Just For Swing Gazette

Transcription

Just For Swing Gazette
Band 2, Ausgabe 1
Volume 7| Juli 2014
Just For Swing Gazette
Swing is the Thing! - Mitteilungsblatt für Freunde swingender Musik in und um Leipzig
THEMEN
 Interview
mit dem Initiator von JFSG von
Peter Colev
 Der berühmteste Musikhund der Welt
eine Recherche von Peter Colev
 „Briefe aus Leipzig“
August 1949 - „Ein Tiger Rag“ Portrait
 Geburtstagsgala für Coco Schumann im
Schöneberger Rathaus Berlin
 Really The Blues - Lesung mit Julius Becke
in Leipzig
 I‘m beginning to see the light —
Erinnerungen des Berliner Jazzfans
Winfried Maier
 Nachdruck eines Interviews für das „Doctor
Jazz Magazine“ mit Les Paul von 2007
 Hot & Blue Jazz Band zum Dixieland
Festival in Dresden
 Just For Swing feiert den 70. Geburtstag des
Schlagzeugers Gerd Mucke
 Schallplatten
 Neue Jazzbücher
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Interview mit dem Initiator der Leipziger Swing-Gazette „Just for Swing“
von Peter Colev
Wir haben uns am 17.03.2011 anlässlich
der Buchpremiere von Karlheinz Drechsels
Buch „Mein Leben mit dem Jazz“ kennenund in der Folge schätzen gelernt.
Deshalb zunächst die Frage: Wann und wie
bist Du zum Jazz gekommen?
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Jazz hörte ich von Kindes Ohren an.
Mein Vater spielte swingende Tanzmusik, leitete eine eigene Big Band und besaß eine Plattensammlung von 78er
Schellacks, unter denen sich einige hervorragende Jazzaufnahmen mit Louis
Armstrong, den Mills Brothers, Nat
Gonella, Teddy Stauffer und vielen
mehr befanden.
Du unterhältst ein umfangreiches, ja beneidenswertes Jazz-Archiv aus 78ern, LPs,
CDs, DVDs – teilweise mit Autogrammen
–, wertvollen Jazz-Programmen, Fachbüchern, Fotos sowie seltenen Dokumenten
der internationalen Jazz-Entwicklung.
(Jazz-Archiv: Kerstin und Detlef A. Ott).
Wie und wann bist Du zu dieser Sammlerleidenschaft gelangt und welches sind Deine wertvollsten Sammler-Exponate?
Etwas darüber hatte ich ja schon in der
letzten JFSG geschrieben. Die meisten
Platten erhielt ich im Tausch. Während
der Zeit des Eisernen Vorhangs war das
manchmal eine abenteuerliche Geschichte. Selbst mit Plattenproduzenten
stand ich im Kontakt, die seltene Scheiben suchten. Bruce Iglauer von Alligator
Records in Chicago z.B. wollte unbedingt die LP „J.B. Lenoir - Alabama
Blues“ haben und schickte mir dafür im
Tausch einen Stapel seiner eigenen
Bluesplatten mit den Worten: „But don‘t
tell your friends.“ Nach dem Fall der
Mauer entwickelten wir uns zu Weltreisenden in Sachen Jazz, was natürlich
unsere Sammlung rapide vergrößerte.
Es ist für Sammler auch eine sehr individuelle Angelegenheit, welche Platte zu
den wertvollen Exponaten gehört. Dabei
geht es häufig nicht um den Geldwert,
der obskure Dimensionen annehmen
kann, wenn für bestimmte Platten bei
Auktionen vierstellige Beträge erzielt
werden. Dann frag ich mich schon, wer
das kauft. Denn es kann sein, dass man
die Platte auf dem Flohmarkt für ein
Schnäppchen mal findet und der Verkäufer den eigentlichen Wert nicht
kennt. Ein bisschen Spannung und
Freude beim Erwerb gesuchter Stücke
sollte man sich aufbewahren. Aber eine
wertvolle für mich ist immer noch
das Konzert von Benny Goodman
1972 in Kopenhagen, weil die meine
Tante, die mit einem Dänen verheiratet war und in Kopenhagen lebte,
mir zu meinem 13. Geburtstag in ihrem klapprigen VW-Käfer in die
DDR geschmuggelt hat und sich
nicht vorstellen konnte, welche Freude sie mir damit machte.
Du selbst spielst eine gut „swingende“
Klarinette und fungierst als Bandleader der
Leipziger Jazz-Band „Jazz for Swing“.
Wann und wie kamst Du zum Klarinettenspiel?
Mit etwa 10 Jahren fing ich auf Anregung meines Vaters an, privaten Unterricht bei einem Theatermusiker aus
Zeitz zu nehmen. Ich spielte dann auch
in einem Jugendblasorchester der Stadt
und hatte ein kleines Trio mit befreundeten Mitschülern, mit dem wir auf
Schulfesten auftraten. Wir versuchten
uns an einfachen Jazzstandards. Mein
Lehrer meinte dann, ich sollte an die
Musikschule gehen, damit ich einen Abschluss machen könne, falls ich eventuell später berufsmäßig Musik machen
wollte. An der Musikschule verlor ich
sehr schnell die Lust, da mein Lehrer
ein verbitterter Pedant war, der Jazz
nicht mochte und der Schülern ständig
nur zeigen wollte, was dieser nicht
kann. Ich habe zwar meinen Abschluss
gemacht, aber die Laufbahn eines Be-
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rufsmusikers nicht eingeschlagen. Manchmal denke ich heute, dass das keine
schlechte Entscheidung war, schaut man
sich an, wie Berufsmusiker für das Überleben alles Mögliche spielen müssen. Somit
habe ich das Privileg, wirklich nur die
Musik zu machen, die ich liebe.
Das Spiel der „Just for Swing“-Band“ ist
kein reiner New-Orleans-Stil, sondern eher
rhythmus- und swingorientiert im ChicagoIdiom, allerdings fast immer ohne Trompetenbeteiligung. Die Vielseitigkeit des Sounds
ergibt sich vielmehr durch den Einsatz verschiedener Saxophone (sopran- bis bass-sax)
die unser Jazzfreund Harry Thurm exzellent
und titelorientiert verwendet und der Band
dadurch ein eigenes Profil gibt. Wie und
wann hast Du die Band in der jetzigen Form
personalisiert?
Die Gründung der Band ist Zufall gewesen. Während meiner Mitarbeit am Buch
„What a wonderful world - als Louis
Armstrong den Osten tourte“ des Journalisten Stephan Schulz aus Magdeburg,
hatte er irgendwann die Idee, die künftigen Buchlesung musikalisch zu begleiten.
Er fragte mich, ob ich eine Band zusammenstellen würde. Mit dem Posaunisten
Klaus Kirst von der Hot&Blue Jazz Band
aus Meerane und Eberhard Birkigt an der
Gitarre fing das an. Es kamen Gerd Mucke am Schlagzeug dazu und später Harry
Thurm, den ich persönlich ganz besonders
als einen versierten Musiker schätze. Wir
haben uns allerdings von Anfang an vorgenommen, uns nicht in schwierigen Arrangements ‚verhakeln‘ zu wollen, sondern in unserer Musik das Spontane zu
bewahren. Wir haben zwar mittlerweile
einige Head Arrangements zusammengestellt, auch durch die klugen Hinweise unseres Freundes Tom Buhé initiiert, aber
im Wesentlichen soll der Spaß am gemeinsamen Musizieren überwiegen. Das Wichtigste in einer Band ist, dass die Chemie
stimmt. Viel zu oft hört man, dass sich die
und die Band wieder aufgelöst hat, weil
man sich mehr gestritten als miteinander
musiziert hat.
Von Beruf bist Du Lehrer und hast nach meiner Kenntnis einen Neigungskurs Jazz für
Schüler ins Leben gerufen, was wohl bisher
in der pädagogischen Bandbreite der Allgemeinbildenden Schulen ein Novum darstellt.
Wie und wann kam es zu dieser Unterrichtsform?
Es wird immer wieder diskutiert, wie man
Jazz einem jungen Publikum vermitteln
kann, um der Vergreisung der Szene vorzubeugen. Statt zu reden, habe ich vor
mehr als 10 Jahren ein Konzept für einen
Lehrplan entwickelt, der im praktischen
Unterricht Kindern das Wesen des Jazz
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vermitteln soll. Diese Neigungskurse sind
zu einer Art Selbstläufer geworden und
selbst Schüler, die noch nie ein Instrument
in der Hand gehalten haben, spielen mit
Begeisterung Jazz. Ich denke, wenn man
an meiner Schule einen Schüler fragt, wer
Louis Armstrong war, erhält man nicht
„Der erste Astronaut auf dem Mond.“ als
Antwort:
Du bist sehr viel im „Mutterland des Jazz“
unterwegs und besuchst dessen Kultstätten
(z.B. Jazzclubs, Spielorte usw., mitunter hast
Du auch persönliche Begegnungen mit JazzVIPs). Kürzlich erhielt ich per E-Mail einen
Bildergruß von Dir vor dem legendären
Apollo-Theater in NYC stehend. Was hat
Dich bei Deinen weltweiten Erkundungen in
Sachen Jazz am meisten beeindruckt.
