Matthäuspassion1754
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Matthäuspassion1754
GEORG PHILIPP TELEMANN Matthäuspassion 1754 DANZIGER PASSION T WV 5:53 GEORG PHILIPP TELEMANN (1681-1767) Matthäuspassion 1754 DANZIGER PASSION T WV 5:53 (herausgegeben von / edited by Carsten Lange) Martin Klietmann (Tenor) - Evangelist Klaus Mertens (Bass) - Jesus Chorsolisten - Zwei Mägde (Sopran), Pilati Weib (Sopran), Judas (Alt), Petrus (Tenor), Pilatus (Tenor), Kaiphas (Bass), Zwei falsche Zeugen (Bass) Kammerchor cantamus Halle / Chor der Jünger /Chorus of the Disciples, Chor der Hohenpriester und Schriftgelehrten / Chorus of the High Priests and Scribes, Chor der Kriegsknechte / Chorus of the Soldiers, Chor der Juden / Chorus of the Jews Männerchor bouquet vocalis Halle - Choräle (Einstudierung der Chöre und Chorsolisten / Preparation of the Choirs and Choir Soloists: Dorothea Köhler) Capella Savaria (Szombathely) Leitung / conductor: Pál Németh GEORG PHILIPP TELEMANN ©1993 Arbeitskreis „Georg Philipp Telemann“ Magdeburg e. V. ©1995 Membran Music Ltd. Aufgenommen / Recorded: Magdeburg, 22.- 23. Mai 1993, Dom (Remter) Aufnahme / Recording: Bridgehead High-End Recording and Production, Budapest Produzent / Producer: András Székely Tonmeister / Recording Supervision: Ferenc Pecsi Toningenieur / Sound Engineer: Rudolf Pechan Kommentar / Liner notes: Carsten Lange Übersetzung / Translation: Geoffrey Thomas ACTUS 1 [1] [2] [3, 1] [3, 2] [4] [5, 1] [5, 2] [5, 3] [5, 4] [6] [7] [8] [9, 1] [9, 2] [9, 3] [10] [11, 1] [11, 2] [11, 3] [11, 4] 1. 2. 3a. 3b. 4. 5a. 5b. 5c. 5d. 6. 7. 8. 9a. 9b. 9c. 10. 11a. Symphonie Choral: Auf, auf o Mensch Rezitativ: Und es begab sich Chor: Ja nicht auf das Fest Choral: Sie stellen uns wie Ketzern nach Rezitativ: Da nun Jesus Chor: Wozu dienet dieser Unrat Rezitativ: Da das Jesus Accompagnato: Was bekümmert ihr das Weib? Choral: Mein Lebetage will ich dich Rezitativ und Arioso: Da ging hin der Zwölfe einer Choral: O weh demselben Rezitativ: Aber am ersten Tage Chor: Wo willst du Rezitativ: Er sprach Choral: Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld Rezitativ: Und am Abend 11b. 11c. Chor: Herr, bin ichs? Rezitativ: Er antwortete und sprach 1:55 [11, 5] 0:44 [12] 1:46 [13] [14] 0:47 [15] 2:23 [16] 11d. 11e. 12. 13. 14. 15. 16. Arioso: Der mit der Hand Rezitativ: Da antwortet Judas, der ihn verriet Choral: Solchs alles ist verborgen Rezitativ: Da sie aber aßen Choral: Von Gott kommt mir ein Freudenschein Accompagnato: Ich sage euch Choral: Wie werd’ ich denn so fröhlich sein Rezitativ und Arioso: Und da sie den Lobgesang Choral: Mitten in dem Tod anficht Rezitativ: Und ging hin Choral: Ich lieg’ im Streit und widerstreb Rezitativ: Zum anderen Mal Choral: Obschon die Augen schlafen ein Rezitativ: Und als er noch Choral: Mit unsrer Macht Rezitativ: Zu der Stunde sprach Jesus 3:05 Choral: Mein Freunde stehn gar fern von mir 0:54 1:02 1:10 1:01 0:41 0:32 ACTUS 2 1:07 [24] 2:14 [25] 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. [26] 26. [17] 1:08 [18] 0:40 [19] 0:43 [20] 1:20 [21] [22] [23] 1:23 1:11 0:55 1:11 0:37 1:59 0:56 0:47 ACTUS 3 [27, 1] [27, 2] [28] [29] [30] [31, 1] [31, 2] [32] [33, 1] [33, 2] [34] [35, 1] [35, 2] [35, 3] [36] [38, 2] 27a. 27b. 28. 29. 30. 31a. 31b. 32. 33a. 33b. 34. 35a. 35b. 35c. 36. Rezitativ: Die aber Jesum gegriffen hatten Rezitativ: Er hat gesagt Choral: Mir hat die Welt trüglich gericht’ Rezitativ: Und der Hohepriester Choral: O Jesu, hilf zur selben Zeit Rezitativ: Da zerrriß der Hohepriester Chor: Er ist des Todes schuldig Choral: O Lamm Gottes, unschuldig Rezitativ: Da speieten sie aus in sein Angesicht Chor: Weissage uns Choral: Du warst verspeiet, geschlagen Rezitativ: Petrus aber Chor: Wahrlich, du bist auch einer von denen Rezitativ: Da hub er an Choral: Herr, ich habe mißgehandelt 1:12 [38, 3] [39] 0:34 [40, 1] 1:10 [40, 2] 0:43 [40, 3] 0:32 [41] [42, 1] 0:50 [42, 2] 0:28 [42, 3] [42, 4] 0:33 [42, 5] 2:19 [42, 6] [43] [44, 1] 0:42 [44, 2] [44, 3] ACTUS 4 [37] [38, 1] [44, 4] 37. 38a. Choral: O hilf, Christe, Gottes Sohn Rezitativ: Des Morgens aber 0:45 [44, 5] 1:35 [45] 38b. 38c. 39. 40a. 40b. 40c. 41. 42a. 42b. 42c. 42d. 42e. 42f. 43. 44a. 44b. 44c. 44d. Chor: Was gehet uns das an Rezitativ: Und er warf die Silberlinge Choral: Mitten in der Höllenangst Rezitativ: Aber die Hohenpriester Chor: Es taugt nicht Rezitativ: Sie hielten aber einen Rat Choral: Auf meinen lieben Gott Rezitativ: Auf das Fest aber Chor: Barrabam Rezitativ: Pilatus sprach zu ihnen Chor: Laß ihn kreuzigen! Rezitativ: Der Landpfleger sagte Chor: Laß ihn kreuzigen! Choral: Sie wüten fast und fahren her Rezitativ: Da aber Pilatus sahe Chor: Sein Blut komme über uns Rezitativ: Da gab er ihnen Barrabam los Chor: Gegrüßet seist du, Judenkönig 44e. 45. Rezitativ: Und speieten ihn an Choral: Dein Backenstreich 1:21 2:39 0:39 2:46 0:48 2:36 0:32 [58, 4] ACTUS 5 [46] [47] [48] [49] [50] [51] [52, 1] [52, 2] [52, 3] [52, 4] [52, 5] [53] [54] [55] [56] [57] [58, 1] [58, 2] [58, 3] 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52a. 52b. 52c. 52d. 52e. 53. 