Just For Swing Gazette
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Just For Swing Gazette
Band 2, Ausgabe 1 Volume 7| Juli 2014 Just For Swing Gazette Swing is the Thing! - Mitteilungsblatt für Freunde swingender Musik in und um Leipzig THEMEN Interview mit dem Initiator von JFSG von Peter Colev Der berühmteste Musikhund der Welt eine Recherche von Peter Colev „Briefe aus Leipzig“ August 1949 - „Ein Tiger Rag“ Portrait Geburtstagsgala für Coco Schumann im Schöneberger Rathaus Berlin Really The Blues - Lesung mit Julius Becke in Leipzig I‘m beginning to see the light — Erinnerungen des Berliner Jazzfans Winfried Maier Nachdruck eines Interviews für das „Doctor Jazz Magazine“ mit Les Paul von 2007 Hot & Blue Jazz Band zum Dixieland Festival in Dresden Just For Swing feiert den 70. Geburtstag des Schlagzeugers Gerd Mucke Schallplatten Neue Jazzbücher S e i t e 2 J u s t F o r S w i n g G a z e t t e Interview mit dem Initiator der Leipziger Swing-Gazette „Just for Swing“ von Peter Colev Wir haben uns am 17.03.2011 anlässlich der Buchpremiere von Karlheinz Drechsels Buch „Mein Leben mit dem Jazz“ kennenund in der Folge schätzen gelernt. Deshalb zunächst die Frage: Wann und wie bist Du zum Jazz gekommen? E D I TO R I A L Jazz hörte ich von Kindes Ohren an. Mein Vater spielte swingende Tanzmusik, leitete eine eigene Big Band und besaß eine Plattensammlung von 78er Schellacks, unter denen sich einige hervorragende Jazzaufnahmen mit Louis Armstrong, den Mills Brothers, Nat Gonella, Teddy Stauffer und vielen mehr befanden. Du unterhältst ein umfangreiches, ja beneidenswertes Jazz-Archiv aus 78ern, LPs, CDs, DVDs – teilweise mit Autogrammen –, wertvollen Jazz-Programmen, Fachbüchern, Fotos sowie seltenen Dokumenten der internationalen Jazz-Entwicklung. (Jazz-Archiv: Kerstin und Detlef A. Ott). Wie und wann bist Du zu dieser Sammlerleidenschaft gelangt und welches sind Deine wertvollsten Sammler-Exponate? Etwas darüber hatte ich ja schon in der letzten JFSG geschrieben. Die meisten Platten erhielt ich im Tausch. Während der Zeit des Eisernen Vorhangs war das manchmal eine abenteuerliche Geschichte. Selbst mit Plattenproduzenten stand ich im Kontakt, die seltene Scheiben suchten. Bruce Iglauer von Alligator Records in Chicago z.B. wollte unbedingt die LP „J.B. Lenoir - Alabama Blues“ haben und schickte mir dafür im Tausch einen Stapel seiner eigenen Bluesplatten mit den Worten: „But don‘t tell your friends.“ Nach dem Fall der Mauer entwickelten wir uns zu Weltreisenden in Sachen Jazz, was natürlich unsere Sammlung rapide vergrößerte. Es ist für Sammler auch eine sehr individuelle Angelegenheit, welche Platte zu den wertvollen Exponaten gehört. Dabei geht es häufig nicht um den Geldwert, der obskure Dimensionen annehmen kann, wenn für bestimmte Platten bei Auktionen vierstellige Beträge erzielt werden. Dann frag ich mich schon, wer das kauft. Denn es kann sein, dass man die Platte auf dem Flohmarkt für ein Schnäppchen mal findet und der Verkäufer den eigentlichen Wert nicht kennt. Ein bisschen Spannung und Freude beim Erwerb gesuchter Stücke sollte man sich aufbewahren. Aber eine wertvolle für mich ist immer noch das Konzert von Benny Goodman 1972 in Kopenhagen, weil die meine Tante, die mit einem Dänen verheiratet war und in Kopenhagen lebte, mir zu meinem 13. Geburtstag in ihrem klapprigen VW-Käfer in die DDR geschmuggelt hat und sich nicht vorstellen konnte, welche Freude sie mir damit machte. Du selbst spielst eine gut „swingende“ Klarinette und fungierst als Bandleader der Leipziger Jazz-Band „Jazz for Swing“. Wann und wie kamst Du zum Klarinettenspiel? Mit etwa 10 Jahren fing ich auf Anregung meines Vaters an, privaten Unterricht bei einem Theatermusiker aus Zeitz zu nehmen. Ich spielte dann auch in einem Jugendblasorchester der Stadt und hatte ein kleines Trio mit befreundeten Mitschülern, mit dem wir auf Schulfesten auftraten. Wir versuchten uns an einfachen Jazzstandards. Mein Lehrer meinte dann, ich sollte an die Musikschule gehen, damit ich einen Abschluss machen könne, falls ich eventuell später berufsmäßig Musik machen wollte. An der Musikschule verlor ich sehr schnell die Lust, da mein Lehrer ein verbitterter Pedant war, der Jazz nicht mochte und der Schülern ständig nur zeigen wollte, was dieser nicht kann. Ich habe zwar meinen Abschluss gemacht, aber die Laufbahn eines Be- B a n d 2 , A u s g a b e 1 rufsmusikers nicht eingeschlagen. Manchmal denke ich heute, dass das keine schlechte Entscheidung war, schaut man sich an, wie Berufsmusiker für das Überleben alles Mögliche spielen müssen. Somit habe ich das Privileg, wirklich nur die Musik zu machen, die ich liebe. Das Spiel der „Just for Swing“-Band“ ist kein reiner New-Orleans-Stil, sondern eher rhythmus- und swingorientiert im ChicagoIdiom, allerdings fast immer ohne Trompetenbeteiligung. Die Vielseitigkeit des Sounds ergibt sich vielmehr durch den Einsatz verschiedener Saxophone (sopran- bis bass-sax) die unser Jazzfreund Harry Thurm exzellent und titelorientiert verwendet und der Band dadurch ein eigenes Profil gibt. Wie und wann hast Du die Band in der jetzigen Form personalisiert? Die Gründung der Band ist Zufall gewesen. Während meiner Mitarbeit am Buch „What a wonderful world - als Louis Armstrong den Osten tourte“ des Journalisten Stephan Schulz aus Magdeburg, hatte er irgendwann die Idee, die künftigen Buchlesung musikalisch zu begleiten. Er fragte mich, ob ich eine Band zusammenstellen würde. Mit dem Posaunisten Klaus Kirst von der Hot&Blue Jazz Band aus Meerane und Eberhard Birkigt an der Gitarre fing das an. Es kamen Gerd Mucke am Schlagzeug dazu und später Harry Thurm, den ich persönlich ganz besonders als einen versierten Musiker schätze. Wir haben uns allerdings von Anfang an vorgenommen, uns nicht in schwierigen Arrangements ‚verhakeln‘ zu wollen, sondern in unserer Musik das Spontane zu bewahren. Wir haben zwar mittlerweile einige Head Arrangements zusammengestellt, auch durch die klugen Hinweise unseres Freundes Tom Buhé initiiert, aber im Wesentlichen soll der Spaß am gemeinsamen Musizieren überwiegen. Das Wichtigste in einer Band ist, dass die Chemie stimmt. Viel zu oft hört man, dass sich die und die Band wieder aufgelöst hat, weil man sich mehr gestritten als miteinander musiziert hat. Von Beruf bist Du Lehrer und hast nach meiner Kenntnis einen Neigungskurs Jazz für Schüler ins Leben gerufen, was wohl bisher in der pädagogischen Bandbreite der Allgemeinbildenden Schulen ein Novum darstellt. Wie und wann kam es zu dieser Unterrichtsform? Es wird immer wieder diskutiert, wie man Jazz einem jungen Publikum vermitteln kann, um der Vergreisung der Szene vorzubeugen. Statt zu reden, habe ich vor mehr als 10 Jahren ein Konzept für einen Lehrplan entwickelt, der im praktischen Unterricht Kindern das Wesen des Jazz S e i t e vermitteln soll. Diese Neigungskurse sind zu einer Art Selbstläufer geworden und selbst Schüler, die noch nie ein Instrument in der Hand gehalten haben, spielen mit Begeisterung Jazz. Ich denke, wenn man an meiner Schule einen Schüler fragt, wer Louis Armstrong war, erhält man nicht „Der erste Astronaut auf dem Mond.