Entwurf eines Gesetzes über die Neugliederung der

Transcription

Entwurf eines Gesetzes über die Neugliederung der
Entwurf eines
Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend
den Landkreis Harz
(GemNeuglG HZ).
§1
Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode
Die Gemeinde Neudorf wird in die Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode eingemeindet. Die
eingemeindete Gemeinde wird aufgelöst.
§2
Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken
Die Gemeinde Allrode wird in die Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken
eingemeindet. Die eingemeindete Gemeinde wird aufgelöst.
§3
Verwaltungsgemeinschaft Thale
Die Gemeinde Westerhausen wird in die Stadt Thale eingemeindet. Die eingemeindete
Gemeinde wird aufgelöst. Für die Verwaltungsgemeinschaft gilt § 2 Abs. 5 Satz 1 des
Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes.
§4
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz, Einheitsgemeinde Stadt Quedlinburg
Die
Stadt
Gernrode
sowie
die
Gemeinden
Bad
Suderode
und
Rieder
der
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz werden in die Einheitsgemeinde Stadt Quedlinburg
eingemeindet. Die eingemeindete Stadt sowie die eingemeindeten Gemeinden werden
aufgelöst. Für die Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz gilt § 2 Abs. 5 Satz 1 des
Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes entsprechend.
2
§5
Inkrafttreten
§ 4 tritt am 1. Januar 2011 in Kraft. Im Übrigen tritt dieses Gesetz am Tage nach seiner
Verkündung in Kraft.
3
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Anlass und Ziele des Gesetzes
Mit dem Gesetzentwurf soll die Gemeindegebietsreform im Land Sachsen-Anhalt
konsequent fortgeführt werden. Auf die bereits vom Gesetzgeber mit der Verabschiedung
des Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform vom 14.02.2008 (GVBl. LSA, S. 40)
normierten Grundsätze der Neugliederung der gemeindlichen Ebene im Land verfolgt der
Gesetzgeber mit den elf Gesetzentwürfen zur Gemeindeneugliederung seine angekündigte
Absicht, all diejenigen Gemeinden zu leitbildgerechten Strukturen zusammen zu schließen,
die bislang nicht den Leitbildvorstellungen entsprechen und die bis zum 30.06.2009 mit
Ablauf der sogenannten freiwilligen Phase keine genehmigungsfähigen Vereinbarungen
vorgelegt haben.
Die
von
der
Landesregierung
eingebrachten
Gesetzentwürfe
zu
den
Gemeindeneugliederungsgesetzen beinhalten die erforderlichen Regelungen für den
Abschluss der landesweiten Gemeindegebietsreform in allen elf Landkreisen des Landes
Sachsen-Anhalt. Alle Gemeindeneugliederungsgesetze betreffen jeweils einen Landkreis.
Je nach Sachlage im betreffenden Landkreis werden zunächst die konkreten Zuordnungen
zu bereits nach dem Mehrheitsprinzip gebildeten Einheits- oder Verbandsgemeinden
geregelt und danach folgen die erforderlichen Gebietsänderungen zur Bildung von
Einheitsgemeinden. Schließlich folgt das Inkrafttreten.
Für die allgemein geltenden gemeinsamen Ausführungsvorschriften wird zeitgleich mit den
Gemeindeneugliederungsgesetzen das Zweite Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform
eingebracht. Dessen Artikel 1 beinhaltet das Gesetz zur Ausführung der
Gemeindegebietsreform,
das
insbesondere
Vorschriften
zur
Rechtsnachfolge,
Vermögensauseinandersetzung, Haushaltsführung, Namenswahl, zum Ortsrecht sowie zu
den wahl-rechtlichen Aspekten enthält.
II. Verfassungsrechtliche Anforderungen
Zum 31.12.2005 existierten im Land Sachsen-Anhalt 1056 Gemeinden, davon 38
Einheitsgemeinden inklusive der kreisfreien Städte Dessau, Magdeburg und Halle (Saale).
Die übrigen Gemeinden gehörten insgesamt 95 Verwaltungsgemeinschaften an. Von diesen
Gemeinden hatten 418 weniger als 500 Einwohner bzw. 723 weniger als 1.000 Einwohner.
Angesichts der Kleinteiligkeit der gemeindlichen Ebene und dem fortschreitenden
demografischen Wandel, der zunehmenden Überalterung und den geringer werdenden
finanziellen Zuweisungen an die Kommunen sowie den sich hieraus ergebenden Problemen
für die gemeindliche Aufgabenerfüllung, halten es Landesregierung und Landtag für
erforderlich, die gemeindlichen Strukturen leistungsfähig und langfristig zukunftsfähig zu
gestalten.
Das von der Landesregierung entwickelte Leitbild zur Gemeindegebietsreform vom
07.08.2007 hat der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des Begleitgesetzes zur
Gemeindegebietsreform im Land Sachsen-Anhalt vom 14.02.2008 (GVBl. LSA Nr. 3/2008,
S. 40) kodifiziert. Artikel 1 des Begleitgesetzes, namentlich das Gesetz über die Grundsätze
der Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt (Gemeindeneugliederungs-
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Grundsätzegesetz - GemNeuglGrG), enthält die Ziele sowie das Leitbild und die Leitlinien
der geplanten Neugliederungen. Das mit Artikel 2 verabschiedete Verbandsgemeindegesetz
beinhaltet die kommunalverfassungsrechtlichen Grundlagen zur Einführung der nach dem
Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz nur in der freiwilligen Phase zugelassenen
Bildung von Verbandsgemeinden.
Beide Gesetze waren Gegenstand zahlreicher kommunaler Verfassungsbeschwerden. Nach
den Urteilen des Verfassungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt stehen sowohl das von
Landesregierung und Gesetzgeber gesehene Erfordernis einer landesweiten Gebietsreform
(1. Stufe) als auch die abstrakt-generellen Regelungen der angegriffenen Gesetze (2. Stufe)
mit der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt und dem in Art. 87, Art. 2 Abs. 3 Verf LSA
verankerten Recht auf kommunale Selbstverwaltung in Einklang (LVG 12, 27, 56, 58, 71,
83, 87, 99, 145/08, Urteil vom 21.04. 2009 sowie LVG 118/08, 119/08, 120/08 Urteil vom
21.04.2009). Insbesondere entspricht das im Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz
normierte System zur Neugliederung der gemeindlichen Ebene im Land Sachsen-Anhalt
den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Denn die einzelnen Regelungen sind auf
Gemeinwohlgesichtspunkte gestützt und werden den Gemeinwohlanforderungen des Art. 2
Abs. 3 und Art. 87 Verf LSA gerecht.
Nimmt der Gesetzgeber nun auf der dritten Stufe der Reform nach dem von ihm
aufgestellten System Gebietsänderungen selbst vor, muss er sich an die
verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 90 Verf LSA halten. Inhalt der gemeindlichen
Selbstverwaltungsgarantie ist der in Art. 90 Verf LSA verankerte Verfassungsrechtssatz,
dass das Gebiet von Kommunen nur aus Gründen des Gemeinwohls und nach Anhörung
der betroffenen Gebietskörperschaften und Einwohner geändert werden kann (LVerfG
Sachsen-Anhalt, LVerfGE 2, 227 <246>). Neben den freiwillig von den Gemeinden
abgeschlossen Gebietsänderungsverträgen, die zwischenzeitlich genehmigt und bekannt
gemacht wurden, können nach dem Wortlaut des Art. 90 Satz 1 Verf LSA
Gebietsveränderungen gegen den Willen der Kommunen nur durch Gesetz oder aufgrund
eines Gesetzes erfolgen. Auflösungen von Gemeinden, Gemeindezusammenschlüsse,
Eingemeindungen und sonstige Gebietsänderungen durch gesetzliche Neugliederungen
beeinträchtigen
den
verfassungsrechtlich
geschützten
Kernbereich
des
Selbstverwaltungsrechts damit grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGE 50, 50; 59, 216 <227>; 86,
90 <107>). Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt steht somit Änderungen des
Gemeindegebietes, auch soweit sie gegen den Willen der betroffenen Gemeinden erfolgen,
nicht von vornherein entgegen.
Nach Art. 90 Satz 2 Verf LSA ist der Gesetzgeber befugt, das Nähere, insbesondere zur
Anhörung der betroffenen Kommunen und Einwohner, durch einfaches Gesetz zu regeln.
Mit den Vorschriften über Gebietsänderungen in den §§ 16 ff. GO LSA ist der Gesetzgeber
dem nachgekommen. Gebietsänderungen sind im Wesentlichen dergestalt möglich, dass
eine Gemeinde aufgelöst und in eine andere Gemeinde eingemeindet wird (Eingemeindung)
oder mehrere Gemeinden aufgelöst und zu einer neuen Gemeinde vereinigt werden
(Neubildung). Das Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz überlässt es wegen der
Verwendung
der
Termini
„werden
durch
Gesetz
zu
Einheitsgemeinden
zusammengeschlossen“ und „werden nach dem 30.06.2009 durch Gesetz zugeordnet“ dem
Gesetzgeber, in welchen Fällen er eine Neubildung und in welchen er eine Eingemeindung
vornimmt. In beiden Fällen sind die Gebietsänderungen nur möglich, wenn als
Rechtfertigung Gründe des Gemeinwohls vorliegen und die beteiligten Gemeinden sowie
die in dem unmittelbar betroffenen Gebiet wohnenden Bürgerinnen und Bürger zuvor
angehört worden sind.
Im verfassungsrechtlichen Kontext ist deswegen zu berücksichtigen, dass den Kommunen
und den Gemeindeverbänden entsprechend Art. 28 Abs. 2 GG nach Art. 2 Abs. 3 und 87
Abs. 1 Verf LSA das Recht gewährleistet ist, ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze
in eigener Verantwortung zu verwalten. Die kommunale Selbstverwaltung nach Art. 2 Abs. 3
5
Verf LSA verlangt, dass es im Staatsaufbau des Landes Sachsen-Anhalt überhaupt
Kommunen gibt (LVerfGE 2, 227 <246, 250>). Diese institutionelle Garantie schützt den
Erhalt der Institution „Gemeinde“ als solcher, nicht aber den Bestand einer jeden einzelnen
Gemeinde individuell (vgl. BVerfGE 50, 50; 59, 216 <227>). Aus Art. 87 Verf LSA folgt die
Garantie von Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung (LVerfG Sachsen-Anhalt, LVerfGE 2,
227 <247>). Absatz 1 der Verfassungsnorm greift die Selbstverwaltungsgarantie inhaltlich
auf, indem festgehalten wird, dass die Kommunen ihre Angelegenheiten im Rahmen der
Gesetze in eigener Verantwortung verwalten. Die Gewährleistung der eigenverantwortlichen
Aufgabenwahrnehmung besteht gemäß Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 Abs. 1 Verf LSA nur „im
Rahmen der Gesetze“. Dementsprechend sind auch die den Gemeinden zustehenden
Organisationsbefugnisse durch die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden. Er muss der
verfassungsrechtlichen Verbürgung einer mit wirklicher Verantwortlichkeit ausgestatteten
Selbstverwaltung, durch die den Bürgerinnen und Bürgern eine wirksame Teilnahme an den
Angelegenheiten des Gemeinwesens ermöglicht wird, Rechnung tragen und die Gemeinden
zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben befähigen. Begrenzt wird die gesetzgeberische
Entscheidung
einerseits
durch
den
Kernbereich
der
kommunalen
Selbstverwaltungsgarantie. Der Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung darf
nicht ausgehöhlt werden. Die grundsätzlich freie Bestimmung über die Organisation der
Gemeinde überhaupt zählt indes nicht zum verfassungsrechtlich verbrieften Wesensgehalt
des Selbstverwaltungsrechts. Entscheidungen über die äußeren Grundstrukturen der
Gemeinde überhaupt wurden in allen Bundesländern stets als Sache des Gesetzgebers
betrachtet. Die Festlegung und Konturierung der Gemeindeverfassungstypen sind ebenso
wie die Entscheidung über Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger vom
Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nicht erfasst. Andererseits muss
der
Gesetzgeber
den
Gemeinden
die
Möglichkeit
eigenverantwortlicher
Aufgabenwahrnehmung garantieren. Wie aus den kommunalverfassungsrechtlichen
Regelungen zur inneren Organisation der Gemeinden ablesbar, wird auch diese nur relativ
gewährleistet. Wenn aber die innere Organisation derartigen Zugriffen des Gesetzgebers
zugänglich ist, dann muss dies erst Recht für deren äußere Organisation und damit für
einzelne Neugliederungsmaßnahmen gelten (vgl. m.w.N.: LVerfG LSA, LVG 12/08 vom
21.04.2009 RN 18 sowie LVG 118/08 vom 21.04.2009 RN 21 der Internetveröffentlichung:
www.lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de).
Seit Beginn der sog. Freiwilligkeitsphase der Gebietsreform mit dem im August 2007
verabschiedeten Leitbild der Landregierung hatten die Gemeinden Gelegenheit, durch
freiwillige spätestens am 01.01.2010 in Kraft tretende Gebietsänderungen die Ziele der
Gebietsreform in Sachsen-Anhalt zu verwirklichen und Eingemeindungen oder
Neubildungen
sowie
Verbandsgemeindebildungen
nach
den
durch
das
Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz vorgezeichneten Strukturen zu vollziehen. Die
Gemeinden der hier in Rede stehenden einzelnen Neugliederungsgesetze haben hiervon
bislang keinen Gebrauch gemacht. Sie haben keine genehmigungsfähigen Vereinbarungen
über leitbildgerechte Einheits- oder Verbandsgemeinden bis zum Stichtag 30.06.2009
vorgelegt.
Nach dem Neugliederungssystem soll die landesweite Gebietsreform auch gegen den
Willen einzelner Gemeinden durch Gesetz vollzogen werden (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2, Abs. 8
Satz 2, Abs. 9 GemNeuglGrG). Dem kommt der Gesetzgeber nach. Nach dem Scheitern
oder Nichtzustandekommen eines freiwilligen Gebietsänderungsvertrages während der
Freiwilligkeitsphase ist es nun dem Gesetzgeber gestattet, in den Schutzbereich des
kommunalen Selbstverwaltungsrechts einzugreifen. Der Eingriff ergibt sich aus der
Auflösung der betroffenen nicht leitbildgerechten Gemeinde. In diesem Fall hört sie als
eigenständige Selbstverwaltungskörperschaft auf zu existieren und ihre nach Art. 2 Abs. 3,
87 Abs. 1 Verf LSA garantierte Allzuständigkeit geht verloren. Deswegen sind auf der dritten
Stufe, der konkreten Umsetzung der Reform im Einzelfall, an den Eingriff des Gesetzgebers
in das kommunale Selbstverwaltungsrecht der einzelnen Gemeinden verfassungsrechtlich
erhöhte Anforderungen geknüpft. Der Eingriff in den Gebietsstand einer Gemeinde ist nach
6
Art. 90 Satz 1 Verf LSA dann verfassungsgemäß, wenn als Eingriffsvoraussetzung Gründe
des Gemeinwohls vorliegen (st. Rspr. des BVerfG; vgl. BVerfGE 50, 50 <50>; 86, 90 <107>
m.w.N.).
Bei dem Gemeinwohl handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der sich nicht
allgemeingültig definieren, sondern nur im Einzelfall konkretisieren lässt. Wesentlich ist
jedoch, dass bei der Neugliederungsentscheidung die Interessen des Einzelnen, die der
betroffenen Gemeinde und die des Staates in Einklang zu bringen sind. Ob eine bestimmte
Gebietsänderung gemeinwohlverträglich ist, kann nicht allein aus Sicht der betroffenen
Gemeinde beurteilt werden. Denn das Gemeinwohl ist nicht mit dem Wohl der betroffenen
Gemeinde
gleichzusetzen,
vielmehr
muss
die
Gebietsreform
höherrangige
verfassungsrechtliche Staatsziele und die Einrichtungsgarantien einbeziehen.
Zu den einen Eingriff zulassenden und aus der Verfassung des Landes selbst
herzuleitenden Gemeinwohlgründen gehört vor allem, dass die Gemeinden ihrer Funktion
gerecht werden können, die ihnen Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 Verf LSA innerhalb des
Staatsaufbaus zuweisen. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich der
Schwerpunkt öffentlicher Aufgaben gerade auch auf der kommunalen Ebene von der
Eingriffs- auf die Leistungsverwaltung verlagert hat, so dass dem Sozialstaatsprinzip und
den Verfassungsbestimmungen, die es konkretisieren, rechtlich besondere Bedeutung
zukommt (StGH BW, ESVGH 25, 1 <7>). Das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes
(Art. 20 Abs. 1 GG) beansprucht Geltung auch in den Ländern (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG).
Nach Art. 2 Abs. 1 Verf LSA ist das Sozialstaatsprinzip ausdrücklich auch Fundament der
Landesverfassung. Eigenständig und gleichwertig hinzu treten die Verpflichtungen aus den
Einrichtungsgarantien und den Staatszielen. Diese richten sich über den Wortlaut des Art. 3
Abs. 2, 3 Verf LSA hinaus, nicht nur an das Land, sondern gerade auch an die Kommunen.
Vor diesem Hintergrund ist es ein Gemeinwohlbelang, wenn verlangt wird, dass die
Kommunen in der Lage sind, auch die Aufgaben möglichst sachgerecht und effektiv zu
erfüllen. Enthält Art. 87 Abs. 1 bis 4 Verf LSA eine eher formale Abgrenzung zum staatlichen
Bereich, so erfüllen die Gebote aus dem Sozialstaatsprinzip, aus den Staatszielen und den
Einrichtungsgarantien den kommunalen Bereich mit Inhalt (vgl. LVerfG LSA, LVerfGE 2, 227
<227 f., 258 f.>; LVerfG LSA, LVG 12/08 vom 21.04.2009 RN 15 sowie LVG 118/08 vom
21.04.2009 RN 18 der Internetveröffentlichung: www.lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de). Die in
§ 1 GemNeuglGrG enthaltenen Reformziele entsprechen diesen Anforderungen. Das in
Abs. 1 formulierte Bemühen um die Stärkung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden im
Interesse einer bestmöglichen Daseinsvorsorge für die Einwohnerinnen und Einwohner
sowie die Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Interesse einer wirksamen
Bewältigung ihrer Verwaltungsaufgaben und der sparsamen und wirtschaftlichen
Verwendung der der Gemeinden zufließenden finanziellen Mittel ist ein den Eingriff in die
Selbstverwaltungsgarantie rechtfertigender Gemeinwohlgrund. Gleiches gilt für das Gebot
einer optimalen Verwaltungsorganisation und – als Ausfluss des Demokratiegebotes – für
die zu wahrende bürgerschaftliche Beteiligung an der kommunalen Selbstverwaltung (so
ausdrücklich und m.w.N. LVerfG LSA, LVG 12/08 vom 21.04.2009 RN 15 sowie LVG 118/08
vom 21.04.2009 RN 18 der Internetveröffentlichung: www.lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de).
Abs. 2 Satz 1 stellt darüber hinaus klar, dass die Reform gleichzeitig einen Beitrag zur
Lösung der Stadt-Umland-Probleme im Bereich der Mittelzentren leisten soll. Der
Gesetzgeber hat mit der Formulierung dieser gesetzgeberischen Ziele das Gemeinwohl
innerhalb der von der Verfassung vorgegebenen Grenzen konkretisiert.
Das von ihm zur Umsetzung dieser Ziele gewählte Neugliederungskonzept unterliegt dem
gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Nach den o.g. Entscheidungen des
Landesverfassungsgerichts ist dieses in § 2 und § 3 GemNeuglGrG verankerte System
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat für die das gesamte Land
umfassende Neuordnung ein Leitbild definiert und einzelne Systemkriterien entwickelt, die
dem Gemeinwohl und den weiteren Schranken der Verfassung, insbesondere dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
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Für konkrete Eingriffe in den Gebietsstand einzelner Gemeinden erlangen das die
Zielvorstellungen festlegende Leitbild und das mit den Leitlinien aufgestellte System zu
deren Umsetzung rechtliche Bedeutung über die aus dem Gleichheitssatz und dem
Rechtsstaatsprinzip
abzuleitende
Rechtsfigur
der
Selbstbindung.
Aus
dem
Gesamtzusammenhang des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG tritt hier für den Bereich kommunaler
Neugliederungen eine Selbstbindung des Gesetzgebers ein. Üblicherweise wird dies als
Gebot der Systemgerechtigkeit oder Systemtreue der kommunalen Umgestaltung
bezeichnet, an der sich der Gesetzgeber im konkreten einzelnen Neugliederungsfall messen
lassen muss, will er nicht gegen das Willkürverbot verstoßen (vgl. ThürVerfGH, LVerfGE 5,
391 <392>). Dieser Grundsatz der Systemgerechtigkeit verlangt dabei keinesfalls eine
schematische Gleichheit, sondern verbietet lediglich, das System willkürlich zu verlassen.
An die einmal gewählten Grundsätze ist der Gesetzgeber danach nicht in jedem einzelnen
Neugliederungsfall starr gebunden. Leitbild und Leitlinien bilden einen für jede
Einzelmaßnahme konkretisierungsbedürftigen Rahmen. Diesen darf oder muss der
Gesetzgeber aus entsprechenden Sachgründen, insbesondere bei einer besonderen
Sachverhaltsgestaltung verlassen (ThürVerfGH, LVerfGE 5, 391 <422> m.w.N.). Deshalb
sind Abweichungen gleichwohl verfassungsgemäß, die eine nicht beabsichtigte Härte
ausgleichen sollen oder die durch einen anderen sachlichen Grund gerechtfertigt sind.
Das bedeutet, die gesetzgeberische Abwägung der für und gegen die
Neugliederungsmaßnahme streitenden Belange wird grundsätzlich durch die Vorgaben des
Gemeindeneugliederungs-Gesetzes gesteuert. Deren Konkretisierung erfordert, die
spezifischen örtlichen Gegebenheiten für jede einzelne aufzulösende Gemeinde zu
betrachten. Damit muss der Gesetzgeber die örtlichen Belange der Gemeinde und die
überörtlichen Belange des Landes vollständig und zutreffend ermitteln, gegenüberstellen
und erkennbar seiner Abwägung zugrunde legen. Das bedeutet nicht, dass die örtlichen
Belange der Gemeinde den Vorrang haben. Der Gesetzgeber muss sich aber bei der
Durchsetzung der überörtlichen Belange davon leiten lassen, dass der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Er darf sich aufdrängende Gemeinwohlaspekte nicht
übersehen. Bereits in der freiwilligen Phase erfolgte leitbildgerechte Gebietsänderungen, die
staatlich genehmigt sind, hat er ausreichend zu würdigen. Gewinnt der Gesetzgeber aus
ermittelten Tatsachen Prognosen, legt er Prognosen als Tatsachen zugrunde oder nimmt er
Wertungen vor, darf das Ergebnis nicht eindeutig fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sein
(vgl. LVerfG LSA, LVerfGE 2, 227 <228, 257 ff.). Im Zuge seiner Abwägung steht es ihm
frei, einzelne oder mehrere Belange zu bevorzugen und sich damit notwendig für die
Zurückstellung anderer betroffener Gesichtspunkte zu entscheiden. Die Gewichtung muss
mit dem Leitbild und den Leitlinien in Einklang stehen. Sie muss geeignet und erforderlich
sein, die mit der Gemeindegebietsreform verfolgten Ziele zu erreichen und verhältnismäßig
sein. Die Gewichtung und Bewertung der Gemeinwohlaspekte durch den Gesetzgeber darf
ihrerseits nicht deutlich außer Verhältnis zu dem ihnen von Verfassungs wegen
zukommenden Gewicht stehen.
In formeller Hinsicht muss der Gesetzgeber bei seiner Tatsachenermittlung das
Anhörungsgebot der Gemeinden und Einwohner beachten. Mit Art. 90 Satz 2 Verf LSA, der
die Anhörung besonders hervorhebt, nimmt das Landesverfassungsrecht auf die
verfahrensrechtliche Vorgabe des Bundesrechts für kommunale Gebietsänderungen
lediglich Bezug. Das Grundgesetz verlangt aber nur, dass die betroffene Gemeinde
sachgerecht angehört wird. Präzisiert wird dies durch die einfachgesetzlichen Regelungen
der §§ 16 ff. GO LSA. Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 GO LSA sind die Gemeinden und die in dem
von der Neugliederung betroffenen Gebiet wohnenden Bürgerinnen und Bürger vor Erlass
des Gesetzes anzuhören.
Zum Verfahren wird auf die Ausführungen unter Ziffer VII. zur Anhörung verwiesen.
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Der für jede betroffene Gemeinde ermittelte Sachverhalt, die Ergebnisse der von der
Landesregierung durchgeführten Anhörungen und die hieran anknüpfende Wertung nach
den Vorgaben des Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes wird im Besonderen Teil
der Begründung unter der konkreten gesetzlichen Neugliederung dargestellt.
