„Von wo man die Brandung hören kann“ nannten die

Transcription

„Von wo man die Brandung hören kann“ nannten die
ROLLER-REISE
EIN BISSCHEN L. A., MALIBU UND RUNDHERUM
TEXT ANDREAS AMOSER
FOTOS ANDREAS AMOSER, ALESSIO BARBANTI, TOM RILES, M. BERNLEITNER
„HUMALIWO“
„Von wo man die Brandung hören kann“ nannten die
Chumash-Indianer ihr Land an der Küste des Pazifik,
das heute die Reichen und Schönen magisch anzieht.
Im Sattel des T-Max reiten wir durch Geschichte,
Glanz und Kurven von Malibu
1
(1) Beim Rockstore
wid der Mulholland
Highway hochexplosiv
(2) Die Movie Colony:
Stars, Drogen und
Skandale mit
Meerblick
54
www.motomobil.at
N
ach einigen tausend entspannten Jahren kam es
1769 plötzlich zum Gedränge. Eine Expedition, geführt von Gaspar de Portola im Namen der spanischen Krone, durchquerte Malibu am
Weg nach San Francisco. Ein paar
Jahre später standen fünf Missionen
am Land der Chumash-Indianer und
ihre Zahl hatte sich um 90 Prozent
auf 2000 Seelen verringert. Gott und
das Geld standen in jenen Tagen
auf der Seite des Vizekönigreichs
Neuspanien, das sich in seiner größten Ausdehnung von Utah bis Venezuela erstreckte.
Im Wirrwarr der Befreiung von den
europäischen Kolonialherren, des
amerikanisch-mexikanischen Krieges und der Besiedlung des Westens
fanden sich die wenigen übrig gebliebenen Chumash am Anfang des 20.
Jahrhunderts schon wieder auf der
falschen Seite: Gott und das Geld hatten Rancho Malibu im Privatbesitz
erworben und mehrmals weiterver-
kauft. Ein gewisser Herr Rindge gilt
heute als Gründervater von Malibu
und wird als großer Philosoph und
Poet verehrt. Er hinterließ uns sogar
Gott und das Geld
sind immer auf
der richtigen Seite
das Buch „Happy Days in Southern
California“, in dem er Malibu als amerikanische Riviera für die Begüterten
auslobte. Seine selbstlose Bereicherung aus höchst gewinnträchtigen
Wirtschaftsprojekten zusammen mit
tiefreligiösem Eifer waren und sind
charakteristisch für die wunderbare
Scheinheiligkeit dieser Region.
Mit der Scheinheiligkeit war es kurzzeitig vorbei, als die selbstbewusster
gewordene Offentlichkeit in den
1920er-Jahren Zugang zu Malibu
verlangte. Nach langem Rechtsstreit
und bewaffnetem Widerstand der
Rindge-Leute wurden die Zäune an
2
www.motomobil.at
55
ROLLER-REISE
der Küstenstraße, der Rancho Malibu Road, schließlich geräumt. 1929
wurde eine durchgehend asphaltierte
Straße durch Malibu, der Roosevelt
Highway, eröffnet. Später integrierte
man diesen Teil des PCH, des Pacific
Coast Highways, als CA-1 (California
State Route 1) ins amerikanische
Straßennetz. Und heute nennen die
überwiegend weißen Anwohner die
Straße ganz schlicht „Ferrari Highway“.
W
ir satteln die Hühner in
Downtown Los Angeles, wo,
von vielen Touristen unbemerkt, in
den vergangenen Jahren eine beachtliche städtebauliche Metamorphose
stattgefunden hat: Das trostlose, bei
Einbruch der Dunkelheit schlagartig
menschenleere Straßenbild wandelte sich zwischen Staples Center und
Broadway in eine lebendige Innenstadt mit feinen Wohnungen und
breitem Angebot an Gastronomie
Downtown L. A. hat
sich von trostlos zu
chic & hip gewandelt
und Unterhaltung. Öffentliche Verkehrsmittel in Downtown und im
Großraum sind inzwischen so weit
ausgebaut, dass man das Auto bei einem Besuch der Stadt sehr gerne in
einer suburbanen Park-&-Ride-Garage zurücklässt, um sich der Schiene
anzuvertrauen.