54. 55. 56. 57. 58a. Rezitativ: Und da sie ihn verspottet Choral: Ich will, dieweil ich lebe noch Rezitativ: Und da sie an die Stätte kamen Choral: Dein Durst und Gallentrank Rezitativ: Da sie ihn aber gekreuziget hatten Lobgesang: Du König der Ehren, Jesu Christ Rezitativ: Und da wurden zween Mörder Chor: Der du den Tempel Gottes Rezitativ: Desgleichen auch die Hohenpriester Chor: Anderen hat er geholfen Rezitativ: Desgleichen schmähten ihn auch Choral: Mein Kreuz und meine Plagen Rezitativ: Und von der sechsten Stunde an Choral: Laß vergehen das Gesicht Rezitativ: Und um die neunte Stunde Choral: Zion klagt mit Angst und Schmerzen Rezitativ: Etliche aber 58b. 58c. Chor: Er rufet den Elias Rezitativ: Und alsbald 0:39 [58, 5] 0:41 [59] 58d. 58e. 59. Chor: Halt, laß sehen, ob Elias komme Rezitativ: Aber Jesus schrie laut Choral: Herr, meinen Geist befehl ich dir 60a. 60b. 61. 62. 63. 64. 65. 66a. 66b. 66c. 67. Rezitativ: Und siehe da, der Vorhang Chor: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn Choral: O Jesu Christ, Sohn eingebor’n Rezitativ: Und es waren viel Weiber da Choral: Hilf, daß ich ja nicht wanke Rezitativ: Am Abend aber kam Choral: Ach Herr, laß dein lieb Engelein Rezitativ: Es ward aber allein Maria Magdalena Chor: Herr, wir haben gedacht Rezitativ: Pilatus sprach zu ihnen Choral: O Traurigkeit, o Herzeleid 0:45 0:27 0:29 ACTUS 6 1:03 [60, 1] 0:38 [60, 2] 2:07 [61] [62] [63] [64] [65] 0:51 [66, 1] 0:21 [66, 2] 0:42 [66, 3] 0:51 [67] 1:43 0:55 0:30 0:49 1:06 1:25 2:34 0:36 0:52 1:07 Total Time 76:25 GEORG PHILIPP TELEMANN Im Sommer 1721 wählte der Rat der Stadt Hamburg Georg Philipp Telemann (1681-1767) zum städtischen Musikdirektor und Kantor am Johanneum, der angesehensten Schule der freien Reichs- und Hansestadt. 46 Jahre wirkte Telemann in der Elbmetropole, und zu seinen Amtspflichten gehörte es auch, jährlich eine oratorische Passion zu komponieren und sie während der Fastenzeit nacheinander in den fünf Hauptkirchen aufzuführen. 23 dieser kirchenmusikalischen Kompositionen für die Hamburger Gottesdienste der Karwoche sind heute noch erhalten. Mit seinen oratorischen Passionen hielt sich Telemann an die seit 1690 in Hamburg zu beobachtende Tradition, der Passionsmusik jährlich einen 10 deutsch anderen der vier Evangelientexte zugrunde zu legen. Für seine erste von Amts wegen komponierte oratorische Passion für Hamburg verwendete er das Matthäusevangelium (1722). Die Kompositionen der drei Folgejahre fertigte er nach den Texten des Markus-, Lukas- und Johannesevangeliums an. Im fünften Jahr setzte dieser Turnus von neuem ein. Alle vier Jahre diente auf diese Weise das Matthäusevangelium als Textgrundlage, so auch 1754. Telemanns Passionsmusik für dieses Jahr war bislang unbekannt. Mitte der 1980er Jahre wurde in einem Weimarer Nachlass eine „Passion aus dem Heil. Evangelisten Matthäo; von mir, Telemann“ aufgefunden, die durch den nicht von Telemann stammenden Zusatz „gesetzte in 73 Jahr seines Alters“ auch zeitlich einzuordnen war. Dieser Fund war eine Sensation, denn Manfred Fechner (Jena) konnte nicht nur eine von Telemann eigenhändig geschriebene Partitur (!) identifizieren, sondern auch nachweisen, dass der Hamburger Meister dieses Werk offensichtlich für Danziger Aufführungszwecke komponiert hatte. Dort war es frühestens 1754 in der St. Johanniskirche unter der Leitung des Kantors Johann Christian Weinholtz zu hören, weitere Aufführungen folgten 1781, 1784 und 1785. Der für Hamburger Verhältnisse ungewöhnliche Aufbau lässt die Vermutung zu, dass diese Matthäuspassion in Hamburg nicht erklang. Die Musik Telemanns, die in den Hamburger Gottesdiensten der Stillen Woche des Jahres 1754 aufgeführt wurde, muss somit weiterhin als verschollen gelten. Unter den Passionsmusiken Georg Philipp Telemanns ist die Matthäuspassion 1754 von besonderem Stellenwert: Es ist die bislang einzige bekannte oratorische Passionsmusik, die Telemann für den liturgischen Gebrauch außerhalb Hamburgs angefertigt hat. Nicht Hamburger, sondern Danziger Aufführungstraditionen und Anforderungen an eine Passionsmusik bestimmten somit den spezifischen, nicht mit anderen (Telemann-)Passionen zu vergleichenden Aufbau dieses Werkes. Ganz offensichtlich folgte der Hamburger Johanneumskantor mit ihm den Wünschen von Danziger Freunden und Schülern. Zu ihnen gehörte der Organist an der reformierten Elisabeth-Kirche Jean Du Grain, der Anfang der 1730er Jahre in Hamburg als Sänger in Telemanns Kantaten- und Passionsmusik-Aufdeutsch 11 führungen mitgewirkt hatte. Er lebte seit 1740 in Danzig und führte dort schon 1747 Telemanns zwei Jahre zuvor komponierte Johannespassion des Jahres 1745 auf. Doch über persönliche Kontakte hinaus ist in Danzig auch allgemein eine außerordentliche Wertschätzung dieses Komponisten und seiner Werke zu beobachten: Noch Anfang des 20. Jahrhunderts waren in den verschiedenen Notenarchiven der Stadt über 360 TelemannWerke auszumachen, einige in der Handschrift des Komponisten! In Danzig erklangen „oratorische Passionen“ seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Charakteristisch für solche liturgischen Werke ist die Erweiterung des Evangelienberichtes mit frei gedichteten, kommentierenden Einschüben. Diese sogenannten Intermedien 12 deutsch waren zunächst nur Psalmchöre, später kamen Betrachtungen der Soliloquenten, also der„handelnden“ Personen Jesus, Maria, Petrus, Judas usw. hinzu. Im allgemeinen sind solche Intermedien Arien oder Ariosi – nicht aber in dieser Danziger Matthäuspassion. In ihr folgt Telemann vollkommen den Danziger Gepflogenheiten für Aufführungen liturgischer Passionsmusiken: In den Evangelientext sind 34 Kirchenlieder eingefügt, die so gewählt wurden, dass sie fast ausnahmslos als teilnehmende Äußerungen der christlichen Gemeinde, weniger als Empfindungen der Soliloquenten anzusehen sind. Solch eine Fülle von Kirchenliedern ist in keiner anderen Telemannkomposition auszumachen, wohl aber haben wir von sieben Danziger Matthäuspassionen verschiedener Komponisten mit genau demselben Aufbau Kenntnis. Die zu verwendenden Kirchenliedstrophen waren seit 1700 festgeschrieben. Sie wurden immer an derselben Stelle in das Matthäusevangelium eingeschoben und von der Gemeinde gesungen. Abgesehen von diesen Chorälen fehlen jegliche weitere Abschnitte freier Dichtung, wodurch die Danziger streng den liturgischen Charakter der Passionsmusiken wahrten. Immerhin handelte es sich ja nicht um Konzert-, sondern um Gebrauchsmusik, die innerhalb des Karfreitagsgottesdienstes erklang: Vor der Frühpredigt die Akte 1 bis 3 (Matthäus, Kap. 26), vor dem Vespergottesdienst die Akte 4 bis 6 (Matthäus, Kap. 27). Diese Aufführungstradition ist an der Danziger St. Johanniskirche bis in das Jahr 1666 zurückzuverfolgen. Diese „Danziger Passion“ Telemanns ist aber nicht nur hinsichtlich der zahlreichen Gemeindegesänge und des Fehlens der Arien bemerkenswert; sie gewährt uns auch einen kleinen Einblick in Telemanns kompositorisches Vorgehen: Die Akte zwei bis fünf entnahm er – unter Auslassung sämtlicher gedichteter Einlagen und der Hamburger Choräle – seiner für Hamburg komponierten Matthäuspassion des Jahres 1750, die einleitende Sinfonia, den ersten und sechsten Akt komponierte er für Danzig neu hinzu. Allerdings ist festzustellen, dass Telemann die genannten Abschnitte der 1750er Matthäuspassion nicht unbearbeitet in die „Danziger Passion“ übernahm, sondern zugunsten einer größeren Ausdrucksdichte die Textdeklamation veränderte. Dabei kam es mitunter auch zur Neukomposition mancher Teile. Eindruckvolles Beispiel hierfür ist der Gesang der beiden Falschen Zeudeutsch 13 gen (Nr. 27b), in dem Telemann nun mit einem plötzlichen Wechsel vom 4/4- zum 6/8-Takt den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen auch musikalisch anzweifelt und auf einen schwankenden Grund stellt. Die im syllabischdeklamatorischen und überwiegend imitatorischen Stil angelegten TurbaChöre (Chöre der Jünger, der Hohenpriester und Schriftgelehrten sowie der Juden und Kriegsknechte) blieben jedoch von solchen verändernden Eingriffen unberührt. Telemanns Musik ist dem liturgischen Rahmen angemessen. Eine kurze, klagende Streichersinfonia stimmt auf die Passion Jesu Christi ein. An den Evangelisten-Rezitativen ist der schlichte, gemessene Erzählton auffällig. Rezitative mit Instrumentalbegleitung (Accompagnati) und Ariosi sind allein 14 deutsch dem Gottessohn vorbehalten. Stets wird der Text ausdrucksvoll deklamiert. Alles fällt hier, wie es der Hamburger Musiktheoretiker Johann Mattheson forderte, „so leicht und verständlich in die Ohren, als ob es geredet würde“. Mit einfachen melodischen und harmonischen Mitteln sowie sparsamer Begleitung gelingt Telemann eine eindringliche Ausdeutung des Evangelientextes. Extreme Stimmlagen werden – mit Ausnahme der AltPartie des Verräters Judas – ebenso vermieden wie schnelle Wechsel des Tonraums oder große Intervallsprünge. Feinfühlig legt Telemann melodische und harmonische Höhepunkte auf besondere Reizworte, interpretiert er zentrale Momente des Evangeliums mit einer diffizilen Harmonik (z. B. im Chor Nr. 42d „Laß ihn kreuzigen!“), mit chromatischen Einfärbungen (z. B. im Jesus-Accompagnato „Meine Seele ist betrübt“ der Nr. 17) oder mit falsobordonartigen Satzstrukturen, die Jesus’ Todesahnung („daß man mich begraben wird“, Nr. 5d) einen mystischen Zug verleihen. – Allgemein führen gegensätzliche textliche Aussagen in den Rezitativen oftmals zu harmonischen Umschwüngen. Mit den kraftvollen, affektstarken und packenden Turbachören (den Chören der Jünger, Hohenpriester und Kriegsknechte sowie des Volkes) und ihrer eindringlichen Deklamation des Textes bei Verwendung außerordentlich prägnanter Rhythmen steigert Telemann den dramatischen Handlungsverlauf wesentlich: Da schreien die Hohenpriester und Schriftgelehrten im Chor „Ja nicht auf das Fest“ (Nr. 3b) durcheinander, stoßen sie energisch das „Er ist des Todes schuldig“ (Nr. 31b) aus, verhöhnen die Kriegsknechte in wiegendem 6/8-Takt den Gottessohn im Chor „Gegrüßet seist