“ als Antwort: Du bist sehr viel im „Mutterland des Jazz“ unterwegs und besuchst dessen Kultstätten (z.B. Jazzclubs, Spielorte usw., mitunter hast Du auch persönliche Begegnungen mit JazzVIPs). Kürzlich erhielt ich per E-Mail einen Bildergruß von Dir vor dem legendären Apollo-Theater in NYC stehend. Was hat Dich bei Deinen weltweiten Erkundungen in Sachen Jazz am meisten beeindruckt. Dass der Jazz viele Türen öffnet und man sofort zu gleichgesinnten Menschen Kontakt bekommt, auch wenn man sich vorher noch nie begegnet ist. Großartigste Begegnung war für mich die mit dem Gitarristen Les Paul im Iridium Club in New York, den ich noch ein Jahr vor seinem Tod kurz interviewen durfte. Allein, wie das Interview, das ich für die holländische Zeitschrift „Doctor Jazz Magazine“ gemacht habe, zustande gekommen ist, wäre erzählenswert. Der Spirit des Jazz hat aber auch zu wunderbaren persönlichen Verbindungen geführt. Eine sei erwähnt. Ich lernte durch Plattentausch den Begründer des australischen Jazzarchivs Bill Haesler kennen. Er besorgte mir in den 1990er Jahren Aufnahmen, die von Coco Schumann auf dem Label ‚Spotlight Varities‘ gemacht wurden. Wir standen eine Weile im Kontakt, der aber dann irgendwann abbrach. Als ich 2004 in Sydney war und mit dem Trompeter Eric Holroyd einen Jazzclub im Norden der Stadt besuchte, kamen wir im Gespräch auf Bill Haesler. Als ich ihm erzählte, dass ich ihn kenne und wir im Kontakt standen, sprang er auf, griff zum Telefon und rief Bill an, der nur zwei Blocks entfernt wohnte. 10 Minuten später stürmte Bill in den Club und begrüßte uns 3 so herzlich, als hätten wir uns nur für einige Zeit aus den Augen verloren. Du hast vor ca. zwei Jahren das Leipziger Jazz-Mitteilungsblatt „Für Freunde der swingenden Musik“ kurz auch „SwingGazette“ genannt, ins Leben gerufen. Nach meiner Kenntnis ist dies die erste JazzPublikation Leipziger Jazz-Freunde nach 65 Jahren. Der ehemalige Leipziger Jazz-Kreis hatte zuletzt 1948 die sogenannten Leipziger Jazz-Briefe (10 Exemplare) veröffentlicht (dazu an anderer Stelle mehr). Wie und warum hast Du Dich neben Deiner beruflichen Tätigkeit dieser anspruchsvollen und zeitintensiven Aufgabe gestellt? Ich habe durch meine vielen Kontakte irgendwann mal festgestellt, dass es so viele Jazzfreunde gibt, die unzählige Erinnerungen im Zusammenhang mit der Musik mit sich rumschleppen, einzigartige Sammlungen besitzen, über berührende Begegnungen sprechen könnten und oft auf wenig Interesse seitens der Medien aber auch im eigenen privaten Umkreis stoßen. In Zeiten, in denen es in Zeitschriften zur Musik nur noch um den Marktwert geht, die Selbstdarstellung von Musikern und deren Produkten schon an Prostitution erinnert, dachte ich mir, eine Plattform zu schaffen, wo diese Erinnerungsarbeit anderer Art ohne Limits publiziert und mit „Gleichgesinnten“ geteilt werden kann, die auch noch die Fähigkeit aufbringen im Zeitalter der Kurzmitteilungen längere Texte zu „verkraften“. Die netten Zuschriften stimmen mich optimistisch, dass wir das noch eine ganze Weile machen werden. Der Sammler und Jazzfreund Gerhard Evertz aus Hannover schrieb letztens, dass er so etwas auch für die Region Hannover in Betracht ziehen will. Mal sehen, was sich daraus noch entwickelt. Aber auch ein wenig Werbung ist das für unser musikalisches Konglomerat „JUST FOR SWING“. Vielleicht finden sich noch Jazzfreunde, die an der Mitarbeit Interesse haben und aus ihren ganz privaten Erinnerungen beitragen, ein immerzu lesenswertes Mitteilungsblatt zu schaffen. Es ist immer sehr bereichernd, neue Menschen zu treffen und gemeinsame Ansichten zu teilen. „A note is a note, in any language“ Louis Armstrong S e i t e 4 J u s t F o r S w i n g G a z e t t e Canis lupus familiaris oder der berühmteste Jazz/Musikhund der Welt Er heißt „Nipper“, ins Deutsche übersetzt sinngemäß: (Wadenkneifer bzw. Wadenbeißer) und ist 1884 geboren in Bristol und gestorben im September 1895 in London. Seine Herrchen waren die Gebrüder Marc und Francis Barraud, französischer Herkunft und in England lebend. Letzterer war ein Kunstmaler mit akademischer Ausbildung und Besitzer eines gegen Ende des 19. Jahrhunderts sehr häufig genutzten Walzengrammophons mit einem Schalltrichter. Es ist überliefert, dass der Hund „Nipper“ wahrscheinlich seiner Abstammung nach ein Foxterrier -Mischlingshund war, der mit außergewöhnlichem Interesse vor dem Trichter des Grammophons saß und andächtig den Piecen der eingesetzten Grammophonwalzen (in dieser Zeit außer Musik auch oft Sprechrepertoire) erlauschte. Es wird vermutet, dass der Hund, der in gebannter und stoischer Hockhaltung vor dem Grammophontrichter saß, die „Stimme seines Herrn“ vernahm. Die leise rauschende Musik durch die abtastende Nadel auf dem rotierenden Wachszylinder faszinierte den Hund und das sich täglich wiederholende Hörereignis wurde gewissermaßen zum Ritual. Seine Ohren spitzten sich, wenn das Lied „After the ball was over“, eine zeitgenössische englische Melodie, erklang. Francis Barraud, der Kunstmaler, hatte den Anblick des sprach- und musikliebenden Hundes so verinnerlicht, dass er auf den Gedanken kam, die sitzende Pose des Hundes vor dem Grammophontrichter auf einem Ölgemälde festzuhalten. Er nannte deshalb das Bild nach Fertigstellung dem Motiv entsprechend „His Master’s Voice“, also übersetzt die „Stimme seines Herrn“. Francis Barraud konnte zu dieser Zeit nicht wissen, dass seine Absicht den musikhörenden Hund auf eine ÖlLeinwand zu transferieren, eine weltumspannende kommerzielle Nutzung dieses SUJETS als Schallplatten-Logo nach sich ziehen würde. Nach der Fertigstellung des Bildes im Jahr 1898 bot er dieses Bild der Edison-BellCompany zum Kauf an, die jedoch zunächst keine Interesse zeigte. Nach längerer Überlegung der Firmenleitung wurde jedoch der Vorschlag gemacht, das Bild dahingehend zu überarbeiten, dass die Walzenwiedergabe durch eine Grammophonwiedergabe mit Plattenteller und Tonarm durch Übermalung des Motivs verändert wurde. Diese Veränderung entsprach technisch dem Zeitgeist, denn die Weiterentwicklung der Grammophontechnik, insbesondere durch Emil Berliner, war zwischenzeitlich auf das Abspielen von zunächst einseitig abspielbaren Schallplatten fixiert worden. Der Vorstand der Firma Electric and Mechanical Industrie Ltd (EMI) in Hayes/Middlesex hatte sich nun mittlerweile unter der Bedingung der Bildmodifizierung durch den Maler Barraud im Jahre 1899 bereit erklärt, das Kunstwerk nebst den erforderlichen Urheber- und Vertriebsrechten gegen Zahlung von 100 Englischen Pfund zu erwerben. Das Originalbild von „Nipper“ - „His Master’s Voice“ ist bis heute im Entree des Hauptfirmengebäudes der EMI in Hayes/ Middlesex zu besichtigen. Der Erfinder des Grammophons, Emil Berliner, hatte sich nun auch um ca. 1900 die Urheberrechte für das Logo zwischenzeitlich gesichert und die deutsche Grammophongesellschaft in Hannover nutzte das Abbild des Hundes ebenfalls auf dem Plattenetikett. 