Aus den Betonschluchten der Innenstadt schwemmt es uns am Sunset
Boulevard durch Echo Park und Silver Lake nach Westen. Hier hat sich
die Atmosphäre in den vergangenen
Jahren ebenfalls beträchtlich aufgehellt. In den launig restaurierten
Nachbarschaften wechseln sich bunte Läden mit teilweise sehr individuell gestalteten Lokalen und dem unvermeidlichen Fast-Food-Restaurant
ab. Vergessen sind die Tage, als man
sogar im benachbarten Hollywood
nach Einbruch der Dunkelheit lieber
ein bis zwei Reservemagazine mitführte.
Entlang des schnurgeraden Santa
Monica Boulevards durch Hollywood
nimmt die Schwerkraft des Geldes
56
www.motomobil.at
EIN BISSCHEN L. A., MALIBU UND RUNDHERUM
proportional mit der Größe und der
Zahl der Luxuskarossen zu und erreicht zwischen Highland Shopping
Center und der Oskarbude, dem
Chinese Theatre, einen ersten Höhepunkt am Weg ins Schlaraffenland.
Wer sich jetzt noch größer als 120
Zentimeter fühlt und fest an das
biblische Kamel vor dem Nadelöhr
glaubt, darf den Weg durch Beverly
Hills und Century City fortsetzen.
Kurz durchatmen kann man nach
der Interstate 405, dann signalisiert
das Stadtschild von Santa Monica
eine erneute Prüfung des Glaubens.
Die ist entlang der etwas vergammelten Hauptstraßen leicht zu bestehen
– fast jede italienische Küstenstadt
wirkt im Vergleich um Klassen hochwertiger.
A
sche für das Haupt benötigt
man erst bei Abstechern durch
die Wohngebiete von Brentwood
oder Pacific Palisades. Wir bleiben
aber am direkten Weg zum Pazifik
und erreichen die Ocean Avenue.
Von den Palisaden entlang der Ocean
Ave schweift das Holzauge von der
Küstenlinie Malibus über die 15-Millionen-Dollar-Schuppen vor dem
Sandstrand in Santa Monica bis zum
Santa Monica Pier. Hier kündet das
kleine Schild „End of Route 66“ vom
Klimax und gleichzeitigem Ende des
Westens.
Zwei historische Momente entzündeten die in Buch und Film so eifrig
besungene Faszination des amerikanischen Westens: Mitte des 19. Jahrhunderts sollte der Slogan „Go West,
Young Man!“ die weiße Besiedlung
ZUM AUTOR
ANDREAS AMOSER ist als
„motomobil“-Korrespondent in
Kalifornien – dem Pionierland
bei alternativen, umweltfreundlichen Antrieben – stets am
Puls der neuesten Technologie.
Umso mehr, als er von dunkler
Vergangenheit geplagt wird: In
seiner schwierigen Jugend fuhr
Kollege Amoser die größten V8Ungeheuer und die brüllendsten
Zweiräder. Seine regelmäßigen
Briefe aus Amerika dürfen
wir als Zeichen tätiger Reue
gelten lassen
(1) Von der Innenstadt ist man
über den Santa Monica Boulevard
recht zügig an der Küste
(2) Oder fährt am Sunset
Boulevard am berühmten
Beverly Hills Hotel vorbei
3
Die Küstenstraße
nennt man jetzt
„Ferrari Highway“
des Westens fördern. Nur wenig später waren Ost- und Westküste durch
Schienen verbunden. Knapp 80 Jahre
danach wurde die Route 66, die „Mother Road“, von Chikago nach Los
Angeles komplettiert. Die letzten Meter bis zur Westküste entlang Sunset
Boulevard und Santa Monica Boulevard. Goldrausch, Wirtschaftskrisen,
Abenteuerlust und Umweltkatastro-
1
6
2
4
5
(3) Abstecher über den
kostspieligen Rodeo Drive
(4) Nach Einbruch der Dunkelheit
geht man in Hollywood
kaum noch auf die Straße
(5) High sein, frei sein,
T-Max muss dabei sein
(6) Am Hollywood Boulevard findet
man die richtigen Geschäfte …
www.motomobil.at
57
ROLLER-REISE
EIN BISSCHEN L. A., MALIBU UND RUNDHERUM
phen bewogen Hunderttausende, ihr
Glück im Westen, vornehmlich im
„gelobten Land“ Kalifornien, zu suchen. Etwa zeitgleich mit der Route
66 wurde der letzte Abschnitt – die
Rancho Malibu Road – des heutigen
Highway 1, die „Traumstraße Amerikas“ entlang der Küste, eröffnet.
