkeit zu schenken als notwendig, denn er würde sowieso die ganze Zeit ausgenutzt, müsse stets unter den Launen und Eigenschaften der Frauen leiden. Darüber hinaus werde er im Anschluss nur wenn er Glück hat angemessen dafür belohnt.114 „Ein Weib verdient unsere Anhänglichkeit, wenn sie uns durch den reellen Genuß der Liebe beglückt; will sie aber lange Gespräche machen, uns vergebens schachten und lechzen lassen: will sie uns damit aufziehen, daß wir 112 Pezzl, 1. Heft, 1786, S. 85f. Ebd., S. 90. 114 Vgl. ebd., S. 87f. 113 29 uns glücklich schätzen sollen, wenn wir sie ansehn, ihr Jahre lang den ehrfurchtsvollen Sklaven machen, das Werkzeug ihrer Launen seyn; und wenn mit ihrer lächerlichen Gnade doch kömmt, ein Pfötchen beleken dürfen; so ist sie eine abgeschmackte Thörin, die man ins Reich der Romane verweisen muß; wo sie sich einen kleinstädtischen Gecken suchen mag, der ihr den Leander macht. Ein Mann von Kopf würde sich prostituieren, wenn er seine Zeit und seine Freundschaft an eine solche Marionette verschwendete.“115 Im Kapitel über die Galanterie, in dem er beschreibt, dass ein junger Adeliger in höheren Kreisen am besten wie ein Casanova von Mädchen zu Mädchen zieht und nur früh genug – bevor sich Langeweile einstellt – diejenige wieder verlassen sollte, bekommt man einen Eindruck, wie die „feine Welt der Damen“ mit den Augen eines Mannes gesehen wurde. Solange der Mann den Forderungen der eitlen Damen nachkommen würde, sei er im Rennen neben seinen Konkurrenten. Das hieße natürlich Interesse heucheln, und die lästigen Eigenschaften und Launen auszuhalten, solange bis er bekomme, worauf er aus ist.116 Die Frauen kommen darin nicht gut weg: „Ich glaube, die ersten Leidenschaften unserer heutigen Weiber von der höheren Klasse folgen ungefähr in folgender Stuffenleiter: Eitelkeit, Eifersucht, Zerstreuung, Liebesgenuß, etc. etc. Die Eitelkeit hat den ersten Platz, das ist ausgemacht.117 […] Diese launenhafte Eitelkeit hat natürlicher Weise auch die Männer an eine Flatterhaftigkeit und Geringschätzung der Weiber gewöhnen müssen, die nun unter einer gewissen Klasse von Leuten durchaus Ton ist. Da man sieht, daß man bloße Puppen vor sich hat, so will man auch nichts weiter mit ihnen als tändeln und spielen. Man schmeichelt ihren Launen eine kurze Weile, bis man seinen Zweck erreicht hat; dann lacht man über das eitle Geschöpfchen, hüpft von ihr weg zu einer andern; fängt dort die nämliche Rolle von vorne an, endet sie auf gleiche Weise, und durchläuft so den ganzen Kreis der galanten Weiber.“118 115 Ebd., S. 92. Vgl. ebd., S. 93f. 117 Ebd., S. 94. 118 Ebd., S. 96. 116 30 Die Männer hätten sich glücklicher Weise endlich von der Abhängigkeit von Frauen befreit, und wer heute noch nach Romantik trachtet, wäre bemitleidenswert: „Danke unsern geschmeidigen Sitten, unserm lachenden Ton, unserer versteinerten Denkungsart! Sie haben uns von der Verzweiflung nicht erhörter Liebe, von den Mishandlungen weiblicher Felsenherzen, von dem Joch tyranischer Reize erlöst. Niemand macht heut zu Tage in der grossen Welt eine jämmerlichere Figur als ein schmachtender Liebhaber.“119 Zu den schlimmsten Dingen, die einer Frau widerfahren können, zählt er, wenn sie unverheiratet und kinderlos bleibe, und als alte Jungfer sterbe.120 „Ein weibliches Geschöpf, das keine Kinder zur Welt bringt, entspricht schlechterdings ihrer Bestimmung und Wesenheit nicht.“121 Pezzl spricht davon, dass die Ursachen der „Sterilität“ vieler Frauen „Folgen unserer hohen gesellschaftlichen Kultur“ seien, und, dass dadurch die Zahl der Ehen abnehme, was er auch anhand von Statistiken nachweist. Letztendlich meint er, dass die Frauen selbst schuld daran trägen, wenn sie keine Kinder bekämen, da sie eitel wären und sich zu sehr mit oberflächlichen Dingen beschäftigten:122 „Wo liegen die Quellen dieses unnatürlichen Zustandes? Einige davon sind offen genug, um jederman in die Augen zu fallen. Die Eitelkeit der Weiber, ihre unersättliche Puzsucht, ihre ewigen Zerstreuungen, ihre bodenlosen eingebildeten Bedürfnisse, schrecken manchen biederen Mann von den Freuden des Ehebettes zurück. So straft sich das Weibergeschlecht selbst für seine zu weit getriebene Eitelkeit.“123 Pezzl argumentiert auch, dass die Unauflöslichkeit der Ehe manchen Mann, „der seine Ruhe und Gesundheit liebt“, davon abhält zu heiraten. Die Chance auf eine gute Partie läge bei 1:20 und bei einer Scheidung wäre keiner Seite geholfen, darum wäre es besser gar nicht erst zu heiraten.124 Zum Glück gäbe es noch die Lustmädchen in Wien, denn die Tyrannei der „Weiber“ und ihre Unnachgiebigkeit würde jeden ehrlichen Mann in die 119 Ebd., S. 97. Vgl. ebd., S. 101f. 121 Ebd., S. 101. 122 Vgl. ebd., S. 102. 123 Ebd., S. 102. 124 Vgl. ebd., S. 103. 120 31 Verzweiflung treiben, da er seine Zeit und sein Vermögen verschwenden und all seine Pflichten und Freundschaften aufopfern müsse: „Da uns ein unglückliches physisches Bedürfnis von ihnen abhängig macht, so wissen sie sich ihrer Macht gewöhnlich nur zu wirksam zu bedienen.“125 „[…] In solchen verzweifelten Fällen ist kaum ein anderes Gegenmittel, als ihm ein Freudenmädchen in die Hände zu spielen. Dies kühlt sein Blut ab und gibt ihm seine Vernunft wieder, daß er lachend seine Unerbittliche verläßt.“126 Diese Gegebenheit sei natürlich nicht unbemerkt an den Frauen vorübergegangen, weshalb diese eine berechtigte Abneigung gegenüber den „leichten Mädchen“ hätten, nicht zuletzt, weil sie dafür verantwortlich gemacht wurden, dass sich die „Lustseuche“127 ungehindert ausbreiten konnte:128 „Die Weiber wissen, wie sehr die Lustmädchen ihrer Herrschsucht im Wege stehen, darum sind sie ihre unerbittlichen Feindinnen, und haben stets an den Verfolgungen derselben den größten Theil gehabt.“129 Ein eigenes Kapitel widmet Pezzl dem „Mädchenpensionat“, welches der Kaiser im gleichen Jahr seiner Aufzeichnungen in einem Flügel des Ursuliner Klosters anlegen ließ.130 Da in den vorigen Jahrhunderten Schulen vor allem der Ausbildung von Geistlichen dienten, vernachlässigte man die Erziehung „der schönen Hälfte des Menschengeschlechts“, denn Mädchen konnten keine Geistlichen werden.131 Erst unter Maria Theresia wurde in Österreich-Ungarn die allgemeine Schulpflicht eingeführt und im Zuge der Säkularisierung rückte unter Joseph II. auch erstmals die Frauenbildung ins Interesse der Regierung. In dem Mädchenpensionat wurden junge Mädchen von 7 bis 14 Jahren nun zu Lehrerinnen ausgebildet, die später an Mädchenschulen unterrichten sollten, die wiederum dazu da waren, aus Frauen „nützlichere Wesen“ zu machen:132 „Daß einer polizirten Nazion daran gelegen seyn müsse, aus den aufkeimenden Mädchen vernünftige Gesellschafterinnen, gute Hauswirthinen, unterrichtete Mütter, nüzliche Gattinen herzustellen, daran dachte Niemand. Selbst nachdem 125 Pezzl, 4. Heft, 1787, S. 527. Ebd., S. 528. 127 Geschlechtskrankheit 128 Vgl. Pezzl, 4. Heft, 1787, S. 529. 129 Ebd., S. 528. 130 Vgl. ebd., S. 567f. 131 Vgl. ebd., S. 565. 132 Vgl. ebd., S. 567. 126 32 die öffentliche Erziehung der Knaben schon auf einen besseren Fuß gesezt war, vergaß man noch immer der Mädchen. Es schien, als ob man mit jenen Kirchenlichtern einstimmig dächte, die auf einem Konzilium die erbauliche Frage aufwarfen: Ob die Weiber auch Seelen haben, und wahre Menschen seyn!“133 Die Mädchen lernten hier vor allem „Schöngeistiges“, um später als Lehrerinnen ihre Schülerinnen zu guten Ehefrauen zu erziehen, die auch in gehobener Gesellschaft einen guten Eindruck machten und ihren Ehemann „schmückten“: „Während ihres Lehrkurses erhalten sie Unterricht der Religion, im Schön- und Rechtschreiben, im Rechnen, Zeichnen in der Naturlehre, Naturgeschichte, Erdbeschreibung, Geschichte, im schriftlichen Aufsatz, in deutscher und französischer Sprache, und in den gewöhnlichen weiblichen Arbeiten“,134 womit vermutlich Hauswirtschaft und Handarbeit gemeint ist. Abgesehen davon gab es in den Klöstern dieser Zeit schon Erziehungsanstalten für bürgerliche und adelige Töchter – selbstverständlich nach Klasse getrennt voneinander. Aber selbst von diesen Anstalten zeigt Pezzl sich nicht sehr begeistert: „Gibt man die Mädchen hinein, um ihre Unschuld desto sicherer zu bewahren, ihnen Sitten und Lebensart beizubringen: so fällt die Wirkung oft noch schlechter aus, als im Unterricht. Was die Lebensart betrifft: so sind die meisten aus diesen Klosteranstalten kommenden Mädchen entweder sehr blöde und Menschenscheu, oder so verschmizt, ränkevoll, und bösherzig […].“135 Anhand Pezzls Beschreibungen von Frauen kann man erkennen, welches Bild Männer (aber wohl auch Frauen selbst) um die Zeit von 1800 von Frauen hatten: Sie kümmerten sich nur um ihr Aussehen, spielten mit ihren Reizen, um die Männer in den Wahnsinn zu treiben, und hätten strenge Erziehung nötig, um bessere Ehefrauen zu werden, denn darin lag ihre Hauptbestimmung. „Was ist das Mädchen, das Weib, ohne Mann? Nichts ist es, eine Nulle ist es in der Gesellschaft.“136 133 Ebd., S. 566. Ebd., S. 567f. 135 Pezzl, 5. Heft, 1788, S. 666. 136 Pezzl, 6. Heft, 1790, S. 874. 134 33 Da es sich um ein gedrucktes Buch handelt, das zu dieser Zeit so wie fast alle offiziellen Schriften einer strengen Zensur unterlag, kann man davon ausgehen, dass Männer von höchstem Stand seinen Ansichten zustimmten. Es dauerte bis 1848, bis der erste Wiener demokratische Frauenverein gegründet wurde, der sich für die Rechte der Frauen einsetzte.137 Selbst als ein Mann – Theodor Gottlieb Hippel, hoher Beamter und zugleich Schriftsteller – schon 1792 „Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber“ sich vorurteilslos als Fürsprecher der Frauen zu erkennen gab, war seinen Zeitgenossen lange nicht klar, ob seine Schriften ernst oder ironisch gemeint waren, da seine Ansichten so ungewöhnlich erschienen.138 Bis sich 1873 die ersten radikalen Frauenbewegungen gegen das patriarchalische Ehe- und Familienrecht und für das Frauenstimmrecht139 stark machten, gab es davor schon gemäßigte Frauenrechtlerinnen, jedoch forderten diese bloß eine rechtliche Gleichstellung mit den Männern auf Grund des Arguments ihrer „Gemeinnützigkeit“ für die gesamte Gesellschaft, und nicht wie die radikalen aus ihnen von Natur aus zustehende Rechten.140 Bestimmt gab es die eine oder andere Frau, die sich in der Öffentlichkeit der Cafés an den Billardtisch wagte, sofern sie man sie gelassen hat. Aber dabei handelte es sich um seltene Ausnahmen. Bis auf einen einzigen Zeitungsartikel von 1883, in dem von bürgerlichen Damen als „schamlose Weiber, die laut lachend (!) im Kaffeehaus die Billardtische besetzten“,141 die Rede ist, gibt es keine Nachweise von Frauen, die in Kaffeehäusern in Wien Billard spielten – bis 1934 20 Billardärinnen im Café Freyung zusammenkamen. 137 Vgl. Weiland, Daniela: Geschichte der Frauenemanzipation in Österreich und Deutschland. Düsseldorf, ECON Taschenbuchverlag. 1983, S. 187. 138 Vgl. ebd., S. 271. 139 Hedwig Dohm, die älteste Theoretikerin des radikalen Feminismus, forderte 1873 das Frauenstimmrecht. Vgl. Weiland, 1983, S. 220. 140 Vgl. ebd.,S. 220f. 141 Raftl, Ro: Damen am Billard. In: Hör zu. 1984, S. 55. 34 3. Die Billardärinnen 1934/35 3.1 Berichte über den 1. Wiener Damenbillardclub In Wien gibt es erst im Jahre 1934 Berichte, die belegen, dass sich einige „emanzipierte Damen“ im Wiener Kaffeehaus in die Männerdomäne Billard vorwagten. Hierbei handelte es sich um 20 Frauen, die zusammen den ersten Wiener Damenbillardclub gründeten. Der Frauenclub wurde von Billardweltmeister Ing. Ernst Reicher initiiert, dessen Eltern von 1932 bis 1938 das Café Freyung in der Renngasse 1 (Ecke Freyung) im 1. Bezirk führten – dort wurde im Mai 1934 auch eine Billardweltmeisterschaft ausgetragen. Unter der Führung von „Frau Kommerzialrat Seiffert“ lernten die Damen zweimal pro Woche – immer Mittwoch um 21 Uhr – unter der Trainingsleitung von Ing. Josef Pipal das Spiel mit den drei Bällen. Pipal war zu der Zeit für die Betreuung der Billards im Café Freyung zuständig. 1932 hatte er seine Anstellung als Grafiker beim Modemagazin „Wiener Chic“ verloren. Er nahm eine Anstellung als Billardmeister im Café Haag und Ganauser an, um den Saal zu betreuen und Unterricht zu geben. Der Profi wurde ein populärer Trainer und unterrichtete auch in anderen Häusern,142 unter anderem eben im Café Freyung. Einige Fotos im Billardmuseum zeigen ihn beim Unterrichten von Carambol und geselligem Zusammensitzen, mit seinen Schülerinnen. Dass wir überhaupt von der Existenz eines Damenclubs im Café Freyung wissen, verdanken wir unter anderem der Sammelleidenschaft von Heinrich Weingartner. Er besitzt einen Zeitungsartikel über den ersten Wiener Damenbillardclub, mit dem Titel: „20 Billardärinnen in Wien“ aus der „Illustrierten Kronen-Zeitung“ vom 23. Dezember 1934.143 142 Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 145, 2002, S. 42. Strouhal, Ernst, Zollinger, Manfred, Felderer, Brigitte (Hrsg): Spiele der Stadt. Wien, Wien Museum und Springer Verlag. 