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Das Billard in Wien – Exklusion bzw. Inklusion der Frauen
im Billardsport
Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades „Mag.a art.“ (Magistra artium)
in den Studienrichtungen Kunst und Kommunikative Praxis und Design Architektur
und Environment.
Unterrichtsfach Bildnerische Erziehung und Unterrichtsfach Werkerziehung
(S190 590 591)
eingereicht an der Universität für angewandte Kunst Wien
am Institut für Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung
bei Ernst Strouhal ao. Univ. Prof.
vorgelegt von Elisabeth Wurzenberger
Wien, im Juni 2015
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung ......................................................................................................... 4
2.
Geschichte des Billardspiels ............................................................................ 6
2.1
Vom Ursprung des Billard .......................................................................... 6
2.2
Von der Verbreitung des Billard in adeligen Kreisen .................................. 8
2.3
Billard im Kaffeehaus für das Bürgertum.................................................. 12
2.3.1
2.4
Frauen im Kaffeehaus .............................................................................. 20
2.4.1
2.5
3.
4.
Der Markör ........................................................................................ 19
Die Sitzkassiererin ............................................................................. 24
Das bürgerliche Frauenbild in Wien um 1800 .......................................... 28
Die Billardärinnen 1934/35 ............................................................................. 35
3.1
Berichte über den 1. Wiener Damenbillardclub ........................................ 35
3.2
Das Frauenbild um 1934 .......................................................................... 39
3.3
Die Mitglieder des ersten Damenbillardclubs in Wien .............................. 42
Exklusion und Emanzipation von Frauen im Billardsport ............................... 48
4.1
Geschlechterdifferenz im Sport ................................................................ 48
4.1.1
Versteinert oder aufgebrochen? Wie sich Rollenklischees im Sport
entwickeln ...................................................................................................... 50
4.2
Billardsport – eine Männerdomäne .......................................................... 54
4.2.1
Exkurs: Grundlegendes zum Billardsport .......................................... 54
4.2.2
Sexistischer Sprachgebrauch: Zweideutige Begriffe ......................... 55
4.2.3
Sexistische Darstellungen von Frauen am Billardtisch ...................... 57
4.3
Frauen im Billardsport in Wien in der Gegenwart ..................................... 59
4.3.1
Frauen in der Billardschule Weingartner ........................................... 59
4.3.2
Frauen in Vereinen ............................................................................ 60
4.3.3
Unterschiedliche Spielstärke von Männern und Frauen .................... 61
2
4.3.4
4.4
5.
Frauen im KÖÖ und im Café Weingartner ......................................... 62
Ingrid Englbrecht ...................................................................................... 63
Billard und Frauen im Film ............................................................................. 70
5.1
„I'm the emancipated type“ – Filmische Darstellung der Situation von
Frauen in Poolbillardhallen (USA 1961/1984).................................................... 70
5.2
Die billardspielende Protagonistin in Karambolage (Wien 1983) ............. 72
5.2.1
Inhalt.................................................................................................. 72
6.
Schlusswort.................................................................................................... 75
7.
Anhang........................................................................................................... 77
7.1
Quellen..................................................................................................... 78
7.1.1
Literatur ............................................................................................. 78
7.1.2
Interviews .......................................................................................... 82
7.1.3
Audiovisuelle Quellen ........................................................................ 83
7.2
Abbildungsverzeichnis ............................................................................. 83
Danksagung .......................................................................................................... 85
Eidesstattliche Erklärung ....................................................................................... 86
3
1. Einleitung
Ausschlaggebend für die Wahl meines Themas war ein Zeitungsartikel mit dem
Titel „Die Billardärinnen“ aus dem Jahr 1934, der vom ersten Damenbillardclub in
Wien handelt.
Als leidenschaftliche Billardspielerin sah ich darin die Gelegenheit, mein Wissen
über das Billard und seine Verbreitung speziell in Wien, zu vergrößern. Aufgrund
der Tatsache, dass so wenige Frauen im Vergleich zu Männern professionell
Billard spielen, wollte ich mich mit der Frage beschäftigen, ob Billard schon immer
eine Männerdomäne war, warum das so ist, und meine Erkenntnisse dazu in Form
einer kulturwissenschaftlichen Arbeit wieder geben. Meine erste Anlaufstelle war
das Billardmuseum Weingartner in Wien. Heinrich Weingartner sen., selbst
ehemaliger Profi-Billardspieler und Leiter eines Billard-Fachhandels und -Cafés,
einer Billard-Schule sowie des Museums, gab mir in zahlreichen Interviews
Antworten auf viele meiner Fragen, und lieferte mir einen großen Teil meiner
verwendeten Unterlagen zum Thema Billard und Kaffeehauskultur in Wien.
Der Artikel zu den „Billardärinnen“ 1934 – wie sie vom Autor in der Zeitung
genannt wurden – warf zahlreiche weitergehende Fragen auf: Welche Meinungen
herrschten in der Gesellschaft lange vor dem ersten Damen-Billardclub im Bezug
auf die Stellung der Frau? Wie stand es im 18. und 19. Jahrhundert mit den
Möglichkeiten für Frauen, Billard zu spielen? Die Frage stellt sich besonders unter
dem Aspekt, dass das Spiel hauptsächlich in Kaffeehäusern betrieben wurde, wo
sich Frauen – wenn überhaupt – nur in Gesellschaft eines Mannes aufhielten. Die
Frage, wie Geschlechterrollen als Argumente dagegen angeführt wurden, wird
daher zunächst im ersten Kapitel über die Geschichte des Billard behandelt, wo
ich auch kurz auf den Ursprung des Billards eingehen, und einige bahnbrechende
Neuerungen, die eine Wandlung vom Spiel zum Präzisions- und Leistungssport
möglich machten, nicht unerwähnt lassen werde.
Das zweite Kapitel behandelt den ersten Damen-Billard-Club in Wien, besonders
den Zeitungsartikel, der 1934 dazu erschien, sowie die sozialen Umstände, unter
denen Frauen zu dieser Zeit lebten. Darüber hinaus geht es der Frage nach, wer
die billardspielenden Frauen waren und wie es dazu kam, dass sie trotz
4
frauendiskriminierender Politik während des Austrofaschismus im Café Billard
spielten.
Das nächste Kapitel behandelt die Frau im Billardsport. Dabei soll zum Kontext
Geschlechterdifferenzen
im
Sport
im
Allgemeinen,
auf
geschlechtliche
Ungleichheiten im Sport und deren mögliche Ursachen eingegangen werden.
Unter dem Aspekt, dass Billard nach wie vor eine von Männern dominierte
Sportart darstellt, werde ich – bevor ich Beispiele erläutere, die diesen Umstand
unterstreichen
und
bestätigen
–
die
Billardform
Carambol
und
deren
Unterdisziplinen erklären.
Ingrid Englbrecht, Wiens erste turnierreife Carambolspielerin, deren Leben und
Karriere als Billardspielerin ausführlich beschrieben wird (insbesondere auch unter
dem Gender-Aspekt) gab mir im Interview einen guten Einblick in die Situation,
welcher sie sich als billardspielende Frau in den 1960er-1980er Jahren stellen
musste, und wie es sich heute verhält.
Daneben ist der Film Karambolage (1983 unter Regie von Kitty Kino) ein
ausgezeichnetes Beispiel für eine Frau am grünen Tisch – ebenfalls im Wien der
80er Jahre – die nicht mehr nur die Rolle der Beobachterin ein-, sondern das
Queue selbst in die Hand nimmt. Ein kurzer Einblick in den Handlungsverlauf des
Films, ohne dabei das Ende zu verraten, und eine nähere Beschreibung
themenrelevanter Szenen sollen Aufschluss über die Schwierigkeiten geben, mit
denen die Protagonistin auf ihrem Weg zur Billardspielerin zu kämpfen hat. Zuvor
soll anhand von zwei bekannten Billardfilmen, The Hustler (1961) und The color of
money (1984), die sich ändernde Situation für Frauen in US-amerikanischen
Billardhallen innerhalb von 20 Jahren aufgezeigt werden.
Da Carambol die längste Tradition in Wien hat, habe ich mich bei meinen
Recherchen und mit dem Ausdruck Billard in erster Line auf das Spiel mit den drei
Bällen bezogen.
Mai 2015
E.W.
5
2. Geschichte des Billardspiels
2.1 Vom Ursprung des Billard
Im Folgenden soll der Ursprung des Billard, sein Name, und die Entwicklung der
Gerätschaften kurz erklärt werden. Mit besonderem Augenmerk auf die
Beteiligung der Frau am Spiel werde ich dabei auch einen Einblick in die
verschiedenen Umgebungen der Verbreitung geben – von adeligen Kreisen bis in
das öffentliche Wiener Kaffeehaus.
Die Erfindung des Billard ist dem französischen und englischen Adel zu
verdanken. Wo genau das Spiel zum ersten Mal gepflegt wurde, ist nicht
überliefert, doch der Name leitet sich vom französischen Wort „bille“ ab, das soviel
heißt wie
Kugel, Ball
oder
Murmel.
Andere
Quellen
behaupten,
dass
möglicherweise das französische Wort „billart“ – auf deutsch Krummstab – für die
Namensgebung verantwortlich ist.1 Das Wort Queue, wie der konische Spielstab
genannt wird, hat seine Wurzeln so wie viele andere Fachausdrücke beim Billard
ebenfalls in Frankreich und bedeutet auf Deutsch Schwanz bzw. Schweif.
Wichtige Neuerungen das Material betreffend stammen aus Frankreich, so wie
zum Beispiel das Lederkäppchen2 an der Spitze des Queues, das 1807 von
Francois Mingaud erfunden wurde.3 Es revolutionierte das Billardspiel, denn von
da an waren genauere Manöver möglich, die den Ball durch nicht zentrales
Anspielen
zusätzlich
in
Rotation
versetzten
konnten,
sodass
dieser
gegebenenfalls rückwärts, oder sogar im Bogen rollte. Wie von Hexerei gelenkt
bewegten sich die Bälle plötzlich in für Laien nicht nachvollziehbare Richtungen.
Zehn Jahre später folgten die ersten Erwähnungen einer Kreide zum Aufrauen des
Queueleders, um zu vermeiden, dass der das Queue beim Stoßen abrutscht. Vor
der Einführung der Kreide wurde die Queuespitze an den Wänden gerieben, wo
der Verputz diese Funktion übernahm.4 Der französische Mathematiker Gaspard
Gustave de Coriolis untersuchte die Rotationsbewegungen der Bälle und
1
Vgl. Schiffer, Franz: Billard. Pool, Snooker, Karambol: Regeln, Technik, Geschichte. München,
Hugendubel Verlag. 1994, S. 14.
2
Die so genannte Pomeranze
3
Vgl. Weingartner, Heinrich: Billard. Das Buch zum Spiel. Wien, Eigenverlag. 1989, S. 325.
4
Vgl. ebd.
6
veröffentlichte 1835 die Schriften zu seinen Forschungen unter dem Titel: „Thèorie
mathématique des effets du jeu de billard“.5
Aber auch in England entstanden viele Innovationen, die für die Entwicklung des
Billard von der reinen Freizeitbeschäftigung zum Präzisionssport wichtig waren.
Der Londoner John Thurston verwendete 1826 als erster Schiefer anstelle von
Marmor und Holz als Material für die Tischplatten und ersetzte 1835 die bis dahin
üblichen Stopfbanden6 durch Naturkautschuk.7 Später erreichte man durch
Vulkanisation des Gummis, dass die Elastizität der Banden temperaturunabhängig
wurde.8 Eindeutig ruhigeres Rollverhalten und berechenbares Abprallen der Bälle
waren die Folgen. Im Billardmuseum kann man auch Bandenexperimente mit
Spiralfederkonstruktionen bewundern, welche sich aber nicht durchsetzen
konnten. Vor diesen modernen Ausführungen war der Verlauf der Bälle sehr stark
vom Zufall abhängig gewesen. Außerdem waren die Bälle früher aus Elfenbein,
deren Schwerpunkt nicht selbstverständlicher Weise in der Mitte liegen musste,
was ebenfalls Auswirkungen auf deren Verlauf hatte. Heute werden sie aus
Kunstharz
gefertigt,
das
billiger
sowie
widerstandsfähiger
ist,
und
den
Schwerpunkt in der Mitte garantiert. Abgesehen davon stellte Elfenbein natürlich
auch einen beträchtlichen Kostenfaktor dar, weshalb Billard anfangs eindeutig ein
Spiel der Oberschichten war. Der erste Elfenbeinersatz wurde 1869 erfunden,
nachdem 18639 der bekannter Londoner Billardfabrikant, Michael Phelan, ein
Preisgeld in der Höhe von 10.000 $ darauf ausgeschrieben hatte.10 Die englischen
Billardspieler haben durch die schriftliche Kodifikation genauer Regeln und das
Abhalten jährlicher Meisterschaften in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
wesentlich zur Entwicklung vom Spiel zum Sport beigetragen.11
Die Entstehung des Spiels ist ursprünglich darauf zurückzuführen, dass die
Herren, aber auch Damen der herrschenden Gesellschaft Europas in der ersten
Hälfte des 15. Jahrhunderts12 nicht mehr gewillt waren, das Ausüben ihrer
Spielleidenschaften vom Wetter abhängig zu machen. Deshalb verlegten sie ihre
5
Vgl. Schiffer, 1994, S. 14.
mit elastischen Materialien wie Rosshaar und Leinen gefüllte Banden
7
Vgl. Schiffer, 1994, S. 13.
8
Vgl. Weingartner, 1989, S. 325.
9
Schiffer, 1994, S. 14.
10
Vgl. Billard. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Billard (abgerufen
am 14.2.2015).
11
Vgl. Weingartner, 1989, S. 324.
12
Vgl. ebd., S. 323.
6
7
dem heutigen Krocket oder Golf ähnlichen Ballspiele von außen in den Innenraum.
Bald erhob man das „Bodenbillard“13 auf den Tisch, fügte Holzleisten als Banden
hinzu und auch die im Freien verwendeten Hindernisse, die meist aus Bögen und
Kegeln bestanden, gehörten noch lange zum Billard-Spiel. Die grüne Farbe der
Tücher, mit denen die Tische seit 146914 bespannt wurden, ist auf den früheren
Spieluntergrund – den Rasen – zurückzuführen. Die Löcher, in die der Ball etwa
beim Golf getroffen werden musste, verschwanden beim Billard nur teilweise und
zeigten sich in England am beständigsten, wo heute Snooker zu einer der
beliebtesten Sportarten überhaupt gehört. Das Queue sah lange Zeit den bei
Rasenspielen verwendeten Schlägern sehr ähnlich, woher auch die Verbindung
zum Wort „billet“ (für Krummstab) als möglicher Namensgeber stammt, und wurde
in dieser frühen Form „Mace“ genannt.
2.2 Von der Verbreitung des Billard in adeligen Kreisen
Über die adeligen Kreise, deren Residenzen, Universitäten und Ballsäle,15
verbreitete sich das Billard sehr schnell in ganz Europa und war bei Frauen und
Männern eine beliebte Freizeitbeschäftigung, da es „nicht nur unterhaltend,
sondern auch gesund [war]“.16 Die Vorteile des Spiels wurden schon früh erkannt
und trugen, wie u.a. zum Beispiel der Aspekt der Körperbewegung, sehr zum
gesellschaftlichen Ansehen des Billards bei. So schrieb Anton Baumann in seinem
Buch „Gründlicher Unterricht und Regeln des Billard-Spiels“ von 1795,17 dass vor
allem „nach genoßner Mahlzeit […] dieses Spiel, gleich allen anderen
Leibesbewegungen, dem Körper am zuträglichsten und dienlichsten“18 sei. Neben
der Schulung des Augenmaßes „erhalten unsere Augen durch die grüne Farbe
des Tuchs, womit gemeiniglich die Billardtafeln überzogen sind, viel Stärke; denn
es ist eine bekannte und von den Ärzten schon längst erwiesene Wahrheit, daß
die grüne Farbe das Auge ungemein schärft“.19
13
Ebd.
Vgl. Billardtuch. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Billardtuch
(abgerufen am 2.5.2015).
15
Vgl. Weingartner, 1989, S. 323.
16
Singer, Herta: Im Wiener Kaffeehaus. Wien, Verlag für Jugend und Volk. 1959, S. 45.
17
Baumann, Anton: Gründlicher Unterricht und Regeln des Billard-Spieles. Wien, 1795.
18
Ebd., S. 2.
19
Ebd.
14
8
Abbildung 1: „Das Gesicht“ von Georg B. Probst, Kupferstich aus dem Jahre 1780,
(Quelle: Billardmuseum Weingartner)
Ein von Heinrich Weingartner sen. gern genanntes, gutes Beispiel dafür, dass
Frauen und Männer in den Anfängen in gleicher Zahl am grünen Tisch vertreten
waren, ist ein Kupferstich von Georg B. Probst aus dem Jahre 1780. „Das Gesicht“
– so lautet der Titel des Bildes – zeigt einen großen adeligen Spielsalon mit zwei
Billardtischen und war als Guckkastenbild auf Jahrmärkten ausgestellt. 20 Aber eine
geschlechtsspezifische Ungleichheit herrscht dennoch augenscheinlich: Wie man
am Billard im Vordergrund erkennen kann, hält die Spielerin im Gegensatz zum
Spieler, der sich gerade weit über den Tisch beugt, um einen Stoß mit dem Queue
auszuführen, ein Mace in der Hand.
Anton Baumann schreibt in seinem bereits erwähnten Buch von 1795, im Kapitel
zur „Beschreibung und Benutzung der dazugehörigen Instrumente“21 Folgendes
über das lange neben dem Queue verwendete Stoßwerkzeug:
20
21
Interview mit Heinrich Weingartner sen., Wien, 10. November 2014.
Baumann, 1795 S. 4.
9
„Maas oder die Masse, ist ein Stab, woran unten ein Holz, der Waffenschuh
genannt, befestigt ist, das ungefähr die Gestalt einer unten eingebogenen
kleinen Schippe hat. Dieses Instruments bedienen sich diejenigen, welche nicht
mit Queues stossen können, andere aber gebrauchen dasselbe nur in dem
Falle, wenn sie den Ball mit dem Queue nicht erreichen können […]. Bey
manchen Spielern muß es auch die Stelle des Bockes vertreten“.22
Da die Frau auf dem Bild anscheinend noch mit einem Mace spielt, obwohl das
Queue seit Mitte des 18. Jahrhunderts schon weit verbreitet war, könnte man auch
behaupten, dass damals schon die Meinung herrschte, Frauen könnten nicht mit
Queues stoßen und dass die Verwendung des Mace daher „sicherer“ war, um den
Tisch nicht zu beschädigen.23
Das „nicht können“ hing wahrscheinlich auch mit der für die Handhabung des
Queue unvorteilhaften Mode zusammen, die die Frauen wie beim Tennis in ihrer
Bewegungsfreiheit maßgeblich einschränkte. Außerdem bestand die Gefahr, dass
deren Reifröcke, die oft aus leichten und deshalb zerbrechlichen Materialien
gefertigt waren, dabei zu Bruch gingen.24 Das Spielen mit dem Queue verlangt,
sich über den Tisch zu beugen, mit dem Mace stieß man dagegen in aufrechter
Körperhaltung. Da mit dem Mace nicht annähernd so präzise Stöße wie mit dem
Queue ausgeführt werden konnten, waren die Frauen somit von Vornherein im
Nachteil, wodurch sie vielleicht auch rascher als ihre männlichen Mitspieler die
Lust am Spielen verloren und sich deshalb vom Billard entfernten.25 Ebenfalls
möglich wäre es, dass die Frau auf dem Bild gar nicht selbst am Spiel beteiligt ist,
sondern das Mace nur für den Herrn bereithält, falls dieser den Ball nicht anders
erreicht oder es als Stütze zum Auflegen der Queuespitze verwenden wollte.
Es gibt viele Hinweise auf adelige Frauen, die gerne und wahrscheinlich gut Billard
gespielt haben. Ihr Zugang zum Spiel war auch noch nicht auf öffentliche Räume
wie das Kaffeehaus beschränkt, wo jedermann sie hätte beobachten können. Sie
konnten in privaten Bereichen des Spiels, dem Salon, ihre Zeit am Billard
vertreiben, ohne dabei in Verruf zu geraten sich „unweiblich“ zu verhalten.
22
Ebd.
Shamos, Michael: Billiards: A women's history. In: Billiards Digest, 1992, S. 4.
24
Vgl. Interview mit Heinrich Weingartner sen., Wien, 15. Bezirk, 2. Mai 2015.
25
Interview mit Heinrich Weingartner sen., 10. November 2014.
23
10
Einige Anekdoten über historische weibliche Persönlichkeiten erschienen in einer
deutschen Billardzeitung von 1929. Eine erzählt, dass Kaiserin Maria Theresia
ebenso wie ihre Tochter Marie Antoinette eine begeisterte Billardspielerin
gewesen sein soll. Im Mai 1778 – Marie Antoinette hielt sich demnach gerade in
Paris auf und war schwanger – soll ihre Mutter ihr geschrieben haben, dass sie
sich darüber freue, dass Marie Antoinette Frankreich einen Erben schenken
werde, und sie endlich mit dem Billardspiel aufgehört habe. Angeblich habe sie oft
bis in die Nacht hinein Billard gespielt, was ihrer Mutter scheinbar missfiel. Am
liebsten habe sie in dem Schlößchen Petit Trianon in Versailles gespielt und ihr
Queue soll aus Elfenbein, mit Gold und Edelsteinen verziert, gefertigt worden
sein.26 Ob es sich hierbei um ein Queue handelte, wie man es heute kennt, oder
ein Mace, ist nicht belegt.27 Angeblich verehrte sie es so sehr, dass sie den
Schlüssel für das Kabinett, in dem sie es aufbewahrte, immer an einer Kette um
den Hals trug.28 Auch Kaiserin Elisabeth von Österreich, soll dem Billard sehr
ergeben gewesen sein.29
Dass das Billard zumindest in Österreich gegen Ende des 18. Jahrhunderts noch
ein typisches Spiel des Adels und des Großbürgertums war, verdeutlicht Anton
Baumann, als er in seinem Buch „Gründlicher Unterricht und Regeln des
Billardspieles“ von den Vorteilen gegenüber anderen Spielen schreibt. Das
Vergnügen bestehe ihm zufolge auch darin, dass sich der Spieler „[…] meistens in
einer ihm und seinem Stande gleichen und angemeßnen Gesellschaft befindet“
und „er sich hierbey an einem solchen Orte, oder doch wenigstens in einem
solchen Zimmer befindet, wo Personen vom niedrigsten Stande der Zutritt versagt
und er also hierbey nicht in die Notwendigkeit versetzt ist, schmutzige Gespräche
mit anzuhören, oder andere sein Vergnügen verringernde Unbequemlichkeiten zu
ertragen“30 habe.
26
Aus dem Archiv von J. Neuhusens's Billardfabrik. In: Billard-Zeitung des Deutschen AmateurBillard-Bundes u. der angeschlossenen Clubs (Köln), Nr. 3, 6. Jg., Juli 1926, S. 727. Quelle:
Billardmuseum Weingartner.
27
Interview mit Heinrich Weingartner sen., 10. November 2014.
28
Shamos, 1992, S. 4.
29
Aus dem Archiv von J. Neuhusens's Billardfabrik. In: Billard-Zeitung des Deutschen AmateurBillard-Bundes u. der angeschlossenen Clubs (Köln). Nr.3, 6. Jg., Juli 1926, S. 727. Quelle:
Billardmuseum Weingartner.
30
Baumann, 1795, S. 3.
11
Was lange Zeit der Oberschicht vorbehalten blieb, sollte Mitte des 18.
