Diskussionspapier Connected Cars
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Diskussionspapier Connected Cars
Connected Cars – ein Diskussionspapier zum Thema Services Die Autorengruppe „Connected Cars“ im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. beleuchtet in einer neuen Serie von drei Diskussionspapieren die Sichtweisen verschiedener Marktseiten auf Anforderungen und Entwicklungen zukunftsorientierter Services rund um das Ökosystem von Connected Cars. Die Serie dient der Auseinandersetzung mit den spezifischen Ansatzpunkten der Angebots-, Nachfrage- sowie Datenschutz-Seite und will ein einheitliches Verständnis dafür schaffen, gemeinsam Herausforderungen zur Weiterentwicklung zu identifizieren. Den Auftakt der Serie macht das Diskussionspapier „Services bei Connected Cars“, das aus Sicht von einzelnen Digitalexperten die Anforderungen an digitale Services klar aufzeigt und aktuelle Nutzer-Probleme in solchen Anwendungs- und Entwicklungsbereichen beleuchtet, die mit digitalen Services gelöst werden können. Inhaltsübersicht 1. Einleitung 2. Connected Car: Chancen für Content und Services 2.1. Entertainment, Navigation und Co. 2.2. Vernetzung von Informationen 2.3. Services im B2B-Bereich 2.4. Begleitende Services/Car-Sharing 2.5. Autonomes Fahren 3. Datenschutz und Datensicherheit beim Connected Car 4. Anforderungen 5. Zusammenfassung der Erfolgskriterien für digitale Services im Kontext Connected Car 6. Fazit 1. Einleitung Die Automobilbranche – einer der größten Industriemärkte der Welt – steht vor einem tief greifenden Wandel. Die Impulse für den Wandel kommen dabei kaum aus der Branche selbst, sondern aus anderen Bereichen. Große Marktplayer wie Google und Apple, aber auch innovative Start-ups drängen in den Markt und leiten eine nicht umkehrbare Phase der digitalen Transformation ein. Unterstützung bekommen sie dabei von den Konsumenten, die zunehmend auf proprietäre Systeme und Strukturen verzichten und darauf bestehen, dass ihr „persönlichstes“ Gerät – das Smartphone – auch als zentrales Steuerungssystem für die Connected Services im Pkw genutzt werden kann. Zudem legen gerade die jüngeren urbanen Konsumenten nicht mehr gesteigerten Wert auf den Besitz eines eigenen Autos/Kfz, stattdessen fordern sie einen intelligenten – und bisweilen auch schon intermodalen, verkehrsträgerübergreifenden – Zugang zu Mobilität. Damit wird ein ehemaliger Produktmarkt in einen Servicemarkt transformiert. Mobilität selbst wird nicht mehr als Produkt nachgefragt, sondern als ein smarter Service, und während der Nutzung der Mobilität unterwegs werden weitere smarte Services nachgefragt. Die Autoren zeigen in diesem Diskussionspapier die wesentlichen Formen von Services bei der Nutzung auf, seien es nun Enter- oder Infotainment, Navigation, die Buchung eines Mietwagens oder Services zur gemeinschaftlichen Nutzung. Es sind diese neuen smarten Services und die ihnen zugrunde liegenden Erfolgsfaktoren, welche die Transformation des Marktes vorantreiben. Erfahren Sie in diesem Diskussionspapier, welche neuen „Spiel“-Felder das vernetze Auto für die Digitalwirtschaft bietet und welche Services dort in Zukunft relevant sein werden. 2. Connected Car: Chancen für Content und Services Marktvolumen, OEMs und Prognosen Das Marktvolumen hinter dem erweiterten In-Car-Entertainment von Connected Cars ist schwer zu beziffern, zudem ist noch weitgehend offen, ob es zum Segen oder Fluch für traditionelle Anbieter wird. Unterschiedlichste Schätzungen zeigen für 2014 ein weltweites Volumen zwischen 10 und 15 Mrd. USD und erwarten bis zu 100 Mrd. USD für 2020. (1) Ohne in verschiedene Schätzungen einzusteigen: 14 Mrd. USD 2014 dürfte als Prognose allerdings erheblich zu niedrig liegen, und wenn man die heutigen Nutzungsprofile der jetzt schon über 40-jährigen “Digital Natives” in eine noch stärker vernetzte Zukunft des Jahres 2020 projiziert, erscheint die Versiebenfachung als eine fast noch konservative Extrapolation! Letztendlich geht es hierbei aber weniger um Marktvolumen, sondern vielmehr um die grundsätzliche Definition von Mobilität sowie das Selbstverständnis der OEMs (Original Equipment Manufacturers / Erstausrüster). Es wird zunehmend spannend. Unterschiedliche Entwicklungszyklen Spielt die im Vergleich zur bisherigen Fahrzeugentwicklung weitaus schnellere Generationenfolge bei Consumer Electronics eine relevante Rolle? Auf der Hardware-Seite geschieht dies vermutlich nicht – die Haltedauer eines Neuwagens beträgt im Schnitt weniger als 4 Jahre. In dieser Zeit rast der technische Fortschritt nicht so schnell voran, dass der Austausch fest verbauter Entertainment-Geräte im Fahrzeug anstünde. Was notwendig ist, lässt sich ggf. durch Betriebssystem- bzw. Software-Updates Over-the-Air regeln (dies wird schon aus Erfordernissen der Sicherheit zur Abwehr von zum Beispiel Hackerangriffen praktiziert): Der Betriebssystem-Support liegt bei Markenherstellern heute i. d. R. bei mindestens 3–4 Jahren. Der über den Kauf entscheidende Erstbesitzer wird sich somit nur selten mit dem Ersatz der eingebauten Hardware befassen, ebenso wenig wie bei fest eingebauten Navis/Navigationssystemen. Hardware-Modernisierung ist – falls sie überhaupt vorgenommen wird – Sache der Folgebesitzer. Allerdings kann die schnelle Generationenfolge insgesamt eine Wirkung auf die Marktdurchsetzung von Connected-Car-Entertainment-Lösungen haben: Je höher die zusätzlichen Ausstattungskosten, umso zurückhaltender die Verbraucher, die kontextuell eine schnelle Entwertung ihrer Investitionen befürchten. Für den Erfolg der Lösungen bleibt das Verkaufsargument „zukunftssicher!