III. Reformschritte und gemeindliche Strukturen in Sachsen-Anhalt am 01.07.2009
Den Gemeinden ist – wie bereits ausgeführt - eingeräumt worden, durch freiwillige
Vereinbarungen, die den Kommunalaufsichtsbehörden bis zum 30.06.2009 vorzulegen
waren, neue den Vorgaben des GemNeuglGrG entsprechende leitbildkonforme Strukturen
zur Stärkung der gemeindlichen Ebene zu bilden. Die Einheitsgemeinden und
Verbandsgemeinden bzw. deren ausreichend große Mitgliedsgemeinden mussten
spätestens zum 01.01.2010 entstehen.
Im Ergebnis des während der freiwilligen Phase angestoßenen intensiven gemeindlichen
Diskurses sind ca. 230 Gebietsänderungsverträge mit etwa 1.000 beteiligten Gemeinden
abgeschlossen worden sowie 18 Verbandsgemeinden entstanden. Einen Überblick über die
Entwicklung kann der folgenden Tabelle entnommen werden:
kreisangehörige
Einheitsgemeinden
Verbandsgemeinden
Mitgliedgemeinden von
Verbandsgemeinden
Verwaltungsgemeinschaften
verwaltungsgemeinschaftsangehörige Gemeinden
01.07.2007
01.07.2009
01.01.2010
39
46
86
0
1
18
0
7
115
93
81
19
994
810
130
Danach bestehen zum Stichtag 01.07.2009 in Sachsen-Anhalt 863 kreisangehörige
Gemeinden. Weitere bereits genehmigte Gebietsänderungsverträge sind entsprechend den
Vorgaben des § 2 Abs. 2 und Abs. 6 GemNeuglGrG zum 01.01.2010 in Kraft getreten. Die
Anzahl der Gemeinden ist wegen der in der freiwilligen Phase erfolgten
Gemeindezusammenschlüsse mit Stand vom 01.01.2010 damit auf 365 kreisangehörige
Gemeinden gesunken. Die Zahl der Kleinstgemeinden mit unter 500 bzw. 1.000 Einwohnern
konnte durch die Bildung von Einheitsgemeinden wie auch durch die Bildung von
Mitgliedsgemeinden von Verbandsgemeinden erheblich gesenkt werden. Gab es mit Beginn
der freiwilligen Phase im August 2007 noch 422 Gemeinden unter 500 Einwohnern, sind es
zum Stichtag 01.01.2010 nur noch knapp 70 Gemeinden.
Zur Veranschaulichung der Gebietsänderungen im betreffenden Landkreis ist der
Gesetzesbegründung eine Karte beigefügt, in der die bisher genehmigten oder die von den
Gemeinden beschlossenen neuen Strukturen mit Gebietsstand 01.01.2010 und Kartenstand
13.01.2010 abgebildet sind.
Im Land Sachsen-Anhalt konnten letztlich – entsprechend der Erfahrungen in den anderen
Bundesländern bei landesweiten Gemeindegebietsreformen – nicht alle nach dem Leitbild
9
des Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes erforderlichen Neustrukturierungen
durch von den Gemeinden eigenverantwortlich geschlossene Gebietsänderungsverträge
bzw. durch den Abschluss von Verbandsgemeindevereinbarungen verwirklicht werden.
Nach dem Ende der freiwilligen Phase sind die Gemeindestrukturen nach den am
Gemeinwohl orientierten Zielen des § 1 Abs. 1 GemNeuglGrG durch den Gesetzgeber zu
ordnen. Für den erfolgreichen Abschluss der Gemeindegebietsreform im Land SachsenAnhalt sind nunmehr gesetzliche Neugliederungen erforderlich. Die entsprechende
Ankündigung, dass nach dem 30.06.2009 Gemeinden durch Gesetz zu Einheitsgemeinden
zusammengeschlossen werden, soweit sie keine genehmigungsfähigen Vereinbarungen zur
Bildung leitbildgerechter Einheitsgemeinden sowie Verbandsgemeinden und deren
Mitgliedsgemeinden den Kommunalaufsichtsbehörden vorgelegt haben, findet sich in § 2
Abs. 9 GemNeuglGrG. Der Gesetzgeber hat für sein Reformkonzept damit entschieden, ab
dem 01.07.2009 nur Einheitsgemeinden im Land Sachsen-Anhalt zu bilden.
Neben der gesetzlichen Bildung von Einheitsgemeinden ist der Gesetzgeber gehalten,
diejenigen Gemeinden, die sich an der Bildung von Einheits- oder Verbandsgemeinden
durch drei Viertel der Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft, die zwei Drittel
ihrer Einwohner repräsentieren, nicht beteiligt haben, entsprechend dem durch die Mehrheit
dokumentierten Willen zuzuordnen (§ 2 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 8 Satz 2 GemNeuglGrG).
Soweit danach Verbandsgemeinden bestehen, erfolgt eine Zuordnung einzelner Gemeinden
zu diesen Verbandsgemeinden bzw. zu deren Mitgliedsgemeinden. Neue
Verbandsgemeinden werden durch den Gesetzgeber nicht gebildet.
Insgesamt werden 151 Gemeinden gesetzlich neu gegliedert.
IV. Eingemeindung und Neubildung
Über die grundsätzliche Vorgehensweise, ob Einheitsgemeinden durch Eingemeindungen
oder Neubildungen entstehen sollen, trifft das Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz wie erwähnt - keine Aussage. Bei den verwendeten Termini „Zusammenschluss“ in § 2 Abs.
9 GemNeuglGrG und „Zuordnung“ in § 2 Abs. 4 und Abs. 8 GemNeuglGrG handelt es sich
um unbestimmte Rechtsbegriffe, welche vom Gesetzgeber konkretisiert werden müssen.
Die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe spricht zumindest objektiv für eine
differenzierte Betrachtung zum weiteren Vorgehen des Gesetzgebers.
Einheitsgemeinden kann der Gesetzgeber bilden durch Eingemeindung einzelner
Gemeinden in bestehende Strukturen oder durch Neubildungen. Bei Eingemeindungen
werden die einzugemeindenden Gemeinden aufgelöst und verlieren ihre rechtliche
Selbständigkeit, die aufnehmende Gemeinde bleibt rechtlich bestehen. Die aufnehmende
Gemeinde ist Rechtsnachfolgerin aller untergegangenen Gemeinden. Somit bleibt der Name
und das örtliche Satzungsrecht der aufnehmenden Gemeinde erhalten und es werden in der
Regel keine Neuwahlen der Gemeindeorgane durchgeführt (arg. ex § 46 KWG LSA). Nur
wenn der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin der aufnehmenden Gemeinde
ehrenamtlich tätig war, hat nach § 60 Abs. 1 Satz 4 GO LSA mit Entstehen der
Einheitsgemeinde zwingend die Neuwahl des hauptamtlichen Bürgermeisters oder der
hauptamtlichen Bürgermeisterin zu erfolgen.
Neubildungen erfolgen, indem alle beteiligten Gemeinden aufgelöst und zu einer neuen
Einheitsgemeinde vereinigt werden (vgl. Klang/Gundlach, Gemeindeordnung, § 16 RN 1;
Lübking/Beck, Gemeindeordnung, § 16 RN 2; Wiegand/Grimberg, Gemeindeordnung, § 16
RN 1). Alle beteiligten Gemeinden verlieren ihre rechtliche Selbstständigkeit, so dass die
neu gegründete Gemeinde Rechtsnachfolgerin aller ehemaligen, an der Neugründung
beteiligten Gemeinden ist. Da es sich hierbei um eine neue Gebietskörperschaft handelt,
10
müssen sowohl der Bürgermeister/die Bürgermeisterin als auch der Gemeinderat zeitnah
zur Neubildung gewählt werden. Die neu gewählten Gemeindeorgane müssen daraufhin ein
neues örtliches Satzungsrecht erlassen.
Für
die
konkreten
Neugliederungsfälle
muss
der
die
gemeindliche
Selbstverwaltungsgarantie achtende Gesetzgeber deswegen eine am Gemeinwohl
orientierte Systematik entwickeln, in welchen Fällen er eine Neubildung und in welchen er
eine Eingemeindung vornehmen wird. Ausgangspunkt der Überlegungen sind die bisher von
den Gemeinden freiwillig vollzogenen Reformschritte und die am Gemeinwohl orientierten
Leitvorstellungen des Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes.
1. Zuordnungen zu Einheitsgemeinden nach § 2 Abs. 4 Satz 2 GemNeuglGrG und
Zuordnungen zu Verbandsgemeinden nach § 2 Abs. 8 Satz 2 GemNeuglGrG
Für die Zuordnungen nach § 2 Abs. 4 Satz 2 GemNeuglGrG zu Einheitsgemeinden und die
Zuordnungen nach § 2 Abs. 8 Satz 2 GemNeuglGrG zu Verbandsgemeinden ergibt sich aus
der vom Landesverfassungsgericht nicht beanstandeten gesetzgeberischen Wertung, nach
der eine definierte Mehrheit von drei Viertel der Mitgliedsgemeinden einer
Verwaltungsgemeinschaft und zwei Drittel ihrer Einwohner die verbleibende Minderheit
dominiert, dass die so bereits entstandenen Einheits- oder Verbandsgemeinden bzw. deren
Mitgliedsgemeinden nicht erneut aufgelöst werden dürfen. Den mehrheitlich gefundenen
neuen Strukturen muss folglich umfassend Rechnung getragen werden. Es liegt in der Natur
der Sache, dass eine innerhalb der Freiwilligkeitsphase vertraglich gebildete
Einheitsgemeinde nicht erneut aufgelöst werden kann. Dies würde dem Prinzip der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes der an der Vereinbarung beteiligten
Gemeinden zuwiderlaufen, da die vertraglichen Regelungen so wieder außer Kraft gesetzt
werden würden.
Zuordnungen lassen sich für die erforderlichen Gebietsänderungen dahin konkretisieren,
dass die sich nicht beteiligenden Gemeinden der vormaligen Verwaltungsgemeinschaft
eingemeindet werden. Dies gilt für Einheitsgemeinden generell
sowie für
Mitgliedsgemeinden der Verbandsgemeinde, wenn die sich nicht beteiligende Gemeinde die
gesetzliche Mindesteinwohnerzahl von 1.000 nicht erreicht.
Verfügt die sich an der Verbandsgemeindevereinbarung nicht beteiligende Gemeinde über
die gesetzliche Mindesteinwohnerzahl, erfolgt grundsätzlich nur die Zuordnung zur
Verbandsgemeinde, die keine Gebietsänderung darstellt. In Einzelfällen können gleichwohl
Gebietsänderungen erforderlich werden, wenn eine der an der Verbandsgemeinde bereits
beteiligten Gemeinden die gesetzliche Mindesteinwohnerzahl nur durch Hinzutreten der sich
nicht beteiligenden (aber ausreichend großen) Gemeinde erreichen kann. Der
gesetzgeberischen Wertung folgend, finden auch in diesen Fällen nur Eingemeindungen
statt.
Gestützt wird dieses Ergebnis durch die in § 2 Abs. 5 und Abs. 8 GemNeuglGrG
angeordneten Rechtsfolgen für nach dem Mehrheitsprinzip gebildete neue Strukturen. Mit
Wirksamwerden dieser Strukturen ist die Verwaltungsgemeinschaft aufgelöst. Bis zu seiner
Zuordnungsentscheidung hat der Gesetzgeber die Verwaltung der sich nicht beteiligenden
Gemeinden übergangsweise den mehrheitlich gebildeten Gebietskörperschaften
übertragen. Die durch freiwillige Lösungen entstandenen Einheits- und Verbandsgemeinden
bilden folglich die Basis für die noch folgende gesetzliche Zuordnung. Dies gilt umso mehr,
wenn erst durch diese nachträgliche Zuordnung die gesetzlichen Mindesteinwohnerzahlen
der Einheitsgemeinden und Verbandsgemeinden bzw. deren Mitgliedsgemeinde erreicht
werden.
11
Darüber hinaus lässt sich den Gesetzesmaterialen entnehmen, dass vorgenannte
Zuordnungsregelungen erst mit dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD
vom 13.12.2007 (Drs. 5/1028) zum Gesetzentwurf der Landesregierung (Drs. 5/902)
Eingang in das legislative Verfahren gefunden haben. Nach den Formulierungen im
Änderungsantrag zu dem damaligen § 2 Abs. 6 sollte eine am Abschluss der Vereinbarung
nicht beteiligte Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft in die Einheitsgemeinde
oder in eine am Abschluss der Verbandsgemeindevereinbarung beteiligte
Mitgliedsgemeinde eingemeindet oder der Verbandsgemeinde zugeordnet werden. Die
Begründung des Änderungsantrages stellt klar, dass bei erforderlichen Gebietsänderungen
stets Eingemeindungen stattfinden sollen. Lediglich Gemeinden, welche die Sollstärke einer
verbandsangehörigen Gemeinde erreichen, werden der Verbandsgemeinde zugeordnet
(vgl. Drs. 5/1028, S. 10 f.).
Die schlussendlich Gesetz gewordenen Regelungen des § 2 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 8
Satz 2 GemNeuglGrG entsprechen dieser Intention, ohne dass sie zwischen
Eingemeindung und Zuordnung differenzieren, sondern nur allgemein von Zuordnung
sprechen. Will aber der Gesetzgeber bei Gebietsänderungen die nicht beteiligten
Gemeinden zuordnen, setzt dies denknotwendig den Bestand einer Gemeinde voraus zu
der zugeordnet werden kann. Neubildungen, in deren Konsequenz die mehrheitlich
gefundenen Lösungen wieder aufgelöst würden, scheiden damit aus.
Danach lässt sich der Gesetzgeber für die Zuordnungen nach § 2 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 8
Satz 2 GemNeuglGrG von folgenden Kriterien leiten:
a) Einheitsgemeinden
Haben sich Einheitsgemeinden aus drei Viertel der Mitgliedsgemeinden und zwei Drittel der
Einwohner der Verwaltungsgemeinschaft bis zum 01.01.2010 gebildet, sind die an der
freiwilligen Vereinbarung nicht beteiligten Gemeinden in die jeweilige Einheitsgemeinde
einzugemeinden.
b) Verbandsgemeinden
Haben sich Verbandsgemeinden aus drei Viertel der Mitgliedsgemeinden und zwei Drittel
der Einwohner der Verwaltungsgemeinschaft bis zum 01.01.2010 gebildet, sind die an der
freiwilligen Vereinbarung nicht beteiligten Gemeinden bei Nichterreichen der gesetzlichen
Mindestgröße
eines
Verbandsgemeindemitgliedes
in
eine
Mitgliedsgemeinde
einzugemeinden. Erreicht die sich nicht beteiligende Gemeinde die gesetzlich erforderliche
Mindesteinwohnerzahl, ist sie der Verbandsgemeinde zuzuordnen, es sei denn ein
Verbandsgemeindemitglied kann seine gesetzliche Mindesteinwohnerzahl nur durch
Eingemeindung dieser Gemeinde erreichen.
2. Zusammenschlüsse nach § 2 Abs. 9 GemNeuglGrG
Die gesetzlichen Zusammenschlüsse nach § 2 Abs. 9 GemNeuglGrG betreffen allein die
Bildung von Einheitsgemeinden. Der vom Gesetzgeber verwendete Terminus
„Zusammenschluss“ wird als Oberbegriff für Eingemeindungen und Neubildungen
betrachtet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesetzentwurf der
Landesregierung. Dieser enthielt im damaligen § 2 Abs. 5 die Formulierung „werden durch
gesetzliche Regelungen Einheitsgemeinden gebildet“ (vgl. Drs. 5/902, S. 4). Insofern hat
sich der Gesetzgeber für die gesetzliche Phase noch keine ihn selbst bindende Leitlinie
gegeben, wie er die Einheitsgemeindebildung vornehmen wird. Innerhalb seines politischen
Gestaltungsspielraums kann er das Verfahren zur Neugliederung der noch nicht
leitbildgerechten Gemeinden gestalten. Weil aber die Reform der gemeindlichen Ebene
flächendeckend erfolgt, muss er die weiteren verfassungsrechtlichen Schranken bei seinem
12
Vorgehen bedenken. Neben der Orientierung am gemeinen Wohl sind der aus dem
Rechtsstaatsprinzip fließende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 2 Abs. 1 Verf LSA), das
Demokratieprinzip sowie das Willkürverbot zu beachten.
Bei Eingemeindungen und Neubildungen in der gesetzlichen Phase ist in konsequenter
Fortführung der Inhalte des Leitbildes zu berücksichtigen, was der Gesetzgeber in der
freiwilligen Phase der Gebietsreform den Gemeinden vorgegeben hat.
Die
Einheitsgemeinden
sollen
grundsätzlich
innerhalb
der
bestehenden
Verwaltungsgemeinschaftsstrukturen entstehen. Für die Entscheidung, ob eine
Eingemeindung oder eine Neubildung erfolgt, muss deswegen auf die bereits in der
Verwaltungsgemeinschaft vorhandenen Strukturen abgestellt werden. Zu betrachten sind
einerseits die jeweiligen Gebietsstrukturen mit den von den Gemeinden freiwillig
vollzogenen Gebietsänderungen und andererseits das Organisationsmodell der
Verwaltungsgemeinschaft, sprich Trägerverwaltungsgemeinschaft oder gemeinsames
Verwaltungsamt. Denn anknüpfend an das jeweilige Verwaltungsgemeinschaftsmodell sind
die Grundsätze zur Neugliederung der Gemeinden normiert worden.
Vorrangig
sollen
danach
Einheitsgemeinden
auf
jeden
Fall
in
den
Verwaltungsgemeinschaften gebildet werden, die nach dem Trägermodell organisiert sind
oder in denen ein prägender Ort vorhanden ist (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3
GemNeuglGrG). Mit dieser Wertung hat der Gesetzgeber gleichzeitig die jeweilige
Trägergemeinde einer Verwaltungsgemeinschaft bzw. den prägenden Ort einer
Verwaltungsgemeinschaft, in dem etwa 40 % der Einwohner der Verwaltungsgemeinschaft
leben und der zugleich ein Grundzentrum ist, besonders herausgehoben, um seine
Reformziele zu erreichen. Diese vorhandenen Kristallisationskerne sollen weiter gestärkt
werden, um die gemeindliche Ebene für die künftigen Aufgaben langfristig leistungsfähig zu
gestalten.
Nichts anderes kann für gesetzliche Gebietsänderungen gelten. Zur zwangsweisen Bildung
von Einheitsgemeinden wird sich der Gesetzgeber an seinem Leitbild orientieren. Die
grundsätzlichen und gemeinwohlkonformen Wertungen des GemeindeneugliederungsGrundsätzegesetzes leiten ihn auch bei seiner Entscheidung, ob einzelne Gemeinden
aufgelöst und mit anderen vereinigt werden oder ob bestimmte Gemeinden insoweit
Bestand haben sollen, als sie für andere aufzulösende Gemeinden die aufnehmende
Gemeinde stellen. Von diesem gemeinwohlorientierten und verfassungsgerichtlich nicht
beanstandeten Ansatz aus, verbietet es sich grundsätzlich, die im Neugliederungskonzept
besonders hervorgehobenen Gemeinden gegen ihren Willen aufzulösen. Eingemeindungen
in bestehende Gemeinden sollen daher insbesondere dort stattfinden, wo die aufnehmende
Gemeinde aufgrund ihrer Größe und Leistungsfähigkeit eine besondere Ausstrahlungskraft
auf ihr Umland ausübt und das unbestrittene Zentrum der künftigen Gemeinde ist. Es ist ein
Ort, der in der Regel als einziger in der Region als Grundzentrum eine grundlegende,
überörtliche Daseinsvorsorge wahrnimmt und durch eine besonders hohe Einwohnerzahl
verglichen mit den umliegenden Gemeinden auffällt. Hiermit sind in erster Linie sowohl
Trägergemeinden als auch prägende Orte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GemNeuglGrG
gemeint. Da in einer Verwaltungsgemeinschaft mit einer Trägergemeinde die
Trägergemeinde die Verwaltungsaufgaben für die umliegenden Gemeinden wahrnimmt,
kam es hier schon zu einer freiwilligen Orientierung der Umlandgemeinden zu diesem
Zentrum. Ein prägender Ort stellt aufgrund seiner städtebaulichen Entwicklung öffentliche
Einrichtungen über den eigenen Bedarf hinaus bereit, die auch von den Einwohnern der
Umlandgemeinden genutzt werden. Somit haben sich sowohl Trägergemeinden als auch
prägende Orte zu Mittelpunkten ihrer bisherigen Verwaltungsgemeinschaften entwickelt. Da
sich die Umlandgemeinden zu diesen Mittelpunkten hin orientieren, ist die Eingemeindung in
die Trägergemeinden bzw. in die prägenden Orte der Neubildung vorzuziehen. Für die Fälle
des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 GemNeuglGrG kommen deswegen grundsätzlich nur
Eingemeindungen in die Trägergemeinde oder den prägenden Ort in Betracht. Eine
13
Auflösung dieser hervorgehobenen Gemeinden wäre nur bei äußerst atypischen
Einzelfallkonstellationen und nur ausnahmsweise denkbar.
Die
Erwägungen
zum
Eingemeindungserfordernis
gelten
auch
für
Verwaltungsgemeinschaften, in denen mindestens eine Gemeinde an eine kreisfreie Stadt
angrenzt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GemNeuglGrG), wenn sie als
Trägerverwaltungsgemeinschaften organisiert sind oder über einen dem prägenden Ort
vergleichbaren Mittelpunkt bei dem Modell des gemeinsamen Verwaltungsamtes verfügen.
Dies bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber in allen übrigen Neugliederungsfällen im
Land eine Neubildung vornehmen muss und alle zusammen zu schließenden Gemeinden
auflöst. Denn dies beträfe alle Gemeinden, denen in der freiwilligen Phase die
Wahlmöglichkeit nach § 2 Abs. 6 GemNeuglGrG offen gestanden hat und die weder eine
Einheitsgemeinde
gebildet
haben
noch
sich
zu
einer
Verbandsgemeinde
zusammengeschlossen haben. Der Gesetzgeber muss vielmehr – wie ausgeführt – neben
dem Organisationsmodell die im Rahmen der freiwilligen Phase neu entstandenen
Strukturen ausreichend würdigen.
Vor dem Hintergrund des Bestands- und Vertrauensschutzes der Gemeinden wäre es nicht
sachgerecht, die von den reformwilligen Gemeinden bereits vollzogenen und erst kürzlich
staatlich genehmigten Gebietsänderungen, ohne dass schlussendlich eine leitbildgerechte
Struktur entstanden ist, wieder aufzulösen. Dies gilt z. B. für die Fälle, in denen die
reformwilligen Gemeinden die Einheitsgemeindebildung nach dem Mehrheitsprinzip des § 2
Abs. 4 GemNeuglGrG nur knapp verfehlt haben. Zwar sind wiederholte gesetzliche
Änderungen im Bestand oder im gebietlichen Zuschnitt von Gemeinden grundsätzlich
möglich. Diese sog. Rückneugliederungen bedürfen dann allerdings wegen der
rechtsstaatlich
gebotenen
Rechtssicherheit
einer
besonderen
Abwägung
im
Gesetzgebungsverfahren (vgl. m.w.N. zuletzt LVerfG LSA, LVG 12/08 vom 21.04.2009 RN
52 sowie LVG 118/08 vom 21.04.2009 RN 53 der Internetveröffentlichung:
www.lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de). Insoweit wären Rückneugliederungen bei der
Umsetzung der Gemeindegebietsreform auf ein unabdingbar notwendiges Maß zu
beschränken.
Unter Würdigung der bereits erfolgten, aber noch nicht leitbildgerechten Gebietsänderungen
kann der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum wie folgt ausgeschöpft werden:
Ist in der Verwaltungsgemeinschaft eine neue Gemeinde entstanden, die dann die
Merkmale eines prägenden Ortes aufweist (Grundzentrum und mindestens 40 % der
Einwohner
der
Verwaltungsgemeinschaft),
so
sind
die
übrigen
verwaltungsgemeinschaftsangehörigen Gemeinden einzugemeinden. Diese Systematik
orientiert sich an den bestehenden Strukturen sowie dem Umstand, dass grundsätzlich in
den prägenden Ort eingemeindet werden soll. Sie trägt insoweit dem
Gleichbehandlungsgebot Rechnung.
