Struga 01/2016 - Gemeinde Schleife

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Struga 01/2016 - Gemeinde Schleife
01|16
TREBENDORF
M Ü H L ROS E
SC H L E I F E
RO H N E
M U L KW I TZ
G ROSS D Ü B E N
HALBENDORF
L I ES K AU
Jahrgang Nr. 10 | Ausgabe 01/2016
Struga
Das Magazin für die Bürger der Region Schleife, Landkreis Görlitz
REKULTIVIERUNG
Zwischen Findlingspark
und Offenland
SIEBEN FRAGEN
Sten Kowalick: Vorsitzender
des Beirates Umsiedlung Mühlrose
Juliane, Constanze,
Kathleen und die
Löschzwerge
HANDWERK
Baustellenbesuch
im Garten Eden
UMWELT
Über ein Urgewächs
der Lausitz
Die Groß Dübener Feuerwehr
betreibt erfolgreich
Nachwuchsarbeit
2
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IN DIESER AUSGABE
01/2016
KURZ UND KNAPP
3 Engagiert
06
MOMENTAUFNAHMEN
4–5 F rischkes Familensaga | Innovationspreis für Wassergleiter
Schnelle Truppe | Sprachschatz | Brücken bauen
REKULTIVIERUNG
6Zwischen Findlingspark und Offenland
Notizen zum Landschaftswandel im Nochtener Revier
HANDWERK
10 Baustellenbesuch im Garten Eden
Neue Pläne des Landschaftsgärtners Dirk Noack
20
ENGAGEMENT
15 Juliane, Constanze, Kathleen und die Löschzwerge
Die Groß Dübener Feuerwehr betreibt
erfolgreich Nachwuchsarbeit
SIEBEN FRAGEN
20 Einfach weitermachen?
Sieben Fragen an Sten Kowalick
MENSCHEN
22 Verwurzelt
Im Gespräch mit Klaus Kuboth
über Obstbäume, Bergleute und schlesische Wurzeln
UMWELT
26
Die Alleskönnerin
Über ein Urgewächs der Lausitz
AUSBLICK
30 Feste, Feiern und Veranstaltungen
10
KURZ UND KNAPP
15
Engagiert
Mehr als 23 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich. Sie setzen
einen Teil ihrer Freizeit und persönliche Energie für das Wohl der Gemeinschaft ein.
Auch im Kirchspiel Schleife gibt es viele Menschen, die ehrenamtlich arbeiten.
22
26
Was Ehrenamt bewirken kann, zeigt die
Nachwuchsförderung bei der Groß Dübener
Feuerwehr. Auch das vielfarbige kulturelle
Leben im Kirchspiel würde wohl ohne ehrenamtliche Kräfte nicht existieren.
Was aber ist das Motiv der Ehrenamtlichen?
Vor allem verbindet sie wohl ein ausgeprägtes Gemeinschafts- und Verantwortungsgefühl.
Das beweisen auch die ehrenamtlichen Gemeinde- und Ortschaftsräte des Kirchspiels.
Mit den Planungen zur Umsiedlung stehen
sie seit einigen Jahren vor einer besonderen
Herausforderung. In langen Sitzungen, die
oft tief bis in die Nacht reichten, haben sie um
Lösungen gerungen: um Entscheidungen zur
Gemeinde, zu Vertragsverhandlungen und
zur Standortwahl und darum, die Menschen
der Orte in dem Prozess mitzunehmen. Das
war nicht nur ein gewaltiger organisatorischer, sondern auch ein emotionaler Akt.
Denn gleichzeitig mussten sie eigene Lebenspläne entwickeln und innere Konflikte lösen.
Für diesen Kraftakt gebührt ihnen besondere
Anerkennung – auch, wenn der Weg noch
nicht zu Ende ist.
Ihre Ute Baumgarten
3
4 MOMENTAUFNAHMEN
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Innovationspreis für Wassergleiter
Die Wasserski- und Wakeboardanlage in Halbendorf wurde
zum Saisonstart mit dem Innovationspreis Tourismus Oberlausitz 2016 ausgezeichnet.
Das Halbendorfer Projekt errang nach der Jugendherberge
Görlitz-Altstadt und dem Neisse Adventure Race aus
Rothenburg gemeinsam mit der Theatertruppe Kurzweyl
den dritten Preis.
Das Unternehmen, das 2014 von Andre Böhme gegründet
wurde, zieht jährlich mehr als 2.000 Wassersportler auf den
Halbendorfer See. Die Jury überzeugte vor allem das innovative Konzept, das mit attraktivem Sport und aktiver Erholung Touristen in die Region lockt.
Frischkes Familensaga Um seinen sorbischen Ahnen auf die Spur zu kommen, hat
der Schleifer Harry Frischke deren Geschichte erkundet.
Was er herausfand, macht ihn stolz auf seine Familie wie auf
sein Volk – die Lausitzer Sorben.
Aus den Recherchen entstand ein Buch, das eine Familiensaga erzählt die exemplarisch ist für viele Lebensgeschichten in der Struga-Provinz. Dennoch erweisen sich die Frischkes als unverwechselbare Familie, die von unablässigen
Veränderungen und Herausforderungen in schicksalhaften
und glücklichen Zeiten geprägt ist. Was der Autor ursprünglich für sich und seine Frau, seine Kinder und Kindeskinder festhalten wollte, geriet unversehens zu Memoiren, die als „Familiensaga aus der Struga-Provinz“ nun
auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sind.
Lesung:
Bibliothek Weißwasser 27. Mai 2016, 17 Uhr
Schnelle Truppe
Es gibt Situationen, in denen jede Sekunde zählt: Unfälle, medizinische
Notfälle oder lebensbedrohliche Zustände. Bis der Rettungsdienst eintrifft,
können oft wichtige Minuten vergehen,
die im Zweifel über Leben und Tod
entscheiden. Um möglichst schnell
Hilfe zu leisten, haben die Gemeindefeuerwehr und die Gemeinde Schleife
eine First-Responder-Gruppe ins Le-
ben gerufen. Das Besondere der
Gruppe: Die „Helfer vor Ort“ stammen
aus dem Umfeld und sind deshalb
schnell am Ort des Geschehens, um lebensrettende Hilfe zu leisten.
25 Bürgerinnen und Bürger haben sich
bereit erklärt, diese Aufgaben zu übernehmen, darunter Rettungsassistenten
mit Ausbilderqualifikation, Rettungssanitäter, Krankenschwestern und aus-
gebildete Ersthelfer. Die Alarmierung
der schnellen Truppe erfolgt jeweils
über die Rettungsleitstelle – zeitgleich
mit dem Rettungsdienst. Mittlerweile
ist die First-Responder-Gruppe Schleife
seit zwei Jahren im Einsatz.