“ ein wichtiges. Das Segment der privaten Neuwagenkäufer (umfasst nur gut ein Drittel aller Käufer, die zudem durchschnittlich deutlich über 40 Jahre alt sind) könnte sich sonst wieder einmal, wie schon beim Elektroantrieb, als Bremser bei der Einführung von Innovationen herausstellen. Nahezu zwei Drittel aller Neuwagen werden zuerst auf Firmen zugelassen. Soweit hier nicht der User auch der „Chooser“/Kaufentscheider ist, zeigt sich in diesem Segment weniger ein Nachfragedruck im InCar-Entertainment als primär im Bereich solcher Connected-Car-Lösungen, die Fahrzeugsicherheit und Produktivität steigern sollen. Entertainment-Lösungen werden von diesen Käufern als „Beiprodukt“ gesehen. Deshalb kommt der umfassenden Integration von Sicherheitslösungen, optimierter Navigation, Fahrerassistenzsystemen sowie dann auch von Entertainment bereits bei der initialen Nachfragestimulation eine enorme Bedeutung zu. Neue Geschäftsfelder für OEMs In-Car-Entertainment bietet für OEMs (Erstausrüster) gänzlich neue Geschäftsmodelle. Langfristig wird das Automobil, ähnlich wie das Smartphone, zur multimedialen Plattform – zu einer multipel neuen Schnittstelle zwischen dem Konsumenten und der Wirtschaft. So lassen Seite 2 sich Streaming-Dienste wie Spotify im Musikbereich oder sogenannte Subscription-on-DemandDienste/Bedarfsbezug (SVOD) (z. B. Netflix im TV-Segment) bestens mit Leasingverträgen kombinieren. Mobilfunkverträge können hier zum Vorbild werden. Werbung wird die Unterhaltung im Auto noch mehr durchdringen, und faktisch wird es damit jederzeit möglich, hochtreffsicher personalisierte Werbung auszuspielen, und zwar ortsgebunden und direkt im Auto/Kfz. Das Automobil wird demnach mehr und mehr zu einer Plattform für diverse Mehrwertdienste/Nutzungssteigerungen; die OEMs stehen hier vor strategischen Positionierungsfragen: Wie tief können und sollen sie als Erstausrüster auf der digitalen Wertschöpfungskette vordringen? Können OEMs zu Softwareanbietern, Händlern oder sogar selbst zu Werbeplattformen werden oder zumindest solche aktiv exponieren? Letztendlich geht es um die ultimative Kundenbeziehung und damit um ein fundamentales Rollenverständnis im Anbieterbereich OEM. 2.1 Entertainment, Navigation und Co. Entertainment In der Technik der User-Interfaces wird die touch-basierte Steuerung zunehmend von Sprachsteuerung (technisch eher schon ein alter Hut!), Gestensteuerung (im 3D-Raum des Fahrzeugs) und Einlesen der Präferenz- und Anwenderdaten des Fahrers beim Einsteigen (aus Smartphone/-watch, Schlüssel etc.) abgelöst und die Hände können zumindest hierfür am Lenkrad verbleiben. Als Display werden, neben den im Dashboard integrierten Anzeigen, das auf einem in solider Halterung montierbare, vom Fahrer mitgebrachte und persönlich konfigurierte „BYOD“-Display (z. B. Tablet) eingesetzt, ferner werden zusätzliche Head-up-Displays eingebunden, letztere ggf. auch durch kleinste videogeeignete LED-Projektoren beschickt (als Bestandteile der ins KFZ eingebrachten Consumer-Electronic). Vorerst bleiben die OEM-seitig fest verbauten Anzeigen die primären bzw. vorherrschenden – jedes Fahrzeug lässt sich auch zukünftig uneingeschränkt ohne Zusatzgeräte (wie Tablets u. a.) be-/nutzen. Gleichwohl werden die 3rd-Party-Devices (Drittanbietergeräte/-software) unterstützt und bieten neben Unterhaltung vor allem mehr oder weniger nützliche Informationen. BMW zeigt aber auch, dass es anders gehen kann und wagt mit der hauseigenen neuen Smartglass „Augmented Vision“ einen gänzlich anderen Ansatz. BMW verlässt damit als erster OEM das Armaturenbrett und setzt auf Wearables / körpernah getragen unaufwendige Kleingeräte (in Zukunft zunehmend sogar als integraler Bestandteil von Bekleidungsstücken). Navigation Fahrzeugnavigation ist bislang für die meisten Nutzer eine digitale Einbahnstraße. Navigationslösungen beruhen meist noch auf stationär im Fahrzeug vorhandenen Karten und zum Beispiel auf von Rundfunksendern im Hintergrund ausgestrahlten Verkehrsmeldungen, die vor allem bei Festeinbaulösungen bei der Kartenanzeige des eingebauten Navis grafisch dargestellt werden. Die heutige Nutzung gibt den Navi-Herstellern nur noch wenig Raum zur qualitativen und nutzerrelevanten Produktdifferenzierung. Bis 2020 werden sich mit der Vernetzung von Fahrzeugen weitergehende Navigationslösungen im Markt etablieren und für einen großen Teil der Fahrer von „Connected Cars“ vermehrten Nutzen erbringen. Mit netzbasierter Funktionalität können sich die Anbieter mit Fokus auf Userbedürfnisse und Usability neu sowie zielgruppengerichtet positionieren. Mit den im Folgenden skizziert erweiterten Seite 3 Möglichkeiten der Bordnavigation „verschiebt“ sich der Zweck bzw. Nutzen der Fahrzeugnavigation erneut: von der heute dominierenden „Bring-mich-dahin“-Funktion zur interaktiven, optimal auf die situativ gegebenen Erfordernisse einer abgestimmten Routenberatung. 2.2 Vernetzung von Informationen Echtzeit-Verkehrsmeldungen Mit der Realtime-Ergänzung und ihrer Projektion auf den Kartenbildschirm wird die Weitergabe jeweils irrrelevanter Informationen technisch ausgeschlossen bzw. unterbleibt. Wie heute schon möglich, werden entsprechend der User-Präferenz nur relevante Meldungen angezeigt. Vernetzte „kollaborativ“ kontinuierliche Routenoptimierung Mit der Vernetzung ist eine automatisierte Kollaboration zur kontinuierlichen Routenoptimierung möglich. Dazu melden die dem System angeschlossenen Fahrzeuge ständig und in Realtime Informationen zurück, die nach zentraler Aus- und Bewertung über die verschiedenen Meldewege nicht nur breit an alle (Broadcasting im Datenstrom des Verkehrsfunks), sondern vor allem auch gezielt (per LTE u. a. Mobilfunk-Folgetechnologien) an die auf der Route befindlichen Fahrzeuge rückgemeldet und nach individueller Priorisierung im Navi-Bordsystem in Routenempfehlungen umgesetzt werden. Neben der nahezu Realtime-Anzeige werden so Informationen über Routenvorkommnisse stets aktualisiert sowie Routenverlaufsmodifikationen optimiert. Dabei kanalisieren vom Benutzer einstellbare