In allen übrigen Fällen erfolgen Neubildungen. Muss z. B. der Gesetzgeber - ohne dass ein
prägender Ort vorhanden ist - mehrere Grundzentren zu einer leitbildgerechten
Einheitsgemeinde zusammenschließen, soll in der Regel eine Gemeindeneubildung
stattfinden. Alle Grundzentren stellen überörtlich genutzte Einrichtungen zur Verfügung und
üben daher eine Ausstrahlungskraft auf ihr Umland aus. Da sie somit eine wichtige Stellung
in der künftigen Einheitsgemeinde wahrnehmen, sollte dessen Bevölkerung die Möglichkeit
haben, die Gemeindeorgane mitzulegitimieren, um somit Einfluss auf das örtliche
Satzungsrecht ausüben zu können. Daher wird eine Gemeindeneubildung in diesem Fall
vorgezogen.
14
Ist weder ein Grundzentrum noch eine allein aufgrund ihrer Einwohnerzahl dominierende
Gemeinde vorhanden, gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz alle sich in ihrer Struktur
ähnelnden (kleinteiligen) Gemeinden aufzulösen und neu zusammen zu schließen.
Ergänzend wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass bei gesetzlich neu
gebildeten Gemeinden darauf verzichtet wird, einen Verwaltungssitz zu bestimmen.
Während bei Eingemeindungen der Verwaltungssitz in der aufnehmenden Gemeinde
bestehen bleibt, muss dieser bei Neubildungen noch festgelegt werden. Es handelt sich
hierbei um eine wichtige strategische Entscheidung der Gemeinde in Bezug auf den
Kernbereich ihrer inneren Organisationshoheit als Ausfluss der Selbstverwaltungsgarantie.
Daher soll die neu gegründete Gemeinde selbst die Möglichkeit haben, verschiedene
Alternativen abzuwägen und den Verwaltungssitz und ggf. Außenstellen in ihrem neu
entstandenen Gebiet selbst festlegen können.
Weicht der Gesetzgeber vom Grundsatz der Bildung von Einheitsgemeinden innerhalb der
bestehenden Verwaltungsgemeinschaftsstrukturen aus besonderen Gründen ab, so gilt für
die grenzüberschreitende Gemeinde das System nach dem die übrigen Gemeinden zu einer
Einheitsgemeinde zusammengeschlossen werden. Besteht die Einheitsgemeinde bereits,
erfolgt grundsätzlich eine Eingemeindung. Bereits vorhandene leitbildgerechte Strukturen
werden so in der gebotenen Weise gewürdigt.
Ob nach dem Ende der freiwilligen Phase die Gemeinden nach § 2 Abs. 9 GemNeuglGrG
zu Einheitsgemeinden zusammengeschlossen werden durch Eingemeindungen oder durch
Neubildung, bestimmt sich zusammengefasst nach den folgenden Kriterien:
a) Eingemeindungen
Ausgehend von der derzeit bestehenden Verwaltungsgemeinschaftsstruktur erfolgen nach
§ 2 Abs. 9 GemNeuglGrG Eingemeindungen grundsätzlich
- in die Trägergemeinde als aufnehmende Gemeinde (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2
GemNeuglGrG),
- in den prägenden Ort oder in während der freiwilligen Phase gebildete Gemeinden, die
die Merkmale eines prägenden Ortes aufweisen, als aufnehmende Gemeinde (§ 2
Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GemNeuglGrG).
b) Neubildungen
Ausgehend von der derzeit bestehenden Verwaltungsgemeinschaftsstruktur erfolgen nach
§ 2 Abs. 9 GemNeuglGrG Neubildungen von Einheitsgemeinden grundsätzlich in den Fällen
des § 2 Abs. 6 GemNeuglGrG,
- Wenn in der Verwaltungsgemeinschaft kein Grundzentrum vorhanden ist und keine
Gemeinde größer als die übrigen Gemeinden zusammen ist oder
- wenn ein oder mehrere Grundzentren vorhanden sind, ohne prägender Ort zu sein.
c) Verwaltungsgemeinschaftsgrenzen überschreitende Einheitsgemeindebildungen
Bei Verwaltungsgemeinschaftsgrenzen überschreitende Einheitsgemeindebildungen gilt für
die grenzüberschreitende Gemeinde das System nach dem die übrigen Gemeinden zu einer
Einheitsgemeinde zusammengeschlossen werden. Besteht die Einheitsgemeinde bereits,
erfolgt grundsätzlich eine Eingemeindung.
15
V. Wahlen
Anknüpfend an das oben beschriebene Neugliederungssystem gelten für die neugegliederten
Gemeinden die allgemeinen Bestimmungen des Kommunalwahlgesetzes für das Land
Sachsen-Anhalt, der Kommunalwahlordnung für das Land Sachsen-Anhalt und der
Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt. Der insoweit für den Vollzug der
Gemeindeneugliederungsgesetze geltende § 7 des Ausführungsgesetzes verweist hierauf.
Ergänzend stellt § 7 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes klar, dass es dem Gesetzgeber offen
steht, in den Gemeindeneugliederungsgesetzen besondere wahlrechtliche Regelungen zu
treffen. Aus § 7 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes ergibt sich, dass der Gesetzgeber auch bei
Eingemeindungen die einzelne Neuwahl des Gemeinderates anordnen kann. Die Neuwahl hat
in diesen Fällen vor dem Wirksamwerden der neuen Gemeindestruktur zu erfolgen.
Nach den leitenden Erwägungen in Artikel 1 des Zweiten Begleitgesetzes wird der
Gesetzgeber nach § 7 des Ausführungsgesetzes in konkreten Neugliederungsfällen immer
dann eine Neuwahl des Gemeinderates anordnen, wenn in die künftige oder bereits
bestehende Gemeinde mehr als ein Drittel der Einwohnerschaft im Verhältnis zur künftigen
Gesamteinwohnerzahl eingemeindet wird. In diesem Zusammenhang wird auf die
Begründung des Zweiten Begleitgesetzes zu Artikel 1 § 7 verwiesen.
VI. Kosten
Die Vorschriften der Landeshaushaltsordnung sind beachtet worden. Auswirkungen auf den
Landeshaushalt ergeben sich nicht. Es wird erwartet, dass gegebenenfalls entstehende
Anpassungs- und Umstellungskosten in Fachverfahren (z.B. Fördermittelbereich) durch die
Synergieeffekte der Gebietsreform kurz- und mittelfristig aufgewogen werden, z.B. durch die
sich verringernde Anzahl von gemeindlichen Antragstellern.
Durch das Gesetz kommt es nicht zu neuen Aufgabenübertragungen auf die Kommunen, so
dass das Konnexitätsprinzip nach Art. 87 Abs. 3 Verf LSA nicht berührt wird. Es werden
Aufgaben lediglich umverlagert.
Es entstehen auf der kommunalen Ebene einmalig geringfügige Kosten. Er wird erwartet,
dass diese allerdings durch Synergieeffekte der Reform kurz− und mittelfristig wieder
ausgeglichen werden. So kommt es beispielsweise regelmäßig zu einem wirtschaftlicheren
Einsatz des Personals mit steigender Einwohnerzahl und zu einer besseren Ausnutzung
kommunaler Gebäude und Dienstleistungen. Darüber hinaus verbessert die
Gemeindegebietsreform langfristig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der kommunalen
Ebene.
VII. Anhörung
Die vor der abschließenden gesetzgeberischen Entscheidung verfassungsrechtlich
gebotene Anhörung der von dem Gesetz unmittelbar betroffenen Gemeinden sowie der
Bürgerinnen und Bürger wie auch die Interessenabwägung werden durch das Parlament
durchgeführt.
Nach dem Verfassungsgebot des Art. 90 Satz 2 Verf LSA ist Zweck der Anhörung, dem
Gesetzgeber umfassende Kenntnis von allen für die Neugliederung erheblichen Umständen
zu verschaffen, so dass er alle für und gegen die geplante Neugliederungsentscheidung
sprechenden Argumente sorgfältig abwägen kann. Um eine fundierte Stellungnahme
abgeben zu können, muss die betroffene Kommune zwar nicht von allen Einzelheiten, wohl
16
aber vom wesentlichen Inhalt des Gebietsänderungsvorhabens und seiner Begründung
rechtzeitig Kenntnis erhalten (vgl. LVerfG LSA, LVerfGE 2, 227 <255>).
Bei der Anhörung der betroffenen Gemeinden muss der anhörungsverpflichtete
Gesetzgeber keine besonderen Förmlichkeiten wahren. Er kann das Anhörungsverfahren
nach seinem Ermessen frei gestalten. Denn Art. 90 Satz 2 Verf LSA verlangt kein
Verfahrensgesetz, das den Ablauf von Anhörungen regelt. Der Landtag kann deshalb selbst
schriftlich oder mündlich anhören, auf Anhörungen der Landesregierung zurückgreifen,
diese mit der Anhörung beauftragen und sich das Ergebnis vortragen lassen (LVerfG LSA,
LVerfGE 2, 227 <254 f.>). Sichergestellt muss allein sein, dass der Gesetzgeber dem Zweck
der Anhörung genügen kann, die Interessenlage bei der betroffenen Kommune sowie den
Bürgerwillen zu ermitteln.
Um eine fundierte Stellungnahme abgeben zu können, ist der betroffenen Kommune der
wesentliche Inhalt des Gebietsänderungsvorhabens und seine Begründung zur Kenntnis zu
geben. Auch zu etwaigen Alternativen soll die Kommune gehört werden.
In § 17 Abs. 2 GO LSA ist für gesetzliche Neugliederungen gegen den Willen der beteiligten
Gemeinden neben der Pflicht zur Anhörung der Gemeinde auch die Anhörungspflicht der
Bürger, die in dem unmittelbar betroffenen Gebiet wohnen, geregelt. Die Durchführung
dieser Anhörung obliegt dann den Gemeinden als Aufgabe des übertragenen
Wirkungskreises (§ 17 Abs. 2 Satz 4 GO LSA).
Gemäß Art. 90 Satz 2 Verf LSA sollen mit der Bürgeranhörung die Interessen und Belange
der Bevölkerung ermittelt und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. Eine
solche Anhörung setzt mindestens voraus, dass die Anhörungsberechtigten des unmittelbar
betroffenen Gebietes förmlich Gelegenheit erhalten, sich zu einer konkret vorgesehenen
Gebietsänderung zu äußern. Fasst der Gesetzgeber aufgrund seiner Vorüberlegungen
alternative Gebietsänderungen ins Auge, müssen sich die Bürgerinnen und Bürger vor der
abschließenden Neugliederungsentscheidung auch dazu geäußert haben (so auch LVerfG
Bbg., Urteil vom 18.12.2003, VfGBbg 96/03, Punkt B. II. 2. des Internetauftritts:
www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
Die Zuordnung von Mitgliedsgemeinden zu einer Verbandsgemeinde nach § 2 Abs. 8 Satz 2
GemNeuglGrG, die die gesetzliche Mindesteinwohnerzahl erreichen, lässt den Gebietsstand
der zuzuordnenden Gemeinde in der Regel unangetastet. Es handelt sich nicht um eine
Gebietsänderung. Vielmehr erfolgt ein Aufgabenentzug aufgrund der gesetzlich normierten
Zuständigkeiten der jeweiligen Verbandsgemeinde (vgl. § 2 VerbGemG). Eine Anhörung der
Einwohnerinnen und Einwohner zu diesen Zuordnungen ist verfassungsrechtlich nicht
erforderlich. Das Rechtsstaatsprinzip gebietet jedoch, die Verbandsgemeinde und die ihr als
weiteres Mitglied zuzuordnende Gemeinde anzuhören.
Darüber hinaus sind die kommunalen Spitzenverbände nach § 151 a GO LSA und § 73 a
LKO bei Vorbereitungen von Rechtsvorschriften, die unmittelbar die Belange der
Gemeinden berühren, zu hören. Der Landkreistag Sachsen-Anhalt sowie der Städte- und
Gemeindebund des Landes Sachsen-Anhalt hatten deswegen Gelegenheit zu den
einzelnen Neugliederungsgesetzen Stellung zu nehmen. Die Mindestvorgaben schließen
nicht aus, weitere Kommunen, Verbände, Institutionen, Interessenvertretungen und Träger
öffentlicher Belange anzuhören, um dem Parlament umfassende Erkenntnisse über die
örtlichen Gegebenheiten der aufzulösenden Gemeinden bzw. zuzuordnenden Gemeinden
zu verschaffen. Zur Vorbereitung der Entscheidung des Parlaments über die einzelne
Neugliederungsmaßnahme hat die Landesregierung teils obligatorisch, teils fakultativ wie
folgt angehört:
17
1. die aufzulösende Gemeinde,
2. die aufnehmende Gemeinde,
3. wenn die aufnehmende Gemeinde erst noch entstand (spätestens zum
01.01.2010), die Gemeinden, die den Gebietsänderungsvertrag geschlossen
haben,
4. die einer Verbandsgemeinde zuzuordnende Gemeinde,
5. die aufnehmende Verbandsgemeinde,
6. wenn die Verbandsgemeinde erst noch entstand (spätestens zum
01.01.2010), die Gemeinden, die die Verbandsgemeindevereinbarung
geschlossen haben,
7. den das Gemeindeneugliederungsgesetz betreffenden Landkreis,
8. den Stadt-Umland-Verband Halle bzw. Magdeburg, wenn die betroffene
Gemeinde Verbandsmitglied ist,
9. die jeweils zuständige Regionale Planungsgemeinschaft,
10. den Landkreistag Sachsen-Anhalt,
11. den Städte- und Gemeindebund des Landes Sachsen-Anhalt sowie
12. die von der Gebietsänderung aufgrund der Auflösung ihrer Gemeinde
betroffenen Bürgerinnen und Bürger im Wege einer Bürgeranhörung nach
§ 55 KWG LSA.
Bei den Bürgeranhörungen berücksichtigt die Landesregierung außerdem, dass der
Gesetzgeber in Einzelfällen auch alternative Gebietsänderungen in Betracht ziehen könnte.
Sollte sich der Gesetzgeber im Ergebnis seiner Abwägung für die mögliche Alternative
entscheiden, muss auch hier der verfassungsrechtlich gebotenen Anhörung der
Einwohnerinnen und Einwohner genügt werden. Sie müssen zuvor zur Alternative befragt
worden sein, um die formellen Anforderungen an das Zustandekommen des jeweiligen
Gesetzes zu erfüllen. In diesen Gemeinden fanden deswegen mehrere Bürgeranhörungen
nach § 55 KWG LSA am gleichen Tag statt. Das Vorgehen der Landesregierung ermöglicht
dem Plenum den so ermittelten Bürgerwillen umfassend zu berücksichtigen. Es vermeidet,
dass die Betroffenen zu einem späteren Zeitpunkt erneut zur Abstimmung gebeten werden
müssen. Schließlich erleichtert es das administrative Verfahren bei der Durchführung der
Bürgeranhörung durch die Gemeinden insoweit, als z. B. die Verzeichnisse der
Anhörungsberechtigten nicht erneut erstellt werden müssen.
Die Ergebnisse der Anhörungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der neuzugliedernden
Gemeinden werden im Besonderen Teil zu den einzelnen Neugliederungsfällen dargestellt
und berücksichtigt. Die weiteren Beteiligten haben sich wie folgt geäußert:
1. Landkreistag Sachsen-Anhalt
Der Landkreistag Sachsen-Anhalt ist zu dem Gesetzentwurf mit Schreiben des Ministeriums
des Innern vom 09.09.2009 nach § 151 a GO LSA und § 73 a LKO angehört worden. Unter
dem 30.10.2009 wurde seitens des Landkreistages mitgeteilt, aufgrund der direkten
Einbeziehung
der
Landkreise
in
das
Anhörungsverfahren
zu
den
Gemeindeneugliederungsgesetzen würden nach verbandsinterner Verständigung die
Stellungnahmen zu den einzelnen Neugliederungsgesetzen von dem jeweils betroffenen
Landkreis selbst abgegeben werden.
2.
Landkreis Harz
Der Landkreis Harz ist mit Schreiben vom 4. September 2009 vom Ministerium des Innern zu
dem Referentenentwurf eines Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis Harz unter
Einräumung einer Frist bis zum 30. Oktober 2009 angehört worden. Mit Schreiben vom
2. November 2009 hat der Landkreis Stellung genommen. In seiner Stellungnahme weist der
18
Landkreis auf die gebietlichen Veränderungen aufgrund von zwischenzeitlich geschlossenen
Gebietsänderungsverträgen nach Erarbeitung des Referentenentwurfes hin, so die
Eingemeindungen der Stadt Derenburg und der Gemeinde Timmenrode in die Stadt
Blankenburg (Harz), der Eingemeindung der Gemeinde Sargstedt in die Stadt Halberstadt und
der Beitritts der Gemeinde Danstedt zur Gebietsänderungsvereinbarung über die Bildung der
Einheitsgemeinde Nordharz. Diese Gebietsänderungen auf freiwilliger Basis haben die nach
dem Referentenentwurf noch vorgesehenen diesbezüglichen Neugliederungen entbehrlich
gemacht (vgl. Abschnitt VIII.).
Den nach dem Referentenentwurf vorgesehenen gesetzlichen Zuordnungen innerhalb des
Landkreises Harz hat der Landkreis in seiner Stellungnahme zugestimmt. Die näheren
Einzelheiten des Votums des Landkreises werden im besonderen Teil zu den einzelnen
Neugliederungsfällen dargestellt und berücksichtigt.
3.
Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt
Mit Schreiben vom 09.09.2009 hat das Ministerium des Innern den Städte- und
Gemeindebund des Landes Sachsen-Anhalt gemäß § 151 a GO LSA zu dem
Referentenentwurf angehört. Der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt hat sich mit
Schreiben vom 27.10.2009 geäußert und verweist auf seine Stellungnahme vom
14.09.2009. Grundsätzlich fordert der Kommunale Spitzenverband in dieser Stellungnahme
Folgendes:
a) Beachtung der Gründe des öffentlichen Wohls sowie der Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbotes bei allen gesetzlichen
Neugliederungen und Leitbildkonformität
b) Kostenerstattung des Landes für die im übertragenen
durchgeführten Bürgeranhörungen (Konnexitätsprinzip)
Wirkungskreis
Zu a)
Der grundsätzlichen Forderung des Städte- und Gemeindebundes wird zugestimmt. Die
Beachtung der Gründe des Gemeinwohls aus Art. 90 Verf LSA sowie der weiteren
Verfassungsschranken bei gesetzlichen Gebietsänderungen bilden die Grundlage für die
allein hiermit zu rechtfertigenden Eingriffe in das kommunale Selbstverwaltungsrecht
neuzugliedernder Gemeinden. Die Gründe des Gemeinwohls hat der Gesetzgeber bereits
auf der zweiten Stufe der Reform mit der Verabschiedung des GemeindeneugliederungsGrundsätzegesetzes (GemNeuglGrG) als Artikel 1 des Begleitgesetzes zur
Gemeindegebietsreform vom 14. Februar 2008 (GVBl. LSA S. 40) definiert. Das in den §§ 2
und 3 GemNeuglGrG kodifizierte Leitbild und die einzelnen Systemkriterien sind
verfassungsgemäß (vgl. LVerfG LSA, LVG 12/08 und LVG 118/08 vom 21.04.2009,
Internetveröffentlichung: www.lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de), sie entsprechen dem
Gemeinwohl und insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die einzelnen
Neugliederungsmaßnahmen werden daher grundsätzlich durch die Vorgaben des
Gemeindeneugliederungs-Grundsätzgesetzes gesteuert. Auf die im allgemeinen
Begründungsteil
(aller
Neugliederungsgesetze)
unter
Punkt
II.
dargestellten
verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie auf die zu jeder einzelnen Neugliederung
vorgenommene Abwägung im besonderen Begründungsteil wird insoweit verwiesen.
Der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt hat außerdem mitgeteilt, um die
unterschiedlichen Interessen seiner Verbandsmitglieder zu wahren, wird er sich zu den im
Einzelnen vorgesehenen Neugliederungen nicht äußern, es sei denn, die einzelnen
gesetzlichen Regelungen widersprächen dem Leitbild der Gemeindegebietsreform und dem
(Ersten) Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt.
19
Sofern der Städte- und Gemeindebund mit Blick auf die Leitbildkonformität einzelner
Neugliederungsmaßnahmen Stellung genommen hat, wird dies bei den konkreten
Vorschriften im Besonderen Teil der Begründung aufgegriffen. Zu dem Entwurf des
Gemeindeneugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis Harz hat er keine Hinweise
oder Bedenken vorgetragen.
Zu b)
Der Kommunale Spitzenverband rügt, dass im Zusammenhang mit den gesetzlich
durchzuführenden Bürgeranhörungen das Konnexitätsprinzip nicht gewahrt sei. Er fordert
eine entsprechende Erstattungsregelung für die im Zuge der Bürgeranhörungen nach § 17
Abs. 2 GO LSA bei allen Neugliederungsgesetzen entstehenden Kosten. Weil die
Gemeinden bzw. Verwaltungsgemeinschaften die Bürgeranhörung als Aufgabe des
übertragenen Wirkungskreises wahrzunehmen hätten, müssten ihnen die hierbei
entstehenden Kosten vom Land nach Art. 87 Abs. 3 Verf LSA i.V.m. § 5 Abs. 1 GO LSA
erstattet werden. Um dem Konnexitätsprinzip zu entsprechen, wären die Kosten für die
Bürgeranhörungen zu ermitteln. Der Mehrbelastungsausgleich sei den die
Bürgeranhörungen durchführenden Gemeinden bzw. Verwaltungsgemeinschaften
zuzuweisen.
Der Auffassung des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt wird nicht gefolgt. Die
Kosten für die Bürgeranhörungen werden durch die Zuweisungen aus dem Finanzausgleich
gedeckt. § 17 Abs. 2 Satz 4 GO LSA bestimmt, die Durchführung der Anhörung der Bürger
obliegt den Gemeinden als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises. Die Pflicht zur
Durchführung einer Anhörung im Falle der Gebietsänderung gegen den Willen der
beteiligten Kommunen war bereits in § 12 Abs. 2 des Gesetzes über die Selbstverwaltung
der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung vom 17.05.1990, GBl. I
S. 255) normiert. Mit dem Zusatz „Die Durchführung der Anhörung der Bürger obliegt den
Gemeinden als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises“ wurde die Regelung der
Kommunalverfassung in die Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt vom 05.10.
1993 (GVBl. LSA S. 508) überführt. Seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Zuweisungen
des Landes Sachsen-Anhalt an die Gemeinden und Landkreise im Haushaltsjahr 1991
(Gemeindefinanzierungsgesetz – GFG 1991) vom 22.04.1991 (GVBl. LSA S 28) erhalten
die Gemeinden Zuweisungen für die Erfüllung ihrer eigenen und übertragenen Aufgaben
und damit auch zur Erfüllung der Aufgabe „Durchführung von Anhörungen der Bürger“ i.S.d.
§ 17 Abs. 2 Satz 4 GO LSA. Der Gesetzgeber ist seiner Pflicht zur Kostenregelung mit der
Bereitstellung der Finanzausgleichmittel nach den Gemeindefinanzierungsgesetzen und
dem seit dem 01.01.1995 geltenden Finanzausgleichsgesetz bereits nachgekommen. Einer
gesonderten Regelung in den Neugliederungsgesetzen oder dem Zweiten Begleitgesetz
bedarf es nicht. Die bestehenden gesetzlichen Vorgaben der Gemeindeordnung und des
Finanzausgleichsgesetzes sind eindeutig und ausreichend.
4.
Regionale Planungsgemeinschaft Harz
Unter dem 8. September 2009 hat das Ministerium des Innern die Regionale
Planungsgemeinschaft Harz zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes über die
Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Harz
angehört. In ihrer Stellungnahme vom 21. Oktober 2009 hat die Regionale
Planungsgemeinschaft ausgeführt, dass einige der nach dem Referentenentwurf
vorgesehenen gesetzlichen Neugliederungen aufgrund zwischenzeitlich auf freiwilliger Basis
abgeschlossener Gebietsänderungsvereinbarungen entbehrlich werden. Dies werde die Stadt
Derenburg sowie die Gemeinden Timmenrode, Sargstedt und Danstedt betreffen.
Bezüglich der sonstigen Neugliederungsvorhaben nach dem Referentenentwurf führt die
Regionale Planungsgemeinschaft Harz aus, dass gegen die vorgesehenen gesetzlichen
20
Eingemeindungen der Gemeinde Neudorf in die Stadt Harzgerode, der Gemeinde Allrode in
die Stadt Oberharz am Brocken sowie der Gemeinde Westerhausen in die Stadt Quedlinburg
aus regionalplanerischer Sicht keine Bedenken bestehen. Auch gegen die beabsichtigten
Eingemeindungen von Gernrode, Bad Suderode und Rieder in die Stadt Ballenstedt sprechen
keine grundsätzlichen regionalplanerische Belange. Die näheren Einzelheiten des von der
Regionalen Planungsgemeinschaft Harz abgegebenen Votums werden im besonderen Teil zu
den einzelnen Neugliederungsfällen dargestellt und berücksichtigt.
VII.