2012, S. 307. Das Original befindet sich im Besitz von Herrn Weingartner im Wiener Billardmuseum, und liegt dort in einer Vitrine ausgestellt. 143 35 Abbildung 4: Artikel „20 Billardärinnen in Wien“, aus: Illustrierte Kronen-Zeitung vom 23. Dezember 1934 (Quelle: Billardmuseum Weingartner) 36 Der Artikel beginnt mit der Warnung: „Bei dieser Nachricht wird es jedermann einen Riß geben!“ Der Autor beschreibt seine Verblüffung, als er der Einladung ins Café Freyung folgte und anstatt erwarteter „reicher Damen“, tatsächlich billardspielende Frauen vorfand. Die Aussage, „Weiß der Himmel, was in letzter Zeit in unsere lieben Damen gefahren ist“, gibt Auskunft darüber, dass es sich hier um ein außergewöhnliches Ereignis handelte, dem nicht unbedingt mit Wohlwollen begegnet wurde. Der Schreiber gibt sich (sarkastisch wie sexistisch) entzückt und beschreibt ein Bild von schönen Blumen, die sich um eine grüne Wiese sammeln, das viel schöner sei als die Anblicke, die man sonst am Billard zu sehen bekommt. Er bewundert, wie graziös und mit welcher Begeisterung die Frauen an das Spiel herangingen, lässt aber auch nicht aus darauf hinzuweisen, dass, obwohl sie nach Aussage des Lehrers jeden Abend Fortschritte machen, man besser etwas Abstand halten solle, da man sonst leicht einen Ball abbekommen könnte. Aufgrund des großen Interesses stand schon damals der Gedanke an eigene Damenturniere im Raum und auch von Länderkämpfen gegen Frankreich sei die Rede gewesen. Weltmeister Ernst Reicher zeigte sich bereits 1934 zuversichtlich, aber bis zur Veranstaltung der ersten offiziellen Damenturniere in Österreich sollten noch mehr als 50 Jahre vergehen.144 In der letzten Spalte spielt der Autor sogar auf die Figur mancher „beleibter Frauen“ an, die vielleicht nicht so graziöse Bewegungen zulässt als bei anderen Spielerinnen. Er schreibt, dass „die Damen an jedem Abend Zuwachs erhalten“ und kokettiert damit, indem er in Klammer hinzufügt „(bitte das nicht mißzuverstehen, es kommen halt immer neue Mitglieder!)“. Durch die Änderung der Geschlechterrollen bahnt sich auch eine Veränderung der traditionellen Machtstellung des Mannes an. Die dadurch entstehende Unsicherheit äußert sich deutlich in der anscheinenden Notwendigkeit, sich über die Frauen, die diese alten Werte aufbrechen, lustig zu machen. Dies geschieht in diesem Artikel durch drei abwertende Karikaturen. Der Journalist äußert sich in einem Absatz zu den drei abgebildeten Karikaturen, von denen die erste eine „vollschlanke Dame“ an einem „Billard für Gefüllte“ mit 144 Die erste Europameisterschaft in Carambol Freie Partie Damen fand erst 1985, noch vor der ersten Österreichischen Meisterschaft 1986 statt. 37 halbkreisrunden Ausnehmungen zeigt, die verhindern sollen, dass sich etwas „rundlich Trennendes dazwischenschiebt“, und eine andere eine Frau zeigt, die mittels Flaschenzug über den Tisch gehoben wird, um schwer erreichbare Bälle zu erwischen. Er beurteilt diese zwei Zeichnungen zwar als unrealistische Phantasiegebilde, der Lippenstift in der Queuespitze hingegen, den die dritte Karikatur zeigt, hält er für schon bald möglich, gäbe es doch bereits „mascherlgeschmückte“ mit Monogramm verzierte Billardstöcke. Die Kronenzeitung ist nicht der einzige Nachweis für den Damenclub. Am 7. Februar 1935 erschien im „Sport-Tagblatt“,145 unter der Rubrik „Allerlei Sport“ ein kurzer Vermerk über „ein[en] Damen-Billardclub in Wien“. Nüchtern und sachlich wird hier auf den von Ernst Reicher, der als Billard-Weltmeister wohl bekannt war, in seinem Café ins Leben gerufenen Damenclub hingewiesen, und dass man bei Interesse vor Ort im Café Freyung bei Reicher und Josef Pipal Näheres in Erfahrung bringen könne. Ein etwas ausführlicherer Bericht erschien am 25. März 1935 in der „Kleinen Volks-Zeitung“. Er enthält im Grunde die gleichen Informationen wie der Artikel im Sport-Tagblatt, beginnt aber mit einer „Entwarnung“: Die Damen seien zwar mit Eifer bei der Sache, aber „die Serien, die sie liefern“, seien „noch nicht so groß.“ Es scheint, als möchte der Autor der männlichen Leserschaft mitteilen, dass sie keine Konkurrenz zu befürchten hätten. Er beschreibt weiters die Vorzüge des Billardspiels gegenüber dem Bridge, welches einige der Damen zuvor gerne gespielt hätten, da ersteres besser für die Figur und spannender als das Kartenspiel sei. Dass die Bewegung während des Billardspiels positive Auswirkungen auf die Figur habe, meint der Redakteur der Kleinen Volkszeitung, dürfe man nicht zu laut wiederholen, sonst würde bald jeder Billardtisch von Frauen „in Besitz genommen“ werden. Wiederum lässt der Autor also anklingen, dass Frauen beim Billard nichts zu suchen hätten. Einige wenige werden als Kuriosität akzeptiert, solange sie den Männern nicht in den Weg kämen, oder ihnen im Weg herumständen. 145 Ein Damen-Billardklub in Wien, In: Sport-Tagblatt (Wien), Nr. 38, 7.2.1935, S. 5, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wst&datum=19350207&seite=5&zoom=33 (abgerufen am 5.5.2015). 38 Weiters wird darauf hingewiesen, dass es für gewöhnlich für eine Frau nicht so leicht sei im Café Billard zu spielen, da es immer „ungalante“ Zuschauer gäbe, die „solche Ereignisse belachten“. Davon ausgehend, dass Frauen nicht Billardspielen könnten, aber das anscheinend glaubten, meint er, dass Männer auch nicht als Billardmeister geboren würden und auch für den Mann viel Training nötig sei. Im Damenclub könnten die Frauen jedoch erstmals soviel „patzen“ wie sie wollten. Eine der Spielerinnen komme neben den Clubabenden täglich vor- und nachmittags ins Café, um zu trainieren. Wenn sich keine Spielpartnerin fände, spiele sie auch mit ihrem Ehemann, was immer noch besser wäre als Bridge zu spielen, da diesem Spiel aufgrund von Streitigkeiten schon die eine oder andere Ehe zum Opfer gefallen sei. In der letzten Passage des Artikels wird auf Ernst Reichers Talentsuche aufmerksam gemacht: Vor kurzer Zeit sei er im Café gesessen und habe einem kleinen Mädchen bei ihren ersten Versuchen am Billard zugesehen. Die Eltern hätten es abhalten wollen und der Kellner sei besorgt wegen des Tuches gewesen, aber Reicher sah ein Talent und begann sie zu unterrichten, überzeugt davon, dass in ihr das Potential einer Meisterin steckte. 3.2 Das Frauenbild um 1934 Der sarkastische Unterton, der in dem Artikel der Illustrierten Kronen-Zeitung mitschwingt, ist nicht zu überhören. Auf die Frage, warum das Thema Frauen und Billard im Kaffeehaus 1934 noch so abfällig behandelt wurde – und das nicht nur inoffiziell, sondern gedruckt für alle Menschen sichtbar – soll nun näher eingegangen werden. Dass seit der Abschaffung der Demokratie durch Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ab 1933 wesentliche Rückschritte im Hinblick auf die Gleichberechtigung der Frauen stattfanden, skizziert Irene Bandhauer-Schöffmann in einem Artikel über die Frauenpolitik des Austrofaschismus. Das katholische Frauenideal – reduziert auf die Rolle der Hausfrau und Mutter – wurde ab 1933 nicht nur breit propagiert, sondern auch gesetzlich festgeschrieben. Mit Unterstützung der katholischen Kirche bemühte sich der Austrofaschismus um eine „gottgewollte“ geschlechtsspezifische Arbeitsteilung: Frauen sollten (unbezahlt) im Haus, Männer außer 39 Haus arbeiten und für den Lebensunterhalt sorgen. Häuslichkeit, Mütterlichkeit und stille Opferbereitschaft für die Familie wurden als wichtigste weibliche Eigenschaften hervorgehoben, die Bäuerin zum Vorbild stilisiert. Frauen, die dieser Geschlechterrolle nicht entsprachen und sich etwa nicht so rasch wie möglich der Mutterrolle zuwenden wollten, wurden als Egoistinnen, als Wurzel des gesellschaftlichen Verfalls und für den Geburtenrückgang verantwortlich gemacht. Das 1919 erreichte allgemeine Wahlrecht für Frauen wurde bereits 1933 teilweise aufgehoben: wahlberechtigt waren nur noch jene StaatsbürgerInnen, die außer Haus arbeiteten, womit die große Anzahl an Hausfrauen per Gesetz vom Wahlrecht und damit von politischer Mitsprache ausgeschlossen wurde: 146 „Schließlich war nach bürgerlichem Recht der Mann der Haushaltsvorstand und ihm war die Hausfrau in allen Dingen rechenschaftspflichtig.“147 Da auch die Erwerbstätigkeit der modernen Frau das traditionelle katholische Familienbild störte – Doppelbelastung zu Lasten der Familie und Ablenkung vom „natürlichen“ Frauenberuf der Hausfrau und Mutter –, ging das austrofaschistische Regime dagegen vor. So bewirkte die Ende 1933 erlassene „Doppelverdienerverordnung“, dass alle verheirateten Frauen – deren Existenz folglich durch die Berufstätigkeit des Mannes gesichert sei – aus dem Staatsdienst ausgeschlossen und entlassen wurden. Das Gesetz wurde auch von der katholisch-bürgerlichen Frauenbewegung stark kritisiert, aber gegen deren Widerstand durchgesetzt. Wie 15 Jahre zuvor in der Monarchie war es nur mehr unverheirateten Frauen möglich, den Beruf der Staatsbeamtin auszuüben. Die neue österreichische Verfassung, erlassen im Mai 1934, hob die 1918 eingeführte Gleichheit von Mann und Frau auf.148 Die in Wien erscheinende feministische Frauenzeitschrift „Die Unzufriedene“ wurde nach den Februarkämpfen 1934 zunächst gemeinsam mit allen sozialdemokratischen Vereinigungen verboten. Ab 1. Juli 1934 erschien die Zeitschrift unter dem neuen Titel „Das kleine Frauenblatt“149 und propagierte fortan eine 146 Bandhauer-Schöffmann, Irene: Der „Christliche Ständestaat“ als Männerstaat? Frauen- und Geschlechterpolitik im Austrofaschismis. In: Emmerich Tálos, Wolfgang Neugebauer (Hrsg.): Austrofaschismus. Politik – Ökonomie – Kultur 1933-1938. Wien/Münster, LIT-Verlag. 7. Auflage 2014, S. 255-259. 147 Ebd., S. 261. 148 Ebd., S. 273-275. 149 „Die Unzufriedene“. In: Ariadne – frauenspezifische Information und Dokumentation, http://www.onb.ac.at/ariadne/vfb/03guiunzufr.htm (abgerufen am 15.5.2015). 40 „neue Stellung zum Staate […], die auch die arbeitende Frau heute bezogen hat. […] Vor dem Februar stand die Frau in scharfer Opposition zum Staat. Der Februar hat eine entscheidende Wendung gebracht.“ Die Frau müsse nun eine „positive Einstellung zum Staat“ einnehmen – folglich verschwanden politische Themen aus der Frauenzeitschrift und wurden durch traditionelle konservative „Frauen-Themen“ (Haushalt, Kindererziehung, Schönheit, Mode, Frauenromane usw.) ersetzt.150 Am 23. September 1934 – derselbe Tag, an dem die Kronenzeitung über die Billardärinnen berichtete – erschien auch eine neue Ausgabe des Kleinen Frauenblatts. Die Billardspielerinnen werden darin nicht erwähnt – inhaltlicher Schwerpunkt des Heftes war Weihnachten, das als „das Hochfest wahrer Weiblichkeit“ bezeichnet wird.151 Die frauenpolitischen (frauendiskriminierenden) Maßnahmen des Austrofaschismus zielten vor allem auf die Förderung der Geburten und die Bekämpfung eines „modernen“ Lebensstils der häufig der Mutterschaft im Weg stehen würde. U.a. das Mutterschutzwerk und das Frauenreferat der Vaterländischen Front sollten diese Interessen vorantreiben. Der Muttertag wurde zum großen politischgesellschaftlichen Feiertag erhoben und inszeniert, besonders kinderreiche Mütter im „ordentlichen Familienverband“ erhielten Auszeichnungen. Vorbereitend wurde der Hauswirtschaftsunterricht innerhalb der Schule ausgedehnt. Unerwünschte Kinder – etwa aus finanziell schlechter gestellten Familien – versuchte das Mutterschutzwerk durch Appelle an Moral und Enthaltsamkeit zu verhindern.152 Zeitgleich erfolgte während des Austrofaschismus aber auch ein Abbau staatlicher Sozialleistungen (Pensions- und Arbeitslosenversicherung), die wieder vermehrt in die Familie verlagert wurden, was wiederum zur Folge hatte, dass Frauen vermehrt kostenlose Arbeit im Sozial- und Fürsorgebereich zu leisten hatten, um die Defizite auszugleichen.153 150 Das kleine Frauenblatt (11. Jg., Nr. 17), 1.7.1934, S. 1, zitiert nach: „Das kleine Frauenblatt“. In: Ariadne – frauenspezifische Information und Dokumentation, http://www.onb.ac.at/ariadne/vfb/03guiklfrbl.htm (abgerufen am 15.5.2015). 151 Das kleine Frauenblatt (11. Jg., Nr. 42), 23.12.1934, S. 1, http://anno.onb.ac.at/cgicontent/anno?aid=uzf&datum=19341223 (abgerufen am 15.5.2015). 