Toleranzkriterien die Alternativsuche des Systems. Die Funktionalität an sich ist längst verfügbar, aber heute wegen der langsamen Meldewege und der mangelnden Dichte der automatisiert einbezogenen Datenpunkte faktisch noch ineffizient bzw. unzureichend. Intelligente Routenberatung Neben der Routenoptimierung auf Basis von Realtime-Verkehrsinformationen spielt die spontane Abweichung von der Ursprungsroute – zum Beispiel für zwischendurch zu erledigende Aufgaben/Besorgungen – eine zunehmende Rolle. Statt der umständlichen Eingabe neuer Zwischenziele werden diese künftig interaktiv auf Sprachbasis und intelligent unter Nutzung von Suchmaschinen eingefügt: Für die Zieleingabe genügt eine inhaltliche Zielbeschreibung („nächste geöffnete Tanke an der Route“, „nächstgelegener geöffneter Blumenladen nicht mehr als 1 km von der Route“ etc.). Diese Eingabe wird interpretiert (Google, Siri) und dann als geänderte Route mit neuem Zwischenziel zur Bestätigung präsentiert. „Rudimentäre“ Basiskarte wird in Realtime ergänzt Die weiterhin auch im Fahrzeug-System gespeicherte Basiskarte wird in Realtime ergänzt, um Informationen wie temporäre Geschwindigkeitsbegrenzungen, Baustellen, Straßenzustand, reale und/oder zum Zeitpunkt der Durchfahrt erwartete Verkehrslage aufzuzeichnen. Routenberechnungen und Zeitbedarfe werden dem sofort angepasst. Technisch schon längst ein Merkmal von hochwertigen Navi-Lösungen mit Datenabo, bleiben Aktualität und Präzision jedoch weiterhin Herausforderungen. Die Meldewege sind zumeist noch langsam, umwegig und/oder ungenau. Technisch kann dies durch die Vernetzung der Fahrzeuge (via Datenhub und technikabhängig ggf. auch Peer-to-Peer / Fahrzeug zu Fahrzeug) in Verbindung mit weiteren Assistenzsystemen (z. B. automatische Erkennung der Verkehrszeichen) leicht gelöst werden. Seite 4 Der im Vergleich zu heute dann größere Nutzen ist hier vor allem von Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sowie in die Datennetze abhängig. Eine Nutzenmaximierung, die von der Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur abhängig wäre (z.B. netzgestützt kommunizierende Verkehrsampeln), würde sich bei eher geringem Investitionstempo von Kommunen, Ländern und Bund in deren Individualverkehrsnetze mutmaßlich unattraktiv lange verzögern – deshalb wird sich die “Intelligenz” der Realtime-Navigation letztlich aus der Datenflut bzw. Datenerhebung des Fahrzeug-”Schwarms” ableiten müssen. Selbstlernende Routenwahl Fahrer wählen heute – bei ihnen bekannter Route – oft einen vom System vorgeschlagen abweichenden Wegeverlauf – und das durchaus bei gleichen Zielvorgaben recht regelmäßig, jeweils basierend auf ihrem Erfahrungswissen. Navis werden sich künftig diese „Diskrepanzen“ bzw. Alternativen merken und mit denen von der Software verwendeten sowie von anderen Fahrzeugen gemeldeten Parametern vergleichen sowie (ggf. bewerten). Damit werden die Algorithmen sowohl dezentral als auch zentral kalibriert und Routenvorschläge tagesbzw. zeitabhängig jeweils präzise optimiert – je nach präferierten Parametern (Zeit, Verbrauch etc.). Verbrauchsdaten aus den Fahrzeugen werden natürlich ebenso selbstverständlich rückgemeldet wie Durchschnittsgeschwindigkeiten. Veränderungen im Straßennetz (etwa ein neuer Kreisverkehr) werden metergenau für die Präzisionsanforderungen etwaig anderer Nutzer registriert. Ebenso erkennt das Navigationssystem aus dem Nutzerprofil – also abhängig von Fahrer, Wochentag, Tageszeit und Besetzungsgrad –, ob und welche „Routinestrecke“ gerade befahren wird und bietet selbstständig geeignete Informationen an (z. B. Staubildung und empfohlene Umgehungen). Routenverlauf und -anweisungen bei Augmented Reality Mittels Bildschirm oder Head-up-Guidance-Projektion auf die Frontscheibe werden zusätzlich zu den herkömmlichen Routenpräsentationen via 2D-/3D-Karten mit Symbolbildern die Hinweise zusammen mit Realbildern der Wegpunkte im animierten Video (Augmented Reality) präsentiert. Fahrer brauchen dabei den Blick nicht von der Straße zu nehmen: Mit angepasster Lichtintensität eines Mini-LED-Beamers projizieren sich die Informationen und Bilder auf die Frontscheibe. Ebenso können audiobasiert (für Fondspassagiere während der Fahrt auch videobasiert) zusätzliche Informationen zum Streckenverlauf – besondere „POI“ (Points of Interest) wie Sehenswürdigkeiten samt Hintergrundinfo (z. B. aus Wikipedia) – eingeblendet werden. Der Übergang von Navigation zu Entertainment/Infotainment ist damit fließend. Viele weitere Angebotsoptionen sind denkbar: Von der Integration der verschiedenen Systeme im Fahrzeug und den Software-Verknüpfungen in Apps sowie der Usability hängt es dabei ab, was und wie die User diese Möglichkeiten nutzen werden. Ob Fahrzeugwartung, Umleitungen, Restreichweiteninterpretation mit Tankstoppempfehlung: Auch das Systemelement Navigation kann sein Potenzial nur mit Integration aller Daten aus Fahrzeug, Strecke und Empfehlung realisieren. Dabei ist der technische Bandbreitenbedarf gegenüber den Anwendungen aus der Kategorie Entertainment eher gering. Aufgrund der sicherheitsrelevanten Informationen ist die Übertragung der Navi-Informationen jedoch im Netz ggf. zu priorisieren, was durch entsprechende Einstellungen der Provider (sog. Quality of Service) technisch prinzipiell einfach zu lösen wäre. Seite 5 Fahrverhaltenstipps Navi-gestützte Tipps (z. B. für reduzierten Kraftstoffverbrauch) sind schon heute in Ansätzen realisiert. Diese Funktionen gewinnen durch präzise Vorausschau der gerade herrschenden Verkehrssituation im Streckenverlauf an Bedeutung (z. B. stop-and–go-reduzierte Fahrt mit ggf. „grüner Welle“). Ampelphasen sind systembekannt, ebenso evtl. Rückstaus, und beide Informationen werden zusammengeführt, d. h. für Optimierungsempfehlungen mitgenutzt. Verbrauch, Umweltbelastung und ggf. Zeitbedarf lassen sich so günstiger gestalten. 