Weitere Reformschritte nach Beginn des Anhörungsverfahrens
Nach Freigabe der Anhörung zum Referentenentwurf eines Gesetzes über die
Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Harz
durch die Landesregierung sind im Landkreis Harz weitere gemeindliche Neugliederungen
auf freiwilliger Basis durchgeführt worden, welche die im Referentenentwurf noch
vorgesehenen gesetzlichen Eingliederungen entbehrlich machen. So waren in der Stadt
Derenburg und in den Gemeinden Timmenrode und Sargstedt zum Abschluss der
vorbereiteten Gebietsänderungsvereinbarungen noch die nach § 17 Abs. 1 GO LSA
gebotenen Bürgeranhörungen durchzuführen, die erst für den 27. September 2009
terminiert waren. In der Gemeinde Danstedt hatten sich nach der am 28. Juni 2009
durchgeführten Bürgeranhörung die Verhandlungen mit den Mitgliedsgemeinden der
Verwaltungsgemeinschaft Nordharz über die Bildung einer Einheitsgemeinde Nordharz
zeitlich verzögert.
Im
Rahmen
des
Anhörungsverfahrens
konnten
die
freiwilligen
Gebietsänderungsvereinbarungen der Stadt Derenburg und der Gemeinden Timmenrode,
Sargstedt und Danstedt abgeschlossen und kommunalaufsichtlich genehmigt werden.
Festzustellen ist, dass
• aufgrund der Eingemeindungen der Stadt Derenburg und der Gemeinde
Timmenrode zum 1. Januar 2010 in die Stadt Blankenburg (Harz),
• aufgrund der Eingemeindung der Gemeinde Sargstedt zum 1. Januar 2010 in die
Stadt Halberstadt und
• aufgrund des Zusammenschlusses der Gemeinde Danstedt mit Mitgliedsgemeinden
der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Nordharz zum 1. Januar 2010 zur neuen
Einheitsgemeinde Nordharz
die im Referentenentwurf noch vorgesehenen gesetzlichen Eingliederungen fallen gelassen
werden konnten.
21
B. Besonderer Teil
Zu § 1
I.
Sachlage / bisherige Reformschritte
Nach den Erkenntnissen der Landesregierung stellt sich die Sachlage zu der betroffenen
Gemeinde Neudorf sowie der aufnehmenden Stadt Harzgerode wie folgt dar:
Die Gemeinde Neudorf liegt im Unterharz am Rande des Landkreises Harz südlich der zum
1. August 2009 neu gebildeten Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode. Die Gemarkung
Neudorf bildet einen Teil der südlichen Grenze im Landkreis Harz zum Landkreis MansfeldSüdharz. Die Gemeinde Neudorf wird fast vollständig von den Ortschaften der neuen Stadt
Harzgerode umschlossen: so ist westlich in 8 km entfernt die Ortschaft und ehemalige
Gemeinde Straßberg gelegen. Im Norden der Gemeinde Neudorf grenzt die 5,8 km entfernte
Ortschaft Harzgerode an. Östlich und südöstlich liegen die Ortschaften und ehemaligen
Gemeinden Dankerode (knapp 4 km entfernt) und Königerode (9 km entfernt).
Die Gemeinde Neudorf ist an den Öffentlichen Nahverkehr angeschlossen durch
Busverbindung. Dies wird im Wesentlichen wahrgenommen durch die Q-BusNahverkehrsgesellschaft mbH.
Straßenmäßig erschlossen ist Neudorf wie folgt:
L 235
K 2364
K 2352
K 2351
aus Richtung Harzgerode / Mansfeld (von der B 242) → in Richtung
Stolberg
aus Richtung Silberhütte durch den Ort → auf die L 235
vom Ort in Richtung Straßberg – befahrbar bis Birnbaumteich, danach
befahrbar mit geländegängigen Fahrzeugen
vom Ortsausgang Richtung Harzgerode →
nach Dankerode
Neudorf liegt auf einer Höhe von 406 bis 440 m und erhebt sich leicht über dem
Unterharzplateau. Der Ort hat eine Fläche von 14 km² und ist ringsum von Wald,
überwiegend Nadelwald, eingeschlossen.
Das ehemalige Pfarrdorf wurde um 1530/31 gegründet. Das Gebiet befand sich zu diesem
Zeitpunkt im stolbergischen Pfandbesitz und gelangte 1582 an Anhalt, hier zur Herrschaft
Ballenstedt, zu welchem es danach ununterbrochen gehörte. Der Dreißigjährige Krieg
verwüstete das Dorf. 1806 wird von 58 Häusern mit 370 Einwohnern, die sich von Ackerbau,
Viehzucht, Kohlenfahren und Holzhauen ernährten, berichtet. Neudorf entwickelte sich zum
Bergmannsdorf (die bekanntesten Erzgruben waren Grube Meiseberg und Grube
Pfaffenberg). Bekannt wurde Neudorf im Harz durch den Bergbau und die dabei
aufgefundenen Mineralstufen großer Schönheit, die bereits im 19. Jahrhundert begehrte
Sammelobjekte waren (v. a. Stufen mit Bleiglanz-, Siderit-, Quarz-, Zinkblende- und
Bournonit-Kristallen). Stufen dieser Zeit befinden sich u. a. in der Zincken-Sammlung im
Schloss Bernburg. 1887 entstand die jetzige Backsteinkirche. Es wurde ein
Arbeiterwohnheim für die vielen angeworbenen Arbeitskräfte des Bergbaues errichtet. Nach
Stilllegung der Gruben wurde eine neue Erwerbsquelle – der Fremdenverkehr – ins Leben
gerufen. Die Stahlquelle wurde 1931 für den Fremdenverkehr erschlossen und trug zum
guten Ruf Neudorfs als Erholungsort bei.
Durch die Lage ist Neudorf insbesondere mit Harzgerode, aber auch mit Straßberg seit
Jahrzehnten eng verbunden. Die Verbundenheit ergibt sich aus der Bergbaugeschichte und
der Zugehörigkeit zu Anhalt.
22
Harzgerode als Zentrum des Unterharzes wird auch von den Einwohnern Neudorfs genutzt
als Einkaufsmöglichkeit, Arbeitsstelle, Arzt, Apotheke, Schulstandort u. dgl.
In Neudorf gibt es 2 kleinere Lebensmittel- bzw. Backwarengeschäfte, 1 Gaststätte und
1 Cafe. Weiterhin 1 Alten-Pflegeheim. Nächste Einkaufsmöglichkeiten befinden sich in
Harzgerode.
Die Einwohnerentwicklung in der Gemeinde Neudorf stellt sich in den letzten Jahren wie folgt
dar:
31.12.2005
661
31.12.2006
676
31.12.2007
679
31.12.2008
668
In der Gemeinde Neudorf ist eine Kindertagesstätte mit 27 Kindern, davon 9 Kinder unter 3
Jahre und 18 Kinder über 3 Jahre (Stand 2008). Träger der Einrichtung ist die Gemeinde. In
der Gemeinde Neudorf sind keine Schulen. Die Kinder der Gemeinde besuchen die
Grundschule und die Sekundarschule in Harzgerode.
Die Haushaltslage der Gemeinde Neudorf kann als geordnet bezeichnet werden. Der
Haushalt 2009 wurde am 26. Februar 2009 mit einem Gesamtvolumen von 1.100.900 €
ausgeglichen beschlossen. Die Rücklage der Gemeinde wies per 1. Januar 2009 einen
Bestand von 367.108,76 € aus. Bislang hat die Gemeinde noch nie Bedarfszuweisungen aus
dem Ausgleichsstock gemäß § 12 des Finanzausgleichsgesetzes des Landes SachsenAnhalt erhalten.
Die Gemeinde Neudorf zählt zur Regionalen Planungsgemeinschaft Harz. Sie nimmt keine
Funktionen als Zentraler Ort wahr. Grundzentrum für diese Region ist Harzgerode, bisherige
selbständige Stadt und nunmehriger Ortsteil der zum 1. August 2009 wirksam neu gebildeten
Stadt Harzgerode. Harzgerode ist im Regionalen Entwicklungsplan auch als
Schwerpunktstandort für Industrie und Gewerbe sowie mit der historischen Altstadt als
Vorrangstandort für Kultur und Denkmalpflege festgelegt.
Die Gemeinde Neudorf ist wie die ehemaligen Mitgliedsgemeinden der zum 1. August 2009
aufgelösten Verwaltungsgemeinschaft Unterharz und nunmehrigen Ortsteile der Stadt
Harzgerode Mitglied im Zweckverband Wasserver- und Abwasserentsorgung Ostharz.
Darüber hinaus gehört die Gemeinde Neudorf wie die ehemaligen Gemeinden und
nunmehrigen Ortsteile der Stadt Harzgerode Günterberge, Harzgerode, Schielo, Siptenfelde
und Straßberg dem Unterhaltungsverband „Selke-Obere Bode“ und wie Dankerode,
Königerode und Schielo dem Unterhaltungsverband „Wipper-Eine“ an.
Die südlich von Harzgerode und zwischen Straßberg, Dankerode und Königerode gelegene
Gemeinde Neudorf war seit Gründung der Verwaltungsgemeinschaft Unterharz am 1. Juli
1994 deren Mitglied. Der im Süden des Landkreises Harz gelegenen ehemaligen
Verwaltungsgemeinschaft Unterharz, die mit wirksamer Bildung der Einheitsgemeinde Stadt
Harzgerode am 1. August 2009 aufgelöst wurde, gehörten seit Anbeginn die
Mitgliedsgemeinden Dankerode, Güntersberge, Harzgerode, Königerode, Neudorf, Schielo,
Siptenfelte und Straßberg an. Sitz des gemeinsamen Verwaltungsamtes war Harzgerode.
Der zum 31. Dezember 2005 maßgebliche Einwohnerbestand in der ehemaligen
Verwaltungsgemeinschaft Unterharz stellt sich wie folgt dar:
23
Tab. 1 – Übersicht über die Mitgliedsgemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft
Unterharz und deren Einwohnerzahl
lfd.
Nr.
1
2
3
4
5
6
7
8
Gemeinde
Einwohner
zum
31. Dezember 2005
Dankerode
Güntersberge
Harzgerode
Königerode
Neudorf
Schielo
Siptenfelde
Straßberg
845
926
4 397
826
661
599
622
791
Summe:
9 667
Im Zuge einer unverbindlichen Ermittlung des Stimmungsbildes zur Gemeindegebietsreform,
die durch das Ministerium des Innern im zweiten Halbjahr 2007 durchgeführt worden war,
erklärten – bis auf die Stadt Güntersberge, die nach ihren Äußerungen die gesetzliche Phase
der Gemeindegebietsreform abwarten wolle – die übrigen Mitgliedsgemeinden der
Verwaltungsgemeinschaft Unterharz ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Bildung einer
Einheitsgemeinde. Zunächst bestand zwischen der Stadt Harzgerode und den übrigen
Mitgliedsgemeinden
allerdings
Uneinigkeit
über
die
Art
und
Weise
der
Einheitsgemeindebildung: während die Stadt Harzgerode die Bildung einer
Einheitsgemeinde
durch
Eingemeindung
sämtlicher
Mitgliedsgemeinden
der
Verwaltungsgemeinschaft in die Stadt Harzgerode favorisierte, weil sie ansonsten den
Verlust ihrer Stadtrechte befürchtete, beabsichtigten die übrigen Mitgliedsgemeinden, eine
Einheitsgemeinde im Wege der Neubildung zu bilden.
Im Frühjahr 2008 begannen zwischen den Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft
Unterharz die Verhandlungen über einen Gebietsänderungsvertrag mit dem Ziel der Bildung
einer Einheitsgemeinde, wobei sich die Stadt Güntersberge hieran zunächst nicht beteiligte,
da sie die gesetzliche Phase abwarten wolle.
Am 16. November 2008 wurde bezüglich der Gemeindegebietsreform in allen
Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Unterharz eine Bürgeranhörung zur
Frage des Zusammenschlusses zu einer neuen Gemeinde durchgeführt. In der Gemeinde
Neudorf erfolgte die Bürgeranhörung mit der Fragestellung: „Sind Sie dafür, dass sich die
Gemeinde Neudorf auflöst und mit allen dazu bereiten Mitgliedsgemeinden der
Verwaltungsgemeinschaft Unterharz zu einer neuen Gemeinde zusammenschließt?“ 185
Bürgerinnen und Bürger, insoweit 32,23 % aller Wahlberechtigten, beteiligten sich an der
Bürgeranhörung. 76 stimmten für und 107 gegen die Bildung einer neuen Gemeinde aus
dazu bereiten Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Unterharz.
Ein Grundsatzbeschluss zur Gemeindegebietsreform wurde vom Gemeinderat der
Gemeinde Neudorf nicht gefasst.
Zum 1. August 2009 bildeten alle Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft
Unterharz außer Neudorf auf der Grundlage des GemeindeneugliederungsGrundsätzegesetzes eine Einheitsgemeinde. Die Städte Güntersberge und Harzgerode
sowie die Gemeinden Dankerode, Königerode, Schielo, Siptenfelde und Straßberg haben
hierfür in der freiwilligen Phase einen Gebietsänderungsvertrag zur Bildung der
24
Einheitsgemeinde beschlossen, ihn unterschrieben und am 4. Mai 2009 zur
kommunalaufsichtlichen
Genehmigung
eingereicht.
Die
Genehmigung
nach
§ 2 Abs. 4 GemNeuglGrG wurde am 1. Juli 2009 erteilt und im Amtsblatt des Landkreises
Harz bekannt gemacht.
Alle acht Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Unterharz haben zu dem nach
§ 2 Abs. 10 GemNeuglGrG maßgeblichen Stichtag 31. Dezember 2005 insgesamt 9 667
Einwohner. Die sieben vertragsschließenden Gemeinden (87,5 v.H. der Mitgliedsgemeinden)
haben zum Stichtag 31. Dezember 2005 insgesamt 9 006 Einwohner (93,16 v.H. der
Einwohnerzahl aller Mitgliedsgemeinden). Mithin wurde die Vereinbarung zwischen
wenigstens drei Vierteln der Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft, in denen
zwei Drittel der Einwohner aller Mitgliedsgemeinden wohnen, geschlossen.
Die Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode entstand demnach auf der Grundlage von
§ 2 Abs. 4 GemNeuglGrG dadurch, dass mehr als drei Viertel aller Mitgliedsgemeinden der
Verwaltungsgemeinschaft, in denen zwei Drittel aller Einwohner wohnen, eine gemeinsame
Vereinbarung trafen. Die Einheitsgemeinde hatte zum Zeitpunkt ihrer Entstehung 9 006
Einwohner.
II.
Zuordnung zur Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode
Die Gemeinde Neudorf wird mit Inkrafttreten dieses Gesetzes in die Stadt Harzgerode
eingemeindet. Die eingemeindete Gemeinde wird aufgelöst.
III.
Anhörungen der betroffenen Gemeinden
Stellungnahmen der weiteren Beteiligten
und
1.
Auffassung der aufzulösenden Gemeinde Neudorf
der
Einwohner
sowie
Die aufzulösende Gemeinde Neudorf ist mit Schreiben des Ministeriums des Innern vom
4. September 2009 zu dem Gesetzentwurf angehört worden. Die Gemeinde hat den
gleichlautenden Referentenentwurf nebst Begründung ausweislich der Empfangsbestätigung
am 17. September 2009 erhalten. Ihr wurde eine Frist zur Stellungnahme bis zum
1. Dezember 2009 eingeräumt.
Mit Schreiben vom 27. November 2009 hatte die Gemeinde Neudorf mitgeteilt, dass sich der
Gemeinderat erst mit dem Vorliegen der Ergebnisse der Bürgeranhörung am 29. November
2009 in der Lage sehe, eine Stellungnahme zur beabsichtigten Eingemeindung abzugeben,
da er sich in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regelungen als Vertretungsorgan der
Einwohner empfinde. Da erst nach der Sitzung des Wahlausschusses zur Feststellung des
Anhörungsergebnisses am 30. November 2009 die erforderlichen Vorbereitungen für die
Sitzung des Gemeinderates erfolgen könnten, sei eine Beratung und Beschlussfassung über
eine Stellungnahme nicht vor der zweiten Dezemberhälfte möglich.
Nach Ablauf der mit Schreiben des Ministeriums des Innern vom 4. September 2009
eingeräumten Anhörungsfrist hat die Gemeinde Neudorf mit Schreiben vom 23. Dezember
2009 zu dem nach dem Referentenentwurf vorgesehenen Neugliederungsvorhaben Stellung
genommen. In ihrer Stellungnahme weist die Gemeinde darauf hin, dass 75 % der
Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der am 29. November 2009 zum Referentenentwurf
durchgeführten Anhörung die vorgesehene gesetzliche Zuordnung der Gemeinde Neudorf
25
zur Stadt Harzgerode abgelehnt hätten, das Ergebnis der Bürgeranhörung mithin in
besonderem Maße eindeutig und noch klarer ausgefallen sei als die Anhörung im November
2008. Aus diesem Grund sehe der Gemeinderat der Gemeinde Neudorf keinen Anlass, von
seinem eine Eingemeindung ablehnenden Beschluss vom Januar 2009 abzurücken.
Aus Sicht der Gemeinde Neudorf würde die Zuordnung zur Einheitsgemeinde Stadt
Harzgerode für die Gemeinde ausschließlich Nachteile bringen und das Ende der
langjährigen erfolgreichen Entwicklung bedeuten. Die Gemeinde Neudorf verweist in ihrer
Stellungnahme darauf, dass die Entwicklung der Einwohnerzahl als Ausdruck des
Vertrauens der Bürger in die Lebensverhältnisse einer Gemeinde in Neudorf im Verlauf der
letzten mehr als 15 Jahre stabil gewesen und die soziale wie kommunale Infrastruktur in der
Gemeinde intakt sei. Obwohl Neudorf durch keinerlei gewerbliche, naturräumliche oder
sonstige soziale Gegebenheiten in den Einnahmen gegenüber anderen Gemeinden
bevorzugt sei, habe die Gemeinde Neudorf eine sehr geordnete Haushaltslage und bezogen
auf die Einwohnerzahl durchaus nennenswerte Rücklagen. Das gesellschaftliche Leben
werde durch eine Vielzahl an Vereinen und nicht förmlichen Vereinigungen bestimmt, wobei
deren Arbeit zu einem großen Teil erst durch eine umfangreiche personelle, materielle und
finanzielle Unterstützung durch die Gemeinde ermöglicht und aufrecht erhalten werde. Diese
Entwicklung der Gemeinde Neudorf sei im Umfeld einer durchaus nicht unproblematischen
Verwaltungsgemeinschaft, die jetzt in eine Einheitsgemeinde umgewandelt wurde, erreicht
worden.
Nach Auffassung der Gemeinde Neudorf sei Folge einer Eingemeindung mit ihrer
allgemeinen, hier in besonderem Maße ausgeprägten einseitigen Hinwendung zum Zentrum
und der völlig unstrittig fehlenden finanziellen Möglichkeiten dieser Einheitsgemeinde der
Zusammenbruch des öffentlichen kulturellen und sozialen Lebens. Von daher lehne die
Gemeinde Neudorf die beabsichtigte zwangsweise Zuordnung zur Stadt Harzgerode ab.
2.
Ergebnis der Bürgeranhörung
Das Ministerium des Innern hat mit Erlass vom 4. September 2009 die
Kommunalaufsichtsbehörde des Landkreises Harz aufgefordert, für die Durchführung der
nach Art. 90 S. 2 Verf LSA i.V.m. § 17 Abs. 2 GO LSA erforderlichen Bürgeranhörungen in
der Gemeinde Neudorf Sorge zu tragen. Die Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode als die
gemäß § 2 Abs. 5 Satz 3 GemNeuglGrG für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises
zuständige Behörde war gebeten worden, die Anhörungen der Bürgerinnen und Bürger
durchzuführen. Dabei hat das Ministerium des Innern die Anhörungsfrage im Erlasswege
vorgegeben (vgl. nachfolgende Übersicht). Die Kommunalaufsichtsbehörde des Landkreises
hat auf Bitte des Ministeriums des Innern den Termin für die Bürgeranhörung gegenüber der
Einheitsgemeinde festgesetzt.
Mit der Bekanntmachung der Bürgeranhörung ist gleichzeitig der Gesetzestext des
Referentenentwurfs bekannt gemacht worden. Die Bekanntmachung enthielt den Hinweis,
dass der gesamte Referentenentwurf einschließlich der Begründung während der
allgemeinen Öffnungszeiten der Einheitsgemeinde zur Einsichtnahme für die Bürgerinnen
und Bürger bereit liegt.
Die Bürgeranhörung hat in der aufzulösenden Gemeinde Neudorf stattgefunden, die
Bürgerinnen und Bürger haben wie folgt votiert:
26
Ergebnis BA
(Anzahl der
BürgerGemeinde
anhörung
(BA)
Neudorf
BA
Datum
Fragestellung nach Weisung
Beteiligung
des Ministeriums des Innern
in %
Sind Sie dafür, dass die Gemeinde
29.11.2009 Neudorf in die Einheitsgemeinde
Stadt Harzgerode eingemeindet
wird?
31,41
Stimmen)
Ja
Nein
45
139
Danach lehnen die Neudorfer Bürgerinnen und Bürger die Eingemeindung in die
Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode mehrheitlich ab.
3.
Auffassung der aufnehmenden Gemeinde
Die Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode wurde mit Schreiben des Ministeriums des Innern
vom 4. September 2009 unter Einräumung einer Frist zur Stellungnahme bis zum
1. Dezember 2009 angehört. Zusammen mit dem Anhörungsschreiben war ihr der
Referentenentwurf einschließlich Begründung zur Kenntnis gegeben worden. Ausweislich
der Empfangsbestätigung hat die Stadt Harzgerode den Referentenentwurf nebst
Begründung am 15. September 2009 erhalten.
In ihrer Stellungnahme vom 2. November 2009 teilte die Stadt Harzgerode mit, dass es
gegen die nach dem Referentenentwurf beabsichtigte Eingemeindung der Gemeinde
Neudorf seitens der Stadt Harzgerode keine Vorbehalte gibt.
4.
Stellungnahme des Landkreises Harz
In seiner Stellungnahme vom 2. November 2009 stimmt der Landkreis Harz der nach dem
Referentenentwurf vorgesehenen Eingemeindung der Gemeinde Neudorf in die Stadt
Harzgerode zu. Der Landkreis führte hierzu aus, dass es keine Alternativen hinsichtlich einer
anderen Zuordnung der Gemeinde Neudorf gebe, da die Gemeinde von der Stadt
Harzgerode umgeben sei.
5.
Stellungnahme der Regionalen Planungsgemeinschaft Harz
In ihrer Stellungnahme vom 21. Oktober 2009 zum Referentenentwurf über ein
Neugliederungsgesetz betreffend den Landkreis Harz befürwortete die Regionale
Planungsgemeinschaft Harz die beabsichtigte Eingemeindung der Gemeinde Neudorf in die
Stadt Harzgerode. Insoweit führte die Regionale Planungsgemeinschaft aus, dass aus
regionalplanerischer Sicht, insbesondere bezüglich der zentralörtlichen Gliederung, die
vorgesehene Zuordnung von Neudorf als nichtzentraler Ort in die Stadt Harzgerode keine
raumordnerischen Konflikte erzeuge. Damit würde der grundzentrale Verflechtungsbereich
des Grundzentrums im Bereich der Kernstadt Harzgerode nicht verändert werden. Sinnvolle
Alternativen bezüglich einer anderen Eingemeindung seien auch aus Sicht der
Regionalplanung nicht zu erkennen.
27
IV.
Abwägung
Die Eingemeindung der Gemeinde Neudorf in die Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode ist
nach den gemeinwohlorientierten Zielen der Gemeindegebietsreform im Land SachsenAnhalt geboten. Nach § 1 Abs. 1 GemNeuglGrG sollen auf der gemeindlichen Ebene
zukunftsfähige gemeindliche Strukturen geschaffen werden, die ihre und die ihnen
übertragenen Aufgaben dauerhaft sachgerecht, effizient und in hoher Qualität erfüllen und
die wirtschaftliche Nutzung der erforderlichen kommunalen Einrichtungen sichern. Die
Neugliederung der gemeindlichen Ebene im Land Sachsen-Anhalt zielt darauf ab, im
Interesse einer bestmöglichen Daseinsvorsorge für die Einwohner die Leistungsfähigkeit der
Gemeinden zu stärken und im Interesse einer wirksamen und wirtschaftlichen Bewältigung
der Verwaltungsaufgaben die Verwaltungskraft der Gemeinden zu steigern. Durch die
Stärkung der gemeindlichen Verwaltungskraft und Leistungsfähigkeit soll zugleich der Gefahr
eines
Verlustes
bürgerschaftlichen
Engagements
infolge
schwindender
Gestaltungsmöglichkeiten in den Selbstverwaltungsbereichen entgegen getreten werden.