152 Bandhauer-Schöffmann, 2014, S. 255f, 270f. 153 Ebd., S. 254f, 272f. 41 3.3 Die Mitglieder des ersten Damenbillardclubs in Wien Angesichts des systematischen Ausschlusses der Frauen aus sogenannten Männerdomänen bzw. ihrer stetigen Verdrängung aus dem öffentlichen Leben überrascht der Zeitpunkt der Gründung des Damen-Billardclubs 1934 auf den ersten Blick: War das Café Freyung seiner Zeit voraus, oder lassen sich dahinter andere Interessen anstelle einer Emanzipationsbewegung erkennen? Abbildung 5: Die Runde der „Billardärinnen“ (auf dem Foto links Josef Pipal, rechts die Cousine von Ernst Reicher), Fotografie 13 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) Was wissen wir über die Mitglieder des ersten Damenbillardclubs in Wien? Aus dem Artikel der Kronenzeitung geht hervor, dass „Frau Kommerzialrat Seiffert“ die Leitung innegehabt haben soll und, dass Frau Josephine Reicher, die Mutter von Billardweltmeister Ernst Reicher, ebenfalls Mitglied im Damenclub war. Die „eine Dame“ die laut dem Bericht der Kleinen Volkszeitung jeden Tag trainiert haben soll, wird nicht namentlich erwähnt. Bei „Frau Kommerzialrat Seiffert“ handelte es sich wohl um die Ehefrau von Richard Seifert. Er war der Sohn des Tischlermeisters Heinrich Seifert, welcher 1848 eine kleine Werkstätte im 5. Bezirk, eröffnet und sich auf die Fabrikation von 42 Billard-Tischen und Kaffeehauseinrichtungen spezialisiert hatte.154 Als im Jahre 1872 erstmals die Rubrik „Billard“ im Branchenverzeichnis des Wiener Adressbuches aufschien, war Heinrich Seifert einer von acht Billard-Herstellern.155 Er konnte sich bald einen Ruf als einer der besten Billard-Fabrikanten Wiens erarbeiten, gewann zahlreiche Auszeichnungen für seine Arbeiten und eröffnete sogar eine zweite Fabrik in Budapest.156 Seiner Fabrikation wurde 1878 der kaiserlich-königliche Hoftitel verliehen.157 Abbildung 6: Zeitungsannonce der Firma Heinrich Seifert & Sohn, aus: Kikeriki, Humoristisches Volksblatt, 19. Jänner 1879, Beilage (Quelle: http://anno.onb.ac.at/cgicontent/anno?aid=kik&datum=18790119&seite=7) 154 Nachruf auf Heinrich Seifert. In: Neue Freie Presse, 4.7.1898, S. 1; Schramm, Eine Billardfabrik jubiliert. In: Welt am Abend, 19.2.1948, S. 3. 155 Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger, Wien 1872, Branchenverzeichnis, S. 632, http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/28251 (abgerufen am 15.5.2015). 156 „Weltausstellung 1873 Wien: Fortschritts-Medaille; Weltauststellung 1878 Paris: silberne Medaille als höchste Auszeichnung – 1880 Teschen große gold. Medaille; 1882 Triest Ehrendiplom f. Billard; Budapester allgem. Landes-Austellung 1885 große Medaille f. ausgezeichnete Arbeit und guten Geschmack.“ Adolph Lehmann's allgemeiner WohnungsAnzeiger, Wien 1890, Branchenverzeichnis, S. 1427, http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/60293 (abgerufen am 15.5.2015). 157 Heinrich Seifert & Sohn. In: Wiener Vorstadt-Presse, 31.12.1878, S. 3. 43 Nach dem Einstieg der beiden älteren Söhne Ludwig Seifert (1877) und Heinrich Seifert junior (1885) trug die Firma also den Titel „Heinrich Seifert & Söhne, k.k. Hofbillardfabrikanten“. Ludwig Seifert konstruierte das erste „Wende-Billard“ oder „Doppel-Billard“, dessen Tischplatte auf einer Seite für Carambol-, auf der anderen Seite für Kegel-Spiel genutzt werden konnte.158 Der jüngste Sohn, Richard Seifert, stieg erst nach dem Tod des Firmengründers 1898 offiziell in den Familienbetrieb ein, war jedoch bereits von Adolf Loos für die Einrichtung des Spielzimmers im 1899 neueröffneten Café Museum in der Operngasse beauftragt worden.159 Er konstruierte später auch das erste MetallBillard. Richard Seifert war 1910 der jüngste Kommerzialrat Österreichs und gehörte auch zur Tischrunde der Secessionisten, zu der zahlreiche bekannte Künstler, Musiker, Architekten, Dichter, Journalisten und Intellektuelle (u.a. Adolf Loos, Gustav Klimt und Adolf Hoffmann) gehörten. Diese Titel waren nach der Abschaffung der Monarchie 1918 jedoch nichts mehr wert. Die Nachfrage nach Billard-Tischen ging wohl infolge der Not der Kriegs- und Nachkriegszeit zurück und die Firma geriet in eine Krise. 1934 – das Jahr, in dem der Damen-BillardClub gegründet wurde – wurde die Firma im Branchenverzeichnis nicht mehr unter dem Stichwort „Billard“, sondern nur noch unter „Kaffeehauseinrichtungen“ angeführt.160 Dennoch leitete Richard Seifert noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg das Familienunternehmen.161 Aus dieser Perspektive erscheint es einleuchtend bzw. sogar naheliegend, dass ausgerechnet seine Ehefrau – „Frau Kommerzialrat“ – gemeinsam mit der Frau des Besitzers des Café Freyung und Mutter des amtierenden Billard-Weltmeisters, Josephine Reicher, den Damen-Billard-Club gründete. Die beiden Frauen hatten aufgrund der Berufe ihrer Männer natürlich wirtschaftliches Interesse an der Förderung des Spiels. Frauen als neue Kundengruppe zu gewinnen erscheint aus dieser Sicht als eine einleuchtende Geschäftsidee. Die wenigen erhaltenen schriftlichen Dokumente liefern keine genauen Auskünfte über die anderen Billardspielerinnen. Aber einige Fotos aus dem Fotoarchiv des 158 Der Wundertisch vom Mittersteig. In: Das kleine Volksblatt, 19.2.1948, S. 5. Neues Wiener Journal, 19.4.1899, S. 4. 160 Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger, Wien 1934, Branchenverzeichnis, S. 27, http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/212902, und S. 103 (http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/212978). 161 Der Wundertisch vom Mittersteig. In: Das kleine Volksblatt, 19.2.1948, S. 5. 159 44 Billardmuseum Weingartner, die 1936 im Café Freyung aufgenommen wurden, zeigen, dass die Cousine von Ernst Reicher ebenfalls Mitglied im Damenclub war, ebenso wie Senta Wengraf und ihre Schwester Lucie Wengraf. Abbildung 7: Josef Pipal und die Cousine von Ernst Reicher, Fotografie 13 x 8,5 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) Abbildung 8: Senta Wengraf, Fotografie 8,5 x 13,5 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) 45 Abbildung 9: Lucie Wengraf, Fotografie 11 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) Einige Bilder in der großen Sammlung von Heinrich Weingartner zeigen Senta Wengraf, die später als Schauspielerin berühmt werden sollte, im Alter von zwölf Jahren. Die Widmung auf der Rückseite des Porträtfotos lautet: „Meinem lieben Billardmeister, zur Erinnerung an deine Schülerin, Senta Wengraf. Wien, 15 Februar 1936“.162 Gemeint ist Josef Pipal. In einem Interview am 2. Mai 2015 erzählte mir die 91-jährige Wengraf, dass sie sich leider nicht mehr so genau an diese Zeit erinnern könne, aber es möge schon sein, dass sie einen Lehrer gehabt hätte. Im Buch „Spiele der Stadt“ lautet der Titel des Bildes „Die Billardspielerin Senta Wengraf, 1936“163 was vermuten lässt, dass sie über längere Zeit Billard gespielt hat. Laut der Aussage von Senta Wengraf habe sie das Billardspiel „nur als kurzfristiges Vergnügen und aus Spaß betrieben.“164 Wahrscheinlich sei sie mit ihren Eltern im Kaffeehaus gewesen und als Kind habe sie halt mitgemacht. „Ich 162 Billardmuseum Weingartner Strouhal, 2012, S. 306. 164 Interview mit Senta Wengraf, Wien, 2. Mai 2015. 163 46 hab' das der Hetz halber gespielt, weil es lustig war“.165 Später sei sie jedoch nur noch ganz selten dazugekommen, aber ernsthaft hätte sie nie gespielt.166 Da sie zum Zeitpunkt, als der Artikel erschien, aber gerade 10 Jahre alt war und sich die Frauen laut Bericht immer Abends getroffen haben, ist es unwahrscheinlich, dass sie zu den besagten ersten 20 Clubmitgliedern gehörte. Wahrscheinlich stieß sie erst später dazu, oder der Club hat sich im Verlauf von zwei Jahren nicht mehr nur am Abend getroffen. Abbildung 10: Senta Wengraf 1936, Fotografie 11 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei dem beschriebenen Mädchen im Artikel aus der „Kleinen Volks-Zeitung“, um deren Training sich Josef Pipal angenommen hatte, nachdem Ernst Reicher ein Nachwuchstalent in ihr gesehen hatte, um Senta Wengraf gehandelt haben könnte. 165 166 Ebd. Ebd. 47 4. Exklusion und Emanzipation von Frauen im Billardsport Bevor ich in diesem Kapitel auf die Exklusion und beginnende Emanzipation von Frauen im Billard-(Profi-)Sport eingehe, möchte ich ein paar grundsätzliche Überlegungen zum Thema Geschlechterdifferenz im Sport vorausschicken. Es folgen eine Beschreibung der Billardform Carambol, und deren Unterdisziplinen, da dies zum Verständnis der Argumentation notwendig ist, sowie eine Analyse jener Aspekte die auf eine männliche Dominanz im Billardsport hindeuten, aber einer deutlichen Steigerung der weiblichen Beteiligung nicht im Weg stehen, wie die Biografie von Ingrid Englbrecht bestätigt. 4.1 Geschlechterdifferenz im Sport Einer der grundlegenden Unterschiede zwischen Menschen ist auch heute jener des Geschlechts. Die Unterschiede liegen, scheinbar, „auf der Hand“. Allerdings sind diese, abgesehen von den rein körperlichen Differenzen, nichts weiter als gesellschaftliche Konstruktionen: der Mensch ist ein Produkt seiner Umgebung, seiner Lebensumstände. Sandra Günter formuliert dies folgendermaßen: „Generalisierend kann festgehalten werden, dass in der allgemeinen Geschlechterforschung die Auffassung vertreten wird, dass Menschen in ihrer zugeordneten „männlichen“ oder „weiblichen“ Geschlechtlichkeit in Relation zueinander stehen, und ohne die jeweilig andere Kategorie nicht fassbar sind. „Mannsein“ und „Männlichkeit“ definieren sich in Abgrenzung zu „Frausein“ und „Weiblichkeit“. Diese Relation findet ihren Ausdruck in der jeweiligen in der Gesellschaft vorherrschenden Geschlechterordnung.“167 Die Geschlechtlichkeit an sich ist allerdings lediglich ein kleiner Teil dessen, was im Allgemeinen als „Wirklichkeit“ wahrgenommen wird. Wirklichkeit sind all jene 167 Günter, Sandra: Die Analysekategorie Geschlecht in der sporthistorischen Forschung. In: Hans J. Teicher (Hrsg.): Moden und Trends im Sport und der Sportgeschichtsschreibung, Hamburg, Czwalina Verlag. 2003, S. 61. 48 Dinge, die wir Tag für Tag erfahren, und ist somit immer sozial bedingt – von uns selbst und unserem Umfeld konstruiert.168 Die Geschlechterdifferenzen im Sport sind stark von den Gegebenheiten innerhalb einer Gesellschaft beeinflusst. Es lässt sich feststellen, dass unsere Gesellschaft eine männlich dominierte ist. Unzählige Statistiken zu Verdienstunterschieden, Quoten in Führungspositionen etc. unterstützen diese Einschätzung. Da liegt es auf der Hand, dass sich das Verhältnis im Sport nicht großartig anders präsentiert. Rosa Diketmüller formuliert es folgendermaßen: „Männliche Körper und deren Leistungsfähigkeit gelten dabei als Normgeber, sodass Frauen dabei maximal als das „Andere“ und in Abweichung zur Norm erscheinen. Das normale Weibliche wird auf ein abstraktes Äußeres reduziert, dessen Verortung an die Seite des Mannes durch die Idealisierung von Schönheit – paradigmatisch etwa beim Cheerleading – unterstützt wird.“169 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass das Cheerleading in seiner Urform eigentlich eine männliche Domäne war. Auf der Homepage von Varsity, einem der größten Cheerleading-Interessensverbände der Welt, ist zu lesen, dass die Wurzeln von Cheerleading Mitte des 19. Jahrhunderts beim American Football zu suchen sind, wo ein „all-male pep club“ die Spieler mit Kampfliedern anfeuerte.170 Frauen stießen erst Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zu den Teams, waren zu Beginn allerdings noch unterrepräsentiert. Varsity erklärt, wann sich das geändert hat: „Cheerleading grew from there. It wasn’t until 1923 that women were allowed to cheer for the first time, at the University of Minnesota. During this decade, cheerleaders added tumbling and acrobatics to their routines, and a University of Oregon cheerleader used flashcards for the first time. Although women were 168 Ebd., S. 63. Diketmüller, Rosa: Macht- und Genderdiskurs in Bewegungskulturen, In: Matthias Marschik, Rudolf Müllner, Otto Penz, Georg Spitaler, (Hrsg.): Sport Studies. Eine Einführung. Wien, facultas wuv Verlag. 2009, S. 86f. 170 Vgl. Being a Cheerleader – History of Cheerleading. In: Varsity, http://www.varsity.com/event/1261/being-a-cheerleader-history; (abgerufen am 16.5.2015). 169 49 joining teams in the ‘20s, it wasn’t until the ‘40s that they joined in large numbers, since so many college-aged men went off to fight in World War II.”171 Mit diesem kurzen Ausflug in die Geschichte des Cheerleading sind die Grundprobleme der Geschlechterdifferenzen im Sport gut umrissen. Dass sich die Bilder aber auch ändern können, beweist der Umbruch im Cheerleading, der in seinen Wurzeln eigentlich auch auf gesellschaftliche Veränderungen zurückzuführen ist. Die Frage, die sich allerdings stellt, ist: Wie stark wurden die Umwälzungen in der Gesellschaft durch Umwälzungen im Sport beeinflusst, und umgekehrt? Welche Rolle spielt der Sport im Zusammenleben? 