Hinter uns also die Route 66, vor uns
die Traumstraße Amerikas. Wir stürzen uns über die Verbindung dieser
Straßen – eine Rampe über die Pali-
Hinter uns die Route
66, vor uns die Traumstraße Amerikas
saden zwischen Ocean Avenue und
Pacific Coast Highway – hinunter
und lassen uns im Windschatten von
Ferraris und Bentleys in Richtung
Malibu ziehen. Nach dem Temescal
Canyon ist der Straßenrand auf der
Strandseite komplett zugeparkt. Sehr
zum Verdruss zahlreicher Radfahrer,
die zwischen hastigen Kolonnen und
geparkten Fahrzeugen den Schwanensee tanzen müssen. Wie gewohnt
in sorgenfreien Nachbarschaften,
wird alles Umweltgute tatkräftig
unterstützt, und die Rufe nach einer
Lösung des Freizeit-Fahrrad-VerkehrDilemmas tönen inzwischen lauter
als die offenen Endrohre aufgedrehter Lamborghinis. Man darf erwartungsfroh verfolgen, was den Planern
zu dem oft hoffnungslos verstopften
Straßenabschnitt zwischen Topanga
Canyon und Santa Monica einfallen
wird.
A
n der Kreuzung mit dem Sunset
Boulevard lockt das Fischrestaurant Gladstone’s mit „Nimm-2,zahl-1“-Krabbencocktails. Als kulturbewusste Europäer folgen wir aber
den Wegweisern zur Getty Villa, um
die zivilisatorischen Errungenschaften der Neuzeit zu bewundern. Das
vom Ölgroßhändler Getty als Wohnsitz geplante Museum im römischen
Baustil mit Legionen klassischer Statuen, einer Steinlawine von Kunstgegenständen und obligater Tiefgarage
unter dem Haus vermittelt einen
guten Eindruck von den Dingen zu
Zeiten eines Nero und Caligula. 2000
58
www.motomobil.at
3
1
Jahre später hat die Menschheit solche Fehlentwicklungen lange hinter
sich. Das Wort „Arbeitssklave“ ist politisch nicht mehr korrekt, wir dürfen
heute viel länger produktiv sein und
bekommen sogar einen Teil unserer
eingezahlten Beträge als Pension
zurück. Dazu gibt es Fernsehen und
Fußballspiele als Belohnung. Zwei-
Im Kurvengewühl der
Canyons sollte man
schwindelfrei sein
fellos ein Grund, die heutigen Neros
und Caligulas zusammen mit ihrem
Polit-Kasperltheater hochleben zu
lassen. Leider aber kennen die meisten Menschen keine Dankbarkeit.
Der Eintritt in die Getty Villa ist frei,
muss aber im Voraus gebucht werden. Parkplatz und Caféhaus sind
nicht frei, aber gediegen.
Es geht weiter zur Abzweigung in
den Topanga Canyon. Hier fällt die
Entscheidung über die Fahrtrichtung
unserer Malibu-Runde. Wer sich
schon vor der Mittagsstunde wach
genug fühlt, um das erbarmungslose
2
Kurvengewühl des Topanga schwindelfrei zu durchmessen, kann über
Woodland Hills oder Calabasas den
unteren Teil des Mulholland Highways erreichen. Der Mulholland beginnt schon in den Hollywood Hills,
ist aber auf seinem sehr kurvigen
Weg zwischen sehenswertem, leider aber nicht immer einsehbarem
Prunk teilweise nicht asphaltiert und
für den Verkehr gesperrt. Zwischen
Woodland Hills und dem Carrillo
State Park am Meer waltet er dann
gleichzeitig als Verteiler und unerbittlicher Türsteher der Malibu Mountains.