Jahrhunderts das gesamte Bürgertum in seinen Bann ziehen. Durch die hohen
Anforderungen des Billard an die räumlichen Begebenheiten, und die kostspielige
Herstellung der Gerätschaften – wie die großen Tische und das Elfenbein für die
Bälle – war es für Angehörige der mittleren Schichten (Beamte, Handwerker)
schwer denkbar, sich ein Billard zu Hause aufzustellen. Doch mit der Verbreitung
des Billard in den Kaffeehäusern sollte auch ihnen endlich freier Zugang zum Spiel
verschafft werden – zumindest dem männlichen Anteil des Bürgertums.
Außerdem kam das logische Spiel wegen seiner hohen geometrischen
Ansprüche, die einen klaren Kopf und geistige Betätigung erforderten, einer
vernunftbetonten und disziplinierten Geselligkeit entgegen, wie sie im Kaffeehaus
und in der frühen Kultur der Bürgerlichkeit gepflegt wurde.31
Ab 1745 bekamen die Wirtshäuser, im Gegensatz zu den Kaffeehäusern, keine
Genehmigung mehr für das Aufstellen von Billardtischen, da es von der Regierung
als ein typisches Kaffeehausspiel eingestuft wurde.32 In den Schenken wurde viel
Alkohol getrunken. Aufgrund der sinkenden Hemmschwelle, kam es regelmäßig
zu gefährlichen Ausschreitungen, weshalb diese Orte bis ins 19. Jahrhundert, wo
die Tendenz Richtung „Nobelbeisl“ mit Essen à la carte ging, ebenfalls kein Platz
für Frauen waren. Für sie als Geselligkeit vorgesehen und erlaubt waren
Theaterbesuche, Spaziergänge, oder Konversation in privaten Gesellschaften.33
2.3 Billard im Kaffeehaus für das Bürgertum
Gerhard H. Oberzill beschreibt in seinem Buch „Ins Kaffeehaus! – Geschichte
einer Wiener Institution“ ein sehr treffendes Bild des neuen öffentlichen Wohnzimmers der Wiener:
„Ein echtes Wiener Kaffeehaus könnte ebensogut Zeitungshaus heißen. Sind
doch diese praktisch gleich wichtig wie der Kaffee. Von Anfang an gewesen.
[…] Somit rangiert das Vergnügen der Zeitungslektüre, ex aequo mit dem des
31
Vgl. Tanzer, Gerhard: Spectacle müssen seyn. Wien-Köln-Weimar, Böhlau Verlag. 1992, S. 239.
Vgl. Gugitz, Gustav: Das Wiener Kaffeehaus: Ein Stück Kultur- und Lokalgeschichte. Wien,
Deutscher Verlag für Jugend und Volk. 1940, S. 31.
33
Vgl. Tanzer, 1992, S. 192f.
32
12
Billardspiels, zumindest chronologisch eindeutig vor anderen wie Würfel,
Rauchen und Damen im Kaffeehaus.“34
Im Jahre 1784 gab es bereits 64 Kaffeehausbetriebe in Wien und deren Zahl
wuchs von Jahr zu Jahr.35 Mit den Kaffeehäusern, die den Gästen, wie aus dem
Zitat hervorgeht, in erster Instanz zur überregionalen Informationsverbreitung
durch Zeitungen dienten,36 wurde ein neuer Ort geschaffen, der eine Mittelstellung
zwischen Salon und Wirtshaus bezog.37 Während der Adel und das Großbürgertum sich eher in privaten Gesellschaften im Salon traf, hatten die unteren
Schichten ihre Schenken.38 Die Institution Kaffeehaus war ein Ort der gehobenen
Unterhaltung und der Entfaltung politischer Diskurse etc. in der freien
Öffentlichkeit für das Bürgertum.39 Johann Pezzl schreibt in seiner „Skizze von
Wien“ aus den Jahren 1887 bis 1890 Folgendes über die Tätigkeiten der Wiener in
ihrem neuen Wohnzimmer: „Man studiert, man spielt, man plaudert, schläft,
negozirt, kannengießert, schachert, wirbt, entwirft Intrigen, Komplotte, Lustpartien;
liest Zeitungen und Journale etc. etc. etc.“
Pezzl gibt ebenfalls Aufschluss darüber, dass sich nicht nur geschäftstüchtige
Bürger nach getaner Arbeit im Kaffeehaus vom langen Sitzen am Schreibtisch
erholten, sondern auch Faulenzer und Reisende angezogen wurden: „Die Kaffeehäuser sind, wie man weiß, gegenwärtig eines der unentbehrlichsten Bedürfnisse
jeder grossen Stadt. Wie würden so manche Müssiggänger ihre Stunden alle
aufreiben; wie würde sich mancher kleinbemittelter unverheirateter Mensch in der
Eile sein Frühstück verschaffen; wie würde mancher Abentheurer sein Kostgeld
erwerben; wie würde mancher armer Schlucker im Winter umsonst sich wärmen
können, wenn es keine Kaffeehäuser gäbe?“40
Die Spielleidenschaft war in Wien im 18. Jahrhundert sehr ausgeprägt und sollte
sich noch lange halten, da sie den Kaffeesiedern sehr entgegen kam, und jene
34
Oberzill, Gerhard H.: Ins Kaffeehaus! Geschichte einer wiener Institution. Wien-München,
Jugend und Volk Verlag. 1983, S. 51.
35
Vgl. Gugitz, 1940, S. 71.
36
Vgl. Tanzer, 1992, S. 219.
37
Vgl. ebd., S. 218.
38
Vgl. ebd.
39
Vgl. ebd., S. 219.
40
Pezzl, Johann: Skizze von Wien. Wien-Leipzig, Verlag Kraus. 6 Hefte, 1786-1790, hier: 4. Heft,
1787, S. 552.
13
somit auch ihren Gästen. Gab es in einem Kaffeehaus neben den Zeitungen keine
Möglichkeit Schach oder Billard zu spielen, galt dies als ein Armutszeugnis für den
Lokalbetreiber.41 So beschreibt der Lokalhistoriker Franz Gräffer um 1807 „das
‚Kramersche Kaffeehaus‘ geringschätzig, und bemerkte, dass nicht einmal ein
Billard vorhanden war. Die im ersten Stock vorhandenen 2 Billards erwähnte er
wohl, aber die Tatsache, dass im Hauptraum kein Billardtisch aufgestellt war,
kritisierte er scharf“,42 was einiges über den Stellenwert des Billards zu dieser Zeit
aussagt. Jedes Kaffeehaus, das groß genug dafür war, hatte mindestens zwei
oder drei Billardtische – bald auch mehr – in eigens dafür eingerichteten Räumen.
Die Billards sahen zu früheren Zeiten sehr unterschiedlich aus, da es noch keine
festgelegten Maße gab. Gugitz schreibt in seinem Buch „Das Wiener Kaffeehaus“
über die Tische im Café Hugelmann in der Leopoldstadt, wo sich die Universität
des Billardspiels befand und man auf die besten Spieler traf:43 „Billard! Ha, welch
ein Elefant! Diese massiven Füße mit dicken Querbalken verbunden; die ganze
ungeheure Maschine am Boden angeschraubt, daß sie ja nicht entwische.“44 Viele
waren dreimal so lang wie breit, sodass sie eher für eine Kegelbahn gehalten
werden konnten.45
Auch das Regelwerk war, wenn auch in den Kaffeehäusern ausgehängt, noch
nicht wie heute von Anfang an von einem Verband festgelegt, sondern wurde von
den Billardherstellern mitgeliefert.46
Es gab viele Spielformen, die heute längst nicht mehr betrieben werden. „Man
spielte meistens die sogenannte Pyramidpartie, für die siebzehn Bälle vorgesehen
waren. Der rote Ball und die sechzehn elfenbeinernen weißen wurden in
Pyramidenform aufgelegt. Mit einem einzigen Stoß löste der geschickte Spieler
dieses Arrangement auf, so daß der rote Ball frei stand. Dann sauste Kugel um
Kugel in die Löcher, und jedesmal verkündete ein darunter hängendes Glöckchen
mit hellem Ton, was das Auge etwa übersehen.“47 Beliebt war auch die
sogenannte „spanische Partie“,48 die italienische, oder die Spielvariante à la
41
Vgl. Interview mit Heinrich Weingartner sen., 10. November 2014.
Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 192, 2007, S. 43.
43
Vgl. Gugitz, 1940, S. 74.
44
Ebd.
45
Vgl. Singer, 1959 S. 46.
46
Interview mit Heinrich Weingartner sen., 10. November 2014.
47
Singer, 1959 S. 45f.
48
Oberzill, 1983, S. 44.
42
14
guerre, bei der so viele Kugeln am Tisch lagen, wie Spieler anwesend waren, und
immer der am weitesten entfernte Ball zu treffen war. Die dazwischen liegenden
Bälle wurden vorübergehend entfernt und ihre Stelle mit einem Punkt markiert.49
Oberzill erinnert daran, dass „das ‚französische Billard‘, wie es heute üblich ist, mit
grüner Bespannung und ohne die früheren Löcher, in die die Bälle fielen, […]
Napoleons Offiziere der Grande Armée mit[brachten], als sie uns 1805 ihren
unerbetenen Besuch abstatteten.“50
Aus einer Textstelle aus Johann Pezzls „Skizze von Wien“ von 1787 geht jedoch
hervor, „dass das Carambolspiel bereits in Mode war, ehe Napoleon Wien
einnahm“.51 Pezzl schrieb dazu: „Der männliche Wiener Gek, muß wissen […] Was
die Parthie Quarambol kostet. – Wo die besten Kegelbahnen sind.“52 Damit
widerlegt er also die von Oberzill beschriebene und weit verbreitete These, dass
Napoleon das Carambolbillard bei uns eingeführt hat.
Pezzl weist im Kapitel über Glückskinder – Menschen, die ihrer Meinung nach
bloß da seien, um „die Freuden der Welt zu geniessen“53 – kurz auf die positive
Auswirkung des Billard auf den menschlichen Körper hin, und bezeichnet das
Kaffeehaus als erste Anlaufstelle dafür: „Ein solcher Glücksvogel,[…] geht ins
Kaffeehaus, um sich durch die Bewegung beim Billard mehr Eßlust zu verschaffen
[…].“54
Das Kapitel Pezzls über das Kaffeehaus gibt Aufschluss darüber, dass das Billard
keine Besonderheit in diesen Einrichtungen war. Er erwähnt es hier aber nicht in
Bezug auf den Nutzen, den es für den Gast hat, sondern im Zusammenhang mit
dem Geschäft, das damit erzielt wird: „Das gewöhnlichste Spiel in diesen Häusern
ist das Billard, deren immer zwei bis drei vorhanden sind und wovon jedes wenn
es fleißig benützt wird, des Tages zwölf Gulden einbringen kann“.55
„Der Name des sportfreundlichen Kaffeesieders, der als erster sein Gewölbe mit
Billardtischen möblierte, ist nicht überliefert. Er muß – Hut ab! – ein weitblickender,
49
Vgl. ebd.
Ebd., S. 43.
51
Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 190, 2006, S. 43.
52
Pezzl, 1. Heft, 1786, S. 112.
53
Pezzl, 6. Heft, 1790, S. 917.
54
Ebd., S. 918.
55
Gugitz, 1940, S. 74.
50
15
geschäftstüchtiger Mann gewesen sein.“,56 schreibt Herta Singer 1959 in ihrem
Buch „Im Wiener Kaffeehaus“. Mehrere Billardtische bedeuteten höhere
Einnahmen für die Cafétiers. Von Gugitz wissen wir, „was für ein gutes Geschäft
dieses Spiel für die Kaffeesieder war.[… ] 1792 kam im Durchschnitt eine Partie
Karambol auf 3 Kreuzer, eine spanische Partie auf 4 Kreuzer, eine französische
auf 3 Kreuzer, eine Partie blance auf anderthalb Kreuzer, ein Pyramidspiel auf 3
Kreuzer. Bei Licht wurde um die Hälfte mehr bezahlt.“57 Für einen Milchkaffee
zahlte man zum Vergleich durchschnittlich 3 Kreuzer.58
Das Spiel war also nicht nur Unterhaltung, Vergnügen und körperliche Betätigung,
sondern auch eine wichtige Geldeinnahmequelle der Kaffeehausbetreiber. Auch
die Regierung verdiente ihren Anteil am Billardspiel, da für jedes Billard jährlich
Abgaben an das Zucht- und Arbeitshaus gezahlt werden mussten.59
Außerdem gab es immer wieder neue Bestimmungen und Gesetze im
Zusammenhang mit Billard, an die sich die Cafétiers zu halten hatten.
„Im 17. und 18. Jahrhundert, in einem Zeitalter der Kämpfe zwischen Aufklärung
und Absolutismus, durchlebte das Billardspiel ein wechselvolles Schicksal. Die
Sportausübung, oder besser: die Spielmöglichkeit für eine breite Schicht hing im
wesentlichen vom Wohlwollen der königlichen Machthaber bzw. der Staatsraison
ab. Eine Vielzahl von Dekreten, Erlässen und Circularen schränkte das Billardspiel
stark ein, verbot es ganz, belegte es mit Sondersteuern etc.“60
Baumann bemerkt 1795 im Kapitel über die Schönheit des Billard unter anderem
als einen der Vorteile des Billard, dass es „von Falschspielern, Chicaniren,
Hazardieren und anderen unangenehmen Vorfällen beynahe gänzlich befreyet“61
sei und es wünschenswert sei, dass „das Spiel […] alle andere läppische,
pöbelhafte, gefährliche und geldfressende Spiele verdrängen möge“.62 Diese
Aussage ist etwas verwunderlich, da im Kaffeehaus, wie bereits erwähnt, nicht nur
zum Vergnügen und zur Leibesübung gespielt wurde, sondern auch um Güter und
Geld, was klarer Weise zu Auseinandersetzungen führen konnte. Von Gugitz
56
Singer, 1959, S. 45.
Gugitz, 1940, S. 76.
58
Vgl. Oberzill, 1983, S. 71.
59
Vgl. Gugitz, 1940, S. 76.
60
Weingartner, 1989, S. 324.
61
Baumann, 1795, S. 3.
62
Ebd.
57
16
wissen wir: „[…] es drängten sich oft fünfzig und mehr Spieler um die Billards, auf
denen das Spiel betrieben wurde, und die Betrügereien und Zänkereien nahmen
bei diesem Hasardspiele kein Ende, daher es unterdrückt wurde.63
Demnach wurde das Spiel im Kaffeehaus längst nicht so tugendhaft betrieben, wie
es Baumann in seinem Regelbuch beschreibt, denn es war offenbar auch vorübergehend verboten, da es rechtlich noch Glücksspielcharakter besaß. Mitgrund dafür
könnte auch eine Abart des Billard gewesen sein, bei der die Bälle mit einer
Zugfeder (wie beim Flipper) statt eines Queues in Bewegung gesetzt wurden, und
die Laufstärke des Balles dadurch vom Spieler nicht beeinflussbar war. Am 18.
März 1804 wurde daher eine Circulare verfasst, die besagte:
„Das seit einiger Zeit übliche, sogenannte Billard=Kegelspiel, bey welchem der
Gewinn oder Verlust bloß von den durch eine Feder oder Maschine hervorgebrachten zufälligen Lauf der Kugel abhängt, ohne daß es dabei auf die
Geschicklichkeit des Spieler ankommt, besitzt ganz das Gepräg der allgemein
untersagten Hazardspiele. Es wird daher gleich diesen unter der in dem
Gesetzbuch von schweren Polizey-Übertretungen […] für die verbotenen Spiele
bestimmten Strafe, für die Zukunft allgemein untersagt“.64
Nicht nur in den Wirtshäusern, auch den Kaffeesiedern sollte eine Einschränkung
bezüglich des Billardspiels widerfahren, und so veranlasste Maria Theresia am 7.
Mai 1745 die Einführung einer so genannten Normale für die Kaffeehausbetreiber,65 die besagte, dass „sie Billards nirgends anderst wo, als in ihrem zu
ebener Erde auf die Gassen hinaus gewöhnlichermaßen errichtete Schenkgewölber oder in einem gleich daran stoßenden Zimmer, wo jedoch die Fenster
gleichfalls auf die Gassen gehen, halten, und so lang jemand Fremder bis zu der
bestimmten Sperrstunde bei ihnen sich befindet, zur Abends- oder Nachtzeit nur
innwendig Vorhänge an den Fenstern vorziehen, nicht aber die Fensterläden
zumachen sollen: allermaßen auf solche Weise die hohe und unerlaubte Spiele
oder einschichtige Zusammenkünfte ganz füglich aufgehoben werden, und die
aller Orten aufgestellte Wachen sogar ohne besonderer Visitirung nur im
Vorbeigehen den anmaßenden Unfug alsogleich beobachten, folgsam dieses zum
vornehmenden Eingriffe, und alsdenn fürkehrenden Bestrafung des Spielhalters
63
Gugitz, 1940, S. 131.
Weingartner, Heinrich. Damals… In: billard, Ausgabe 265, 2014, S. 41.
65
Vgl. Gugitz, 1940, S. 31.
64
17
und Spieler anzeigen können, sonst aber alle um das Geld zu spielen haltende
einschichtige Billards gänzlich aufgehoben, und nicht mehr verstattet werden
sollen.“66 Um also unerlaubte Zusammenkünfte, oder Spiele und Ausschreitungen
zu vermeiden, sollten sich die Räumlichkeiten auf das Erdgeschoß beschränken,
damit die Aufsichtsorgane der Regierung ungehindert Vorfälle sehen und
unterbinden konnten.
Ein Jahr nach Maria Theresias Tod hob ihr Sohn Joseph II. 1781 die Verordnung
wieder
auf,
nachdem
ein
Leopoldstädter
Kaffeesieder
namens
Joseph
Leichnamschneider darum angesucht hatte, im ersten Stock ein Billard aufstellen
zu dürfen.67 Eine Meldung in der Wiener Zeitung68 machte ihn nach dem langen
Verbot als Ersten mit dieser Erlaubnis stadtbekannt. Knapp 20 Jahre später trat
das Verbot wieder in Kraft, mit der Begründung, dass Wohnungsnot herrschte.69 In
Wirklichkeit aber „wollte [die Regierung] verständlicherweise vermeiden, daß die
Ideen der Französischen Revolution in Österreich publik oder gar diskutiert
würden, was zweifellos zu Unruhen geführt hätte. Deshalb wurde auch die Polizei
angewiesen, ‚die Wachsamkeit in den Kaffeehäusern zu verdoppeln‘.“70 Das
erfreute weder die Kaffeesieder noch die Gäste, da es augenscheinlich nicht
unangenehm war, sich abseits der von der Straße einsehbaren Bereiche
zurückziehen zu können.71
Ein weiteres Verbot um 1800 untersagte an Sonn- und Feiertagen vor drei Uhr
nachmittags das Billardspiel, was streng kontrolliert wurde und bei Nichteinhaltung
sogar Geldstrafen nach sich zog.72 „Die Regierung hatte damals alle Ursache, den
Staatsbürger bei den stets zunehmenden wirtschaftlichen Nöten zur Sparsamkeit
anzuhalten
und
eine
beginnende
Demoralisation
in
der
Lebensführung
einzudämmen“.73
Aber nicht nur die Regierung machte den Kaffeehausbetreibern das Leben
schwer, auch untereinander wurde heftig konkurriert, vor allem – wie am
folgenden Beispiel gut zu erkennen ist – wenn eine Frau drohte, mehr Erfolg zu
66
Ebd., S. 31f.
Vgl. ebd., S. 75.
68
„Anzeige“. In: Wiener Zeitung, 29.12.1781, S. 12. Quelle: Billardmuseum Weingartner.
69
Vgl. Gugitz, 1940, S. 142.
70
Oberzill, 1983, S. 58f.
71
Vgl. ebd., S. 42f.
72
Vgl. Gugitz, 1940, S. 131.
73
Ebd., S. 130.
67
18
haben
als
die
männlichen
Kaffeesieder.
Als
um
1800
die
ersten
Luxuskaffeehäuser mit kostbarer Ausstattung wie Silbergeschirr und feinstem
Porzellan entstanden, wurde auch die Musik im Café eingeführt. Man wollte „der
unumgänglichen
Lebensgefährtin
des
Wieners“,74
den
Betrieb
mit
„Harmoniemusik“ anziehend gestalten. Es war eine Frau namens Kleopha
Lechner, eine gebürtige Münchnerin, die im Jahre 1792 einen eigenen Betrieb
übernommen hatte, und mit Hilfe ihres „weiblichen Feinsinns“ bahnbrechende
Erneuerungen den Komfort im Café betreffend schuf.75 Die neuartige Aufmachung
und die Veranstaltung von Konzerten brachten großen Zulauf, weckte aber auch
die Neider. Doch „anstatt daraus zu lernen und ihre Betriebe zu heben, [reichten
die übrigen Kaffeesieder] eine Beschwerde nach der anderen gegen die ihr
verliehene Personalbefugnis ein.“76 Es wurde darum gebeten, ihr diese wieder zu
entziehen und das Kaffeehaus zu sperren – jedoch ohne Erfolg, denn ein Jahr
später eröffnete sie ein neuerrichtetes Lokal am hohen Markt im Fischhof, welches
bald als eines der schönsten Wiens gepriesen wurde. Es waren natürlich auch
Billards vorhanden. Aber bald erkannten auch andere, wie förderlich die
innovativen Unternehmungen Kleopha Lechners für die Geschäfte waren, und
schlugen ebenfalls den Weg zu Luxuskaffeehaus ein.77
2.3.1 Der Markör
Eine sehr wichtige Rolle im Kaffeehaus, vor allem im Bezug auf das Billard, spielte
der Beruf des Markörs.78 Das Wort Markör kommt, wenig überraschend, aus dem
Französischen und bedeutet markieren, wie es auch heute noch genannt wird –
„auf-markieren, oder ab-markieren“ – wenn der Betrieb am Tisch aufgenommen,
oder wieder eingestellt wird. Zu den Aufgaben des „Marqueurs“79 zählt Baumann
1795 neben dem Vermerken von Vorteilen und Fehlern der Spieler auch, dass er
ihnen „die benötigten Instrumente darreicht, und wieder aus den Händen nimmt
[…] und überhaupt […] an allem was zur Bedienung und Bequemlichkeit der
Spieler gehört, nicht ermangeln läßt“.80 Diese Beschreibung wirft wieder die Frage
74
Ebd., S. 138.
Vgl. ebd.
76
Ebd., S. 139.
77
Vgl. ebd., S. 139-141.
78
Alternative Schreibweise: Markeur. Vom französischen „marquer“ für zählen, notieren.
79
Baumann, 1795, S. 30.
80
Ebd., S. 31.
75
19
auf, wo Baumann seine Beobachtungen gemacht hat. Denn ein Kellner hatte
nebenbei auch andere Gäste zu bedienen, konnte also nicht permanent dem Spiel
beiwohnen.
Baumanns
Markör
erweckt
den
Anschein
einer
gehobenen
Umgebung. Vor dem Kaffeehaus gab es in den Ballsälen im 18. Jahrhundert, die
weitgehend mit Billardtischen ausgestattet waren, für jedes Brett eine eigens dafür
zuständige Person, deren einzige Aufgabe darin bestand, den Spielern und
Spielerinnen so weit es ging jeden Handgriff abzunehmen, den sie zum
eigenmächtigen Stoßen nicht selbst erledigen mussten. Außerdem waren Marköre
oft selbst ausgezeichnete Spieler und gaben daher in den Ballsälen Unterricht im
Billard.81 Der Beruf hat seine Wurzeln also nicht im bürgerlichen Kaffeehaus,
sondern in den adeligen Unterhaltungseinrichtungen dieser Zeit und seine
Tätigkeiten waren vorerst rein auf die Betreuung der Spieler und Spielerinnen am
Billard bezogen. Da der Kellner nun die Aufgaben des Markörs auszuführen hatte,
wurde diese Bezeichnung später auf den Kellner übertragen und erlangte im
Kaffeehaus größere Bekanntheit. Dort war der Markör zusätzlich damit beauftragt
sich darum zu bemühen, dass die Billardtische ausreichend und abwechselnd
bespielt wurden, denn das bedeutete höhere Einnahmen. Nach Einbruch der
Dunkelheit war der Markör für die Beleuchtung am Billard verantwortlich. Das
sogenannte Schnäuzen82 der Kerzen war immer wieder erforderlich, um das Spiel
bei gutem Licht zu ermöglichen, deshalb wurden bei Nacht auch höhere
Billardgelder verrechnet.83
Es handelte sich beim Markör offensichtlich um einen reinen Männerberuf, denn in
keinem Bericht über den adeligen Ballsaal, so das bürgerliche Kaffeehaus, fand
sich eine einzige Erwähnung einer weiblichen Markörin.