4.1.1 Versteinert oder aufgebrochen? Wie sich Rollenklischees im Sport entwickeln Grundlegend gibt es in der Geschlechterforschung zwei Strömungen, wie sich die Rollen von Männern und Frauen im Sport in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Einerseits gibt den Ansatz, dass die alteingesessenen Klischees vom starken Mann und der schwachen Frau durch den Sport fortgeführt und verstärkt werden. Günter dazu: „Eine These ist, dass das System „Sport“ zur Konstruktion und Perpetuierung von asymmetrischen dualen Geschlechtermodellen beiträgt. Grundannahme ist, dass der Struktur des Sports diskursive, performative Prozesse des ‚“gendering‘„ immanent sind und diese tradierte Geschlechterverhältnisse reproduzieren und konsolidieren:“172 Günter macht sich auf die Suche nach den Wurzeln des Männlichkeitsbildes im Sport und nimmt die Geschichte des deutschen Turnerbundes etwas genauer unter die Lupe. Sport existiert in diesem Zusammenhang nicht aus reinem Selbstzweck, aus Freude an der Bewegung, sondern soll vielmehr dem gesamten Volk zugutekommen. Bereits in dieser Ausrichtung wurden traditionelle Geschlechterrollen gelebt: „Zentrale Ziele des Männerturnens waren mehr oder weniger durchgängig bis zum Ende des zweiten Weltkrieges die Stärkung der Männlichkeit und Wehrhaftigkeit, Förderung des Freiheits- und Nationalgedankens, Forcierung 171 172 Ebd. Günter, 2003, S. 62. 50 des Patriotismus und Nationalismus. Frauenturnen bekam im Dualismus dazu die Aufgabe der Stärkung der mutterschaftsorientierten Gesundheit, des deutschen Nachwuchses und der deutschen Familie zugewiesen. Dem Manne also der Staat und der Frau die Familie.“173 Andererseits existiert jener Ansatz, nach dem vermehrte sportliche Betätigung von Frauen und Mädchen sehr wohl dazu beitragen kann, traditionelle Geschlechterrollen einzureißen und umzudeuten: „Dieser Feststellung steht die These entgegen, dass bei genauerer Differenzierung, nicht nur eine Konstruktion und Reproduktion, sondern auch eine Dekonstruktion und Veränderung der tradierten Weiblichkeitsmodelle im Sport stattfindet. [… Mädchen und Frauen] widerlegen im Sport weiblich definierte Stereotype der Schwäche, Ängstlichkeit und Hilfsbedürftigkeit, Frauen und Mädchen erleben durch den Sport eine Emanzipation zumindest ein ‚Empowerment‘.“174 Beide Ansätze haben ihre Stärken und explikatorischen Schwächen. Während die erste Sichtweise von einem schwachen Individuum und großer normativer Kraft der vorherrschenden Gegebenheiten ausgeht, unterschätzt die zweite diesen Einfluss womöglich etwas. Günter formuliert dies folgendermaßen: „Die letztere Annahme betont intersubjektive Handlungsmöglichkeiten und vernachlässigt die mediale und kommerzielle Beeinflussung der sozialen Konstruktion von sportiven Körper- und Geschlechtermodellen. Die erste Annahme vermittelt den Eindruck der determinativen, sozialen Reproduktion von Geschlechterverhältnissen ohne subjektive Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten.“175 Die Geschlechterrollen im Sport können aber keinesfalls ohne Blick auf die Gesellschaft behandelt werden. Der Alltag der Menschen hat sich in den vergangenen 150 Jahren drastisch geändert. Durch die immer kürzer werdende Arbeitszeit blieb der Bevölkerung immer mehr Freizeit. Zeit, die man eigentlich mit sportlichen Aktivitäten füllen könnte. Eva Kreisky zeichnet allerdings ein eher düsteres Bild, wenn sie schreibt: 173 Ebd., S. 66. Ebd., S. 62. 175 Ebd. 174 51 „Derartige Transformationen der Arbeitswelten enthielten mitnichten emanzipatorisches Potenzial. Nicht vermehrte sportliche Betätigung war Folge dieser erzwungenen „Befreiung“ von Erwerbsarbeit, sondern vielmehr das Sportschauen, also stellvertretend Sport treiben zu lassen. Aktives Sporttreiben bleibt im Großen und Ganzen dem Lebensstil und den Konsumgewohnheiten oberer und mittlerer Gesellschaftschichten vorbehalten, während Sportschauen eher untere und erwerbslose Klassen – in aller Regel Männer vor dem heimischen Fernseher oder im Stammlokal – erregt (anstatt bewegt).“176 Nun ist allerdings Freizeit nicht gleichbedeutend mit Freizeit. Die männliche Freizeit unterscheidet sich deutlich von der weiblichen. Die traditionellen Pflichten der Frau enden eigentlich niemals, Hausarbeit und Kindererziehung funktionieren nicht nach dem Stechuhrprinzip. Dass am Ende Frauen weniger Zeit für Sport bleibt, liegt auf der Hand. Eva Kreisky formuliert diesen Umstand ausführlich und meint: „Frauen, die im Verhältnis häufiger als Männer in armutsgefährdeten Zonen leben, eine höhere Zahl an Alleinerzieherinnen stellen, in beträchtlichem Maße vom Arbeitsmarkt exkludiert werden, die Hauptgruppen in Niedriglohnsektoren ausmachen usw., erfahren die Herausforderungen der Machtverhältnisse des Alltags in radikal anderer Weise. Sie sind stärker in überlebensnotwendige Kämpfe des Alltags involviert, hier wird das Gros ihrer Kräfte und Energien aufgebraucht. […] Selbst wenn Prekarität des Lebensunterhaltes nicht gegeben sein sollte, verwehrt ihnen geschlechtliche Arbeitsteilung jene „freie“ Zeit, die Männern in aller Regel nach wie vor zur Verfügung steht. Nicht nur das Dispositiv der Macht, auch das Dispositiv der Freiheit begünstigt tendenziell Männer.“177 Allerdings sagt Kreisky auch, und damit schließt sich der Kreis zu der eingangs erwähnten Konstruktion unserer Wirklichkeit: „Sport ist niemals a-gesellschaftlich, nicht einmal „relativ“ befindet er sich außerhalb von Gesellschaft. Selbst aktuelle Erscheinungsweisen von Sport verweisen noch auf „traditionelle Muster männlicher Körperrepräsentanz“ und 176 Kreisky, Eva: Arbeits-, Sport- und Geschlechterkörper. Einflüsse des Geschlechts auf moderne Sportkulturen. In: Matthias Marschik, Rudolf Müllner, Otto Penz, Georg Spitaler (Hrsg.): Sport Studies. Eine Einführung. Wien, facultas wuv Verlag. 2009, S. 74. 177 Kreisky, 2009, S. 79. 52 weichen nur marginal von gesellschaftlicher Hegemonie des Maskulinen ab. Auf beiden Ebenen, dem gesellschaftlichen Subsystem Sport und der Gesellschaft insgesamt, finden sich gleichzeitig inegalitäre und egalitäre Veränderungstendenzen. Gewöhnliche gesellschaftliche Diskriminierung ist im Feld des Sports ebenso präsent, wie auch partiell Öffnung angesagt ist, bei dem Hochleistungen und Siege von Markt- oder Staatsrelevanz sind.“178 Es lässt sich also feststellen, dass Sport einerseits die Rollenbilder festigen, andererseits sie aber auch bis zu einem gewissen Grad ändern kann. Die Vermittlung der konstruierten Realität erfolgt heute beinahe ausschließlich über massenmediale Kanäle. Die in der Berichterstattung transportierten Bilder sind die Grundlage, auf der wir uns ein Bild unserer Gesellschaft machen. Und in diesem Bild sind Sportlerinnen definitiv unterrepräsentiert, wie Diketmüller formuliert: „Geschlechterunterschiede manifestieren sich besonders in medialen Darstellungen der Sportkultur. Die meisten Studien stimmen darin überein, dass über Sportlerinnen deutlich weniger als über Sportler berichtet wird.“179 Dieser Unterschied mache sich aber keineswegs nur in quantitativer Hinsicht bemerkbar: „Nicht nur die quantitativen Geschlechtereffekte, auch die berichteten Sportarten lassen geschlechtsbezogene Profile erkennen. Männer werden eher in Sportarten präsentiert, in denen Kraft, Kampf und Technik im Mittelpunkt stehen. Frauen werden eher in ästhetisch-kompositorischen Disziplinen oder 180 Individualsportarten gezeigt.“ Geschlechterdifferenzen im Sport sind also immer auch ein Abbild der grundlegenden Geschlechterdifferenzen in der Gesellschaft. Die Frage, ob durch die verstärkte Teilnahme von Frauen an ehemals rein männlichen sportlichen Veranstaltungen alteingesessene Rollenklischees fortgeführt oder aufgebrochen werden, kann in letzter Konsequenz nicht eindeutig beantwortet werden. Was allerdings sehr wohl großen Einfluss auf die Stellung von Frauen und Mädchen innerhalb der Welt des Sports ausübt, ist die mediale Berichterstattung darüber. 178 Kreisky, 2009, S. 75. Diketmüller, 2009, S. 88. 180 Rudolfs/Hartmann-Tews 2006, zitiert Nach: Diketmüller, 2009, S. 88. 179 53 4.2 Billardsport – eine Männerdomäne 4.2.1 Exkurs: Grundlegendes zum Billardsport Carambol, Pool, Snooker sind die bekanntesten Billardvarianten, die heute gespielt, und auch multimedial transportiert werden. Sie unterscheiden sich schon auf den ersten Blick durch die unterschiedlichen Tische, auf denen das Spiel betrieben wird. Was alle drei neben dem gleichbleibenden Spielflächenverhältnis von 2:1, spieltechnisch gemeinsam haben, ist u.a. die grundlegende Voraussetzung, dass der Stoß mit dem Queue auf den weißen Spielball ausgeführt wird, der dadurch mit einem oder mehreren anderen Bällen zusammenstößt. Carambol ist eine Billardform, die mit drei Bällen, meist weiß, gelb und rot, auf einem Tisch ohne Taschen gespielt wird. Es gibt drei Standardgrößen der Spielflächen: Matchbillard: 284 x 142 cm, Kleines Turnierbillard: 210 x 105 cm und Wiener Kaffeehausbillard: 190 x 95 cm. Ziel ist es, mit dem Spielball – wahlweise dem weißen oder dem gelben – eine Karambolage (Zusammenstoß) mit den beiden anderen Bällen zu erreichen. Wie bei den anderen Billardformen gibt es auch beim Carambol verschiedene Disziplinen: Die Freie Partie, Cadre, Ein- und Dreiband, sowie Artistik. Das Queue ist im Vergleich zu Pool und Snooker leichter und der Durchmesser der Spitze beträgt 11 cm. Die Freie Partie gilt als die Grundform, denn hier muss lediglich darauf geachtet werden, dass der direkt angespielte Ball die beiden anderen berührt. Gelingt dies, hat man einen Punkt gemacht und darf erneut stoßen. Die Partielänge beträgt meistens 400 Punkte und wird heute von professionellen Spielern und Spielerinnen in 30 bis 60 Minuten gelöst. Beim Cadre ist die Spielfläche in neun Felder geteilt, „in denen man nur eine gewisse Anzahl von Carambolagen machen darf“.181 Auch hier gibt es, meist mit der Größe der Tische und den dadurch entstehenden Größen der Felder zusammenhängend, unterschiedliche Varianten. 181 Weingartner, 1989, S. 4. 54 Einband wird schon etwas komplizierter. Es gibt zwar keine Einschränkungen durch Markierungen, aber hier muss der Spielball, ehe er mit dem dritten Ball karamboliert, mindestens eine Bande berühren. Das selbe wie beim Einband gilt auch beim Dreiband, nur eben mit drei Banden. Diese Disziplin ist im Spitzensport am weitesten verbreitet. „Serien über 10 gehören auch unter Könnern zu den Seltenheiten.“182 Bei der Billard-Artistik, gibt es in einem Programm zusammengefasste Figuren, die mit Punkten bewertet werden. Eine beliebte Art bei Meisterschaften ist die Austragung im Mehr-, oder Fünfkampf, bei dem Vereine die besten Spieler und Spielerinnen der jeweiligen Disziplinen Freie Partie, Ein- und Dreiband, sowie Cadre-Disziplinen antreten lassen183 und ihre Ergebnisse als Team gewertet werden. Pool, das am häufigsten in Amerika betrieben wird, wird genauso wie Snooker, das die meisten Anhänger in England findet, auf einem Tisch mit sechs Taschen – jeweils in den vier Ecken und zwei gegenüberliegenden in der Mitte der langen Seite – gespielt. Beim Snooker sind die Löcher erheblich kleiner als beim Pool, genauso verhält es sich mit den Bällen, die darin versenkt werden müssen. Neben feinen Regelunterschieden richtet sich die Anzahl der Bälle beim Pool nach den jeweiligen Unterdisziplinen, beläuft sich aber auf maximal fünfzehn färbige, durchnummerierte und einen weißen, den Spielball. Beim Snooker spielt man mit fünfzehn roten, sechs andersfärbigen, und einem weißen Ball, die nach bestimmten Regeln und einem Punktezählsystem in den Taschen versenkt werden. Das Queue unterscheidet sich u.a. in Gewicht und Härte des Holzes, wobei das Queue beim Snooker die dünnste Spitze zwischen 9 und 10 cm bemisst, während der Durchmesser der Pomeranze beim Pool zwischen 12 und 13 cm beträgt. 4.2.2 Sexistischer Sprachgebrauch: Zweideutige Begriffe Die These „Billard sei eine Männerdomäne“ wird von vielen Begriffen im Zusammenhang mit Billard unterstützt. Die dort verwendeten Ausdrücke bieten die Gelegenheit, dass sie zweideutig gebraucht, und durch sexuelle Konnotation als 182 183 Ebd. Der Brockhaus: Sport. Leipzig-Mannheim, Brockhaus Verlag. 2007, S. 251. 55 Anspielungen auf männliche Geschlechtsteile sowie den Geschlechtsakt verstanden werden können. Das beginnt schon mit dem Spielgerät, dem Queue, dessen Name – wie bereits erwähnt – vom französischen la queue kommt und auf Deutsch soviel wie der Schwanz – umgangssprachlich für Penis – heißt. Außerdem kann seine Form als eindeutiges Phallussymbol gewertet werden. Daraus ergeben sich oft „witzig gemeinte“ Fragen wie: „Kann er gut mit seinem Queue umgehen?