1924 verkaufte der Deutsch-Amerikaner Berliner die Logorechte ebenfalls weiter an die amerikanische VICTOR TALKING MASH Company. Jazz- und Musik-Freunde aus aller Welt waren auch immer Schallplatten- Sammler und die Schellackplatte war so gesehen in dieser Zeit die Einstiegsdroge für Jazz-Liebhaber und SwingFreunde. Dabei spielte die „His Master’s Voice“, auch „La Voix de son Maitre“ (Französische Version) im Weltvertrieb eine herausragende Rolle, neben Schallplatten-Labels wie Columbia, Gennett, Parlophon, Odeon u. a.. Das Schellacksammeln war und ist für uns Swingfreunde immer mit einem gewissen Fetisch verbunden, und ist es so gesehen auch heute noch. Die graphische Vielfalt der Plattenetiketten sowie die Records selbst, von denen es weltweit eine nicht zu beziffernde Anzahl gibt, ist heute fast eine Wissenschaft und für international agierende Discographen gleichsam ein Eldorado. „His Master’s Voice“ (HMV) ist nicht zuletzt das Sinnbild der Schellack-Ära überhaupt und wohl auch die berühmteste Schutzmarke der Welt. Sie wurde in Russland, Spanien, Portugal, Schweden, Polen, Italien, Österreich/Ungarn in Tochter-Gesellschaften produziert und vertrieben. Es gab sogar eine spezielle hebräische Produktion. Die Jazzund Swing-Musik, die sich besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts epidemisch verbreitete, war nicht zuletzt auch den Aktivitäten der zwischenzeitlich globalisierten Firma „His Master’s Voice“ geschuldet. Produktion, Werbung und Vertrieb waren nicht zuletzt auch durch vereinbarte Vertriebsrechte unter dem bekannten Logo weltweit vertraglich geregelt. Im Jahr 1924 gab die GrammophonCompany insgesamt 10 Millionen Englische Pfund aus, um ihren Hund am Trichter-Grammophon international noch weiter zu popularisieren. Heute nennt man so etwas Promotion. Auch Geschäftsleute hatten die Zeichen der Zeit schnell erkannt. Es gab nun zwischenzeitlich den „Nipper“ als Porzellanhund, stilisierte Minigrammophone, Blechdosen mit Schallplattennadeln sowie anderen Nippes und dieser Trend hält bis heute an. Nostalgische Blechreklamen und andere Trivial-Kuriositäten mit „Nipper“-Motiven werden permanent vermarktet. Die Popularität der Schellackplatte wurde für Sammler ab dem Jahr 1948 etwas B a n d 2 , A u s g a b e 1 gedämpft, denn zwischenzeitlich hatte der Amerikaner Peter Goldmark die Kunststoffplatte PVC (33 1/3/45 UpM) entdeckt. CDs von heute sind als Derivate der IT-Branche zwar beliebt und praktikabel, aber die Schellack- sowie die PVC-Platten bleiben für den Liebhaber und Sammler trotzdem unverzichtbar. Notabene: Dem berühmtesten Medien- und Schellackhund der Welt „Nipper“ wurde ein bleibendes Denkmal gesetzt. Im Londoner Stadtbezirk Kingston Upon Thames wurde er 1895 beerdigt, sein Herrchen starb im Jahr 1924. Die Grabstätte befindet sich auf einem Parkplatz, unmittelbar neben einer Bank. In dieser Bank findet sich symbolisch auch eine Erinnerungstafel an den Terrier-Mischling „Nipper“, der millionenfach auf den Plattentellern der Schallplattenfreunde in aller Welt mit dem Logo „His Master’s Voice“ rotierte und bis heute nicht verstummt ist. Nach 120 Jahren Nipper-postum gilt der Spruch: Nipper lives on! Peter Colev, 2.7.2014 S e i t e 5 Foto unten: Kurt Michaelis (Hot-Geyer) und Don Marquis (Direktor des Jazz Museums in New Orleans) mit der Figur „Nipper“ im März 1981 in New Orleans, auf dem Balkon des Pontalba Apartments, genannt nach der Tochter eines spanischen Kaufmanns 1860 Nächste Seite: Abbildungen unterschiedlicher HMV Plattenlabel aus Dänemark, England, Australien, Schweden und Frankreich (Privatarchiv) S e i t e 6 J u s t F o r S w i n g G a z e t t e B a n d 2 , A u s g a b e 1 S e i t e 7 1947 bis 1949 gab der Hot Club Leipzig unter Leitung von Kurt Michaelis sogenannte Leipziger Briefe an befreundete Jazzfreunde heraus, nachdem sich der Leipziger Hot Circle mit jüngeren Anhängern nach dem Krieg wieder zusammengefunden hatte. Der nachfolgend abgedruckte Beitrag über den „Tiger Rag“ stammt aus dem „Brief aus Leipzig“ vom 26. August 1949 und ist nicht nur ein Blick zurück, sondern wie die Buchbesprechung auf der nächsten Seite zeigt, aktueller denn je. S e i t e 8 J u s t F o r S w i n g G a z e t t e B a n d 2 , A u s g a b e 1 Christopher, Nicholas Tiger Rag, Roman, 2014, 320 S. DTV Deutscher Taschenbuchverlag GmbH& Co. KG ISBN: 978-3-423-26028-2 14, 90€ Der ‚Tiger Rag‘ gehört zu jenen Kompositionen im Jazz, um die sich viele Legenden und Gerüchte ranken. Nick LaRocca ließ sich 1917 als Komponist eintragen, obwohl das Stück schon lange Zeit als „Number Two“ in New Orleans im Umlauf war und von allen dortigen Bands gespielt wurde. Nachdem der Jazz im Europa der 1920 Jahre die Salons und Ballsäle eroberte, war der ‚Tiger Rag‘, wie er nun benannt war, ebenso dabei. Es gab sogar Sammler, die sich darauf spezialisierten, so viele Versionen wie möglich zusammenzutragen. Selbst der Bebopper Charlie Parker nahm seine Version des Tiger Rags auf. Nun taucht er wieder im Titel eines kürzlich erschienenen Buch auf. Der New Yorker Schriftsteller Christopher Nicholas hat dieses Stück als Romangrundlage ausgewählt, um eine Geschichte zwischenmenschlicher Beziehungen zu komponieren, die eng mit dem Jazz verknüpft ist und auf zwei weit getrennten Zeitebenen erzählt wird, deren Schnittstelle am Ende des Buches aufgelöst wird. Das Ganze beginnt in New Orleans 1900, als der sagenumwobene Kornettist S e i t e Buddy Bolden drei Phonographwalzen mit dem „Number Two“ aufnimmt, die sich zum heiligen Gral des Jazz hochstilisieren. Was dies zunächst mit der in der Gegenwart spielenden Geschichte der renommierten Anästhesistin Dr. Rubin Cardillo und ihrer Tochter Devon, einer vielversprechenden Jazzpianistin, zu tun hat, bleibt im Laufe der Erzählung lange im Dunkeln. Der Tod der Mutter Rubins ist der Anlass, dass sich die beiden unterschiedlichen Frauen wieder annähern, aber auch dass längst vergessen geglaubte Geister aus der Vergangenheit beschworen werden, auf deren Spuren Rubin und Devon nach New York reisen, wo die mysteriöse Familiengeschichte, die mit der als längst verschollen geglaubten Tonwalze Buddy Boldens verbunden ist, enthüllt wird. Die einfach gestrickte Geschichte ist vom Geist des Jazz durchdrungen. Christopher bedient sich gängiger Klischees und verknüpft intelligent Anekdoten und Gerüchte, die sich seit Jahren in Jazzerkreisen erzählt werden. Sei es die berührende Geschichte Boldens und seiner Einlieferung in eine Nervenheilanstalt und der damit verbundenen Auslöschung seiner Persönlichkeit aus der öffentlichen Wahrnehmung, sein Einfluss auf Louis Armstrong und Sidney Bechet oder solch schwieriger Charaktere wie des Kornettisten Bunk Johnson, der für viele von ihm in Umlauf gebrachte falsche Stories verantwortlich war, sie finden alle in freier Improvisation Anknüpfungspunkte mit den erfundenen Passagen des Romans. Das Ergebnis ist eine literarische Spielerei mit Fiktion und wahren Geschichten, die dieses Buch zu einer kurzweilig, leicht lesbaren Lektüre machen. 