2.4 Frauen im Kaffeehaus
Andere Cafétiers wie Josef Wirschmidt legten weniger Wert auf die ästhetischen
Aspekte bezüglich der Einrichtung und der musikalischen Unterhaltung. Er
„entwickelte sein Kaffeehaus zu einem Eldorado für die Raucher, die damals nur
81
Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 254, 2013, S. 41.
Wenn der Docht zu lang wurde, begannen die Kerzen an zu rußen und flackerten, deshalb
mussten die Marköre die Kerzen schnäuzen (überwachen/stutzen).
83
Vgl. Gugitz, 1940, S. 76. Vor 1882 gab es kein elektrisches Licht am Billard. Einer der ersten soll
ein Herr Schnitzar gewesen sein, der in seinem Kaffeehaus Ecke Schottengasse und
Franzensring „diese neuartige Beleuchtung einführte“.
82
20
in abgesonderten Zimmern geduldet wurden“.84 In den dreißiger Jahren des 19.
Jahrhunderts gab es aber eine neue Tendenz, die abermals zur Steigerung der
Attraktivität der Kaffeehäuser für die weiblichen Gäste beitragen sollte. Frauen
machten immerhin die Hälfte der Bevölkerung aus, fehlten aber als Kundschaft.
Bei den Bemühungen der Cafétiers, handelte es sich um abgesonderte, oft im
ersten Stock eingerichtete, schön verzierte und mit reichlich Spiegeln prunkvoll
ausgestattete Zimmer, in denen nicht geraucht werden durfte. Diese wurden
praktischerweise „Damensalons“ genannt,85 da „rauchende Damen undenkbar
waren“86 – was jedoch nicht gleichzeitig bedeutete, dass Männer dort keinen Zutritt
hatten.87
Aber „kaum ein Blaustrumpf dürfte dort Platz genommen haben, und wenn mit
größtem Aufsehen“.88 Doch die Kaffeesieder legten augenscheinlich großen Wert
auf den Zuwachs von weiblichen Besucherinnen. Mit der Nebenbezeichnung
„Damenkaffeehaus“
versuchten
einige
Betreiber
von
derartigen
stilvoll
eingerichteten Etablissements um 1850 das Eis zu brechen.89 Der Erfolg wollte
sich allerdings nicht einstellen, und so waren Frauen bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts eine Seltenheit im Paradies der Männer.90 Es herrschte laut Oberzill
die weit verbreitete Meinung, dass „wirkliche Damen […] nur nach einer Soirée
oder nach dem Ball mit ihren Herren ins Kaffeehaus [gehen] und […] sich dabei so
verrucht vor[kommen] wie ein Mann, der in einen Harem geführt wird.“91
In dieser gesellschaftlichen Institution des Kaffeehauses lässt sich der Ursprung
für die andauernde Unterzahl Billard spielender Frauen suchen – also in den
Umständen, unter denen die Frauen lebten, als unselbstständige Personen, denen
durch den Ausschluss von den machthabenden Männern der Zugang zum Billard
verwehrt war.
Trotzdem kann man behaupten, dass solange das Billard ein Spiel war bei dem
der Ausgang vom Glück abhängig war, man(n) anscheinend nichts gegen die Frau
84
Gugitz, 1940, S. 147.
Vgl. ebd., S. 185.
86
Oberzill, 1983, S. 48.
87
Vgl. Gugitz, 1940, S. 192.
88
Ebd., S. 186.
89
Vgl. ebd., S. 192.
90
Vgl. ebd., S. 186.
91
Oberzill, 1983, S. 49.
85
21
am Billardtisch einzuwenden hatte. Als es sich jedoch in Richtung Sport zu
entwickeln begann, der zwar wenig Körperstärke, dafür aber körpermotorisches
Feingefühl, logisches und mathematisches Denken erforderte, wurde der
weibliche Anteil der Spielerinnen immer geringer, das heißt Frauen wurden immer
systematischer ausgeschlossen. Nicht zuletzt, weil eine respektable Frau alleine
nichts an einem Ort wie dem Kaffeehaus zu suchen hatte, oder sogar für eine
Prostituierte gehalten, und dann wahrscheinlich nicht einmal bedient wurde.
Fritz Riha fasst diesen Umstand in seinem Buch „Das alte Wiener Caféhaus“ von
1967, gut zusammen: „Man kann mit etwas Übung ein guter Durchschnittsspieler
werden, Spitzenkönner aber sind mit jenem Schuß Talent ausgestattet, das eben
ein Geschicklichkeitsspiel – und solches ist Billard – verlangt. Vielleicht ein Wort,
das dokumentieren soll, wieweit sich das Kaffeehaus an demokratische Prinzipien
hält. Die Emanzipation der Frau reicht bis ins Spielzimmer. Eine Partie Rommé
oder Bridge gibt dem schwachen Geschlecht jederzeit die Möglichkeit, am grünen
Spieltisch das stärkere zu sein. Eigenartigerweise gilt dies [nur] für die beiden
angeführten
Kartenspiele.
Weder
am
Schachbrett
noch
am
Billardtisch,
geschweige denn bei den anderen Kartenspielen wird man eine zarte Hand am
Werk sehen“.92
Captain Rawdon Crawley veröffentlichte 1866 „The Billiard Book“, das, wie aus
dem Vorwort hervorgeht, eher ein Billardlehrbuch für Amateure als für Profis
darstellt. Am Beginn des ersten Kapitels weist er darauf hin, dass Billard vor nicht
allzu langer Zeit ein Spiel „for gentlemen only“ gewesen sei, und nicht gerade die
anständigste Unterhaltung war, da bis spät in die Nacht gespielt wurde, und das
oft in nicht nüchternem Zustand.93 Wie Baumann spricht er von sozialem
Vergnügen und Leibesübung, und weist speziell auf die vortreffliche Eignung des
Spiels für Frauen hin. Während er eine Vielzahl an sportlichen Betätigungen
aufzählt, die gerne von Männern betrieben werden, meint er „for ladies Billiards
and Croquet are almost the only games combining exercise with amusement.[…]
The Miniature Billiard-tables that have lately come into use are admirably adapted
for ladies.“94 Das Gehen um den Tisch sei eine angemessene Bewegung für
Frauen, da sie mit Eleganz ausgeführt werden konnte. Und es wurden sogar
92
Riha, Fritz. Das alte Wiener Caféhaus. Salzburg, Festungsverlag. 1967, S. 123.
Carwley, Rawdon: The Billiard Book. London, Longmans, Green, and Co. 1866, S. 1.
94
Ebd., S. 2.
93
22
kleinere Tische auf die Bedürfnisse der weiblichen Spieler angepasst. Bei der
Beschreibung des Mace meint er „It is now very little used, even by ladies.“,95 was
darauf schließen lässt, dass es davor üblich war, dass „Damen“ vorrangig das
Mace verwendeten, obwohl das Queue bereits erfunden war, worauf ich bereits
hingewiesen habe.
Crawley erklärt einige Arten von Spielvariationen, die vor allem in größeren
Gesellschaften von Männern und Frauen gespielt werden könnten. Neben den
Regeln geht er auch auf die üblichen Spieleinsätze ein, und meint, diese könnten
immer erhöht werden, jedoch sei das Ziel der Spaß an der Sache, darum „–
especially when ladies play – a penny will be found quite enough.“96 Hier schwingt
mit, dass Frauen nicht so gut spielen, bzw. man nicht wollte, dass sie beim Spiel
viel Geld verlieren.
Bei der Beschreibung der Position, also des Standes am Billardtisch, gibt er
spezielle Anweisungen für Frauen: „Place aux dames! In the figure on p.20 we
have the posture a lady assumes when about to make her Hazard at Billiards. The
pose should be easy and natural, unrestrained and graceful; with the Cue held as
nearby parallel to the table as possible; the Bridge-hand resting firmly, but not to
rigidly, on the table, and the Cue-hand so disposed as not to interfere with its
perfectly free action. The Cue should be taken in the palm with a gentle grasp; not
held as you would hold a whip or a stick, nor suspended between the fingers like a
fork or fan. The stoop should be made from above, not from below, the waist – the
head inclined gently forward, and the feet well planted on the floor at such a
distance from the table as is demanded by the nature of the stroke. All violence or
extravagancy of gesture and position should be avoided.“97
Die Anweisungen für die Frauen, in der Wörter wie graceful, easy and natural und
gentle vorkommen, sollen sie zu einem anmutigen Spiel anleiten. Es folgt eine
Abbildung, die die beschriebene Haltung darstellt – die einzig zulässige für
Frauen, wie sich später herausstellt. Für die Herren gibt es ein Bild mit genau der
gleichen Körperhaltung, sowie vier weitere Bilder, die die erforderliche
Körperhaltung bei harten Stößen, Stößen von oben – wenn der Ball zu nah an der
Bande liegt, oder ein Kunststoß ausgeführt werden soll – zeigt, sowie für ein weit
95
Ebd., S. 9.
Ebd., S. 201.
97
Ebd., S. 19.
96
23
über den Tisch gelehntes Spiel und dem Stoß hinter dem Rücken. Im Anschluss
erklärt Carwley die restlichen vier Bilder mit den Männern schriftlich, und leitet
diesen Teil mit den Worten „This bit of advice is, however, adressed to gentlemen
– ladies are always greaceful!“98 ein. Er schließt somit also aus, dass Frauen auch
schwierigere Stöße ausführen könnten, weil es die erforderliche Körperhaltung
nicht erlaubt, da sie nicht elegant, anmutig, oder ansprechend genug für Frauen
sei. Zusammenfassend ist anhand von Crawleys Analyse festzuhalten, dass
Frauen einerseits zu den Spielern gezählt, aber trotzdem diskriminiert wurden. Sie
werden von vorherein als schwächere Spieler eingestuft, da ihre Art zu spielen
eingeschränkt wird: Es geht in erster Linie darum gut auszusehen. Aus seinen
Aufzeichnungen geht hervor, dass es sich bei den Rahmen, in denen das Spiel
stattfindet, um private Gesellschaften handelt, wo es um Spaß und Unterhaltung
geht, und nicht um Billard in halböffentlichen Räumen oder zur Messung von
Können.
Frauen wurden die für das Billard erforderlichen geistigen Eigenschaften in
geringerem
Maße
zugesprochen
wie
den
Männern:
logisches
und
mathematisches Denken, räumliches Vorstellungsvermögen usw. Ihnen wurde
lange unterstellt, dass ihre aus körperlicher Kraft entstehende Unterlegenheit auch
auf minderwertige geistige Fähigkeiten schließen lasse, ja dass sogar ihr Gehirn
leichter sei und früher zu schrumpfen beginne etc.99
2.4.1 Die Sitzkassiererin
Die einzige – Aufsehen erregende, und seit den 20ern des 19 Jahrhunderts weit
verbreitete Frau im Wiener Kaffeehaus, die „sich […] unter die zahlreichen Herren
wagte, und zwar rein berufsmäßig, war die Sitzkassiererin.“100 Dabei handelte es
sich oft um die Frau des Hauses, oder was wohl häufiger vorkam, um hübsche
junge Mädchen, die von den männlichen Gästen zahlreich umworben wurden.101
„Und dies, obwohl die Dame praktisch ohne Unterleib war. Denn sie thronte hinter
98
Ebd., S. 26.
Vgl. Braun, Lilly: Die Frauenfrage. Die geschichtliche Entwicklung und die wirtschaftliche Seite.
Leipzig, S. Hirzel Verlag. 1901, S. 189.
100
Oberzill, 1983, S. 48.
101
Vgl. Gugitz, 1940, S. 186.
99
24
einer hüfthohen Theke, die ein Gutteil ihrer Figur verbarg. Aber offensichtlich hat
den Kavalieren das, was ihnen in Augenhöhe entgegenlachte, genügt.“102
Ihre Aufgabe war nicht – wie der Name vermuten lässt – das Geld für die
konsumierten Speisen und Getränke zu kassieren, denn das übernahm der
Kellner selbst. Sie notierte lediglich, welche und wie viele Getränke die Kellner
wegtrugen. Sie kontrollierte also die Marköre und war somit die Vertrauensperson
zwischen Lokalbetreiber und Servierpersonal.103
Vermutlich, und dieser Aspekt sei nicht zu unterschätzen, hatte sie auch noch die
Funktion Männer ins Kaffeehaus zu locken, wie zwei Kaffeehausbilder mit
Sitzkassiererinnen illustrieren:
Abbildung 2: „Wie sich die alten und die jungen Herren um die schöne Marie die Füße
weglaufen.“, Kupferstich aus dem Jahre 1838 (Quelle: Billardmuseum Weingartner)
Der Kupferstich aus dem Jahre 1838 (Abbildung 2) erzählt die Geschichte einer
offenbar besonders begehrten Sitzkassiererin, wegen der die Männer in Scharen
102
103
Oberzill, 1983, S. 48.
Interview mit Heinrich Weingartner sen., 2. Mai 2015.
25
in das Café liefen. Sie musste, heißt es, nicht nur schön, jung und gebildet sein,
sondern musste sich auch, ohne einem Gast Vorzüge einzuräumen, von
jedermann den Hof machen lassen und dabei zuvorkommend, liebreizend und
artig sein.104 Der Stich zeigt links einen Billardtisch und rechts den Tresen, hinter
dem eine Frau in einem roten Kleid mit Hochsteckfrisur steht. Der Raum ist voller
Männer, und fast alle haben den Blick auf die Sitzkassiererin gerichtet. Bei
näherem Hinsehen fällt auf, dass die Männer zwar über Augen verfügen, aber
nicht über Füße, denn die Bildunterschrift lautet: „Wie sich die alten und die jungen
Herren um die schöne Marie die Füße weglaufen.“ Auf diesem Bild ragt die
Kassiererin über die Köpfe ihrer Kundschaft hinaus, als stehe sie auch im
übertragenen Sinne über den Bewunderern. Die Theke bildet eine Erhebung, es
wirkt, als throne sie in gewisser Weise über den Gästen. In diesem Sinne wird sie
zwar zum Sexualobjekt degradiert, jedoch steht sie rein physisch betrachtet über
ihren Verehrern.
Der Stich ist als Beilage für die „Allgemeine Theaterzeitung für Kunst, Literatur,
Musik Mode und geselliges Leben“105 angefertigt worden, die ein Bild dieser Szene
im Café mit dem bereits erwähnten Titel: „Wie sich die alten und die jungen Herren
um die schöne Marie die Füße weglaufen“ zeigt, um auch nichtwissende
Ehefrauen darüber in Kenntnis zu setzen bzw. sich über sie lustig zu machen. Die
Zeitungsbeilage hatte ihre Wirkung getan und die Männer gingen wieder an ihre
gewohnten Plätze.106
Eine sehr bekannte, häufig kopierte Kreidelithografie zum Thema Kaffeehaus aus
dem Jahr 1871, welche auch das Cover des Buches von Gerhard Oberzill „Ins
Kaffeehaus!“ ziert, entstand als ebenfalls Beilage einer Zeitschrift107 und zeigt „Die
Kassiererin vom Silbernen Kaffeehaus“ – ebenso lautet auch der Titel des Bildes
(siehe Abbildung 3). Das Café von Ignaz Neuner im 1. Bezirk, das zu dieser Zeit
ein bekanntes Literatencafé war, verdankt seinen Namen dem Umstand, „daß
104
Vgl. Artikel zum Bild „Wie sich die alten und die jungen Herren um die schöne Marie die Füße
weglaufen“: GR_325_(A3s)_S. 4. In: Inventargrafik III, Billardmuseum Weingartner.
105
Zeitungsausschnitt der Allgemeinen Theaterzeitung für Kunst Literatur, Musik, Mode und
geselliges Leben. Wien. 1838, Quelle: Billardmuseum Weingartner.
106
Interview mit Heinrich Weingartner sen., 10. November 2014.
107
Anton Langer (Hrsg.): Hans Jörgl 1871.
26
Kännchen, Tassen und Besteck aus Silber waren […].“108 Aber nicht nur das,
selbst die Türklinken und Kleiderhaken seien aus dem Edelmetall gewesen. 109
Abbildung 3: Die Kassierin vom silbernen Kaffeehaus, Kreidelithografie von Vinzenz
Katzler, Wien 1871 (Quelle: Billardmuseum Weingartner)
Auch auf diesem Bild trägt die abgebildete junge Kassiererin ein rotes Ballkleid
und ihre schwarzen Haare als Hochsteckfrisur. Der Blick des Betrachters ist von
vorne auf sie gerichtet, wo sie in der Mitte des Bildes hinter einer Theke sitzt. Im
Gegensatz zur Kassiererin im Silbernen Kaffeehaus liegt ihre Augenhöhe deutlich
unter jenen der Männer, die sich so etwas zu ihr herunterbeugen müssen. Sie ist
umringt von sieben Männern, unter denen mehr und weniger bekannte
Persönlichkeiten wie Severin von Jaroszinsky (1789-1827), Johann Ludwig
Deinhardstein (1794-1859), Ignaz Franz Castelli (1781-1862), Josef Lanner (18011843), Johann Strauß Vater (1804-1849), sowie sitzend Ferdinand Raimund
(1790-1836) und Ignaz Schuster (1779-1835) als Gäste des Silbernen
108
109
Oberzill, 1983, S. 60.
Vgl. ebd.
27
Kaffeehauses zu sehen sind. Es handelt sich um eine künstlich konstruierte
Gesellschaft, die vom Silbernen Kaffeehaus lanciert wurde, um es als Künstlerund Literatencafé auszuweisen.
Auffallend ist die große Ähnlichkeit der beiden dargestellten Sitzkassiererinnen.
Die Kleider haben beide einen weit ausgeschnittenen weißen Spitzenkragen und
beide Frauen haben das schwarze Haar zu einem Knoten hochgesteckt.
Es stellt sich hier natürlich auch die Frage, welchen Ruf eine Frau in diesem Beruf
bei ihren Mitbürgern und Mitbürgerinnen hatte. Von den Männern wurden sie
routiniert umschwärmt, das Bildnis der „schönen Marie“ lässt sogar auf eine
gewisse Prominenz schließen, wie sie heute Film- oder Musikstars eigen ist.
2.5 Das bürgerliche Frauenbild in Wien um 1800
Auf der Suche nach Erklärungen für die Tatsache der Exklusion von Frauen aus
dem Wiener Kaffeehaus (und dadurch aus dem Billardspiel) stößt man auf
befremdliche Anmerkungen in Johann Pezzl „Skizze von Wien“ (1786-1790). Er
weist im Vorwort seines in sechs Heften erschienenen Werks darauf hin, dass er
„das Kolorit der heutigen Sitten, die Richtung der herrschenden Begriffe, die
Situazion des Nazionalgeistes.“110 beschreibt. Man erfährt unter anderem über
verschiedene Wiener Typen „beiderlei Geschlechts“, über deren Auftreten in der
Öffentlichkeit und ihre Gewohnheiten.
Wenn vom „weiblichen Geschlecht“ die Rede ist, verwendet er Bezeichnungen
wie: „die schöne Welt“, „die bessere Ehehälfte“, „die schönere Hälfte des
Menschengeschlechts“ und ähnliches, was zwar sehr höflich klingt, sie trotzdem
auf ihre Äußerlichkeiten und Funktion als Ehefrau reduziert. Spricht er von den
mittleren Klassen, sind es Frauen, sobald sie geheiratet haben, und in den oberen
Schichten handelt es sich um Damen. Am öftesten bedient er sich jedoch des
generellen Ausdrucks der Weiber, da dies zu der Zeit eine geläufige, nicht
wertende Bezeichnung für Frauen war, was man nicht zuletzt daran erkennt, dass
bei der Zählung von Einwohnern, sogenannten Volkslisten, zwischen Männern,
Weibern, Knaben und Mädchen unterschieden wurde.111
110
111
Pezzl, 1. Heft, 1786, S. 8.
Pezzl, 3. Heft, 1787, S. 458.
28
Pezzl beschreibt ein recht trostloses Bild von Frauen, deren Zukunft immer in den
Händen ihrer Bevormundeten, also zuerst ihrer Eltern und danach ihres
Ehemannes liegt. Ihr Dasein besteht seiner Meinung nach darin, zu hoffen einen
Mann zu heiraten, bei dem es ihr gut geht, egal, ob dieser sie liebt oder nicht –
Hauptsache, sie könne ein Haus führen und sich endlich als richtige Frau
bezeichnen. Er geht weiter darauf ein, dass seine Vorfahren wohl noch krank vor
Liebe waren, und aus romantischen Gründen heirateten, so wie es in den unteren
Schichten noch üblich wäre. Ein Mann aus den Zirkeln höherer Stande heirate
aber wegen Vorteilen, die die Ehe mit sich bringt. Dass ein Paar sich auch liebe,
komme nur sehr selten vor. Die Mitgift und dadurch entstehende vorteilhafte
Verbindungen seien für den Mann vorrangig bei der Wahl der Partnerin. Im Kapitel
„Von der Liebe“112 schreibt Pezzl folgendes:
„Die Leute aus dem Mittelstande, vom Halb-Adel, aus den Familien der Räthe,
Dikasteianten, Regozianten, Kaufleute, suchen unter dem Schirm der Liebe, und
der darauf folgenden Ehe, entweder eine Stelle, oder ein Kapital, das sie bequem
nährt und versorgt. Da diese Absichten offenbar sind, und die Braut selbst wohl
weiß, daß es nicht bloß um sie, sondern noch um eine wichtige Nebensache zu
thun ist; so macht sie auch keine Ansprüche auf die ächte Liebe ihres Erklärten,
und wird keineswegs in ihren Erwartungen getäuscht. Sie heiratet ihn, weil sie
dadurch eine Frau wird, freier leben, ein Haus kommandieren – Ce qui plait aux
Dames – und regieren, und verwirren kann; und die Wahl hat, sich einen
Liebhaber zu halten, der sie für die gleichgültige Gesellschaft des Gemahls
entschädigt“.113
An Liebe in der Ehe denke der Mann nicht, ebenso wenig daran, dem Mädchen
nach der Heirat mehr Aufmerksamkeit zu schenken als notwendig, denn er würde
sowieso die ganze Zeit ausgenutzt, müsse stets unter den Launen und
Eigenschaften der Frauen leiden. Darüber hinaus werde er im Anschluss nur wenn
er Glück hat angemessen dafür belohnt.114
„Ein Weib verdient unsere Anhänglichkeit, wenn sie uns durch den reellen
Genuß der Liebe beglückt; will sie aber lange Gespräche machen, uns
vergebens schachten und lechzen lassen: will sie uns damit aufziehen, daß wir
112
Pezzl, 1. Heft, 1786, S. 85f.
Ebd., S. 90.
114
Vgl. ebd., S. 87f.