Dass der Jazz viele Türen öffnet und man
sofort zu gleichgesinnten Menschen Kontakt bekommt, auch wenn man sich vorher
noch nie begegnet ist. Großartigste Begegnung war für mich die mit dem Gitarristen
Les Paul im Iridium Club in New York,
den ich noch ein Jahr vor seinem Tod kurz
interviewen durfte. Allein, wie das Interview, das ich für die holländische Zeitschrift „Doctor Jazz Magazine“ gemacht
habe, zustande gekommen ist, wäre erzählenswert. Der Spirit des Jazz hat aber auch
zu wunderbaren persönlichen Verbindungen geführt. Eine sei erwähnt. Ich lernte
durch Plattentausch den Begründer des
australischen Jazzarchivs Bill Haesler kennen. Er besorgte mir in den 1990er Jahren
Aufnahmen, die von Coco Schumann auf
dem Label ‚Spotlight Varities‘ gemacht
wurden. Wir standen eine Weile im Kontakt, der aber dann irgendwann abbrach.
Als ich 2004 in Sydney war und mit dem
Trompeter Eric Holroyd einen Jazzclub
im Norden der Stadt besuchte, kamen wir
im Gespräch auf Bill Haesler. Als ich ihm
erzählte, dass ich ihn kenne und wir im
Kontakt standen, sprang er auf, griff zum
Telefon und rief Bill an, der nur zwei
Blocks entfernt wohnte. 10 Minuten später
stürmte Bill in den Club und begrüßte uns
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so herzlich, als hätten wir uns nur für einige Zeit aus den Augen verloren.
Du hast vor ca. zwei Jahren das Leipziger
Jazz-Mitteilungsblatt „Für Freunde der
swingenden Musik“ kurz auch „SwingGazette“ genannt, ins Leben gerufen. Nach
meiner Kenntnis ist dies die erste JazzPublikation Leipziger Jazz-Freunde nach 65
Jahren. Der ehemalige Leipziger Jazz-Kreis
hatte zuletzt 1948 die sogenannten Leipziger Jazz-Briefe (10 Exemplare) veröffentlicht (dazu an anderer Stelle mehr). Wie
und warum hast Du Dich neben Deiner beruflichen Tätigkeit dieser anspruchsvollen
und zeitintensiven Aufgabe gestellt?
Ich habe durch meine vielen Kontakte irgendwann mal festgestellt, dass es so viele
Jazzfreunde gibt, die unzählige Erinnerungen im Zusammenhang mit der Musik mit sich rumschleppen, einzigartige
Sammlungen besitzen, über berührende
Begegnungen sprechen könnten und oft
auf wenig Interesse seitens der Medien
aber auch im eigenen privaten Umkreis
stoßen. In Zeiten, in denen es in Zeitschriften zur Musik nur noch um den
Marktwert geht, die Selbstdarstellung
von Musikern und deren Produkten
schon an Prostitution erinnert, dachte ich
mir, eine Plattform zu schaffen, wo diese
Erinnerungsarbeit anderer Art ohne Limits
publiziert
und
mit
„Gleichgesinnten“ geteilt werden kann,
die auch noch die Fähigkeit aufbringen
im Zeitalter der Kurzmitteilungen längere Texte zu „verkraften“. Die netten Zuschriften stimmen mich optimistisch,
dass wir das noch eine ganze Weile machen werden. Der Sammler und Jazzfreund Gerhard Evertz aus Hannover
schrieb letztens, dass er so etwas auch für
die Region Hannover in Betracht ziehen
will. Mal sehen, was sich daraus noch
entwickelt. Aber auch ein wenig Werbung ist das für unser musikalisches
Konglomerat „JUST FOR SWING“.
Vielleicht finden sich noch Jazzfreunde,
die an der Mitarbeit Interesse haben und
aus ihren ganz privaten Erinnerungen
beitragen, ein immerzu lesenswertes Mitteilungsblatt zu schaffen. Es ist immer
sehr bereichernd, neue Menschen zu treffen und gemeinsame Ansichten zu teilen.
„A note is a note,
in any language“
Louis Armstrong
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Canis lupus familiaris oder der berühmteste Jazz/Musikhund der Welt
Er heißt „Nipper“, ins Deutsche übersetzt sinngemäß: (Wadenkneifer bzw.
Wadenbeißer) und ist 1884 geboren in
Bristol und gestorben im September
1895 in London. Seine Herrchen waren
die Gebrüder Marc und Francis
Barraud, französischer Herkunft und in
England lebend. Letzterer war ein
Kunstmaler mit akademischer Ausbildung und Besitzer eines gegen Ende
des 19. Jahrhunderts sehr häufig genutzten Walzengrammophons mit einem Schalltrichter. Es ist überliefert,
dass der Hund „Nipper“ wahrscheinlich
seiner Abstammung nach ein Foxterrier
-Mischlingshund war, der mit außergewöhnlichem Interesse vor dem Trichter
des Grammophons saß und andächtig
den Piecen der eingesetzten Grammophonwalzen (in dieser Zeit außer Musik
auch oft Sprechrepertoire) erlauschte.
Es wird vermutet, dass der Hund, der in
gebannter und stoischer Hockhaltung
vor dem Grammophontrichter saß, die
„Stimme seines Herrn“ vernahm. Die
leise rauschende Musik durch die abtastende Nadel auf dem rotierenden
Wachszylinder faszinierte den Hund
und das sich täglich wiederholende
Hörereignis wurde gewissermaßen zum
Ritual. Seine Ohren spitzten sich, wenn
das Lied „After the ball was over“, eine
zeitgenössische englische Melodie, erklang. Francis Barraud, der Kunstmaler, hatte den Anblick des sprach- und
musikliebenden Hundes so verinnerlicht, dass er auf den Gedanken kam,
die sitzende Pose des Hundes vor dem
Grammophontrichter auf einem Ölgemälde festzuhalten. Er nannte deshalb
das Bild nach Fertigstellung dem Motiv
entsprechend „His Master’s Voice“, also übersetzt die „Stimme seines
Herrn“.
Francis Barraud konnte zu dieser Zeit
nicht wissen, dass seine Absicht den
musikhörenden Hund auf eine ÖlLeinwand zu transferieren, eine weltumspannende kommerzielle Nutzung
dieses SUJETS als Schallplatten-Logo
nach sich ziehen würde. Nach der Fertigstellung des Bildes im Jahr 1898 bot
er dieses Bild der Edison-BellCompany zum Kauf an, die jedoch zunächst keine Interesse zeigte. Nach längerer Überlegung der Firmenleitung
wurde jedoch der Vorschlag gemacht,
das Bild dahingehend zu überarbeiten,
dass die Walzenwiedergabe durch eine
Grammophonwiedergabe mit Plattenteller und Tonarm durch Übermalung
des Motivs verändert wurde. Diese
Veränderung entsprach technisch dem
Zeitgeist, denn die Weiterentwicklung
der Grammophontechnik, insbesondere
durch Emil Berliner, war zwischenzeitlich auf das Abspielen von zunächst
einseitig abspielbaren Schallplatten fixiert worden.
Der Vorstand der Firma Electric and
Mechanical Industrie Ltd (EMI) in
Hayes/Middlesex hatte sich nun mittlerweile unter der Bedingung der Bildmodifizierung durch den Maler
Barraud im Jahre 1899 bereit erklärt,
das Kunstwerk nebst den erforderlichen Urheber- und Vertriebsrechten
gegen Zahlung von 100 Englischen
Pfund zu erwerben. Das Originalbild
von „Nipper“ - „His Master’s Voice“
ist bis heute im Entree des Hauptfirmengebäudes der EMI in Hayes/
Middlesex zu besichtigen. Der Erfinder des Grammophons, Emil Berliner,
hatte sich nun auch um ca. 1900 die
Urheberrechte für das Logo zwischenzeitlich gesichert und die deutsche
Grammophongesellschaft in Hannover
nutzte das Abbild des Hundes ebenfalls auf dem Plattenetikett. 1924 verkaufte der Deutsch-Amerikaner Berliner die Logorechte ebenfalls weiter an
die amerikanische VICTOR TALKING MASH Company.