Es gilt die einfache Regel: Wer über
seine Verhältnisse fährt, fliegt raus.
Was zwischen Malibu Lake und
Kanan Road manchmal lemminghafte Zustände heraufbeschwört.
Dieser Streckenteil ist besser unter
dem Namen des weithin berühmten
Zweiradtreffs, der legendären Imbissbude „Rockstore“, bekannt. Wer sich
an Wochenenden hinauf in die letzte
Links-Spitzkehre stellt, wird neben
dem idyllischen Panorama in schöner
Regelmäßigkeit mit einem staubreichen Abgang belohnt. Auf Youtube
(1) Einfache Regel: Wer über seine
Verhältnisse fährt, fliegt raus
(2) Das Malibu Pier wurde ursprünglich
als private Schiffsanlegestelle gebaut
(3) Southern California: Die Homeless schnitzen
Sandfiguren und freuen sich über zugeworfene Münzen
(4) Vor der Abfahrt, noch mit niedrigem Ruhepuls
(5) Das kennt man: Santa Monica Pier
mit dem berümten Rollercoaster
4
kursiert ein ganzes Kompendium solcher Bodenübungen.
D
er „Fluch des Mulholland“ materialisiert sich in Malibu ebenso
häufig und vehement wie der „Fluch
der Rindge-Familie“, wenn der Coast
Highway wieder einmal von einer
Mure verschüttet wird.
Eingeschüchtert vom dunklen Eingang in den Topanga Canyon folgen
wir lieber der Bilderbuchatmosphäre
des Pacific Coast Highways und bestaunen alsbald das Stadtschild der
Stadt Malibu. 13.000 Einwohner, 16
Fuß über dem Meeresspiegel. Der
Vollständigkeit halber hätte man
die Statistik um eine Zeile erweitern
müssen: Durchschnittseinkommen
5
www.motomobil.at
59
ROLLER-REISE
EIN BISSCHEN L. A., MALIBU UND RUNDHERUM
2
4
3
5
(1) Kalifornien-Korrespondent Amoser und „motomobil“Gründer Bernleitner an einem der Lieblingsplätze
(2) Das Warten auf die richtige Welle kann dauern
(3) Auf den späten Spuren von Baywatch
(4) Surfer mit Tagesfreizeit müsste man sein
(5) So ruhig ist’s hier nur in der kühlen Jahreszeit
1
273.000 Dollar pro Jahr. Das freilich
inkludiert die zahlreichen Servicekräfte, die in Malibu zur Miete wohnen.
Rund um den Pier schlägt das Herz
von „The Bu“, wie Malibu innerhalb
der Surfergemeinde genannt wird.
Der vom Pier aus gut einsehbare
Surfrider Beach gilt in Wellenkreisen
als Mutter und Seele des Surfsports.
Man gibt sich spirituell und historisch. Aus alten Steinzeichnungen
wird geschlossen, dass die ChumashIndianer – ihres Zeichens hervorragende Kanubauer – bereits 2000
vor Christi Geburt die belebenden
Kräfte des Wellengleitens genossen
hätten. Als dann nach dem Zweiten
Weltkrieg ausgerechnet in Malibu
das erste ausgeschäumte Plastikbrett
hergestellt wurde, war die jahrtausendelange Surf-Vormachtstellung von
„The Bu“ so gut wie bestätigt.
60
www.motomobil.at
A
ls unbedarfte Beobachter am Pier
versuchen wir vergeblich, mit
der spirituellen Energie der Umgebung eins zu werden. Da hocken 50
Leute im Wasser, die Köpfe nebeneinander aufgereiht, und warten auf die
Welle. Irgendwann trifft jene ein und
ungefähr die Hälfte der Wassertreter
springen auf die Boards, um nach ein
paar Sekunden stoisch zu versinken.