du, Judenkönig“ (Nr. 44d). Auch im Chorsatz „Wahrlich, du bist auch einer von denen“ (Nr. 35b) verdeutlicht Telemann mit seiner Textdeklamation gekonnt die Textaussage: Das breite Betonen des „Wahrlich“ suggeriert unzweideutig, dass die Gegner des Petrus diesen genau einzuordnen wissen, dass sie sich nicht in seiner Person täuschen. Von besonderer Plastizität ist die Forderung nach der Freigabe des Barrabas: Beginnend mit einer Stimme, erfasst der „Barrabam“Ruf wie eine gewaltige Woge das Volk (Nr. 42b). Auch für die Kennzeichnung der gegenüber dem leidenden und sterbenden Jesus gleichgültigen Menge („Er rufet den Elias“, Nr. 58b), die sensationslüstern ausharrt („Halt, laß sehen, ob Elias komme“, Nr. 58d), deutsch 15 findet Telemann eine charakeristische Tonsprache. – Kurz: In jedem Takt vermag Telemann eindrucksvoll, um mit dem Hamburger Musikschriftsteller Johann Adolf Scheibe zu sprechen, den „in den Worten liegenden Verstand genau auszudrücken, die Worte durch kein zu fremdes Geräusche der Instrumente unvernehmlich zu machen, die Zuhörer aber zu erbauen“. Auf die besondere Bedeutung der Kirchenlieder wurde bereits hingewiesen. Ihre schlichte und einfache Gestaltung erlaubte und erlaubt es der Gemeinde, einstimmig und nur von der Orgel begleitet mitzusingen. An den Stellen, an denen in den meisten anderen Passionen der Zeit betrachtende Arien in geistlicher zeitgenössischer Lyrik eingefügt sind, die den Bibeltext kommentieren und 16 deutsch den Hörer erregen sollen, wird er in diesem Werk selbst aktiv und äußert mit Hilfe unmittelbar auf den Evangelientext Bezug nehmender Kirchenliedverse eigene Betrachtungen und Empfindungen zur Leidensgeschichte Jesu. So nimmt er also innerhalb des Gemeindegesangs an der Abendmahl-Szene mit der 4. Strophe „Von Gott kommt mir ein Freudenschein“ des Liedes von Philipp Nicolai „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ teil, kommentiert die Verleugnung des Gottessohnes durch die beiden Falschen Zeugen mit dem Vers „Mir hat die Welt trüglich gericht“ des Kirchenliedes „In dich hab ich gehoffet, Herr“ (Nr. 28) und reagiert auf den Schuldspruch der Hohenpriester und Schriftgelehrten mit dem bekannten Passionslied „O Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet“ (Nr. 32). Die Passion endet mit der Grablegung Christi, die die Gemeinde mit dem „Grab Lied“ „O Traurigkeit, o Herzeleid“ (Nr. 67) beklagt. Schon in der ersten uns bekannten Danziger Matthäuspassion, komponiert von Thomas Strutius im Jahre 1646, ist diese Schlussgestaltung überliefert. Telemann trug in seine Kompositionspartitur die Kirchenlieder nur mit dem Textanfang und der Tonart genau dort ein, wo sie erklingen sollten. Ihre Danziger Melodien sind somit in dieser Partitur nicht überliefert. Für unsere Einspielung haben wir daher jene Kirchenliedweisen verwendet, die Telemann in seinem Fast allgemeinen Evangelisch-Musikalischen Lieder-Buch 1730 In Hamburg veröffentlichte. Lediglich das in diesem „Lieder-Buch“ nicht abgedruckte Eingangslied „Auf, auf o Mensch entreiße dich“ (Nr. 2) geht auf eine Danziger Überlieferung zurück. Telemanns für Danzig komponierte Matthäuskomposition des Jahres 1754 bietet bislang den einzigen Beleg dafür, dass der Hamburger Kantor und Musikdirektor im Auftrag und auf besonderen Wunsch hin auch oratorische Passionsmusiken für Gottesdienste in einer anderen Stadt komponierte und dabei unmittelbar die lokalen Besonderheiten des Aufführungsortes berücksichtigte. Darüber hinaus ist diese Komposition ein eindrucksvolles und klangschönes Beispiel für die Vielfalt der Passionsmusiken im 18. Jahrhundert. Einzigartig ist die Unmittelbarkeit dieser Musik, die erst durch das Mitwirken der gläubigen Gemeinschaft ihre ganze Kraft entfaltet. Diese Passionsmusik ist ein neuerliches Zeugnis dafür, dass sich der angesehedeutsch 17 ne Hamburger Komponist auch in hohem Alter ständig neu mit den Evangelientexten auseinandersetzte und nach immer anderen musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten suchte. Die mit Sorgfalt und Einfallsreichtum komponierte Matthäuspassion 1754 zeugt aber ebenso von einem soliden Niveau der Danziger Kirchenmusik im normalen gottesdienstlichen Rahmen und vermag es mit ihrer liturgischen Funktion und formalen Gestaltung in besonderer Weise, unser heutiges Musikleben als „Passion zum Mitsingen“ zu bereichern. GEORG PHILIPP TELEMANN Hamburger Kirche von außen??? Carsten Lange In the summer of 1721 the city council of Hamburg elected Georg Philipp Telemann (1681-1767) to become Music Director and Cantor of the Johanneum, the most renowned school of this imperial, free Hanseatic city. Telemann served the metropolis on the Elbe forty-six years: his official duties included the yearly composition of an oratorio passion to be performed in each of the five principal churches. Today we possess twenty-three of these sacred compositions for Holy Week in Hamburg. Telemann continued to observe the Hamburg tradition begun in 1690 of annually setting each of the four Gospel texts. For his first Hamburg