Jazz- und Musik-Freunde aus aller
Welt waren auch immer Schallplatten-
Sammler und die Schellackplatte war so
gesehen in dieser Zeit die Einstiegsdroge für Jazz-Liebhaber und SwingFreunde. Dabei spielte die „His Master’s Voice“, auch „La Voix de son
Maitre“ (Französische Version) im
Weltvertrieb eine herausragende Rolle,
neben Schallplatten-Labels wie Columbia, Gennett, Parlophon, Odeon u. a..
Das Schellacksammeln war und ist für
uns Swingfreunde immer mit einem gewissen Fetisch verbunden, und ist es so
gesehen auch heute noch. Die graphische Vielfalt der Plattenetiketten sowie
die Records selbst, von denen es weltweit eine nicht zu beziffernde Anzahl
gibt, ist heute fast eine Wissenschaft
und für international agierende Discographen gleichsam ein Eldorado.
„His Master’s Voice“ (HMV) ist nicht
zuletzt das Sinnbild der Schellack-Ära
überhaupt und wohl auch die berühmteste Schutzmarke der Welt. Sie wurde
in Russland, Spanien, Portugal, Schweden, Polen, Italien, Österreich/Ungarn
in Tochter-Gesellschaften produziert
und vertrieben. Es gab sogar eine spezielle hebräische Produktion. Die Jazzund Swing-Musik, die sich besonders in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
epidemisch verbreitete, war nicht zuletzt auch den Aktivitäten der zwischenzeitlich globalisierten Firma „His Master’s Voice“ geschuldet.
Produktion, Werbung und Vertrieb waren nicht zuletzt auch durch vereinbarte
Vertriebsrechte unter dem bekannten
Logo weltweit vertraglich geregelt. Im
Jahr 1924 gab die GrammophonCompany insgesamt 10 Millionen Englische Pfund aus, um ihren Hund am
Trichter-Grammophon
international
noch weiter zu popularisieren. Heute
nennt man so etwas Promotion. Auch
Geschäftsleute hatten die Zeichen der
Zeit schnell erkannt. Es gab nun zwischenzeitlich den „Nipper“ als Porzellanhund, stilisierte Minigrammophone,
Blechdosen mit Schallplattennadeln sowie anderen Nippes und dieser Trend
hält bis heute an. Nostalgische Blechreklamen und andere Trivial-Kuriositäten
mit „Nipper“-Motiven werden permanent vermarktet.
Die Popularität der Schellackplatte wurde für Sammler ab dem Jahr 1948 etwas
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gedämpft, denn zwischenzeitlich hatte der
Amerikaner Peter Goldmark die Kunststoffplatte PVC (33 1/3/45 UpM) entdeckt. CDs
von heute sind als Derivate der IT-Branche
zwar beliebt und praktikabel, aber die
Schellack- sowie die PVC-Platten bleiben
für den Liebhaber und Sammler trotzdem
unverzichtbar.
Notabene: Dem berühmtesten Medien- und
Schellackhund der Welt „Nipper“ wurde
ein bleibendes Denkmal gesetzt. Im Londoner Stadtbezirk Kingston Upon Thames
wurde er 1895 beerdigt, sein Herrchen starb
im Jahr 1924. Die Grabstätte befindet sich
auf einem Parkplatz, unmittelbar neben einer Bank. In dieser Bank findet sich symbolisch auch eine Erinnerungstafel an den
Terrier-Mischling „Nipper“, der millionenfach auf den Plattentellern der Schallplattenfreunde in aller Welt mit dem Logo
„His Master’s Voice“ rotierte und bis heute
nicht verstummt ist. Nach 120 Jahren Nipper-postum gilt der Spruch:
Nipper lives on!
Peter Colev, 2.7.2014
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Foto unten: Kurt Michaelis (Hot-Geyer) und Don Marquis (Direktor des Jazz
Museums in New Orleans) mit der Figur „Nipper“ im März 1981 in New Orleans, auf dem Balkon des Pontalba Apartments, genannt nach der Tochter eines
spanischen Kaufmanns 1860
Nächste Seite: Abbildungen unterschiedlicher HMV Plattenlabel aus Dänemark, England, Australien, Schweden und Frankreich (Privatarchiv)
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1947 bis 1949 gab der Hot Club Leipzig unter Leitung von Kurt Michaelis sogenannte
Leipziger Briefe an befreundete Jazzfreunde heraus, nachdem sich der Leipziger Hot
Circle mit jüngeren Anhängern nach dem Krieg wieder zusammengefunden hatte. Der
nachfolgend abgedruckte Beitrag über den „Tiger Rag“ stammt aus dem „Brief aus
Leipzig“ vom 26. August 1949 und ist nicht nur ein Blick zurück, sondern wie die
Buchbesprechung auf der nächsten Seite zeigt, aktueller denn je.
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Christopher, Nicholas
Tiger Rag, Roman, 2014, 320 S.
DTV Deutscher Taschenbuchverlag
GmbH& Co. KG
ISBN: 978-3-423-26028-2
14, 90€
Der ‚Tiger Rag‘ gehört zu jenen Kompositionen im Jazz, um die sich viele Legenden und Gerüchte ranken.
Nick
LaRocca ließ
sich 1917 als
Komponist eintragen, obwohl
das Stück schon
lange Zeit als
„Number Two“ in
New Orleans im
Umlauf war und
von allen dortigen
Bands gespielt wurde. Nachdem der Jazz im Europa der 1920 Jahre
die Salons und Ballsäle eroberte, war
der ‚Tiger Rag‘, wie er nun benannt war,
ebenso dabei. Es gab sogar Sammler, die
sich darauf spezialisierten, so viele Versionen wie möglich zusammenzutragen.
Selbst der Bebopper Charlie Parker
nahm seine Version des Tiger Rags auf.
Nun taucht er wieder im Titel eines
kürzlich erschienenen Buch auf. Der
New Yorker Schriftsteller Christopher
Nicholas hat dieses Stück als Romangrundlage ausgewählt, um eine Geschichte zwischenmenschlicher Beziehungen zu komponieren, die eng mit
dem Jazz verknüpft ist und auf zwei weit
getrennten Zeitebenen erzählt wird, deren Schnittstelle am Ende des Buches
aufgelöst wird.
Das Ganze beginnt in New Orleans
1900, als der sagenumwobene Kornettist
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Buddy Bolden drei Phonographwalzen mit
dem „Number Two“ aufnimmt, die sich
zum heiligen Gral des Jazz hochstilisieren.
Was dies zunächst mit der in der Gegenwart
spielenden Geschichte der renommierten
Anästhesistin Dr. Rubin Cardillo und ihrer
Tochter Devon, einer vielversprechenden
Jazzpianistin, zu tun hat, bleibt im Laufe der
Erzählung lange im Dunkeln. Der Tod der
Mutter Rubins ist der Anlass, dass sich die
beiden unterschiedlichen Frauen wieder annähern, aber auch dass längst vergessen geglaubte Geister aus der Vergangenheit beschworen werden, auf deren Spuren Rubin
und Devon nach New York reisen, wo die
mysteriöse Familiengeschichte, die mit der
als längst verschollen geglaubten Tonwalze
Buddy Boldens verbunden ist, enthüllt wird.
Die einfach gestrickte Geschichte ist vom
Geist des Jazz durchdrungen. Christopher
bedient sich gängiger Klischees und verknüpft intelligent Anekdoten und Gerüchte,
die sich seit Jahren in Jazzerkreisen erzählt
werden. Sei es die berührende Geschichte
Boldens und seiner Einlieferung in eine
Nervenheilanstalt und der damit verbundenen Auslöschung seiner Persönlichkeit aus
der öffentlichen Wahrnehmung, sein Einfluss auf Louis Armstrong und Sidney Bechet oder solch schwieriger Charaktere wie
des Kornettisten Bunk Johnson, der für viele von
ihm in Umlauf gebrachte falsche Stories verantwortlich war, sie
finden alle in freier
Improvisation
Anknüpfungspunkte
mit den erfundenen
Passagen des Romans. Das Ergebnis ist eine literarische Spielerei
mit Fiktion und wahren Geschichten, die dieses Buch
zu einer kurzweilig, leicht lesbaren Lektüre
machen.
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sich vom Comic dahingegen, dass sie sich
mit Themen an erwachsene Leser richten.
Mit dem vorliegenden Buch haben sich die
Autoren an die Lebensgeschichte Coco
Schumanns gewagt und in beeindruckenden Bildern die unterschiedlichen Lebensstationen der Swinglegende im wahrsten
Sinne des Wortes nachgezeichnet. Bekannte biographische Daten als auch Zitate, die
Coco Schumann berühmt gemacht haben,
finden sich in den Panels und Sprechblasen
wieder. Die Farbwahl der Zeichnungen
spiegelt die Atmosphäre der Zeit, die sie
abbilden, auf sehr subtile Weise wieder.