Seither konnte immer wieder Menschen in lebensbedrohlichen Situationen geholfen werden – bis der Rettungsdienst eintraf.
MOMENTAUFNAHMEN 5
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Sprachschatz
Das erste Buch in Schleifer Sorbisch war ein Liederbuch. Es
erschien vor zwei Jahren und enthält alte Volkslieder des
Kirchspiels, wie sie einst die Kantorkas von Generation zu
Generation weitergetragen haben. Der Trebendorfer Dieter
Reddo hatte das alte Liedgut gemeinsam mit Hartmut Hanscho und Juliana Kaulfürst gesammelt und aufgeschrieben.
In diesem Jahr will der Njepila-Hof Rohne e. V. nun ein
zweites Buch in Schleifer Sorbisch herausbringen: ein Wörterbuch. Der Schleifsche Dialekt, der quasi eine Brücke zwischen Obersorbisch und Niedersorbisch schlägt, prägte
Jahrhunderte die Alltagssprache im Kirchspiel und wird
heute noch von einigen Einwohnern gesprochen.
Der Njepila-Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, das
Schleifer Sorbisch, das bislang nur mündlich überliefert
wird, dauerhaft zu bewahren. Im Sommer 2016 soll das
Nachschlagwerk, das über 5.000 Begriffe enthält, erscheinen.
Brücken bauen
Noch fremdeln sie miteinander. 50
Schüler des Landau-Gymnasiums Weißwasser und des Gymnasiums der polnischen Stadt Zary erkunden gemeinsam den Njepila-Hof Rohne. Begleitet
von fachkundigen Führern des Vereins
und erfahrenen Dolmetschern kommen sich die Fünft- und Sechstklässler
beim Wachsen von Ostereiern, beim
Backen, Spinnen und dem Vortrag
über die Flachsverarbeitung näher.
Nach dem lehrreichen Vormittag rund
um das sorbische Brauchtum treffen
sich alle an den großen Holztischen in
der „guten Stube“. Es gibt Kartoffeln,
Quark und Leinöl. Lebhafte Gespräche
auf polnisch und deutsch füllen den
Raum. Spätestens jetzt wird deutlich:
Das grenzüberschreitende Schulprojekt hilft, Brücken in den Köpfen der
Schülerinnen und Schüler zu bauen.
Seit vier Jahren pflegen die beiden
Schulen aus Deutschland und Polen
den Kontakt. „Uns vereint mehr als der
gemeinsame Tag im Njepila-Hof“, erklärt Dolmetscherin Wioletta Kostecka.
Die Schüler verbinden auch die slawisch-sorbischen Wurzeln der Niederlausitz; gerade mal 50 Kilometer liegen
zwischen dem polnischen Zary und
der Stadt Weißwasser. Der Besuch im
Njepila-Hof gibt einen Einblick in die
gemeinsame Geschichte. Und er zeigt:
Kak to jo bylo. – Wie es einmal war.
6 REKULTIVIERUNG
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Neuland hinterm Tagebau Nochten
Zwischen Findlingspark
und Offenland
NOTIZEN ZUM LANDSCHAFTSWANDEL IM NOCHTENER REVIER
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D
er Bergbau verändert die
Landschaft zwischen Weißwasser, Nochten und den Gemeinden des Kirchspiels Schleife nachhaltig. Er nimmt Landschaftsräume in
Anspruch: Ortschaften, Wiesen und
Ackerflächen, Wälder und Moore, Straßen und Wege. Mit dem Weiterwandern des Tagebaus entstehen Schicht
um Schicht zugleich neue Landschaften, so wie es in den Betriebsplänen
verankert ist.
Mehr als 2.000 Hektar Fläche wurden
in den vergangenen 20 Jahren im Bereich des Tagebaus Nochten rekultiviert. Dabei wurden rund zwölf Millionen
Bäume
gepflanzt,
Flächen
aufgeforstet und zahlreiche neue Wege
nach historischem Vorbild geschaffen.
Ein Resultat dieser Neugestaltung, das
überregionale Bekanntheit besitzt, ist
REKULTIVIERUNG 7
der Findlingspark in Nochten. Seit seiner Eröffnung im Jahr 2003 lockt er
jährlich rund 70.000 Besucher in die
Region. Vom Steinreich in Nochten aus
führt der Hermannsdorfer Radweg
zum Turm am Schweren Berg, südlich
von Weißwasser.
Der 2008 gestaltete Aussichtspunkt
bietet einen Fernblick auf wahrhaft bewegtes Land: Die Kohlebagger sind
fast vorbeigezogen, seit einigen Jahren
sind nun die Landschaftsplaner und
Rekultivierer aktiv. Hier, an der
Grenze zum Muskauer Faltenbogen,
entsteht ein Mosaik aus kleingliedrigen Landschaftsstrukturen, das geschützten Tier- und Pflanzenarten als
Lebensraum dienen soll. Das Vorranggebiet für den Arten- und Biotopschutz
erstreckt sich auf rund 730 Hektar Fläche. Trockenrasen, Sandheiden, Wa-
8 REKULTIVIERUNG
cholder, Kiefern und Laubmischwälder, Buchten, Inseln, Flach- und
Tiefwasserbereiche sollen den Bereich
einmal prägen. Erste Initiale dafür sind
gesetzt.
Im Kern des Gebietes liegt der künftige
Hermannsdorfer See, ein Gewässer,
das ausschließlich dem Naturschutz
vorbehalten bleibt. Anders als die bisher gefluteten Tagebauseen der Lausitzer Seenplatte entsteht der See bereits
während des aktiven Tagebaubetriebes.
Mit 256 Hektar wird seine Wasserfläche größer sein als der Berliner Tiergarten. Die Arbeiten am Hermannsdorfer
See haben 2005 mit der Abdichtung
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des Nord- und Ostufers begonnen, anschließend wurde das Südufer mit einer Landzunge und zwei Vogelschutzinseln geformt. Die Flutung soll
ab 2016 beginnen. Gespeist wird das
Gewässer vor allem durch das Wasser
der Spree. Etwa 2020 soll der endgültige Wasserstand erreicht sein.
Eine Besonderheit am Südufer des Sees
ist die Gestaltung der Neuen Jeseritzen.
Fast zwei Hektar groß ist das Moorinitial. Insgesamt 5.000 Kubikmeter Torf,
die aus den Großen Jeseritzen stammen, wurden hier eingebracht, um
Moosbeere, Schnabelried, Schmalblättriges Wollgras und Rosmarinheide
neuen Boden zu bereiten. Wie der Torf
selbst, kommen auch die Pflanzen aus
dem Moorgebiet, das dem Tagebau
weichen mussten.