9 sich vom Comic dahingegen, dass sie sich mit Themen an erwachsene Leser richten. Mit dem vorliegenden Buch haben sich die Autoren an die Lebensgeschichte Coco Schumanns gewagt und in beeindruckenden Bildern die unterschiedlichen Lebensstationen der Swinglegende im wahrsten Sinne des Wortes nachgezeichnet. Bekannte biographische Daten als auch Zitate, die Coco Schumann berühmt gemacht haben, finden sich in den Panels und Sprechblasen wieder. Die Farbwahl der Zeichnungen spiegelt die Atmosphäre der Zeit, die sie abbilden, auf sehr subtile Weise wieder. Die Abschnitte des Buches behandeln die Berliner Kinderzeit, die ersten Schritte Cocos als Musiker, den Albtraum der Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz und Dachau, die Rückkehr nach Berlin, Auswanderung nach Australien und die Rückkehr von da nach Berlin, wo er trotz der schrecklichen Erlebnisse wieder Fuß fasste und als Musiker sein Leben bestritt. Den Autoren Caroline Gille, die studierte Literaturwissenschaftlerin ist und Niels Schröder, der in Hamburg, Bremen und Berlin visuelle Kommunikation/GrafikDesign studierte, ist eine wunderbare Hommage in Bildern gelungen, die pünktlich zum 90. Geburtstag von Coco erschien. Caroline Gille Niels Schröder I got rhythm. Das Leben der Jazzlegende Coco Schumann be.bra Verlag ISBN-10: 3898091112 ISBN-13: 978-3898091114 Graphic Novels haben sich zu einer eigenen literarischen Kategorie entwickelt, die immer populärer werden. Sie unterscheiden „Menschen sollten sich im Leben nicht als Schwarze und Weiße gegenüberstehen. Sie sollten sich im Gegenteil darüber freuen, dass sie verschieden sind und dadurch ihre Identität in vielerlei Weise bereichern können.“ (Desmond Tutu) S e i t e 1 0 J u s t F o r S w i n g G a z e t t e COCO - Solange ich Musik mache, habe ich keine Zeit alt zu werden. Am 14. Mai fand im überfüllten Willy Brandt Saal des Schöneberger Rathauses in Berlin die Gala zu Coco Schumanns 90. Geburtstag statt. Viel Prominenz aus Politik, aber vor allen Dingen ehemalige Weggefährten Cocos wie Beispielsweise Wolfgang Kuntze, ehemaliges Mitglied der Coco Schumann Band, erinnerten mit zu Herzen gehenden Worten an Begebenheiten und Anekdoten gemeinsamer Jahre und gratulierten dem Jubilar, der an diesem Abend allerdings mal nicht zur Gitarre griff. Er ließ sich u.a. von seinem Quartett und dem im Theaterstück den jungen Coco spielenden Schauspieler Konstantin Moreth an der Gitarre, über den Coco sagte: „Det bin ja ick“, akustisch verwöhnen. Zu diesem besonderen Anlass hatte die Veranstalterin des Kulturmanagements Berlin Bärbel Petersen ein Büchlein „Solange ich Musik mache, habe ich keine Zeit alt zu werden“ zusammengestellt, das unterschiedlichste Zitate Coco Schumanns enthält. Die in Kapiteln sortierten 90 Sprüche „Coco über Musik und Swing“, „Coco über sein jüdisches Leben und Überleben“, sowie „Coco über Coco“ und die Transkription eines typischen Telefonats mit ihm spiegeln auf sehr persönliche Weise das Wesen des Gitarristen wieder. Dessen Berliner Witz ist legendär und schimmerte auch im Podiumsgespräch mit Gregor Gysi immer wieder durch, der dem Jubilar in seinen Glückwünschen die Hoffnung aussprach, dass der liebe Gott ihn beim Sterben vergessen solle. Mit einfühlsamen Schwarzweiß Fotografien der Berliner Fotografin Susann Welscher, einem auf dem Titel gedruckten Scherenschnitt vom Berliner Künstler Alexej Feser ist dieses Büchlein in CD Format ein liebevoll gestaltetes Kleinod für Freunde der Musik Coco Schumanns. Die beigefügte CD der limitierten Ausgabe beinhaltet 11 Titel Schumanns aus unterschiedlichsten Jahren, wie beispielsweise seine großartigen Eigenkompositionen „Exotique 1963“, „Westwind“, „Meine Gitarre erzählt“ oder der legendäre „Stripper Blues“. (Fotos & Text: D. Ott) Buch mit Best-of-Coco-CD, Lichtig Sonderedition mit 90 Zitaten und Sprüchen des Berliner Swing-Gitarristen Coco Schumann Lichtig-Verlag, Berlin 2014 in Kooperation mit Trikont München, ISBN 3929905-30-4, Preis 15 € www.lichtig-verlag.de & www.trikont.de B a n d 2 , A u s g a b e 1 S e i t e 1 1 Julius Becke in Leipzig "Really the Blues/ Eine Jugend 1927-1948" Lesung mit Jazz am 23. April 2014 in der Stadtbibliothek Leipzig „Really the blues“ ist nicht nur der Titel eines der schönsten musikalischen Duelle auf zwei Klarinetten zwischen Mezz Mezzrow und Sidney Bechet, sondern wurde auch der Titel der Autobiografie des Lebenskünstlers Mezzrow, dessen Leben im Harlem der 1920er Jahre er darin beschreibt. Julius Becke, in Leipzig geboren, legt mit seinem Büchlein "Really the Blues/ Eine Jugend 19271948" seine Version einer Rückbesinnung auf Kindheit und Jugend vor. Als Außenseiter in seiner Familie, der ein schwieriges Verhältnis zu seiner Mutter beschreibt, entdeckt er während der wirren Zeiten der Nazi Ära den frühen Jazz und Blues als Ventil für angestauten Frust. Wie auf einer Achterbahn nimmt Becke den Leser und Hörer auf eine Zeitreise unbeschreiblicher Gefühle mit. Der Jazz ist immer dabei. Schellackplat- ten aus den USA mit Count Basie, Louis Armstrong, Sidney Bechet und Duke Ellington sind die Zuflucht aus einem unverstandenen und subtil als grausam empfundenen Alltag, in dem SS-Truppen am Kickerlingsberg in Leipzig aufmarschieren, Pfadfinderausflüge zum Freizeitrepertoire gehören und die nazistische Gesinnung bis in die Familien hinein gedrungen ist. Das Buch ist lebendig erzählte "oral history" in schriftlicher Form. Die Lesung mit dem bescheidenen, ruhigen und sympathischen Becke, der 1948 Leipzig gen Westen verließ, nachdem er aus französischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, der den heutigen kulturellen Entwicklungen der Gegenwart skeptisch gegenübersteht und diese als verwirrend empfindet, war ein rhetorischer Höhepunkt, der lediglich wegen der dilettantischen Vorbereitung der Tontechnik durch die Bibliothek gestört war. Becke, Julius – Really the Blues Eine Jugend 1927-1948 Connewitzer Verlagsbuchhandlung 120 Seiten ISBN 978-3-928833-88-2 Treffen sich zum ersten Mal im hohen Alter: Gitarrenlegende Thomas Buhé und Julius Becke S e i t e 1 2 J u s t F o r S w i n g G a z e t t e I’m Beginning To See The Light Winfried Maier im Gespräch | Berlin Winfried Maier, Jahrgang 1935, wohnhaft in Berlin- Schöneberg, pensionierter Handelsvertreter, leidenschaftlicher Jazzfan, moderierte in den 1950er Jahren gemeinsam mit John Hendrik die Jazzsendung „Club18“ beim RIAS. Ihn verband eine lebenslange Freundschaft mit Louis Armstrong. Er stiftete die Gedenktafel für Louis Armstrong am Berliner Friedrichstadtpalast. (Dieses Kapitel ist ein gekürzter Auszug aus dem geplanten gleichnamigen Buch über die Lebensgeschichte der Berliner Jazzikone Winfried Maier) Mittlere Reife und Jazz in der Nachkriegszeit kam ja dann auch schon der AFN nach Berlin. Im AFN gab es eine Sendung, die hieß: „Frolic at Five.