Zur Erreichung der mit der Reform bezweckten Zielsetzungen hat der Gesetzgeber mit
seinem Leitbild in § 2 GemNeuglGrG Mindesteinwohnerzahlenwerte für die künftigen
gemeindlichen Strukturen in Sachsen-Anhalt festgelegt. So sollen Einheitsgemeinden und
Verbandsgemeinden mindestens 10 000 Einwohner haben (§ 2 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 7
Satz 1 GemNeuglGrG), wobei diese Einwohnerzahl geringfügig unterschritten werden kann,
wenn Umstände des Einzelfalls die Annahme rechtfertigen, dass die dauerhafte
Leistungsfähigkeit der Einheits- bzw. Verbandsgemeinde erreicht wird (§ 2 Abs. 3 Satz 3 und
Abs. 7 Satz 2 GemNeuglGrG). Ein Abweichen von der Regelgröße einer Einheitsgemeinde
von 10 000 Einwohnern hat der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 3 Satz 2 GemNeuglGrG eröffnet,
wenn eine unterdurchschnittliche Bevölkerungsdichte im Landkreis vorliegt oder besondere
geographische Lagen eine Rolle spielen. In diesen Fällen sollen Einheitsgemeinden
mindestens 8 000 Einwohner haben, wobei diese Einwohnerzahl geringfügig unterschritten
werden darf (§ 2 Abs. 3 Satz 3 GemNeuglGrG).
Die Typisierung im Hinblick auf die Einwohnerzahl ist verfassungsgemäß. Hierzu hat das
Landesverfassungsgericht mit Urteil vom 21. April 2009 (LVerfG 12, 27, 56, 58, 71, 83, 87,
99 und 149/08, Rn. 46) bereits ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei organisatorischen
Maßnahmen, die das ganze Land betreffen, typisieren darf. Er braucht nicht jeder einzelnen
Gemeinde und grundsätzlich auch nicht jeder insgesamt gesehen unbedeutenden Gruppe
von Gemeinden Rechnung tragen. Dies folgt schon aus dem notwendig generellen
Charakter seiner Regelung. Der Gesetzgeber kann sich somit an Werten im Sinne von
Richtgrößen orientieren, die in einem rationalen Abwägungsprozess zustande gekommen
sind. Die Abwägungsentscheidung im Hinblick auf die Festlegung der Richtgröße von 10 000
Einwohnern
für
eine
Einheitsgemeinde
als
Mindestgröße
wurde
vom
Landesverfassungsgericht nicht beanstandet und ist damit verfassungsgemäß.
Die Gemeinde Neudorf mit ihren 661 Einwohnern zum maßgeblichen Stichtag
31. Dezember 2005 war Mitgliedsgemeinde der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft
Unterharz. Die Gemeinde hatte die Möglichkeit, bis zum 30. Juni 2009 eine freiwillige
Neugliederung zu vereinbaren, die den Vorgaben des GemeindeneugliederungsGrundsätzegesetzes entspricht. Der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde sollte nach
§ 2 Abs. 9 GemNeuglGrG bis spätestens zum 30. Juni 2009 ein genehmigungsfähiger
Vertrag über eine den gesetzlichen Neugliederungsgrundsätzen entsprechende
Gebietsänderung vorliegen. Die freiwillige Phase der Gemeindegebietsreform hat die
Gemeinde Neudorf nicht genutzt. An der Bildung der Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode,
die von den übrigen Mitgliedsgemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft
Unterharz im Wege eines gemeinsamen Gebietsänderungsvertrages vereinbart wurde, hat
sich die Gemeinde Neudorf nicht beteiligt.
28
Der
Gesetzgesetzgeber
folgt
nunmehr
seiner
Ankündigung
in
§ 2 Abs. 4 Satz 2 GemNeuglGrG und ordnet die sich an der gemeindlichen Neugliederung
innerhalb der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Unterharz nicht beteiligende Gemeinde
Neudorf der Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode zu.
Bei der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Unterharz handelte es sich um eine
Verwaltungsgemeinschaft nach dem Modell des gemeinsamen Verwaltungsamtes, bei der
der in § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GemNeuglGrG bestimmte Vorrang der Bildung einer
Einheitsgemeinde
zum
Tragen
kommt.
Denn
innerhalb
der
ehemaligen
Verwaltungsgemeinschaft Unterharz stellte die Stadt Harzgerode aufgrund ihrer deutlich
unterschiedlichen Einwohnerzahl im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedsgemeinden und der
ihr zugewiesenen zentralörtlichen Funktion eines Grundzentrums einen prägenden Ort im
Sinne dieser Vorschrift dar. Diesem gesetzgeberischen Leitbild entsprechend hatten in der
freiwilligen Phase der Gebietsreform – bis auf die Gemeinde Neudorf - alle
Mitgliedsgemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Unterharz einen
Gebietsänderungsvertrag zur Bildung der Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode zum
1. August 2009 beschlossen und der nach § 4 Abs. 2 GemNeuglGrG zuständigen obersten
Kommunalaufsichtsbehörde zur Genehmigung vorgelegt. Mit Wirksamwerden des
genehmigten Gebietsänderungsvertrages zur Bildung der Einheitsgemeinde Stadt
Harzgerode zum 1. August 2009 wurde die Verwaltungsgemeinschaft Unterharz gemäß
§ 2 Abs. 5 Satz 1 GemNeuglGrG aufgelöst. Die sich nicht beteiligende Gemeinde Neudorf
wird von der Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode übergangsweise mitverwaltet
(§ 2 Abs. 5 Satz 3 GemNeuglGrG).
Das vorliegende Gesetz trägt mit der Zuordnung der Gemeinde Neudorf zur
Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode der Ankündigung des Gesetzgebers in
§ 2 Abs. 4 Satz 2 GemNeuglGrG und der vom Landesverfassungsgericht nicht
beanstandeten gesetzgeberischen Wertung Rechnung, nach der eine definierte Mehrheit
von drei Viertel der Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft und zwei Drittel ihrer
Einwohner die verbleibende Minderheit dominiert und die sich an der
Neugliederungsvereinbarung nicht beteiligenden Gemeinden durch Gesetz der von der
Mehrheit der Mitgliedsgemeinden gebildeten Einheitsgemeinde zugeordnet werden. Sofern
der überwiegende Wille der der Verwaltungsgemeinschaft bislang angehörenden
Gemeinden auf die Bildung einer gemeinsamen neuen gemeindlichen Struktur ausgerichtet
ist, bilden die insoweit durch freiwillige Lösungen entstandenen Einheitsgemeinden folglich
die Basis für die noch folgende gesetzliche Zuordnung sich nicht beteiligender Gemeinden.
Dies beruht auf den Regelungen des § 2 GemNeuglGrG, mit denen der Gesetzgeber die
grundlegenden Aussagen zur Struktur der gemeindlichen Ebene in Sachsen-Anhalt getroffen
und damit sein Leitbild zur Verwirklichung der in § 1 GemNeuglGrG normierten Ziele der
Gemeindegebietsreform aufgestellt hatte. Zum gesetzgeberischen Leitbild zählt die in § 2
Abs. 2 GemNeuglGrG getroffene Strukturaussage, dass Gemeindezusammenschlüsse zur
Bildung
von
Einheitsgemeinden
innerhalb
der
Grenzen
der
bestehenden
Verwaltungsgemeinschaften erfolgen sollen. Dieser Regelung liegt die am Gemeinwohl
orientierte
Zielsetzung
zugrunde,
die
innerhalb
der
bisher
bestehenden
Verwaltungsgemeinschaften gewachsenen Verflechtungen und Synergien zu erhalten und
zu verstärken, und insoweit auf eingerichtete Verwaltungsstrukturen sowie bestehende
Verwaltungs- und Personalkapazitäten zurückzugreifen. Somit hat die gesetzliche
Zuordnung der Gemeinde Neudorf zu der auf der Grundlage von § 2 Abs. 4 Satz 1
GemNeuglGrG gebildeten Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode grundsätzlich Vorrang
gegenüber der Eingemeindung in angrenzenden Einheitsgemeinden.
29
Ein Abweichen von diesem Neugliederungsgrundsatz muss durch hinreichende
Besonderheiten des Einzelfalls gerechtfertigt sein. Die Gesichtspunkte, die nach den
örtlichen Gegebenheiten ein Verlassen von dem der Gemeindegebietsreform
zugrundeliegenden
System
begründen
können,
ergeben
sich
aus
§ 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG. Danach können Gesichtspunkte der Raumordnung und
Landesplanung sowie die örtlichen Zusammenhänge, wie wirtschaftliche und naturräumliche
Verhältnisse sowie historische und landsmannschaftliche Verbundenheiten, es erlauben, den
Rahmen der von § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG vorgegebenen Neugliederungsgrundsätze zu
verlassen. Bei Vorliegen der in § 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG bestimmten Gesichtspunkte
ist ein Abweichen vom gesetzgeberischen Leitbild des § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG jedoch nur
möglich, wenn die maßgebliche Mindesteinwohnerzahl auch dann erreicht wird, soweit nicht
alle Gemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft an der Bildung der
Einheitsgemeinde beteiligt waren. Die Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode entstand zum
1. August 2009 durch eine vertragliche Vereinbarung der Städte Güntersberge und
Harzgerode und der Gemeinden Dankerode, Königerode, Schielo, Siptenfelde und
Straßberg. Somit haben sich sieben der acht Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft
Unterharz zusammengeschlossen. Die neue Einheitsgemeinde hat bei ihrer Entstehung
9 006 Einwohner zu dem gesetzlich maßgebenden Stand vom 31. Dezember 2005. Somit
erreicht die Einheitsgemeinde nicht die Soll-Mindesteinwohnerzahl von 10 000 Einwohnern
nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GemNeuglGrG. Allerdings war die Bildung der Einheitsgemeinde
nach § 2 Abs. 4 Satz 1 GemNeuglGrG dennoch genehmigungsfähig, da jedenfalls die
nachträgliche Zuordnung der an der Gründung nicht beteiligten Gemeinde Neudorf zum
Erreichen der gesetzlichen Mindesteinwohnerzahl führt. Die gesetzliche Eingemeindung der
Gemeinde Neudorf in die Stadt Harzgerode wird durch diese verfassungskonforme Leitlinie
bereits vorgezeichnet. Denn erst mit der Eingemeindung von Neudorf hat die
Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode eine Einwohnerzahl von 9 667 Einwohnern. Dies ist
eine geringfügige Unterschreitung der Soll-Mindesteinwohnerzahl, die nach § 2 Abs. 3 Satz 3
GemNeuglGrG zulässig ist. Somit muss Neudorf der Stadt Harzgerode zugeordnet werden,
weil die nötige Einwohnerzahl für die Leitbildgerechtigkeit der Einheitsgemeinde – hier mit
9 667 Einwohnern geringfügig unterschritten - andernfalls nicht erreicht wird. Auch hat die
Gemeinde Neudorf besondere Gegebenheiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2
GemNeuglGrG, die den Gesetzgeber zwingen, vom vorstehenden Neugliederungsgrundsatz
abzuweichen, weder vorgetragen noch drängen sich diese unter Betrachtung des Einzelfalls
auf.
Aufgrund ihrer geographischen Lage besteht für die Gemeinde Neudorf keine andere
Möglichkeit einer Neugliederung als die einer Zuordnung zur Stadt Harzgerode. Die
Gemeinde Neudorf liegt im Süden des Landkreises Harz. Sie grenzt im Süden an den
Landkreis Mansfeld-Südharz und ist ansonsten von der Stadt Harzgerode umgeben. Nach
§ 2 Abs. 2 GemNeuglGrG werden Einheitsgemeinden nur innerhalb der Grenzen eines
Landkreises gebildet. Somit kann Neudorf nicht in den Landkreis Mansfeld-Südharz
wechseln, um eine Einheitsgemeinde zu bilden. Da die Gemeinde Neudorf zudem keine
gemeinsamen Gemarkungsgrenzen mit anderen Einheitsgemeinden des Landkreises Harz
hat, sondern vom Gebiet der Stadt Harzgerode umschlossen wird, ist ihre Eingemeindung in
die Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode die einzige Möglichkeit, eine leitbildgerechte
Struktur zu bilden.
Der entgegenstehende Bürgerwille – soweit er im Rahmen der Bürgeranhörung am
29. November 2009 in der Gemeinde Neudorf zu dem nach dem Referentenentwurf eines
Neugliederungsgesetzes vorgesehenen Neugliederungsvorhaben zum Ausdruck gekommen
ist – vermag sich nicht gegenüber den für die Eingemeindung der Gemeinde Neudorf in die
Stadt Harzgerode sprechenden Gründe des Gemeinwohls durchzusetzen. Zwar verkennt der
Gesetzgeber nicht, dass ein Zusammenwachsen zwangsweise zusammengeschlossener
Gemeinden leichter von statten geht, wenn dies mehrheitlich von der betroffenen
Bürgerschaft mitgetragen wird. Das Votum der Bürgerinnen und Bürger bildet jedoch
lediglich einen von einer Vielzahl bei der Neugliederungsentscheidung zu beachtenden
30
Gesichtspunkten, welche im Rahmen der Abwägung der Belange des Gemeinwohls in die
gesetzgeberische
Entscheidung
einzustellen
ist.
Die
Akzeptanz
einer
Neugliederungsentscheidung durch die unmittelbar betroffenen Gemeinde und ihre
Einwohner kann daher nicht zum alleinigen oder auch nur vorrangigen Maßstab für die
gesetzgeberische Entscheidung gemacht werden, sondern ist nach Lage der Dinge mit
ihrem jeweiligen Gewicht im Einzelfall in die Abwägung einzustellen. Bei einer allgemeinen,
das gesamte Land umfassenden Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume
neu zu gliedern und die überörtlichen Belange für die gesamte Kommunalstruktur des
Landes zu bedenken, so dass nicht nur örtliche Gegebenheiten – wie etwa die Akzeptanz
des Vorhabens bei den Bürgerinnen und Bürger der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht
fallen. Der Gesetzgeber ist deswegen nicht an das in der Bürgeranhörung zum Ausdruck
gekommene Votum der Bürgerschaft der von der Neugliederungsentscheidung betroffenen
Gemeinde gebunden.
Die gesetzgeberische Abwägung orientiert sich an der Notwendigkeit und den Zielen der
Gebietsreform, wie sich aus § 1 Abs. 1 GemNeuglGrG ergeben. Ausdrücklich als Ziele
formuliert sind die Bewahrung des bürgerschaftlichen Engagements und die Schaffung
effektiver zukunftsfähiger Gemeindestrukturen. Die weiteren Vorgaben, wie die in § 1 Abs. 1
GemNeuglGrG definierten Ziele der Reform umzusetzen sind, enthält das Leitbild u.a. mit
seinen Parametern für die Größe der künftigen Einheitsgemeinden. Insoweit wird auch auf
die zum Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz ergangenen Entscheidungen des
Landesverfassungsgerichts vom 21. April 2009 (a.a.O.) verwiesen. Bereits aus diesem
Grund kann den Vorstellungen der Bürgerschaft der durch die Neugliederungsentscheidung
betroffenen Gemeinden in aller Regel dann nicht gefolgt werden, wenn diese Vorstellungen
nicht dem Leitbild dieser Reform entsprechen. Im konkreten Fall ist die mehrheitlich von den
Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde Neudorf im Rahmen der Bürgeranhörung geäußerte
ablehnende Haltung nicht von einem derartigen Gewicht, dass ein gesetzlicher
Zusammenschluss unterbleiben müsse. Die für die Zuordnung der Gemeinde Neudorf zur
Stadt Harzgerode sprechenden Gründe überwiegen. Wie oben dargestellt, gilt die Gemeinde
Neudorf aufgrund ihrer Einwohnergröße als nicht leistungsfähig. Aufgrund ihrer räumlichen
Lage sowie den weiteren oben ausgeführten Gesichtspunkten bleibt aus Gründen des
Gemeinwohls kein Raum für eine anderweitige als die mit dem vorliegenden Gesetz
getroffene Entscheidung. Der bloße Unwille der Bevölkerung wird nicht durch objektivierbare
und hinreichend gewichtige Gründe unterlegt, die als deutliche Argumente im Verhältnis zu
den für die Eingliederung sprechenden Gründen gewichtet werden müssten.
Soweit die Gemeinde Neudorf mit Schreiben vom 27. November 2009 darauf hingewiesen
hatte, dass sich der Gemeinderat als Vertretungsorgan der Einwohner erst mit dem
Vorliegen der Ergebnisse der Bürgeranhörung am 29. November 2009 in der Lage sehe,
eine Stellungnahme zur beabsichtigten Eingemeindung abzugeben, und aus diesem Grund
eine Fristverlängerung bis Anfang Januar 2010 geltend gemacht hatte, kann sich die
Gemeinde nicht auf eine unzureichende Anhörungsfrist berufen. Der Gemeinderat der
Gemeinde Neudorf hatte genügend Zeit, sich mit dem gesetzlich beabsichtigten
Neugliederungsvorhaben zu befassen. Die Gemeinde Neudorf hat den Referentenentwurf
eines Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis Harz, einschließlich der
Begründung, ausweislich der Empfangsbestätigung am 17. September 2009 erhalten. Mit
der Übersendung des Referentenentwurfs wurde der Gemeinde mitgeteilt, dass sie zu der
nach dem Entwurf vorgesehenen Zuordnung der Gemeinde Neudorf in die Stadt Harzgerode
angehört wird und in diesem Anhörungsverfahren die Möglichkeit hat, in einer
Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2009 ihre Argumente für und gegen das
Neugliederungsvorhaben vorzubringen. Insofern hatte die Gemeinde Neudorf genügend Zeit,
sich
mit
den
wesentlichen
Grundzügen
des
Neugliederungssachverhaltes
auseinanderzusetzen, entsprechende Sitzungen des Gemeinderates vorzubereiten und zur
geplanten Gebietsänderung ihre Auffassung zu äußern. Die der Gemeinde Neudorf
eingeräumte Anhörungsfrist war auch vor dem Hintergrund angemessen, als das Vorhaben,
31
die Gemeinden, die sich an der innerhalb einer Verwaltungsgemeinschaft mehrheitlich
betriebenen
Bildung
einer
Einheitsgemeinde
nicht
beteiligen,
gemäß
§ 2 Abs. 4 GemNeuglGrG nach dem 30. Juni 2009 durch Gesetz zuzuordnen, im Land und
auch der Gemeinde Neudorf seit langem bekannt war, also nicht überraschend kam. Da
zudem auch dem Gemeinderat bekannt war, dass das Ergebnis der Bürgeranhörung
spätestens am 30. November 2009 festzustehen hat, war dem Gemeinderat der Gemeinde
Neudorf somit hinreichend möglich, sich eine Position zur geplanten Zuordnung des
Gesetzgebers zu erarbeiten und eine Beschlussfassung noch für den 30. November 2009
vorzubereiten, um eine Stellungnahme in der eingeräumten Anhörungsfrist zu beschließen.
Der Einwand der Gemeinde Neudorf, dass sich der Gemeinderat zu einer Stellungnahme
zum Gesetzentwurf erst in der Lage sehe, wenn ihm das Ergebnis der Bürgeranhörung am
29. November 2009 vorläge, ist nicht geeignet, das Anhörungsverfahren in Zweifel zu
ziehen. Mit ihrem Einwand verkennt die Gemeinde, welche Funktion dem sich aus der
kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ergebenden Anhörungsgebot zukommt. Nach ihrem
Vortrag meint die Gemeinde, der Gemeinderat als Vertretungsorgan der Einwohner in seiner
Gesamtheit müsse seine Stellungnahme zu dem gesetzlichen Neugliederungsvorhaben
vorrangig und maßgebend auf den Willen der Einwohnerschaft abstellen. Dies ist jedoch
nicht Sinn und Zweck des verfassungsrechtlichen Anhörungsgebots der Gemeinden. Die
Funktion der Anhörung der Gemeinden besteht ausschließlich und allein darin, dem
Gesetzgeber Kenntnis von dem für seine Entscheidung erheblichen Sachverhalt und den
Vorstellungen wie auch Absichten der von dem Neugliederungsvorhaben betroffenen
Gemeinden zu verschaffen, damit er die Interessen der einzelnen kommunalen
Gebietskörperschaften und die staatlichen Belange einander gegenüberstellen und
gegeneinander abwägen kann. Neben der Anhörung der Gemeinden hat der Gesetzgeber
vor seiner gesetzlichen Neugliederungsentscheidung nach Art. 90 Verf LSA auch die
Einwohner der von der Neugliederung betroffenen Gemeinden anzuhören. Aufgrund dessen
erhält der Gesetzgeber für die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts sowohl durch die
Anhörung der einzelnen Gemeinde als durch das in der gesonderten Anhörung der
Bürgerinnen und Bürger Kenntnis der jeweiligen Interessenlagen. Zwar mag das Ergebnis
der Bürgeranhörung am 29. November 2009 auf die Beschlussfassung des Gemeinderates
über die Stellungnahme zum Gesetzentwurf Einfluss nehmen. Die zum Referentenentwurf
eines Neugliederungsgesetzes staatlich angeordnete Bürgeranhörung hat allerdings die
Funktion, nicht der Gemeinde, sondern dem Gesetzgeber Kenntnis über die Meinung der
Bürgerschaft der vom gesetzlichen Neugliederungsvorhaben betroffenen Gemeinde zu
verschaffen. Dem in der Anhörung zum Ausdruck gekommenen Bürgerwillen kommt eine
einschränkende Bindungswirkung dabei weder auf die Entscheidungskompetenz des
Gesetzgebers zu noch entfaltet das Ergebnis der Bürgeranhörung eine rechtliche Bindung
für den Gemeinderat.
Soweit die Gemeinde Neudorf nach Ablauf der ihr eingeräumten Anhörungsfrist zu dem
gesetzlichen Neugliederungsvorhaben Stellung genommen hat, vermag das in der
Stellungnahme vom 23. Dezember 2009 dargestellte Vorbringen gegenüber den für die
Eingliederung der Gemeinde Neudorf in die Stadt Harzgerode sprechenden Gründen nach
Abwägung kein größeres Gewicht erlangen. Gegen die vorgesehene gesetzliche Zuordnung
zur Stadt Harzgerode kann die Gemeinde Neudorf nicht mit Erfolg anführen, dass die
langjährige erfolgreiche Entwicklung der Gemeinde mit ihrer intakten sozialen und
kommunalen Infrastruktur sowie ihrer geordneten Finanzsituation einer Eingliederung in die
Einheitsgemeinde entgegenstehe. Mit ihren 661 Einwohnern zum maßgeblichen Stand vom
31. Dezember 2005 ist die Gemeinde Neudorf nach den Vorgaben des
Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes nicht als leistungsfähig zu betrachten und
kann von daher nicht ihre Selbstständigkeit erhalten. Die Gemeinde Neudorf übersieht, dass
sie nach dem gesetzlichen Neugliederungssystem zu klein ist. Mit 661 Einwohnern liegt sie
mehr als deutlich unter der für Einheitsgemeinden gesetzlich vorgegebenen
Mindesteinwohnerzahl von 10 000. Weder trägt ihre Bezugnahme auf die langjährig stabile
32
gemeindliche Einwohnerentwicklung noch kommt es darauf an, dass die Gemeinde derzeit
eine intakte kommunale und wirtschaftliche Infrastruktur aufweist.