Für Besucher wird der Hermannsdorfer See nur von der Nord- und der Ostseite aus erlebbar sein. Im Süden erstreckt sich das Vorranggebiet für die
Bundeswehr, das Westufer bleibt dem
Arten- und Biotopschutz vorbehalten.
Das hier entstehende Offenland mit
seinen Heideflächen und dem Sandmagerrasen soll künftig auch dem
Birkhuhn als Lebensraum dienen - ein
Wildvogel, der bereits seit Jahren auf
der nationalen Roten Liste der bedroh-
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ten Arten steht. Das Birkwild, das die
Moor- und Heidelandschaft in Lüneburg einst ebenso dominierte wie die
in der Lausitz, kommt heute nur noch
in wenigen Bundesländern vor. Auch
aus der Muskauer Heide ist es fast verschwunden. Einzelne Hähne soll es
noch in der Heidelandschaft geben,
weiß die Naturforschende Gesellschaft
der Oberlausitz. Am Hermannsdorfer
REKULTIVIERUNG 9
See, inmitten der rekultivierten Landschaft wird die Population wieder
wachsen können. bg
10 HANDWERK
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HANDWERK 11
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Baustellenbesuch
im Garten Eden
DIE NEUEN PLÄNE DES
GARTEN- UND LANDSCHAFTSBAUERS DIRK NOACK
Das Handy klingelt. Die erste Lieferung für den neuen
Verkaufspavillon ist unterwegs. Eigentlich sollten die
Pflanzen erst morgen kommen, nun werden sie bereits am
späten Nachmittag eintreffen. Bis alle Stauden ausgeladen
und gesichtet sind, kann es Abend werden.
Doch erst einmal hat der Lieferant sich verfahren. Mit
knappen Worten lotst Dirk Noack den Pflanzentransport
nach Halbendorf: zum Garten Eden.
B
egonnen hatte alles vor zwölf
Jahren, im Kellerbüro des Noackschen
Elternhauses
in
Schleife. Damals war Dirk Noack 27,
hatte eine kurze Laufbahn bei der Bundeswehr gerade beendet und seine
Meisterprüfung im Pflaster- und Wegebau abgelegt. Mit dem Eintrag in die
Handwerkerrolle machte er sein Hobby zum Beruf und gründete das Gartenbauunternehmen „Garten Eden“.
Der erste Kunde ließ nicht lange auf
sich warten. Im Nachbarort Preschen
hatte Dirk Noack einen Berg aus naturbelassenen Feldsteinen gesichtet. Der
Besitzer, ein Spargelanbauer, ver-
machte dem Jungunternehmer die
Steine und sorgte gleichzeitig für dessen ersten Auftrag: eine komplexe Gartengestaltung mit Pavillon, Wegeführung, 50 Meter Bachlauf und Teich. Ein
guter Zeitpunkt. Es war Spargelzeit
und auf dem Spargel-Verkaufshof
herrschte Hochbetrieb. Dem ersten
Auftrag folgten schnell weitere. Mit ihrer Zahl wuchs auch die Zahl der Mitarbeiter im „Garten Eden“ und die
Liste der Referenzen.
Aus Pflanzen, Wasser und Steinen sind
in den vergangenen Jahren kleine und
große Gartenoasen für private Kunden
entstanden. Die Skateranlage in Weiß-
Landschaftsgärtner Dirk Noack
wasser trägt ebenso die Handschrift
der Firma wie die Außenanlagen der
Kitas in Schleife und Rohne. In Trebendorf errichteten die Lausitzer Landschaftsbauer im Auftrag von Vattenfall
ein Ökowassersystem, das quer durch
den Ort führt und verschiedene Gewässer und Feuchtgebiete mit Wasser
versorgt.
12 HANDWERK
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In Halbendorf entsteht aus Pflanzen, Steinen und
Handwerkskunst der Schaugarten Eden
Irgendwann entdeckte der umtriebige
Unternehmer das verwilderte Grundstück im Nachbarort Halbendorf. Es
schien ideal: elf Hektar groß, abseits
des Ortes am Waldrand gelegen, aber
mit Wasser- und Stromanschlüssen sowie einem alten Wirtschaftsgebäude.
Der Garten- und Landschaftsbauer erhielt den Zuschlag. Doch der Weg zum
Schaugarten Eden war lang und steinig. Drei Jahre brauchte es für die Vorplanungen, einschließlich B-Plan-Verfahren. Mittlerweile hat sich Dirk
Noack durch das Labyrinth der Verwaltungen und Behörden gekämpft
und ist dankbar für die Unterstützung,
die er hier für sein Projekt erhalten hat.
Derzeit bereiten Dirk Noack und seine
17 Mitarbeiter die Eröffnung des Gartencenters mit Natursteinhandel vor.
Im Mai soll im reetgedeckten Pavillon
der Verkauf beginnen. Angelehnt an
die asiatische Gartenkunst wird das
Gartencenter spezielle Ahorngehölze,
Formgehölze und Zwerggehölze anbieten, ergänzt durch ein breites Sortiment an Stauden. Ein Natursteinhandel mit Steinen aus aller Welt, aber
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auch Findlingen aus den Tagebauen
und Graniten aus Steinbrüchen der
Lausitz runden das Sortiment ab.
Noch ist die Oase eine Baustelle und
von asiatischer Ruhe wenig zu spüren.
Abschnitt für Abschnitt soll das Areal
in den kommenden Monaten weiter
wachsen und die Kundschaft wird dabei zusehen können. 2017 soll der
Schaugarten Eden fertig sein. Bis dahin
aber bleibt noch eine Menge zu tun.
Schaubaustelle, Tagesgeschäft, Planungen und Behördengänge sorgen
derzeit dafür, dass Arbeitstage von
zwölf bis 16 Stunden für Dirk Noack
eher die Regel als die Ausnahme sind.
Dass seine Lebensgefährtin im Unternehmen arbeitet und die Kinder mitt-
HANDWERK 13
14 HANDWERK
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Noch ist der Schaugarten Eden eine Schaubaustelle.
Das wird sich in den kommenden Monaten Stück
für Stück ändern und die Kundschaft wird dabei
zusehen können.
lerweile „... aus dem Gröbsten raus
sind“, erweist sich da als Vorteil. Hinzu
kommt die Meisterschule. Nach elf Jahren im Garten- und Landschaftsbau
hat er sich im vorigen Jahr für die Weiterbildung in Dresden angemeldet.
Das erste Wintersemester ist geschafft.
Es folgen die Sommerkurse und das
zweite Wintersemester mit den obligatorischen Prüfungen. Im Juni 2017
wird Dirk Noack die Meisterprüfung
als Garten- und Landschaftsbauer ablegen.