Die Abschnitte des Buches behandeln die
Berliner Kinderzeit, die ersten Schritte
Cocos als Musiker, den Albtraum der Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz
und Dachau, die Rückkehr nach Berlin,
Auswanderung nach Australien und die
Rückkehr von da nach Berlin, wo er trotz
der schrecklichen Erlebnisse wieder Fuß
fasste und als Musiker sein Leben bestritt.
Den Autoren Caroline Gille, die studierte
Literaturwissenschaftlerin ist und Niels
Schröder, der in Hamburg, Bremen und
Berlin visuelle Kommunikation/GrafikDesign studierte, ist eine wunderbare
Hommage in Bildern gelungen, die pünktlich zum 90. Geburtstag von Coco erschien.
Caroline Gille Niels Schröder
I got rhythm.
Das Leben der Jazzlegende Coco
Schumann
be.bra Verlag
ISBN-10: 3898091112
ISBN-13: 978-3898091114
Graphic Novels haben sich zu einer eigenen
literarischen Kategorie entwickelt, die immer populärer werden. Sie unterscheiden
„Menschen sollten sich im Leben nicht als Schwarze
und Weiße gegenüberstehen. Sie sollten sich im Gegenteil darüber freuen, dass sie verschieden sind
und dadurch ihre Identität in vielerlei Weise bereichern können.“
(Desmond Tutu)
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COCO - Solange ich Musik mache, habe ich keine Zeit alt zu werden.
Am 14. Mai fand im überfüllten
Willy Brandt Saal des Schöneberger Rathauses in Berlin die
Gala zu Coco Schumanns 90.
Geburtstag statt. Viel Prominenz aus Politik, aber vor allen
Dingen ehemalige Weggefährten Cocos wie Beispielsweise
Wolfgang Kuntze, ehemaliges
Mitglied der Coco Schumann
Band, erinnerten mit zu Herzen
gehenden Worten an Begebenheiten und Anekdoten gemeinsamer Jahre und gratulierten
dem Jubilar, der an diesem
Abend allerdings mal nicht zur
Gitarre griff. Er ließ sich u.a.
von seinem Quartett und dem
im Theaterstück den jungen
Coco spielenden Schauspieler
Konstantin Moreth an der Gitarre, über den Coco sagte:
„Det bin ja ick“, akustisch verwöhnen. Zu diesem besonderen
Anlass hatte die Veranstalterin
des Kulturmanagements Berlin
Bärbel Petersen ein Büchlein
„Solange ich Musik mache,
habe ich keine Zeit alt zu
werden“
zusammengestellt,
das unterschiedlichste Zitate
Coco Schumanns enthält. Die
in Kapiteln sortierten 90 Sprüche „Coco über Musik und
Swing“, „Coco über sein jüdisches Leben und Überleben“,
sowie „Coco über Coco“ und die
Transkription eines typischen
Telefonats mit ihm spiegeln auf
sehr persönliche Weise das Wesen des Gitarristen wieder. Dessen Berliner Witz ist legendär
und schimmerte auch im Podiumsgespräch mit Gregor Gysi immer
wieder durch, der dem Jubilar in
seinen Glückwünschen die Hoffnung aussprach, dass der liebe Gott
ihn beim Sterben vergessen solle.
Mit einfühlsamen Schwarzweiß
Fotografien der Berliner Fotografin
Susann Welscher, einem auf dem
Titel gedruckten Scherenschnitt
vom Berliner Künstler Alexej Feser
ist dieses Büchlein in CD Format
ein liebevoll gestaltetes Kleinod für
Freunde der Musik Coco Schumanns. Die beigefügte CD der limitierten Ausgabe beinhaltet 11 Titel
Schumanns aus unterschiedlichsten
Jahren, wie beispielsweise seine
großartigen
Eigenkompositionen
„Exotique 1963“, „Westwind“,
„Meine Gitarre erzählt“ oder der
legendäre „Stripper Blues“.
(Fotos & Text: D. Ott)
Buch mit Best-of-Coco-CD, Lichtig
Sonderedition mit 90 Zitaten und Sprüchen des Berliner Swing-Gitarristen
Coco Schumann
Lichtig-Verlag, Berlin 2014 in Kooperation mit Trikont München, ISBN 3929905-30-4,
Preis 15 €
www.lichtig-verlag.de &
www.trikont.de
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Julius Becke in Leipzig
"Really the Blues/ Eine Jugend 1927-1948"
Lesung mit Jazz am 23. April 2014 in der Stadtbibliothek Leipzig
„Really the blues“ ist nicht nur der
Titel eines der schönsten musikalischen Duelle auf zwei Klarinetten
zwischen Mezz Mezzrow und Sidney
Bechet, sondern wurde auch der Titel
der Autobiografie des Lebenskünstlers Mezzrow, dessen Leben im
Harlem der 1920er Jahre er darin beschreibt. Julius Becke, in Leipzig
geboren, legt mit seinem Büchlein
"Really the Blues/ Eine Jugend 19271948" seine Version einer Rückbesinnung auf Kindheit und Jugend vor.
Als Außenseiter in seiner Familie,
der ein schwieriges Verhältnis zu
seiner Mutter beschreibt, entdeckt er
während der wirren Zeiten der Nazi
Ära den frühen Jazz und Blues als
Ventil für angestauten Frust. Wie auf
einer Achterbahn nimmt Becke den
Leser und Hörer auf eine Zeitreise
unbeschreiblicher Gefühle mit. Der
Jazz ist immer dabei. Schellackplat-
ten aus den USA mit Count Basie,
Louis Armstrong, Sidney Bechet und
Duke Ellington sind die Zuflucht aus
einem unverstandenen und subtil als
grausam empfundenen Alltag, in
dem SS-Truppen am Kickerlingsberg in Leipzig aufmarschieren,
Pfadfinderausflüge zum Freizeitrepertoire gehören und die nazistische
Gesinnung bis in die Familien hinein
gedrungen ist.
Das Buch ist lebendig erzählte "oral
history" in schriftlicher Form. Die
Lesung mit dem bescheidenen, ruhigen und sympathischen Becke, der
1948 Leipzig gen Westen verließ,
nachdem er aus französischer
Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, der den heutigen kulturellen Entwicklungen der Gegenwart skeptisch
gegenübersteht und diese als verwirrend empfindet, war ein rhetorischer
Höhepunkt, der lediglich wegen der
dilettantischen Vorbereitung der
Tontechnik durch die Bibliothek
gestört war.
Becke, Julius – Really the Blues
Eine Jugend 1927-1948
Connewitzer Verlagsbuchhandlung
120 Seiten
ISBN 978-3-928833-88-2
Treffen sich zum ersten Mal im hohen Alter:
Gitarrenlegende Thomas Buhé und Julius Becke
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Winfried Maier im Gespräch | Berlin
Winfried Maier, Jahrgang 1935,
wohnhaft in Berlin- Schöneberg,
pensionierter Handelsvertreter, leidenschaftlicher Jazzfan, moderierte
in den 1950er Jahren gemeinsam
mit John Hendrik die Jazzsendung
„Club18“ beim RIAS. Ihn verband
eine lebenslange Freundschaft mit
Louis Armstrong. Er stiftete die Gedenktafel für Louis Armstrong am
Berliner Friedrichstadtpalast.
(Dieses Kapitel ist ein gekürzter
Auszug aus dem geplanten gleichnamigen Buch über die Lebensgeschichte der Berliner Jazzikone
Winfried Maier)
Mittlere Reife und Jazz in der
Nachkriegszeit
kam ja dann auch schon der AFN
nach Berlin. Im AFN gab es eine
Sendung, die hieß: „Frolic at Five.“
Mit einem damals stadtbekannten
amerikanischen Soldaten George Hudak.
Der brachte die ganzen wunderbaren
Aufnahmen, die wir bis dahin noch
nie gehört hatten. Stars wie Louis
Armstrong, Lionel Hampton, Benny
Goodman, Tommy Dorsey hörten
wir das erste Mal. Das wurde zu einer Pflichtsendung. Um 17:00 Uhr
wurde AFN gehört! Dann kam auch
später der RIAS mit einer beliebten
Sendung „Schlager der Woche“. Eine Menge Jazztitel wurden da gespielt, die damals Schlager Nummer
1 waren. „Blueberry Hill“ mit Louis
Armstrong war dabei und der
„Trumpet Blues“ mit Harry James.