2.3 Services im B2B-Bereich Flottenmanagement-Lösungen Schon heute realisiert, werden sich aktive GPS-gestützte Flottenmanagement-Lösungen – unter Beachtung eines europaweit geregelten Arbeitnehmer-Datenschutzes – weitaus stärker verbreiten. Der Nutzen dieser Lösungen nimmt mit der Präzision und Timeliness/Zeitnähe von Verkehrsinformationen zu: Im Stückgutverkehr lassen sich so mittels automatisierter Frachtenbörsen Leerfahrten erheblich stärker reduzieren (als es heute weithin möglich sein kann). After-Sales-Services Der Automotive-Servicebereich ist sehr profitabel und bisher kaum digitalisiert oder vernetzt. Lediglich etwa 20 % der gesamten Automotive-Umsätze entfallen auf After-Sales-Services und sind dabei für über 50 % der Profite im Markt verantwortlich. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass Hersteller mit enorm erhöhtem Einsatz versuchen, ihre Neuwagenflotten so lange wie möglich an Vertragswerkstätten zu binden. Dadurch konnte jedenfalls bisher ein möglichst großer Teil der ca. € 30 Mrd. Umsatz allein im deutschen Markt gesichert werden. (2) Die Interessen der Hersteller sind dabei nicht identisch mit den Problemen und Wünschen der Fahrzeugbesitzer. Aus diesem Interessenkonflikt entstehen viele Möglichkeiten für neue Services, die die Entwicklung zum Connected Car zusätzlich antreiben. Zustands- sowie Diagnosedaten des Fahrzeugs können zukünftig nicht nur den Herstellern selbst und ausgewählten Partnern bereitgestellt werden, sondern mit einfachen Mitteln auch in Echtzeit unabhängigen Firmen zugänglich sein. Die Reatime-Diagnose (Telemetriedaten) ist damit nicht mehr dem Rennsport vorbehalten, sondern nahezu für jeden Pkw / jedes Kfz möglich. Im Connected Car kann schneller festgestellt werden (theoretisch fast verzögerungsfrei), wann ein Problem im Fahrzeug entsteht bzw. entstanden ist und ggf. welche Ursachen dafür infrage kommen. Handelt es sich um ein ernstes Problem und besteht akuter Handlungsbedarf? Neben der Diagnose könnte aber auch ein Big-Data-Thema, das mit „Predictive Maintenance“ (Vorhersage) bezeichnet wird, erst ermöglicht werden. Durch die Auswertung großer Datenmengen aus dem Connected Car könnten sich andererseits systematische Probleme identifizieren und somit frühzeitig oder sogar vor aktualem Eintreten prophylaktisch beheben lassen. Digitalisierung von After-Sales-Services Mit der Real-Time-Diagnose des Connected Car wird ein weiterer Trend der Digitalisierung unterstützt: die Vermittlung von Werkstattleistungen. Nicht wenige Fahrzeughalter fragen sich, welche Werkstatt bei einem Problem helfen kann. Wann ist eine Reparatur möglich und wie lange Seite 6 dauert sie? Stimmt das Preis-Leistungsverhältnis für diesen Service? Die Transparenz angebotener Leistungen wird durch die Vergleichbarkeit im digitalen Raum verbessert, die Kundenorientierung und damit der Kundennutzen werden auch hier weiter zunehmen. Diese Entwicklung hat bereits mit einigen Werkstatt-Angeboten im Netz begonnen und wächst stetig. Das Werkstattportal von AutoScout24 ist beispielsweise seit 2012 im Markt und hat mit Drivelog von Bosch und ADAC als Partner bzw. Autobutler von eBay Motors prominente Mitstreiter erhalten. Die Einbindung der Diagnosedaten des Connected Car „over the Air“ steckt hier noch in den Kinderschuhen, aber die Grundlagen sind bereits gelegt. Hindernisse bei der Integration des Connected Car in die After-Sales-Märkte sind u .a. die nicht einheitliche Kommunikation der Steuergeräte in Fahrzeugen unterschiedlicher Hersteller und sogar bei Modellreihen gleicher Hersteller (Kompatibilitätsinkohärenz). Außerdem gibt es natürlich einen nicht unerheblichen Protektionismus (fast) aller Hersteller, weil es sich um ein sehr profitables Geschäft handelt, bei dem die Kundenbindung eine mitentscheidende Rolle spielt. Aktuell werden die Diagnosedaten der etwa 42. Mio. zugelassenen Pkw auf deutschen Straßen nur punktuell beim Werkstattbesuch ausgelesen. Sie stehen dann lediglich dem OEM selbst oder ausgewählten Partnern zur Verfügung. Da die Installed Base beim Connected Car bislang noch kaum interessant für unabhängige App-Entwickler ist, sind die existierenden Diagnose-Applikationen noch weit von einem marktgerecht professionellen Leistungsumfang entfernt. Transport Ein Bereich, der aus wirtschaftlichen Interessen bereits früh die Fahrzeugkonnektivität vorangetrieben hat, ist der der Logistikbranche. Durch eine Realtime-Verfolgung der Flotten können Routen optimiert und Zuladungen auch kurzfristig disponiert werden; auch kann durch Konnektivität eine effizientere Fahrweise bei jedem einzelnen Fahrer unterstützt werden, um Verschleiß und Kraftstoffkosten zu minimieren. Der Bereich der öffentlichen Personenbeförderung lag 2014 laut „Statistisches Bundesamt“ bei ca. 11 Mrd. Fahrten mit Bus und Bahn. Der motorisierte Individualverkehr beförderte 2013 sogar ca. 57 Mrd. Personen. (3) Die Erfahrungen aus dem Cargo-Bereich lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf den noch jungen Connected-Car-Pkw-Markt übertragen. 