113
29
uns glücklich schätzen sollen, wenn wir sie ansehn, ihr Jahre lang den
ehrfurchtsvollen Sklaven machen, das Werkzeug ihrer Launen seyn; und wenn
mit ihrer lächerlichen Gnade doch kömmt, ein Pfötchen beleken dürfen; so ist
sie eine abgeschmackte Thörin, die man ins Reich der Romane verweisen
muß; wo sie sich einen kleinstädtischen Gecken suchen mag, der ihr den
Leander macht. Ein Mann von Kopf würde sich prostituieren, wenn er seine Zeit
und seine Freundschaft an eine solche Marionette verschwendete.“115
Im Kapitel über die Galanterie, in dem er beschreibt, dass ein junger Adeliger in
höheren Kreisen am besten wie ein Casanova von Mädchen zu Mädchen zieht
und nur früh genug – bevor sich Langeweile einstellt – diejenige wieder verlassen
sollte, bekommt man einen Eindruck, wie die „feine Welt der Damen“ mit den
Augen eines Mannes gesehen wurde. Solange der Mann den Forderungen der
eitlen Damen nachkommen würde, sei er im Rennen neben seinen Konkurrenten.
Das hieße natürlich Interesse heucheln, und die lästigen Eigenschaften und
Launen auszuhalten, solange bis er bekomme, worauf er aus ist.116 Die Frauen
kommen darin nicht gut weg:
„Ich glaube, die ersten Leidenschaften unserer heutigen Weiber von der
höheren Klasse folgen ungefähr in folgender Stuffenleiter: Eitelkeit, Eifersucht,
Zerstreuung, Liebesgenuß, etc. etc. Die Eitelkeit hat den ersten Platz, das ist
ausgemacht.117 […] Diese launenhafte Eitelkeit hat natürlicher Weise auch die
Männer an eine Flatterhaftigkeit und Geringschätzung der Weiber gewöhnen
müssen, die nun unter einer gewissen Klasse von Leuten durchaus Ton ist. Da
man sieht, daß man bloße Puppen vor sich hat, so will man auch nichts weiter
mit ihnen als tändeln und spielen. Man schmeichelt ihren Launen eine kurze
Weile, bis man seinen Zweck erreicht hat; dann lacht man über das eitle
Geschöpfchen, hüpft von ihr weg zu einer andern; fängt dort die nämliche Rolle
von vorne an, endet sie auf gleiche Weise, und durchläuft so den ganzen Kreis
der galanten Weiber.“118
115
Ebd., S. 92.
Vgl. ebd., S. 93f.
117
Ebd., S. 94.
118
Ebd., S. 96.
116
30
Die Männer hätten sich glücklicher Weise endlich von der Abhängigkeit von
Frauen
befreit,
und
wer
heute
noch
nach
Romantik
trachtet,
wäre
bemitleidenswert:
„Danke unsern geschmeidigen Sitten, unserm lachenden Ton, unserer
versteinerten Denkungsart! Sie haben uns von der Verzweiflung nicht erhörter
Liebe, von den Mishandlungen weiblicher Felsenherzen, von dem Joch
tyranischer Reize erlöst. Niemand macht heut zu Tage in der grossen Welt eine
jämmerlichere Figur als ein schmachtender Liebhaber.“119
Zu den schlimmsten Dingen, die einer Frau widerfahren können, zählt er, wenn sie
unverheiratet und kinderlos bleibe, und als alte Jungfer sterbe.120 „Ein weibliches
Geschöpf, das keine Kinder zur Welt bringt, entspricht schlechterdings ihrer
Bestimmung und Wesenheit nicht.“121 Pezzl spricht davon, dass die Ursachen der
„Sterilität“ vieler Frauen „Folgen unserer hohen gesellschaftlichen Kultur“ seien,
und, dass dadurch die Zahl der Ehen abnehme, was er auch anhand von
Statistiken nachweist. Letztendlich meint er, dass die Frauen selbst schuld daran
trägen, wenn sie keine Kinder bekämen, da sie eitel wären und sich zu sehr mit
oberflächlichen Dingen beschäftigten:122
„Wo liegen die Quellen dieses unnatürlichen Zustandes? Einige davon sind
offen genug, um jederman in die Augen zu fallen. Die Eitelkeit der Weiber, ihre
unersättliche
Puzsucht,
ihre
ewigen
Zerstreuungen,
ihre
bodenlosen
eingebildeten Bedürfnisse, schrecken manchen biederen Mann von den
Freuden des Ehebettes zurück. So straft sich das Weibergeschlecht selbst für
seine zu weit getriebene Eitelkeit.“123
Pezzl argumentiert auch, dass die Unauflöslichkeit der Ehe manchen Mann, „der
seine Ruhe und Gesundheit liebt“, davon abhält zu heiraten. Die Chance auf eine
gute Partie läge bei 1:20 und bei einer Scheidung wäre keiner Seite geholfen,
darum wäre es besser gar nicht erst zu heiraten.124
Zum Glück gäbe es noch die Lustmädchen in Wien, denn die Tyrannei der
„Weiber“ und ihre Unnachgiebigkeit würde jeden ehrlichen Mann in die
119
Ebd., S. 97.
Vgl. ebd., S. 101f.
121
Ebd., S. 101.
122
Vgl. ebd., S. 102.
123
Ebd., S. 102.
124
Vgl. ebd., S. 103.
120
31
Verzweiflung treiben, da er seine Zeit und sein Vermögen verschwenden und all
seine Pflichten und Freundschaften aufopfern müsse:
„Da uns ein unglückliches physisches Bedürfnis von ihnen abhängig macht, so
wissen sie sich ihrer Macht gewöhnlich nur zu wirksam zu bedienen.“125 „[…] In
solchen verzweifelten Fällen ist kaum ein anderes Gegenmittel, als ihm ein
Freudenmädchen in die Hände zu spielen. Dies kühlt sein Blut ab und gibt ihm
seine Vernunft wieder, daß er lachend seine Unerbittliche verläßt.“126
Diese
Gegebenheit
sei
natürlich
nicht
unbemerkt
an
den
Frauen
vorübergegangen, weshalb diese eine berechtigte Abneigung gegenüber den
„leichten Mädchen“ hätten, nicht zuletzt, weil sie dafür verantwortlich gemacht
wurden, dass sich die „Lustseuche“127 ungehindert ausbreiten konnte:128 „Die
Weiber wissen, wie sehr die Lustmädchen ihrer Herrschsucht im Wege stehen,
darum sind sie ihre unerbittlichen Feindinnen, und haben stets an den
Verfolgungen derselben den größten Theil gehabt.“129
Ein eigenes Kapitel widmet Pezzl dem „Mädchenpensionat“, welches der Kaiser
im gleichen Jahr seiner Aufzeichnungen in einem Flügel des Ursuliner Klosters
anlegen ließ.130 Da in den vorigen Jahrhunderten Schulen vor allem der
Ausbildung von Geistlichen dienten, vernachlässigte man die Erziehung „der
schönen Hälfte des Menschengeschlechts“, denn Mädchen konnten keine
Geistlichen werden.131 Erst unter Maria Theresia wurde in Österreich-Ungarn die
allgemeine Schulpflicht eingeführt und im Zuge der Säkularisierung rückte unter
Joseph II. auch erstmals die Frauenbildung ins Interesse der Regierung. In dem
Mädchenpensionat wurden junge Mädchen von 7 bis 14 Jahren nun zu
Lehrerinnen ausgebildet, die später an Mädchenschulen unterrichten sollten, die
wiederum dazu da waren, aus Frauen „nützlichere Wesen“ zu machen:132
„Daß einer polizirten Nazion daran gelegen seyn müsse, aus den aufkeimenden
Mädchen vernünftige Gesellschafterinnen, gute Hauswirthinen, unterrichtete
Mütter, nüzliche Gattinen herzustellen, daran dachte Niemand. Selbst nachdem
125
Pezzl, 4. Heft, 1787, S. 527.
Ebd., S. 528.
127
Geschlechtskrankheit
128
Vgl. Pezzl, 4. Heft, 1787, S. 529.
129
Ebd., S. 528.
130
Vgl. ebd., S. 567f.
131
Vgl. ebd., S. 565.
132
Vgl. ebd., S. 567.
126
32
die öffentliche Erziehung der Knaben schon auf einen besseren Fuß gesezt
war, vergaß man noch immer der Mädchen. Es schien, als ob man mit jenen
Kirchenlichtern einstimmig dächte, die auf einem Konzilium die erbauliche
Frage aufwarfen: Ob die Weiber auch Seelen haben, und wahre Menschen
seyn!“133
Die Mädchen lernten hier vor allem „Schöngeistiges“, um später als Lehrerinnen
ihre Schülerinnen zu guten Ehefrauen zu erziehen, die auch in gehobener
Gesellschaft einen guten Eindruck machten und ihren Ehemann „schmückten“:
„Während ihres Lehrkurses erhalten sie Unterricht der Religion, im Schön- und
Rechtschreiben, im Rechnen, Zeichnen in der Naturlehre, Naturgeschichte,
Erdbeschreibung, Geschichte, im schriftlichen Aufsatz, in deutscher und
französischer Sprache, und in den gewöhnlichen weiblichen Arbeiten“,134 womit
vermutlich Hauswirtschaft und Handarbeit gemeint ist.
Abgesehen davon gab es in den Klöstern dieser Zeit schon Erziehungsanstalten
für bürgerliche und adelige Töchter – selbstverständlich nach Klasse getrennt
voneinander. Aber selbst von diesen Anstalten zeigt Pezzl sich nicht sehr
begeistert: „Gibt man die Mädchen hinein, um ihre Unschuld desto sicherer zu
bewahren, ihnen Sitten und Lebensart beizubringen: so fällt die Wirkung oft noch
schlechter aus, als im Unterricht. Was die Lebensart betrifft: so sind die meisten
aus diesen Klosteranstalten kommenden Mädchen entweder sehr blöde und
Menschenscheu, oder so verschmizt, ränkevoll, und bösherzig […].“135
Anhand Pezzls Beschreibungen von Frauen kann man erkennen, welches Bild
Männer (aber wohl auch Frauen selbst) um die Zeit von 1800 von Frauen hatten:
Sie kümmerten sich nur um ihr Aussehen, spielten mit ihren Reizen, um die
Männer in den Wahnsinn zu treiben, und hätten strenge Erziehung nötig, um
bessere Ehefrauen zu werden, denn darin lag ihre Hauptbestimmung. „Was ist
das Mädchen, das Weib, ohne Mann? Nichts ist es, eine Nulle ist es in der
Gesellschaft.“136
133
Ebd., S. 566.
Ebd., S. 567f.
135
Pezzl, 5. Heft, 1788, S. 666.
136
Pezzl, 6. Heft, 1790, S. 874.
134
33
Da es sich um ein gedrucktes Buch handelt, das zu dieser Zeit so wie fast alle
offiziellen Schriften einer strengen Zensur unterlag, kann man davon ausgehen,
dass Männer von höchstem Stand seinen Ansichten zustimmten.
Es dauerte bis 1848, bis der erste Wiener demokratische Frauenverein gegründet
wurde, der sich für die Rechte der Frauen einsetzte.137
Selbst als ein Mann – Theodor Gottlieb Hippel, hoher Beamter und zugleich
Schriftsteller – schon 1792 „Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber“ sich
vorurteilslos als Fürsprecher der Frauen zu erkennen gab, war seinen
Zeitgenossen lange nicht klar, ob seine Schriften ernst oder ironisch gemeint
waren, da seine Ansichten so ungewöhnlich erschienen.138
Bis sich 1873 die ersten radikalen Frauenbewegungen gegen das patriarchalische
Ehe- und Familienrecht und für das Frauenstimmrecht139 stark machten, gab es
davor schon gemäßigte Frauenrechtlerinnen, jedoch forderten diese bloß eine
rechtliche Gleichstellung mit den Männern auf Grund des Arguments ihrer
„Gemeinnützigkeit“ für die gesamte Gesellschaft, und nicht wie die radikalen aus
ihnen von Natur aus zustehende Rechten.140
Bestimmt gab es die eine oder andere Frau, die sich in der Öffentlichkeit der
Cafés an den Billardtisch wagte, sofern sie man sie gelassen hat. Aber dabei
handelte es sich um seltene Ausnahmen. Bis auf einen einzigen Zeitungsartikel
von 1883, in dem von bürgerlichen Damen als „schamlose Weiber, die laut
lachend (!) im Kaffeehaus die Billardtische besetzten“,141 die Rede ist, gibt es keine
Nachweise von Frauen, die in Kaffeehäusern in Wien Billard spielten – bis 1934
20 Billardärinnen im Café Freyung zusammenkamen.
137
Vgl. Weiland, Daniela: Geschichte der Frauenemanzipation in Österreich und Deutschland.
Düsseldorf, ECON Taschenbuchverlag. 1983, S. 187.
138
Vgl. ebd., S. 271.
139
Hedwig Dohm, die älteste Theoretikerin des radikalen Feminismus, forderte 1873 das
Frauenstimmrecht. Vgl. Weiland, 1983, S. 220.
140
Vgl. ebd.,S. 220f.
141
Raftl, Ro: Damen am Billard. In: Hör zu. 1984, S. 55.
34
3. Die Billardärinnen 1934/35
3.1 Berichte über den 1. Wiener Damenbillardclub
In Wien gibt es erst im Jahre 1934 Berichte, die belegen, dass sich einige
„emanzipierte Damen“ im Wiener Kaffeehaus in die Männerdomäne Billard
vorwagten. Hierbei handelte es sich um 20 Frauen, die zusammen den ersten
Wiener Damenbillardclub gründeten. Der Frauenclub wurde von Billardweltmeister
Ing. Ernst Reicher initiiert, dessen Eltern von 1932 bis 1938 das Café Freyung in
der Renngasse 1 (Ecke Freyung) im 1. Bezirk führten – dort wurde im Mai 1934
auch eine Billardweltmeisterschaft ausgetragen. Unter der Führung von „Frau
Kommerzialrat Seiffert“ lernten die Damen zweimal pro Woche – immer Mittwoch
um 21 Uhr – unter der Trainingsleitung von Ing. Josef Pipal das Spiel mit den drei
Bällen. Pipal war zu der Zeit für die Betreuung der Billards im Café Freyung
zuständig. 1932 hatte er seine Anstellung als Grafiker beim Modemagazin „Wiener
Chic“ verloren. Er nahm eine Anstellung als Billardmeister im Café Haag und
Ganauser an, um den Saal zu betreuen und Unterricht zu geben. Der Profi wurde
ein populärer Trainer und unterrichtete auch in anderen Häusern,142 unter anderem
eben im Café Freyung. Einige Fotos im Billardmuseum zeigen ihn beim
Unterrichten von Carambol und geselligem Zusammensitzen, mit seinen
Schülerinnen.
Dass wir überhaupt von der Existenz eines Damenclubs im Café Freyung wissen,
verdanken wir unter anderem der Sammelleidenschaft von Heinrich Weingartner.
Er besitzt einen Zeitungsartikel über den ersten Wiener Damenbillardclub, mit dem
Titel: „20 Billardärinnen in Wien“ aus der „Illustrierten Kronen-Zeitung“ vom 23.
Dezember 1934.143
142
Weingartner, Heinrich: Damals… In: billard. Ausgabe 145, 2002, S. 42.
Strouhal, Ernst, Zollinger, Manfred, Felderer, Brigitte (Hrsg): Spiele der Stadt. Wien, Wien
Museum und Springer Verlag. 2012, S. 307. Das Original befindet sich im Besitz von Herrn
Weingartner im Wiener Billardmuseum, und liegt dort in einer Vitrine ausgestellt.
143
35
Abbildung 4: Artikel „20 Billardärinnen in Wien“, aus: Illustrierte Kronen-Zeitung vom 23.
Dezember 1934 (Quelle: Billardmuseum Weingartner)
36
Der Artikel beginnt mit der Warnung: „Bei dieser Nachricht wird es jedermann
einen Riß geben!“ Der Autor beschreibt seine Verblüffung, als er der Einladung ins
Café Freyung folgte und anstatt erwarteter „reicher Damen“, tatsächlich
billardspielende Frauen vorfand. Die Aussage, „Weiß der Himmel, was in letzter
Zeit in unsere lieben Damen gefahren ist“, gibt Auskunft darüber, dass es sich hier
um ein außergewöhnliches Ereignis handelte, dem nicht unbedingt mit Wohlwollen
begegnet wurde.
Der Schreiber gibt sich (sarkastisch wie sexistisch) entzückt und beschreibt ein
Bild von schönen Blumen, die sich um eine grüne Wiese sammeln, das viel
schöner sei als die Anblicke, die man sonst am Billard zu sehen bekommt. Er
bewundert, wie graziös und mit welcher Begeisterung die Frauen an das Spiel
herangingen, lässt aber auch nicht aus darauf hinzuweisen, dass, obwohl sie nach
Aussage des Lehrers jeden Abend Fortschritte machen, man besser etwas
Abstand halten solle, da man sonst leicht einen Ball abbekommen könnte.
Aufgrund des großen Interesses stand schon damals der Gedanke an eigene
Damenturniere im Raum und auch von Länderkämpfen gegen Frankreich sei die
Rede gewesen. Weltmeister Ernst Reicher zeigte sich bereits 1934 zuversichtlich,
aber bis zur Veranstaltung der ersten offiziellen Damenturniere in Österreich
sollten noch mehr als 50 Jahre vergehen.144
In der letzten Spalte spielt der Autor sogar auf die Figur mancher „beleibter
Frauen“ an, die vielleicht nicht so graziöse Bewegungen zulässt als bei anderen
Spielerinnen. Er schreibt, dass „die Damen an jedem Abend Zuwachs erhalten“
und kokettiert damit, indem er in Klammer hinzufügt „(bitte das nicht
mißzuverstehen, es kommen halt immer neue Mitglieder!)“.
Durch die Änderung der Geschlechterrollen bahnt sich auch eine Veränderung der
traditionellen
Machtstellung
des
Mannes
an.
Die
dadurch
entstehende
Unsicherheit äußert sich deutlich in der anscheinenden Notwendigkeit, sich über
die Frauen, die diese alten Werte aufbrechen, lustig zu machen. Dies geschieht in
diesem Artikel durch drei abwertende Karikaturen.
Der Journalist äußert sich in einem Absatz zu den drei abgebildeten Karikaturen,
von denen die erste eine „vollschlanke Dame“ an einem „Billard für Gefüllte“ mit
144
Die erste Europameisterschaft in Carambol Freie Partie Damen fand erst 1985, noch vor der
ersten Österreichischen Meisterschaft 1986 statt.
37
halbkreisrunden Ausnehmungen zeigt, die verhindern sollen, dass sich etwas
„rundlich Trennendes dazwischenschiebt“, und eine andere eine Frau zeigt, die
mittels Flaschenzug über den Tisch gehoben wird, um schwer erreichbare Bälle zu
erwischen. Er beurteilt diese zwei Zeichnungen zwar als unrealistische
Phantasiegebilde, der Lippenstift in der Queuespitze hingegen, den die dritte
Karikatur zeigt, hält er für schon bald möglich, gäbe es doch bereits
„mascherlgeschmückte“ mit Monogramm verzierte Billardstöcke.
Die Kronenzeitung ist nicht der einzige Nachweis für den Damenclub. Am 7.
Februar 1935 erschien im „Sport-Tagblatt“,145 unter der Rubrik „Allerlei Sport“ ein
kurzer Vermerk über „ein[en] Damen-Billardclub in Wien“. Nüchtern und sachlich
wird hier auf den von Ernst Reicher, der als Billard-Weltmeister wohl bekannt war,
in seinem Café ins Leben gerufenen Damenclub hingewiesen, und dass man bei
Interesse vor Ort im Café Freyung bei Reicher und Josef Pipal Näheres in
Erfahrung bringen könne.
Ein etwas ausführlicherer Bericht erschien am 25. März 1935 in der „Kleinen
Volks-Zeitung“. Er enthält im Grunde die gleichen Informationen wie der Artikel im
Sport-Tagblatt, beginnt aber mit einer „Entwarnung“: Die Damen seien zwar mit
Eifer bei der Sache, aber „die Serien, die sie liefern“, seien „noch nicht so groß.“
Es scheint, als möchte der Autor der männlichen Leserschaft mitteilen, dass sie
keine Konkurrenz zu befürchten hätten.
Er beschreibt weiters die Vorzüge des Billardspiels gegenüber dem Bridge,
welches einige der Damen zuvor gerne gespielt hätten, da ersteres besser für die
Figur und spannender als das Kartenspiel sei. Dass die Bewegung während des
Billardspiels positive Auswirkungen auf die Figur habe, meint der Redakteur der
Kleinen Volkszeitung, dürfe man nicht zu laut wiederholen, sonst würde bald jeder
Billardtisch von Frauen „in Besitz genommen“ werden. Wiederum lässt der Autor
also anklingen, dass Frauen beim Billard nichts zu suchen hätten. Einige wenige
werden als Kuriosität akzeptiert, solange sie den Männern nicht in den Weg
kämen, oder ihnen im Weg herumständen.
145
Ein Damen-Billardklub in Wien, In: Sport-Tagblatt (Wien), Nr. 38, 7.2.1935, S. 5,
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wst&datum=19350207&seite=5&zoom=33 (abgerufen
am 5.5.2015).
38
Weiters wird darauf hingewiesen, dass es für gewöhnlich für eine Frau nicht so
leicht sei im Café Billard zu spielen, da es immer „ungalante“ Zuschauer gäbe, die
„solche Ereignisse belachten“. Davon ausgehend, dass Frauen nicht Billardspielen
könnten, aber das anscheinend glaubten, meint er, dass Männer auch nicht als
Billardmeister geboren würden und auch für den Mann viel Training nötig sei. Im
Damenclub könnten die Frauen jedoch erstmals soviel „patzen“ wie sie wollten.
Eine der Spielerinnen komme neben den Clubabenden täglich vor- und
nachmittags ins Café, um zu trainieren. Wenn sich keine Spielpartnerin fände,
spiele sie auch mit ihrem Ehemann, was immer noch besser wäre als Bridge zu
spielen, da diesem Spiel aufgrund von Streitigkeiten schon die eine oder andere
Ehe zum Opfer gefallen sei.
In der letzten Passage des Artikels wird auf Ernst Reichers Talentsuche
aufmerksam gemacht: Vor kurzer Zeit sei er im Café gesessen und habe einem
kleinen Mädchen bei ihren ersten Versuchen am Billard zugesehen. Die Eltern
hätten es abhalten wollen und der Kellner sei besorgt wegen des Tuches
gewesen, aber Reicher sah ein Talent und begann sie zu unterrichten, überzeugt
davon, dass in ihr das Potential einer Meisterin steckte.
3.2 Das Frauenbild um 1934
Der sarkastische Unterton, der in dem Artikel der Illustrierten Kronen-Zeitung
mitschwingt, ist nicht zu überhören. Auf die Frage, warum das Thema Frauen und
Billard im Kaffeehaus 1934 noch so abfällig behandelt wurde – und das nicht nur
inoffiziell, sondern gedruckt für alle Menschen sichtbar – soll nun näher
eingegangen werden.
Dass seit der Abschaffung der Demokratie durch Bundeskanzler Engelbert Dollfuß
ab 1933 wesentliche Rückschritte im Hinblick auf die Gleichberechtigung der
Frauen stattfanden, skizziert Irene Bandhauer-Schöffmann in einem Artikel über
die Frauenpolitik des Austrofaschismus. Das katholische Frauenideal – reduziert
auf die Rolle der Hausfrau und Mutter – wurde ab 1933 nicht nur breit propagiert,
sondern auch gesetzlich festgeschrieben. Mit Unterstützung der katholischen
Kirche bemühte sich der Austrofaschismus um eine „gottgewollte“ geschlechtsspezifische Arbeitsteilung: Frauen sollten (unbezahlt) im Haus, Männer außer
39
Haus arbeiten und für den Lebensunterhalt sorgen. Häuslichkeit, Mütterlichkeit
und stille Opferbereitschaft für die Familie wurden als wichtigste weibliche
Eigenschaften hervorgehoben, die Bäuerin zum Vorbild stilisiert. Frauen, die
dieser Geschlechterrolle nicht entsprachen und sich etwa nicht so rasch wie
möglich der Mutterrolle zuwenden wollten, wurden als Egoistinnen, als Wurzel des
gesellschaftlichen Verfalls und für den Geburtenrückgang verantwortlich gemacht.