Vielleicht muss man diesen Sport ab-
Die Surf-Community
pflegt die Rituale
mit tiefer Inbrunst
seits wirklich hoher Wellen mehr als
Fitnesstraining verstehen. Mehr historische Spiritualität wird heute auf der
anderen Seite des Piers geboten: Hier
durchlebte der Sänger Cat Stevens im
Jahre 1976 nach einem missglückten
Schwimmversuch eine Nahtoderfahrung und erwachte als gläubiger
Muslim aus dem Koma. Nach Malibu
kommt er heute allerdings nicht mehr,
weil ihn die Behörden nicht mehr ins
Land einreisen lassen, und die Homeland Security im Jahre 2004 sogar ein
Passagierflugzeug wegen ihm umleitete. Oh Baby, it’s a wild World.
Nicht weit vom Pier, das einst als
Anlegeplatz für die Yacht der Rindges gebaut wurde, steht die illustre
Movie Colony, der Ausgangspunkt
der Besiedlung von Malibu. Als die
Rindge-Witwe in den späten 1920erJahren aus finanziellen Gründen Land
verkaufen musste, gelang es, die Aufmerksamkeit Hollywoods zu gewinnen: Bing Crosby, Gary Cooper und
Jack Warner zählten zu den ersten
„Zugereisten“ in Malibu. Heute kosten
die bewachten Luxusbuden neben der
Malibu Lagoon bis zu zehn Millionen
Dollar und man findet auch in den
hinteren Reihen ohne Meeresblick
kaum mehr Bauland.
E
in schneller Kaffee in der nett
gestalteten Einkaufsplaza beim
Civic Center und weiter geht es zum
Mittagessen in die elitäre Paradise
Cove. Auch hier gibt es ein Pier und
einen wunderbaren, frei begehbaren Sandstrand. Worüber in Malibu
heftig gestritten wird, weil einige
Besitzer von Strandimmobilien das
Wegerecht entlang des Strandes für
die Allgemeinheit blockieren wollen.
Gesetzlich ist die Sache klar geregelt:
Alles Land bis zur hohen Gezeitenlinie gehört dem Staat und darf nicht
Die Immobilienpreise
haben mittlerweile
ganz viele Nullen
abgesperrt werden. Was aber das bewaffnete Wachpersonal der Anrainer
nicht davon abhält, den Durchgang zu
blockieren…
Nach ausgiebiger Völlerei unter den
Strohschirmen des Beach Cafés fühlen wir uns stark genug, die Malibu
Mountains zu attackieren. In unmit-
ROLLER-REISE
telbarer Nähe der Paradise Cove liegen zwei höchst selektive Asphaltstücke: die schnelle, neue Kanan Dume
Road oder die Schlingen und Windungen der Latigo Canyon Road, die
schon so manchen Zweiradartisten
wie eine Boa Constrictor umschlungen und verzehrt haben. Beide Wege
treffen sich oben beim Rocky Oaks
Park mit dem Mulholland Highway.
Mit dem Yamaha T-Max 530 ist es natürlich Ehrensache, dem Latigo Canyon einen Stempel auf den Asphalt zu
drücken, was aber auf dem griffigen
Asphalt auch einiges an Material von
der Unterseite des Rollers kostet.
Immer wieder bremst der spektakuläre Blick über Küste und Meer den
Vorwärtsdrang. „Ins Land hineinschauen“ richtet die Aufmerksamkeit aber auch auf ein anderes, sehr
unangenehmes Thema: regelmäßige
Brandkatastrophen, die wegen des
trockenen Unterholzes und der hohen Windgeschwindigkeiten in den
Canyons kaum zu beherrschen sind.
Nach einigen feuerlosen Jahren ist
Am griffigen Asphalt
muss der Roller
Material opfern
das Unterholz so leicht entzündlich,
dass man es „Gas on a Stick“ nennt.
Es muss also in regelmäßigen Abständen brennen – was früher, als noch
nicht auf jedem Hügel ein Haus stand,
kein Problem war. In seinem Buch
„Ecology of Fear“ beschreibt Autor
Mike Davis Malibu als „Katastrophenhauptstadt Amerikas“. In Zeitungsberichten wird das noch übertroffen:
Die Los Angeles Times berichtet über
einen Brand im Jahr 1978, der, getrieben von Windgeschwindigkeiten an
die 200 km/h, von Woodland Hills bis
zum Meer raste und dort den Pacific
Coast Highway übersprang. Es war so
heiß, dass Vögel in der Luft explodierten und Häuser wie bei einer Nuklearexplosion implodierten, ohne mit
dem Feuer in Berührung gekommen
zu sein.