“ Mit einem damals stadtbekannten amerikanischen Soldaten George Hudak. Der brachte die ganzen wunderbaren Aufnahmen, die wir bis dahin noch nie gehört hatten. Stars wie Louis Armstrong, Lionel Hampton, Benny Goodman, Tommy Dorsey hörten wir das erste Mal. Das wurde zu einer Pflichtsendung. Um 17:00 Uhr wurde AFN gehört! Dann kam auch später der RIAS mit einer beliebten Sendung „Schlager der Woche“. Eine Menge Jazztitel wurden da gespielt, die damals Schlager Nummer 1 waren. „Blueberry Hill“ mit Louis Armstrong war dabei und der „Trumpet Blues“ mit Harry James. Das war natürlich die populäre Musik dieser Zeit. Wir sahen damals auch die Leute im Film. Ein erstes Filmerlebnis war „Die badende Venus“ mit Esther Williams. Da trat das Orchester von Harry James auf. Wir sind mit unserem letzten Geld hingegangen, nur um diesen Jazztitel zu hören. Die andere Handelung hat uns eigentlich nur geärgert. Aber auch der deutsche Revuefilm „Tanzende Sterne“ von 1952 mit dem unvergessenen Kurt Widmann. Den haben wir uns mehrfach angeschaut, nur um die Stelle zu sehen, wo die Band mit Macky Kasper und Rolf Kühn spielt. Das war so die erste Jazzbegeisterung, die wir auslebten. In der Schule hatte ich dann den ersten Kontakt zum Jazz. Da waren ja auch viele ältere Schüler. Manche waren ja auch schon Soldat gewesen, die dann noch mal die Schulbank drückten. Einer war dabei, der ein sehr begabter Boogie Woogie Spieler war. Wenn sich die Gelegenheit ergab, da haben wir uns in den Musikraum der Schule verzogen und um den Flügel der Schule versammelt. Dort hat der uns Boogie Woogie vorgespielt. Für die meisten Lehrer war ja diese Musik noch verpönt. Das saß bei denen immer noch sehr tief. Mir hat das unwahrscheinlich gefallen. Das hat mich gepackt. Durch dieses Spiel des Mitschülers ist in mir die Liebe zu dieser Musik richtig erwacht. Diese Musik hatte etwas befreiendes, was ich bis heute nicht in In einer Ruine hatte ich dann auch irWorte fassen kann. gendwann mal einen Plattenspieler gefunden. Das äußere Gehäuse war zwar kaputt, aber das Innenwerk war Radioerlebnisse noch einigermaßen ganz. Den habe Ich habe nach dem Krieg schon sehr ich in eine Seifenkiste eingebaut und viel Radio hören können. Mein Vater habe den dann auch spielen können. hatte ja sich noch einen Radioapparat Die Feder war zwar schon mächtig gekauft. Im Volksmund hieß der schwach und nach einer Weile wurGoebbelsschnauze. 1945 und 1946 den die Titel immer tiefer - weil langsamer. Meine erste Schallplatte, die ich getauscht habe, war „Hey! Ba -Ba-Re-Bop” mit Lionel Hampton. Auf der zweiten Seite war „Tempo’s Birthday“. Das habe ich nun so oft gespielt, bis die Scheibe dann kaputt war. Meine Mutter war arg verzweifelt, weil sie das nun alles ertragen musste. Für sie war das ja immer noch die Urwaldmusik, die unter den Nazis verboten war. Das hat sich dann schnell geändert. Meine Mutter war dann so begeistert, dass sie mit zu den Konzerten kam. Sie hat dann ja auch die Musiker, die ich einlud und sehr verehrte wie den Klarinettisten George Lewis liebevoll bewirtet. Also das wandelte sich sehr schnell. Für uns jüngere Leute war das die Musik, da gab es kaum was anderes. Viel Jazz habe ich auch immer nachts im Radio gehört und hatte dabei ein Erlebnis, dass mein Leben verändert hat. 1952 trat Louis Armstrong im Titania Palast Berlin auf. Ich wäre so gern hingegangen. Er war ja schon mein Idol. Aber ich hatte einfach nicht das Geld dafür. Der Bäckersohn in unserem Haus der war natürlich dort und kam dann eines Tages an und sagte um mich neidisch zu machen so salopp zu mir: „Siehste, da hättest dabei sein müssen. Ich habe Armstrong gehört. Das wäre auch was für Dich gewesen.“ Der schwärmte von dem Konzert. Dann wurde das Konzert im Dezember 1952 im Radio gesendet. Ich weiß noch, dass wir in einer ungeheizten, eiskalten Wohnung saßen. Wir mussten damals aus dem Vorderhaus der Lützowstraße in die schlechteste Wohnung im Hinterhaus in der 4. Etage umziehen, weil meine Mutter die Miete nicht mehr zahlen konnte. Ich bin in der Nacht aufgestanden, da die Konzerte in der Nacht gesendet wurden. Ich habe den ollen Volksempfänger dann ange- B a n d 2 , A u s g a b e 1 macht, eine Decke über mich geworfen und habe durch die Nacht gejazzt und mich über Armstrong gefreut. Meine Mutter hat mich komplett für verrückt erklärt. Eine wichtige Entscheidung Ich muss schon in der Lehre gewesen sein. Das war so zwischen 1952 und 1955. da hatte ich ein Mädchen kennen gelernt, in die ich mich unsäglich verliebt habe. Das war so meine erste Freundin, eine Art Jugendliebe. Sie stammt aber nun aus einem sehr konservativen Elternhaus. Es war auch die Zeit, als man so das Mädchen gegen 22.00 Uhr abends wohlbehalten zu Hause bei den Eltern abliefern musste. Sie war durch ihre Eltern sehr stark geprägt und auch gegen den Jazz eingenommen. Ich nehme an, dass die Eltern so aus der anderen Ära war und hatte so diese Haltung übernommen. Ich habe sie dann auch immer mal mitgenommen, wenn wir zu Jazzveranstaltungen gegangen sind. Das hat sie mehr ertragen als genossen. Damit konnte sie nichts anfangen. Für mich war die Musik aber meine Liebe mein ein und alles. Den Jazz wollte ich mir ja nicht nehmen lassen. Eines Tages wurde mir dann von ihr die Frage gestellt: „Jetzt musst Du Dich mal entscheiden, entweder deine Musik oder ich.“ Dann habe ich mich natürlich für die Musik entschieden. Das ging gar nicht anders. Die erste Schallplatte Als ich Lehrling war, kaufte ich mir 1955 meine erste größere Anschaffung. Das war das Doppelalbum des Carnegie Hall Konzertes von Benny S e i t e Goodman auf Philips. Das kam damals 48 DM. Ich hatte ein monatliches Salär als Lehrling von 35 DM. Da habe ich gespart vorher. Trinkgelder von Kunden, Zigaretten, die ich bekam, habe ich weiterverkauft und so weiter. Da musste man schon ganz schön verrückt sein. Meiner Mutter konnte ich das gar nicht erzählen. Die hätte mich rausgeschmissen, denn ich musste mein Lehrlingsgeld abgeben. Die Relationen hätte sie nicht begriffen. In der Berufsschule waren wir immer ein größerer Kreis von Fans, die wir uns über unsere heiß geliebte Musik austauschten. Mein Banknachbar Jürgen Grothe - war ebenfalls ein Fan, mit dem ich dann die unterschiedlichsten Veranstaltungen besucht habe. In der Berufsschule haben wir auch sogenannte Idealbands zusammengestellt. Er war ein großer Gene Krupa Fan und trommelte dann 1 3 mit dem Lineal wie ein Besessener rum. Wir haben dann die Trompeten zusammengestellt. Das war die Musik der Jugend. Wir sind sehr früh schon zum Oldtime Jazz gegangen. Da gab es eine Berliner Band, die nannte sich Papa Ko’s Jazzin’ and Babies. Der Leiter war ein Schlagzeuger – ein Lehrer übrigens von Beruf. Dem sind wir unter anderem in die verschiedenen Lokale gefolgt. Aber unser Idol in Berlin war damals unangefochten Kurt Widmann. Wir nannten ihn nur Kutte. Der war für uns, was für die Amerikaner der Benny Goodman war. Den älteren Fans war er ja auch schon bekannt. Er hatte nach dem Krieg auch schon wieder eine Band zusammengestellt, die viel bei den Amerikanern spielte. 