Der Gesetzgeber verkennt bei seiner Neugliederungsentscheidung nicht, dass die
Vielgestaltigkeit der verschiedenen Gesichtspunkte, die er in seine Abwägung einzustellen
hat, es verbieten, einem Kriterium zwingend Vorrang einzuräumen und eine Gemeinde ohne
Berücksichtigung von Besonderheiten allein wegen des Unterschreitens der
Regelmindesteinwohnerzahl aufzulösen. Je stärker allerdings die Einwohnerzahl hinter der
Regelmindestgröße zurückbleibt, desto schwerer müssen die Gesichtspunkte wiegen, die für
den Fortbestand der Gemeinde sprechen. Derartige gewichtige Gesichtspunkte sind
vorliegend nicht gegeben. Die Argumente, mit denen die Gemeinde Neudorf ihre weitere
Selbständigkeit für sich zu begründen sucht, würden dazu führen, dass der Gesetzgeber
sein Neugliederungssystem vollständig verlassen müsste. Die verfassungsrechtlich
eröffneten Systemabweichungen sollen atypischen Konstellationen bei der Neugliederung
gerecht werden. Derartiges ist für die Gemeinde Neudorf nicht ersichtlich. Vielmehr macht
die Gemeinde Neudorf mit ihrer Forderung auf Erhalt ihrer Selbständigkeit einen doppelten
Systembruch geltend. Denn die Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode war überhaupt nur
genehmigungsfähig, weil sie mit der Zuordnung der nicht zur Neugliederung bereiten
Gemeinde Neudorf die erforderliche Mindesteinwohnerzahl erreicht (§ 2 Abs. 4
GemNeuglGrG). Würde der Gesetzgeber von der Zuordnung absehen, müsste er sein
System für die nach § 2 Abs. 4 GemNeuglGrG gebildete Einheitsgemeinde Stadt
Harzgerode durchbrechen und zusätzlich für die Stadt Harzgerode und insbesondere für die
Gemeinde Neudorf eine mehr als gravierende Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahlen
nach § 2 Abs. 3 GemNeuglGrG tolerieren. Zweifelsohne drängt sich ein solches Vorgehen
nicht auf. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei einer allgemeinen Gebietsreform größere
Räume neu zu gliedern sind, so dass nicht allein örtliche Gegebenheiten der einzelnen
Gemeinde zu bedenken sind, sondern auch der größere Rahmen. Gegenüber den
Interessen der einzelnen Gemeinde hat der Gesetzgeber das Gemeinwohl für die
Gesamtstruktur des Landes zu betrachten. In einzelnen Fällen führt die Systemgerechtigkeit
gegenüber allen Gemeinden des Landes dazu, dass Gemeinden mit einer geordneten
Finanzsituation sich den übergeordneten Gesichtspunkten einer möglichst gleichmäßigen
kommunalen Struktur im Land zu unterwerfen haben.
Soweit die Gemeinde Neudorf die Befürchtung äußert, dass Neudorf im Falle einer
Eingemeindung in die Stadt Harzgerode als neuer Stadtteil am Rande des Zentrums
vernachlässigt würde, finanzielle Benachteiligungen zu erwarten seien und das öffentliche
kulturelle und soziale Leben zusammenbrechen würde, kann diesen Befürchtungen im
Grundsatz nicht gefolgt werden. Denn zum einen sind die Gemeinden verpflichtet, im
Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die ihnen kraft Verfassungs- und Gesetzesrecht
zugewiesenen öffentlichen Aufgaben zu erfüllen und die für das soziale, kulturelle und
wirtschaftliche Wohl ihrer Einwohner erforderlichen Einrichtungen zu schaffen. Diese
Verpflichtung gewährleistet die angemessene Versorgung aller Gemeindeteile und ihrer
Einwohner. Zur Wahrung der Interessen der eingegliederten Gemeinden steht zum anderen
das mit Artikel 1 § 8 des Zweiten Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform in den
gesetzlich eingegliederten Gemeinden eingeführte Instrument der Ortschaftsverfassung zur
Verfügung. So führt der Gesetzgeber nach § 8 des Ausführungsgesetzes zur
Gemeindegebietsreform für die ohne Neuwahl einzugemeindenden Gemeinden die
Ortschaftsverfassung für die Übergangsphase zwischen Wirksamwerden der gesetzlichen
Neugliederung und der nächsten allgemeinen Kommunalwahl im Jahr 2014 ein. Im
Zusammenspiel mit den durch die mit Artikel 2 des Zweiten Begleitgesetzes in der
Gemeindeordnung
erweiterten
Ortschaftsrechte
wird
damit
insbesondere
die
bürgerschaftliche Beteiligung an der kommunalen Selbstverwaltung garantiert und das
Demokratieprinzip gewahrt. Es ist daher die Aufgabe der eingegliederten Gemeinde Neudorf
als Ortsteil der Stadt Harzgerode, die zur Verfügung stehenden Instrumentarien
kommunalpolitischer Mitwirkung und Einflussnahme produktiv zum Wohle ihres
Gemeinwesens auszunutzen.
33
Auch das von der Gemeinde Neudorf geltend gemachte bürgerschaftliche Engagement in
Vereinen und nicht förmlichen Vereinigungen steht der Eingliederung nicht entgegen. Für die
Richtigkeit der Behauptung der Gemeinde, dass bei einer Eingliederung in die
Einheitsgemeinde mit einem Zusammenbruch des öffentlichen kulturellen und sozialen
Lebens zu rechnen sei, liegen keine überzeugenden Anhaltspunkte vor. Das Maß an
gelebter örtlicher Demokratie hängt einerseits entscheidend von der gemeindlichen
Leistungs- und Verwaltungskraft ab. So ist die dauerhaft ausreichende Fähigkeit einer
Gemeinde, ihre Aufgaben in eigener demokratischer wie finanzieller Verantwortung
wahrnehmen zu können, Voraussetzung dafür, das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an
der Beteiligung in kommunalen Angelegenheit zu wecken. Mit der Schaffung zukunftsfähiger
gemeindlicher Strukturen soll gerade der Gefahr einer fortschreitenden Aushöhlung der
kommunalen
Selbstverwaltung
aufgrund
nicht
ausreichender
finanzieller
Handlungsspielräume zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung und Gestaltung der örtlichen
Angelegenheiten entgegengetreten werden. Entscheidend ist andererseits vielmehr
letztendlich, ob die Einwohner etwas für ihren Ort tun wollen. Engagement entsteht vor allem
in Vereinen. Hierdurch wird in erster Linie das Gemeinwesen geprägt und gestaltet. Die
Verwaltung kann das persönliche Engagement der Bürger nicht ersetzen. Was die
Bürgerschaft nicht für ihren Ort im Bereich der freiwilligen Aufgaben (Kultur, Sport, Soziales)
zu tun bereit sind, kann auch die Verwaltung nicht ersetzen.
V.
Abwägungsergebnis
Die Zuordnung der Gemeinde Neudorf in die Stadt Harzgerode entspricht wie ausgeführt
dem Leitbild des Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes und ist systemgerecht. Die
hierzu niedergelegten Gemeinwohlgründe überwiegen im Interesse der mit der Reform zu
verwirklichenden Ziele die örtlichen Interessen der Gemeinde Neudorf am Erhalt ihrer
Eigenständigkeit. Belange der Gemeinde Neudorf, die ein Verlassen des
Neugliederungssystems gebieten würden, drängen sich nicht auf. Der Eingriff in das der
Gemeinde gewährte kommunale Selbstverwaltungsrecht ist gerechtfertigt und
verhältnismäßig.
34
Zu § 2
I.
Sachlage / bisherige Reformschritte
Nach den Erkenntnissen der Landesregierung stellt sich die Sachlage zu der betroffenen
Gemeinde Allrode und der aufnehmenden Stadt Oberharz am Brocken wie folgt dar:
Die Gemeinde Allrode liegt am Rande einer Hochebene zwischen Selke- und Luppbodetal
im Süden des Landkreises Harz. Sie grenzt im Osten an die Gemeinde Friedrichsbrunn, die
der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz angehört, im Süden an Güntersberge, Ortsteil
der zum 1. August 2009 neu gebildeten Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode und im Norden
an die ehemaligen Gemeinden Treseburg und Altenbrak, die der früheren
Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz angehörten, sich mit Wirkung zum 1. Juli 2009
in die Stadt Thale eingemeinden ließen und nunmehr Ortschaften von Thale sind. Im Westen
von Allrode grenzt Stiege an, bis Ende 2009 als selbständige Gemeinde der
Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz angehörig und mit Wirkung zum
1. Januar 2010 Ortschaft der dann neu gebildeten Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am
Brocken.
Die Gemeinde Allrode ist durch Busverbindung an den Öffentlichen Nahverkehr
angeschlossen. Die Buslinie A 3 verbindet Allrode mit den beiden Grundzentren Hasselfelde
und Elbingerode (Harz) und führt zum Mittelzentrum Wernigerode. Die Busse verkehren
direkt im Zeitraum von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr wochentags im 1h-Takt. Ebenso verhält es
sich mit der Buslinie A 41, die Allrode mit dem Grundzentrum Gernrode und dem
Mittelzentrum Quedlinburg verbindet. Darüber hinaus verkehren im Sommer- und
Winterverkehr über Allrode sogenannte touristische Bedarfslinien, die Allrode mit Treseburg
– Roßtrappe bzw. Friedrichsbrunn verbindet. Für diese Linien bestehen keine Taktzeiten, sie
verkehren saisonabhängig. Zur Stadt Thale besteht keine direkte Busverbindung, ein
Umsteigen in Friedrichsbrunn ermöglicht die Weiterfahrt nach Thale montags bis freitags im
2-Stunden-Takt.
Straßenmäßig ist Allrode wie folgt erschlossen:
L 93
führt durch Allrode, verbindet Bärenrode, ehemaliger Ortsteil der Stadt
Güntersberge (Güntersberge ist heute ein Ortsteil der zum 1. August 2009 neu
gebildeten Einheitsgemeinde Harzgerode) über Allrode mit der Gemeinde Cattenstedt
L 95
führt durch Allrode, verbindet die Gemeinde Friedrichsbrunn über Allrode mit
Stiege
Die Bundesstraße 81 (Magdeburg-Halberstadt-Nordhausen) ist ca. 10 km von Allrode
entfernt. Anschlussmöglichkeit besteht in Hasselfelde. Aus Richtung Nordhausen führt sie
durch Hasselfelde über Blankenburg (Harz) und Halberstadt nach Magdeburg. Anschluss an
die Bundesstraße 6, die durch die Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt
und Sachsen zur polnischen Grenze führt, besteht in der ca. 21 km entfernten Stadt
Blankenburg (Harz).
Allrode liegt auf einer Höhe von 448 m und hat eine Fläche von 17,41 km².
Die Gemeinde Allrode führt die Ersterwähnung des Ortes auf eine in Quedlinburg durch
Otto I. am 15. Juli 961 ausgestellte Urkunde zurück. Darin schenkt der König den bisher zum
Wittum seiner Mutter Mathilde gehörigen Hof in Quedlinburg sowie die dortige Jacobskirche
und deren unmittelbares Zubehör dem Servatius-Nonnenkloster in Quedlinburg. Unter den
zugehörigen Orten wird neben Marsleben, Sallersleben, Orden, Sülten, Gersdorf, Bicklingen,
Selkenfelde, Siptenfelde u. a. auch Adelboldeshroth genannt. Im Zuge der wechselvollen
Geschichte Allrodes kam der Ort 1599 zum Lehen des Herzogs von Braunschweig, wo er
35
auch bis 1945 verblieb. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges war Allrode dem Herzogtum
Braunschweig – Lüneburg zugehörig. Ab 1949 gehörte Allrode zum Großkreis Blankenburg.
1950 wurde Allrode mit der Bildung der Bezirke der damaligen DDR von Blankenburg
abgespalten und dem Landkreis Quedlinburg, Bezirk Halle, zugeordnet. Da die Gemeinde
Allrode seit 1992 zusammen mit Altenbrak, Hasselfelde, Stiege, Trautenstein (bis 2002) und
Treseburg der Verwaltungsgemeinschaft Hochharz zugehörig war, wechselte Allrode mit der
ersten Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt Anfang der 90er Jahre aus dem Landkreis
Quedlinburg mit Wirkung vom 1. Juli 1994 in den Landkreis Wernigerode. Mit der zum
1. Juli 2007 in Kraft getretenen Kreisgebietsreform wurden die Landkreise Wernigerode,
Quedlinburg und Halberstadt zum Landkreis Harz zusammengeschlossen.
Bis 1932 war Allrode Pfarrort. Seitdem wurde die Pfarre von Stiege aus verwaltet. Kirchliche
Beziehungen des Ortes zu Stiege bestanden seit der Reformation über die gemeinsame
Zugehörigkeit zur Grafschaft (später Fürstentum) Blankenburg. Pfarramtlich gesehen war
jeder der beiden Orte mit einem Pfarramt versehen. In dem Buch „Das evangelische
Kirchenrecht des Herzogtum Braunschweig“ werden für die Inspektion Hasselfelde die Orte:
Hasselfelde, Allrode, Stiege, Trautenstein und Tanne je mit eigener Kirche und Pfarramt
aufgelistet. 2001 wurde dann aus den drei evangelischen Gemeinden Hasselfelde, Stiege
und Allrode der „Pfarrverband Hasselfelde mit Stiege und Allrode“ gebildet. Allrode gehörte
seit der Reformation zur Grafschaft Blankenburg und damit zum Herzogtum Braunschweig.
Durch die geographische Lage ist Allrode mit den umliegenden Orten Stiege und Hasselfelde
seit langer Zeit eng verbunden. Insbesondere die Verbundenheit zu Stiege ergibt sich aus
der historischen Entwicklung. Historischen Unterlagen ist zu entnehmen, dass Allrode sehr
oft in Verbindung mit Stiege genannt wird, denn beide Orte gehörten dem Fürstentum
Blankenburg an und wurden auch von dort verwaltet.
In Allrode gibt es drei Hotels und ein Alten- und Pflegeheim. Einkaufsmöglichkeiten gibt es in
den benachbarten Orten Stiege und Friedrichsbrunn. Darüber hinaus existieren vielfältige
weitere Einkaufsmöglichkeiten in Hasselfelde und Thale. Zwei Allgemeinarztpraxen befinden
sich im nahegelegenen Friedrichsbrunn, und nahegelegene Fachärzte befinden sich in Bad
Suderode (Zahnarzt), Thale (Praxis für Augenheilkunde, HNO-Arzt, Praxis für
Kinderheilkunde, Zahnarzt), Gernrode (Zahnarzt) sowie Harzgerode (Praxis für
Frauenheilkunde, Pädiatrie, Internist). Nächstgelegene Apotheken gibt es in Friedrichsbrunn,
Hasselfelde und Thale.
Die nächstgelegenen zentralen Orte sind gemäß Regionalem Entwicklungsplan Harz die
Grundzentren Hasselfelde (9 km Entfernung zu Allrode) und Thale mit Entfernungen (16 km
Entfernung zu Allrode). Weiterhin ist die ca. 22 km entfernte ehemalige Stadt
Benneckenstein (Harz), seit 1. Januar 2010 Ortsteil der neuen Stadt Oberharz am Brocken,
neben Hasselfelde als Grundzentrum ausgewiesen.
Die Einwohnerentwicklung in der Gemeinde Allrode stellt sich in den letzten Jahren wie folgt
dar:
31.12.2005
705
31.12.2006
662
31.12.2007
653
31.12.2008
643
Die Gemeinde Allrode hält eine eigene Einrichtung für die Betreuung von Krippen-,
Kindergarten- und Hortkindern vor. Die Betriebserlaubnis ist auf insgesamt 28 Kinder
ausgelegt. Zurzeit werden in der Einrichtung 8 Krippenkinder, 11 Kindergartenkinder und 5
Hortkinder, insgesamt 24 Kinder, betreut. Dieser Stand und eine recht positive Ausschau
sind darauf zurückzuführen, dass sich die Einrichtung konzeptionell weiterentwickelt, durch
36
das neue Konzept nach Kneipp mit Wasserstraße und damit verbunden Anmeldungen von
Kindern aus anderen Kommunen erfolgen.
Die Beschulung der Kinder und Jugendlichen aus Allrode erfolgt an folgenden
Schulstandorten:
Schule
Schüler
Grundschule
2
Hasselfelde
Sekundarschule
1
A.Bebel Blankenburg
Sekundarschule
3
H.Heine Blankenburg
Ganztagsschule
Burgbreite
1
Wernigerode
Gymnasium „Am Thie“
7
Blankenburg
FÖS LB
2
Wienrode
FÖS mit Ausgleichsklassen
2
Wasserleben
Summe
18
32,7 %
Schule
Grundschule
Friedrichsbrunn
Sekundarschule
Gernrode
Guts-Muths-Gymnasium
Quedlinburg
R.v.Weizäcker-Gymnasium
Thale
Freie Ganztagsschule
Neinstedt
Summe
Schüler
8
14
1
13
1
37
67,3 %
Hinsichtlich
der
Schulentwicklungsplanung
2009/10
bis
2013/14
hat
das
Landesverwaltungsamt der Öffnung des Schulbezirkes für Schülerinnen und Schüler der
Grundschule Hasselfelde sowie der Gemeinde Allrode zugestimmt. Damit entsteht die
Wahlmöglichkeit zwischen den Sekundarschulen „Bodfeld“ Elbingerode und „Heinrich Heine“
Blankenburg. Hinsichtlich der Öffnung der Schulbezirke können Eltern von ihrem Wahlrecht
Gebrauch machen, welche Schule ihr Kind besuchen soll. Das bedarf jedoch einer
hinreichenden Begründung und der Genehmigung des Landesverwaltungsamtes.
Die Haushaltslage der Gemeinde Allrode kann als geordnet bezeichnet werden. Die
Gemeinde Allrode hat Ende 2008 einen ausgeglichenen Haushalt beschlossen. Der
Finanzplan bis 2012 ist ebenfalls ausgeglichen. Bedarfzuweisungen musste die Gemeinde
bisher nicht in Anspruch nehmen. Die Rücklage der Gemeinde wies per 1. Januar 2009
einen Bestand von 635 000 € aus.
Die Gemeinde Allrode ist eine Gemeinde ohne eigene Zentralität. Die nächstgelegenen
zentralen Orte sind gemäß Regionalem Entwicklungsplan Harz die Grundzentren
Hasselfelde (Entfernung zu Allrode 9 km) und Thale (Entfernung zu Allrode 16 km).
Im Regionalen Entwicklungsplan Harz ist als nächstes Grundzentrum von Allrode in nur ca.
9 km Entfernung Hasselfelde mit einem historischen Stadtkern als Vorrangstandort für Kultur
und Denkmalpflege festgelegt. Die Freizeit- und Erholungsanlagen von Hasselfelde sind
darüber hinaus als bedeutsamer Standort für großflächige Freizeit- und Erholungsanlagen im
Regionalen Entwicklungsplan festgelegt. Ebenso ist der Eichenberg bei Hasselfelde als
Vorrangstandort für Natur und Landwirtschaft ausgewiesen. Weiterhin ist im Regionalen
Entwicklungsplan Harz festgelegt, dass das Netz der Harzer Schmalspurbahnen als
Kulturgut und zur Sicherung einer umweltverträglichen Mobilität und zur Entlastung des
Harzes vom Kraftfahrzeugverkehr zu erhalten, weiterzuentwickeln und in den ÖPNV des
37
Landes zu integrieren ist. Dies gilt insbesondere auch für den Streckenabschnitt
Stiege/Hasselfelde - Hasselfelde/Westernstadt „Pullmann City“. Außerdem ist Hasselfelde
eine regional bedeutsame Schnittstelle im Öffentlichen Personannahverkehr zwischen
Bahn/Bus, Bus/Bus.
Während die Städte und Gemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft BrockenHochharz dem Wasser- und Abwasserzweckverband „Oberharz“ angeschlossen sind, ist die
Gemeinde Allrode Mitglied im Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserentsorgung
Ostharz (ZVO) mit Sitz in Quedlinburg. Diese Verbandszugehörigkeit resultiert noch aus der
ehemaligen Zugehörigkeit zum Landkreis Quedlinburg bis Mitte 1994. Anfangs war die
Gemeinde mit dem Teil „Trinkwasser“ Verbandsmitglied. 2001 wurde die Gemeinde auch
Verbandsmitglied mit dem Teil „Abwasserbeseitigung“. Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte die
Abwasserbeseitigung betriebsgeführt durch den ZVO. Des Weiteren ist die Gemeinde
bedingt über die Zugehörigkeit zum ehemaligen Landkreis Wernigerode Mitglied im
„Abfallzweckverband Nordharz“. Allrode gehört wie Hasselfelde und Stiege dem
Unterhaltungsverband Selke/Obere Bode an. Zusammen mit den ehemaligen Städten und
Gemeinden der früheren Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz hat sich Allrode dem
Kreisfeuerwehrverband Wernigerode, der Feuerwehrunfallkasse Mitte und – mit Ausnahme
von Elend – auch dem Harzer Verkehrsverband e.V. angeschlossen.
Die östlich von Hasselfelde und zwischen Altenbrak und Stiege gelegene Gemeinde Allrode
war bis zur Bildung der Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz im Jahr 2004 bereits
seit 1992 Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Hochharz mit jeweiligem Sitz des
gemeinsamen Verwaltungsamtes in Hasselfelde. Die Bildung der Verwaltungsgemeinschaft
Brocken-Hochharz hatte das Landesverwaltungsamt am 8. Dezember 2004 genehmigt. Die
neue Struktur setzte sich zusammen aus der Stadt Benneckenstein und den
Mitgliedsgemeinden Elend, Schierke, Sorge und Tanne (bisherige Verwaltungsgemeinschaft
Brocken) und der Stadt Hasselfelde und den Mitgliedsgemeinden Allrode, Altenbrak Stiege
und Treseburg (bisherige Verwaltungsgemeinschaft Hochharz).
Im Zuge einer unverbindlichen Ermittlung des Stimmungsbildes zur Gemeindegebietsreform,
die durch das Ministerium des Innern im zweiten Halbjahr 2007 durchgeführt wurde war
erkennbar, dass innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz keine Einigkeit
zur Bildung einer gemeinsamen neuen Struktur bestand. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren
Tendenzen erkennbar, dass einzelne Gemeinden aus der Verwaltungsgemeinschaft
Brocken-Hochharz auszuscheiden beabsichtigen.
So wurde bereits am 16. März 2008 in der Gemeinde Schierke ein Bürgerentscheid
durchgeführt mit der Fragestellung: „Soll die Gemeinde Schierke im Zuge der Gebietsreform
in die Stadt Wernigerode eingemeindet werden?“. Bei einer Beteiligung von 82,21 % der
wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger ergaben sich 336 Stimmen für eine
Eingemeindung in die Stadt Wernigerode. 173 Bürgerinnen und Bürger stimmten dagegen.
Damit war der Bürgerentscheid erfolgreich und erlangte gemäß § 26 Abs. 4 GO LSA die
Wirkung
eines
Gemeinderatsbeschlusses.
Entsprechend
des
erfolgreichen
Bürgerentscheides ließ sich die ehemalige Mitgliedsgemeinde Schierke (726 Einwohner zum
Stichtag 31. Dezember 2005) mit Wirkung zum 1. Juli 2009 in die benachbarte Stadt
Wernigerode eingemeinden.
Auch in der Gemeinde Treseburg (102 Einwohner) wurde frühzeitig ein Bürgerentscheid zur
Frage der Neugliederung der Gemeinde durchgeführt. Am 2. März 2008 wurde der
Bürgerschaft im Rahmen eines Bürgerentscheids die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob
die Gemeinde Treseburg im Zuge der anstehenden Gemeindegebietsreform in die Stadt
Thale eingemeindet werden soll. Der Bürgerentscheid verlief bei einer Beteiligung von
94,44 % der Bürgerschaft erfolgreich. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger sprach sich
für eine Eingemeindung nach Thale aus.
38
Die in der Gemeinde Altenbrak (381 Einwohner) am 2. März 2008 durchgeführte
Bürgeranhörung ergab zur Frage einer Eingemeindung in die Stadt Thale ein geteiltes Bild.
Bei einer Beteiligung von 69,12 % der Wahlberechtigen sprachen sich 50 Bürgerinnen und
Bürger für einen Wechsel nach Thale und 50 dagegen aus. Gleichwohl entschied sich der
Gemeinderat von Altenbrak für eine Eingemeindung nach Thale. Mit Wirkung zum
1. Juli 2009 wurden Altenbrak und Treseburg in die Stadt Thale eingemeindet.
Durch das infolge der Eingemeindungen bedingte Ausscheiden von Altenbrak, Treseburg
und Schierke gemäß § 84 Abs. 5 GO LSA verringerte sich die Gesamteinwohnerzahl der
ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz von 9 783 auf 8 574. Die übrigen
Gemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz begannen
Verhandlungen zur Bildung einer Einheitsgemeinde innerhalb der bestehenden
Verwaltungsstruktur, später auch unter Einbeziehung der benachbarten Stadt Elbingerode
(Harz). Auch die Gemeinde Allrode beteiligte sich an den Neugliederungsüberlegungen.
Zum 1. Januar 2010 bildeten – mit Ausnahme von Allrode - die verbliebenen
Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz zusammen mit der
Stadt Elbingerode (Harz) auf der Grundlage des § 2 Abs. 4 GemNeuglGrG die
Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken. Die Städte Benneckenstein (Harz) und
Hasselfelde sowie die Gemeinden Elend, Sorge, Stiege und Tanne haben hierfür
gemeinsam mit der Stadt Elbingerode (Harz) in der freiwilligen Phase der
Gemeindegebietsreform einen Gebietsänderungsvertrag zur Bildung der Einheitsgemeinde
beschlossen, ihn am 25. Juni 2009 unterschrieben, am 26. Juni 2009 zur
kommunalaufsichtlichen Genehmigung eingereicht und diese mit Genehmigungsschreiben
vom 27. Juli 2009 erhalten. Der Gebietsänderungsvertrag einschließlich der
kommunalaufsichtlichen Genehmigung wurde am 22. August 2009 im Amtsblatt des
Landkreises Harz veröffentlicht. Mit Gebietsstand vom 1. Januar 2010 und dem
Einwohnerstand vom 31. Dezember 2005 hat die Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am
Brocken 13 526 Einwohner.