Mit dem Meisterbrief in der Tasche
will er dann auch Nachwuchs für den
„Garten Eden“ züchten. „Mein Ziel ist,
drei bis vier Lehrlinge pro Jahr auszubilden, die bei mir das Handwerk von
der Pike auf lernen und - wenn alles
klappt - am Ende unser Team verstärken.“ Bereits im Sommer des kommenden Jahres soll im „Garten Eden“ die
Ausbildung von Lehrlingen für den
Garten- und Landschaftsbau beginnen.
Dass es in der Lausitz grundsätzlich an
potentiellen Fachkräften mangele, daran glaubt Dirk Noack nicht: „Es gibt
hier genügend gute, junge Leute. Man
muss ihnen nur eine Chance geben,
sich hier eine Existenz aufzubauen.“ bg
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Juliane, Constanze, Kathleen
und die Löschzwerge
WIE DIE GROSS DÜBENER FEUERWEHR
ERFOLGREICH NACHWUCHSARBEIT BETREIBT
W
enn’s brennt, ruft man die
Feuerwehr. Das lernen schon
die Schulkinder. Doch was
macht die Feuerwehr, wenn ihr der
Nachwuchs ausgeht? Diese Sorge treibt
immer mehr Wehren in den Dörfern
und Gemeinden der Lausitz um. Als
die Zahl der Mitglieder in der Jugendfeuerwehr Groß Düben auf sechs
schrumpfte, schrillten hier die Alarmglocken. Doch statt in Resignation zu
versinken, machte sich der Vorstand
Gedanken, wie der Mitgliederschwund
aufzuhalten sei.
„Das Problem war: Wenn die Kinder
mit acht Jahren alt genug sind für die
Jugendfeuerwehr, haben sie meist
ENGAGEMENT 15
16 ENGAGEMENT
schon zwei, drei andere Hobbys.
Hinzu kommt noch die Schule. Ihnen
fehlt dann einfach die Zeit, sich auch
noch in der Feuerwehr zu engagieren“,
beschreibt Juliane Hille die Situation.
Der Vorstand entschied daher, eine
Kids-Feuerwehr zu gründen. Und die
Feuerwehrfrauen
Juliane
Hille,
Constanze Krautz und Kathleen Reimann wurden quasi deren Geburtshelfer. Die Idee war, den Nachwuchs
möglichst jung zu werben. Auch Kinder zwischen fünf und acht Jahren
sollten sich fortan in der Feuerwehr engagieren können.
Fast war es, als hätten alle nur darauf
gewartet. Bereits dem ersten Aufruf
der Groß Dübener Floriansjünger
folgten sechs Kinder des Ortes. Das
war vor drei Jahren. Mittlerweile ist
die gesamte Startergruppe in die Ju-
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Die ersten Feuerwehrknoten
gendfeuerwehr gewechselt. Doch immer neue Kinder drängen nach. Derzeit zählt die Kids-Feuerwehr zehn
Löschzwerge. Einmal im Monat melden sie sich zum „Dienst“ bei Juliane,
Constanze und Kathleen.
Wie verhalte ich mich, wenn ich Feuer
entdecke? Wie informiere ich die Feuerwehr? Was ist zu tun, wenn ich jemanden hilflos auffinde? Warum kann
eine stabile Seitenlage Leben retten?
Fragen, die jeder aus der Gruppe der
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Feuerwehr
Groß Düben
Die Freiwillige Feuerwehr
Groß Düben wurde am 25.
April 1912 gegründet.
Um die Gründung machte
sich vor allem der Sohn des
alten Dorfschmieds Schöne
verdient. 1960 bekamen die
Kameraden erstmals einen
Tragkraftspritzenanhänger.
Wenn es zum Einsatz ging,
wurde er von einem Traktor
gezogen.
Im Laufe der Jahrzehnte
wurde auch das alte Feuerwehrgerätehaus mehrfach
umgebaut. 2009 errichtete
die Gemeinde ein neues, modern ausgestattetes Feuerwehr-Gerätehaus.
5- bis 8-Jährigen mittlerweile locker beantwortet. Schnell wird klar, hier geht
es nicht darum, kleine Helden auszubilden, sondern die Kinder für Gefahren im Alltag zu sensibilisieren; ihnen die Angst vor der Gefahr zu
nehmen, aber nicht den Respekt.
„Natürlich ist die Ausbildung bei den
Löschzwergen eine andere, als bei der
Jugendfeuerwehr. Wir versuchen die
Themen eher spielerisch zu vermitteln,
der theoretische Anteil ist relativ gering. Bewegung und Spaß sind wichtig.
Wir machen hier keinen Schulunterricht“, erläutert Constanze Krautz das
Konzept. Mit der Kids-Feuerwehr haben sie Neuland betreten. Eine vergleichbare Ausbildung gibt es bisher
nicht. Ihr Wissen schöpfen die Betreuerinnen aus dem eigenen Erfahrungsschatz. Seit fast 20 Jahren sind Juliane
Hille und Constanze Krautz in der Feuerwehr aktiv.
Erste „Löschübungen“
ENGAGEMENT 17
18 ENGAGEMENT
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Juliane Hille kümmert sich um den Groß Dübener Feuerwehr-Nachwuchs
Neugierig und konzentriert folgen Ben,
Yasmin, Lennart und Lennox ihren
Ausführungen, lernen Erste-Hilfe-Regeln und üben Feuerwehrknoten. Die
Begeisterung auf beiden Seiten ist unverkennbar. „Wir sind megastolz auf
unsere Kids“. Die Ausbilderinnen
strahlen, wenn sie von „ihren“ Kindern erzählen.
Mittlerweile hat die Groß Dübener
Wehr ihr Problem gelöst. Seit 2012 hat
sich die Mitgliederzahl im Nachwuchsbereich verdreifacht. Neben den zehn
Löschzwergen sind derzeit weitere
neun Kinder bei der Jugendfeuerwehr
aktiv. Sie kommen aus Groß Düben,
aber auch aus Schleife, Lieskau, Döbern, Halbendorf und Friedrichshain.
Noch sind es vor allem Jungen, die den
Traum vom Feuerwehrmann träumen.
Doch zunehmend drängen auch Mädchen in die Crew. „Wir machen fleißig
Werbung“, begründet Juliane Hille
den guten Zulauf.
Die beste Werbung aber sind immer
noch die Kinder selbst und deren Begeisterung. Beim Kreisjugendfeuerwehrtag 2015 konnten die 8- bis 11-Jährigen erstmals zeigen, was sie gelernt
haben. Auf Anhieb belegten sie den 4.