Das war natürlich die populäre Musik dieser Zeit. Wir sahen damals
auch die Leute im Film. Ein erstes
Filmerlebnis war „Die badende Venus“ mit Esther Williams. Da trat das
Orchester von Harry James auf. Wir
sind mit unserem letzten Geld hingegangen, nur um diesen Jazztitel zu
hören. Die andere Handelung hat uns
eigentlich nur geärgert. Aber auch
der deutsche Revuefilm „Tanzende
Sterne“ von 1952 mit dem unvergessenen Kurt Widmann. Den haben wir
uns mehrfach angeschaut, nur um die
Stelle zu sehen, wo die Band mit
Macky Kasper und Rolf Kühn spielt.
Das war so die erste Jazzbegeisterung, die wir auslebten.
In der Schule hatte ich dann den ersten Kontakt zum Jazz. Da waren ja
auch viele ältere Schüler. Manche
waren ja auch schon Soldat gewesen,
die dann noch mal die Schulbank
drückten. Einer war dabei, der ein
sehr begabter Boogie Woogie Spieler
war. Wenn sich die Gelegenheit
ergab, da haben wir uns in den Musikraum der Schule verzogen und um
den Flügel der Schule versammelt.
Dort hat der uns Boogie Woogie vorgespielt. Für die meisten Lehrer war
ja diese Musik noch verpönt. Das saß
bei denen immer noch sehr tief. Mir
hat das unwahrscheinlich gefallen.
Das hat mich gepackt. Durch dieses
Spiel des Mitschülers ist in mir die
Liebe zu dieser Musik richtig erwacht. Diese Musik hatte etwas befreiendes, was ich bis heute nicht in In einer Ruine hatte ich dann auch irWorte fassen kann.
gendwann mal einen Plattenspieler
gefunden. Das äußere Gehäuse war
zwar kaputt, aber das Innenwerk war
Radioerlebnisse
noch einigermaßen ganz. Den habe
Ich habe nach dem Krieg schon sehr ich in eine Seifenkiste eingebaut und
viel Radio hören können. Mein Vater habe den dann auch spielen können.
hatte ja sich noch einen Radioapparat Die Feder war zwar schon mächtig
gekauft. Im Volksmund hieß der schwach und nach einer Weile wurGoebbelsschnauze. 1945 und 1946 den die Titel immer tiefer - weil
langsamer. Meine erste Schallplatte,
die ich getauscht habe, war „Hey! Ba
-Ba-Re-Bop” mit Lionel Hampton.
Auf der zweiten Seite war „Tempo’s
Birthday“. Das habe ich nun so oft
gespielt, bis die Scheibe dann kaputt
war. Meine Mutter war arg verzweifelt, weil sie das nun alles ertragen musste. Für sie war das ja immer
noch die Urwaldmusik, die unter den
Nazis verboten war. Das hat sich
dann schnell geändert. Meine Mutter
war dann so begeistert, dass sie mit
zu den Konzerten kam. Sie hat dann
ja auch die Musiker, die ich einlud
und sehr verehrte wie den Klarinettisten George Lewis liebevoll bewirtet. Also das wandelte sich sehr
schnell. Für uns jüngere Leute war
das die Musik, da gab es kaum was
anderes.
Viel Jazz habe ich auch immer
nachts im Radio gehört und hatte dabei ein Erlebnis, dass mein Leben
verändert hat. 1952 trat Louis Armstrong im Titania Palast Berlin auf.
Ich wäre so gern hingegangen. Er
war ja schon mein Idol. Aber ich hatte einfach nicht das Geld dafür. Der
Bäckersohn in unserem Haus der war
natürlich dort und kam dann eines
Tages an und sagte um mich neidisch
zu machen so salopp zu mir:
„Siehste, da hättest dabei sein müssen. Ich habe Armstrong gehört. Das
wäre auch was für Dich gewesen.“
Der schwärmte von dem Konzert.
Dann wurde das Konzert im Dezember 1952 im Radio gesendet. Ich
weiß noch, dass wir in einer ungeheizten, eiskalten Wohnung saßen.
Wir mussten damals aus dem Vorderhaus der Lützowstraße in die
schlechteste Wohnung im Hinterhaus
in der 4. Etage umziehen, weil meine
Mutter die Miete nicht mehr zahlen
konnte. Ich bin in der Nacht aufgestanden, da die Konzerte in der
Nacht gesendet wurden. Ich habe den
ollen Volksempfänger dann ange-
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macht, eine Decke über mich geworfen und habe durch die Nacht gejazzt
und mich über Armstrong gefreut.
Meine Mutter hat mich komplett für
verrückt erklärt.
Eine wichtige Entscheidung
Ich muss schon in der Lehre gewesen
sein. Das war so zwischen 1952 und
1955. da hatte ich ein Mädchen kennen gelernt, in die ich mich unsäglich verliebt habe. Das war
so meine erste Freundin, eine Art Jugendliebe. Sie
stammt aber nun aus einem
sehr konservativen Elternhaus. Es war auch die Zeit,
als man so das Mädchen
gegen 22.00 Uhr abends
wohlbehalten zu Hause bei
den Eltern abliefern musste. Sie war durch ihre Eltern sehr stark geprägt und
auch gegen den Jazz eingenommen. Ich nehme an,
dass die Eltern so aus der
anderen Ära war und hatte
so diese Haltung übernommen. Ich habe sie dann
auch immer mal mitgenommen, wenn wir zu Jazzveranstaltungen
gegangen
sind. Das hat sie mehr ertragen als genossen. Damit
konnte sie nichts anfangen.
Für mich war die Musik
aber meine Liebe mein ein
und alles. Den Jazz wollte
ich mir ja nicht nehmen lassen. Eines Tages wurde mir
dann von ihr die Frage gestellt: „Jetzt
musst Du Dich mal entscheiden, entweder deine Musik oder ich.“ Dann
habe ich mich natürlich für die Musik entschieden. Das ging gar nicht
anders.
Die erste Schallplatte
Als ich Lehrling war, kaufte ich mir
1955 meine erste größere Anschaffung. Das war das Doppelalbum des
Carnegie Hall Konzertes von Benny
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Goodman auf Philips. Das kam damals 48 DM. Ich hatte ein monatliches Salär als Lehrling von 35 DM.
Da habe ich gespart vorher. Trinkgelder von Kunden, Zigaretten, die
ich bekam, habe ich weiterverkauft
und so weiter. Da musste man schon
ganz schön verrückt sein. Meiner
Mutter konnte ich das gar nicht erzählen. Die hätte mich rausgeschmissen, denn ich musste mein Lehrlingsgeld abgeben. Die Relationen hätte
sie nicht begriffen.
In der Berufsschule waren wir immer
ein größerer Kreis von Fans, die wir
uns über unsere heiß geliebte Musik
austauschten. Mein Banknachbar Jürgen Grothe - war ebenfalls ein
Fan, mit dem ich dann die unterschiedlichsten Veranstaltungen besucht habe. In der Berufsschule haben wir auch sogenannte Idealbands
zusammengestellt. Er war ein großer
Gene Krupa Fan und trommelte dann
1 3
mit dem Lineal wie ein Besessener
rum. Wir haben dann die Trompeten
zusammengestellt. Das war die Musik der Jugend. Wir sind sehr früh
schon zum Oldtime Jazz gegangen.
Da gab es eine Berliner Band, die
nannte sich Papa Ko’s Jazzin’ and
Babies. Der Leiter war ein Schlagzeuger – ein Lehrer übrigens von Beruf. Dem sind wir unter anderem in
die verschiedenen Lokale gefolgt.
Aber unser Idol in Berlin war damals
unangefochten Kurt Widmann. Wir nannten ihn nur
Kutte. Der war für uns, was
für die Amerikaner der Benny Goodman war. Den älteren Fans war er ja auch schon
bekannt. Er hatte nach dem
Krieg auch schon wieder eine
Band zusammengestellt, die
viel bei den Amerikanern
spielte. 1946 muss das gewesen sein. Wenn der irgendwo
auftrat, sind wir hin. Wir haben weite Wege zu Fuß auf
uns genommen auch zu weit
entfernteren Ausflugslokalen
– einmal bis Pichelsberg –
um unser Idol zu hören. Da
war ich noch kein Lehrling
und hatte somit kein eigenes
Geld. Wir sind hin gewandert
und konnten nicht mal rein in
den Laden. Nicht mal eine
Tasse Kaffee konnten wir
uns leisten! So haben wir
dann draußen gestanden, um
die Musik zu hören. So begeistert waren wir. Als es uns
besser ging und Kutte in der
Waldbühne auftrat, hatte ich dann
schon etwas Geld und konnte mir eine Karte kaufen.
Zu dieser Zeit hatte ich mir nicht
vorzustellen gewagt, dass ich auch
mal die ganz berühmten amerikanischen Jazzmusiker in Berlin erleben
durfte, geschweige denn, dass mich
mit vielen von Ihnen eine Freundschaft verbinden würde – besonders
mit Louis Armstrong. Aber das ist
eine andere Geschichte.