In der Gemeinderatssitzung der Gemeinde Allrode am 18. April 2008 wurde einstimmig der
Grundsatzbeschluss zur Bildung einer Einheitsgemeinde mit allen dazu bereiten Gemeinden
der
Verwaltungsgemeinschaft
Brocken-Hochharz
gefasst.
Demnach
sollten
Sondierungsgespräche mit den Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft BrockenHochharz zur Vorbereitung eines freiwilligen Zusammenschlusses zu einer
Einheitsgemeinde innerhalb der bestehenden Verwaltungsstrukturen geführt werden. Zum
Zeitpunkt des Grundsatzbeschlusses des Gemeinderates Allrode im April 2008 hatte die
Bürgeranhörung in der Stadt Elbingerode zur Frage eines Zusammenschlusses mit der Stadt
Wernigerode noch nicht stattgefunden. Aufgrund der eindeutigen Ablehnung dieses
Zusammenschlusses durch die Bürgerschaft entschied der Stadtrat der Stadt Elbingerode,
sich mit den dazu bereiten Orten der Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz
zusammenzuschließen.
Der
Grundsatzbeschluss
der
Gemeinden
der
Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz wurde daraufhin um Elbingerode erweitert.
Unabhängig von dem Grundsatzbeschluss der Gemeinde Allrode zur Bildung der Stadt
Oberharz nahmen einzelne Gemeinderäte der Gemeinde Allrode konkrete Verbindungen zur
Stadt Thale auf. Es wurde auch eine Bürgerinitiative zur Eingemeindung nach Thale
gegründet.
Zur Frage einer Neugliederung wurde am 1. Februar 2009 in der Gemeinde Allrode eine
Bürgeranhörung mit zwei Fragestellungen durchgeführt. Die Fragestellungen lauteten „Sind
Sie dafür, dass die Gemeinde Allrode mit den hierzu bereiten Gemeinden der
Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz und der Stadt Elbingerode eine neue
39
Einheitsgemeinde bildet?“ und „Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Allrode in die Stadt Thale
eingemeindet wird?“.
Das Abstimmungsergebnis dazu ist aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich.
Ergebnis BA
(Anzahl der
BürgerGemeinde
anhörung
Datum
Fragestellung
(BA)
Allrode
BA
Sind Sie dafür, dass die Gemeinde
Allrode mit den hierzu bereiten
Gemeinden der
01.02.2009 Verwaltungsgemeinschaft
Brocken-Hochharz und der Stadt
Elbingerode eine neue
Einheitsgemeinde bildet?
BA
Sind Sie dafür, dass die Gemeinde
01.02.2009 Allrode in die Stadt Thale
eingemeindet wird?
Beteiligung
Stimmen)
in %
66,72 %
Ja
Nein
220
152
159
218
Festzustellen ist, dass die Bürgerschaft von Allrode in der am 1. Februar 2009
durchgeführten Anhörung zur Frage der Neugliederung der Gemeinde Allrode ein klares
Votum für die Bildung einer Einheitsgemeinde innerhalb der bestehenden
Verwaltungsgemeinschaftsstruktur abgegeben hatte.
Entgegen des in der Bürgeranhörung zum Ausdruck gekommenen Bürgervotums wurden
von einigen Gemeinderatsmitgliedern der Gemeinde Allrode die Überlegungen intensiviert,
statt eines Beitritts zur Bildung einer Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken einen
Zusammenschluss mit der Stadt Thale in die Wege zu leiten. Hintergrund hierfür waren die
Eingemeindungen der Nachbargemeinden Altenbrak und Treseburg nach Thale zum
1. Juli 2009, denen man auch in der Gemeinde Allrode folgen sollte. In Abkehr von den
bisherigen Neugliederungsbemühungen um einen Zusammenschluss innerhalb der
Verwaltungsgemeinschaftsstruktur zu einer Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken
fand sich im Gemeinderat Allrode nunmehr eine knappe Mehrheit für eine Eingemeindung
nach Thale und wurde ein entsprechender Grundsatzbeschluss gefasst. Dementsprechend
wurde in der Gemeinderatssitzung der Gemeinde Allrode am 12. Juni 2009 der Beschluss
über den Gebietsänderungsvertrag zur Bildung der Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am
Brocken mit sechs Nein-Stimmen gegenüber vier Ja-Stimmen abgelehnt. Stattdessen fasste
der Gemeinderat den Beschluss über einen Gebietsänderungsvertrag zwecks
Eingemeindung von Allrode in die Stadt Thale. Gegen diesen Gemeinderatsbeschluss legte
der Bürgermeister Widerspruch beim Gemeinderat ein, da er nach Auffassung des
Bürgermeisters den Neugliederungsgrundsätzen nach dem Begleitgesetz zur
Gemeindegebietsreform widerspreche. In seiner Sitzung am 17. Juli 2009 bestätigte der
Gemeinderat der Gemeinde Allrode seinen Beschluss vom 12. Juni 2009 und lehnte den
Widerspruch des Bürgermeisters ab. Daraufhin hatte der Bürgermeister erneut
widersprochen und den Vorgang gemäß § 62 Abs. 3 Satz 5 GO LSA der Kommunalaufsicht
des Landkreises Harz zur Entscheidung vorgelegt. Durch den Landkreis Harz wurde der
Widerspruch des Bürgermeisters der Gemeinde Allrode gegen den Beschluss des
Gemeinderates zur Eingliederung von Allrode in die Stadt Thale unter dem
17. September 2009 als rechtmäßig beurteilt und zudem der Beschluss mit Verfügung vom
40
17. September 2009 beanstandet. Gegen die Beanstandungsverfügung legte der
Gemeinderat der Gemeinde Allrode mit Beschluss vom 22. Oktober 2009 Widerspruch ein.
II.
Zuordnung zur Einheitsgemeinde
Die Gemeinde Allrode wird mit Inkrafttreten dieses Gesetzes in die Einheitsgemeinde Stadt
Oberharz am Brocken eingemeindet. Die eingemeindete Gemeinde wird aufgelöst.
III.
Anhörungen der betroffenen Gemeinden
Stellungnahmen der weiteren Beteiligten
1.
Auffassung der aufzulösende Gemeinde
und
der
Einwohner
sowie
Die aufzulösende Gemeinde Allrode ist mit Schreiben des Ministeriums des Innern vom
4. September 2009 zu dem Entwurf eines Neugliederungsgesetzes angehört worden. Die
Gemeinde hat den gleichlautenden Referentenentwurf nebst Begründung ausweislich der
Empfangsbestätigung am 16. September 2009 erhalten. Ihr wurde eine Frist zur
Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2009 eingeräumt.
Aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen im Gemeinderat zur Frage der Neugliederung
der Gemeinde Allrode wurde im Rahmen der Anhörung keine einheitliche Stellungnahme
seitens der Gemeinde zu dem nach dem Referentenentwurf vorgesehenen
Neugliederungsvorhaben abgegeben. Festzustellen ist, dass das Meinungsbild innerhalb des
Gemeinderates seit Frühjahr 2009 gespalten ist. Die eine Gruppierung (Wählergemeinschaft
„Für Allrode“) ringt vehement um die Eingemeindung in die Stadt Thale, die andere
(Wählergruppe „Pro Allrode“) kämpft für den Verbleib in der bisherigen
Verwaltungsgemeinschaftsstruktur und für einen Anschluss an die Einheitsgemeinde Stadt
Oberharz am Brocken. Der Bürgermeister der Gemeinde Allrode setzt sich für einen Erhalt
des langjährigen Verbundes der Gemeinde Allrode mit den anderen ehemaligen Städten und
Gemeinden der früheren Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz und die Einbeziehung
von Allrode in die von diesen Städten und Gemeinden gebildete Stadt Oberharz am Brocken
ein. Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu dem nach
dem
Referentenentwurf
eines
Neugliederungsgesetzes
vorgesehenen
Neugliederungsvorhaben betreffend die Gemeinde Allrode getrennte Stellungnahmen von
den jeweils im Gemeinderat vertretenen Gruppierungen abgegeben.
Mit Schreiben vom 20. November 2009 haben vier Mitglieder des Gemeinderates Allrode, die
der Wählergruppe „Pro Allrode“ angehören, eine Stellungnahme zu dem
Neugliederungsvorhaben abgegeben, die auch vom Bürgermeister der Gemeinde Allrode mit
unterzeichnet wurde.
In ihrer Stellungnahme befürworten die der Wählergruppe „Pro Allrode“ angehörigen
Gemeinderatsmitglieder die nach dem Referentenentwurf vorgesehene Zuordnung der
Gemeinde Allrode zur Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken. Ihre Zustimmung zu
einer Eingemeindung von Allrode in die Stadt Oberharz am Brocken begründen die
Gemeinderatsmitglieder sehr ausführlich mit den seit Jahrhunderten bestehenden
Verbundenheiten und Verflechtungsbeziehungen der Gemeinde Allrode in Richtung Westen,
insbesondere zu der Gemeinde Stiege und der Stadt Hasselfelde. Die Wählergruppe „Pro
Allrode“ vertritt die Auffassung, dass mit einer Zuordnung der Gemeinde Allrode zur Stadt
41
Oberharz am Brocken die vielen, seit Jahrzehnten vorhandenen Gemeinsamkeiten mit den
diese Einheitsgemeinde bildenden bisherigen Städten und Gemeinden der ehemaligen
Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz aufrechterhalten werden könnten und dies für
die weitere Entwicklung von Allrode die vorteilhafteste Lösung wäre.
Im Einzelnen wird in der Stellungnahme ausgeführt, dass das Amt Stiege über Jahrhunderte
bis 1806 das für Allrode zuständige Amt in Sachen Verwaltung und Rechtsprechung
gewesen sei und die Amtsgeschäfte ab dem Jahre 1806 schrittsweise von Stiege nach
Hasselfelde verlagert worden seien. Die andauernde verwaltungsmäßige Bindung an
Blankenburg, Hasselfelde und Stiege sei nach dem 2. Weltkrieg mit der Abspaltung aus dem
Kreis Blankenburg und der Zuordnung der Gemeinde Allrode zum Bezirk Halle, Landkreis
Quedlinburg beendet worden. 1994 wechselte die Gemeinde allerdings wieder in den
Landkreis Wernigerode. Wie die Wählergruppe in ihrer Stellungnahme weiter ausführt, läge
die Gemeinde Allrode zweifelsfrei im Verflechtungsbereich des Grundzentrums Hasselfelde,
aber außerhalb der Verflechtungsbereiche sonstiger Grundzentren einschließlich der Stadt
Thale. Dieses raumordnerische Faktum fände seinen Niederschlag im wirksamen
Flächennutzungsplan der Gemeinde Allrode, wenn gemäß Erläuterungsbericht die von der
Gemeinde benötigten Einrichtungen zur Deckung des allgemeinen, täglichen Bedarfs in
Hasselfelde bereitgestellt würden. Darüber hinaus würden gemäß Flächennutzungsplan
wichtige Impulse für die Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Allrode
aus der im Regionalen Entwicklungsplan Harz verankerten großflächigen Freizeitanlage des
Grundzentrums Hasselfelde (Westernstadt, Skihalle, Golfplatz) erwartet und so in die
Prognostik für die Entwicklung der Gemeinde Allrode eingestellt. Die Einflüsse zwischen
Grundzentrum und den Gemeinden des zugehörigen Verflechtungsbereichs seien aber nicht
durch eine Richtung geprägt, sondern synergetisch im Sinn einer gegenseitigen positiven
Beeinflussung. Um eigene Impulse in die Entwicklung des Verflechtungsbereichs des
Grundzentrums Hasselfelde einbringen zu können, sei es erforderlich, dass die Gemeinde
Allrode innerhalb des Verflechtungsbereichs auch politisch mitwirken könne. Jeder andere
Ansatz wäre kontraproduktiv. Argumentationen dahingehend, dass das Grundzentrum
Hasselfelde (noch) nicht die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Impulse geben könne
wie andere benachbarte Grundzentren, z.B. die Stadt Thale, würden nach Auffassung der
Wählergruppe aus raumordnerischer Sicht keine Neudefinition der Verflechtungsbereiche
rechtfertigen. Lägen solche Sachverhalte vor, wäre dies allenfalls ein Grund, die Entwicklung
Hasselfeldes als zentraler Ort entsprechend den Zielen und Grundsätzen des Regionalen
Entwicklungsplanes Harz zu forcieren.
Des Weiteren verweisen die Gemeinderatsmitglieder der Wählergruppe „Pro Allrode“ in ihren
Ausführungen auf die Beziehungen von Allrode in Richtung Stiege und Hasselfelde, was das
Vereinsleben und Feuerwehr beträfe. So habe sich ein vielfältiges Vereinsleben mit Stiege
und Hasselfelde entwickelt. Vergleichbares habe es in den Jahren der Zugehörigkeit zum
ehemaligen Landkreis Quedlinburg nicht gegeben.
Was die seinerzeitige Bildung der Verwaltungsgemeinschaften Anfang der 90er Jahre
beträfe, hätten sich die Bemühungen der Gemeinde Allrode, gemeinsam mit der Stadt
Güntersberge und den Gemeinden Friedrichsbrunn, Siptenfelde und später auch Straßberg
eine Verwaltungsgemeinschaft zu gründen, mangels einer Einigung mit der Gemeinde
Friedrichsbrunn und der Stadt Güntersberge schwierig gestaltet, während das Verhältnis zu
Hasselfelde von Beginn an positiv verlaufen wäre und so auch zur Mitgliedschaft der
Gemeinde Allrode in der Verwaltungsgemeinschaft „Hochharz“ geführt habe. Im Zuge der
Vorschaltgesetze zur Kommunalreform des Jahres 2000 habe die Gemeinde Allrode
zusammen mit den Gemeinden Altenbrak und Treseburg zwar Anstrengungen
unternommen, sich innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft „Hochharz“ zu einer Gemeinde
zusammenzuschließen. Diese seien jedoch nicht zuletzt auch wegen der Kritik der Bodetaler
Gemeinden Altenbrak und Treseburg am angedachten Namen der neuen Gemeinde
„Bodetal“ gescheitert, da die Gemeinde Allrode nicht im Bodetal liegen würde.
Abschließend vertreten die Gemeinderatsmitglieder der Wählergruppe „Pro Allrode“ die
Auffassung, dass die stetige Weiterentwicklung innerhalb der Gemeinde Allrode gerade in
den letzten Jahren nur durch eine gute Zusammenarbeit mit und Vorbereitung durch die
Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz möglich gewesen sei. Diese Strukturen in
42
Zukunft nicht nutzen zu können, könnte sich negativ auf die weitere Entwicklung des Ortes
auswirken. Dies bezöge sich auch die Serviceleistungen für die Bürger, die territoriale Nähe
und Vertrautheit böten. Daher favorisiert die Wählergruppe „Pro Allrode“ im Interesse der
positiven Entwicklung von Allrode den Zusammenschluss mit der Stadt Oberharz am
Brocken.
Die sechs Mitglieder des Gemeinderates Allrode, die der Wählergemeinschaft „Für Allrode“
angehören und sich für eine Eingemeindung von Allrode in die Stadt Thale aussprechen,
haben mit Schreiben vom 23. November 2009 zum Referentenentwurf eines
Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis Harz Stellung genommen. Unter Hinweis
darauf, dass sie in die Erarbeitung der Stellungnahme bzw. die Vorbereitung dieses Entwurfs
nicht einbezogen worden seien, teilen die in der Wählergemeinschaft „Für Allrode“
vertretenen Gemeinderatsmitglieder mit, dass sie deshalb einige Kriterien aus der Sichtweise
der Mehrheit des Gemeinderates Allrode darstellen wollten.
So sei bezüglich der Darlegungen im Referentenentwurf zur Lage der Gemeinde Allrode
darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Eingemeindung der Gemeinde Friedrichsbrunn in die
Stadt Thale für Allrode der nächstgelegene Ort Friedrichsbrunn sei, mithin ein Ortsteil von
Thale, in dem sich eine Postagentur, eine Filiale der Harzsparkasse und eine Apotheke
befänden, die von vielen Allrödern genutzt würden.
Hinsichtlich des Wechsels der Gemeinde Allrode aus dem Landkreis Quedlinburg in den
Landkreis Wernigerode zum 1. Juli 1994 seien, wie in der Stellungnahme weiter ausgeführt
wird, die Bürger zum damaligen Zeitpunkt nicht ausreichend bzw. ordnungsgemäß gehört
worden und habe es nicht, wie heute dargestellt, mehrheitlich ein Votum zum Kreiswechsel
bzw. zum Wechsel in die Verwaltungsgemeinschaft Hochharz gegeben.
Nach Auffassung der Wählergemeinschaft „Für Allrode“ sei eine Verbundenheit zum
Oberharz nicht erfolgt. So würden derzeit 75 % der Berufstätigen ihrer beruflichen Tätigkeit
im Altkreis Quedlinburg (vor allem in den Orten Thale, Quedlinburg und Harzgerode)
nachgehen. Ein Zeichen der nicht erfolgten Verbundenheit zum Oberharz sei auch das
Leseverhalten von Tageszeitungen vor Ort. Zudem seien bereits im Jahre 2001/2002 von
den Gemeinden Allrode, Treseburg und Altenbrak Vertragsentwürfe zur Bildung einer neuen
Gemeinde erarbeitet worden. Aufgrund der gemeindlichen Zugehörigkeit von Altenbrak und
Treseburg seit 1. Juli 2009 bei der Stadt Thale mache es für Allrode Sinn, diesen beiden
Gemeinden, die gemeinsam vieles verbinden würden, insbesondere die touristische
Vermarktung ihrer Orte, zu folgen. Zudem sei bei Betrachtung der geographischen Lage
festzustellen, dass Allrode im entlegensten Zipfel der Einheitsgemeinde läge. Mit Altenbrak,
Treseburg, Allrode und Friedrichsbrunn würde geographisch ein komplexes Gebilde
entstehen. Ferner würden die naturräumlichen Verhältnisse Thale in Verbindung mit Allrode
als einheitlichen Raum „Harzrand“ mit dem Bodetal und den durchgehenden Höhenwegen
über die Roßtrappe und den Hexentanzplatz über das Luppbodetal auszeichnen.
Bezüglich
der
Schulstandorte
bestreiten
die
Gemeinderatsmitglieder
der
Wählergemeinschaft „Für Allrode“ die Darlegungen im Referentenentwurf. Nach ihrem
Kenntnisstand würden 26,66 % der Kinder aus Allrode Schulen im Oberharz und 73,34 %
Schulen in Thale und Umgebung besuchen. Der Anschluss Allrodes an die Harzer
Schmalspurbahn habe keine Bedeutung für den öffentlichen Nahverkehr, sondern diene
touristischen Zwecken.
Die Stadt Thale biete zudem wesentlich attraktivere touristische Anziehungspunkte als die
Oberharzstadt, so beispielsweise das Harzer Bertheater, Hexentanzplatz. Die touristische
Vermarktung der Gemeinde Allrode unter der Marke „Bodetal“ sei für Allrode von immenser
Bedeutung. Dies könnte nachhaltigen Einfluss auf die touristische Entwicklung Allrodes
haben, da Thale mit einem hervorragenden touristischen Konzept arbeite. Im Oberharz seien
gleichartige Bedingungen nicht vorhanden. Die weitere touristische Entwicklung von Allrode
sei auch für den Erhalt der im touristischen Bereich angesiedelten Arbeitsplätze in der
Gemeinde bedeutsam.
In ihrer Stellungnahme vom 23. November 2009 vertreten die sechs in der
Wählergemeinschaft „Für Allrode“ zusammengeschlossenen Gemeinderatsmitglieder die
43
Auffassung, dass die örtlichen Zusammenhänge gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG
ebenfalls für eine Zuordnung nach Thale zutreffen würden. Insbesondere würden die
wirtschaftlichen und naturräumlichen Verhältnisse deutlich für Thale sprechen. Die
Zuordnung von Allrode nach Thale dränge sich förmlich auf, wenn man bedenke, dass
Treseburg und Altenbrak als unmittelbare Nachbargemeinden von Allrode in die Stadt Thale
eingemeindet worden sind.
Soweit sich die Verwaltung und der Bürgermeister bei ihrer Haltung eines
Zusammenschlusses in Richtung Oberharz grundlegend auf das Ergebnis der
Bürgeranhörung vom 1. Februar 2009 beziehen würden, sei dies nach Auffassung der
Wählergemeinschaft „Für Allrode“ nicht ausschlaggebend, da die Bürgeranhörung für den
Gemeinderat rechtlich nicht bindend sei. Die Entscheidungskompetenz des Gemeinderates
werde durch das Ergebnis der Bürgeranhörung nicht einschränkend gebunden. Zudem sei
zu berücksichtigen, dass sich zur Kommunalwahl am 7. Juni 2009 ein deutlicher
Stimmungswandel vor Ort vollzogen habe. So hätten bei einer Wahlbeteiligung von etwa
70 % ca. 60 % der Wähler für die Wählergemeinschaft „Für Allrode“ gestimmt, die sich für
einen Zusammenschluss mit Thale einsetze. Auch sprächen keine territorialen Gründe
gegen einen Gebietsänderungsvertrag zwischen der Gemeinde Allrode und der Stadt Thale,
da die Gemarkung Allrode an die Gemarkung Treseburg angrenze, einem Ortsteil der Stadt
Thale seit dem 1. Juli 2009.
Nach Auffassung der Wählergemeinschaft „Für Allrode“ müsse die Möglichkeit eines
Wechsels aus der bisherigen Verwaltungsgemeinschaft in eine andere Struktur für Allrode in
gleicher Weise Geltung beanspruchen wie für Altenbrak, Treseburg, Schierke und viele
andere Orte in Sachsen-Anhalt. Die 1:1-Umwandlung der Mitgliedsgemeinden einer
Verwaltungsgemeinschaft in eine Einheitsgemeinde sei rechtlich nicht zwingend.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Dezember 2009 weisen die sechs Mitglieder
des Gemeinderates Allrode, die der Wählergemeinschaft „Für Allrode“ angehören, auf das
Ergebnis der Bürgeranhörung in der Gemeinde Allrode vom 29. November 2009 hin. Das
Anhörungsergebnis verdeutliche nach Auffassung der Gemeinderatsmitglieder einen
eindeutigen Stimmungswechsel in der Gemeinde Allrode. Gegenüber der Anhörung vom
1. Februar 2009 hätten nunmehr 66 Wähler mehr, insgesamt 218, gegen eine
Eingemeindung in die Stadt Oberharz am Brocken gestimmt, was einer Steigerung um 43 %
entspräche. Ferner wird in der Stellungnahme vom 10. Dezember 2009 nochmals
ausgeführt, dass und aus welchen Gründen sich der Stimmungswechsel zugunsten einer
Eingemeindung in die Stadt Thale auch im Ergebnis der Kommunalwahl am 7. Juni 2009
deutlich gezeigt habe. Fest stehe mithin, dass es eine Mehrheit gegen eine Eingemeindung
in die Stadt Oberharz am Brocken geben würde. Angesichts der knappen Mehrheiten, die in
anderen Gremien wie Landtag, Bundestag u.a. zu wesentlich bedeutungsvolleren
Eingemeindungen getroffen würden, könne nicht von entscheidender Bedeutung sein, dass
es eine geringe Mehrheit sei. Andernfalls wären die Grundsätze der Demokratie auf den
Kopf gestellt.
2.
Bürgeranhörung in der aufzulösenden Gemeinde
Das Ministerium des Innern hat mit Erlass vom 4. September 2009 die
Kommunalaufsichtsbehörde des Landkreises Harz aufgefordert, für die Durchführung der
nach Art. 90 S. 2 Verf LSA i.V.m. § 17 Abs. 2 GO LSA erforderlichen Bürgeranhörungen in
der Gemeinde Allrode Sorge zu tragen. Die Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz als
die für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises zuständige Behörde war gebeten
worden, die Anhörungen der Bürgerinnen und Bürger durchzuführen. Dabei hat das
Ministerium des Innern die Anhörungsfragen im Erlasswege vorgegeben (vgl. nachfolgende
Übersicht). Die Kommunalaufsichtsbehörde des Landkreises hat auf Bitte des Ministeriums
des Innern den Termin für die Bürgeranhörungen gegenüber der Verwaltungsgemeinschaft
festgesetzt.
44
Mit der Bekanntmachung der Bürgeranhörungen ist gleichzeitig der Gesetzestext des
Referentenentwurfs bekannt gemacht worden, die Bekanntmachung enthielt den Hinweis,
dass der gesamte Referentenentwurf einschließlich der Begründung während der
allgemeinen Öffnungszeiten der Verwaltungsgemeinschaft zur Einsichtnahme für die
Bürgerinnen und Bürger bereit liegt.