Das 1919 erreichte allgemeine Wahlrecht für Frauen wurde bereits 1933 teilweise
aufgehoben: wahlberechtigt waren nur noch jene StaatsbürgerInnen, die außer
Haus arbeiteten, womit die große Anzahl an Hausfrauen per Gesetz vom
Wahlrecht und damit von politischer Mitsprache ausgeschlossen wurde: 146
„Schließlich war nach bürgerlichem Recht der Mann der Haushaltsvorstand und
ihm war die Hausfrau in allen Dingen rechenschaftspflichtig.“147
Da auch die Erwerbstätigkeit der modernen Frau das traditionelle katholische
Familienbild störte – Doppelbelastung zu Lasten der Familie und Ablenkung vom
„natürlichen“ Frauenberuf der Hausfrau und Mutter –, ging das austrofaschistische
Regime dagegen vor. So bewirkte die Ende 1933 erlassene „Doppelverdienerverordnung“, dass alle verheirateten Frauen – deren Existenz folglich durch die
Berufstätigkeit des Mannes gesichert sei – aus dem Staatsdienst ausgeschlossen
und entlassen wurden. Das Gesetz wurde auch von der katholisch-bürgerlichen
Frauenbewegung stark kritisiert, aber gegen deren Widerstand durchgesetzt. Wie
15 Jahre zuvor in der Monarchie war es nur mehr unverheirateten Frauen möglich,
den Beruf der Staatsbeamtin auszuüben. Die neue österreichische Verfassung,
erlassen im Mai 1934, hob die 1918 eingeführte Gleichheit von Mann und Frau
auf.148
Die in Wien erscheinende feministische Frauenzeitschrift „Die Unzufriedene“
wurde nach den Februarkämpfen 1934 zunächst gemeinsam mit allen sozialdemokratischen Vereinigungen verboten. Ab 1. Juli 1934 erschien die Zeitschrift
unter dem neuen Titel „Das kleine Frauenblatt“149 und propagierte fortan eine
146
Bandhauer-Schöffmann, Irene: Der „Christliche Ständestaat“ als Männerstaat? Frauen- und
Geschlechterpolitik im Austrofaschismis. In: Emmerich Tálos, Wolfgang Neugebauer (Hrsg.):
Austrofaschismus. Politik – Ökonomie – Kultur 1933-1938. Wien/Münster, LIT-Verlag. 7. Auflage
2014, S. 255-259.
147
Ebd., S. 261.
148
Ebd., S. 273-275.
149
„Die Unzufriedene“. In: Ariadne – frauenspezifische Information und Dokumentation,
http://www.onb.ac.at/ariadne/vfb/03guiunzufr.htm (abgerufen am 15.5.2015).
40
„neue Stellung zum Staate […], die auch die arbeitende Frau heute bezogen hat.
[…] Vor dem Februar stand die Frau in scharfer Opposition zum Staat. Der
Februar hat eine entscheidende Wendung gebracht.“ Die Frau müsse nun eine
„positive Einstellung zum Staat“ einnehmen – folglich verschwanden politische
Themen aus der Frauenzeitschrift und wurden durch traditionelle konservative
„Frauen-Themen“ (Haushalt, Kindererziehung, Schönheit, Mode, Frauenromane
usw.) ersetzt.150 Am 23. September 1934 – derselbe Tag, an dem die Kronenzeitung über die Billardärinnen berichtete – erschien auch eine neue Ausgabe des
Kleinen Frauenblatts. Die Billardspielerinnen werden darin nicht erwähnt –
inhaltlicher Schwerpunkt des Heftes war Weihnachten, das als „das Hochfest
wahrer Weiblichkeit“ bezeichnet wird.151
Die frauenpolitischen (frauendiskriminierenden) Maßnahmen des Austrofaschismus zielten vor allem auf die Förderung der Geburten und die Bekämpfung eines
„modernen“ Lebensstils der häufig der Mutterschaft im Weg stehen würde. U.a.
das Mutterschutzwerk und das Frauenreferat der Vaterländischen Front sollten
diese Interessen vorantreiben. Der Muttertag wurde zum großen politischgesellschaftlichen Feiertag erhoben und inszeniert, besonders kinderreiche Mütter
im „ordentlichen Familienverband“ erhielten Auszeichnungen. Vorbereitend wurde
der Hauswirtschaftsunterricht innerhalb der Schule ausgedehnt. Unerwünschte
Kinder – etwa aus finanziell schlechter gestellten Familien – versuchte das Mutterschutzwerk durch Appelle an Moral und Enthaltsamkeit zu verhindern.152
Zeitgleich erfolgte während des Austrofaschismus aber auch ein Abbau staatlicher
Sozialleistungen (Pensions- und Arbeitslosenversicherung), die wieder vermehrt in
die Familie verlagert wurden, was wiederum zur Folge hatte, dass Frauen
vermehrt kostenlose Arbeit im Sozial- und Fürsorgebereich zu leisten hatten, um
die Defizite auszugleichen.153
150
Das kleine Frauenblatt (11. Jg., Nr. 17), 1.7.1934, S. 1, zitiert nach: „Das kleine Frauenblatt“. In:
Ariadne – frauenspezifische Information und Dokumentation,
http://www.onb.ac.at/ariadne/vfb/03guiklfrbl.htm (abgerufen am 15.5.2015).
151
Das kleine Frauenblatt (11. Jg., Nr. 42), 23.12.1934, S. 1, http://anno.onb.ac.at/cgicontent/anno?aid=uzf&datum=19341223 (abgerufen am 15.5.2015).
152
Bandhauer-Schöffmann, 2014, S. 255f, 270f.
153
Ebd., S. 254f, 272f.
41
3.3 Die Mitglieder des ersten Damenbillardclubs in Wien
Angesichts des systematischen Ausschlusses der Frauen aus sogenannten
Männerdomänen bzw. ihrer stetigen Verdrängung aus dem öffentlichen Leben
überrascht der Zeitpunkt der Gründung des Damen-Billardclubs 1934 auf den
ersten Blick: War das Café Freyung seiner Zeit voraus, oder lassen sich dahinter
andere Interessen anstelle einer Emanzipationsbewegung erkennen?
Abbildung 5: Die Runde der „Billardärinnen“ (auf dem Foto links Josef Pipal, rechts die
Cousine von Ernst Reicher), Fotografie 13 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums
Weingartner)
Was wissen wir über die Mitglieder des ersten Damenbillardclubs in Wien? Aus
dem Artikel der Kronenzeitung geht hervor, dass „Frau Kommerzialrat Seiffert“ die
Leitung innegehabt haben soll und, dass Frau Josephine Reicher, die Mutter von
Billardweltmeister Ernst Reicher, ebenfalls Mitglied im Damenclub war. Die „eine
Dame“ die laut dem Bericht der Kleinen Volkszeitung jeden Tag trainiert haben
soll, wird nicht namentlich erwähnt.
Bei „Frau Kommerzialrat Seiffert“ handelte es sich wohl um die Ehefrau von
Richard Seifert. Er war der Sohn des Tischlermeisters Heinrich Seifert, welcher
1848 eine kleine Werkstätte im 5. Bezirk, eröffnet und sich auf die Fabrikation von
42
Billard-Tischen und Kaffeehauseinrichtungen spezialisiert hatte.154 Als im Jahre
1872 erstmals die Rubrik „Billard“ im Branchenverzeichnis des Wiener
Adressbuches aufschien, war Heinrich Seifert einer von acht Billard-Herstellern.155
Er konnte sich bald einen Ruf als einer der besten Billard-Fabrikanten Wiens
erarbeiten, gewann zahlreiche Auszeichnungen für seine Arbeiten und eröffnete
sogar eine zweite Fabrik in Budapest.156 Seiner Fabrikation wurde 1878 der
kaiserlich-königliche Hoftitel verliehen.157
Abbildung 6: Zeitungsannonce der Firma Heinrich Seifert & Sohn, aus: Kikeriki,
Humoristisches Volksblatt, 19. Jänner 1879, Beilage (Quelle: http://anno.onb.ac.at/cgicontent/anno?aid=kik&datum=18790119&seite=7)
154
Nachruf auf Heinrich Seifert. In: Neue Freie Presse, 4.7.1898, S. 1; Schramm, Eine Billardfabrik
jubiliert. In: Welt am Abend, 19.2.1948, S. 3.
155
Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger, Wien 1872, Branchenverzeichnis, S. 632,
http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/28251 (abgerufen am 15.5.2015).
156
„Weltausstellung 1873 Wien: Fortschritts-Medaille; Weltauststellung 1878 Paris: silberne
Medaille als höchste Auszeichnung – 1880 Teschen große gold. Medaille; 1882 Triest
Ehrendiplom f. Billard; Budapester allgem. Landes-Austellung 1885 große Medaille f.
ausgezeichnete Arbeit und guten Geschmack.“ Adolph Lehmann's allgemeiner WohnungsAnzeiger, Wien 1890, Branchenverzeichnis, S. 1427,
http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/60293 (abgerufen am 15.5.2015).
157
Heinrich Seifert & Sohn. In: Wiener Vorstadt-Presse, 31.12.1878, S. 3.
43
Nach dem Einstieg der beiden älteren Söhne Ludwig Seifert (1877) und Heinrich
Seifert junior (1885) trug die Firma also den Titel „Heinrich Seifert & Söhne, k.k.
Hofbillardfabrikanten“. Ludwig Seifert konstruierte das erste „Wende-Billard“ oder
„Doppel-Billard“, dessen Tischplatte auf einer Seite für Carambol-, auf der anderen
Seite für Kegel-Spiel genutzt werden konnte.158
Der jüngste Sohn, Richard Seifert, stieg erst nach dem Tod des Firmengründers
1898 offiziell in den Familienbetrieb ein, war jedoch bereits von Adolf Loos für die
Einrichtung des Spielzimmers im 1899 neueröffneten Café Museum in der
Operngasse beauftragt worden.159 Er konstruierte später auch das erste MetallBillard. Richard Seifert war 1910 der jüngste Kommerzialrat Österreichs und
gehörte auch zur Tischrunde der Secessionisten, zu der zahlreiche bekannte
Künstler, Musiker, Architekten, Dichter, Journalisten und Intellektuelle (u.a. Adolf
Loos, Gustav Klimt und Adolf Hoffmann) gehörten. Diese Titel waren nach der
Abschaffung der Monarchie 1918 jedoch nichts mehr wert. Die Nachfrage nach
Billard-Tischen ging wohl infolge der Not der Kriegs- und Nachkriegszeit zurück
und die Firma geriet in eine Krise. 1934 – das Jahr, in dem der Damen-BillardClub gegründet wurde – wurde die Firma im Branchenverzeichnis nicht mehr unter
dem Stichwort „Billard“, sondern nur noch unter „Kaffeehauseinrichtungen“
angeführt.160 Dennoch leitete Richard Seifert noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg
das Familienunternehmen.161
Aus dieser Perspektive erscheint es einleuchtend bzw. sogar naheliegend, dass
ausgerechnet seine Ehefrau – „Frau Kommerzialrat“ – gemeinsam mit der Frau
des Besitzers des Café Freyung und Mutter des amtierenden Billard-Weltmeisters,
Josephine Reicher, den Damen-Billard-Club gründete. Die beiden Frauen hatten
aufgrund der Berufe ihrer Männer natürlich wirtschaftliches Interesse an der
Förderung des Spiels. Frauen als neue Kundengruppe zu gewinnen erscheint aus
dieser Sicht als eine einleuchtende Geschäftsidee.
Die wenigen erhaltenen schriftlichen Dokumente liefern keine genauen Auskünfte
über die anderen Billardspielerinnen. Aber einige Fotos aus dem Fotoarchiv des
158
Der Wundertisch vom Mittersteig. In: Das kleine Volksblatt, 19.2.1948, S. 5.
Neues Wiener Journal, 19.4.1899, S. 4.
160
Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger, Wien 1934, Branchenverzeichnis, S. 27,
http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/212902, und S. 103
(http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/212978).
161
Der Wundertisch vom Mittersteig. In: Das kleine Volksblatt, 19.2.1948, S. 5.
159
44
Billardmuseum Weingartner, die 1936 im Café Freyung aufgenommen wurden,
zeigen, dass die Cousine von Ernst Reicher ebenfalls Mitglied im Damenclub war,
ebenso wie Senta Wengraf und ihre Schwester Lucie Wengraf.
Abbildung 7: Josef Pipal und die Cousine von Ernst Reicher, Fotografie 13 x 8,5 cm
(Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner)
Abbildung 8: Senta Wengraf, Fotografie 8,5 x 13,5 cm (Quelle: Fotoarchiv des
Billardmuseums Weingartner)
45
Abbildung 9: Lucie Wengraf, Fotografie 11 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des
Billardmuseums Weingartner)
Einige Bilder in der großen Sammlung von Heinrich Weingartner zeigen Senta
Wengraf, die später als Schauspielerin berühmt werden sollte, im Alter von zwölf
Jahren. Die Widmung auf der Rückseite des Porträtfotos lautet: „Meinem lieben
Billardmeister, zur Erinnerung an deine Schülerin, Senta Wengraf. Wien, 15
Februar 1936“.162 Gemeint ist Josef Pipal. In einem Interview am 2. Mai 2015
erzählte mir die 91-jährige Wengraf, dass sie sich leider nicht mehr so genau an
diese Zeit erinnern könne, aber es möge schon sein, dass sie einen Lehrer gehabt
hätte. Im Buch „Spiele der Stadt“ lautet der Titel des Bildes „Die Billardspielerin
Senta Wengraf, 1936“163 was vermuten lässt, dass sie über längere Zeit Billard
gespielt hat. Laut der Aussage von Senta Wengraf habe sie das Billardspiel „nur
als kurzfristiges Vergnügen und aus Spaß betrieben.“164 Wahrscheinlich sei sie mit
ihren Eltern im Kaffeehaus gewesen und als Kind habe sie halt mitgemacht. „Ich
162
Billardmuseum Weingartner
Strouhal, 2012, S. 306.
164
Interview mit Senta Wengraf, Wien, 2. Mai 2015.
163
46
hab' das der Hetz halber gespielt, weil es lustig war“.165 Später sei sie jedoch nur
noch ganz selten dazugekommen, aber ernsthaft hätte sie nie gespielt.166
Da sie zum Zeitpunkt, als der Artikel erschien, aber gerade 10 Jahre alt war und
sich
die
Frauen
laut
Bericht
immer
Abends
getroffen
haben,
ist
es
unwahrscheinlich, dass sie zu den besagten ersten 20 Clubmitgliedern gehörte.
Wahrscheinlich stieß sie erst später dazu, oder der Club hat sich im Verlauf von
zwei Jahren nicht mehr nur am Abend getroffen.
Abbildung 10: Senta Wengraf 1936, Fotografie 11 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des
Billardmuseums Weingartner)
Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei dem beschriebenen Mädchen im
Artikel aus der „Kleinen Volks-Zeitung“, um deren Training sich Josef Pipal
angenommen hatte, nachdem Ernst Reicher ein Nachwuchstalent in ihr gesehen
hatte, um Senta Wengraf gehandelt haben könnte.
165
166
Ebd.
Ebd.
47
4. Exklusion
und
Emanzipation
von
Frauen
im
Billardsport
Bevor ich in diesem Kapitel auf die Exklusion und beginnende Emanzipation von
Frauen im Billard-(Profi-)Sport eingehe, möchte ich ein paar grundsätzliche
Überlegungen zum Thema Geschlechterdifferenz im Sport vorausschicken.
Es
folgen
eine
Beschreibung
der
Billardform
Carambol,
und
deren
Unterdisziplinen, da dies zum Verständnis der Argumentation notwendig ist, sowie
eine Analyse jener Aspekte die auf eine männliche Dominanz im Billardsport
hindeuten, aber einer deutlichen Steigerung der weiblichen Beteiligung nicht im
Weg stehen, wie die Biografie von Ingrid Englbrecht bestätigt.
4.1 Geschlechterdifferenz im Sport
Einer der grundlegenden Unterschiede zwischen Menschen ist auch heute jener
des Geschlechts. Die Unterschiede liegen, scheinbar, „auf der Hand“. Allerdings
sind diese, abgesehen von den rein körperlichen Differenzen, nichts weiter als
gesellschaftliche Konstruktionen: der Mensch ist ein Produkt seiner Umgebung,
seiner Lebensumstände. Sandra Günter formuliert dies folgendermaßen:
„Generalisierend
kann
festgehalten
werden,
dass
in
der
allgemeinen
Geschlechterforschung die Auffassung vertreten wird, dass Menschen in ihrer
zugeordneten „männlichen“ oder „weiblichen“ Geschlechtlichkeit in Relation
zueinander stehen, und ohne die jeweilig andere Kategorie nicht fassbar sind.
„Mannsein“ und „Männlichkeit“ definieren sich in Abgrenzung zu „Frausein“ und
„Weiblichkeit“. Diese Relation findet ihren Ausdruck in der jeweiligen in der
Gesellschaft vorherrschenden Geschlechterordnung.“167
Die Geschlechtlichkeit an sich ist allerdings lediglich ein kleiner Teil dessen, was
im Allgemeinen als „Wirklichkeit“ wahrgenommen wird. Wirklichkeit sind all jene
167
Günter, Sandra: Die Analysekategorie Geschlecht in der sporthistorischen Forschung. In: Hans
J. Teicher (Hrsg.): Moden und Trends im Sport und der Sportgeschichtsschreibung, Hamburg,
Czwalina Verlag. 2003, S. 61.
48
Dinge, die wir Tag für Tag erfahren, und ist somit immer sozial bedingt – von uns
selbst und unserem Umfeld konstruiert.168
Die Geschlechterdifferenzen im Sport sind stark von den Gegebenheiten innerhalb
einer Gesellschaft beeinflusst. Es lässt sich feststellen, dass unsere Gesellschaft
eine männlich dominierte ist. Unzählige Statistiken zu Verdienstunterschieden,
Quoten in Führungspositionen etc. unterstützen diese Einschätzung. Da liegt es
auf der Hand, dass sich das Verhältnis im Sport nicht großartig anders präsentiert.
Rosa Diketmüller formuliert es folgendermaßen:
„Männliche Körper und deren Leistungsfähigkeit gelten dabei als Normgeber,
sodass Frauen dabei maximal als das „Andere“ und in Abweichung zur Norm
erscheinen. Das normale Weibliche wird auf ein abstraktes Äußeres reduziert,
dessen Verortung an die Seite des Mannes durch die Idealisierung von
Schönheit – paradigmatisch etwa beim Cheerleading – unterstützt wird.“169
Bemerkenswert
ist in
diesem
Zusammenhang die Tatsache,
dass das
Cheerleading in seiner Urform eigentlich eine männliche Domäne war. Auf der
Homepage von Varsity, einem der größten Cheerleading-Interessensverbände der
Welt, ist zu lesen, dass die Wurzeln von Cheerleading Mitte des 19. Jahrhunderts
beim American Football zu suchen sind, wo ein „all-male pep club“ die Spieler mit
Kampfliedern anfeuerte.170
Frauen stießen erst Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zu den Teams,
waren zu Beginn allerdings noch unterrepräsentiert. Varsity erklärt, wann sich das
geändert hat:
„Cheerleading grew from there. It wasn’t until 1923 that women were allowed to
cheer for the first time, at the University of Minnesota. During this decade,
cheerleaders added tumbling and acrobatics to their routines, and a University
of Oregon cheerleader used flashcards for the first time. Although women were
168
Ebd., S. 63.
Diketmüller, Rosa: Macht- und Genderdiskurs in Bewegungskulturen, In: Matthias Marschik,
Rudolf Müllner, Otto Penz, Georg Spitaler, (Hrsg.): Sport Studies. Eine Einführung. Wien, facultas
wuv Verlag. 2009, S. 86f.
170
Vgl. Being a Cheerleader – History of Cheerleading. In: Varsity,
http://www.varsity.com/event/1261/being-a-cheerleader-history; (abgerufen am 16.5.2015).
169
49
joining teams in the ‘20s, it wasn’t until the ‘40s that they joined in large
numbers, since so many college-aged men went off to fight in World War II.”171
Mit diesem kurzen Ausflug in die Geschichte des Cheerleading sind die
Grundprobleme der Geschlechterdifferenzen im Sport gut umrissen. Dass sich die
Bilder aber auch ändern können, beweist der Umbruch im Cheerleading, der in
seinen
Wurzeln
eigentlich
auch
auf
gesellschaftliche
Veränderungen
zurückzuführen ist. Die Frage, die sich allerdings stellt, ist: Wie stark wurden die
Umwälzungen in der Gesellschaft durch Umwälzungen im Sport beeinflusst, und
umgekehrt? Welche Rolle spielt der Sport im Zusammenleben?
4.1.1 Versteinert oder aufgebrochen? Wie sich Rollenklischees im
Sport entwickeln
Grundlegend gibt es in der Geschlechterforschung zwei Strömungen, wie sich die
Rollen von Männern und Frauen im Sport in den letzten Jahrzehnten verändert
haben. Einerseits gibt den Ansatz, dass die alteingesessenen Klischees vom
starken Mann und der schwachen Frau durch den Sport fortgeführt und verstärkt
werden. Günter dazu:
„Eine These ist, dass das System „Sport“ zur Konstruktion und Perpetuierung
von asymmetrischen dualen Geschlechtermodellen beiträgt. Grundannahme ist,
dass der Struktur des Sports diskursive, performative Prozesse des
‚“gendering‘„ immanent sind und diese tradierte Geschlechterverhältnisse
reproduzieren und konsolidieren:“172
Günter macht sich auf die Suche nach den Wurzeln des Männlichkeitsbildes im
Sport und nimmt die Geschichte des deutschen Turnerbundes etwas genauer
unter die Lupe. Sport existiert in diesem Zusammenhang nicht aus reinem
Selbstzweck, aus Freude an der Bewegung, sondern soll vielmehr dem gesamten
Volk
zugutekommen.
Bereits
in
dieser
Ausrichtung
wurden
traditionelle
Geschlechterrollen gelebt:
„Zentrale Ziele des Männerturnens waren mehr oder weniger durchgängig bis
zum Ende des zweiten Weltkrieges die Stärkung der Männlichkeit und
Wehrhaftigkeit, Förderung des Freiheits- und Nationalgedankens, Forcierung
171
172
Ebd.
Günter, 2003, S. 62.