1946 muss das gewesen sein. Wenn der irgendwo auftrat, sind wir hin. Wir haben weite Wege zu Fuß auf uns genommen auch zu weit entfernteren Ausflugslokalen – einmal bis Pichelsberg – um unser Idol zu hören. Da war ich noch kein Lehrling und hatte somit kein eigenes Geld. Wir sind hin gewandert und konnten nicht mal rein in den Laden. Nicht mal eine Tasse Kaffee konnten wir uns leisten! So haben wir dann draußen gestanden, um die Musik zu hören. So begeistert waren wir. Als es uns besser ging und Kutte in der Waldbühne auftrat, hatte ich dann schon etwas Geld und konnte mir eine Karte kaufen. Zu dieser Zeit hatte ich mir nicht vorzustellen gewagt, dass ich auch mal die ganz berühmten amerikanischen Jazzmusiker in Berlin erleben durfte, geschweige denn, dass mich mit vielen von Ihnen eine Freundschaft verbinden würde – besonders mit Louis Armstrong. Aber das ist eine andere Geschichte. Interview mit Les Paul Iridium Club in New York am 15. Oktober 2007 In New York ist es für einen Jazzfan immer sehr schwer, eine Entscheidung zu treffen, in welchen Club man abends gehen soll, um guten Jazz zu hören Nicht, weil es den nicht gäbe, sondern weil die Auswahl zu groß ist. Während im ältesten New Yorker Club Village Vanguard der französische Pianist Martial Solal einen Woche lang seinen 80sten Geburtstag zelebrierte, im Birdland Ben Rileys Monk Legacy Septet spielte, das Lincoln Jazz Center Clifford Browns Musik ehrte usw. (die Liste ließe sich beliebig weiter fortsetzen), konnte man jeden Montag Abend im Jazz Club Iridium den legendären Gitarristen Les Paul hören. Seinem Quartett gehörten an: Lou Pallo, Guitar Nicki Parrott, Bass John Colianni, Piano Zwischen einem Fotoshooting mit jungen Fotografen einer Gitarrenzeitschrift und einem Interview für eine japanische Jazzzeitung hatte ich die seltene Möglichkeit für ein fünfzehnminütiges Interview mit Les Paul, welches mir der rührige Manager des Iridium Steven Shaw vermittelte. Der Chronist von Les Paul stellte mich vor und achtete anschließend genau darauf, dass die Zeit nicht überschritten wurde. Les Paul ist mittlerweile 92 Jahre alt. Geboren wurde er am 9. Juni 1915 in der Kleinstadt Waukesha im US-Bundesstaat Wisconsin als Lester William Polsfuss. Sein Leben als Musiker und Wegbereiter der elektrischen Gitarre und Mehrspurtonaufnahme ist legendär. In vielen Fachzeitschriften ist über seinen Einfluss zur technischen Entwicklung der Gitarre gefachsimpelt wurden. Oftmals vergisst man dabei, dass Les Paul ein begnadeter Gitarrist und Entertainer ist. ßig mit seinem Quartett auf. Sie haben mit ihm ja in den 1950er Jahren in Berlin gemeinsam gespielt. LP: Oh ja, ich erinnere mich sehr gut an die Zeit damals. Es war wohl in einer kleinen Bar in Berlin. Ich kam mit Frank Sinatra dorthin und wir stiegen mit in der Band ein. Ich habe gute Erinnerungen an die Zeit. Ich habe ja deutsche Wurzeln wie Sie vielleicht wissen. Deswegen liebe ich Bier (lacht). Meine Vater (George Polsfuss a.d.A.) stammte auch aus Berlin und meine Mutter (Evelyn geboren als Stutz a.d.A.) aus Süddeutschland. DO: Was motiviert Sie, jeden Montagabend hier im Club Iridium zu spielen? Chronist: Detlef Ott. Doctor Jazz Magazine. LP: Ich hatte vor vielen Jahren einen ziemlich schweren Herzinfarkt. Als ich LP: Es freut mich, Sie zu treffen. wieder einigermaßen genesen war, fragte ich meinen Arzt, was ich tun DO: Ich freue mich ebenfalls sehr, die kann, um diese Erfahrung in Zukunft zu Chance zu haben, Ihnen Grüße von Ih- vermeiden. Schließlich bin ich ein lerem Freund Coco Schumann aus Berlin benslustiger Mensch und wollte noch zu übermitteln und ein kurzes Ge- ein paar Jahre leben. Mein Arzt meinte: spräch mit Ihnen führen zu dürfen. “Les, such Dir Arbeit.“ Ich schaute ihn nur ungläubig an. Aber er meinte es LP: Great. Wie geht es Coco? ernst. Er sagte, ich solle mir einen kleinen Club suchen und regelmäßig wieDO: Er ist wohl auf, spielt seine ge- der spielen. Das würde meiner Gesundliebte Gibson Gitarre und tritt regelmä- heit helfen. Stillstand ist tödlich, meinte er. Ich komme gerade von ihm. Ich lass B a n d 2 , A u s g a b e 1 mich regelmäßig untersuchen. Er war sehr zufrieden mit mir. Nun habe ich auch noch ein Hörgerät bekommen. Aber besser ist das schon. Ich habe so viele Noten nicht mehr gehört, dass ich von denen mittlerweile ein ganzes Album machen könnte. (grinst) DO: Wie kamen sie dann auf den Club Iridium? LP: Ich bekam vom Manager einen Anruf. Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Der Club gefiel mir. Er liegt ziemlich Zentral in New York am Broadway. Er ist nicht zu groß. Ich glaube, es passen so bis zu 200 Leute rein. Den Club nenne ich jetzt immer mein Wohnzimmer. Die Soundtechnik habe ich dem Club gekauft. Wir spielen hier einfach, um Spaß zu haben und um die Leute gut zu unterhalten. Der beste Lohn ist, wenn die Leute lachen, zufrieden sind und sich für ein paar Stunden entspannen. Das macht einfach Spaß. Mein Gott, es geht jetzt schon seit 12 Jahren so und der Club ist immer gerammelt voll. DO: Ich sah gerade Touristen am Club vorbeigehen, die gar nicht glauben konnten, Sie eben auf der Straße während des Fotoaufnahmen gesehen zu haben. S e i t e 1 5 LP: Der Gitarrist Lou Pallo ist seit langer Zeit mein Begleiter. Er spielt seit ich glaube über 20 Jahren mit mir und ist ein auch hervorragender Sänger. Nicki Parrott ist eine junge Bassistin. Sie kommt aus Australien und lebt seit 1994 in New York. Der Pianist John Colianni kann alles. Ich vergleiche ihn mit Art Tatum. Er spielt alle Titel und das zur gleichen Zeit (lacht). Vieles entsteht auf der Bühne spontan obwohl - ehrlich gesagt - auch viel Routine dabei ist. Aber es macht einfach immer Never Know who will show up on Les wieder Spaß und ich glaube, dass das Paul Mondays at Iridium” an. Die Liste Publikum das auch merkt. der Musiker, mit denen Sie gespielt haben ist ja ein „Who is Who“ des Rock und des DO: Welche Stücke bevorzugen Sie, an Jazz. Gibt es Musiker, mit denen Sie besolchen Montagen zu spielen? sonders gern zusammen gearbeitet haben und noch spielen würden? LP: Wir spielen vorwiegend die alten Standards wie zum Beispiel „Blue SkiLP: Nein, kann ich so nicht sagen. Jeder es“, Cherokee“, „My Sweet Embracewollte mit mir spielen. Ich kann da keinen able“, „Sweet Georgia Brown“, “Bill hervorheben. Bailey”. Das ist immer noch die Musik, die am meisten Spaß macht. DO: Sie fördern auch junge Musiker, indem Sie die manchmal mit Ihnen auftreDO: Ich danke Ihnen herzlichst für das ten lassen. Was raten Sie denen angesichts Gespräch und wünsche Ihnen die Kraft, des heutigen Musikgeschäfts? noch viele Jahre so viel Freude zu verbreiten. LP: (lacht) Üben, üben, üben. Da hat sich nicht viel geändert. Wenn man Erfolg haLP: Danke. ben will, muss man üben. Glück gehört Fotos: Kerstin Ott auch dazu. Aber was mich immer wieder wundert, alle jungen Jazzmusiker sind Gi- 2005 erschien das Album "Les Paul & tarristen. In gewisser Weise habe ich auch Friends: American Made, World Played", Verständnis dafür. Mütter wollen ja ei- die er im Duett mit vielen berühmten Gitargentlich immer, dass Ihre Kinder Violine risten aufnahm. oder Klarinette lernen. Dabei sind die ers- Für dieses Album wurde er 2006 mit zwei ten fünf Jahren die schrecklichsten mit Grammys in der Kategorie "Best Pop Instrudiesen Instrumenten. Dieser Lärm! (lacht mental Performance"für den Titel "Caravan" wieder) Heute Abend habe ich einen jun- sowie in "Best Rock Instrumental Performance" für den Titel "69 Freedom Special" gen Saxophonisten auf der Bühne. Der ist ausgezeichnet. wirklich gut. Liebt Coleman Hawkins und