Natürlich sind Bilder des brennenden Malibu wesentlich publikumswirksamer als irgendein Gebäude, in
dem dutzende Immigranten zu Tode
62
www.motomobil.at
EIN BISSCHEN L. A., MALIBU UND RUNDHERUM
Vom Rockstore fließt der Mulholland
Highway in zügigen Schwüngen vorbei am Lake Malibu und in die stark
besiedelten Städte Calabasas und
Woodland Hills. Dort biegen wir, bereit zum letzten Gefecht, in den Topanga Canyon ein. Nach 19 Uhr lässt
das Verkehrsaufkommen im Topanga
Canyon nach und man kann in den
5
die zügig durchfahrenen Kurven
den Blutdruck zu sehr in die Höhe
getrieben haben, kocht Veronica auf
Wunsch eine delikates cholesterinfreies Eiweiß-Pilz-Omelett. Ein lokaler
Journalist beschrieb den Rockstore in
sehr treffender Weise als „Kirche der
verlorenen Seelen, die ihren Weg zu
Gott mit dem Gasgriff in der Hand
suchen“.
1
Rockstore: „Der Weg
zu Gott mit dem
Gasgriff in der Hand“
breiten und griffigen Kurven bis zur
Passhöhe nach Herzenslust umlegen.
Bergab werden die Kurven ein wenig
kniffliger und sind nicht gut einzusehen. Der Topanga ist ein Kurvenpaket
höchster Gute, wegen der beschränkten Überholmöglichkeiten aber nur
außerhalb der Hauptverkehrszeiten
empfehlenswert.
Im Dörfchen Topanga biegen wir
nach rechts in die Old Topanga Road
ein und finden nach wenigen Metern
den Parkplatz des Restaurants „Inn of
the Seventh Ray“. Trotz des umständlichen Namens wird im Zen-Gastgarten das beste Essen der weiteren
Umgebung zu durchaus akzeptablen
Preisen serviert. Am Himmel spiegeln sich noch die letzten Farben des
Sonnenuntergangs, als wir satt und
zufrieden in Richtung Pacific Coast
Highway rollen.
„Du kannst das Land nicht lieben,
wenn du seine Geschichte nicht
kennst“, steht im Malibu Lagoon Museum, einem ehemaligen Wohnhaus,
das auf eine Felsstufe gegenüber des
Piers gebaut wurde. Immer, wenn
ich mich in den Canyons von Malibu herumtreibe, frage mich, ob man
diese Ecke des Westens nicht höher
schätzt, so man seine Geschichte
nicht kennt.
triptipp
2
kommen. Wo sonst kann man russgeschwärzte Celebrities auf der Flucht
Seite an Seite mit dem gewöhnlichen
Volk ablichten? Natürlich triefen auch
die Interviews der Gerade-noch-Geretteten vor allergrößter Dramatik. So
deklamierte ein drittklassiges Filmsternchen vor laufenden Kameras:
„Es war die Hölle, Leute. Ich habe jeden Moment damit gerechnet, dass
sich die Erde öffnet und Satan herausspringt.“
3
bekannte Gesichter aus dem Showbiz. Und einige Dienstkappen, die
versuchen, gröberen Unfug auf der
Strecke zu verhindern. Seit 1962 betreibt das Ehepaar Ed und Veronica
die urige Hütte mit Souvenirstand unter der Dachschräge. Die T-Shirts sind
billig, das Essen ist gut, die Pancakes
sind himmlisch. Das Lokal ist besonders für seinen unwiderstehlichen
Himbeerstrudel mit Schlagobers und
Vanilleeis weithin bekannt. Wenn
N
ach etwa 20 Kilometern mündet
der Latigo Canyon in die Kanan
Road und diese kreuzt ein paar hundert Meter weiter den Mulholland
Highway. Jetzt richtet sich alle Konzentration auf den Sturzflug Richtung Rockstore: 35 gehaltvolle Kurven später rollen wir auf den großen
Parkplatz vor der alten Bude aus Holz
und Steinen.