2.4 Begleitende Services / Car-Sharing Beim Carsharing, besonders als Mitfahrzentrale bekannt, ist das zu transportierende Gut in der Regel keine Palette, sondern eine Person. In Mitfahrzentralen wurden bereits seit Jahrzehnten ungenutzte Kfz-„Reise“-Sitzplätze an jeweils persönlich fremde Mitfahrer über Papieraushänge oder telefonisch vermittelt. Die Digitalisierung hat aus diesem Nischenmarkt einen nicht zu unterschätzenden Mobilitätsbereich werden lassen, und die großen Plattformen wie Lyft, BlaBlaCar und Mitfahrgelegenheit haben bisher Millionen von Nutzern Mobilität verschafft und werden als Unternehmen mit Milliardenbeträgen bewertet. Auch in diesem Markt wird mit Connected-Car-Daten getestet, um den Service weiter zu verbessern. Ein Ansatz dazu ist, wie in der Logistikbranche bereits umgesetzt, die Fahrstilbewertung des jeweiligen „Lenkers“. Die Sharing Economy macht aber nicht bei der Vermittlung von Mobil-Sitzplätzen halt. Dieser stetig wachsende Markt basiert auf dem Prinzip „nutzen statt besitzen“. Einen wesentlichen Unterschied zum klassischen Carsharing stellt das sogenannte „Dynamic Ridesharing“ (Kurzfristvermittlung) dar, bei dem die Vermittlung in Echtzeit funktioniert. Hierbei Seite 7 werden Navigationssysteme mit Smartphones verknüpft, deshalb sind frühzeitige sowie aufwendige Absprachen mit dem Fahrer nicht mehr notwendig, da der Vermittlungsvorgang zudem automatisiert und auf wenige Klicks reduziert ist. Der Fahrer wird über sein Navigationsgerät automatisch zum Mitfahrer gelotst und muss den Fahrstreckenverlauf nicht selbst recherchieren. Ähnlich wie Ridesharing ist das Geschäftsmodell des Auto“teilens“ nicht neu, aber die On-BoardTechnik kombiniert mit einer Smartphone-App hat dem Markt zu einem enormen Wachstum verholfen. Sowohl Nutzerzahlen als auch die Anzahl der Anbieter bzw. Fahrzeuge wachsen seit Jahren stark. Mittlerweile konkurrieren Flotten von Peer-to-Peer-Anbietern, spezialisierten Carsharing-Unternehmen und Tochterunternehmen von Automobilherstellern um die Gunst der Nutzer. Diese, so zeigen Studien, sind zumeist Kunden mehrerer Anbieter und erhöhen so die Anzahl verfügbarer Fahrzeuge. Genau hier wird auch eine weitere Entwicklung der Digitalisierung deutlich, in die sich Connected Car einfügt – der intermodale Verkehr. Mit diesem Begriff wird die Fortbewegung von Punkt A zu Punkt B mit mindestens 2 verschiedenen Transportmöglichkeiten bezeichnet. Durch die zunehmende Verfügbarkeit von Informationen wird es immer leichter, Verkehrsträger zu wechseln, ohne Zeit zu verlieren. Durch die Vernetzung von Fahrzeugen stehen auch diese Standort- bzw. Bewegungsinformationen bereit und können in die individuelle Transportplanung einbezogen werden. Anbieter wie moovel, unterstützt von Mercedes-Benz, oder große Internetfirmen wie Google arbeiten an Services, die möglichst viele Verkehrsträger bei der Fortbewegung berücksichtigen. Die beschriebenen Entwicklungen im Transportmarkt folgen den Gesetzen der Netzwerkökonomie – jeder neue Anbieter erhöht den Gesamtnutzen für die Teilnehmenden überproportional. Je mehr Connected Cars also Teil von Carsharing, Ridesharing oder anderen Transportlösungen sind, desto mehr Anreize gibt es für neue Nutzer, diese bei der Wahl der Fortbewegung zu berücksichtigen. Die weitere Entwicklung jedes einzelnen Bereichs ist daher auf die zunehmende Verbreitung und Nutzung von Connected-Car-Technologie angewiesen. Verbesserte Navigationslösungen sind eine Grundvoraussetzung für den wachsenden Erfolg sowie die Wirtschaftlichkeit von Carsharing (C-S). Während C-S sich heute vor allem als ein Angebot für die Bewohner eines lokalen C-S-Geschäftsgebiets versteht, muss gerade in den großen und mittelgroßen Städten die potenziell nicht-lokale Nutzerschaft angesprochen werden, um die durchschnittlichen Standzeiten (und Parkplatzbelegungen) von zur Zeit noch „23h“ täglich erheblich zu verringern. Dazu ist die Integration gesteigert zuverlässiger, komfortabler sowie absolut intuitiv zu bedienender Navi-Lösungen mit Angeboten (z. B. „ParkNow“) für Einheimische und Reisende erforderlich. In Großstädten sind heute oft 50% der minutengenau berechneten Mietzeit Parksuchverkehr, das verdoppelt also die Kosten – bezogen auf die Kernzeit zur Absolvierung der Fahrstrecke und macht die C-S-Modelle wirtschaftlich kaum attraktiver als eine Taxifahrt. Die navi-gestützte Integration der Dienste rund ums Auto (z. B. mit Buchbarkeit des Parkplatzes sehr nahe am Ziel) kann dies ändern. Seite 8 2.5 Autonomes Fahren Gamechanger „Autonomes Fahren“ Solange der Mensch zum Fahren gezwungen ist, verlangsamen und/oder verhindern zahlreiche Sicherheitsanforderungen und -bestimmungen die schnelle Entwicklung des vernetzten Autos im Zusammenhang mit Entertainment. Mit der Einführung des „Autonomen Fahrens“ würden diese Einschränkungen auf einen Schlag wegfallen oder zumindest stark reduziert werden, damit birgt „Autonomes Fahren“ zweifelsohne das disruptive Potenzial eines Gamechangers im Automobilmarkt. Wird das „Autonome Fahren“ zur vorherrschenden Realität, dann können solch befähigte Fahrzeuge zu mobilen „Infotainment“-Vehikeln werden. Traditionelle Verkaufsargumente wie Fahreigenschaften, Beschleunigung oder Leistung werden an Bedeutung verlieren, neue Features wie z. B. Display-Auflösung, Betriebssystem oder Content-Vielfalt werden in den Vordergrund rücken. Der Werbeslogan von BMW „Freude am Fahren“ würde mutmaßlich ersetzt durch “Freude beim Fahren”. Ausblick Insgesamt wird der Produktionsfaktor Software wichtiger als Hardware, das Vehikel physisch mehr und mehr zu einer sich bewegenden Plattform. Was bedeutet dies für die Digitalbranche? Eine nie da gewesene Wettbewerbsvielfalt! Neue Marktteilnehmer aus den Bereichen Software, Medien, Telekommunikation und Handel werden das Feld betreten, die Vormacht der traditionellen OEMs – gestützt durch eine über einhundertjährige Fahrzeugentwicklung, Skaleneffekt in der Produktion sowie Patente – wird bröckeln. 