Platz unter acht Mannschaften. Höhepunkte im vergangenen Jahr waren der
Borstelweg-Lauf und das Jugendfeuerwehrlager am Braunsteich. Hier durfte
der Feuerwehrnachwuchs erstmals
über Nacht bleiben. Vom dreitägigen
Ausflug schwärmen die Kinder noch
heute.
ENGAGEMENT 19
Struga Das Magazin für die Bürger der Region Schleife, Landkreis Görlitz 01/2016
Seit 2012 hat sich die Zahl der Mitglieder im Nachwuchsbereich verdreifacht
Für solche Ausflüge braucht es das
pro Monat für die Feuerwehr aufbrinVertrauen der Eltern und die Unter- gen, zählen sie längst nicht mehr. Nestützung der gesamten Mannschaft. ben Kids- und Jugendfeuerwehr ist das
Beides ist den den Betreuerinnen si- Dreigestirn selbst in der Freiwilligen
cher: „Die Groß Dübener Feuerwehr ist
Feuerwehr aktiv, fährt zu Einsätzen
wie eine große Familie.“ Gleichwohl
und Wettkämpfen.
bleibt die Bürde der Verantwortung.
Doch das sei es wert, sagt Juliane Hille. „Wenn wir nicht mit Herzblut dabei
„Wenn man sieht, mit welcher Begeiste- wären, wäre dieses Pensum nicht zu
rung die Kids dabei sind, ist die Mühe
schaffen.“ Insbesondere für Juliane
vergessen.“
Hille bedeutet das derzeit eine echte
Vor allem aber braucht das ehrenamt- Herausforderung. Nach zwölf erfolgliche Engagement Zeit. Die Stunden, reichen Jahren als Zahnmedizinische
die Kathleen, Juliane und Constanze
Fachangestellte hat sie noch einmal
den beruflichen Neustart gewagt. Irgendwann sei die Lust am Beruf verloren gegangen, begründet sie den
Schritt. Bei den Löschzwergen hat sie
neu Feuer gefangen. „Die Arbeit in der
Kids-Feuerwehr hat mir gezeigt, dass
ich mit Kindern ganz gut umgehen
kann; und dass es mir unendlich viel
Freude bereitet, ihnen etwas beizubringen.“ Im vorigen Jahr entschied sie
deshalb, ihr Berufsleben noch einmal
umzukrempeln. Kürzlich hat sie im benachbarten Bad Muskau eine Ausbildung zur Erzieherin begonnen. bg
20 SIEBEN FRAGEN
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Einfach weitermachen?
STEN KOWALICK,
VORSITZENDER DES BEIRATES UMSIEDLUNG MÜHLROSE
1. Was bedeutet für Sie Heimat?
3. Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz?
Das ist eigentlich ganz einfach: Heimat ist für mich, wo ich
geboren und aufgewachsen bin, wo ich meine Jugend verbracht und die ersten Erfahrungen für das Leben gesammelt
habe. Familie, Freunde und Kumpel – auch das ist für mich
Heimat.
Auf meine Familie und die beiden Kinder bin ich besonders
stolz. Auch meine Erfolge im Sport machen mich stolz. Ich
habe als Fünfjähriger im Fußballverein Schleife begonnen
und bin hier in „Rente“ gegangen. Diese Konstanz ist für die
heutige Zeit nicht selbstverständlich. Die neue Generation
ist sprunghafter und manchmal eben auch nicht ganz so zuverlässig ...
2. Haben Sie einen Lieblingsplatz?
Auf dem Sportplatz in Schleife verbringe ich sehr viel Zeit.
Das hat vor allem etwas mit meinem Hobby Fußball zu tun.
Wegen einer Verletzung musste ich im vorigen Jahr zwar
meine aktive Karriere als Fußballspieler beenden. Aber ich
trainiere die F-Jugend und unterstütze die Männermannschaften. Zu Hause verbringe ich viel Zeit in meiner Garage.
Mit Freunden und Familie sitzen wir am liebsten hier, am
Küchentisch.
Der Rastlose
Sten Kowalick ist das, was man gern als „Hans Dampf in
allen Gassen“ bezeichnet. Er ist beim Fußballverein SV Lok
Schleife eben so aktiv wie für den Brauchtumsverein des
Ortes. Einmal im Jahr wird er hier zum spitzzüngigen
„Bürgermeister“, der durch das Faschingsprogramm führt
und mit Ironie die Ereignisse des zurückliegenden Jahres
kommentiert. Auch in der Gemeinde engagiert sich Sten
Kowalick. Seit 2015 ist er ehrenamtlicher Vorsitzender des
Beirates Umsiedlung Mühlrose. Gemeinsam mit Enrico
4. Was ist ein wichtiges Ziel der nächsten Zeit?
Für uns ist es wichtig, eine sichere Zukunft, eine Planungsperspektive zu bekommen. Wir brauchen eine klare Aussage,
wie es mit dem Ort Mühlrose weitergeht. Siedeln wir um
oder bleiben wir hier? Das ist eine offene Frage, die uns seit
2004 beschäftigt.
Kliemann leitet er das zwölfköpfige Gremium, das die
Interessen des Ortes in den Belangen der Umsiedlung
vertritt.
Der gelernte Techniker für Mechatronik arbeitet in einer
Forschungsanlage für Silizium in Schwarze Pumpe. Die
Schmid Polysilicon Production (SPP) betreibt Grundlagenforschung für die Solarindustrie und entwickelte
eine Produktionsanlage für Polysilizium.
Mit seiner Frau Nadine und seinen Söhnen Til (8 Jahre)
und Johan (6 Monate) lebt Sten Kowalick im Ortskern
von Mühlrose, im Haus seiner Eltern.
SIEBEN FRAGEN 21
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Familie Kowalick am Küchentisch
Für uns als Familie wird die Situation immer schwieriger.
Wir haben wegen der angekündigten Umsiedlung nicht neu
gebaut, sondern das Dachgeschoss meiner Eltern ausgebaut.
Nun ist das zweite Kind da und es fehlt der Platz für ein weiteres Kinderzimmer. Wenn in diesem Jahr keine Entscheidung zur Umsiedlung des Ortes fällt, werden wir uns wohl
anderweitig kümmern müssen – und notfalls auch die geliebte Heimat verlassen.
5. Worüber ärgern Sie sich?
Das heute Abend die Sauna ausfällt (lacht). Tatsächlich ärgere ich mich vor allem über die vielen Unsicherheiten, die
aus den fehlenden Entscheidungen zur Umsiedlung und zur
Weiterführung des Bergbaus resultieren. Sie machen uns
persönlich, sie machen aber auch den Ort Mühlrose handlungsunfähig. Einfach weitermachen? Wie sollen wir unsere
Zukunft planen, wenn wir nicht wissen, wo es hingeht?