50
des Patriotismus und Nationalismus. Frauenturnen bekam im Dualismus dazu
die Aufgabe der Stärkung der mutterschaftsorientierten Gesundheit, des
deutschen Nachwuchses und der deutschen Familie zugewiesen. Dem Manne
also der Staat und der Frau die Familie.“173
Andererseits existiert jener Ansatz, nach dem vermehrte sportliche Betätigung von
Frauen
und
Mädchen
sehr
wohl
dazu
beitragen
kann,
traditionelle
Geschlechterrollen einzureißen und umzudeuten:
„Dieser
Feststellung
steht
die
These
entgegen,
dass
bei
genauerer
Differenzierung, nicht nur eine Konstruktion und Reproduktion, sondern auch
eine Dekonstruktion und Veränderung der tradierten Weiblichkeitsmodelle im
Sport stattfindet. [… Mädchen und Frauen] widerlegen im Sport weiblich
definierte Stereotype der Schwäche, Ängstlichkeit und Hilfsbedürftigkeit, Frauen
und Mädchen erleben durch den Sport eine Emanzipation zumindest ein
‚Empowerment‘.“174
Beide Ansätze haben ihre Stärken und explikatorischen Schwächen. Während die
erste Sichtweise von einem schwachen Individuum und großer normativer Kraft
der vorherrschenden Gegebenheiten ausgeht, unterschätzt die zweite diesen
Einfluss womöglich etwas. Günter formuliert dies folgendermaßen:
„Die letztere Annahme betont intersubjektive Handlungsmöglichkeiten und
vernachlässigt die mediale und kommerzielle Beeinflussung der sozialen
Konstruktion von sportiven Körper- und Geschlechtermodellen. Die erste
Annahme vermittelt den Eindruck der determinativen, sozialen Reproduktion
von
Geschlechterverhältnissen
ohne
subjektive
Handlungs-
und
Entscheidungsmöglichkeiten.“175
Die Geschlechterrollen im Sport können aber keinesfalls ohne Blick auf die
Gesellschaft behandelt werden. Der Alltag der Menschen hat sich in den
vergangenen 150 Jahren drastisch geändert. Durch die immer kürzer werdende
Arbeitszeit blieb der Bevölkerung immer mehr Freizeit. Zeit, die man eigentlich mit
sportlichen Aktivitäten füllen könnte. Eva Kreisky zeichnet allerdings ein eher
düsteres Bild, wenn sie schreibt:
173
Ebd., S. 66.
Ebd., S. 62.
175
Ebd.
174
51
„Derartige
Transformationen
der
Arbeitswelten
enthielten
mitnichten
emanzipatorisches Potenzial. Nicht vermehrte sportliche Betätigung war Folge
dieser erzwungenen „Befreiung“ von Erwerbsarbeit, sondern vielmehr das
Sportschauen, also stellvertretend Sport treiben zu lassen. Aktives Sporttreiben
bleibt im Großen und Ganzen dem Lebensstil und den Konsumgewohnheiten
oberer und mittlerer Gesellschaftschichten vorbehalten, während Sportschauen
eher untere und erwerbslose Klassen – in aller Regel Männer vor dem
heimischen Fernseher oder im Stammlokal – erregt (anstatt bewegt).“176
Nun ist allerdings Freizeit nicht gleichbedeutend mit Freizeit. Die männliche
Freizeit unterscheidet sich deutlich von der weiblichen. Die traditionellen Pflichten
der Frau enden eigentlich niemals, Hausarbeit und Kindererziehung funktionieren
nicht nach dem Stechuhrprinzip. Dass am Ende Frauen weniger Zeit für Sport
bleibt, liegt auf der Hand.
Eva Kreisky formuliert diesen Umstand ausführlich und meint:
„Frauen, die im Verhältnis häufiger als Männer in armutsgefährdeten Zonen
leben, eine höhere Zahl an Alleinerzieherinnen stellen, in beträchtlichem Maße
vom Arbeitsmarkt exkludiert werden, die Hauptgruppen in Niedriglohnsektoren
ausmachen usw., erfahren die Herausforderungen der Machtverhältnisse des
Alltags in radikal anderer Weise. Sie sind stärker in überlebensnotwendige
Kämpfe des Alltags involviert, hier wird das Gros ihrer Kräfte und Energien
aufgebraucht. […] Selbst wenn Prekarität des Lebensunterhaltes nicht gegeben
sein sollte, verwehrt ihnen geschlechtliche Arbeitsteilung jene „freie“ Zeit, die
Männern in aller Regel nach wie vor zur Verfügung steht. Nicht nur das
Dispositiv der Macht, auch das Dispositiv der Freiheit begünstigt tendenziell
Männer.“177
Allerdings sagt Kreisky auch, und damit schließt sich der Kreis zu der eingangs
erwähnten Konstruktion unserer Wirklichkeit:
„Sport ist niemals a-gesellschaftlich, nicht einmal „relativ“ befindet er sich
außerhalb von Gesellschaft. Selbst aktuelle Erscheinungsweisen von Sport
verweisen noch auf „traditionelle Muster männlicher Körperrepräsentanz“ und
176
Kreisky, Eva: Arbeits-, Sport- und Geschlechterkörper. Einflüsse des Geschlechts auf moderne
Sportkulturen. In: Matthias Marschik, Rudolf Müllner, Otto Penz, Georg Spitaler (Hrsg.): Sport
Studies. Eine Einführung. Wien, facultas wuv Verlag. 2009, S. 74.
177
Kreisky, 2009, S. 79.
52
weichen nur marginal von gesellschaftlicher Hegemonie des Maskulinen ab. Auf
beiden Ebenen, dem gesellschaftlichen Subsystem Sport und der Gesellschaft
insgesamt,
finden
sich
gleichzeitig
inegalitäre
und
egalitäre
Veränderungstendenzen. Gewöhnliche gesellschaftliche Diskriminierung ist im
Feld des Sports ebenso präsent, wie auch partiell Öffnung angesagt ist, bei
dem Hochleistungen und Siege von Markt- oder Staatsrelevanz sind.“178
Es lässt sich also feststellen, dass Sport einerseits die Rollenbilder festigen,
andererseits sie aber auch bis zu einem gewissen Grad ändern kann.
Die Vermittlung der konstruierten Realität erfolgt heute beinahe ausschließlich
über massenmediale Kanäle. Die in der Berichterstattung transportierten Bilder
sind die Grundlage, auf der wir uns ein Bild unserer Gesellschaft machen. Und in
diesem Bild sind Sportlerinnen definitiv unterrepräsentiert, wie Diketmüller
formuliert: „Geschlechterunterschiede manifestieren sich besonders in medialen
Darstellungen der Sportkultur. Die meisten Studien stimmen darin überein, dass
über Sportlerinnen deutlich weniger als über Sportler berichtet wird.“179
Dieser Unterschied mache sich aber keineswegs nur in quantitativer Hinsicht
bemerkbar: „Nicht nur die quantitativen Geschlechtereffekte, auch die berichteten
Sportarten lassen geschlechtsbezogene Profile erkennen. Männer werden eher in
Sportarten präsentiert, in denen Kraft, Kampf und Technik im Mittelpunkt stehen.
Frauen
werden
eher
in
ästhetisch-kompositorischen
Disziplinen
oder
180
Individualsportarten gezeigt.“
Geschlechterdifferenzen im Sport sind also immer auch ein Abbild der
grundlegenden Geschlechterdifferenzen in der Gesellschaft. Die Frage, ob durch
die verstärkte Teilnahme von Frauen an ehemals rein männlichen sportlichen
Veranstaltungen alteingesessene Rollenklischees fortgeführt oder aufgebrochen
werden, kann in letzter Konsequenz nicht eindeutig beantwortet werden. Was
allerdings sehr wohl großen Einfluss auf die Stellung von Frauen und Mädchen
innerhalb der Welt des Sports ausübt, ist die mediale Berichterstattung darüber.
178
Kreisky, 2009, S. 75.
Diketmüller, 2009, S. 88.
180
Rudolfs/Hartmann-Tews 2006, zitiert Nach: Diketmüller, 2009, S. 88.
179
53
4.2 Billardsport – eine Männerdomäne
4.2.1 Exkurs: Grundlegendes zum Billardsport
Carambol, Pool, Snooker sind die bekanntesten Billardvarianten, die heute
gespielt, und auch multimedial transportiert werden. Sie unterscheiden sich schon
auf den ersten Blick durch die unterschiedlichen Tische, auf denen das Spiel
betrieben wird.
Was alle drei neben dem gleichbleibenden Spielflächenverhältnis von 2:1,
spieltechnisch gemeinsam haben, ist u.a. die grundlegende Voraussetzung, dass
der Stoß mit dem Queue auf den weißen Spielball ausgeführt wird, der dadurch
mit einem oder mehreren anderen Bällen zusammenstößt.
Carambol ist eine Billardform, die mit drei Bällen, meist weiß, gelb und rot, auf
einem Tisch ohne Taschen gespielt wird. Es gibt drei Standardgrößen der
Spielflächen: Matchbillard: 284 x 142 cm, Kleines Turnierbillard: 210 x 105 cm und
Wiener Kaffeehausbillard: 190 x 95 cm. Ziel ist es, mit dem Spielball – wahlweise
dem weißen oder dem gelben – eine Karambolage (Zusammenstoß) mit den
beiden anderen Bällen zu erreichen. Wie bei den anderen Billardformen gibt es
auch beim Carambol verschiedene Disziplinen: Die Freie Partie, Cadre, Ein- und
Dreiband, sowie Artistik. Das Queue ist im Vergleich zu Pool und Snooker leichter
und der Durchmesser der Spitze beträgt 11 cm.
Die Freie Partie gilt als die Grundform, denn hier muss lediglich darauf geachtet
werden, dass der direkt angespielte Ball die beiden anderen berührt. Gelingt dies,
hat man einen Punkt gemacht und darf erneut stoßen. Die Partielänge beträgt
meistens 400 Punkte und wird heute von professionellen Spielern und
Spielerinnen in 30 bis 60 Minuten gelöst.
Beim Cadre ist die Spielfläche in neun Felder geteilt, „in denen man nur eine
gewisse Anzahl von Carambolagen machen darf“.181 Auch hier gibt es, meist mit
der Größe der Tische und den dadurch entstehenden Größen der Felder
zusammenhängend, unterschiedliche Varianten.
181
Weingartner, 1989, S. 4.
54
Einband wird schon etwas komplizierter. Es gibt zwar keine Einschränkungen
durch Markierungen, aber hier muss der Spielball, ehe er mit dem dritten Ball
karamboliert, mindestens eine Bande berühren.
Das selbe wie beim Einband gilt auch beim Dreiband, nur eben mit drei Banden.
Diese Disziplin ist im Spitzensport am weitesten verbreitet. „Serien über 10
gehören auch unter Könnern zu den Seltenheiten.“182
Bei der Billard-Artistik, gibt es in einem Programm zusammengefasste Figuren, die
mit Punkten bewertet werden.
Eine beliebte Art bei Meisterschaften ist die Austragung im Mehr-, oder
Fünfkampf, bei dem Vereine die besten Spieler und Spielerinnen der jeweiligen
Disziplinen Freie Partie, Ein- und Dreiband, sowie Cadre-Disziplinen antreten
lassen183 und ihre Ergebnisse als Team gewertet werden.
Pool, das am häufigsten in Amerika betrieben wird, wird genauso wie Snooker,
das die meisten Anhänger in England findet, auf einem Tisch mit sechs Taschen –
jeweils in den vier Ecken und zwei gegenüberliegenden in der Mitte der langen
Seite – gespielt. Beim Snooker sind die Löcher erheblich kleiner als beim Pool,
genauso verhält es sich mit den Bällen, die darin versenkt werden müssen. Neben
feinen Regelunterschieden richtet sich die Anzahl der Bälle beim Pool nach den
jeweiligen Unterdisziplinen, beläuft sich aber auf maximal fünfzehn färbige,
durchnummerierte und einen weißen, den Spielball. Beim Snooker spielt man mit
fünfzehn roten, sechs andersfärbigen, und einem weißen Ball, die nach
bestimmten Regeln und einem Punktezählsystem in den Taschen versenkt
werden. Das Queue unterscheidet sich u.a. in Gewicht und Härte des Holzes,
wobei das Queue beim Snooker die dünnste Spitze zwischen 9 und 10 cm
bemisst, während der Durchmesser der Pomeranze beim Pool zwischen 12 und
13 cm beträgt.
4.2.2 Sexistischer Sprachgebrauch: Zweideutige Begriffe
Die These „Billard sei eine Männerdomäne“ wird von vielen Begriffen im
Zusammenhang mit Billard unterstützt. Die dort verwendeten Ausdrücke bieten die
Gelegenheit, dass sie zweideutig gebraucht, und durch sexuelle Konnotation als
182
183
Ebd.
Der Brockhaus: Sport. Leipzig-Mannheim, Brockhaus Verlag. 2007, S. 251.
55
Anspielungen
auf
männliche
Geschlechtsteile
sowie
den
Geschlechtsakt
verstanden werden können.
Das beginnt schon mit dem Spielgerät, dem Queue, dessen Name – wie bereits
erwähnt – vom französischen la queue kommt und auf Deutsch soviel wie der
Schwanz – umgangssprachlich für Penis – heißt. Außerdem kann seine Form als
eindeutiges Phallussymbol gewertet werden. Daraus ergeben sich oft „witzig
gemeinte“ Fragen wie: „Kann er gut mit seinem Queue umgehen?“
Des Weiteren wird der Hauptteil des Oberteils beim modernen Queue, „der beim
Stoßen durch die Finger des Spielers geführt“184 wird, Schaft genannt, was in der
Biologie die Bezeichnung für den Teil des männlichen Geschlechtsorgans auf dem
die Eichel sitzt, ist.
Dass Männer gerne mit (ihren) Bällen spielen, ist eine Phrase, die in der
englischen
Sprache
mehr
Eindeutigkeit
erhält,
da
Bälle,
also
balls,
umgangssprachlich für Hoden, bedeutet. Hier fällt es, durch die klare
Doppeldeutigkeit des Ausdrucks, noch leichter diesen auf sexuelle Art zu
gebrauchen.
Der Begriff „einlochen“ – im Sinne von „die Bälle versenken“ – lässt sich auf den
Geschlechtsakt umlegen, bei dem diese Aufgabe dem Mann zufällt und das Loch
als weibliches Geschlechtsorgan gedeutet werden kann.
Die Berührung, die die Bewegungsenergie des Queues auf den Spielball
überträgt, nennt man „Stoß“. Stoßen wird ebenso gerne als Begriff verwendet, der
den Geschlechtsakt umschreibt, wo diese Bewegung, die – wenn gelungen –
wieder zum „Einlochen“ führt, vom männlichen Part übernommen wird.
Die Stellung der Hand, durch oder über die der dünne Teil des Queues geführt
wird, nennt man „Bock“, was ebenfalls durch den in der Biologie für die
Bezeichnung des Männchens verschiedener Saugetiere verwendeten Ausdruck,
männlich konnotiert ist. Zudem bedeutet „keinen Bock haben“ soviel wie „keine
Lust verspüren“, als ob der Wille zum Spiel mit der Verfügbarkeit von Männlichkeit
abhängt.
Einzig die „Sau“ (ein Glücksstoß) ist ein weiblich behafteter Begriff.
184
Queue. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Queue_(Billard)
(abgerufen am 2.4.2015).
56
Die Begriffsanalyse zeigt via Sprache, die Männerdominanz im Billard; zugleich
wird deutlich, dass Frauen via Sprache systematisch ausgeschlossen werden,
indem sie von dieser hochsexualisierten Sprache wohl auch abgestoßen werden.
Vielleich liegt erst in dieser Wirkung ihre Funktion.
4.2.3 Sexistische Darstellungen von Frauen am Billardtisch
Viele Bilder im Billardmuseum von Heinrich Weingartner zeigen Frauen ab ca.
1900 beim Billardspiel. Die meisten Darstellungen stammen aus Frankreich,
Großbritannien und Deutschland. Nur vereinzelt finden sich Bilder, die ihren
Ursprung in Österreich haben.
Anzumerken ist auch, dass es sich nur in seltenen Fällen um Frauen handelt, die
aussehen als würden sie tatsächlich Billard als Sport betreiben, im Gegensatz zu
den unzähligen Darstellungen von Männern, die mit ernster Miene auf die Bälle
starren. Die Bilder, auf denen Frauen beim Spielen zu sehen sind, erwecken einen
entspannten und sorglosen Eindruck, als wäre ihnen der Verlauf der Bälle völlig
egal.
Auffallend sind die immer wiederkehrenden unnatürlichen Posen, in denen die
Frauen beim Spielen bzw. bei der Simulation von Spiel gezeigt werden. Sehr
häufig finden sich junge, schöne Frauen am Billardtisch, die versuchen, mit dem
Queue hinter ihrem Rücken eine Kugel anzuspielen. Diese Art wählt man, wenn
sich die Bälle durch ihre Position am Tisch, nicht in der herkömmlichen Haltung
anstoßen lassen. Geübte SpielerInnen können – im Falle von RechtshänderInnen
– in solchen Situationen meist auch mit der rechten Hand den Bock bilden. Ist der
oder die SpielerIn jedoch nicht dazu im Stande, besteht die Möglichkeit, sich auf
den Tisch zu setzen, wobei nach heutigen Regeln mindestens ein Bein den Boden
berühren muss, und den Queue hinter dem Rücken zu führen. In dieser
Körperhaltung kommen die „Vorzüge einer Frau“ am Billardtisch wohl am besten
zur Geltung. Schiffer zitiert in seinem Buch über Billard eine Amerikanerin namens
Alice Howard, die selbst eine Könnerin am Pooltisch gewesen sei und 1919
Folgendes gesagt haben soll: „Ein Billardtisch zeigt die Frau von ihrer vorteilhaften
57
Seite […] Wie ließe sich ein ansehnlicher Schenkel besser präsentieren, als wenn
er von der Kante eines Billardtisches baumelt?“185
Der Aspekt des „Sex sells“ ist in diesen Bildern nicht außer Acht zu lassen. Diese
Erscheinung ist eindeutig keine, die modernen Werbestrategien entspringt, denn
die frühen erotischen Posen („Stellungen“) der Billardspielerinnen lassen diese
Absicht bereits erkennen. Auf diese Weise können auch viele ältere Bilder von
Billardspielerinnen gelesen werden, wie die folgende Abbildung 11. Natürlich
entsprach die Genreszene zur Entstehungszeit (1870) nicht der Realität, sondern
sollte vielmehr die Geschäfte rund ums Billard fördern.
Abbildung 11: Un coup difficile 1870 nach E. Boutibonne / evtl. nach Gemälde von
Charles Francois Boutibonne aus dem Jahr 1860, Stecher: Paul Girardet, Lithografie
schwarz-weiß, Frankreich, 63,5 x 52 cm (Quelle: Billardmuseum Weingartner)
185
Schiffer, 1994, S. 108.
58
Im 19. Jahrhundert waren die Bilder noch etwas zurückhaltender im Umgang mit
Nacktheit – im Gegensatz zu Darstellungen aus den 1930er Jahren, wie dieses
Pin Up von Peter Driben, die keines weiteren Kommentars bedarf:
Abbildung 12: Ein Pin Up aus den 1930er Jahren von Peter Driben (Quelle: www.kunstund-spiele.de/pin-up.htm)
4.3 Frauen im Billardsport in Wien in der Gegenwart
4.3.1 Frauen in der Billardschule Weingartner
Heute sind gut die Hälfte der AbgängerInnen der Billardkurse Frauen. In
Anfängerkursen überwiegt sogar die Zahl der Schülerinnen, mit sechs Frauen, von
insgesamt zehn TeilnehmerInnen. In den Fortgeschrittenen-Kursen finden sich
allerdings nur ganz selten weibliche Spielerinnen, da sie zumeist nur einen Kurs
belegen, weil sie sich bei ihrem ersten Auftritt am Billard nicht blamieren wollen.
Viele machen geheim den Kurs, um ihre Partner zu überraschen.186 Die Motivation
darin besteht also nicht im Nutzen für sich selbst, sondern für Andere, was einem
weiblichen Klischee entspricht.
186
Interview mit Heinrich Weingartner sen., 2. Mai 2015.
59
In den 1980-ern hat es einen gewaltigen Aufschwung an billardspielenden Frauen
gegeben. Ein Grund dafür war Kitty Kinos Film „Karambolage“, der vielen Frauen
mehr
Selbstbewusstsein
und
dadurch
einen
„Anstoß“
gab,
in
die
männerdominierten Vereine einzutreten.
4.3.2 Frauen in Vereinen
Der Wiener Billard Sportverband, kurz WBSV, wurde im Februar 1980 gegründet,
und ist seit Oktober 1980 Teil des 1931 ins Leben gerufenen Billard
Sportverbandes Österreich.187 Insgesamt verzeichnet der Wiener Verein zur Zeit
473 Mitglieder, wovon 33 Frauen sind.
Die Wiener Billard Assoziation (WBA) wurde 1969 gegründet und ist der größte
Carambol-Billardclub Österreichs. Der Club verzeichnet derzeit 130 aktive
Mitglieder, davon sind 14 weiblich.188
Bei der Durchsicht von Vereinsstatuten und Regeln auf frauenspezifische
Passagen sind mir keine besonderen Merkmale in Bezug auf Aus- oder
Einschüsse aufgefallen. Es war auch nie notwendig, da Frauen ohnehin nicht in
großen Zahlen Billardvereinen beitreten wollten.189
Lediglich in den Vereinsstatuten des Wiener Snooker- und Billiardsverband kurz
WSBV, findet sich neben Pressesprecher, Schiedsrichter, Rechtsreferent u.a.
Ämtern, die sogenannte Damenreferentin. Ihre Aufgaben lauten wie folgt: „Der
Damenreferentin obliegen alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit Damen
weiblicher Jugend. Sie ist dem Sportdirektor direkt unterstellt und koordiniert mit
ihm gemeinsam die zu ihrem Aufgabenbereich nötigen Maßnahmen.“190
Hier wird eindeutig ein Unterschied zwischen Männern und Frauen hergestellt.
Durch
die
Formulierung
Damenreferentin
wird
unmissverständlich
davon
ausgegangen, dass dieses Amt von einer Frau besetzt wird, und dass Mädchen
anscheinend eine besondere Förderung durch geschlechtergleiche Betreuung,
benötigen. Alle anderen Ämter sind in der männlichen Form beschrieben und
besetzt.
187
Vgl. Weingartner, Heinrich: Homepage Wiener Billard Sport Verband,
http://www.wbsv.info/html/wbsv/wbsvintern.htm (abgerufen am 3.4.2015).
188
Interview mit Heinrich Weingartner sen., 2. Mai 2015.
189
Ebd.
190
Website des Wiener Snooker- und Billardsverbandes: Vereinstatuten, S. 11,
http://wsbv.at/images/download/statuten_wsbv_2012.pdf (15.3.2015).
60
Der Vorstand der WBA setzt sich derzeit aus fünfzehn Personen zusammen,
wobei eine davon weiblichen Geschlechts ist (Sportleiter Matchbillard). In den
Vereinsstatuen der Wiener Billard Assoziation (Stand: 9. Mai 2015) wird
durchgehend die männliche Form verwendet – ein Hinweis, dass dies der
Einfachheit halber getan wurde, findet sich auf dieser Homepage nicht. Hingegen
wird auf der Website des Wiener Pool Billard Verbands, wo in den Allgemeinen
Spielregeln einheitlich von „dem „Spieler“ die Rede ist, in einer „Anmerkung des
Übersetzers“ darauf hingewiesen, dass „der Einfachheit halber […] die maskuline
Form benutzt [wurde]. Dadurch soll jedoch nicht auf das Geschlecht des Spielers,
oder des Offiziellen hingewiesen werden.“191 Die offiziellen Regeln wurden vom
Englischen ins Deutsche übersetzt, wo the player Männer wie auch Frauen
einschließt, da in der englischen Sprache kein Wort wie „Spielerin“ existiert.
In den Klassen, in die die SpielerInnen eingeteilt werden, kommen zu der
allgemeinen Klasse, in der Männer üblicherweise im Alter von 19 bis 60 Jahren
gegeneinander antreten, sogenannte Spezialkategorien, zu denen Damen,
Jugend und Senioren gezählt werden. Wobei die Klasse Jugend auch nur auf die
männlichen Spieler beinhaltet, da Frauen, egal welchen Alters, auf Grund der
niedrigen Zahl der Teilnehmerinnen, immer in einer Klasse gewertet werden. Ein
junger Mann spielt abhängig von der Disziplin bis zum Alter von 21 Jahren (beim
Dreiband) oder 19 Jahren (bei den anderen Spielformen), in der Jugend-Klasse
kann aber, wenn es die Spielstärke zulässt, schon früher in beiden Kategorien
(Allgemein und Jugend) gewertet werden. Für die Spezialkategorien gibt es – im
Gegensatz zu den Männern in der allgemeinen Klasse – kein Preisgeld. So verhält
es sich zum Beispiel auch bei Europameisterschaften, wo Damen ebenfalls nur
mit Sachpreisen, Medaillen und Pokalen „ausgezeichnet“ werden. Diese
Unausgeglichenheit wird wie bei anderen Sportarten damit argumentiert, dass
Frauen weniger hohe GD erreichen würden, und deshalb keinen Anspruch auf
Preisgelder hätten.