3. Datenschutz und Datensicherheit beim Connected Car Praxisorientierter Datenschutz im „Connected Car“ Die zunehmende Datenverarbeitung in Kraftfahrzeugen und der sich hieraus ergebende Datenaustausch bringen Herausforderungen für die Einhaltung des gesetzlichen Schutzes personenbezogener Daten. Zwar liegt der rechtlich relevante Personenbezug von Kraftfahrzeugdaten nicht immer auf der Hand, aber im Ergebnis wird man für die Mehrzahl der praxisrelevanten Datenerfassungsszenarien nicht ernstlich bestreiten können, dass sich aus den erhobenen Daten konkrete Informationen über den jeweiligen Halter bzw. Fahrer gewinnen lassen. Das gilt beispielsweise für das Scannen von Kfz-Kennzeichen sowie für die Erfassung von Orts-, Bewegungs- und Betriebszustandsdaten des Kraftfahrzeugs. Denn hieraus lassen sich Erkenntnisse über den Aufenthaltsort oder das Fahrverhalten des Fahrers gewinnen, die sich u. a. zu Bewegungs- und Verhaltensprofilen kombinieren lassen. Unter diesen Prämissen können das erhebliche Interesse zum Beispiel der Versicherungs- und der Werbebranche an diesen Daten ebenso wenig überraschen wie die wiederholt geäußerten Bedenken der Aufsichtsbehörden sowie anderer Datenschützer. Die gesetzlichen Anforderungen zum Schutz personenbezogener Daten bedingen für die Automobilindustrie und deren Zulieferer eine frühzeitige Berücksichtigung des Themas Datenschutz, nämlich bereits während der Konzeptionsphase. Dabei kann und sollte die Gewährleistung des Datenschutzes nicht als Hindernis verstanden werden, sondern als qualitativer Mehrwert der betreffenden Connected-Car-Produkte. Tatsächlich zeigt die Erfahrung, dass sich der gesetzliche Datenschutz in ein dementsprechend umsichtig gestaltetes Seite 9 Produkt- bzw. Technologiekonzept derart einbetten lässt, dass das Ergebnis der Entwicklung in seiner Marktfähigkeit und Attraktivität zumindest nicht verringert wird. Auch ist es keine neue Erkenntnis, dass ein mit Blick auf den Datenschutz gestaltetes Produkt zu einem Wettbewerbsvorteil des Herstellers beitragen kann. Anhaltspunkte für die Gestaltung datenschutzkonformer Connected-Car-Lösungen geben unter anderem aktuelle Entwicklungen und Positionsbestimmungen wie beispielsweise die Entschließung „Datenschutz im Kraftfahrzeug – Automobilindustrie ist gefordert“ der 88. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Zusätzliche Herausforderungen ergeben sich aus dem Umstand, dass Produkte im Automobilsektor in aller Regel für einen internationalen Markt gestaltet werden, der als solcher hinsichtlich der datenschutzgesetzlichen Anforderungen divergent ist. Hier hilft deutschen und europäischen Unternehmen aber das innerhalb der Europäischen Union überwiegend einheitlich hohe gesetzliche Datenschutzniveau – das als solches für die weltweite Vermarktung des Produkts Connected Car durchaus ein Qualitätsmerkmal darstellen kann. Unter diesen Prämissen empfiehlt sich bereits frühzeitig dringend, nämlich am Beginn der Produkt- bzw. Technologiekonzeption, in enger Abstimmung mit den Entwicklern, eine sorgfältige rechtliche Betrachtung der geplanten Datenflüsse. Steht hiernach die Erfassung, Verarbeitung bzw. Übermittlung von Personendaten in Rede, stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Datenerhebung oder jedenfalls deren Personenbezug tatsächlich erforderlich ist oder ob sich der Personenbezug innerhalb der erforderlichen Datenverarbeitung mittels adäquater Verfahren wie Anonymisierung oder Pseudonymisierung ohne Nachteil für das Produkt vermeiden lässt. Im letzteren Fall wird ein besonderer rechtlicher Schutz der Daten in der Regel nicht mehr erforderlich sein. Soweit die Verarbeitung der Personendaten konkret benötigt wird, lässt sich für deren rechtliche Legitimierung nicht selten eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage identifizieren – beispielsweise aus den europäischen Richtlinien zum Datenschutz bzw. aus deren Verkörperung u. a. im Bundesdatenschutzgesetz. Sodann wird die Datenverarbeitung im Rahmen dieser gesetzlichen Legitimation gestaltet. Als Alternative wird im Bereich Connected Car auch zunehmend die Gestaltung von Einwilligungskonzepten relevant, mittels derer die Personendatenverarbeitung in einem ausreichenden Rahmen legitimiert werden kann. Insgesamt spielen in dieser Phase die derzeit reichlich diskutierten Datenschutzgrundsätze der „Privacy by Design“ und „Privacy by Default“ ebenso einen wichtige Rolle, wie kreative juristische Lösungsansätze – beispielsweise in Bezug auf die Verarbeitung und Übertragung von Standortdaten im Einklang mit § 98 des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Über all dem steht jedoch immer die juristisch präzise Fokussierung auf eine praxisorientierte Lösung. Denn auf der einen Seite werden Connected-Car-Produkte ohne ausreichenden Blick auf die datenschutzgesetzlichen Belange in der Regel nicht oder nur eingeschränkt marktfähig sein. Auf der anderen Seite sollte der gesetzliche Datenschutz die Entwicklung innovativer ConnectedCar-Technologien und der hieraus resultierenden Produkte nicht unnötig behindern. Unter dieser Prämisse werden künftig sowohl der konstruktive Dialog zwischen Industrie und Aufsichtsbehörden zu einem interessengerechten und praxisorientierten Umgang mit dem Thema beitragen als auch und insbesondere die erfolgreiche Gestaltung praxistauglicher und gleichwohl datenschutzkonformer Connected-Car-Lösungen. Datensicherheit von Connected-Car-Mobile-Apps In den letzten Jahren stand die datenschutzrechtliche Zulässigkeit von Apps bereits mehrfach im Fokus. So gab das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) im Juni 2013 auf Seite 10 der Grundlage des deutschen Datenschutzrechts Hinweise an die Anbieter zur Entwicklung und zum Betrieb von Apps heraus. Die Anforderungen beziehen sich auf die Art der Einbindung zur Aufklärung über Datenschutz, auf Inhalt und Gestaltung der App und auf die Möglichkeit, den App-Anbieter zu kontaktieren. Darüber hinaus hat das BayLDA im Sommer 2014 eine „Orientierungshilfe zu den Datenschutz-Anforderungen an App-Entwickler und AppAnbieter“ veröffentlicht, die detailliert und umfassend die Anforderungen zu Datenschutz und Datensicherheit bei Apps darstellt. Trotz der genannten Standards und existierender Prüfverfahren weisen viele Apps noch große Mängel auf. In einer aktuellen Studie wurde dies zum Anlass genommen, in Labortests rund 730 Apps auf Basis eines fundierten Prüfkatalogs im Hinblick auf Datensicherheit und Datenschutz zu