6. Wo tanken Sie Kraft?
Kraft tanke ich in der Sauna oder beim Spielen mit den Kindern. Entspannen kann ich auch in der Garage, wenn ich an
alten Motorrädern und Fahrrädern schraube. Beim Fußballtraining entspanne ich weniger, das kostet eher Kraft. Die
Kraft hole ich mir dann wieder als Zuschauer, beim Spiel der
Männer.
7. Haben Sie ein Lebensmotto?
Ich schaue nach vorn. Es macht wenig Sinn, dem hinterher
zu trauern, was einmal war.
22 MENSCHEN
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Verwurzelt
IM GESPRÄCH MIT KLAUS KUBOTH (80)
ÜBER OBSTBÄUME,
BERGLEUTE UND SCHLESISCHE WURZELN J
eden Morgen steigt Klaus Kuboth
in den Keller, um Äpfel für das
erste Frühstück zu holen. „Alles eigene Ernte“, erzählt der 80-Jährige
stolz. Fast 1.500 Quadratmeter groß ist
der Obst- und Gemüsegarten, der
gleich hinter dem Wohnhaus beginnt.
Hier mäht er den Rasen, gräbt um,
pflanzt Gemüse und veredelt Obstbäume. Vor allem alte Apfelsorten haben es ihm angetan. Goldparmäne, Boskop, Jonathan und Biesterfelder
Renette liefern nicht nur frische
Früchte. In den Obstbäumen finden
sich auch zahlreiche Nistkästen; sie
sind Lebensraum für Blaumeisen und
Kohlmeisen, Feldsperlinge und Gartenrotschwänzchen. Um sie zu schützen, verzichtet Klaus Kuboth seit Jahrzehnten darauf, die Bäume zu spritzen.
„Ich arbeite mit Leimringen. Das tut
nicht nur den Äpfeln gut, sondern
auch den Igeln und Vögeln.“ Und die
Arbeit im Garten hält auch ihn fit.
Wie wichtig das ist, hat Klaus Kuboth
vor zehn Jahren erfahren müssen, als er
eine Herzschwäche nur deshalb unbeschadet überstand, weil seine Hausärztin die Anzeichen erkannte und ihn gerade noch rechtzeitig ins Krankenhaus
schickte. Wer den rastlosen Rentner
heute erlebt, kann sich nur schwer vorstellen, dass ihn so schnell etwas umhaut. Kuboth ist ein Urgestein, fast jeder im Ort kennt ihn. Er ist nicht nur
ein kundiger Gesprächspartner, wenn
es um die Bestimmung alter Obstbäume geht. Klaus Kuboth ist auch
Hobby-Geschichtsforscher und Samm-
ler alter Bergmannsutensilien. Vor
allem aber kennt man ihn als Obersteiger der Untertage-Entwässerung.
In den 60er Jahren war er mit dem
Bergbau in den Ort gekommen.
Schachtbau Nordhausen hatte damals
seine Fachleute nach Schleife geschickt,
um einen Entwässerungsschacht für
den künftigen Tagebau Nochten abzuteufen. Klaus Kuboth war einer von ihnen. „Bis dahin hatte man in der Lausitz sämtliche Entwässerungsschächte
in Bolzenschrotzimmerung gefertigt.
Wir haben erstmals Rundschächte ge-
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Die Arbeit im Garten
hält den 80-Jährigen
fit
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Seit 30 Jahren misst Klaus Kuboth täglich
Temperatur und Niederschläge in seinem Garten
mauert – und zwar im Gefrierverfahren.“ Als die 100 Meter tiefen Schächte
gegründet waren, entschied der gebürtige Schlesier sesshaft zu werden.
Selbst das Angebot, in der Mongolei einen Goldschacht zu teufen, konnte ihn
nicht mehr locken. Der gelernte Bergmann zog mit seiner Familie ins sorbische Schleife, wechselte in den Entwässerungsbetrieb
des
Tagebaus
Nochten und setzte als Steiger in der
Untertage-Entwässerung die bergmännische Tradition seiner Familie fort.
Bereits sein Urgroßvater und sein
Großvater waren Bergleute gewesen.
Ein vergilbtes Bild in der Familienchronik zeigt Urgroßvater Friedrich Kasching stolz in seinem Bergmannskleid.
1868 als die erste Eisenbahnlinie in der
Lausitz entstand und die Braunkohlenindustrie ihren Aufschwung erlebte,
absolvierte Friedrich Kasching eine
Bergmannslehre in der Schönborner
Grube Pauline. Sein Sohn Fritz leitete
später als Steiger eine kleine Tiefbaugrube in Gahro. Die ging zwar 1928 mit
der Inflation Pleite. Dennoch war es
der Großvater, der dafür sorgte, dass
Enkel Klaus die Familientradition fortführte. Im Auftrag des Landrates von
Luckau teufte Fritz Kasching nach
Ende des Zweiten Weltkrieges noch
einmal einen Schacht für die Grube
„Einheit“. Von da an stand für den Enkelsohn fest: „Ich werde Bergmann.“
Im Oktober 1949 begann Klaus Kuboth
die Lehre beim Großvater, zeitgleich
mit Gründung der DDR. Vier Jahrzehnte später, mit dem Untergang der
DDR, endete sein Arbeitsleben.
Doch der Bergbau hat die Familie weiter begleitet. Sohn Holger trat die
Nachfolge des Vaters im Entwässerungsbetrieb des Tagebaus Nochten an
und wechselte später in die Lehrausbil-
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Der Bergbau hat die Familiengeschichte der Kuboths
geprägt.
dung von Vattenfall. Enkeltochter Daniela ist seit einigen Jahren Gerätefahrerin im Tagebau Welzow-Süd. Derzeit
erwartet sie Nachwuchs, das zehnte
Urenkelkind der Kuboths. Der stolze
Urgroßvater ist sich aber sicher: „Ein
Bergmann wird das nicht. Die sechste
Generation wird wohl die letzte der Familie sein, die im Bergbau arbeitet.“
Nicht jeder im Ort sieht darin einen
Grund zur Freude. Kuboth weiß um
die Ambivalenz des Themas. „Die Lausitzer haben über Jahrzehnte mit und
von der Kohle gelebt.“ Vielen Investitionen in die Infrastruktur der Dörfer
des Kirchspiels Schleife sind mit Unterstützung des Bergbaus erfolgt: das
Vereinshaus in Trebendorf, das Sozialzentrum an der Struga, der Neubau
der Schule, der in diesem Jahr begonnen hat... „All das wäre ohne die Kohle
nicht möglich gewesen.“ Doch er weiß
auch: „Die Menschen haben dafür einen hohen Preis bezahlt.“
Jahrzehnte hat die Region mit und von
der Braunkohle gelebt. Nun zeichnet
sich eine Veränderung ab. „Mit der
Nutzung regenerativen Energien wird
der Bedarf an Braunkohle immer weiter zurückgehen“, erklärt Klaus KuDer gebürtige Schlesier ist längst in der
both pragmatisch und fügt hinzu: „So
Schleifer Region heimisch geworden.