passion Telemann used the 18 deutsch Hamburger Kirche von innen??? Gospel according to Matthew. The compositions of the three following years drew respectively on the Gospels of Mark, Luke and John. In the fifth year this cycle began anew. Therefore he set the Gospel of Matthew every four years, and hence in 1754. Telemann’s music for 1754 was, until very recently, unknown. In the mid 1980’s a “Passion aus dem Heil. Evangelisten Matthäo; von mir, Telemann” (Passion on the Gospel of St. Matthew; by me, Telemann) was discovered in a Weimar estate. It contained the addendum “set or composed in the 73rd year of his life”, which places the work temporally. This discovery was a sensation because Manfred Fechner of Jena could not only identify a score entirely in Telemann’s hand, but also establish english 19 that the Hamburg master had composed the work for performance in Danzig. It could have been heard there in 1754, at the earliest, in St. John Church under the direction of Johann Christian Weinholtz. We know that the work was also performed in 1781, 1784 and 1785. The construction is quite unusual by Hamburg standards and leads us to the supposition that this St. Matthew Passion was not heard in Hamburg. Assuming that Telemann also composed a St. Matthew Passion for Hamburg in 1754, this latter must be regarded as lost. The St. Matthew Passion of 1754 holds a special place among Telemann’s passions: it is only such work we have that was intended for liturgical use outside of Hamburg. Not Hamburg, but rather Danzig performing traditions 20 english and requirements determined the construction of this passion, which cannot, therefore, be compared to the other Telemann passions. It is clear that the Cantor of the Johanneum was following the wishes of Danzig friends and students. Among these was the organist of the Reformed Elizabeth Church, Jean Du Grain, who had participated in performances of Telemann’s cantatas and passions as a singer during the 1730’s. He had lived in Danzig since 1740 and in 1747 performed Telemann’s St. John Passion, composed two years previously. It is clear, however, that Danzig valued the work far beyond personal contacts: as late as the beginning of the twentieth century the various musical archives of the city held more than 360 works of Telemann, some of them in the composer’s own hand! Oratorio passions were heard in Danzig beginning in the middle of the eighteenth century. The evangelical narration remains intact but free poetic commentary was inserted as well. These commentaries were at first only psalm choruses: the reflective soliloquies of the drama’s “characters” (e.g., Jesus, Maria, Peter, Judas, etc.) came later. Generally such interludes are arias or ariosos – but not in this St. Matthew Passion. Here Telemann followed Danzig custom for the performance of such liturgical passions. Thirty four chorales are inserted into the Gospel text. These are, almost without exception, expressions of the participating Christian congregation rather than soliloquies. Such a multitude of chorales cannot be found in any other Telemann composition. It is significant to note, however, that we have Danzig St. Matthew Passions from seven other composers with the exact same construction. The selection of chorale verses had been firmly established by 1700. These were always inserted in the same places in the Gospel text and were sung by the congregation. Aside from these chorales, all other free poetic commentaries are excluded, strictly preserving the liturgical character of the passion music. After all, this is church, not concert music. Acts I to III (Matthew, 26) were performed before the first sermon and Acts IV to VI prior to the vesper Service. This performance tradition at St. John in Danzig can be traced back to 1666. This Danzig passion is noteworthy for the large number of congregational english 21 hymns and the lack of arias; it also provides us a glimpse of Telemann’s compositional practice. Telemann took Acts II to V, deleting a considerable number of poetic interludes and the Hamburg chorales, from the St. Matthew Passion of 1750. The opening sinfonia and the first and sixth acts were newly composed for Danzig. It can be established that Telemann did not incorporate the passages from the previously mentioned 1750 Matthew Passion without revision, on the contrary they were altered to increase the expressiveness and intensity of the text declamation. In the process many sections became new compositions. An example of this is the duet of the two false witnesses (no. 27b) in which Telemann questions the veracity of their statements with a sudden change from 4/4 rhythm to 6/8 rhythm. The turba 22 english choruses (the chorus of disciples, high priests and scribes, as well as the Jews and soldiers) are set almost exclusively in syllabic, declamatory, imitative style, and are free of such alterations. Telemann’s music conforms to the liturgical setting. The work is introduced with a short, lamenting string sinfonia which sets the