4.3.3 Unterschiedliche Spielstärke von Männern und Frauen
Neben einer Unzahl an Turnierergebnissen und -berichten, sowie Siegerfotos von
männlichen Spielern finden sich, in der Fachzeitschrift „billard – mit dem offiziellen
191
Wiener Pool Billard Verband: Regeln, http://www.wpbv.at/index/regeln (abgerufen am
12.3.2015).
61
Teil des Billard Sportverbandes Österreich“,192 im Laufe der Jahre immer mehr
Erwähnungen von weiblichen Spielerinnen, aber im Vergleich zu den männlichen,
immer noch wenige. Die Liste der Austria Top 100, die in jeder Ausgabe zu finden
ist, ist unterteilt in die Disziplinen: Freie Partie, Cadre, Einband, Dreiband und
Kombination, sowie Damen: Freie Partie und Damen: Dreiband, und gibt
Aufschluss über die Beteiligung von Frauen und ihre Spielstärke.
An dieser Aufzählung lässt sich gut erkennen, dass die weiblichen Spielerinnen
bei den Meisterschaften und im professionellen Wettkämpfen in deutlicher
Unterzahl sind, da die Rangliste der Damen in der Freien Partie (Ausgabe Nr. 273
vom März 2015) gerade mal vierzehn, und die der Dreiband siebzehn Namen
aufweist. In den Disziplinen Cadre, Einband und Kombination werden gar keine
Frauen genannt.
Der daneben angeführte Generaldurchschnitt,193 anhand dessen das Können
beim Billard verglichen wird, lässt zunächst darauf schließen, dass die weiblichen
Spielerinnen den männlichen nicht nur in Anzahl, sondern auch in Spielstärke
deutlich unterlegen sind. Bei der Freien Partie Herren beispielsweise hat der
Erstplatzierte einen Generaldurchschnitt von 43,900 Punkten und die Vorreiterin
der Damen „nur“ 3,531 Punkte. Bei der Disziplin Dreiband hingegen sind die
Unterschiede bereits geringer. Der Beste bei den Herren spielte einen GD von
1,290, die Beste bei den Damen 0,488.194
4.3.4 Frauen im KÖÖ und im Café Weingartner
Durch die steigende Anzahl von Billard-Clubs und modernen Billardcafés sowie
die Begeisterung der Jugend für das Pool-Billard, gerät Carambol, als Form die in
Wiener Kaffeehäusern am häufigsten betrieben wurde, heute immer mehr in
Vergessenheit. Die neue öffentliche Heimat der grünen Tische sind die
Billardhallen. Die Beteiligung der Frau an diesen Orten soll nun exemplarisch
anhand des Billardlokals KÖÖ auf der Mariahilfer Straße und des Billardcafés
Weingartner in der Goldschlagstraße gezeigt werden.
192
Die von Heinrich Weingartner herausgegebene Fachzeitschrift erscheint seit 1987 zehnmal
jährlich. Die Inhalte beziehen sich ausschließlich auf die Billardform Carambol und ihre
Unterdisziplinen
193
abgekürzt GD; ergibt sich aus der Anzahl der erreichten Punkte geteilt durch die Anzahl der
benötigten Aufnahmen.
194
Weingartner, Heinrich: Austria Top 100. In: billard– mit dem offiziellen Teil des Billard
Sportverbandes Österreich, Nr. 273, 2015, S. 46.
62
Im Vergleich zum Kaffeehaus kann man behaupten, dass heute verhältnismäßig
sehr viele Frauen in Billardhallen spielen. Es hängt wahrscheinlich damit
zusammen, dass nicht Carambol sondern hauptsächlich Pool gespielt wird.
Heinrich Weingartner meint: „Beim Carambol tut sich nicht viel wenn man keine
Übung darin hat, und es wird schnell langweilig wenn man eine halbe Stunde
keinen Punkt macht. Vor allem die Mädchen freuen sich wenn was reinfällt, und
wenn sie einen Fehler machen lachen sie noch mehr“.195
Am Vormittag sieht man im KÖÖ nur ganz selten Frauen. Wenn es jedoch um die
Unterhaltung nach Einbruch der Dunkelheit geht, trifft man schon eher, wenn
trotzdem noch in der Unterzahl, auf ein, oder sogar mehrere Mädchen am
Billardtisch. Dann aber fast immer in Gesellschaft von Männern. Wenn zwei
Frauen alleine kommen, um miteinander zu spielen, könne man laut einiger
Angestellter, davon ausgehen, dass sie darauf aus sind, Männerbekanntschaften
zu machen. Das gemeinsame Interesse an einer Sache liefert einen plausiblen
Grund jemanden anzusprechen. 196
Es kommt aber auch vor, dass am Abend Frauen unter den Gästen sind, die
richtig gut spielen, ihre Freunde besiegen und dabei ganz cool bleiben und sich
nicht über jede versenkte Kugel unüberhörbar freuen. Dieses Verhalten ist jedoch
eine Ausnahme bei den weiblichen Gästen und sonst hauptsächlich bei Männern
zu beobachten.
Im Café Weingartner befinden sich keine Frauen unter den Billard spielenden
Stammgästen. Es gibt immer wieder Mädchen, die sich mit ihren Partnern oder
einer Gruppe von Freunden ins Café „verirren“ und auch ein paar Stöße probieren,
aber nicht lange, denn sie würden doch lieber Pool spielen. Dass zwei Frauen
alleine kommen, um Billard zu spielen, komme allerdings überhaupt nie vor. „Von
Billardspielenden Frauen – keine Spur“.197
4.4 Ingrid Englbrecht
„Bis in die 70er 80er gab es keine ernst zu nehmende Billardspielerin in Wien, bis
zu Frau Englbrecht, die, bevor sie geheiratet hat, mit Nachnamen Stern hieß. Und
195
Interview mit Heinrich Weingartner sen., 17. April 2015.
Interview mit Manuel Haller, Wien, 7. Bezirk, 4. April 2015.
197
Interview mit Heinrich Weingartner jun., Wien, 15. Bezirk, 17. April 2015.
196
63
dann hieß es immer „die Stern Fräu'n198„ ist wieder da. Aber sie kam immer sehr
seriös und tugendhaft gekleidet“199 – wahrscheinlich, um den Vorurteilen
vorbeugend Wind aus den Segeln zu nehmen. Als sie in den 1960er Jahren die
ersten paar Male im Kaffeehaus auftauchte, wurde gemunkelt, dass sie Billard
spielte, um Männer kennenzulernen.200
Ingrid Englbrecht ist heute eine der erfolgreichsten, wenn nicht sogar die beste
Carambol-Billard spielende Frau in Österreich. Sie gewann bis jetzt zwei
Europameisterschaften in der Disziplin Damen in Freie Partie, achtzehn
Staatsmeisterschaften der Damen in Freie Partie und zehnmal wurde sie
österreichische Meisterin bei den Damen in Dreiband.
Ihre persönlichen Erzählungen201 beschreiben exemplarisch die Situation einer
Frau im Billardsport in den 60er bis 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie sollen
aufzeigen, wie sie sich durch ihr „nicht konformes“ Verhalten in einem so männlich
dominierten Sport, unter schwierigen Bedingungen und trotz mehrfacher
Rückschläge, etablieren konnte.
Ingrid Englbrecht wurde 1948 als Ingrid Martha Stern geboren und wuchs in WienHernals auf. Ihren ersten Kontakt zum Billardspiel hatte die damals 12-Jährige bei
ihrem Onkel, der einen selbstgebauten kleinen Hobbybillardtisch besaß.
Im Alter von 16 Jahren ging Ingrid Englbrecht lieber Billardspielen als Tanzen. Im
Café Epp im 17. Bezirk, ließ sie der Ober – aus Mitleid, wie sie meint – mit den
Worten „jetzt kommt wieder die Verrückte“, an den Tisch. „Das war ja in dieser Zeit
nicht so selbstverständlich, von Gleichberechtigung hielt man damals nicht all zu
viel. Der nette Ober […] aber war der Zeit weit voraus.“202
Sie machte sich immer weiter auf die Suche nach Kaffeehäusern, in denen sie
spielen konnte, wo sie dann stolz alleine hinging, in der Annahme, sie könne gut
Billard spielen. „Die müssen sich totgelacht haben über mich“, sagt Englbrecht,
und lacht dabei. Sie wüsste nicht genau, warum sie so versessen darauf gewesen
198
„Fräu'n“ ist ein (abwertender) Wiener Ausdruck für Fräulein (Weingartner) Fräu'n, die, Fräulein
(das!), auch Lehrerin. Vgl. Österreichische Akademie der Wissenschaften: Beiheft zum
Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ), http://wboe.oeaw.ac.at (abgerufen
am 10.5.2015).
199
Interview mit Heinrich Weingartner sen., 2. Mai 2015.
200
Ebd.
201
Interview mit Ingrid Englbrecht. Interview. BSK Augarten, Wien, 2. Bezirk, 25. April 2015.
202
Englbrecht, Ingrid: Biografisches. In: Homepage von Ingrid Englbrecht, http://www.englbrecht.at
(abgerufen am 12.5.2015).
64
sei, aber meint „Wahrscheinlich hat es mich so fasziniert, weil sie mich nicht
spielen gelassen haben, sonst hätt' ich vielleicht gar nicht weiter Billard gespielt.“
Und natürlich war es für sie auch schön zu zeigen, was sie konnte und sich auf
diese Weise mit den männlichen Spielern und Kiebitzen zu profilieren. Es gefiel ihr
offenbar, die Leute ein wenig zu provozieren und sie gleichzeitig zu beeindrucken.
In ihrem damaligen Stammcafé Max im 17. Bezirk habe sie der Ober nicht spielen
lassen, und sie mit den Worten „geh ham kochn“ deutlich darauf hingewiesen,
dass sie am Billardtisch nichts verloren hätte, weil sie eine Frau war, und seiner
Meinung nach am Herd stehen sollte.
Später wurde sie auf einen Billardclub am Margaretengürtel aufmerksam. 1970,
sie war die erste Frau, die Mitglied in einem Billardclub wurde, war es für sie nicht
selbstverständlich, dass man sie aufnahm. „Es wurde geschaut wie man aussah,
gekleidet war, redete und sich benahm.“ Darauf folgte eine dreimonatige
Probezeit, nach der alle Mitglieder mit ihrer Aufnahme einverstanden sein mussten
– in vielen Clubs ist eine solches strenges Aufnahmeverfahren auch heute noch
üblich. Der Fall einer Ablehnung trat aber nicht ein und bald hatte sie viele
hilfsbereite Lehrer. Sie dachte zwar, sie könne schon gut spielen, aber nach den
ersten Unterrichtsstunden, bemerkte sie „bumm, a so geht des gspü, i kann ja gar
nix“.
Einer der Clubmitglieder habe sich stundenlang Zeit genommen, um ihr
Stellungsstöße zu zeigen, obwohl er selbst gar nicht so gut gespielt habe. Das sei
aber auch nicht zwingend erforderlich, um ein guter Trainer zu sein. Nach einem
halben Jahr, in dem sie sehr oft dort war, und „trainiert [hat] wie eine Böse“, hat sie
sich sehr gesteigert. Trotzdem gab es auch ein einige, die von Anfang der
Meinung waren, dass sie nicht lange im Club sein würde. Es wurden Wetten auf
sie abgeschlossen, darüber, wie weit sie kommen würde.
Nach einem knappen Jahr spielte sie beim ersten Clubturnier bereits mit einem
Generaldurchschnitt (GD) von 3 Punkten, den sie ein Jahr darauf verdoppelte. Sie
wurde immer besser, und bald gewann sie auch Partien gegen die männlichen
Vereinsmitglieder. Es sei eine freundliche, nicht feindselige Gemeinschaft
gewesen, aber verloren hätten die Kollegen nicht gerne gegen sie: „Da gab es
Männer, die haben aufgehört Billard zu spielen, weil sie gegen mich verloren
65
haben.“ Das ging soweit, dass einige zwar nicht offen gegen sie als Frau
protestierten, aber sogar den Verein verließen.
Ein anderes Beispiel dazu liefert ein Mitglied in ihrem jetzigen Club im BSK
Augarten. Vor nicht allzu langer Zeit erzählte er ihr, dass er damals, als sie 20 war
und er neu in den Club gekommen sei, gegen sie gespielt habe, und sie ihn
„hineing'haut“ habe. Das sei für ihn ein sehr prägendes Erlebnis und seine
Motivation gewesen, mit intensivem Billardtraining anzufangen.
Die Vorbehalte ihres Ehemannes und ein Berufswechsel führten allerdings dazu,
dass sie das Spiel immer mehr vernachlässigte. Im Jahr 1973 kam ihr Sohn zur
Welt und von da an „wars mit dem Billard endgültig vorbei“.203 Die Familie und die
Arbeit beanspruchten ihre gesamte Aufmerksamkeit und Zeit, was sich für fast
zehn Jahre nicht ändern sollte. Dabei habe sie sehr wichtige Jahre verloren, denn
„das sind die Jahre, in denen man jung ist und sich leichter tut, Dinge zu lernen“.204
Ein Anruf von Heinrich Weingartner weckte sie 1982 aus ihrer Billardlethargie. Er
erzählte ihr von einer Regisseurin namens Kitty Kino, die einen Film über eine
Billardspielerin drehen wollte. Frau Englbrecht sollte in den Szenen, in denen
schwierige Stöße zu sehen seien, die Hauptdarstellerin Marie Cobin doubeln.
Wegen der langen Zeit ohne Training zögerte sie zunächst und meinte, ob es nicht
eine andere Spielerin gäbe, die die diese Aufgabe übernehmen könnte. Aber
anscheinend war, wie Frau Englbrecht vermutet, die Emanzipation beim
Carambol-Billard nicht eingetreten. „Die Frauen hat das nicht interessiert.“ Sie
meint, es gab sicher vereinzelt Poolspielerinnen, aber wenn man bedenkt, dass
Frauen ihren Erfahrungen nach in den Kaffeehäusern immer noch nicht gern am
Billard gesehen waren – und wo sollte man sonst zufällig mit diesem Sport in
Kontakt kommen – sei dies nicht verwunderlich. Trotzdem ist es erstaunlich, dass
in den mehr als zehn Jahren, die seit Ingrid Englbrechts Beitritt als erstes
weibliches Mitglied in einem Billardclub vergangen waren, offenbar keine andere
Frau auch nur annähernd so gut spielte wie sie.
Sie nahm das Angebot an und im Folgejahr 1983 kam der Film in die
Österreichischen Kinos. Von da an engagierte sie sich wieder aktiv im Verein.
203
204
Ebd.
Interview mit Ingrid Englbrecht. Interview. BSK Augarten, Wien, 2. Bezirk, 25. April 2015.
66
Selbst ein unangenehmer Vorfall am 31. Jänner 1985 im Café Sperl im 6. Bezirk,
bei dem sie der Ober nicht Billardspielen ließ, hinderte sie nicht daran am Ball zu
bleiben. Die Geschichte erschien kurze Zeit später mit der Überschrift „(Keine)
Karambolage“ in der Kronen-Zeitung.205
Als
1985
die
erste
Damen-Europameisterschaft
im
Carambol-Billard
ausgeschrieben wurde, begann sie wieder mit dem regelmäßigen Training. Der 4.
Platz sei zwar eine große Enttäuschung für sie gewesen, aber kein Grund
aufzugeben. Sie trainierte weiter und nahm an weiteren Europameisterschaften
teil, ohne jedoch die ersehnte Medaille zu gewinnen.
Zu Beginn der 90er Jahre unterrichtete sie zwei Mal wöchentlich in der
Billardschule Weingartner. Sie sei eine sehr engagierte Lehrerin gewesen, und
darum bemüht ihren Klassen, die ca. zu einem Drittel aus Frauen bestanden, das
Billardspielen beizubringen. Leider habe sich die erwünschten Erfolge bei ihren
SchülerInnnen nicht eingestellt, was sie an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln
ließ. Aber Weingartner habe sie beruhigt und gemeint, dass die meisten Leute
einen Billardkurs belegen, so wie andere einen Töpfer- oder Malereikurs machen.
Von da an habe sie ihre Aufgabe gelassener gesehen und den Spaß am Spiel in
den Vordergrund gestellt.
Nach ihrer Scheidung 1992 ging es mit dem Billard wieder aufwärts. Ihr neuer
Partner unterstütze sie tatkräftig bei den Turnieren. Bei der EM 1998 erreichte
Englbrecht den dritten Platz, 2002, bei der 12. Europameisterschaft die
Goldmedaille. Drei Jahre später konnte sie ihren Titel erfolgreich verteidigen. Viele
Staatsmeistertitel folgten.
In ihrem Club ist sie heute als Sportleiterin tätig und kümmert sich außerdem um
die Öffentlichkeitsarbeit. Da sie seit 2007 direkt gegenüber des Vereinslokals
wohnt, übernimmt sie jeden Tag die Reinigung der Tische.
Ihre internationale Karriere hat sie mittlerweile beendet. Sie meint der
Leistungsdruck bei Turnieren sei eine sehr große psychische Belastung und der
wolle sie sich nichtmehr aussetzen. Aber sie spiele sehr gerne und würde auch
nicht damit aufhören.
205
siehe Anhang.
67
Ingrid Englbrecht hat sich ebenfalls mit der Frage beschäftigt, warum mehr
Männer und im Durchschnitt besser Billard spielen als Frauen, und ob die
Möglichkeit besteht, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen so gut werden
können wie die besten männlichen Spieler. Als junge Frau sei sie davon überzeugt
gewesen, und setzte alles daran so gut zu werden wie die männlichen
Spitzenspieler.
Später
entstanden
Zweifel,
denn
viele
Erfahrungen
und
Turnierergebnisse sprachen dagegen. Allerdings „fand [sie] keinen logischen
Grund für diese scheinbare Ungleichheit. An der Kraft konnte es ja nicht liegen
und warum sollten Frauen nicht so geschickt wie Männer sein? Zudem sind
Frauen oft ehrgeiziger und fleißiger, wenn es gilt, Neues zu lernen.“206 In vielen
Gesprächen (mit Männern) habe sie verschiedene (nicht ernst zu nehmende)
Meinungen und nicht schmeichelhafte Aussagen gehört, wie: „Frauenbillard ist
Behindertensport“, „Frauen haben anders arbeitende Gehirnhälften“ und „Frauen
können Fühlen und Denken nicht trennen“.
Auf ihrer Homepage erwähnt Englbrecht kritisch das Buch „Warum Männer nicht
zuhören und Frauen schlecht einparken“207 von Allan und Barbara Pease, aber
schließt deren Ansicht als eventuellen Grund für das herrschende Ungleichgewicht
nicht aus. Die Autoren stellen in einem eigenen Kapitel zum Thema Frauen und
Billard die Behauptung auf, „dass das räumliche Denkvermögen der Frauen, dem
der Männer unterlegen[…] [sei].“208 Die unterschiedliche Spielstärke beim Billard
sei also auf die von Frauen und Männern ungleiche Gehirnstruktur und biologische
Veranlagungen zurückzuführen.209 Von dieser Ansicht distanzierend vertritt Ingrid
Englbrecht die Meinung, dass die Antwort auf das Warum mit zwei bekannten
Sprichwörtern ausgedrückt werden könne: „Aus der Masse kommt die Klasse“ und
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Ihrer Meinung nach sei es
eine „Tatsache, dass weit weniger Frauen professionell Billard spielen als Männer
und, dass Frauen zumeist viel später damit beginnen“ würden. Daraus ergäbe sich
die Überlegung, dass Frauen, wenn sie schon in früher Jugend mit Billard
beginnen würden, ebenso gut werden könnten wie Männer, oder gar besser als
206
Englbrecht, Ingrid: Startseite. In: Homepage von Ingrid Englbrecht, http://www.englbrecht.at
(abgerufen am 20.4.2015).
207
Pease, Allan und Pease, Barbara: Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht
einparken. München: Econ Ullstein List Verlag. 1998.
208
Englbrecht, Ingrid: Startseite. In: Homepage von Ingrid Englbrecht, http://www.englbrecht.at
(abgerufen am 20.4.2015).
209
Vgl. Pease/Pease, 1998, S. 196.
68
sie. Die Chance auf besonders herausragende Spielerinnen würde sich außerdem
erhöhen, wenn deutlich mehr Frauen bzw. Mädchen diesen Sport ergreifen
würden.
Ein gutes Beispiel für den Erfolg jahrelangen Trainings sei zum Beispiel die 1986
in Kärnten geborene Poolspielerin Jasmin Ouschan. Im Club ihrer Eltern begann
die junge Athletin bereits im Alter von sechs Jahren Billard zu spielen, wo sie bald
unter Leitung eines Trainers immer größere Fortschritte machte. Sie gewann unter
anderem bereits bei den Olympischen Spielen sowie bei der Damen PoolWeltmeisterschaft eine Goldmedaille und erreichte sogar den 5. Platz bei den
Herren Pool-Weltmeisterschaften 2006.210
Als Englbrecht noch jünger war, wollte sie einfach besser werden als die Männer.
Das habe sie immer angespornt und deshalb reiche es ihr nicht, ihre Erfolge nur in
Bezug auf die Ergebnisse anderer Frauen zu werten. Auch heute vergleicht sie
ihren Durchschnitt mit dem ihrer männlichen Mitstreiter und fragt sich immer noch,
was diese anders machen. Sie habe das Gefühl, Frauen ließen sich beim Spiel
leichter von ihrer Umgebung ablenken und könnten sich nicht so gut konzentrieren
wie Männer. Das habe sie über Jahre bei Turnieren bei sich selbst und ihren
Gegnerinnen beobachten können.
An SpielerkollegInnen schätze sie die Freundschaftlichkeit, die man unter den
Frauen bei Turnieren häufiger beobachten könne als bei den Männern.
Spielerinnen würden sich eher nach dem Bewerb noch zusammensetzen, um
Gedanken auszutauschen und gemeinsam die Siegerin zu feiern, obwohl sie sich
kaum kennen. Männer seien dagegen mehr an ihrem Erfolg interessiert, und nicht
an ihrem Gegenüber. In ihren eigenen Worten beschreibt Englbrecht die
tatsächliche Ursache der Leistungsunterschiede: (1) Der Ausschluss aus der
bürgerlichen Form der Öffentlichkeit und (2) das Klischee der männlichen
Dominanz und Leistungsbezogenheit. Beides ergibt die geringere Breite, die für
Spitzenleistungen im Spitzensport unabdingbar ist.
210
Vgl. Ouschan, Jasmin: Bio/Profile. In: Homepage von Jasmin Ouschan, http://www.jasminouschan.com/about-jasmin-ouschan/bio-profile/ (abgerufen am 3.2.2015).
69
5. Billard und Frauen im Film
5.1 „I'm the emancipated type“ – Filmische Darstellung der
Situation von Frauen in Poolbillardhallen (USA 1961/1984)
In zwei der bekanntesten amerikanischen Filme über Billard, The Hustler – Haie
der Großstadt 1961 und The Color of Money – Die Farbe des Geldes 1984, gehen
die poolspielenden Hauptfiguren mit ihren Managern auf Tour, um von einer
Billardhalle zur nächsten zu ziehen, und ihren Gegnern das Geld aus den Taschen
zu ziehen. Es geht um Ehre, Stolz (Männer) Freundschaft und natürlich schnelles
Geld. In beiden Filmen nehmen die jungen Männer ihre Freundinnen mit auf ihre
Tour, doch deren Trainer stehen dem Einfluss des weiblichen „Anhangs“ auf ihre
Schüler skeptisch gegenüber, was zu Spannungen zwischen den Protagonisten
führt.