“ Des Weiteren wird der Hauptteil des Oberteils beim modernen Queue, „der beim Stoßen durch die Finger des Spielers geführt“184 wird, Schaft genannt, was in der Biologie die Bezeichnung für den Teil des männlichen Geschlechtsorgans auf dem die Eichel sitzt, ist. Dass Männer gerne mit (ihren) Bällen spielen, ist eine Phrase, die in der englischen Sprache mehr Eindeutigkeit erhält, da Bälle, also balls, umgangssprachlich für Hoden, bedeutet. Hier fällt es, durch die klare Doppeldeutigkeit des Ausdrucks, noch leichter diesen auf sexuelle Art zu gebrauchen. Der Begriff „einlochen“ – im Sinne von „die Bälle versenken“ – lässt sich auf den Geschlechtsakt umlegen, bei dem diese Aufgabe dem Mann zufällt und das Loch als weibliches Geschlechtsorgan gedeutet werden kann. Die Berührung, die die Bewegungsenergie des Queues auf den Spielball überträgt, nennt man „Stoß“. Stoßen wird ebenso gerne als Begriff verwendet, der den Geschlechtsakt umschreibt, wo diese Bewegung, die – wenn gelungen – wieder zum „Einlochen“ führt, vom männlichen Part übernommen wird. Die Stellung der Hand, durch oder über die der dünne Teil des Queues geführt wird, nennt man „Bock“, was ebenfalls durch den in der Biologie für die Bezeichnung des Männchens verschiedener Saugetiere verwendeten Ausdruck, männlich konnotiert ist. Zudem bedeutet „keinen Bock haben“ soviel wie „keine Lust verspüren“, als ob der Wille zum Spiel mit der Verfügbarkeit von Männlichkeit abhängt. Einzig die „Sau“ (ein Glücksstoß) ist ein weiblich behafteter Begriff. 184 Queue. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Queue_(Billard) (abgerufen am 2.4.2015). 56 Die Begriffsanalyse zeigt via Sprache, die Männerdominanz im Billard; zugleich wird deutlich, dass Frauen via Sprache systematisch ausgeschlossen werden, indem sie von dieser hochsexualisierten Sprache wohl auch abgestoßen werden. Vielleich liegt erst in dieser Wirkung ihre Funktion. 4.2.3 Sexistische Darstellungen von Frauen am Billardtisch Viele Bilder im Billardmuseum von Heinrich Weingartner zeigen Frauen ab ca. 1900 beim Billardspiel. Die meisten Darstellungen stammen aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Nur vereinzelt finden sich Bilder, die ihren Ursprung in Österreich haben. Anzumerken ist auch, dass es sich nur in seltenen Fällen um Frauen handelt, die aussehen als würden sie tatsächlich Billard als Sport betreiben, im Gegensatz zu den unzähligen Darstellungen von Männern, die mit ernster Miene auf die Bälle starren. Die Bilder, auf denen Frauen beim Spielen zu sehen sind, erwecken einen entspannten und sorglosen Eindruck, als wäre ihnen der Verlauf der Bälle völlig egal. Auffallend sind die immer wiederkehrenden unnatürlichen Posen, in denen die Frauen beim Spielen bzw. bei der Simulation von Spiel gezeigt werden. Sehr häufig finden sich junge, schöne Frauen am Billardtisch, die versuchen, mit dem Queue hinter ihrem Rücken eine Kugel anzuspielen. Diese Art wählt man, wenn sich die Bälle durch ihre Position am Tisch, nicht in der herkömmlichen Haltung anstoßen lassen. Geübte SpielerInnen können – im Falle von RechtshänderInnen – in solchen Situationen meist auch mit der rechten Hand den Bock bilden. Ist der oder die SpielerIn jedoch nicht dazu im Stande, besteht die Möglichkeit, sich auf den Tisch zu setzen, wobei nach heutigen Regeln mindestens ein Bein den Boden berühren muss, und den Queue hinter dem Rücken zu führen. In dieser Körperhaltung kommen die „Vorzüge einer Frau“ am Billardtisch wohl am besten zur Geltung. Schiffer zitiert in seinem Buch über Billard eine Amerikanerin namens Alice Howard, die selbst eine Könnerin am Pooltisch gewesen sei und 1919 Folgendes gesagt haben soll: „Ein Billardtisch zeigt die Frau von ihrer vorteilhaften 57 Seite […] Wie ließe sich ein ansehnlicher Schenkel besser präsentieren, als wenn er von der Kante eines Billardtisches baumelt?“185 Der Aspekt des „Sex sells“ ist in diesen Bildern nicht außer Acht zu lassen. Diese Erscheinung ist eindeutig keine, die modernen Werbestrategien entspringt, denn die frühen erotischen Posen („Stellungen“) der Billardspielerinnen lassen diese Absicht bereits erkennen. Auf diese Weise können auch viele ältere Bilder von Billardspielerinnen gelesen werden, wie die folgende Abbildung 11. Natürlich entsprach die Genreszene zur Entstehungszeit (1870) nicht der Realität, sondern sollte vielmehr die Geschäfte rund ums Billard fördern. Abbildung 11: Un coup difficile 1870 nach E. Boutibonne / evtl. nach Gemälde von Charles Francois Boutibonne aus dem Jahr 1860, Stecher: Paul Girardet, Lithografie schwarz-weiß, Frankreich, 63,5 x 52 cm (Quelle: Billardmuseum Weingartner) 185 Schiffer, 1994, S. 108. 58 Im 19. Jahrhundert waren die Bilder noch etwas zurückhaltender im Umgang mit Nacktheit – im Gegensatz zu Darstellungen aus den 1930er Jahren, wie dieses Pin Up von Peter Driben, die keines weiteren Kommentars bedarf: Abbildung 12: Ein Pin Up aus den 1930er Jahren von Peter Driben (Quelle: www.kunstund-spiele.de/pin-up.htm) 4.3 Frauen im Billardsport in Wien in der Gegenwart 4.3.1 Frauen in der Billardschule Weingartner Heute sind gut die Hälfte der AbgängerInnen der Billardkurse Frauen. In Anfängerkursen überwiegt sogar die Zahl der Schülerinnen, mit sechs Frauen, von insgesamt zehn TeilnehmerInnen. In den Fortgeschrittenen-Kursen finden sich allerdings nur ganz selten weibliche Spielerinnen, da sie zumeist nur einen Kurs belegen, weil sie sich bei ihrem ersten Auftritt am Billard nicht blamieren wollen. Viele machen geheim den Kurs, um ihre Partner zu überraschen.186 Die Motivation darin besteht also nicht im Nutzen für sich selbst, sondern für Andere, was einem weiblichen Klischee entspricht. 186 Interview mit Heinrich Weingartner sen., 2. Mai 2015. 59 In den 1980-ern hat es einen gewaltigen Aufschwung an billardspielenden Frauen gegeben. Ein Grund dafür war Kitty Kinos Film „Karambolage“, der vielen Frauen mehr Selbstbewusstsein und dadurch einen „Anstoß“ gab, in die männerdominierten Vereine einzutreten. 4.3.2 Frauen in Vereinen Der Wiener Billard Sportverband, kurz WBSV, wurde im Februar 1980 gegründet, und ist seit Oktober 1980 Teil des 1931 ins Leben gerufenen Billard Sportverbandes Österreich.187 Insgesamt verzeichnet der Wiener Verein zur Zeit 473 Mitglieder, wovon 33 Frauen sind. Die Wiener Billard Assoziation (WBA) wurde 1969 gegründet und ist der größte Carambol-Billardclub Österreichs. Der Club verzeichnet derzeit 130 aktive Mitglieder, davon sind 14 weiblich.188 Bei der Durchsicht von Vereinsstatuten und Regeln auf frauenspezifische Passagen sind mir keine besonderen Merkmale in Bezug auf Aus- oder Einschüsse aufgefallen. Es war auch nie notwendig, da Frauen ohnehin nicht in großen Zahlen Billardvereinen beitreten wollten.189 Lediglich in den Vereinsstatuten des Wiener Snooker- und Billiardsverband kurz WSBV, findet sich neben Pressesprecher, Schiedsrichter, Rechtsreferent u.a. Ämtern, die sogenannte Damenreferentin. Ihre Aufgaben lauten wie folgt: „Der Damenreferentin obliegen alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit Damen weiblicher Jugend. Sie ist dem Sportdirektor direkt unterstellt und koordiniert mit ihm gemeinsam die zu ihrem Aufgabenbereich nötigen Maßnahmen.“190 Hier wird eindeutig ein Unterschied zwischen Männern und Frauen hergestellt. Durch die Formulierung Damenreferentin wird unmissverständlich davon ausgegangen, dass dieses Amt von einer Frau besetzt wird, und dass Mädchen anscheinend eine besondere Förderung durch geschlechtergleiche Betreuung, benötigen. Alle anderen Ämter sind in der männlichen Form beschrieben und besetzt. 187 Vgl. Weingartner, Heinrich: Homepage Wiener Billard Sport Verband, http://www.wbsv.info/html/wbsv/wbsvintern.htm (abgerufen am 3.4.2015). 188 Interview mit Heinrich Weingartner sen., 2. Mai 2015. 189 Ebd. 190 Website des Wiener Snooker- und Billardsverbandes: Vereinstatuten, S. 11, http://wsbv.at/images/download/statuten_wsbv_2012.pdf (15.3.2015). 60 Der Vorstand der WBA setzt sich derzeit aus fünfzehn Personen zusammen, wobei eine davon weiblichen Geschlechts ist (Sportleiter Matchbillard). In den Vereinsstatuen der Wiener Billard Assoziation (Stand: 9. Mai 2015) wird durchgehend die männliche Form verwendet – ein Hinweis, dass dies der Einfachheit halber getan wurde, findet sich auf dieser Homepage nicht. Hingegen wird auf der Website des Wiener Pool Billard Verbands, wo in den Allgemeinen Spielregeln einheitlich von „dem „Spieler“ die Rede ist, in einer „Anmerkung des Übersetzers“ darauf hingewiesen, dass „der Einfachheit halber […] die maskuline Form benutzt [wurde]. Dadurch soll jedoch nicht auf das Geschlecht des Spielers, oder des Offiziellen hingewiesen werden.“191 Die offiziellen Regeln wurden vom Englischen ins Deutsche übersetzt, wo the player Männer wie auch Frauen einschließt, da in der englischen Sprache kein Wort wie „Spielerin“ existiert. In den Klassen, in die die SpielerInnen eingeteilt werden, kommen zu der allgemeinen Klasse, in der Männer üblicherweise im Alter von 19 bis 60 Jahren gegeneinander antreten, sogenannte Spezialkategorien, zu denen Damen, Jugend und Senioren gezählt werden. Wobei die Klasse Jugend auch nur auf die männlichen Spieler beinhaltet, da Frauen, egal welchen Alters, auf Grund der niedrigen Zahl der Teilnehmerinnen, immer in einer Klasse gewertet werden. Ein junger Mann spielt abhängig von der Disziplin bis zum Alter von 21 Jahren (beim Dreiband) oder 19 Jahren (bei den anderen Spielformen), in der Jugend-Klasse kann aber, wenn es die Spielstärke zulässt, schon früher in beiden Kategorien (Allgemein und Jugend) gewertet werden. Für die Spezialkategorien gibt es – im Gegensatz zu den Männern in der allgemeinen Klasse – kein Preisgeld. So verhält es sich zum Beispiel auch bei Europameisterschaften, wo Damen ebenfalls nur mit Sachpreisen, Medaillen und Pokalen „ausgezeichnet“ werden. Diese Unausgeglichenheit wird wie bei anderen Sportarten damit argumentiert, dass Frauen weniger hohe GD erreichen würden, und deshalb keinen Anspruch auf Preisgelder hätten. 4.3.3 Unterschiedliche Spielstärke von Männern und Frauen Neben einer Unzahl an Turnierergebnissen und -berichten, sowie Siegerfotos von männlichen Spielern finden sich, in der Fachzeitschrift „billard – mit dem offiziellen 191 Wiener Pool Billard Verband: Regeln, http://www.wpbv.at/index/regeln (abgerufen am 12.3.2015). 61 Teil des Billard Sportverbandes Österreich“,192 im Laufe der Jahre immer mehr Erwähnungen von weiblichen Spielerinnen, aber im Vergleich zu den männlichen, immer noch wenige. Die Liste der Austria Top 100, die in jeder Ausgabe zu finden ist, ist unterteilt in die Disziplinen: Freie Partie, Cadre, Einband, Dreiband und Kombination, sowie Damen: Freie Partie und Damen: Dreiband, und gibt Aufschluss über die Beteiligung von Frauen und ihre Spielstärke. An dieser Aufzählung lässt sich gut erkennen, dass die weiblichen Spielerinnen bei den Meisterschaften und im professionellen Wettkämpfen in deutlicher Unterzahl sind, da die Rangliste der Damen in der Freien Partie (Ausgabe Nr. 273 vom März 2015) gerade mal vierzehn, und die der Dreiband siebzehn Namen aufweist. In den Disziplinen Cadre, Einband und Kombination werden gar keine Frauen genannt. Der daneben angeführte Generaldurchschnitt,193 anhand dessen das Können beim Billard verglichen wird, lässt zunächst darauf schließen, dass die weiblichen Spielerinnen den männlichen nicht nur in Anzahl, sondern auch in Spielstärke deutlich unterlegen sind. Bei der Freien Partie Herren beispielsweise hat der Erstplatzierte einen Generaldurchschnitt von 43,900 Punkten und die Vorreiterin der Damen „nur“ 3,531 Punkte. Bei der Disziplin Dreiband hingegen sind die Unterschiede bereits geringer. Der Beste bei den Herren spielte einen GD von 1,290, die Beste bei den Damen 0,488.194 4.3.4 Frauen im KÖÖ und im Café Weingartner Durch die steigende Anzahl von Billard-Clubs und modernen Billardcafés sowie die Begeisterung der Jugend für das Pool-Billard, gerät Carambol, als Form die in Wiener Kaffeehäusern am häufigsten betrieben wurde, heute immer mehr in Vergessenheit. Die neue öffentliche Heimat der grünen Tische sind die Billardhallen. Die Beteiligung der Frau an diesen Orten soll nun exemplarisch anhand des Billardlokals KÖÖ auf der Mariahilfer Straße und des Billardcafés Weingartner in der Goldschlagstraße gezeigt werden. 