stage for Jesus’ passion. The evangelist’s recitatives are noteworthy for their straightforward, narrational tone. Recitatives with instruments (accompagnato) and ariosi are reserved entirely for the Son of God. The text is clearly declaimed at all times. The composition meets the requirement of the Hamburg music theoretician Johann Matthesom “it is as easy and understandable to the ears as if it were spoken.” Telemann realizes a vivid interpretation of the text with simple melodic and harmonic means and an economical accompaniment. Extreme vocal range is avoided, with the exception of the alto part for Judas the betrayer, as well as rapid changes of tonality and leaps of large intervals. Telemann subtly sets important words at melodic and harmonic high point. He interprets central moments of the Gospel by using difficult harmonies (e.g., in chorus no. 42d, “Let Him be crucified” ), chromatic coloration (e.g., in the accompagnato for Jesus no. 17, “my soul is exceeding sorrowful”) and a mysterious faux bourdon in Jesus’ presentiment of death (no. 5d). Generally speaking, contradictory declarations in the recitatives lead to sudden harmonic changes. Telemann uses the gripping, affectrich, turba choruses with their urgent declamation of the text and extraordinarily terse rhythms to intensify the dramatic action. The high priest and the scribes cry out in confusion “Not on the feast day” (no. 3b) and energetically utter “He is guilty of death” (no. 31b). The soldiers scoff at the Son of God in rocking 6/8 time in the chorus “Hail, King of the Jews” (no. 44d). In the chorus “Truly, you are also one of them” (no. 35b), Telemann clarifies the significance of the text: the broad stress on “truly” (Wahrlich) makes it plain that Peter’s interlocutors did not believe his answer. The demand for the release of Barrabas is particularly flexible: beginning with one voice, the cry for “Barrabas” seizes the people in a mighty wave (no. 42b). Telemann finds the appropriate tonal language to characterize the multitude’s indifference to the suffering and death english 23 of Jesus (“He is calling Elijah”: no. 58b) and their thirst for Sensation (“Wait, let us see whether Elias will come to save him”: no. 58d). In short, every measure demonstrates Telemann’s impressive ability to, in the words of Hamburg music writer Johann Adolf Scheibe, “precisely express the words, render nothing unintelligible through foreign noises of the Instruments, and edify the listener.” The particular importance of the chorales has been mentioned above. Their straightforward, simple presentation allowed and allows the congregation to sing in unison accompanied only by the organ. The arias inserted into most other passions of the time use contemporary sacred lyrics, comment on the Biblical texts and are intended to arouse the hearer: in this 24 english passion the listener himself becomes an active participant. With the direct assistance of chorale verses based on the gospel texts, the listener expresses his reflections and reactions to the passion of Christ. Thus the congregation reacts to the Last Supper scene by singing the fourth verse, “From God comes a joyous light”, of Philipp Nicolai’s chorale “How brightly shines the morning star”. They comment on the betrayal of God’s Son by the two false witnesses with the verse “The world has deceitfully betrayed me” of the chorale “In Thee I hoped, O Lord” (no. 28). They react to the condemnation speech of the high priests and scribes with the wellknown passion chorale, “O Lamb of God” (no. 32). The passion ends with the laying of Christ in the tomb: the congregation responds with the burial song, “O sorrow, O heartache”. The first Danzig St. Matthew Passion known to us, composed by Thomas Strutius in 1646, employs this conclusion. Telemann’s composing score only includes the beginning of the choral text and its tonality. Therefore the Danzig melodies are not handed down to us. In this recording we have used settings which Telemann wrote for his Fast allgemeinen Evangelisch-Musikalischen Lieder-Buch of 1730, published in Hamburg. Only the opening chorale, “Wake, wake O man” (no. 2) is not printed in this chorale book but is taken from a Danzig original. Telemann’s St. Matthew Passion, composed for Danzig, is the only documentary evidence we currently possess indicating that he was contracted to compose a passion for another city with specific, local performance requirement. In addition, this composition is an impressive and beautiful example of the variety of passion music in the eighteenth century. The directness of this music is unique because its power is revealed through the participation of the believing congregation. This passion is new evidence that the highly respected Hamburg composer continued, even in old age, to return anew to the evangelical texts and to seek new conceptual forms for their musical realization. The St. Matthew Passion of 1754, composed with both care and inspiration, also gives witness to the high level of Danzig church music. It should inspire us to enrich the liturgical aspect of our modern musical life by inviting us to join the Passion through singing. Carsten Lange (trans. Geoffrey Thomas) english 25 Der Matthäuspassion 1754 (Danziger Passion) liegen die Kapitel 26 und 27 des Matthäusevangeliums zugrunde. Darin eingefügt sind folgende Kirchenliedverse: ACTUS 1 (Matth. 