spielt ein sehr gutes Horn. Es gibt speziell hier in New York unverschämt viele gute Musiker. DO: Welches Ereignis ist Ihnen im Laufe Ihrer langen Laufbahn als Musiker am besten in Erinnerung geblieben? LP: Ja, manche denken, ich bin eine Gitarre und andere, dass ich schon tot bin. LP: (denkt eine Weile nach) Ich glaube, Ich hoffe, das hier noch eine ganze das war als wir anlässlich der Amtseinführung von Teddy Roosevelt gespielt haWeile machen zu können. ben. Das war in den 1930ern. Da habe ich DO: Über Sie ist so viel geschrieben zusammen mit dem jungen Tony Bennett und berichtet worden, dass die Zeit gespielt. Das war eine verrückte Zeit. nicht reichen würde, um über Ihr Leben, Ihre Erfahrungen zu sprechen. Der DO: Mit welchen Musikern treten Sie Club Iridium kündigt Sie mit “You montags auf? S e i t e 1 6 J u s t F o r S w i n g G a z e t t e Impressionen vom Dixieland Festival in Dresden 2014 Auch dieses Jahr hatte die hot & blue jazz band wieder das Glück, am Internationalen Dixielandfestival teilnehmen zu dürfen. Bei fast winterlichen Temperaturen spielten wir vermummt auf dem Achterdeck des Dampfers "Meißen". Unsere traditionellen Klänge waren der Kontrast zur eher modern angelegten und technisch hoch perfektionierten Musik der "Hotspurs" aus Dresden. Das sachkundige und aufnahmebereite Publikum folgte den Darbietungen sehr interessiert. Die Fans mussten sich allerdings in der Nähe der Musiker aufhalten, da die Übertragung ins Innere des Schiffes leider mangelhaft war. Bei Gesprächen mit Jazzclubmitgliedern und Gästen zeichnet sich eine Verflachung des Festivals ab mit dem Hang zu populärer, vordergründig auf Effekte und biergartenmäßige Unterhaltung ausgerichtete dixieländmäßige Unterhaltungsmusik. Es ist an uns Musikern, die guten Traditionen Dresdens zu pflegen und wiederzubeleben. Möge die Festspielleitung diese Ambitionen unterstützen! Auf ein Neues im nächsten Jahr! von Klaus Kirst Leiter Hot&Blue Jazz Band aus Meerane Jazz Festival Prag 1965 - Teil 2 der Fotoerinnerungen von Gerd Mucke An dieser Stelle veröffentlichen wir wieder einige Fotoerinnerungen. Diesmal sind es Dia-Abzüge, die Gerd Mucke während seines Besuches des legendären Jazz Festivals in Prag im Jahr 1965 machte. In der vorletzten Ausgabe der JFSG beschrieb Mucke seine Impressionen. Daraufhin meldeten sich Jazzfreunde mit ähnlichen Erinnerungen. Prag war für viele ehemalige DDR Bürger ein wichtiges Ziel, um Größen des Jazz zu hören, die einen Bogen um den abgeschotteten Staat machten. Einer der unbestrittenen Höhepunkte war der Auftritt des ‚Modern Jazz Quartet‘ in der Besetzung Percy Heath am Bass, Milt Jackson am Vibraphon, John Lewis am Piano und Connie Kay am Schlagzeug. Erst viele Jahre später sollten Leipziger die Möglichkeit haben im Rahmen der in den 1990er Jahren stattfindenden „Jazz im Gewandhaus“ Konzerte diese Besetzung nochmals zu hören, die mit einer berührenden Hommage an Johann Sebastian Bach die Konzertbesucher begeisterten und unauslöschbar in Erinnerung bleiben werden. B a n d 2 , A u s g a b e 1 S e i t e 1 7 Unserem Schlagzeuger Gerd Mucke zum 70. mit Just For Swing die Feier zu gestalten. Es wurde auch dank des Publikums ein großartiger Abend, aber auch weil JFS nach längerer Pause wieder zusammen auftrat. Dem Freundeskreis hat es spürbar gefallen, denn die Tanzfläche war ausgefüllt und drei Zugaben brachten uns an den Rand der Erschöpfung. Wir hoffen, lieber Gerd, dass Du noch lange gemeinsam mit uns swingst. Es tut gut, Menschen wie Dich zu kennen! Am 10. Mai 2014 ging im Bayerischen Bahnhof zu Leipzig swingenderweise die Post ab. Unser Schlagzeuger Gerd Mucke hatte zum 70. Geburtstag geladen. Schon am Mittwoch überbrachten ihm Freunde der Boogie Night im SPIZZ, wo Gerd der Haustrommler ist, musikalische Glückwünsche. Sein Verwandten– und Freundeskreis von Ungarn bis Frankreich gab sich ein paar Tage später ein illustres Stelldichein. Sein besonderer Wunsch war, S e i t e 1 8 J u s t F o r S w i n g G a z e t t e Die besondere CD - Neuerscheinung Lionel Hampton and his Orchestra 1947 – 1948| featuring Charles Mingus THAT’S MY DESIRE Stichting Doctor Jazz DJ 012 www.doctorjazz.nl DJM, Job van der Havestraat 3, 8384DB Wilheminaoord, The Netherlands Telefon: +31 521 344 397 Lionel Hamptons Karriere umfasst eine große Zeitspanne des Jazz, besonders die Jahre, als der Swing populärer denn je war und ist auf Tonträgern gut dokumentiert. Sein extensives Spiel auf dem Vibraphon erreichte den ersten Höhepunkt im legendären Quartett von Benny Goodman. Seine späteren Big Bands waren ungewollt Talenteschmieden, weil Hampton, angestachelt durch seine geschäftstüchtige Frau, zum Teil noch unbekannte Musiker engagierte, denen er keine hohen Gagen zahlen brauchte. Auch der junge Bassist Charles Mingus spielte und arrangierte für Hamptons Big Band ein Jahr lang, bevor er seine eigenen musikalischen Visionen zu entwickeln begann. Aus dieser Zeit, die zur Glanzzeit Hamptons gerechnet wird, erblicken nun Aufnahmen das Licht der Welt, die im Zeitraum 1947 bis 1948 live in ‚The Meadowbrook Gardens‘ in Culver City L.A. gemacht wurden. Während der Rekonstruktion eines verlassenen Hauses in den Bergen Hollywoods im Jahr 2013 entdeckten Bauarbeiter einen Lagerraum, in dem sich Boxen mit Azetatplatten befanden. Der Bauherr übergab diese Platten einem Freund, der diese an den niederländischen Sammler und Editor des Magazins der Stiftung Doctor Jazz verkaufte. Ben Kragting Jr., selbst ein Kenner Lionel Hamptons und seiner schier unübersichtlichen Aufnahmetätigkeit, recherchierte akribisch das Material und stellte fest, dass es sich um sogenannte ‚airchecks‘‚ handelt, also seltene Rundfunkmitschnitte auf Azetatplatten, die niemals zuvor veröffentlicht wurden. Die Sensation ist nicht nur die vital und großartig aufspielende Band mit Musikern wie Trompeter Teddy Buckner, Pianist Milt Buckner, Gitarrist Wes Montgomery sondern auch der junge Bassist Charles Mingus, der solistisch in Stücken wie ‚Shibaba Shibaba', ‚How High The Moon‘ brilliert, sowie mit der eigenen Komposition ‚Mingus Fingers‘, der einzigen bis heute bekannte Live-Version mit Hampton. Insgesamt wurden 22 Stücke mit einer Gesamtspielzeit von 80 Minuten, von denen einige nicht so häufig auf Platten zu hören sind, hervorragend restauriert. Mit detailliert diskografischen Angaben, einem 32seitigen sehr informativen Booklet mit Essays über die einzelnen Musiker, Hintergrundinformationen und Anekdoten, raren Fotos und unzähligen Literaturhinweisen schließt diese Veröffentlichung eine bisher nicht dokumentierte Lücke im Schaffen Hamptons und ist in ihrer Gesamtheit ein mit viel Engagement und Liebe zusammengestelltes Sammlerstück. Lionel Hampton Hygienemuseum in Dresden Mai 1983 Foto: P. Colev B a n d 2 , A u s g a b e 1 S e i t e 1 9 Schallplattenfunde Kürzlich entdeckte ich in einem englischen Plattenladen eine Schallplatte mit Aufnahmen des legendären englischen Bass Saxophonisten Harry Gold. Das besondere daran ist, dass es sich bei den Aufnahmen um einen LIVE Mitschnitt des Konzertes 1984 im leider heute nicht mehr existierenden Kinosaal