The Hustler (Regie: Robert Rossen) stellt ein gutes Beispiel für die Situation für
Frauen in Poolhallen in Amerika der 1960er Jahre dar. Zu Beginn des Films lernen
wir die weibliche Hauptfigur der Sarah Packard (gespielt von Piper Laurie) als
emanzipierte junge Frau kennen, was sie am ersten Tag, als sie Eddie (Paul
Newman) kennenlernt, im Gespräch durch ihre Aussage „I'm the emancipated
type“ klar und deutlich macht. Aber offensichtlich stellt sie schon durch ihre bloße
Anwesenheit in der Poolhalle – nicht nur für Eddie, sondern auch für die anderen
Spieler – eine unzumutbare Ablenkung dar. Beim Betreten der Halle erweckt sie
das Aufsehen der anwesenden Männer und erntet entsetzte Blicke. Sie muss die
Billardhalle verlassen, noch bevor Eddie beginnt. Plötzlich scheint die beim ersten
Eindruck so stark wirkende Frau völlig eingeschüchtert. Zum demütigenden
Ausschluss kommt noch hinzu, dass Eddie ihre Liebe scheinbar erwidert, jedoch
nicht bereit ist, es ihr zu sagen.
Dass die Männer in der Poolhalle Sarah mit wenig Begeisterung begegneten, liegt
natürlich daran, dass sie, wie gezeigt, in die Männerdomäne Billard eindringt und
das Spiel der Männer stört.
Sarah verlässt die Halle zwar widerwillig, aber ohne großen Widerstand, da es zu
dieser Zeit nichts Ungewöhnliches war, dass Frauen von manchen Orten
verwiesen wurde, mit der einfachen Begründung, dass sie nicht erwünscht seien.
70
In The Color of Money (Regie: Martin Scorsese), der die Fortsetzung von The
Hustler darstellt, hat sich das Bild der Frau und die Einstellung gegenüber Frauen
in Poolhallen geändert. Obwohl auch in diesem Film keine Billardspielerinnen zu
sehen sind, ist die Wandlung bemerkbar: Man sieht keine Männer, die wie gelähmt
mit offenstehenden Mündern dastehen, wenn eine Frau eine Billardhalle betritt.
Die Szenen sind lockerer inszeniert und die Geschlechterrollen weniger stark
ausgeprägt. Carmen (Mary Elizabeth Mastrantonio) die Freundin von Vincent
(Tom Cruise) hat zwar genauso wie Sarah in The Hustler, kein einziges Mal ein
Queue in der Hand, sie ist jedoch von Anfang an bei den Spielen dabei, um
Vincent zu unterstützen.
In einer Szene spielen Carmen und Vincents Trainer Eddie (Paul Newman) ein
Paar, das ganz zufällig in die Bar kommt, in der Vincent bereits einen Gegner an
der Angel hat, und beginnen hoch auf den ihnen völlig unbekannten Jungen zu
setzen. Um die Show glaubhaft zu gestalten, verstärkten Eddie und Carmen ihr
Auftreten als Pärchen, was Vincent zur rasenden Eifersucht treibt. Er will die
ganze Tour abblasen, doch Carmen weigert sich mit ihm nachhause zu fahren,
und so beschließt er doch weiter zu machen.
Vergleichend lässt sich an den Beispielen feststellen, dass sich nicht nur in der
Begegnung von Männern gegenüber der Frau in öffentlichen Billardhallen etwas
verändert hat, sondern auch in der Beziehung zwischen Mann und Frau. Sarah
kann noch nicht einmal in der Billardhalle bleiben, was Eddie offensichtlich nicht
stört, denn er widerspricht den Männern nicht, die sie auffordern zu gehen.
Carmen hingegen bleibt und verfügt über ihrer eigene Sprache. Sie sagt was sie
denkt, und lässt sich nicht einschüchtern. Nicht zuletzt, weil sie weiß, wie wichtig
sie für Vincent ist. Sie hilft den beiden Abzockern beim Irreführen ihrer
Gegenspieler. Und auch Eddies Freundin – eine Barbesitzerin – hat ihr Leben
selbstbewusst im Griff.
Die Frauenbewegung zeigte sich um 1960 in vielen Großstädten, wie New York
oder London, durch die sogenannte „zweite Welle“. Simone de Beauvoir, Betty
Friedan und später Alice Schwarzer galten mit ihren Werken als Vorreiter in der
Entstehung eines neuen Frauenbildes, es gelang neue Perspektiven zu eröffnen,
was sich auch im Mikro-Kosmos der Darstellung in Billardfilmen zeigt.
71
Dass Frauen im Film zunehmend auch im übertragenen Sinn an Stärke
gewannen, zeigt auch das Filmbeispiel „Karambolage“ bei dem kein Mann,
sondern eine Frau die Hauptrolle der Billardspielerin bezieht.
5.2 Die billardspielende Protagonistin in Karambolage (Wien
1983)
Die Regisseurin Kitty Kino (geb. Kitty Gschöpf *1948) hat als 16-Jährige211 ihre
eigene Erfahrung mit Billard und der Einstellung mancher Kaffeehausbetreiber
gegenüber Frauen am grünen Tisch gemacht. Als Schülerin habe man sie, im
Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, im Kaffeehaus nicht Billard spielen
lassen, weil sie „das Tuch kaputt mache“. Den Ausschluss habe sie nie
vergessen,212 diese absurde Beschränkung sei ihre erste bewusste Begegnung mit
der Diskriminierung von Frauen gewesen,213 die sie in ihrem ersten Film
verarbeitete.
5.2.1 Inhalt
„Ich hab auch zwei Hände zwei Augen und ein Hirn […] Billard spielt man mit
einem Queue, und nicht mit dem Schwanz!“,214 lautet die bekannteste Textzeile, im
Film über eine junge Billardspielerin in Wien. Die Szene kennzeichnet einen
Wendepunkt in dem Leben der Studentin Judit (Marie Colbin) und das Ereignis
leitet den Beginn ihres Eindringens in die männerdominierte Billardwelt ein.
Die Erzählung beginnt damit, dass Judit zufällig in einer Bar mit Billardtisch landet,
wo man zum ersten Mal sieht, dass sie keine Anfängerin im Umgang mit dem
Queue und den drei Bällen ist. Sie kommt mit der Barfrau Lilo (Renée Felden) ins
Gespräch und erzählt ihr ihre Lebensgeschichte, die dem Rezipienten in Form von
Rückblenden gezeigt wird:
Als Judit in einer Kneipe auf ihren Freund Max (Helfried Edlinger) wartet, lernt sie
Ernstl (Gerhard Rühmkorf) kennen. Nach einem kurzen Spiel am Poolbillard,
211
Raftl, 1984, S. 54.
Telefoninterview mit Kitty Kino, Wien-Griechenland, 11. Mai 2015.
213
Kino, Kitty: Karambolage. Presseheft zum Film. Wien 1983. Aus der Sammlung des
Österreichischen Film Museums.
214
Ebd.
212
72
verlässt sie die Bar mit Max, aber erkennt bald darauf, dass sie doch nur das
Anhängsel eines verheirateten Mannes ist.
Zufällig stößt sie auf einen Billardclub, bei dem sie Mitglied wird. Sie trainiert wie
besessen, verliert sich dabei im Spiel und findet sich schließlich selbst. Nachdem
sie ein großes Turnier gewinnt, ist sie plötzlich auch wieder für ihre vermeintlichen
Freunde interessant.215 Endlich schenkt ihr auch der Antiquitätenhändler Hans
Seebaum (Florentin Groll) mehr Aufmerksamkeit. Die beiden verabreden sich zu
einem Treffen, wo Judit ihm ihre Liebe gesteht. Es hat den Anschein als würde er
ihre Gefühle erwidern, letztendlich muss sie jedoch feststellen, dass der erhoffte
Anruf nicht kommen wird. An dieser Stelle endet Judits Erzählung, durch die wir
von ihren Erkenntnissen in einem Leben voller Karambolagen erfahren haben.
Dann kommt „der King“ (Wilfried Baasner), der der beste Billardspieler in der
Gegend sein soll, wovon sich Judit selbst überzeugen will.
Im Verlauf des Films beobachten wir Judit auf ihrem Weg zur Billardspielerin und
können sehen auf welche Hindernisse sie dabei stößt:
Bei ihrem ersten Treffen mit Ernstl, erfahren wir, dass sie das Spiel schon als
Jugendliche interessiert hätte, als ihr damaliger Freund mit seinen Freunden
Carambol spielte, aber die Besitzerin des Cafés habe gesagt, Frauen würden den
Tisch kaputt machen. Bei Judits erstem Besuch in Lilos Café sagt die Barfrau zu
Judit, sie solle ein bisschen Spielen, worauf einer der Gäste die Lilo fragt: „Hast du
net Angst um den Tisch?“ Aber Lilo ist nicht der Meinung, Frauen können nicht
Billardspielen, und auch die männlichen Spieler werden prompt eines Besseren
belehrt. In einem anderen Café sind zwei Stammgäste entsetzt, als sich Judit ein
Queue nimmt, und rufen die Kellnerin zur Hilfe: „Wenn Sie die spielen lassen,
dann ist der Tisch hin.“, sagt einer der älteren Herren, die sie am Spiel hindern
wollen.
Judit will als sie selbst anerkannt werden und beschließt daher sich
zurückzuziehen, und zwar in eine Männerdomäne – nicht zuletzt mit dem
Hintergedanken, diese zu sprengen.
Das Carambol-Billard erhält symbolischen Charakter für das Leben von Judit, da
sie immer wieder mit den Menschen in ihrer Umgebung „zusammenkracht“, wie
215
Ebd.; vgl. auch den Film Karambolage 1983.
73
die Kugeln beim Spiel. Die Freude über einen Sieg und Enttäuschung, wenn ein
Spiel verloren wird, können allegorisch als Höhen und Tiefen in ihren Beziehungen
gedeutet werden. Obwohl die Liebe, wie sie sagt, kein Spiel ist, sondern Ernst.
Das Band, das sie ab dem intensiven Training bei jedem wichtigen Spiel am Kopf
trägt, erinnert an die Rambo Action-Filme (1982), und erweckt den Eindruck, als
würde sie sich jedesmal in Kampfstellung begeben, wenn sie beginnt Ca'RAMBO'l
zu spielen. Sie zieht sozusagen in den Krieg, bewaffnet mit einem Queue. Und so
wie sich das Stoßen mit dem Queue, das sie in der Hand hat, auf die Bälle
auswirkt, sind es ihre eigenen Handlungen in ihrem Leben, die ausschlaggebend
für den Verlauf ihrer Beziehungen sind. Kleine Unebenheiten am Tisch, Zufälle,
können nie ausgeschlossen werden, damit muss man rechnen. Es hat keinen Sinn
die Schuld bei jemand anderes zu suchen. Wichtig ist, sich zuerst auf sein eigenes
Tun zu konzentrieren, sich über die Folgen bewusst sein, und versuchen es so gut
wie möglich zu machen. Es ist gut zu wissen, gegen wen man spielt und im Auge
zu behalten, dass man nicht immer gewinnen kann. „Wer gewinnen will, will dass
andere verlieren“, sagt Lilo in der letzten Szene des Films zu Judit, und spielt
damit auf ihren Egoismus an, wegen dem nicht nur Lilo zu Schaden kommt,
sondern der auch die Ursache für Judits Problemen mit ihren Mitmenschen sei.
Kitty Kino sagt über ihren Film: „Ich setze in diesem Film schon voraus, daß sich
Frauen emanzipieren können und es auch tun. Nicht die direkte Diskriminierung
steht daher im Mittelpunkt von ‚KARAMBOLAGE‘, sondern die ungeklärten
Verhältnisse zwischen den neuen Frauen und der alten Gesellschaftsordnung,
bzw. denen, die diese aufrechterhalten wollen.“216 Dieses Zitat verdeutlicht
ebenfalls die Botschaft der letzten Szene, da Lilo, um einiges älter als Judit, zwar
im ganzen Film sehr emanzipiert erscheint, jedoch sichtlich noch an „alten
Gesellschaftsordnungen“ festhält. Lilos plötzlich so verändertes Verhalten in
Gegenwart dieses einen sehr dominanten Mannes irritiert Judit sichtlich, und
dieses Unverständnis erweckt in ihr das Bedürfnis erneut zu beweisen, dass ihre
Lebensphilosophie die bessere ist. Sie trachtet nach Selbstverwirklichung, die sich
aber am Ende als narzisstischer Egotrip herausstellt.
216
Kino, 1983.
74
32.000 österreichische Kinobesucher sahen den Film. „Als der Film […] in die
Kinos kam“ so die Regisseurin, „schnellte der Zuwachs an billardspielender
Frauen in Österreichs Billardvereinen von 0 auf 20 Prozent“.217
6. Schlusswort
Wesentlich für Vorgänge der Exklusion bzw. Inklusion von Frauen im Billardsport,
sind der Ort des Spiels und seine historischen Veränderungen. Insofern nimmt
diese
Arbeit
ihren
Ausgangspunkt
im
sogenannten
Spatial
turn
der
Kulturwissenschaften.
Billard verbreitete sich zuerst in den Häusern der Adeligen, wo es von Frauen und
Männern gleichermaßen gespielt wurde. Mit der Entwicklung der Spielgeräte und
weiteren Ausbreitung in den Kaffeehäusern veränderte sich dieses zunächst
ausgeglichene Verhältnis zwischen Mann und Frau. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts
war der Frauenanteil stark eingeschränkt. Billard wurde bald zu einer der
Lieblings-Freizeitbeschäftigungen der Wiener im Café und hatte als wichtige
Einnahmequelle
der
Cafétiers
einen
hohen
Stellenwert.
Doch
von
billardspielenden Frauen gab es keine Spur, obwohl die Kaffeehausbesitzer nicht
uninteressiert an weiblicher Kundschaft waren. Zu stark waren die Rollenbilder in
der frühen Kultur des Bürgertums, die Frauen außer als Objekt der Lust (siehe die
Figur der Sitzkassiererin, Kapitel 2.4.1) aus der Öffentlichkeit des Cafés
ausschlossen. Der erste Damenbillardclub, der eigentlich einen Widerspruch zur
politisch gesellschaftlichen Stellung der Frau im Austrofaschischmus darstellte,
war am Ende doch nur eine kurzweilige Erscheinung, die eher eine gute
Geschäftsidee gewesen zu sein scheint, als ein Zeichen für eine nachhaltige
emanzipatorische Bewegung.
Sport ist wie gezeigt strukturell männlich behaftet, was auf gesellschaftliche
Konstruktionen von geschlechterspezifischen Rollenklischees zurückzuführen ist.
Sie werden zwar einerseits von Sportlerinnen aufgebrochen, andererseits jedoch
durch
die
Art
der
medialen
Berichterstattung
wieder
gefestigt
Geschlechterdifferenz im Sport, Kapitel 4.1).
217
Kino, Kitty: Austria (in) Felix, hg. von F. Bono. Graz-Rom, Edition Blimp/Aiace. 1992.
75
(siehe
Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts tauchen zwar vermehrt bildliche
Darstellungen von Frauen am Billardtisch auf, die Frauen allerdings nur in
passiven oder grotesken Rollen zeigen. Die Emanzipation der Frauen zum Spiel
zeigte sich im Billard nur langsam.
Lebendes Beispiel für die erste Frau in der Männerdomäne Billard ist Ingrid
Englbrecht, Europameisterin im Carambol. Beispiele für einen Rollenwechsel
zeigten sich auch in der amerikanischen Filmindustrie. Emanzipation der Frauen
und – als Echo wie als Lautsprecher dieser Entwicklung – der Film „Karambolage“,
haben zu einem rasanten Anstieg der Frauenbeteiligung am Billardspiel geführt.
Die Orte des Spiels haben sich verändert. Das Billardcafé verschwindet
zunehmend aus dem Stadtbild. Hallen sind vor allem bei der Jugend beliebte Orte,
wo Billard, speziell Pool und nicht Carambol, hauptsächlich der Unterhaltung dient.
Dort ist der Zugang niederschwellig, was den Zugang allgemein erleichtert, also
auch die Zahl der Frauen erhöht.
Im Spitzensport erfolgt diese Entwicklung, das Eindringen und Auflösen einer
Männerdomäne, langsamer.
76
7. Anhang
Abbildung 13: Zeitungsbericht aus der Kronenzeitung (Quelle: Ingrid Englbrecht)
77
7.1 Quellen
7.1.1 Literatur
Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger, Wien
1872, Branchenverzeichnis, S. 632,
http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/28251 (abgerufen
am 15.5.2015).
1890, Branchenverzeichnis, S. 1427,
http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/60293 (abgerufen
am 15.5.2015).
1918, Namenverzeichnis, S. 1217,
http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/159301 (abgerufen
am 15.5.2015).
1934, Branchenverzeichnis, S. 27,
http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/212902, und S. 103
(http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/212978).
1941, Band 1 [Namenverzeichnis],
http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/259344 (abgerufen
am 10.5.2015).
1942, Band 1: [Namenverzeichnis],
http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/zoom/266113 (abgerufen am
10.5.2015).
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Weingartner.
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die Füße weglaufen“: GR_325_(A3s)_S. 4. In: Inventargrafik III, Billardmuseum
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Aus dem Archiv von J. Neuhusens's Billardfabrik. In: Billard-Zeitung des
Deutschen Amateur-Billard-Bundes u. der angeschlossenen Clubs (Köln), Nr. 3, 6.
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am 12.3.2015).
Zeitungsausschnitt der Allgemeinen Theaterzeitung für Kunst Literatur, Musik,
Mode und geselliges Leben. Wien. 1838, Quelle: Billardmuseum Weingartner.
7.1.2 Interviews
Interview mit Ingrid Englbrecht. Interview. BSK Augarten, Wien, 2. Bezirk, 25. April
2015.
Interview mit Manuel Haller, Wien, 7. Bezirk, 4. April 2015.
Telefoninterview mit Kitty Kino, Wien-Griechenland, 11. Mai 2015.
Interview mit Heinrich Weingartner sen., Wien, 15. Bezirk, 10. November 2014.
Interview mit Heinrich Weingartner sen., Wien, 15. Bezirk, 2. Mai 2015.
Interview mit Heinrich Weingartner sen., Wien, 15. Bezirk, 17. April 2015.
Interview mit Heinrich Weingartner jun., Wien, 15. Bezirk, 17. April 2015.
Interview mit Senta Wengraf, Wien, 2. Mai 2015.
82
7.1.3 Audiovisuelle Quellen
Film Karambolage (Österreich 1983), Regie: Kitty Kino.
Film The Hustler – Haie der Großstadt (USA 1961), Regie: Robert Rossen.
Film The Color of Money – Die Farbe des Geldes (USA 1984), Regie: Martin
Scorsese.
7.2 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: „Das Gesicht“ von Georg B. Probst, Kupferstich aus dem Jahre 1780,
(Quelle: Billardmuseum Weingartner) ..................................................................... 9
Abbildung 2: „Wie sich die alten und die jungen Herren um die schöne Marie die
Füße weglaufen.“, Kupferstich aus dem Jahre 1838 (Quelle: Billardmuseum
Weingartner) ......................................................................................................... 25
Abbildung 3: Die Kassierin vom silbernen Kaffeehaus, Kreidelithografie von
Vinzenz Katzler, Wien 1871 (Quelle: Billardmuseum Weingartner) ...................... 27
Abbildung 4: Artikel „20 Billardärinnen in Wien“, aus: Illustrierte Kronen-Zeitung
vom 23. Dezember 1934 (Quelle: Billardmuseum Weingartner) ........................... 36
Abbildung 5: Die Runde der „Billardärinnen“ (auf dem Foto links Josef Pipal, rechts
die Cousine von Ernst Reicher), Fotografie 13 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des
Billardmuseums Weingartner) ............................................................................... 42
Abbildung 6: Zeitungsannonce der Firma Heinrich Seifert & Sohn, aus: Kikeriki,
Humoristisches
Volksblatt,
19.
Jänner
1879,
Beilage
(Quelle:
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=kik&datum=18790119&seite=7) ....... 43
Abbildung 7: Josef Pipal und die Cousine von Ernst Reicher, Fotografie 13 x 8,5
cm (Quelle: Fotoarchiv des Billardmuseums Weingartner) ................................... 45
Abbildung 8: Senta Wengraf, Fotografie 8,5 x 13,5 cm (Quelle: Fotoarchiv des
Billardmuseums Weingartner) ............................................................................... 45
Abbildung 9: Lucie Wengraf, Fotografie 11 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des
Billardmuseums Weingartner) ............................................................................... 46
83
Abbildung 10: Senta Wengraf 1936, Fotografie 11 x 8 cm (Quelle: Fotoarchiv des
Billardmuseums Weingartner) ............................................................................... 47
Abbildung 11: Un coup difficile 1870 nach E. Boutibonne / evtl. nach Gemälde von
Charles Francois Boutibonne aus dem Jahr 1860, Stecher: Paul Girardet,
Lithografie schwarz-weiß, Frankreich, 63,5 x 52 cm (Quelle: Billardmuseum
Weingartner) ......................................................................................................... 58
Abbildung 13: Zeitungsbericht aus der Kronenzeitung (Quelle: Ingrid Englbrecht)
.............................................................................................................................. 77
84
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich den zahlreichen Personen und Institutionen, die bei
der Entstehung dieser Arbeit behilflich waren, meinen Dank aussprechen:
Mein besonderer Dank gilt meinem Betreuungslehrer Ernst Strouhal, der mich auf
dieses Thema meiner Diplomarbeit aufmerksam gemacht, und mich mit viel
Geduld angespornt hat.
Ebenfalls möchte ich meinen Eltern vielmals dafür danken, ohne deren
Unterstützung es mir nie möglich gewesen wäre, ein so großartiges Studium zu
genießen und abzuschließen.
Heinrich Weingartner sen. hat mich nicht nur mit Literatur und Bildmaterial
versorgt, sondern mir in zahlreichen Interviews viele Fragen beantwortet. Vielen
Dank für Ihre Hilfe, und so viel freundliches Entgegenkommen!
Mein Dank geht auch an Ingrid Englbrecht, die mir nicht nur einen guten Einblick
in die Billardwelt der Frauen gegeben, sondern mir auch einige Stöße gezeigt hat.
Katharina Kniefacz hat mir nicht nur als hervorragende Korrekturleserin, sondern
auch motivierend beigestanden.
Auch meine Vorgesetzten und Kollegen haben mir während meiner Schreibphase
viel Freiraum verschafft. Danke dafür.
Abschließend möchte ich meinen besten Freunden danken, und allen die mich
während der Anfertigung meiner Arbeit mit Literatur, und ihrem Fach- und
Allgemeinwissen unterstützt haben. Der Familie Weingartner, den MitarbeiterInnen
des Filmmuseums Wien, den
Angestellten
angewandte Kunst uvm.
85
der Universitätsbibliothek für
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die Diplomarbeit selbstständig verfasst, keine andere
als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und mich auch sonst keiner
unerlaubten Hilfen bedient habe, dass diese Diplomarbeit weder im In- noch
Ausland (einer Beurteilerin / einem Beurteiler zur Beurteilung) in irgendeiner Form
als Prüfungsarbeit vorgelegt wurde, dass dieses Exemplar mit der beurteilten
Arbeit übereinstimmt.
Wien, 12. Juni 2015
Unterschrift
86