wie es augenblicklich aussieht, wird
die Kohleförderung in Nochten wahr- „Die Sorben sind fleißige Leute, zuweischeinlich mit dem Abbaufeld I enden.“ len etwas vorsichtig. – Sie haben ja mit
den Deutschen nicht immer gute Erfahrungen gesammelt. Wenn Sie dir
aber vertrauen, öffnen sie dir Haus
und Hof“, schwärmt Kuboth von seiner Wahlheimat. Woanders zu leben,
können er und seine Frau sich nicht
vorstellen. Ein Grund für diese Verbundenheit sind neben der Familie
auch die Freunde und Nachbarn im
Ort. Der alltägliche Schwatz über den
Gartenzaun gehört dazu ebenso wie
die gemeinsamen Feiern und Ausfahrten. Alljährlich zu Pfingsten zum
Beispiel chartern die Kuboths gemeinsam mit ihnen einen Bus und unternehmen eine Reise übers Riesengebirge, zurück zu den Wurzeln von
Klaus Kuboth. bg
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Wer Flachs blühen sehen will, muss früh aufstehen. Die blauen Blüten öffnen sich nur in den Vormittagsstunden.
Die Alleskönnerin
Sie gilt als die Pflanze der Lausitz.
Das Grün und Blau in der Schleifer Mädchentracht erinnert
ebenso an sie wie die feingewebten Stoffe der Tracht selbst.
Vor allem aber liebt man zwischen Bautzen und Lübbenau
das Goldgelb des frischen Öls, das aus den Samen der
Leinpflanze gepresst wird.
L
einöl aus der Lausitz hat längst
die Märkte in ganz Deutschland
erobert. In traditioneller Weise
stellen es Ölmühlen in Hoyerswerda
und im Spreewald seit fast 100 Jahren
nach unveränderter Rezeptur her.
Doch wer sich auf die Suche nach
einem Flachsfeld macht, wird nur
mühsam Erfolg haben. Der Leinanbau
in Sachsen und Brandenburg ist in den
vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Regina Jorga von der Ölmühle
Hoyerswerda bestätigt: „Nur ein geringer Prozentsatz der Leinsaat, die in den
Ölmühlen der Lausitz verarbeitet wird,
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Struga Das Magazin für die Bürger der Region Schleife, Landkreis Görlitz 01/2016
Flachs
gehört zu den ältesten bekannten Kulturpflanzen und ist seit der Jungsteinzeit bekannt. Er wird zum einen zur Gewinnung der
Faser, zum anderen zur Gewinnung von Öl
angebaut. Je nach Verwendungszweck
unterscheidet man Faserlein, dessen
Pflanzen bis zu 1,50 Meter hoch wachsen und Öllein, der nur 50 Zentimeter
groß wird.
Leinsamen
stammt noch aus der Lausitz.“ Der Rest wird aus Mecklenburg-Vorpommern, der Ukraine oder Kasachstan importiert.
Gern würden die traditionsbeflissenen Ölmüller mehr heimische Ölsaat verarbeiten. Doch der Anbau lohnt für die Erzeuger kaum mehr. Ein Grund dafür sind auch Förderrichtlinien, die den Anbau von Raps und Sonnenblumenöl für die
Kraftstoffherstellung lukrativer machen. Nicht nur die Chefin der Lausitzer Ölmühle hofft auf eine Renaissance des
Leinanbaus in der Lausitz. Gründe dafür gäbe es genug;
denn kaum eine Pflanze ist so universell nutzbar wie Lein.
Es findet zur Herstellung von Stoffen und Farben ebenso
Verwendung wie als Nahrungs- und Arzneimittel.
Manfred Richter vom Njepila Hof Rohne e. V. beschäftigt
sich seit einigen Jahren mit der Lausitzer Pflanze. Der Tre-
sind reich an Omega 3- Fettsäuren und Eiweiß, enthalten zusätzlich Ballast- und
Schleimstoffe und sind reich an sogenannten Lignanen, die im Körper eine ähnliche
Wirkung wie menschliche Hormone auslösen. Zudem enthält sie die Vitamine B1 und
B2, Vitamin C und Vitamin E sowie Beta-Carotin. Auch wichtige Mineralstoffe wie Kalium, Zink, Eisen, Phosphor, Magnesium und
Kalzium sind enthalten. Aufgrund dieser Inhaltsstoffe kann Leinsamen bei vielen gesundheitlichen Beschwerden gute Dienste
leisten. Die reichlich enthaltenen Omega3-Fettsäuren der Samen beugen Herz-Kreislauferkrankungen vor und sollen das Denkvermögen und die Konzentrationsfähigkeit
positiv beeinflussen. Gern wird die Leinsaat
auch bei Verdauungs- und Atemwegsbeschwerden eingesetzt.
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Vom rohem Flachs zum Leinen braucht es zahlreiche Arbeitsschritte
bendorfer bestätigt: „Lein sicherte
Jahrhunderte die Lebensgrundlage in
den Lausitzer Dörfern.“ Leinöl war ein
Hauptnahrungsmittel, das mehrfach in
der Woche auf den Tisch kam. „Kartoffeln, Leinöl und Quark machen den
Lausitzer stark“, hieß es damals. Die
alte Redewendung bestätigt die aktuellen Ernährungswissenschaften: Die
Kombination aus Kohlenhydraten,
mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren und Eiweiß schmeckt und sättigt nicht nur, sondern ist auch außerordentlich gesund.
Aus dem Flachsstroh der Leinpflanze
aber entstand die wertvolle Leinwand,
die als Kleiderstoff ebenso begehrt war
wie für Säcke, Segel oder Planwagen.
Flachsspulen für den Webgang
am historischen Webstuhl
Doch für das Fertigen einer solchen
Stoffbahn brauchte es Geschick und
Zeit: Nachdem der Flachs gedroschen
und die Samen gewonnen waren, wurden die Fasern aus dem Flachsstroh herausgebrochen und ausgekämmt. An
langen Winterabenden wurden die
Flachsfasern versponnen, um sie anschließend am hauseigenen Webstuhl
zu Leinwand zu verweben – je nach
Stärke des Fadens zu grobem Drillich
oder feinem Batist.