analysieren. (4) Dabei wurde das Ziel verfolgt, einen Beitrag zur Verbesserung der Datensicherheit und des Datenschutzes zu leisten. Die Labortests legten offen, dass viele Anbieter von mobilen Anwendungen (Apps) grundlegenden Anforderungen zu Sicherheit und Schutz von Nutzerdaten nicht gerecht werden. Dabei wurden auch Mobile-Apps aus dem Bereich Connected Car getestet. So konnten bei einigen Connected-Car-Apps die Benutzernamen und Passwörter ausgelesen werden, sodass die App und damit auch das Kraftfahrzeug für einen Dritten nutzbar waren. Möglich wurde dies durch einen sogenannten "Man-in-the-Middle"-Angriff (MITM). Bei einem solchen Angriff emuliert eine dritte Partei, zum Beispiel mittels einer bösartigen Hacker-Attacke, ein Zielserver zu sein, mit welchem sich die App verbinden will. Ohne eine weitere Authentizitätsprüfung kommuniziert die App unbemerkt über den Mittelsmann mit dem Zielserver. Deshalb wird App-Herstellern und Betreibern von Connected-Car-Mobile-Apps empfohlen, die oben angesprochenen Standards zur Datensicherheit und zum Datenschutz von Apps einzuhalten, insbesondere einen MITM-Schutz einzubauen und ggf. auch weitere Verschlüsselungen. Nur dann ist ein hoher Schutz der App vor den Angriffen Dritter möglich. Es ist auch möglich, bestehende Apps mit den von Dienstleistern entwickelten Verfahren zu überprüfen und damit Sicherheitslücken festzustellen und zu bereinigen. 4. Anforderungen Eigentlich scheint es schon alle Technologien zu geben, und via mobiles 4G-Internet sind die Nutzung von Angeboten bei Spotify oder YouTube o. Ä. trotz hohem Bedarf an Bandbreite kein technisches Problem. Warum ist dann die Integration von Consumer Electronic und Fahrzeug als das größte „Mobile Device“ noch nicht weitergekommen? Was vor allem fehlt, ist die „Seamless Integration“ (nahtlose Integration) ins Auto und in seine IT-Systeme. Für die Hersteller bringt die Produktintegration Haftungsrisiken mit sich (z. B. Ausschluss von Videobetrachtung während der Fahrt vom Fahrersitz aus). Es braucht also klar definierte, zur Gerätesteuerung und Integration geeignete Schnittstellen von Geräten der Konsumenten-Elektronik (z. B. Tablets) zum Fahrzeug. Neben verkabelten Schnittstellen kommen vor allem WLAN, Bluetooth, NFC (Near Field Communication), induktives Laden infrage. Insbesondere wird die Mobilfunk-Integration jedes Neuwagens (aufgrund der künftig vorgeschriebenen SOS-Notruffunktion) bewirken, dass jedes Fahrzeug als mobiler 4G- bzw. folgetechnologien-basierter WLAN-Hotspot fungieren und über die optimierte Antennenanlage des Fahrzeugs eine deutlich verbesserte Signalqualität und damit Bandbreite bereitstellen kann. Seite 11 Der Nutzung des Fahrzeugs als mobile „Entertainmentzelle“ sind damit keine prinzipiellen technischen, sondern nur userabhängige (Was kann/darf der User simultan beim Fahren?) oder rechtliche Grenzen (zumeist haftungsseitig) gesetzt. „Seamless Integration“ ist mehr als eine Hardware-/Software-Systemfrage: Dazu gehört vor allem eine herausragend entwickelte Usability. Diese ist neben dem verwendeten Betriebssystem vor allem vom jeweiligen Auto-, Elektronik-Hardware-/Software-Hersteller abhängig. Die vom Nutzer erlebte Usability hängt davon ab, wie diese Hersteller in frühen Entwicklungsstadien kooperieren und das Setzen von Standards beherrschen, wenn sie es nicht den konkurrierenden „Rulebreakern“ („Spielverderbern“) wie Apple, Tesla etc. überlassen wollen, die nicht zuletzt aus strukturhistorischen Gründen in der Regel ganz eigene Systementwicklungen vorantreiben. 5. Zusammenfassung der Erfolgskriterien für digitale Services im Kontext Connected Car 1. Standardisierung: Einheitliche Standards und offene Schnittstellen sind die Voraussetzung für einen offenen und agilen Markt im Bereich der Connected Cars. Übergreifende Plattformen, die verschiedene Hersteller und Service-Anbieter zusammenbringen, werden den Erfolg von Connected Cars maßgeblich beeinflussen. 2. Usability: Die letzten Jahre waren von der Smartphone-Welle und damit der Optimierung von Bedienoberflächen für kleine Bildschirme geprägt. Nun tritt der Nutzungskontext immer stärker in den Vordergrund. Hieß es vor ein paar Jahren noch „mobile first“, wird der neue DesignAnspruch bald „context first“ lauten. Der Kontext „im Auto“ bietet dabei zahlreiche noch ungelöste Herausforderungen für User-Experience-Designer. 3. Intermodalität: Mobilität wird zunehmend als Service gesehen, der weniger stark als früher an ein bestimmtes Fortbewegungsmittel geknüpft ist. Produkte und Services, die sowohl verschiedene Fahrzeugklassen als auch alle weiteren denkbaren Fortbewegungsmittel nahtlos einbeziehen, werden davon profitieren. 4. Datentransparenz: Die zu erwartenden Datenmengen aus Connected Cars bieten großes Potenzial für die Beratung von Kunden. Im Pre-Sales-Bereich können Daten aus Connected Cars wichtige Hinweise bei der (Kauf-) Entscheidungsfindung für eine Marke oder ein Modell geben. Genauso können damit im After-Sales-Markt Service-Dienstleister ausgewählt werden und wiederkehrende Reparaturen oder Kundenbedürfnisse schneller erkannt werden. Auch für andere Services, wie zum Beispiel Mitfahrgelegenheiten, können Daten wichtige Entscheidungshilfen, nicht zuletzt bei der Auswahl eines Fahrers anhand des Fahrstils (aus vorherigen Fahrgastbeurteilungen), liefern. 5. Datenkontrolle: Wer entscheidet wann, wie und von wem die anfallenden Daten genutzt werden dürfen? Wer es schafft, die Kunden auf einfache und komfortable Weise an diesen Fragen zu beteiligen, hat Erfolgschancen. 6. Datenschutz: Die Verarbeitung und Speicherung von Personendaten erfordern ein durchdachtes Datenschutzkonzept im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen. Hohe Seite 12 Datenschutz- und Sicherheitsstandards auf der Grundlage europäischer Gesetze können für hiesige Unternehmen zu einem wichtigen Vorteil – insbesondere auch im internationalen Wettbewerb – werden. 