26, Vers 1-29) Nr. 2 Auf, auf, o Mensch entreiße dich von weltbeliebten Dingen: Dein Jesus ruffet dich zu sich, sein Leiden zu besingen: Das Leiden, das sein Blut vergeußt, das Leiden, dessen du geneußt, laß dir’s zu Herzen dringen. (Verfasser unbekannt) Nr. 4 (Mel.: Wo Gott der Herr nicht bei uns hält) Sie stellen uns wie Ketzern nach, nach unserm Blut sie trachten, noch rühmen sie sich Christen auch, die Gott allein groß achten: Ach Gott! Der teure Name dein muß ihrer Schalkheit Deckel sein. Du wirst einmal aufwachen. (Justus Jonas) Nr. 6 (Mel.: Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld) Mein Lebetage will ich dich aus meinem Sinn nicht lassen, dich will ich stets, gleich wie du mich, 26 mit Liebesarmen fassen: Du sollst sein meines Herzens Licht, und wenn mein Herz in Stücken bricht, sollst du mein Herze bleiben. Ich will mich dir, mein höchster Ruhm, hiermit zu deinem Eigentum beständiglich verschreiben. (Paul Gerhardt) Nr. 8 (Mel.: Es ist gewißlich an der Zeit) O weh demselben, welcher hat des Herren Wort verachtet und nur auf Erden früh und spat nach großem Gut getrachtet, der wird fürwahr gar schlecht bestehn und mit dem Satan müssen gehn von Christo in die Hölle. (Bartholomäus Ringwaldt) Nr. 10 (Mel.: Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld) Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld der Welt und ihrer Kinder, es geht und traget in Geduld die Sünden aller Sünder, es geht dahin, wird matt und krank, ergibt sich auf die Würgebank, entzieht sich aller Freuden, es nimmet an Schmach, Hohn und Spott, Angst, Wunden, Striemen, Kreuz und Tod, und spricht: Ich wills gern leiden. Nr. 12 (Mel.: Ach Gott, tu dich erbarmen) Solchs alles ist verborgen in der Gottlosen Sinn, das sieht man alle Morgen: Wie läuft die Welt dahin, daß sie nur kriegt das zeitlich’ Gut, das ew’ge sie vergessen tut, daran will niemand denken, tut Leib und Seel versenken: Manch’n Christen tut es kränken. (Erasmus Alberus) Nr. 14 (Mel.: Wie schön leuchtet der Morgenstern) Von Gott kommt mir ein Freudenschein, wenn du mich mit den Augen dein gar freundlich tust anblicken. O Herr Jesu, mein trautes Gut, dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut mich innerlich erquicken. Nimm mich freundlich in dein Arme, Herr, erbarme dich in Gnaden; auf dein Wort komm ich geladen. ACTUS 2 (Matth. 26, Vers 30-56) Nr. 18 (Mel.: Mitten wir im Leben sind) Mitten in dem Tod anficht uns der Hölle Rachen: Wer will uns aus aller Not frei und ledig machen? Das tust du Herr alleine. Es jammert dein Barmherzigkeit unsre Sünd und großes Leid. Heiliger Herre Gott, heiliger starker Gott, heiliger barmherziger Heiland, du ewiger Gott: Laß uns nicht verzagen vor der tiefen Höllenglut, Kyrie eleison. (Martin Luther) Nr. 16 (Mel.: O Jesu Christ, meins Lebens Licht) Wie werd ich denn so fröhlich sein, werd singen mit den Engelein, und mit der auserwählten Schar ewig schauen dein Antlitz klar. Nr. 20 (Mel.: Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ) Ich lieg im Streit und widerstreb, hilf, o Herr Christ, dem Schwachen; an deiner Gnad allein ich kleb, du kannst mich stärker machen. Kommt nun Anfechtung her, so wehr, daß sie mich nicht umstoße; du kannst machen, daß mir’s nicht bringt Gefähr. Ich weiß, du wirst’s nicht lassen. (Martin Behm) (Johann Agricola?) (Philipp Nicolai) (Paul Gerhardt) 27 Nr. 22 (Mel.: Christe, der du bist der helle Tag) Obschon die Augen schlafen ein, so laß das Herze wacker sein, halt über uns dein rechte Hand, daß wir nicht fall’n in Sünd und Schand. (Erasmus Alberus) Nr. 24 (Mel.: Ein’ feste Burg ist unser Gott) Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren; es streit’ für uns der rechte Mann, den Gott hat selbst erkoren. Fragst du, wer der ist? Er heißt Jesu Christ, der Herr Zebaoth, und ist kein andrer Gott, das Feld muß er behalten. (Martin Luther) ACTUS 3 (Matth. 26, Vers 57-75) Nr. 28 (Mel.: In dich hab ich gehoffet, Herr) Mir hat die Welt trüglich gericht’ mit Lügen und falschem Gedicht viel Netz und heimlich Stricke; Herr, nimm mein wahr in dieser G’fahr, b’hüt mich vor falscher Tücke. (Adam Reusner) Nr. 30 (Mel.: Es ist gewißlich an der Zeit) O Jesu, hilf zur selben Zeit von wegen deiner Wunden, daß ich im Buch der Seligkeit werd angezeichnet funden. Daran ich denn auch zweifle nicht, denn du hast ja den Feind gericht’ und meine Schuld bezahlet. Nr. 34 (Mel.: Herzliebster Jesu, was hast du) Du warst verspeiet, geschlagen und verhöhnet, gegeißelt und mit Dornen scharf gekrönet; mit Essig, als man dich ans Kreuz gehänget, wirst du getränket. (Johann Heermann) Nr. 36 Herr, ich habe mißgehandelt, ja mich drückt der Sünden Last, ich bin nicht den Weg gewandelt, den du mir gezeiget hast, und jetzt wollt ich gern, aus Schrecken, mich vor deinem Zorn verstecken. (Johann Franck) (Martin Luther) ACTUS 4 (Matth. 