Interview mit Les Paul
Iridium Club in New York am 15. Oktober 2007
In New York ist es für einen
Jazzfan immer sehr schwer, eine
Entscheidung zu treffen, in welchen Club man abends gehen
soll, um guten Jazz zu hören
Nicht, weil es den nicht gäbe,
sondern weil die Auswahl zu
groß ist. Während im ältesten
New Yorker Club Village Vanguard der französische Pianist
Martial Solal einen Woche lang
seinen 80sten Geburtstag zelebrierte, im Birdland Ben Rileys
Monk Legacy Septet spielte, das
Lincoln Jazz Center Clifford
Browns Musik ehrte usw. (die
Liste ließe sich beliebig weiter
fortsetzen), konnte man jeden
Montag Abend im Jazz Club Iridium den legendären Gitarristen
Les Paul hören. Seinem Quartett gehörten an:
Lou Pallo, Guitar
Nicki Parrott, Bass
John Colianni, Piano
Zwischen einem Fotoshooting mit
jungen Fotografen einer Gitarrenzeitschrift und einem Interview für
eine japanische Jazzzeitung hatte
ich die seltene Möglichkeit für ein
fünfzehnminütiges Interview mit
Les Paul, welches mir der rührige
Manager des Iridium Steven Shaw
vermittelte. Der Chronist von Les
Paul stellte mich vor und achtete
anschließend genau darauf, dass
die Zeit nicht überschritten wurde.
Les Paul ist mittlerweile 92 Jahre
alt. Geboren wurde er am 9. Juni
1915 in der Kleinstadt Waukesha im
US-Bundesstaat Wisconsin als Lester William Polsfuss. Sein Leben als
Musiker und Wegbereiter der
elektrischen Gitarre und Mehrspurtonaufnahme ist legendär.
In vielen Fachzeitschriften ist über
seinen Einfluss zur technischen
Entwicklung der Gitarre gefachsimpelt wurden. Oftmals vergisst man
dabei, dass Les Paul ein begnadeter
Gitarrist und Entertainer ist.
ßig mit seinem Quartett auf. Sie
haben mit ihm ja in den 1950er
Jahren in Berlin gemeinsam gespielt.
LP: Oh ja, ich erinnere mich sehr
gut an die Zeit damals. Es war
wohl in einer kleinen Bar in Berlin. Ich kam mit Frank Sinatra
dorthin und wir stiegen mit in der
Band ein. Ich habe gute Erinnerungen an die Zeit. Ich habe ja deutsche Wurzeln wie Sie vielleicht
wissen. Deswegen liebe ich Bier
(lacht). Meine Vater (George Polsfuss a.d.A.) stammte auch aus Berlin und meine Mutter (Evelyn geboren als Stutz a.d.A.) aus Süddeutschland.
DO: Was motiviert Sie, jeden
Montagabend hier im Club Iridium
zu spielen?
Chronist: Detlef Ott. Doctor Jazz Magazine.
LP: Ich hatte vor vielen Jahren einen
ziemlich schweren Herzinfarkt. Als ich
LP: Es freut mich, Sie zu treffen.
wieder einigermaßen genesen war,
fragte ich meinen Arzt, was ich tun
DO: Ich freue mich ebenfalls sehr, die kann, um diese Erfahrung in Zukunft zu
Chance zu haben, Ihnen Grüße von Ih- vermeiden. Schließlich bin ich ein lerem Freund Coco Schumann aus Berlin benslustiger Mensch und wollte noch
zu übermitteln und ein kurzes Ge- ein paar Jahre leben. Mein Arzt meinte:
spräch mit Ihnen führen zu dürfen.
“Les, such Dir Arbeit.“ Ich schaute ihn
nur ungläubig an. Aber er meinte es
LP: Great. Wie geht es Coco?
ernst. Er sagte, ich solle mir einen kleinen Club suchen und regelmäßig wieDO: Er ist wohl auf, spielt seine ge- der spielen. Das würde meiner Gesundliebte Gibson Gitarre und tritt regelmä- heit helfen. Stillstand ist tödlich, meinte
er. Ich komme gerade von ihm. Ich lass
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mich regelmäßig untersuchen. Er war
sehr zufrieden mit mir.
Nun habe ich auch noch ein Hörgerät
bekommen. Aber besser ist das schon.
Ich habe so viele Noten nicht mehr gehört, dass ich von denen mittlerweile
ein ganzes Album machen könnte.
(grinst)
DO: Wie kamen sie dann auf den Club
Iridium?
LP: Ich bekam vom Manager einen Anruf. Ich weiß nicht mehr genau, wann
das war. Der Club gefiel mir. Er liegt
ziemlich Zentral in New York am
Broadway. Er ist nicht zu groß. Ich
glaube, es passen so bis zu 200 Leute
rein. Den Club nenne ich jetzt immer
mein Wohnzimmer. Die Soundtechnik
habe ich dem Club gekauft. Wir spielen
hier einfach, um Spaß zu haben und um
die Leute gut zu unterhalten. Der beste
Lohn ist, wenn die Leute lachen, zufrieden sind und sich für ein paar Stunden
entspannen. Das macht einfach Spaß.
Mein Gott, es geht jetzt schon seit 12
Jahren so und der Club ist immer gerammelt voll.
DO: Ich sah gerade Touristen am Club
vorbeigehen, die gar nicht glauben
konnten, Sie eben auf der Straße während des Fotoaufnahmen gesehen zu
haben.
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LP: Der Gitarrist Lou Pallo ist seit langer Zeit mein Begleiter. Er spielt seit
ich glaube über 20 Jahren mit mir und
ist ein auch hervorragender Sänger. Nicki Parrott ist eine junge Bassistin. Sie
kommt aus Australien und lebt seit
1994 in New York. Der Pianist John
Colianni kann alles. Ich vergleiche ihn
mit Art Tatum. Er spielt alle Titel und
das zur gleichen Zeit (lacht). Vieles
entsteht auf der Bühne spontan obwohl
- ehrlich gesagt - auch viel Routine dabei ist. Aber es macht einfach immer
Never Know who will show up on Les wieder Spaß und ich glaube, dass das
Paul Mondays at Iridium” an. Die Liste
Publikum das auch merkt.
der Musiker, mit denen Sie gespielt haben
ist ja ein „Who is Who“ des Rock und des
DO: Welche Stücke bevorzugen Sie, an
Jazz. Gibt es Musiker, mit denen Sie besolchen Montagen zu spielen?
sonders gern zusammen gearbeitet haben
und noch spielen würden?
LP: Wir spielen vorwiegend die alten
Standards wie zum Beispiel „Blue SkiLP: Nein, kann ich so nicht sagen. Jeder
es“, Cherokee“, „My Sweet Embracewollte mit mir spielen. Ich kann da keinen
able“, „Sweet Georgia Brown“, “Bill
hervorheben.
Bailey”. Das ist immer noch die Musik,
die am meisten Spaß macht.
DO: Sie fördern auch junge Musiker, indem Sie die manchmal mit Ihnen auftreDO: Ich danke Ihnen herzlichst für das
ten lassen. Was raten Sie denen angesichts
Gespräch und wünsche Ihnen die Kraft,
des heutigen Musikgeschäfts?
noch viele Jahre so viel Freude zu verbreiten.
LP: (lacht) Üben, üben, üben. Da hat sich
nicht viel geändert. Wenn man Erfolg haLP: Danke.
ben will, muss man üben. Glück gehört
Fotos: Kerstin Ott
auch dazu. Aber was mich immer wieder
wundert, alle jungen Jazzmusiker sind Gi- 2005 erschien das Album "Les Paul &
tarristen. In gewisser Weise habe ich auch Friends: American Made, World Played",
Verständnis dafür. Mütter wollen ja ei- die er im Duett mit vielen berühmten Gitargentlich immer, dass Ihre Kinder Violine risten aufnahm.
oder Klarinette lernen. Dabei sind die ers- Für dieses Album wurde er 2006 mit zwei
ten fünf Jahren die schrecklichsten mit Grammys in der Kategorie "Best Pop Instrudiesen Instrumenten. Dieser Lärm! (lacht mental Performance"für den Titel "Caravan"
wieder) Heute Abend habe ich einen jun- sowie in "Best Rock Instrumental Performance" für den Titel "69 Freedom Special"
gen Saxophonisten auf der Bühne. Der ist
ausgezeichnet.
wirklich gut. Liebt Coleman Hawkins und
spielt ein sehr gutes Horn. Es gibt speziell
hier in New York unverschämt viele gute
Musiker.