An den Wochenenden ist der Parkplatz voll mit Bikes, man sieht viele
(1) Die zwei wichtigsten Utensilien in
Strandnähe: Beach
Cruiser und Wideboard
(2) Goldene Stimmung
beim Tagesausklang
(3) Teure Strandbetten und Cabanas
in Paradise Cove
(4) Kurvenwut im
Topanga Canyon
(5) Das empfehlenswerte Subway beim
Malibu Civic Center
AUSFLÜGE & ATTRAKTIONEN
BIKE & SCOOTER RENTAL
Hier sind die Insider-Empfehlungen der „motomobil“-Roller-Redaktion.
Kultur und Geschichte:
J. Paul Getty Museum, www.getty.edu/museum
Malibu Lagoon Museum/Adamson House, www.adamsonhouse.org
Santa Barbara Museum of Natural History, www.sbnature.org
Szenisches kalifornisches Strandleben:
El Matador Beach, 32215 Pacific Coast Highway, Malibu
Tipps für Wanderungen:
www.parks.ca.gov/?page_id=630
Hollywood Celebrities:
Malibu Colony, 23000 block of Pacific Coast Highway, Malibu
Muss man hin:
Malibu Pier, 23000 Pacific Coast Highway, Malibu
Ordentlich zubereiteten Kaffee trinken:
Marmalade Cafe Malibu, 3894 Cross Creek Road, Malibu
Cafe Habana Malibu, 3939 Cross Creek Road, Malibu
The Malibu Cafe, 327 Latigo Canyon Road, Malibu
Guten Wein verkosten:
Vinothek Cornell, 29975 Mulholland Highway, Cornell, www.cornellwinery.com
Essen mit Blick aufs Wasser:
Paradise Cove Beach Cafe, 28128 Pacific Coast Highway, Malibu,
www.paradisecovemalibu.com
Sitzen, essen, schauen, einkaufen:
Malibu Lumber Yard, www.themalibulumberyard.com
EagleRider ist der
weltweit größte
Motorradverleiher
und bietet in einigen
kalifornischen Filialen
Mietroller (darunter
auch Vespa und
Piaggio MP3) an;
www.eaglerider.com/
scooter-rental. Scooter
VINTAGE VESPA FOR RENT
Rentals gibt es weiters
bei Route 66 Modern
Classics in Marina del Rey, 4161 Lincoln Boulevard, CA 90292,
Tel. 001/310/578 0112; www.rt66mc.com. Oder etwas Extravagantes
gefällig? Eine 1965er-Vintage-Vespa mit Seitenwagen gibt es
bei Pangea zu mieten, 865 Via de la Paz 209, Pacific Palisades,
CA 90272, Tel.: 001/310/463 8088; www.pangeagroup.com.
Elektrofahrräder und kleine E-Scooter gibt es in 2803 Main Street,
Santa Monica, CA 90405, Tel.: 001/310/310 88946;
www.izipstore.com
4
HOLLYWOOD BOULEVARD
SEAFOOD IN PARADISE COVE
INFOS & WWW
In Österreich hat das amerikanische beziehungsweise
kalifornische Fremdenverkehrsamt keine offizielle Vertretung. Das
Visitor Center in L. A. Downtown hat die Adresse 685 Figueroa
Street, Los Angeles, CA 90017-3410, Tel.: 001/213/689 8822. In
Hollywood gibt es touristische Vor-Ort-Infos im Hollywood &
Highland Center, 6801 Hollywood Boulevard, Hollywood, CA
90028-6136. Das Santa Monica Walk-in Visitor Information
Center befindet sich in 1920 Main Street, Suite B, Santa Monica,
CA 90405, Tel.: 001/310/393 7593. Offizielle, sehr umfangreiche
und informative Websites sind www.visitcalifornia.com und
www.discoverlosangeles.com (hier auch mit Tipps zu den
Beach Cities wie Santa Monica und Malibu).
www.motomobil.at
63