192 Die von Heinrich Weingartner herausgegebene Fachzeitschrift erscheint seit 1987 zehnmal jährlich. Die Inhalte beziehen sich ausschließlich auf die Billardform Carambol und ihre Unterdisziplinen 193 abgekürzt GD; ergibt sich aus der Anzahl der erreichten Punkte geteilt durch die Anzahl der benötigten Aufnahmen. 194 Weingartner, Heinrich: Austria Top 100. In: billard– mit dem offiziellen Teil des Billard Sportverbandes Österreich, Nr. 273, 2015, S. 46. 62 Im Vergleich zum Kaffeehaus kann man behaupten, dass heute verhältnismäßig sehr viele Frauen in Billardhallen spielen. Es hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass nicht Carambol sondern hauptsächlich Pool gespielt wird. Heinrich Weingartner meint: „Beim Carambol tut sich nicht viel wenn man keine Übung darin hat, und es wird schnell langweilig wenn man eine halbe Stunde keinen Punkt macht. Vor allem die Mädchen freuen sich wenn was reinfällt, und wenn sie einen Fehler machen lachen sie noch mehr“.195 Am Vormittag sieht man im KÖÖ nur ganz selten Frauen. Wenn es jedoch um die Unterhaltung nach Einbruch der Dunkelheit geht, trifft man schon eher, wenn trotzdem noch in der Unterzahl, auf ein, oder sogar mehrere Mädchen am Billardtisch. Dann aber fast immer in Gesellschaft von Männern. Wenn zwei Frauen alleine kommen, um miteinander zu spielen, könne man laut einiger Angestellter, davon ausgehen, dass sie darauf aus sind, Männerbekanntschaften zu machen. Das gemeinsame Interesse an einer Sache liefert einen plausiblen Grund jemanden anzusprechen. 196 Es kommt aber auch vor, dass am Abend Frauen unter den Gästen sind, die richtig gut spielen, ihre Freunde besiegen und dabei ganz cool bleiben und sich nicht über jede versenkte Kugel unüberhörbar freuen. Dieses Verhalten ist jedoch eine Ausnahme bei den weiblichen Gästen und sonst hauptsächlich bei Männern zu beobachten. Im Café Weingartner befinden sich keine Frauen unter den Billard spielenden Stammgästen. Es gibt immer wieder Mädchen, die sich mit ihren Partnern oder einer Gruppe von Freunden ins Café „verirren“ und auch ein paar Stöße probieren, aber nicht lange, denn sie würden doch lieber Pool spielen. Dass zwei Frauen alleine kommen, um Billard zu spielen, komme allerdings überhaupt nie vor. „Von Billardspielenden Frauen – keine Spur“.197 4.4 Ingrid Englbrecht „Bis in die 70er 80er gab es keine ernst zu nehmende Billardspielerin in Wien, bis zu Frau Englbrecht, die, bevor sie geheiratet hat, mit Nachnamen Stern hieß. Und 195 Interview mit Heinrich Weingartner sen., 17. April 2015. Interview mit Manuel Haller, Wien, 7. Bezirk, 4. April 2015. 197 Interview mit Heinrich Weingartner jun., Wien, 15. Bezirk, 17. April 2015. 196 63 dann hieß es immer „die Stern Fräu'n198„ ist wieder da. Aber sie kam immer sehr seriös und tugendhaft gekleidet“199 – wahrscheinlich, um den Vorurteilen vorbeugend Wind aus den Segeln zu nehmen. Als sie in den 1960er Jahren die ersten paar Male im Kaffeehaus auftauchte, wurde gemunkelt, dass sie Billard spielte, um Männer kennenzulernen.200 Ingrid Englbrecht ist heute eine der erfolgreichsten, wenn nicht sogar die beste Carambol-Billard spielende Frau in Österreich. Sie gewann bis jetzt zwei Europameisterschaften in der Disziplin Damen in Freie Partie, achtzehn Staatsmeisterschaften der Damen in Freie Partie und zehnmal wurde sie österreichische Meisterin bei den Damen in Dreiband. Ihre persönlichen Erzählungen201 beschreiben exemplarisch die Situation einer Frau im Billardsport in den 60er bis 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie sollen aufzeigen, wie sie sich durch ihr „nicht konformes“ Verhalten in einem so männlich dominierten Sport, unter schwierigen Bedingungen und trotz mehrfacher Rückschläge, etablieren konnte. Ingrid Englbrecht wurde 1948 als Ingrid Martha Stern geboren und wuchs in WienHernals auf. Ihren ersten Kontakt zum Billardspiel hatte die damals 12-Jährige bei ihrem Onkel, der einen selbstgebauten kleinen Hobbybillardtisch besaß. Im Alter von 16 Jahren ging Ingrid Englbrecht lieber Billardspielen als Tanzen. Im Café Epp im 17. Bezirk, ließ sie der Ober – aus Mitleid, wie sie meint – mit den Worten „jetzt kommt wieder die Verrückte“, an den Tisch. „Das war ja in dieser Zeit nicht so selbstverständlich, von Gleichberechtigung hielt man damals nicht all zu viel. Der nette Ober […] aber war der Zeit weit voraus.“202 Sie machte sich immer weiter auf die Suche nach Kaffeehäusern, in denen sie spielen konnte, wo sie dann stolz alleine hinging, in der Annahme, sie könne gut Billard spielen. „Die müssen sich totgelacht haben über mich“, sagt Englbrecht, und lacht dabei. Sie wüsste nicht genau, warum sie so versessen darauf gewesen 198 „Fräu'n“ ist ein (abwertender) Wiener Ausdruck für Fräulein (Weingartner) Fräu'n, die, Fräulein (das!), auch Lehrerin. Vgl. Österreichische Akademie der Wissenschaften: Beiheft zum Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ), http://wboe.oeaw.ac.at (abgerufen am 10.5.2015). 199 Interview mit Heinrich Weingartner sen., 2. Mai 2015. 200 Ebd. 201 Interview mit Ingrid Englbrecht. Interview. BSK Augarten, Wien, 2. Bezirk, 25. April 2015. 202 Englbrecht, Ingrid: Biografisches. In: Homepage von Ingrid Englbrecht, http://www.englbrecht.at (abgerufen am 12.5.2015). 64 sei, aber meint „Wahrscheinlich hat es mich so fasziniert, weil sie mich nicht spielen gelassen haben, sonst hätt' ich vielleicht gar nicht weiter Billard gespielt.“ Und natürlich war es für sie auch schön zu zeigen, was sie konnte und sich auf diese Weise mit den männlichen Spielern und Kiebitzen zu profilieren. Es gefiel ihr offenbar, die Leute ein wenig zu provozieren und sie gleichzeitig zu beeindrucken. In ihrem damaligen Stammcafé Max im 17. Bezirk habe sie der Ober nicht spielen lassen, und sie mit den Worten „geh ham kochn“ deutlich darauf hingewiesen, dass sie am Billardtisch nichts verloren hätte, weil sie eine Frau war, und seiner Meinung nach am Herd stehen sollte. Später wurde sie auf einen Billardclub am Margaretengürtel aufmerksam. 1970, sie war die erste Frau, die Mitglied in einem Billardclub wurde, war es für sie nicht selbstverständlich, dass man sie aufnahm. „Es wurde geschaut wie man aussah, gekleidet war, redete und sich benahm.“ Darauf folgte eine dreimonatige Probezeit, nach der alle Mitglieder mit ihrer Aufnahme einverstanden sein mussten – in vielen Clubs ist eine solches strenges Aufnahmeverfahren auch heute noch üblich. Der Fall einer Ablehnung trat aber nicht ein und bald hatte sie viele hilfsbereite Lehrer. Sie dachte zwar, sie könne schon gut spielen, aber nach den ersten Unterrichtsstunden, bemerkte sie „bumm, a so geht des gspü, i kann ja gar nix“. Einer der Clubmitglieder habe sich stundenlang Zeit genommen, um ihr Stellungsstöße zu zeigen, obwohl er selbst gar nicht so gut gespielt habe. Das sei aber auch nicht zwingend erforderlich, um ein guter Trainer zu sein. Nach einem halben Jahr, in dem sie sehr oft dort war, und „trainiert [hat] wie eine Böse“, hat sie sich sehr gesteigert. Trotzdem gab es auch ein einige, die von Anfang der Meinung waren, dass sie nicht lange im Club sein würde. Es wurden Wetten auf sie abgeschlossen, darüber, wie weit sie kommen würde. Nach einem knappen Jahr spielte sie beim ersten Clubturnier bereits mit einem Generaldurchschnitt (GD) von 3 Punkten, den sie ein Jahr darauf verdoppelte. Sie wurde immer besser, und bald gewann sie auch Partien gegen die männlichen Vereinsmitglieder. Es sei eine freundliche, nicht feindselige Gemeinschaft gewesen, aber verloren hätten die Kollegen nicht gerne gegen sie: „Da gab es Männer, die haben aufgehört Billard zu spielen, weil sie gegen mich verloren 65 haben.“ Das ging soweit, dass einige zwar nicht offen gegen sie als Frau protestierten, aber sogar den Verein verließen. Ein anderes Beispiel dazu liefert ein Mitglied in ihrem jetzigen Club im BSK Augarten. Vor nicht allzu langer Zeit erzählte er ihr, dass er damals, als sie 20 war und er neu in den Club gekommen sei, gegen sie gespielt habe, und sie ihn „hineing'haut“ habe. Das sei für ihn ein sehr prägendes Erlebnis und seine Motivation gewesen, mit intensivem Billardtraining anzufangen. Die Vorbehalte ihres Ehemannes und ein Berufswechsel führten allerdings dazu, dass sie das Spiel immer mehr vernachlässigte. Im Jahr 1973 kam ihr Sohn zur Welt und von da an „wars mit dem Billard endgültig vorbei“.203 Die Familie und die Arbeit beanspruchten ihre gesamte Aufmerksamkeit und Zeit, was sich für fast zehn Jahre nicht ändern sollte. Dabei habe sie sehr wichtige Jahre verloren, denn „das sind die Jahre, in denen man jung ist und sich leichter tut, Dinge zu lernen“.204 Ein Anruf von Heinrich Weingartner weckte sie 1982 aus ihrer Billardlethargie. Er erzählte ihr von einer Regisseurin namens Kitty Kino, die einen Film über eine Billardspielerin drehen wollte. Frau Englbrecht sollte in den Szenen, in denen schwierige Stöße zu sehen seien, die Hauptdarstellerin Marie Cobin doubeln. Wegen der langen Zeit ohne Training zögerte sie zunächst und meinte, ob es nicht eine andere Spielerin gäbe, die die diese Aufgabe übernehmen könnte. Aber anscheinend war, wie Frau Englbrecht vermutet, die Emanzipation beim Carambol-Billard nicht eingetreten. „Die Frauen hat das nicht interessiert.“ Sie meint, es gab sicher vereinzelt Poolspielerinnen, aber wenn man bedenkt, dass Frauen ihren Erfahrungen nach in den Kaffeehäusern immer noch nicht gern am Billard gesehen waren – und wo sollte man sonst zufällig mit diesem Sport in Kontakt kommen – sei dies nicht verwunderlich. Trotzdem ist es erstaunlich, dass in den mehr als zehn Jahren, die seit Ingrid Englbrechts Beitritt als erstes weibliches Mitglied in einem Billardclub vergangen waren, offenbar keine andere Frau auch nur annähernd so gut spielte wie sie. Sie nahm das Angebot an und im Folgejahr 1983 kam der Film in die Österreichischen Kinos. Von da an engagierte sie sich wieder aktiv im Verein. 203 204 Ebd. Interview mit Ingrid Englbrecht. Interview. BSK Augarten, Wien, 2. Bezirk, 25. April 2015. 66 Selbst ein unangenehmer Vorfall am 31. Jänner 1985 im Café Sperl im 6. Bezirk, bei dem sie der Ober nicht Billardspielen ließ, hinderte sie nicht daran am Ball zu bleiben. Die Geschichte erschien kurze Zeit später mit der Überschrift „(Keine) Karambolage“ in der Kronen-Zeitung.205 Als 1985 die erste Damen-Europameisterschaft im Carambol-Billard ausgeschrieben wurde, begann sie wieder mit dem regelmäßigen Training. Der 4. Platz sei zwar eine große Enttäuschung für sie gewesen, aber kein Grund aufzugeben. Sie trainierte weiter und nahm an weiteren Europameisterschaften teil, ohne jedoch die ersehnte Medaille zu gewinnen. Zu Beginn der 90er Jahre unterrichtete sie zwei Mal wöchentlich in der Billardschule Weingartner. Sie sei eine sehr engagierte Lehrerin gewesen, und darum bemüht ihren Klassen, die ca. zu einem Drittel aus Frauen bestanden, das Billardspielen beizubringen. Leider habe sich die erwünschten Erfolge bei ihren SchülerInnnen nicht eingestellt, was sie an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln ließ. Aber Weingartner habe sie beruhigt und gemeint, dass die meisten Leute einen Billardkurs belegen, so wie andere einen Töpfer- oder Malereikurs machen. Von da an habe sie ihre Aufgabe gelassener gesehen und den Spaß am Spiel in den Vordergrund gestellt. Nach ihrer Scheidung 1992 ging es mit dem Billard wieder aufwärts. Ihr neuer Partner unterstütze sie tatkräftig bei den Turnieren. Bei der EM 1998 erreichte Englbrecht den dritten Platz, 2002, bei der 12. Europameisterschaft die Goldmedaille. Drei Jahre später konnte sie ihren Titel erfolgreich verteidigen. Viele Staatsmeistertitel folgten. In ihrem Club ist sie heute als Sportleiterin tätig und kümmert sich außerdem um die Öffentlichkeitsarbeit. Da sie seit 2007 direkt gegenüber des Vereinslokals wohnt, übernimmt sie jeden Tag die Reinigung der Tische. Ihre internationale Karriere hat sie mittlerweile beendet. Sie meint der Leistungsdruck bei Turnieren sei eine sehr große psychische Belastung und der wolle sie sich nichtmehr aussetzen. Aber sie spiele sehr gerne und würde auch nicht damit aufhören. 205 siehe Anhang. 67 Ingrid Englbrecht hat sich ebenfalls mit der Frage beschäftigt, warum mehr Männer und im Durchschnitt besser Billard spielen als Frauen, und ob die Möglichkeit besteht, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen so gut werden können wie die besten männlichen Spieler. Als junge Frau sei sie davon überzeugt gewesen, und setzte alles daran so gut zu werden wie die männlichen Spitzenspieler. Später entstanden Zweifel, denn viele Erfahrungen und Turnierergebnisse sprachen dagegen. Allerdings „fand [sie] keinen logischen Grund für diese scheinbare Ungleichheit. An der Kraft konnte es ja nicht liegen und warum sollten Frauen nicht so geschickt wie Männer sein? Zudem sind Frauen oft ehrgeiziger und fleißiger, wenn es gilt, Neues zu lernen.