DO: Welches Ereignis ist Ihnen im Laufe
Ihrer langen Laufbahn als Musiker am
besten in Erinnerung geblieben?
LP: Ja, manche denken, ich bin eine Gitarre und andere, dass ich schon tot bin. LP: (denkt eine Weile nach) Ich glaube,
Ich hoffe, das hier noch eine ganze das war als wir anlässlich der Amtseinführung von Teddy Roosevelt gespielt haWeile machen zu können.
ben. Das war in den 1930ern. Da habe ich
DO: Über Sie ist so viel geschrieben zusammen mit dem jungen Tony Bennett
und berichtet worden, dass die Zeit gespielt. Das war eine verrückte Zeit.
nicht reichen würde, um über Ihr Leben, Ihre Erfahrungen zu sprechen. Der DO: Mit welchen Musikern treten Sie
Club Iridium kündigt Sie mit “You montags auf?
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Impressionen vom Dixieland
Festival in Dresden 2014
Auch dieses Jahr hatte die hot & blue jazz band
wieder das Glück, am Internationalen Dixielandfestival teilnehmen zu dürfen. Bei fast winterlichen Temperaturen spielten wir vermummt auf
dem Achterdeck des Dampfers "Meißen". Unsere
traditionellen Klänge waren der Kontrast zur eher
modern angelegten und technisch hoch perfektionierten Musik der "Hotspurs" aus Dresden. Das
sachkundige und aufnahmebereite Publikum folgte den Darbietungen sehr interessiert. Die Fans
mussten sich allerdings in der Nähe der Musiker
aufhalten, da die Übertragung ins Innere des
Schiffes leider mangelhaft war. Bei Gesprächen
mit Jazzclubmitgliedern und Gästen zeichnet sich
eine Verflachung des Festivals ab mit dem Hang
zu populärer, vordergründig auf Effekte und biergartenmäßige Unterhaltung ausgerichtete dixieländmäßige Unterhaltungsmusik. Es ist an uns
Musikern, die guten Traditionen Dresdens zu
pflegen und wiederzubeleben. Möge die Festspielleitung diese Ambitionen unterstützen!
Auf ein Neues im nächsten Jahr!
von Klaus Kirst
Leiter Hot&Blue Jazz Band aus Meerane
Jazz Festival Prag 1965 - Teil 2 der Fotoerinnerungen
von Gerd Mucke
An dieser Stelle veröffentlichen wir wieder einige Fotoerinnerungen. Diesmal sind es
Dia-Abzüge, die Gerd Mucke während seines Besuches des legendären Jazz Festivals
in Prag im Jahr 1965 machte. In der vorletzten Ausgabe der JFSG beschrieb Mucke
seine Impressionen. Daraufhin meldeten sich Jazzfreunde mit ähnlichen Erinnerungen.
Prag war für viele ehemalige DDR Bürger ein wichtiges Ziel, um Größen des Jazz zu
hören, die einen Bogen um den abgeschotteten Staat machten. Einer der unbestrittenen
Höhepunkte war der Auftritt des ‚Modern Jazz Quartet‘ in der Besetzung Percy Heath
am Bass, Milt Jackson am Vibraphon, John Lewis am Piano und Connie Kay am
Schlagzeug. Erst viele Jahre später sollten Leipziger die Möglichkeit haben im Rahmen der in den 1990er Jahren stattfindenden „Jazz im Gewandhaus“ Konzerte diese
Besetzung nochmals zu hören, die mit einer berührenden Hommage an Johann Sebastian Bach die Konzertbesucher begeisterten und unauslöschbar in Erinnerung bleiben
werden.
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Unserem Schlagzeuger Gerd Mucke zum 70.
mit Just For Swing die Feier zu gestalten. Es wurde
auch dank des Publikums ein großartiger Abend, aber
auch weil JFS nach längerer Pause wieder zusammen
auftrat. Dem Freundeskreis hat es spürbar gefallen,
denn die Tanzfläche war ausgefüllt und drei Zugaben
brachten uns an den Rand der Erschöpfung. Wir hoffen, lieber Gerd, dass Du noch lange gemeinsam mit
uns swingst.
Es tut gut, Menschen wie Dich zu kennen!
Am 10. Mai 2014 ging im Bayerischen Bahnhof zu Leipzig swingenderweise die Post ab.
Unser Schlagzeuger Gerd Mucke hatte zum
70. Geburtstag geladen. Schon am Mittwoch
überbrachten ihm Freunde der Boogie Night
im SPIZZ, wo Gerd der Haustrommler ist,
musikalische Glückwünsche. Sein Verwandten– und Freundeskreis von Ungarn bis Frankreich gab sich ein paar Tage später ein illustres
Stelldichein. Sein besonderer Wunsch war,
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Die besondere CD - Neuerscheinung
Lionel Hampton and his
Orchestra 1947 – 1948|
featuring Charles Mingus
THAT’S MY DESIRE
Stichting Doctor Jazz DJ 012
www.doctorjazz.nl
DJM, Job van der Havestraat 3,
8384DB Wilheminaoord, The
Netherlands
Telefon: +31 521 344 397
Lionel Hamptons Karriere umfasst
eine große Zeitspanne des Jazz, besonders die Jahre, als der Swing
populärer denn je war und ist auf
Tonträgern gut dokumentiert. Sein
extensives Spiel auf dem Vibraphon erreichte den ersten Höhepunkt im legendären Quartett von
Benny Goodman. Seine späteren
Big Bands waren ungewollt Talenteschmieden, weil Hampton,
angestachelt durch seine geschäftstüchtige Frau, zum Teil
noch unbekannte Musiker engagierte, denen er keine hohen Gagen zahlen brauchte. Auch der
junge Bassist Charles Mingus
spielte und arrangierte für Hamptons Big Band ein Jahr lang, bevor
er seine eigenen musikalischen
Visionen zu entwickeln begann.
Aus dieser Zeit, die zur Glanzzeit
Hamptons gerechnet wird, erblicken nun Aufnahmen das Licht
der Welt, die im Zeitraum 1947
bis 1948 live in ‚The Meadowbrook Gardens‘ in Culver City L.A.
gemacht wurden. Während der Rekonstruktion eines verlassenen
Hauses in den Bergen Hollywoods
im Jahr 2013 entdeckten Bauarbeiter einen Lagerraum, in dem sich
Boxen mit Azetatplatten befanden.
Der Bauherr übergab diese Platten
einem Freund, der diese an den
niederländischen Sammler und
Editor des Magazins der Stiftung
Doctor Jazz verkaufte. Ben
Kragting Jr., selbst ein Kenner Lionel Hamptons und seiner schier
unübersichtlichen Aufnahmetätigkeit, recherchierte akribisch das
Material und stellte fest, dass es
sich um sogenannte ‚airchecks‘‚
handelt, also seltene Rundfunkmitschnitte auf Azetatplatten, die
niemals zuvor veröffentlicht wurden. Die Sensation ist nicht nur die
vital und großartig aufspielende
Band mit Musikern wie Trompeter
Teddy Buckner, Pianist Milt Buckner, Gitarrist Wes Montgomery
sondern auch der junge Bassist
Charles Mingus, der solistisch in
Stücken wie ‚Shibaba Shibaba',
‚How High The Moon‘ brilliert,
sowie mit der eigenen Komposition ‚Mingus Fingers‘, der einzigen
bis heute bekannte Live-Version
mit Hampton. Insgesamt wurden
22 Stücke mit einer Gesamtspielzeit von 80 Minuten, von denen
einige nicht so häufig auf Platten
zu hören sind, hervorragend restauriert. Mit detailliert diskografischen Angaben, einem 32seitigen
sehr informativen Booklet mit Essays über die einzelnen Musiker,
Hintergrundinformationen
und
Anekdoten, raren Fotos und unzähligen Literaturhinweisen schließt
diese Veröffentlichung eine bisher
nicht dokumentierte Lücke im
Schaffen Hamptons und ist in ihrer
Gesamtheit ein mit viel Engagement und Liebe zusammengestelltes Sammlerstück.
Lionel Hampton
Hygienemuseum in Dresden
Mai 1983
Foto: P. Colev
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Schallplattenfunde
Kürzlich entdeckte ich in einem englischen
Plattenladen eine Schallplatte mit Aufnahmen
des legendären englischen Bass Saxophonisten
Harry Gold. Das besondere daran ist, dass es
sich bei den Aufnahmen um einen LIVE Mitschnitt des Konzertes 1984 im leider heute
nicht mehr existierenden Kinosaal des Capitols
handelt, was vielen Jazzfans gar nicht bekannt
war. Kurioserweise wird auf dem Foto als Ort
„Palast der Republik“ genannt. Nur wenige
Jazzfreunde erinnerten sich an das Konzert. Die
einzige Musikzeitschrift der ehemaligen DDR
„Melodie und Rhythmus“ hatte nicht eine Zeile
für das Konzert übrig. In einigen Tageszeitungen erschienen vereinzelt Beiträge. Der damalige Begleiter der Tour Karlheinz Drechsel selbst
wusste auf Nachfrage nichts über die Veröffentlichung der Platte und seines in englisch
verfassten Textes auf der Rückseite. Mit seiner
freundlichen Genehmigung drucken wir hier
die deutsche Übersetzung ab. Mit etwas Glück
kann man die Platte bei ebay erwerben, aber
auch eine CD liegt mittlerweile vor.