27, Vers 1-30) (Bartholomäus Ringwaldt) Nr. 26 (Mel.: Aus tiefer Not schrei ich zu dir) Mein Freunde stehn gar fern von mir, und scheuen meine Plagen, ein jeder denkt, wer fragt nach dir, mir hilft nicht, daß ich wage. Ich bin wie ein gefang’ner Mann, der nirgends nicht auskommen kann und sich nicht muß berühren. (Verfasser unbekannt) Nr. 32 O Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet, allzeit gefunden geduldig, wiewohl du wärest verachtet: All Sünd’ hast du getragen, sonst müßten wir verzagen. Erbarm dich unser, o Jesu! (Nicolaus Decius, nach dem altkirchlichen „Agnus Dei“) 28 Nr. 39 (Mel.: Mitten wir im Leben sind) Mitten in der Höllenangst unsre Sünd’n uns treiben; wo soll’n wir denn fliehen hin, da wir mögen bleiben? Zu dir, Herr Christ, alleine. Vergossen ist dein teures Blut, das g’nug für die Sünde tut. Heiliger Herre Gott, heiliger starker Gott, heiliger barmherziger Heiland, du ewiger Gott: Laß uns nicht entfallen des rechten Glaubens Trost. Kyrie eleison. Nr. 37 (Mel.: Christus, der uns selig macht) O hilf, Christe, Gottes Sohn, durch dein bitter Leiden, daß wir dir stets Untertan all’ Untugend meiden, deinen Tod und sein’ Ursach fruchtbarlich bedenken, dafür, wiewohl arm und schwach, dir Dankopfer schenken. (Michael Weisse) 41 (Mel.: Auf meinen lieben Gott) Auf meinen lieben Gott trau’ ich in Angst und Not, der kann mich allzeit retten aus Trübsal, Angst und Nöten; mein Unglück kann er wenden, steht all’s in seinen Händen. (Sigismund Weingärtner) Nr. 43 (Mel.: Wo Gott der Herr nicht bei uns hält) Sie wüten fast und fahren her, als wollten sie uns fressen, zu würgen steht all ihr Begehr, Gott’s ist bei ihn’n vergessen. 29 Wie Meereswellen einher geh’n, nach Leib und Leben sie uns stehn; des wird sich Gott erbarmen! (Justus Jonas / Martin Luther) Nr. 45 (Mel.: O Jesu Christ, meins Lebens Licht) Dein Backenstreich und Ruten frisch der Sünden Striemen mir abwisch; dein Hohn und Spott, dein Dornenkron laß sein mein Ehre, Freud und Wonn. (Martin Behm) ACTUS 5 (Matth. 27, Vers 31-50) Nr. 47 (Mel.: Ach Gott, wie manches Herzeleid) Ich will, dieweil ich lebe noch, das Kreuz dir willig tragen nach: Mein Gott, mach mich dazu bereit, es dient zum besten allezeit; hilf mir mein Sach’ recht greifen an, daß ich mein’n Lauf vollenden kann. (Martin Möller) Nr. 49 (Mel.: O Jesu Christ, meins Lebens Licht) Dein Durst und Gallentrank mich lab, wenn ich sonst keine Stärkung hab: Dein Angstgeschrei komm mir zugut, bewahr mich vor der Hölle Glut. (Martin Behm) 30 Nr. 51 (Lobgesang) Du König der Ehren, Jesu Christ, Gott Vaters ew’ger Sohn du bist; der Jungfrau Leib nicht hast verschmäht, zu erlösen das menschlich’ Geschlecht. Du hast dem Tod zerstört sein Macht und all’ Christen zum Himmel bracht. Nr. 53 (Mel.: Wenn meine Sünd mich kränken) Mein Kreuz und meine Plagen, sollts auch sein Schmach und Spott, hilf mir geduldig tragen: Gib, o mein Herr und Gott, daß ich verleugne diese Welt und folge dem Exempel, das du mir vorgestellt. die er sich erwählet hat. Ach, spricht sie, wie hat mein Gott mich verlassen in der Not, und läßt mich so harte pressen! Meiner hat er ganz vergessen. (Johann Heermann) Nr. 59 (Mel.: In dich hab ich gehoffet, Herr) Herr, meinen Geist befehl ich dir; mein Gott, mein Gott, weich nicht von mir, nimm mich in deine Hände! O wahrer Gott, aus aller Not hilf mir am letzten Ende! (Adam Reusner) (Justus Gesenius) ACTUS 6 (Matth. 27, Vers 51-66) Nr. 55 (Mel.: Meinen Jesum laß ich nicht) Laß vergehen das Gesicht, Hören, Schmecken, Fühlen weichen; laß das letzte Tageslicht mich auf dieser Welt erreichen: Wenn der Lebensfaden bricht, meinen Jesum laß ich nicht. (Christian Keimann) Mr. 57 Zion klagt mit Angst und Schmerzen, Zion, Gottes werte Stadt, die er trägt in seinem Herzen, Nr. 61 (Mel.: Allein Gott in der Höh sei Ehr) O Jesu Christ, Sohn eingebor’n deines himmlischen Vaters, Versöhner der’r, die war’n verlor’n, du Stiller unsers Haders, Lamm Gottes, heil’ger Herr und Gott, nimm an die Bitt von unsrer Not, erbarm dich unser aller. (Nicolaus Decius) Nr. 63 (Mel.: Herzlich tut mich verlangen) Hilf, daß ich ja nicht wanke von dir, Herr Jesu Christ! Den schwachen Glauben stärke in mir zu aller Frist; hilf ritterlich mir ringen, dein’ Hand mich halt’ mit Macht, daß ich mag fröhlich singen: Gottlob, es ist vollbracht! (Christoph Knoll) Nr. 65 (Mel.: Herzlich lieb hab ich dich) Ach Herr, laß dein’ lieb’ Engelein am letzten End’ die Seele mein in Abrahams Schoß tragen: Den Leib in sein’m Schlafkämmerlein gar sanft, ohn’ einge Qual und Pein, ruhn bis am jüngsten Tage. Alsdann vom Tod erwecke mich, daß meine Augen sehen dich in aller Freud, o Gottessohn, mein Heiland und mein Gnadenthron: Herr Jesu Christ, erhöre mich, ich will dich preisen ewiglich. (Martin Schalling) Nr. 67 O Traurigkeit, o Herzeleid, ist das nicht zu beklagen? Gott des Vaters einig’s Kind wird ins Grab getragen. (Friedrich Spee) 31