7. Individualisierung: Maßgeschneiderte Inhalte und Funktionen werden in der digitalen Welt immer wichtiger. Besonders interessant ist hierfür der Kontext Auto/Kfz. Weil während der Fahrt die aktive Bedienung bzw. Suche nach Inhalten nur eingeschränkt möglich ist, ist es also für Nutzer umso wichtiger, automatisch individuelle Inhalte und Funktionen in den Bereichen Unterhaltung, News oder Routenplanung zu erhalten. Dies schließt auch kontextabhängige, individuelle Werbung ein. 8. Testen und Optimieren: Die anfallenden Daten aus Connected Cars liefern wichtige Hinweise für kontinuierliche Verbesserungen der Infrastruktur und der Fahrzeugtechnik. Das Prinzip von Testen und Optimieren am „lebenden Objekt“, wie es heute bei Websites praktiziert wird, kann auch auf die datenliefernden Verkehrsteilnehmer der Zukunft angewendet werden. 9. Vorhersage: Smart Prediction (IT-gestützte Prognose), also die Vorhersage von Situationen und Ereignissen auf Basis ständig aktualisierter Daten, findet im Bereich Mobilität sinnstiftende Anwendungsfelder. 10. Effizienzsteigerung: Ressourcensparsamkeit wird ein immer wichtigeres Thema. Beim Einsparen von Energie und Zeit spielen Connected Cars erneut kontinuierlich die Datenkarte aus – so können Kosten-Nutzen-Entscheidungen in Zukunft objektiver, d. h. unabhängig oder ergänzend zum Verhalten und der Beurteilungsfähigkeit beim „Faktor Mensch“, getroffen werden. 6. Fazit Die Mobilitätsoptionen in Städten nehmen kontinuierlich zu. Allein rund um das klassische Automobil gibt es mittlerweile zahlreiche Angebote, die über Mietwagen und Taxi hinausgehen. Die Entwicklung zu Free-Floating-Car-Sharing, Mitfahrgelegenheiten und App basierten Chauffeurdiensten ist der Anfang einer anhaltenden Differenzierung im Mobilitätsmarkt – ein Markt, der mit zunehmender Digitalisierung und der prognostizierten Einführung autonomer Fahrzeuge im kommenden Jahrzehnt auf seine größte Transformation seit der Erfindung des Automobils zusteuert. Neben vielen neuen Mobilitätsoptionen gibt es auch immer mehr Kriterien, die Einfluss auf die jeweilige Entscheidung für eine bestimmte Strecke oder ein bestimmtes Fortbewegungsmittel haben. Waren es früher vor allem zwei relevante Faktoren (Dauer und Kosten), so spielen nun immer öfter auch Aspekte wie Nachhaltigkeit, Sicherheit oder Komfort sowie Gewährleistung von Privatsphäre eine Rolle. Zusätzlich haben wir es im internationalen Vergleich mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen und Voraussetzungen zu tun, die Einfluss auf Mobilitätsservices ausüben können. In diesem Dschungel aus Möglichkeiten navigieren wir schon heute durch individuellen Einsatz digitaler Services: angefangen bei Stauvorhersagen mit Google Maps, über die Planung multimodaler Reiseverläufe mithilfe von verkehrsmittelübergreifenden Routingtools wie moovel bis zur automatischen Terminierung von Wartungsarbeiten am Fahrzeug. Das alles sind aber nur Seite 13 die Anfänge einer Entwicklung, die zur vollständigen Digitalisierung der Mobilitätsprozesse führt, und diese Innovationswelle wird uns schon in den nächsten Jahren mit wahrscheinlich ziemlicher Wucht erreichen. Zu dieser Entwicklung trägt auch die neu entfachte Begeisterung im Silicon Valley für den automobilen Verkehr bei. Mit Unternehmen wie Google, Apple und Uber machen sich gerade einige der finanzstärksten Kräfte der digitalen Welt auf den Weg in die automobile Zukunft. Das sind gute Nachrichten für alle Entwickler rund um vernetzte Autos/Kraftfahrzeuge und gerade auch für alle jene Quereinsteiger, die mit einem guten Gespür für digitale Technologie/anwendungen die Bedarfe der Nutzer visionieren und erfüllen können. Es sind diese neuen Geschäftsmodelle und die ihnen zugrunde liegenden Erfolgsfaktoren, die die Transformation des Marktes vorantreiben. Und diesbezüglich ist zuzugeben, dass wir erst am Anfang der Transformation stehen. Viele intelligente Services werden erst in den nächsten Jahren folgen. Wie dargelegt wurde, müssen dazu erst noch auf Seiten der Politik die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen gesetzt werden. Connected Services produzieren eine neue Datenflut – und es sind diese Daten, die auch viele neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Der Datenschutz muss sich daher zwingend mit dem Thema Connected Car auseinandersetzen und konstruktive Rahmenbedingungen schaffen, die einerseits neue Geschäftsmodelle ermöglichen, aber andererseits auch den Schutz des Individuums sicherstellen. Viele Chancen und Risiken liegen vor allen Beteiligten. Wer die hier, auch in diesem Diskussionspapier, herausgearbeiteten Erfolgsfaktoren beachtet und den Markt nicht mehr nur als Produktmarkt, sondern als einen Markt für smarte Services versteht, hat eine gute Grundlage, um erfolgreich daran zu partizipieren. Quellen vgl. http://www.strategyand.pwc.com/global/home/what-we-think/reports-whitepapers/article-display/in-the-fast-lane (1) vgl. Roland Berger Strategy Consultants: “Customizing aftersales – Delivering the service that customers really want”, 09/2013 (2) vgl. Statistisches Bundesamt: „Personenbeförderung, Beförderte Personen in Deutschland“ 2014 (3) (4) vgl. https://www.eprivacy.eu/datensicherheit-und-datenschutz-von-apps Seite 14 Autoren Christoph Bauer CEO, ePrivacy GmbH Boris Danne Business Development Manager, AutoScout24 GmbH Winfried Hagenhoff Geschäftsführer, TNS Deutschland GmbH Achim Himmelreich Partner, Mücke Sturm & Company GmbH, BVDW-Vizepräsident Martin Meinert Manager Digital Transformation, Dr. Thede Consulting GmbH Jan Schneider Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht, Partner, SKW Schwarz Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB Marcel Zauche Senior Strategische Planung, denkwerk GmbH Seite 15