„Als Jazzpräsentator - seit mehr als 30 Jahren
mit einer eigenen Sendung, die im Programm
von „Stimme der DDR“ ausgestrahlt wird hatte ich das Privileg, einige der großen Namen des amerikanischen Jazz wie Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Woody Herman, Mel
Lewis usw. zu präsentieren sowie als Tour Manager zu begleiten. All diese Künstler waren
schon vor ihren Tourneen in Ostdeutschland
gut bekannt. Nur „Harry Gold’s Pieces of
Eight“ waren vor ihrer Herbsttournee im Jahr
1984 nicht bekannt, sogar deren Dixieland Stil
war neu für den überwiegenden Teil des Publikums.
Ich selbst war mir der Geschichte hinter dieser
berühmten britischen Band bewusst. Es ist unglaublich, dass diese Band seit den 1940er
Jahren aktiv ist, als diese als kleine Dixieland
Formation innerhalb des Oscar Rabin Orchestra zu spielen begann und Harry Gold
mittlerweile auf eine mehr als 60jährige Karriere zurückblicken kann und dabei nicht nur als
Musiker sondern auch als Arrangeur auf
einem weiten Feld von klassischer Musik,
Tanzmusik bis hin zum Jazz tätig war. Er
spielte in einigen heute legendären Big
Bands wie Roy Fox, Geraldo, Ambrose
usw.
Kurz vor der Tour entschied sich, dass der
reguläre Posaunisten Roy Crimmins zusammen mit dem Pianisten aufgrund
schlechter Gesundheit nicht an dieser teilnehmen konnte. Keith Nichols nahm Roys
Platz ein. Als ich auf dem Weg zum Flughafen war, um die Band zu treffen, fragte
ich mich, was für eine Tour das werden
würde, mit so vielen Ersatzleuten und so
vielen Kilometern und „One night stands“
vor uns.
Unser erstes Konzert fand in Neubrandenburg statt, wo sich meine Befürchtungen
sofort nach den ersten Nummern zerstreuten, denn das Publikum hatte gesprochen.
Dies war mein erster Eindruck vom puren
Professionalismus und der glanzvollen
Darbietung der „Gold Band“, einer auf
und hinter der Bühne hart arbeitenden
Band. Die Ausdauer und der Enthusiasmus
solch gereifter Gentlemen waren unglaublich. Der kleine Harry Gold, ein jugendlicher 78er, wechselte mit einer Kraft, die
sein Alter und seine Statur Lügen strafte,
vom Tenorsaxophone zum übergroßen
Bass Saxophone. Man musste wieder an
Adrian Rollini denken, von dem Harry Gold
das Bass Saxophone gekauft hatte. All diese
Jahre sind vergangen, doch haben wir immer noch die Gelegenheit, seinen fantastischen Ton zu hören.
Die Tour war von Norden nach Süden ein
großer Erfolg begleitet von begeisternden
Zeitungsmeldungen. Ihr Ruf eilte ihr ständig
voraus. Radiostationen strahlten Aufnahmen der Band aus. Die Konzerte waren ausverkauft. Die Menschen fuhren von einer
Stadt zur nächsten, um die Band wieder eine Nacht zu hören. Die deutschen Menschen hatten die Band ins Herz geschlossen.
Beim Abschied auf dem Flughafen fühlte ich
mich traurig, denn ich hatte deren Erfolg
und die Musik, die Konversationen und den
Humor im Bus der Band sehr genossen.
Zu dieser Zeit wusste ich noch nicht, dass
wir uns bald wieder treffen würden. Der Direktor des prestigeträchtigen „Palast der
Republik“ in Berlin hatte ein Telegramm
nach London geschickt. So kamen sie in weniger als 5 Monaten wieder zurück. 4000
Karten waren verkauft, bevor ihr Flugzeug
auf deutschem Boden landete, Yes, „Harry
Gold and his Pieces of Eight“ sind in Ostdeutschland sehr bekannt.
Karlheinz Drechsel „Stimme der DDR“ Radio Berlin“
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WWW.JUST-FOR-SWING.DE.VU
DIVERSE AUFTRITTSTERMINE
JUST FOR SWING (Leipzig)
http://www.jazzfan24.de/JFS/Aktuell.htm
HOT & BLUE JAZZ BAND (Meerane)
http://hot-and-blue-jazz-band-meerane.de/
IMPRESSUM
Herausgeber
JUST FOR SWING
Just For Swing ist eine Non-Profit Organisation zur
Verbreitung des Swing Virus
12.07.14
21.09.14
28.09.14
12.10.14
17.00 Uhr Weingut Pawis, 06632 Zscheiplitz bei Freyburg/U.
16.30 Uhr Ev. Kirche, Kirchstr.1, 09577 Niederwiesa
17.00 Uhr Ev. Kirche Neuwelt, 08340 Schwarzenberg
16.00 Uhr Ev. Kirche Ringethal, 09648 Ringethal bei Mittweida
JAZZ IM HOPFENSPEICHER
http://www.hopfenspeicher.de/Veranstaltung.html
JAMSESSION IM KULTUR-CAFÉ RUMPELKAMMER
Redaktion: Detlef A. Ott (Herausgeber)
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Peter M. Colev, Gerd
Mucke, Klaus Kirst, Winfried Maier
Jeden 2. Freitag im Monat, Dresdner Straße 25, 04103 Leipzig
Telefon: 0341 5 61 43 62
E-Mail: [email protected]
Web: www.jazzfan24.de/JFS/
Die Gazette erscheint einmal vierteljährlich und ist ein
Magazin, welches durch ehrenamtliche Mitarbeiter
gestaltet wird. Für unaufgefordert eingesandtes Material
besteht keine Rückgabepflicht. Alle Beiträge sowie das
Bildmaterial sind urheberrechtlich geschützt.
Die letzte Ausgabe des Jahres erscheint
diesmal erst im Dezember 2014
Leserbriefe
Vielen herzlichen Dank für JFS-Gazette. So
viel Wissenswertes über JAZZ SCENE in
Leipzig ist ein Genuss beim Studieren. Es ist
dir wieder einmal eine schöne Zeitung gelungen und ich weiß zu schätzen ,wie viel Arbeit
dahinter steckt. Meine Gitarre hätte es sich
nicht träumen lassen noch auf ihre alten Tage
auf der Titelseite einer Jazzzeitung verewigt
zu sein. (E.B.)
Wow. Wie immer ganz wunderbar und inzwischen auch schon richtig "fett" im Umfang.
Danke natürlich besonders für die Seite mit
den Hobbyjazzern. In so einer notendominierten Hochkulturstadt wie Leipzig führen die
nichtkommerziellen Nichtklassikfans ja doch
eher ein bescheidenes Dasein, besonders was
das Medieninteresse betrifft. Durfte allerdings
gerade gestern einem interesannten Vortrag
über die Hotelerieentwicklung in Leipzig lauschen.
Als besonders reizvoll empfinden LeipzigBesucher demnach na was wohl? Die vielfäl-
tige "Kulturszene-Landschaft" fernab der großen
Häuser! Und was wäre die ohne Hobbyjazzer???
(F.S.)
natürlich mit Interesse habe ich die neue Ausgabe
Deines Magazins gelesen. Interessanter weise bin
ich im Artikel über die Breves auf den Namen
Trentschel gestoßen. Mit einem Joachim Trenschel habe ich ab 1986 bei den " Rogers" Tanzmusik gemacht. Er war auch vorher schon bei den
Rogers, die Mittwochs immer in der Bar ( Femina) in der Königshauspassage Jazz gemacht haben. Ich nehme jetzt mal an, dass das sein Vater
( Berufsmusiker zu DDR Zeiten) war. Er erzählte
immer dass der immer erst früh, meist angeheitert
nach hause gekommen ist. Sonst mir aber nichts
darüber bekannt und es wurde auch nie darüber
gesprochen, wo sein Vater einst gespielt hat. Der
Joachim lebt noch in Grünau. Kontakt zu ihm habe ich keinen mehr. Er müsste
jetzt so 78 Jahre alt sein.
(D. E.)