des Capitols handelt, was vielen Jazzfans gar nicht bekannt war. Kurioserweise wird auf dem Foto als Ort „Palast der Republik“ genannt. Nur wenige Jazzfreunde erinnerten sich an das Konzert. Die einzige Musikzeitschrift der ehemaligen DDR „Melodie und Rhythmus“ hatte nicht eine Zeile für das Konzert übrig. In einigen Tageszeitungen erschienen vereinzelt Beiträge. Der damalige Begleiter der Tour Karlheinz Drechsel selbst wusste auf Nachfrage nichts über die Veröffentlichung der Platte und seines in englisch verfassten Textes auf der Rückseite. Mit seiner freundlichen Genehmigung drucken wir hier die deutsche Übersetzung ab. Mit etwas Glück kann man die Platte bei ebay erwerben, aber auch eine CD liegt mittlerweile vor. „Als Jazzpräsentator - seit mehr als 30 Jahren mit einer eigenen Sendung, die im Programm von „Stimme der DDR“ ausgestrahlt wird hatte ich das Privileg, einige der großen Namen des amerikanischen Jazz wie Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Woody Herman, Mel Lewis usw. zu präsentieren sowie als Tour Manager zu begleiten. All diese Künstler waren schon vor ihren Tourneen in Ostdeutschland gut bekannt. Nur „Harry Gold’s Pieces of Eight“ waren vor ihrer Herbsttournee im Jahr 1984 nicht bekannt, sogar deren Dixieland Stil war neu für den überwiegenden Teil des Publikums. Ich selbst war mir der Geschichte hinter dieser berühmten britischen Band bewusst. Es ist unglaublich, dass diese Band seit den 1940er Jahren aktiv ist, als diese als kleine Dixieland Formation innerhalb des Oscar Rabin Orchestra zu spielen begann und Harry Gold mittlerweile auf eine mehr als 60jährige Karriere zurückblicken kann und dabei nicht nur als Musiker sondern auch als Arrangeur auf einem weiten Feld von klassischer Musik, Tanzmusik bis hin zum Jazz tätig war. Er spielte in einigen heute legendären Big Bands wie Roy Fox, Geraldo, Ambrose usw. Kurz vor der Tour entschied sich, dass der reguläre Posaunisten Roy Crimmins zusammen mit dem Pianisten aufgrund schlechter Gesundheit nicht an dieser teilnehmen konnte. Keith Nichols nahm Roys Platz ein. Als ich auf dem Weg zum Flughafen war, um die Band zu treffen, fragte ich mich, was für eine Tour das werden würde, mit so vielen Ersatzleuten und so vielen Kilometern und „One night stands“ vor uns. Unser erstes Konzert fand in Neubrandenburg statt, wo sich meine Befürchtungen sofort nach den ersten Nummern zerstreuten, denn das Publikum hatte gesprochen. Dies war mein erster Eindruck vom puren Professionalismus und der glanzvollen Darbietung der „Gold Band“, einer auf und hinter der Bühne hart arbeitenden Band. Die Ausdauer und der Enthusiasmus solch gereifter Gentlemen waren unglaublich. Der kleine Harry Gold, ein jugendlicher 78er, wechselte mit einer Kraft, die sein Alter und seine Statur Lügen strafte, vom Tenorsaxophone zum übergroßen Bass Saxophone. Man musste wieder an Adrian Rollini denken, von dem Harry Gold das Bass Saxophone gekauft hatte. All diese Jahre sind vergangen, doch haben wir immer noch die Gelegenheit, seinen fantastischen Ton zu hören. Die Tour war von Norden nach Süden ein großer Erfolg begleitet von begeisternden Zeitungsmeldungen. Ihr Ruf eilte ihr ständig voraus. Radiostationen strahlten Aufnahmen der Band aus. Die Konzerte waren ausverkauft. Die Menschen fuhren von einer Stadt zur nächsten, um die Band wieder eine Nacht zu hören. Die deutschen Menschen hatten die Band ins Herz geschlossen. Beim Abschied auf dem Flughafen fühlte ich mich traurig, denn ich hatte deren Erfolg und die Musik, die Konversationen und den Humor im Bus der Band sehr genossen. Zu dieser Zeit wusste ich noch nicht, dass wir uns bald wieder treffen würden. Der Direktor des prestigeträchtigen „Palast der Republik“ in Berlin hatte ein Telegramm nach London geschickt. So kamen sie in weniger als 5 Monaten wieder zurück. 4000 Karten waren verkauft, bevor ihr Flugzeug auf deutschem Boden landete, Yes, „Harry Gold and his Pieces of Eight“ sind in Ostdeutschland sehr bekannt. Karlheinz Drechsel „Stimme der DDR“ Radio Berlin“ SIE FINDEN UNS AUCH IM WEB! WWW.JUST-FOR-SWING.DE.VU DIVERSE AUFTRITTSTERMINE JUST FOR SWING (Leipzig) http://www.jazzfan24.de/JFS/Aktuell.htm HOT & BLUE JAZZ BAND (Meerane) http://hot-and-blue-jazz-band-meerane.de/ IMPRESSUM Herausgeber JUST FOR SWING Just For Swing ist eine Non-Profit Organisation zur Verbreitung des Swing Virus 12.07.14 21.09.14 28.09.14 12.10.14 17.00 Uhr Weingut Pawis, 06632 Zscheiplitz bei Freyburg/U. 16.30 Uhr Ev. Kirche, Kirchstr.1, 09577 Niederwiesa 17.00 Uhr Ev. Kirche Neuwelt, 08340 Schwarzenberg 16.00 Uhr Ev. Kirche Ringethal, 09648 Ringethal bei Mittweida JAZZ IM HOPFENSPEICHER http://www.hopfenspeicher.de/Veranstaltung.html JAMSESSION IM KULTUR-CAFÉ RUMPELKAMMER Redaktion: Detlef A. Ott (Herausgeber) Mitarbeiter dieser Ausgabe: Peter M. Colev, Gerd Mucke, Klaus Kirst, Winfried Maier Jeden 2. Freitag im Monat, Dresdner Straße 25, 04103 Leipzig Telefon: 0341 5 61 43 62 E-Mail: [email protected] Web: www.jazzfan24.de/JFS/ Die Gazette erscheint einmal vierteljährlich und ist ein Magazin, welches durch ehrenamtliche Mitarbeiter gestaltet wird. Für unaufgefordert eingesandtes Material besteht keine Rückgabepflicht. Alle Beiträge sowie das Bildmaterial sind urheberrechtlich geschützt. Die letzte Ausgabe des Jahres erscheint diesmal erst im Dezember 2014 Leserbriefe Vielen herzlichen Dank für JFS-Gazette. So viel Wissenswertes über JAZZ SCENE in Leipzig ist ein Genuss beim Studieren. Es ist dir wieder einmal eine schöne Zeitung gelungen und ich weiß zu schätzen ,wie viel Arbeit dahinter steckt. Meine Gitarre hätte es sich nicht träumen lassen noch auf ihre alten Tage auf der Titelseite einer Jazzzeitung verewigt zu sein. (E.B.) Wow. Wie immer ganz wunderbar und inzwischen auch schon richtig "fett" im Umfang. Danke natürlich besonders für die Seite mit den Hobbyjazzern. In so einer notendominierten Hochkulturstadt wie Leipzig führen die nichtkommerziellen Nichtklassikfans ja doch eher ein bescheidenes Dasein, besonders was das Medieninteresse betrifft. Durfte allerdings gerade gestern einem interesannten Vortrag über die Hotelerieentwicklung in Leipzig lauschen. Als besonders reizvoll empfinden LeipzigBesucher demnach na was wohl? Die vielfäl- tige "Kulturszene-Landschaft" fernab der großen Häuser! Und was wäre die ohne Hobbyjazzer??? (F.S.) natürlich mit Interesse habe ich die neue Ausgabe Deines Magazins gelesen. Interessanter weise bin ich im Artikel über die Breves auf den Namen Trentschel gestoßen. Mit einem Joachim Trenschel habe ich ab 1986 bei den " Rogers" Tanzmusik gemacht. Er war auch vorher schon bei den Rogers, die Mittwochs immer in der Bar ( Femina) in der Königshauspassage Jazz gemacht haben. Ich nehme jetzt mal an, dass das sein Vater ( Berufsmusiker zu DDR Zeiten) war. Er erzählte immer dass der immer erst früh, meist angeheitert nach hause gekommen ist. Sonst mir aber nichts darüber bekannt und es wurde auch nie darüber gesprochen, wo sein Vater einst gespielt hat. Der Joachim lebt noch in Grünau. Kontakt zu ihm habe ich keinen mehr. Er müsste jetzt so 78 Jahre alt sein. (D. E.)