“206 In vielen Gesprächen (mit Männern) habe sie verschiedene (nicht ernst zu nehmende) Meinungen und nicht schmeichelhafte Aussagen gehört, wie: „Frauenbillard ist Behindertensport“, „Frauen haben anders arbeitende Gehirnhälften“ und „Frauen können Fühlen und Denken nicht trennen“. Auf ihrer Homepage erwähnt Englbrecht kritisch das Buch „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“207 von Allan und Barbara Pease, aber schließt deren Ansicht als eventuellen Grund für das herrschende Ungleichgewicht nicht aus. Die Autoren stellen in einem eigenen Kapitel zum Thema Frauen und Billard die Behauptung auf, „dass das räumliche Denkvermögen der Frauen, dem der Männer unterlegen[…] [sei].“208 Die unterschiedliche Spielstärke beim Billard sei also auf die von Frauen und Männern ungleiche Gehirnstruktur und biologische Veranlagungen zurückzuführen.209 Von dieser Ansicht distanzierend vertritt Ingrid Englbrecht die Meinung, dass die Antwort auf das Warum mit zwei bekannten Sprichwörtern ausgedrückt werden könne: „Aus der Masse kommt die Klasse“ und „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Ihrer Meinung nach sei es eine „Tatsache, dass weit weniger Frauen professionell Billard spielen als Männer und, dass Frauen zumeist viel später damit beginnen“ würden. Daraus ergäbe sich die Überlegung, dass Frauen, wenn sie schon in früher Jugend mit Billard beginnen würden, ebenso gut werden könnten wie Männer, oder gar besser als 206 Englbrecht, Ingrid: Startseite. In: Homepage von Ingrid Englbrecht, http://www.englbrecht.at (abgerufen am 20.4.2015). 207 Pease, Allan und Pease, Barbara: Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken. München: Econ Ullstein List Verlag. 1998. 208 Englbrecht, Ingrid: Startseite. In: Homepage von Ingrid Englbrecht, http://www.englbrecht.at (abgerufen am 20.4.2015). 209 Vgl. Pease/Pease, 1998, S. 196. 68 sie. Die Chance auf besonders herausragende Spielerinnen würde sich außerdem erhöhen, wenn deutlich mehr Frauen bzw. Mädchen diesen Sport ergreifen würden. Ein gutes Beispiel für den Erfolg jahrelangen Trainings sei zum Beispiel die 1986 in Kärnten geborene Poolspielerin Jasmin Ouschan. Im Club ihrer Eltern begann die junge Athletin bereits im Alter von sechs Jahren Billard zu spielen, wo sie bald unter Leitung eines Trainers immer größere Fortschritte machte. Sie gewann unter anderem bereits bei den Olympischen Spielen sowie bei der Damen PoolWeltmeisterschaft eine Goldmedaille und erreichte sogar den 5. Platz bei den Herren Pool-Weltmeisterschaften 2006.210 Als Englbrecht noch jünger war, wollte sie einfach besser werden als die Männer. Das habe sie immer angespornt und deshalb reiche es ihr nicht, ihre Erfolge nur in Bezug auf die Ergebnisse anderer Frauen zu werten. Auch heute vergleicht sie ihren Durchschnitt mit dem ihrer männlichen Mitstreiter und fragt sich immer noch, was diese anders machen. Sie habe das Gefühl, Frauen ließen sich beim Spiel leichter von ihrer Umgebung ablenken und könnten sich nicht so gut konzentrieren wie Männer. Das habe sie über Jahre bei Turnieren bei sich selbst und ihren Gegnerinnen beobachten können. An SpielerkollegInnen schätze sie die Freundschaftlichkeit, die man unter den Frauen bei Turnieren häufiger beobachten könne als bei den Männern. Spielerinnen würden sich eher nach dem Bewerb noch zusammensetzen, um Gedanken auszutauschen und gemeinsam die Siegerin zu feiern, obwohl sie sich kaum kennen. Männer seien dagegen mehr an ihrem Erfolg interessiert, und nicht an ihrem Gegenüber. In ihren eigenen Worten beschreibt Englbrecht die tatsächliche Ursache der Leistungsunterschiede: (1) Der Ausschluss aus der bürgerlichen Form der Öffentlichkeit und (2) das Klischee der männlichen Dominanz und Leistungsbezogenheit. Beides ergibt die geringere Breite, die für Spitzenleistungen im Spitzensport unabdingbar ist. 210 Vgl. Ouschan, Jasmin: Bio/Profile. In: Homepage von Jasmin Ouschan, http://www.jasminouschan.com/about-jasmin-ouschan/bio-profile/ (abgerufen am 3.2.2015). 69 5. Billard und Frauen im Film 5.1 „I'm the emancipated type“ – Filmische Darstellung der Situation von Frauen in Poolbillardhallen (USA 1961/1984) In zwei der bekanntesten amerikanischen Filme über Billard, The Hustler – Haie der Großstadt 1961 und The Color of Money – Die Farbe des Geldes 1984, gehen die poolspielenden Hauptfiguren mit ihren Managern auf Tour, um von einer Billardhalle zur nächsten zu ziehen, und ihren Gegnern das Geld aus den Taschen zu ziehen. Es geht um Ehre, Stolz (Männer) Freundschaft und natürlich schnelles Geld. In beiden Filmen nehmen die jungen Männer ihre Freundinnen mit auf ihre Tour, doch deren Trainer stehen dem Einfluss des weiblichen „Anhangs“ auf ihre Schüler skeptisch gegenüber, was zu Spannungen zwischen den Protagonisten führt. The Hustler (Regie: Robert Rossen) stellt ein gutes Beispiel für die Situation für Frauen in Poolhallen in Amerika der 1960er Jahre dar. Zu Beginn des Films lernen wir die weibliche Hauptfigur der Sarah Packard (gespielt von Piper Laurie) als emanzipierte junge Frau kennen, was sie am ersten Tag, als sie Eddie (Paul Newman) kennenlernt, im Gespräch durch ihre Aussage „I'm the emancipated type“ klar und deutlich macht. Aber offensichtlich stellt sie schon durch ihre bloße Anwesenheit in der Poolhalle – nicht nur für Eddie, sondern auch für die anderen Spieler – eine unzumutbare Ablenkung dar. Beim Betreten der Halle erweckt sie das Aufsehen der anwesenden Männer und erntet entsetzte Blicke. Sie muss die Billardhalle verlassen, noch bevor Eddie beginnt. Plötzlich scheint die beim ersten Eindruck so stark wirkende Frau völlig eingeschüchtert. Zum demütigenden Ausschluss kommt noch hinzu, dass Eddie ihre Liebe scheinbar erwidert, jedoch nicht bereit ist, es ihr zu sagen. Dass die Männer in der Poolhalle Sarah mit wenig Begeisterung begegneten, liegt natürlich daran, dass sie, wie gezeigt, in die Männerdomäne Billard eindringt und das Spiel der Männer stört. Sarah verlässt die Halle zwar widerwillig, aber ohne großen Widerstand, da es zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches war, dass Frauen von manchen Orten verwiesen wurde, mit der einfachen Begründung, dass sie nicht erwünscht seien. 70 In The Color of Money (Regie: Martin Scorsese), der die Fortsetzung von The Hustler darstellt, hat sich das Bild der Frau und die Einstellung gegenüber Frauen in Poolhallen geändert. Obwohl auch in diesem Film keine Billardspielerinnen zu sehen sind, ist die Wandlung bemerkbar: Man sieht keine Männer, die wie gelähmt mit offenstehenden Mündern dastehen, wenn eine Frau eine Billardhalle betritt. Die Szenen sind lockerer inszeniert und die Geschlechterrollen weniger stark ausgeprägt. Carmen (Mary Elizabeth Mastrantonio) die Freundin von Vincent (Tom Cruise) hat zwar genauso wie Sarah in The Hustler, kein einziges Mal ein Queue in der Hand, sie ist jedoch von Anfang an bei den Spielen dabei, um Vincent zu unterstützen. In einer Szene spielen Carmen und Vincents Trainer Eddie (Paul Newman) ein Paar, das ganz zufällig in die Bar kommt, in der Vincent bereits einen Gegner an der Angel hat, und beginnen hoch auf den ihnen völlig unbekannten Jungen zu setzen. Um die Show glaubhaft zu gestalten, verstärkten Eddie und Carmen ihr Auftreten als Pärchen, was Vincent zur rasenden Eifersucht treibt. Er will die ganze Tour abblasen, doch Carmen weigert sich mit ihm nachhause zu fahren, und so beschließt er doch weiter zu machen. Vergleichend lässt sich an den Beispielen feststellen, dass sich nicht nur in der Begegnung von Männern gegenüber der Frau in öffentlichen Billardhallen etwas verändert hat, sondern auch in der Beziehung zwischen Mann und Frau. Sarah kann noch nicht einmal in der Billardhalle bleiben, was Eddie offensichtlich nicht stört, denn er widerspricht den Männern nicht, die sie auffordern zu gehen. Carmen hingegen bleibt und verfügt über ihrer eigene Sprache. Sie sagt was sie denkt, und lässt sich nicht einschüchtern. Nicht zuletzt, weil sie weiß, wie wichtig sie für Vincent ist. Sie hilft den beiden Abzockern beim Irreführen ihrer Gegenspieler. Und auch Eddies Freundin – eine Barbesitzerin – hat ihr Leben selbstbewusst im Griff. Die Frauenbewegung zeigte sich um 1960 in vielen Großstädten, wie New York oder London, durch die sogenannte „zweite Welle“. Simone de Beauvoir, Betty Friedan und später Alice Schwarzer galten mit ihren Werken als Vorreiter in der Entstehung eines neuen Frauenbildes, es gelang neue Perspektiven zu eröffnen, was sich auch im Mikro-Kosmos der Darstellung in Billardfilmen zeigt. 71 Dass Frauen im Film zunehmend auch im übertragenen Sinn an Stärke gewannen, zeigt auch das Filmbeispiel „Karambolage“ bei dem kein Mann, sondern eine Frau die Hauptrolle der Billardspielerin bezieht. 5.2 Die billardspielende Protagonistin in Karambolage (Wien 1983) Die Regisseurin Kitty Kino (geb. Kitty Gschöpf *1948) hat als 16-Jährige211 ihre eigene Erfahrung mit Billard und der Einstellung mancher Kaffeehausbetreiber gegenüber Frauen am grünen Tisch gemacht. Als Schülerin habe man sie, im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, im Kaffeehaus nicht Billard spielen lassen, weil sie „das Tuch kaputt mache“. Den Ausschluss habe sie nie vergessen,212 diese absurde Beschränkung sei ihre erste bewusste Begegnung mit der Diskriminierung von Frauen gewesen,213 die sie in ihrem ersten Film verarbeitete. 5.2.1 Inhalt „Ich hab auch zwei Hände zwei Augen und ein Hirn […] Billard spielt man mit einem Queue, und nicht mit dem Schwanz!“,214 lautet die bekannteste Textzeile, im Film über eine junge Billardspielerin in Wien. Die Szene kennzeichnet einen Wendepunkt in dem Leben der Studentin Judit (Marie Colbin) und das Ereignis leitet den Beginn ihres Eindringens in die männerdominierte Billardwelt ein. Die Erzählung beginnt damit, dass Judit zufällig in einer Bar mit Billardtisch landet, wo man zum ersten Mal sieht, dass sie keine Anfängerin im Umgang mit dem Queue und den drei Bällen ist. Sie kommt mit der Barfrau Lilo (Renée Felden) ins Gespräch und erzählt ihr ihre Lebensgeschichte, die dem Rezipienten in Form von Rückblenden gezeigt wird: Als Judit in einer Kneipe auf ihren Freund Max (Helfried Edlinger) wartet, lernt sie Ernstl (Gerhard Rühmkorf) kennen. Nach einem kurzen Spiel am Poolbillard, 211 Raftl, 1984, S. 54. Telefoninterview mit Kitty Kino, Wien-Griechenland, 11. Mai 2015. 213 Kino, Kitty: Karambolage. Presseheft zum Film. Wien 1983. Aus der Sammlung des Österreichischen Film Museums. 214 Ebd. 212 72 verlässt sie die Bar mit Max, aber erkennt bald darauf, dass sie doch nur das Anhängsel eines verheirateten Mannes ist. Zufällig stößt sie auf einen Billardclub, bei dem sie Mitglied wird. Sie trainiert wie besessen, verliert sich dabei im Spiel und findet sich schließlich selbst. Nachdem sie ein großes Turnier gewinnt, ist sie plötzlich auch wieder für ihre vermeintlichen Freunde interessant.215 Endlich schenkt ihr auch der Antiquitätenhändler Hans Seebaum (Florentin Groll) mehr Aufmerksamkeit. Die beiden verabreden sich zu einem Treffen, wo Judit ihm ihre Liebe gesteht. Es hat den Anschein als würde er ihre Gefühle erwidern, letztendlich muss sie jedoch feststellen, dass der erhoffte Anruf nicht kommen wird. An dieser Stelle endet Judits Erzählung, durch die wir von ihren Erkenntnissen in einem Leben voller Karambolagen erfahren haben. Dann kommt „der King“ (Wilfried Baasner), der der beste Billardspieler in der Gegend sein soll, wovon sich Judit selbst überzeugen will. Im Verlauf des Films beobachten wir Judit auf ihrem Weg zur Billardspielerin und können sehen auf welche Hindernisse sie dabei stößt: Bei ihrem ersten Treffen mit Ernstl, erfahren wir, dass sie das Spiel schon als Jugendliche interessiert hätte, als ihr damaliger Freund mit seinen Freunden Carambol spielte, aber die Besitzerin des Cafés habe gesagt, Frauen würden den Tisch kaputt machen. Bei Judits erstem Besuch in Lilos Café sagt die Barfrau zu Judit, sie solle ein bisschen Spielen, worauf einer der Gäste die Lilo fragt: „Hast du net Angst um den Tisch?“ Aber Lilo ist nicht der Meinung, Frauen können nicht Billardspielen, und auch die männlichen Spieler werden prompt eines Besseren belehrt. In einem anderen Café sind zwei Stammgäste entsetzt, als sich Judit ein Queue nimmt, und rufen die Kellnerin zur Hilfe: „Wenn Sie die spielen lassen, dann ist der Tisch hin.