Einer dieser Webstühle, der aus dem
Jahr 1848 stammt, steht auf dem Dachboden des Njepila Hofes. 600 Fäden
bilden hier die Grundlage für das Gewebe. Immer wieder schießt Manfred
Richter das Schiffchen durch das Gespinst der Fäden. Ganz langsam
wächst die Stoffbahn. Eine Elle pro Tag,
also knapp einen halben Meter, schaffte
die geübte Weberin. Doch so aufwen-
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dig wie die Herstellung, so robust und
langlebig war das Produkt. 15 Leinensäcke musste jedes Mädchen im Schleifer Kirchspiel in die Ehe einbringen, so
sei es Brauch gewesen, erzählt Manfred Richter. „Damit man die Säcke
später bei der Ernte nicht verwechselte,
webte jede ihr eigenes Muster in den
Rand.“
Lange Zeit war Leinen der einzig verfügbare Stoff. Doch nach und nach
schwand seine Bedeutung. Er wurde
von Baumwollstoffen, aber auch von
synthetischen Fasern abgelöst. Auch
die Technologie der Flachsverarbeitung ist längst eine andere. Das weiß
auch Manfred Richter. Doch seine Motivation ist eine andere. „Wir als Verein
wollen zeigen, wie es in der Schleifer
Lausitz einmal war.“ Und natürlich
hoffen die Männer und Frauen vom
Njepila Hof e. V., dass ihr Wissen auf
fruchtbaren Boden fällt. In ihrem Bemühen sind sie nicht allein. Bereits seit
einigen Jahren versucht auch der
Spreewaldverein in Lübben in Zusammenarbeit mit den regionalen Landwirten den Anbau von Flachs kontinuierlich zu erweitern. Mit Erfolg: Die
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Anbauflächen im Spreewald wachsen.
Und damit wachsen auch die Chancen,
dass die Lausitzer Universalpflanze
mit den blassblauen Blüten sich einen
Teil ihres angestammten Terrains zurückerobert.bg
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FESTE, FEIERN UND VERANSTALTUNGEN
MAI
Veranstaltung, Zeit
Ort
22.05.
Goldene Konfirmation, 9.30 Uhr
Schleife, Kirche
27.-29.05.
Kreismeisterschaft des Schützenkreises 14
Schleife
28.05.
Maibaumwerfen
Rohne, Mulkwitz,
Schleife
29.05.
Sorbischer Kirchentag, 9.30 Uhr
Schleife, Kirche
29.05.
Oberlausitzer Orgelsommer, 16 Uhr
Schleife, Kirche
JUNI
Veranstaltung, Zeit
Ort
04.06.
SR Treffen
Schleife
05.06.
Kindersportfest in Mühlrose mit Maibaumwerfen
Mühlrose
11.-19.06.
Deutsche Meisterschaften im Kegelbillard
Trebendorf
11.06.
Frauenfrühstück, 9 Uhr
Schleife, Pfarramt
12.06.
Tauffest
Schleife, Kirche
12.06.
Kindersportfest
Trebendorf, Sportplatz
18.-19.06.
Kleines Dudelsack-Festival
Trebendorf,
Schusterhof
19.06.
Gottesdienst auf dem Schusterhof, 9.30 Uhr
Trebendorf,
Schusterhof
25.06.
Fest Sommersonnenwende
Schleife,
Schützenverein
26.06.
FFw-Gottesdienst & Florianstag, 14 Uhr
Schleife, Kirche
JULI
Veranstaltung, Zeit
Ort
02.07.
18. Läufertag
Schleife, Sporthalle
02.-03.07.
Großes Sportfest
Mühlrose
14.07.
Erlebnisfahrt der Senioren
Trebendorf
15.-17.4.07.
30. Neptunfest
Halbendorfer See
16-17.07.
19. Beach-Handballturnier
Halbendorfer See
23.07.
Oldie-Cup und Lausitzpokal
im Feuerwehrkampfsport
Trebendorf,
Sportplatz
27.07.
Seniorennachmittag Trebendorf/Mühlrose
Mühlrose,
Gemeinschaftshaus
29.07.
Sommerfest
Rohne, Njepila-Hof
n. k. Termin
Sommertheater
Trebendorf, Schusterhof
AUSBLICK 31
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AUGUST
Veranstaltung, Zeit
Ort
06.08.
Einschulung Grundschule Schleife
Schleife
21.08.
Diamantene Konfirmation, 9.30 Uhr
Schleife, Kirche
21.08.
Sorbischer Gemeindenachmittag, 14 Uhr
Schleife, Kirche
24.08.
Jubiläum 10 Jahre Seniorenverein Trebendorf
Trebendorf
„Grüne Aue“
28.08.
Musikalischer Sonntagvormittag
mit den „Crostwitzer Musikanten“
Trebendorf
Schusterhof
SEPT.
Veranstaltung, Zeit
Ort
02.09.
Tag der Schöpfung
Schleife, Kirche
03.09.
Traktorpulling
Halbendorf
03.09.
Beat-Club Leipzig, 20 Uhr
Schleife, SKC
04.09.
Gemeindefest, 14 Uhr
Schleife, Kirche
10.09.
Familienturnier im Feldfaustball, 13 Uhr
Sportplatz, Rohne
17.09.
Königsschießen
Schleife,
Schützenverein
23.09.
250. Geburtstag Hanso Njepila
und 70 Jahre Domowina Rohne, 18 Uhr
Rohne,
Njepila Hof
24.09.
Backtag zum Hoffest, 8 Uhr
Rohne, Njepila Hof
24.09.
Senioren Bowlingmeisterschaft
Trebendorf, HdV
24.-25.09.
Rümpelturnier
Schleife, Sporthalle
25.09.
Gottesdienst, 9.30 Uhr
Rohne, Njepila Hof
25.09.
17. Hoffest, 9.30 Uhr
Rohne, Njepila Hof
IMPRESSUM
Herausgeber: Vattenfall Europe Ming AG,
Vom-Stein-Str. 39, 03050 Cottbus
Redaktion: Ute Baumgarten, [email protected]
Layout: wallat & knauth gmbh, Cottbus
Texte: Ute Baumgarten
Fotos: Peter Radke, Manfred Nickel, Regia-Verlag,
Archiv Vattenfall Europe Mining AG
Druck: Druckzone GmbH & Co.KG, Cottbus
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Angabe
der Quelle oder Genehmigung der Redaktion
Redaktionsschluss: 27.04.2016
32 IMPRESSION
Struga Das Magazin für die Bürger der Region Schleife, Landkreis Görlitz 01/2016
Leinernte
am Njepila-Hof
Foto: Manfred Nickel