“, sagt einer der älteren Herren, die sie am Spiel hindern wollen. Judit will als sie selbst anerkannt werden und beschließt daher sich zurückzuziehen, und zwar in eine Männerdomäne – nicht zuletzt mit dem Hintergedanken, diese zu sprengen. Das Carambol-Billard erhält symbolischen Charakter für das Leben von Judit, da sie immer wieder mit den Menschen in ihrer Umgebung „zusammenkracht“, wie 215 Ebd.; vgl. auch den Film Karambolage 1983. 73 die Kugeln beim Spiel. Die Freude über einen Sieg und Enttäuschung, wenn ein Spiel verloren wird, können allegorisch als Höhen und Tiefen in ihren Beziehungen gedeutet werden. Obwohl die Liebe, wie sie sagt, kein Spiel ist, sondern Ernst. Das Band, das sie ab dem intensiven Training bei jedem wichtigen Spiel am Kopf trägt, erinnert an die Rambo Action-Filme (1982), und erweckt den Eindruck, als würde sie sich jedesmal in Kampfstellung begeben, wenn sie beginnt Ca'RAMBO'l zu spielen. Sie zieht sozusagen in den Krieg, bewaffnet mit einem Queue. Und so wie sich das Stoßen mit dem Queue, das sie in der Hand hat, auf die Bälle auswirkt, sind es ihre eigenen Handlungen in ihrem Leben, die ausschlaggebend für den Verlauf ihrer Beziehungen sind. Kleine Unebenheiten am Tisch, Zufälle, können nie ausgeschlossen werden, damit muss man rechnen. Es hat keinen Sinn die Schuld bei jemand anderes zu suchen. Wichtig ist, sich zuerst auf sein eigenes Tun zu konzentrieren, sich über die Folgen bewusst sein, und versuchen es so gut wie möglich zu machen. Es ist gut zu wissen, gegen wen man spielt und im Auge zu behalten, dass man nicht immer gewinnen kann. „Wer gewinnen will, will dass andere verlieren“, sagt Lilo in der letzten Szene des Films zu Judit, und spielt damit auf ihren Egoismus an, wegen dem nicht nur Lilo zu Schaden kommt, sondern der auch die Ursache für Judits Problemen mit ihren Mitmenschen sei. Kitty Kino sagt über ihren Film: „Ich setze in diesem Film schon voraus, daß sich Frauen emanzipieren können und es auch tun. Nicht die direkte Diskriminierung steht daher im Mittelpunkt von ‚KARAMBOLAGE‘, sondern die ungeklärten Verhältnisse zwischen den neuen Frauen und der alten Gesellschaftsordnung, bzw. denen, die diese aufrechterhalten wollen.“216 Dieses Zitat verdeutlicht ebenfalls die Botschaft der letzten Szene, da Lilo, um einiges älter als Judit, zwar im ganzen Film sehr emanzipiert erscheint, jedoch sichtlich noch an „alten Gesellschaftsordnungen“ festhält. Lilos plötzlich so verändertes Verhalten in Gegenwart dieses einen sehr dominanten Mannes irritiert Judit sichtlich, und dieses Unverständnis erweckt in ihr das Bedürfnis erneut zu beweisen, dass ihre Lebensphilosophie die bessere ist. Sie trachtet nach Selbstverwirklichung, die sich aber am Ende als narzisstischer Egotrip herausstellt. 216 Kino, 1983. 74 32.000 österreichische Kinobesucher sahen den Film. „Als der Film […] in die Kinos kam“ so die Regisseurin, „schnellte der Zuwachs an billardspielender Frauen in Österreichs Billardvereinen von 0 auf 20 Prozent“.217 6. Schlusswort Wesentlich für Vorgänge der Exklusion bzw. Inklusion von Frauen im Billardsport, sind der Ort des Spiels und seine historischen Veränderungen. Insofern nimmt diese Arbeit ihren Ausgangspunkt im sogenannten Spatial turn der Kulturwissenschaften. Billard verbreitete sich zuerst in den Häusern der Adeligen, wo es von Frauen und Männern gleichermaßen gespielt wurde. Mit der Entwicklung der Spielgeräte und weiteren Ausbreitung in den Kaffeehäusern veränderte sich dieses zunächst ausgeglichene Verhältnis zwischen Mann und Frau. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts war der Frauenanteil stark eingeschränkt. Billard wurde bald zu einer der Lieblings-Freizeitbeschäftigungen der Wiener im Café und hatte als wichtige Einnahmequelle der Cafétiers einen hohen Stellenwert. Doch von billardspielenden Frauen gab es keine Spur, obwohl die Kaffeehausbesitzer nicht uninteressiert an weiblicher Kundschaft waren. Zu stark waren die Rollenbilder in der frühen Kultur des Bürgertums, die Frauen außer als Objekt der Lust (siehe die Figur der Sitzkassiererin, Kapitel 2.4.1) aus der Öffentlichkeit des Cafés ausschlossen. Der erste Damenbillardclub, der eigentlich einen Widerspruch zur politisch gesellschaftlichen Stellung der Frau im Austrofaschischmus darstellte, war am Ende doch nur eine kurzweilige Erscheinung, die eher eine gute Geschäftsidee gewesen zu sein scheint, als ein Zeichen für eine nachhaltige emanzipatorische Bewegung. Sport ist wie gezeigt strukturell männlich behaftet, was auf gesellschaftliche Konstruktionen von geschlechterspezifischen Rollenklischees zurückzuführen ist. Sie werden zwar einerseits von Sportlerinnen aufgebrochen, andererseits jedoch durch die Art der medialen Berichterstattung wieder gefestigt Geschlechterdifferenz im Sport, Kapitel 4.1). 217 Kino, Kitty: Austria (in) Felix, hg. von F. Bono. Graz-Rom, Edition Blimp/Aiace. 1992. 75 (siehe Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts tauchen zwar vermehrt bildliche Darstellungen von Frauen am Billardtisch auf, die Frauen allerdings nur in passiven oder grotesken Rollen zeigen. Die Emanzipation der Frauen zum Spiel zeigte sich im Billard nur langsam. Lebendes Beispiel für die erste Frau in der Männerdomäne Billard ist Ingrid Englbrecht, Europameisterin im Carambol. Beispiele für einen Rollenwechsel zeigten sich auch in der amerikanischen Filmindustrie. Emanzipation der Frauen und – als Echo wie als Lautsprecher dieser Entwicklung – der Film „Karambolage“, haben zu einem rasanten Anstieg der Frauenbeteiligung am Billardspiel geführt. Die Orte des Spiels haben sich verändert. Das Billardcafé verschwindet zunehmend aus dem Stadtbild. Hallen sind vor allem bei der Jugend beliebte Orte, wo Billard, speziell Pool und nicht Carambol, hauptsächlich der Unterhaltung dient. Dort ist der Zugang niederschwellig, was den Zugang allgemein erleichtert, also auch die Zahl der Frauen erhöht. Im Spitzensport erfolgt diese Entwicklung, das Eindringen und Auflösen einer Männerdomäne, langsamer. 76 7. Anhang Abbildung 13: Zeitungsbericht aus der Kronenzeitung (Quelle: Ingrid Englbrecht) 77 7.1 Quellen 7.1.1 Literatur Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger, Wien 1872, Branchenverzeichnis, S. 632, http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/28251 (abgerufen am 15.5.2015). 1890, Branchenverzeichnis, S. 1427, http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/60293 (abgerufen am 15.5.2015). 1918, Namenverzeichnis, S. 1217, http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/159301 (abgerufen am 15.5.2015). 1934, Branchenverzeichnis, S. 27, http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/212902, und S. 103 (http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/212978). 1941, Band 1 [Namenverzeichnis], http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/259344 (abgerufen am 10.5.2015). 1942, Band 1: [Namenverzeichnis], http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/zoom/266113 (abgerufen am 10.5.2015). „Anzeige“. 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Düsseldorf, ECON Taschenbuchverlag. 1983. 81 Weingartner, Heinrich: Austria Top 100. In: billard– mit dem offiziellen Teil des Billard Sportverbandes Österreich, Nr. 273, 2015, S. 46. Weingartner, Heinrich: Billard. Das Buch zum Spiel. Wien, Eigenverlag. 1989. Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 145, 2002, S. 42. Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 190, 2006, S. 43. Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 192, 2007, S. 43. Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 254, 2013, S. 41. Weingartner, Heinrich. Damals… In: billard, Ausgabe 265, 2014, S. 41. Weingartner, Heinrich: Informationen über den Billardsport. Die Disziplinen des Carambol-Billardspiels. Wien, Selbstverlag. 1995. Weingartner, Heinrich: Homepage Wiener Billard Sport Verband, http://www.wbsv.info/html/wbsv/wbsvintern.htm (abgerufen am 3.4.2015). 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Mai 2015. 82 7.1.3 Audiovisuelle Quellen Film Karambolage (Österreich 1983), Regie: Kitty Kino. Film The Hustler – Haie der Großstadt (USA 1961), Regie: Robert Rossen. Film The Color of Money – Die Farbe des Geldes (USA 1984), Regie: Martin Scorsese. 7.2 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: „Das Gesicht“ von Georg B. Probst, Kupferstich aus dem Jahre 1780, (Quelle: Billardmuseum Weingartner) ..................................................................... 9 Abbildung 2: „Wie sich die alten und die jungen Herren um die schöne Marie die Füße weglaufen.“, Kupferstich aus dem Jahre 1838 (Quelle: Billardmuseum Weingartner) ......................................................................................................... 25 Abbildung 3: Die Kassierin vom silbernen Kaffeehaus, Kreidelithografie von Vinzenz Katzler, Wien 1871 (Quelle: Billardmuseum Weingartner) ...................... 27 Abbildung 4: Artikel „20 Billardärinnen in Wien“, aus: Illustrierte Kronen-Zeitung vom 23. Dezember 1934 (Quelle: Billardmuseum Weingartner) ........................... 36 Abbildung 5: Die Runde der „Billardärinnen“ (auf dem Foto links Josef Pipal, rechts die Cousine von Ernst Reicher), Fotografie 13 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) ............................................................................... 42 Abbildung 6: Zeitungsannonce der Firma Heinrich Seifert & Sohn, aus: Kikeriki, Humoristisches Volksblatt, 19. Jänner 1879, Beilage (Quelle: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=kik&datum=18790119&seite=7) ....... 43 Abbildung 7: Josef Pipal und die Cousine von Ernst Reicher, Fotografie 13 x 8,5 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) ................................... 45 Abbildung 8: Senta Wengraf, Fotografie 8,5 x 13,5 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) ............................................................................... 45 Abbildung 9: Lucie Wengraf, Fotografie 11 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) ............................................................................... 46 83 Abbildung 10: Senta Wengraf 1936, Fotografie 11 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) ............................................................................... 47 Abbildung 11: Un coup difficile 1870 nach E. Boutibonne / evtl. nach Gemälde von Charles Francois Boutibonne aus dem Jahr 1860, Stecher: Paul Girardet, Lithografie schwarz-weiß, Frankreich, 63,5 x 52 cm (Quelle: Billardmuseum Weingartner) ......................................................................................................... 58 Abbildung 13: Zeitungsbericht aus der Kronenzeitung (Quelle: Ingrid Englbrecht) .............................................................................................................................. 77 84 Danksagung An dieser Stelle möchte ich den zahlreichen Personen und Institutionen, die bei der Entstehung dieser Arbeit behilflich waren, meinen Dank aussprechen: Mein besonderer Dank gilt meinem Betreuungslehrer Ernst Strouhal, der mich auf dieses Thema meiner Diplomarbeit aufmerksam gemacht, und mich mit viel Geduld angespornt hat. Ebenfalls möchte ich meinen Eltern vielmals dafür danken, ohne deren Unterstützung es mir nie möglich gewesen wäre, ein so großartiges Studium zu genießen und abzuschließen. Heinrich Weingartner sen. hat mich nicht nur mit Literatur und Bildmaterial versorgt, sondern mir in zahlreichen Interviews viele Fragen beantwortet. Vielen Dank für Ihre Hilfe, und so viel freundliches Entgegenkommen! Mein Dank geht auch an Ingrid Englbrecht, die mir nicht nur einen guten Einblick in die Billardwelt der Frauen gegeben, sondern mir auch einige Stöße gezeigt hat. Katharina Kniefacz hat mir nicht nur als hervorragende Korrekturleserin, sondern auch motivierend beigestanden. Auch meine Vorgesetzten und Kollegen haben mir während meiner Schreibphase viel Freiraum verschafft. Danke dafür. Abschließend möchte ich meinen besten Freunden danken, und allen die mich während der Anfertigung meiner Arbeit mit Literatur, und ihrem Fach- und Allgemeinwissen unterstützt haben. Der Familie Weingartner, den MitarbeiterInnen des Filmmuseums Wien, den Angestellten angewandte Kunst uvm. 85 der Universitätsbibliothek für Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die Diplomarbeit selbstständig verfasst, keine andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfen bedient habe, dass diese Diplomarbeit weder im In- noch Ausland (einer Beurteilerin / einem Beurteiler zur Beurteilung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt wurde, dass dieses Exemplar mit der beurteilten Arbeit übereinstimmt. Wien, 12. Juni 2015 Unterschrift 86