Die Bürgeranhörung hat in der aufzulösenden Gemeinde Allrode stattgefunden, die
Bürgerinnen und Bürger haben wie folgt votiert:
Ergebnis BA
(Anzahl der
BürgerGemeinde
anhörung
(BA)
Allrode
BA
Datum
Fragestellung nach Weisung
Beteiligung
des Ministeriums des Innern
in %
Sind Sie dafür, dass die Gemeinde
29.11.2009 Allrode in die künftige
Einheitsgemeinde Stadt Oberharz
am Brocken eingemeindet wird?
74,61
Stimmen)
Ja
Nein
211
218
Im Rahmen der Anhörung zum Referentenentwurf eines Neugliederungsgesetzes betreffend
den Landkreis Harz haben sich die Bürgerinnen und Bürger im Ergebnis mit leichter Mehrheit
gegen eine Eingemeindung in die Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken
ausgesprochen.
3.
Auffassung der aufnehmenden Gemeinden
Zu dem Referentenentwurf sind alle die Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken zum
1. Januar 2010 bildenden Städte und Gemeinden angehört worden. Dies sind im Einzelnen
die Städte Elbingerode (Harz), Benneckenstein und Hasselfelde sowie die Gemeinden Elend,
Sorge, Stiege und Tanne. Mit Schreiben vom 4. September 2009 hat sich das Ministerium des
Innern an die vertragsschließenden Städte und Gemeinden gewandt und ihnen den
Referentenentwurf einschließlich Begründung zur Kenntnis gegeben.
Ausweislich der Empfangsbestätigungen hat die Stadt Elbingerode (Harz) den
Referentenentwurf nebst Begründung am 11. September 2009, alle übrigen Städte und
Gemeinden am 16. September 2009 erhalten. Den Städten und Gemeinden wurde eine Frist
zur Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2009 eingeräumt.
Die Stadt Elbingerode (Harz) hat sich für eine gesetzliche Zuordnung der Gemeinde Allrode
zur Stadt Oberharz am Brocken ausgesprochen. Der Stadtrat der Stadt Elbingerode (Harz)
habe mit dem Beschluss zum Abschluss der Gebietsänderungsvereinbarung bereits den
Willen zur Aufnahme der Gemeinde Allrode in die neue Einheitsgemeinde gezeigt. Lediglich
das Votum des Gemeinderates habe den Bürgermeister der Gemeinde Allrode an der
Unterzeichnung der Vereinbarung gehindert. Die im Referentenentwurf dargelegten
Argumente würden die Zuordnung der Gemeinde Allrode zur Stadt Oberharz am Brocken
nahelegen.
Die Städte Benneckenstein und Hasselfelde sowie die Gemeinden Elend, Sorge, Stiege und
Tanne nahmen mit Schreiben vom 19. November 2009 gemeinsam Stellung zum
Referentenentwurf. Was die nach dem Referentenentwurf beabsichtigte Eingemeindung der
45
Gemeinde Allrode in die Stadt Oberharz am Brocken betreffe, so würden die in der
Begründung des Referentenentwurfs genannten territorialen, historischen und
wirtschaftlichen Gründe nicht nur dem in § 2 Abs. 1 GemNeuglGrG festgeschriebenen
Leitbild, sondern auch den Intensionen der Vertreter und Repräsentanten der Städte bzw.
Gemeinden entsprechen. Der Referentenentwurf stärke zudem das örtliche Gefüge und
damit die Festigung des Grundzentrums Hasselfelde bzw. Elbingerode. Weiterhin habe die
Bürgeranhörung am 1. Februar 2009 eindeutig ergeben, dass die Bürgerinnen und Bürger
der Gemeinde Allrode mit den bereiten Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft BrockenHochharz und der Stadt Elbingerode eine neue Einheitsgemeinde bilden wollen. Von daher
befürworten die Städte Benneckenstein und Hasselfelde sowie die Gemeinden Elend, Sorge,
Stiege und Tanne die beabsichtigte Zuordnung der Gemeinde Allrode in die Stadt Oberharz
am Brocken.
4.
Stellungnahme des Landkreises Harz
Auf das Anhörungsschreiben des Ministeriums des Innern vom 4. September 2009 hat der
Landkreis Harz mit Schreiben vom 2. November 2009 zum Referentenentwurf eines
Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis Harz Stellung genommen. Der Landkreis
Harz befürwortet die nach dem Referentenentwurf beabsichtigte Zuordnung der Gemeinde
Allrode in die Stadt Oberharz am Brocken unter Hinweis darauf, dass die Eingemeindung im
Einklang mit den Vorschriften des § 2 GemNeuglGrG stehe.
5.
Stellungnahme der Regionalen Planungsgemeinschaft Harz
Die zum Referentenentwurf mit Schreiben vom 8. September 2009 angehörte Regionale
Planungsgemeinschaft Harz hat sich in ihrer Stellungnahme vom 21. Oktober 2009 für die
beabsichtigte Eingemeindung der Gemeinde Allrode in die Stadt Oberharz am Brocken
ausgesprochen. Aus regionalplanerischer Sicht, insbesondere bezüglich der zentralörtlichen
Gliederung, sei die vorgesehene Zuordnung von Allrode als nicht zentraler Ort in die Stadt
Oberharz am Brocken mit dem nächst gelegenem Grundzentrum Hasselfelde gerechtfertigt.
Damit würde der grundzentrale Versorgungsbereich von Hasselfelde, der ohnehin nicht sehr
groß sei (eindeutig zuzuordnen wären bisher die Ortslagen Hasselfelde, Trautenstein, Stiege
und Allrode) nicht verändert werden. Eine andere Zuordnung würde aus Sicht der
Regionalen Planungsgemeinschaft Harz Hasselfelde als Grundzentrum schwächen und
könnte folglich für die künftige Neuordnung der Grundzentren von Bedeutung sein (in der
Stadt Oberharz immerhin mit Hasselfelde, Benneckenstein und Elbingerode 3 bisherige
Grundzentren vorhanden).
6.
Stellungnahme der Stadt Thale
Mit Schreiben vom 30. November 2009 hat sich die Stadt Thale zu der nach dem
Referentenentwurf vorgesehenen Zuordnung der Gemeinde Allrode zur Stadt Oberharz am
Brocken unaufgefordert geäußert und in diesem Zusammenhang die vom Stadtrat Thale in
seiner Sitzung am 26. November 2009 beschlossene Stellungnahme zu dem nach dem
Referentenentwurf vorgesehenen Neugliederungsvorhaben vorgelegt.
Die Stadt Thale weist in ihrem Schreiben darauf hin, dass die Mehrheit des Gemeinderates
der Gemeinde Allrode der vorgesehenen Zuordnung zur Stadt Oberharz am Brocken mit Sitz
in Elbingerode nicht zustimme. Stattdessen würden sie sich für eine Eingemeindung der
46
Gemeinde Allrode in die Stadt Thale einsetzen. Die Gebietsänderungsvereinbarung
zwischen Allrode und Thale, welcher die Mehrheit des Gemeinderates Allrode ihre
Zustimmung erteilt habe, werde vom Bürgermeister der Gemeinde Allrode jedoch nicht
unterzeichnet. Die Ausführungen der mehrheitlich 6 Gemeinderäte der Gemeinde Allrode im
Anhörungsverfahren, mit denen die Begründung des Referentenentwurfs in wesentlichen
Punkten widerlegt und eine Eingemeindung nach Thale begründet würden, werden vom
Stadtrat der Stadt Thale geteilt. Diese Ausführungen habe der Stadtrat Thale in seiner
Sitzung am 26. November 2009 beraten und sich mit Beschluss zu Eigen gemacht.
In einem weiteren Schreiben vom 10. Dezember 2009 hat die Stadt Thale eine
Stellungnahme im Hinblick auf die touristische Entwicklung von Allrode im Falle einer
Integration des Ortes in das von der Stadt Thale ab 2010 zu realisierende Tourismuskonzept
Bodetal abgegeben. Nach Auffassung der Stadt Thale habe der Tourismus für Allrode eine
erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Die Gemeinde Allrode sei von ihrer Lage ein
unmittelbarer Anrainer des Bodetals. Um die Orte des Bodetals nicht nur im
Marketingbereich zusammenzuführen, sondern auch neue Impulse für eine langfristig
nachhaltige Tourismusentwicklung zu geben, sei Ende Oktober 2008 das vom dwif Berlin
und der Harz-AG entwickelte Tourismuskonzept für das Bodetal vorgestellt worden. Die
Einbeziehung von Allrode in das touristische Entwicklungskonzept des Bodetals hätte
vielfältige Konsequenzen, die in der Stellungnahme im Einzelnen dargelegt werden.
IV.
Abwägung
Die Eingemeindung der Gemeinde Allrode in die Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am
Brocken ist nach den gemeinwohlorientierten Zielen der Gemeindegebietsreform im Land
Sachsen-Anhalt geboten. Nach § 1 Abs. 1 GemNeuglGrG sollen auf der gemeindlichen
Ebene zukunftsfähige gemeindliche Strukturen geschaffen werden, die ihre und die ihnen
übertragenen Aufgaben sachgerecht, effizient und in hoher Qualität erfüllen und die
wirtschaftliche Nutzung der erforderlichen kommunalen Einrichtungen sichern.
Die Gemeinde Allrode mit ihren 705 Einwohnern zum maßgeblichen Stichtag
31. Dezember 2005 war Mitgliedsgemeinde der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft
Brocken-Hochharz. Die Gemeinde hatte die Möglichkeit, bis zum 30. Juni 2009 eine
freiwillige Neugliederung zu vereinbaren, die den Vorgaben des GemeindeneugliederungsGrundsätzegesetzes entspricht. Der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde sollte nach
§ 2 Abs. 9 GemNeuglGrG bis spätestens zum 30. Juni 2009 der genehmigungsfähige
Gebietsänderungsvertrag
vorliegen.
Durch
die
Gemeinde
Allrode
ist
der
Kommunalaufsichtsbehörde ein genehmigungsfähiger Gebietsänderungsvertrag aus den
bereits oben unter Abschnitt I dargelegten Gründen nicht vorgelegt worden.
Der
Gesetzgesetzgeber
folgt
nunmehr
seiner
Ankündigung
in
§ 2 Abs. 4 Satz 2 GemNeuglGrG und ordnet die sich an der Bildung der Einheitsgemeinde
Stadt Oberharz am Brocken nicht beteiligende Gemeinde Allrode zu.
Mit Wirksamwerden des Gebietsänderungsvertrages zur Bildung der Einheitsgemeinde Stadt
Oberharz am Brocken zum 1. Januar 2010 ist die Verwaltungsgemeinschaft BrockenHochharz gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 GemNeuglGrG aufgelöst. Die sich an der Vereinbarung
zur Bildung der Stadt Oberharz am Brocken nicht beteiligende Gemeinde Allrode wird von
der
Stadt
Oberharz
am
Brocken
übergangsweise
mitverwaltet
(§ 2 Abs. 5 Satz 3 GemNeuglGrG). Das vorliegende Gesetz trägt mit der Zuordnung der
Gemeinde Allrode zur Stadt Oberharz am Brocken der Ankündigung des Gesetzgebers in
§ 2 Abs. 4 Satz 2 GemNeuglGrG und der vom Landesverfassungsgericht nicht
beanstandeten gesetzgeberischen Wertung Rechnung, nach der eine definierte Mehrheit
47
von drei Viertel der Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft und zwei Drittel ihrer
Einwohner die verbleibende Minderheit dominiert und die sich an der
Neugliederungsvereinbarung nicht beteiligenden Gemeinden durch Gesetz der von der
Mehrheit der Mitgliedsgemeinden gebildeten Einheitsgemeinde zugeordnet werden. Die
durch freiwillige Lösungen entstandenen Einheitsgemeinden bilden folglich die Basis für die
noch folgende gesetzliche Zuordnung. Dies beruht auf den Regelungen des
§ 2 GemNeuglGrG, mit denen der Gesetzgeber die grundlegenden Aussagen zur Struktur
der gemeindlichen Ebene in Sachsen-Anhalt getroffen und damit sein Leitbild zur
Verwirklichung der in § 1 GemNeuglGrG normierten Ziele der Gemeindegebietsreform
aufgestellt hatte. Zum gesetzgeberischen Leitbild zählt die in § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG
getroffene Strukturaussage, dass Gemeindezusammenschlüsse zur Bildung von
Einheitsgemeinden innerhalb der Grenzen der bestehenden Verwaltungsgemeinschaften
erfolgen sollen. Dieser Regelung liegt die am Gemeinwohl orientierte Zielsetzung zugrunde,
die innerhalb der bisher bestehenden Verwaltungsgemeinschaften gewachsenen
Verflechtungen und Synergien zu erhalten und zu verstärken, und insoweit auf eingerichtete
Verwaltungsstrukturen sowie bestehende Verwaltungs- und Personalkapazitäten
zurückzugreifen. Ein Abweichen von diesem Neugliederungsgrundsatz muss durch
hinreichende Besonderheiten des Einzelfalls gerechtfertigt sein. Die Gesichtspunkte, die
nach den örtlichen Gegebenheiten ein Verlassen von dem der Gemeindegebietsreform
zugrundeliegenden
System
begründen
können,
ergeben
sich
aus
§ 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG. Danach können Gesichtspunkte der Raumordnung und
Landesplanung sowie die örtlichen Zusammenhänge, wie wirtschaftliche und naturräumliche
Verhältnisse sowie historische und landsmannschaftliche Verbundenheiten, es erlauben, den
Rahmen der von § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG vorgegebenen Neugliederungsgrundsätze zu
verlassen. Solche im Einzelfall herangezogene maßgebliche Kriterien müssen sich auf
tatsächliche, nachvollziehbare örtliche Gegebenheiten oder Besonderheiten stützen.
Die Bildung einer Einheitsgemeinde soll grundsätzlich innerhalb der Grenzen der ehemaligen
Verwaltungsgemeinschaften stattfinden. Somit hat die Eingemeindung der Gemeinde Allrode
in die Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken Vorrang gegenüber Eingemeindungen
in die angrenzenden Einheitsgemeinden Stadt Harzgerode und Stadt Thale. Ausnahmen
vom Grundsatz wären bei Vorliegen der in § 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG bestimmten
Gesichtspunkte möglich, wenn die maßgebliche Mindesteinwohnerzahl der neuen
Einheitsgemeinde auch dann erreicht wird, wenn nicht alle Gemeinden der ehemaligen
Verwaltungsgemeinschaft an der Bildung der Einheitsgemeinde beteiligt waren. Die
Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken entstand durch sechs der sieben Gemeinden
der Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz und Beteiligung der Stadt Elbingerode
(Harz) zum 1. Januar 2010. Die neue Einheitsgemeinde hat bei ihrer Entstehung nach dem
gesetzlich maßgebenden Stand vom 31. Dezember 2005 13 526 Einwohner. Somit erreicht
die Einheitsgemeinde die Soll-Mindesteinwohnerzahl von 10 000 Einwohnern nach
§ 2 Abs. 3 Satz 1 GemNeuglGrG bereits. Allein aufgrund der Einwohnerzahl wäre mithin
auch eine andere Zuordnung dann möglich, sofern hierfür tragende Gründe gem.
§ 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG ersichtlich sind.
Bei Betrachtung der räumlichen Lage der Gemeinde Allrode ist festzustellen, dass die
Gemeinde aufgrund ihrer Randlage innerhalb der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft
Brocken-Hochharz sowohl zur Ortschaft Güntersberge der zum 1. August 2009 neu
gebildeten Stadt Harzgerode als auch zu den Ortschaften Treseburg und Altenbrak, die als
ehemalige Gemeinden der früheren Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz zum
1. Juli 2009 in die Stadt Thale eingemeindet wurden, eine gemeinsame Gemarkungsgrenze
aufweist. Weiterhin hat Allrode eine gemeinsame Gemarkungsgrenze mit Friedrichsbrunn.
Friedrichsbrunn hatte mit der Stadt Thale einen Gebietsänderungsvertrag mit dem Ziel der
verwaltungsgemeinschaftsübergreifenden Eingemeindung geschlossen. Gegen die für sofort
vollziehbar erklärte Genehmigung der Gebietsänderungsverträge zwischen den Gemeinden
48
Friedrichsbrunn und Stecklenberg mit der Stadt Thale durch den Landkreis Harz hatten die
Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder, Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz, Widerspruch erhoben und beim Verwaltungsgericht Magdeburg um
einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat mit
Beschluss vom 12. November 2009 die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und
Rieder vom 24. September 2009 gegen die kommunalaufsichtliche Genehmigung der
Gebietsänderungsverträge abgelehnt. Den Antrag der Stadt Gernrode und der Gemeinden
Bad Suderode und Rieder, den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom
12. November 2009 vorläufig bis zu einer abschließenden Entscheidung in der
Beschwerdeinstanz auszusetzen, hat das Oberverwaltungsgericht des Landes SachsenAnhalt mit Beschluss vom 18. November 2009 abgelehnt. Mit Beschluss vom 22. Dezember
2009 hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt die Beschwerde der Stadt
Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 12. November 2009 zurückgewiesen.
Die potentielle Möglichkeit der Zuordnung der Gemeinde Allrode zur Einheitsgemeinde Stadt
Harzgerode käme ebenso in Betracht wie auch die Zuordnung zur Einheitsgemeinde Stadt
Thale. Allerdings drängen sich hier keine Gründe des Gemeinwohls auf, die ein Abweichen
des Gesetzgebers von seinem Neugliederungssystem gebieten würden. Dies gilt
insbesondere im Hinblick auf die Stadt Harzgerode. Hier ist im besonderen Maße der
Umstand zu berücksichtigen, dass die Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode erst zum
1. August 2009 durch einen freiwilligen Zusammenschluss der Gemeinden der ehemaligen
Verwaltungsgemeinschaft Unterharz gebildet wurde. Vor dem Hintergrund des Bestandsund Vertrauensschutzes der Stadt Harzgerode wäre es nicht sachgerecht, die von den
reformwilligen Gemeinden bereits vollzogene und staatlich genehmigte Gebietsänderung zur
Bildung einer Einheitsgemeinde durch eine gesetzliche Zuordnung von Allrode einer
erneuten Änderung im gebietlichen Zuschnitt der Stadt zu unterziehen. Eine solche sog.
Mehrfachneugliederung bedarf wegen der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit
besonders gewichtiger Gründe, die im vorliegenden Fall indes weder ersichtlich sind noch
sich aufdrängen.
Tatsächliche,
nachvollziehbare
örtliche
Besonderheiten
im
Sinne
des
§ 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG, die eine nach dem gesetzlichen Leitbild zulässige
Ausnahme
für
eine
gemeindliche
Neugliederung
über
die
Grenzen
der
Verwaltungsgemeinschaft hinaus in Richtung der Stadt Thale sachgerecht begründen
könnten, sind vorliegend nicht gegeben. Das nach dem gesetzgeberischen Leitbild
bestehende Erfordernis einer Zuordnung der Gemeinde Allrode zur Stadt Oberharz am
Brocken ist unter Abwägung aller Umstände sowie des entgegenstehenden Willens von
Teilen des Gemeinderates Allrode und der Bevölkerung sachgerecht.
Die Auswertung der Stellungnahme, die von den der Wählergemeinschaft „Für Allrode“
angehörenden Mitgliedern des Gemeinderates Allrode unterzeichnet wurde, lässt erkennen,
dass ein Abweichen vom Neugliederungssystem auf der Grundlage von
§ 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG zwecks Eingemeindung der Gemeinde Allrode in die Stadt
Thale maßgeblich mit naturräumlichen Bezügen (einheitlicher Raum „Harzrand“ mit dem
Bodetal), mit höheren Erwartungen beim Ausbau des Tourismus sowie mit dem in den
Kommunalwahlen und in der Bürgeranhörung am 29. November 2009 erkennbaren
Bürgerwillen geltend gemacht wird. Die in der Stellungnahme enthaltenen Argumente
können jedoch nicht überzeugen.
Dem Vorbringen der Vertreter der Wählergemeinschaft „Für Allrode“, dass sich aufgrund der
Eingemeindung der unmittelbaren Nachbargemeinden Altenbrak, Treseburg und
Friedrichsbrunn in die Stadt Thale die Zuordnung von Allrode nach Thale förmlich aufdränge,
kann nicht gefolgt werden. Allein aus dem Umstand, dass sich benachbarte Orte der Stadt
49
Thale angeschlossen haben, lässt sich nicht ableiten, dass dies zwangsläufig zu einer
Zuordnung auch der Gemeinde Allrode führen müsste. Die in diesem Zusammenhang
geltend gemachten örtlichen Zusammenhänge überzeugen nicht. Der nicht weiter
untersetzte Vortrag, dass die in Friedrichsbrunn befindliche Postagentur, Filiale der
Harzsparkasse und Apotheke von vielen Allrödern genutzt werde, ist nicht von einem
solchen Gewicht, dass eine Zuordnung von Allrode nach Thale in Erwägung gezogen
werden müsse. Die dargelegten Beziehungen zwischen Allrode und Friedrichsbrunn sind
gleichermaßen auch zu anderen Orten gegeben. So erledigen die Einwohner von Allrode im
Rahmen von alltäglichen Besorgungen derartige Geschäfte auch in anderen Orten und nicht
ausschließlich in Friedrichsbrunn. Die nächstgelegenen Zentralen Ort von Allrode sind
gemäß Regionalentwicklungsplan Harz die Grundzentren Hasselfelde und Thale mit
Entfernungen von Allrode – Hasselfelde 9 km und Allrode – Thale 16 km. Die
Verflechtungsbereiche dieser beiden Zentralen Orte sind aufgrund ihrer Funktion als
Grundzentrum der raumordnerischen Kategorie „Nahbereich“ zuzuordnen, mit zumutbaren
Entfernungen zwischen zentralem Ort und sonstigen Siedlungen von 15 km. Insoweit liegt
die Gemeinde Allrode im Verflechtungsbereich des Grundzentrums Hasselfelde. Der
Hauptverwaltungssitz der Stadt Oberharz am Brocken in Elbingerode ist von den
umliegenden Orten einschließlich der Gemeinde Allrode sehr gut mit Hilfe der öffentlichen
Verkehrsmittel zu erreichen. Hier gibt es eine stündliche Busverbindung. Weiterhin wird nach
den Vereinbarungen des Gebietsänderungsvertrages in Hasselfelde mindestens ein
Bürgerbüro vorgehalten, so dass die Einwohner von Allrode einen Großteil ihrer
Verwaltungsangelegenheiten nach wie vor in Hasselfelde erledigen können. Dorthin gibt es
ebenfalls eine stündliche direkte Busverbindung. Eine direkte Busverbindung nach Thale ist
derzeit noch nicht existent.
Die Behauptung in der Stellungnahme der Wählergemeinschaft „Für Allrode“, dass 75 % der
Berufstätigen ihrer beruflichen Tätigkeit im Altkreis Quedlinburg, vor allem in Thale,
Quedlinburg und Harzgerode nachgehen würden, ist nicht näher untersetzt und kann nicht
als Zustimmung zu einer Zugehörigkeit zu einem bestimmten gemeindlichen Strukturgebilde
ausgelegt werden. Die heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten erfordern von Berufstätigen
vielfach regelmäßig die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit außerhalb des Wohnortes und das
Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort, unabhängig davon, ob zu dem Arbeitsort
persönliche Neigungen bestehen. Gleichermaßen nicht näher untersetzt ist das Vorbringen,
dass ein Zeichen der nicht erfolgten Verbundenheit zum Oberharz das Leseverhalten vor Ort
sei mit nur 20 „Harzer Volksstimmen“ mit einem Lokalteil Wernigerode bzw. Oberharz und 80
„Mitteldeutsche Zeitungen“ mit einem Lokalteil Altkreis Quedlinburg. Aus dem Abonnement
einer Tageszeitung kann nicht zwangsläufig die Verbundenheit zu einer bestimmten Region
hergeleitet werden. Die Wahl einer bestimmten Tageszeitung kann auf unterschiedliche
Beweggründe und Faktoren zurückgeführt werden, z.B. vom tagesaktuelles Themenangebot,
Nachrichtenwert, Schwerpunkt auf örtliche oder überörtliche Berichterstattungen.
Das nicht näher untersetzte Vorbringen, zum Wechsel der Gemeinde Allrode aus dem
Landkreis Quedlinburg in den Landkreis Wernigerode seien die Bürger zum damaligen
Zeitpunkt nicht ausreichend bzw. ordnungsgemäß gehört worden und es habe, anders als
heute dargestellt, kein mehrheitliches Votum zum Kreiswechsel bzw. zum Wechsel in die
Verwaltungsgemeinschaft Hochharz gegeben, vermag für sich genommen sich nicht
gegenüber den für die Eingliederung der Gemeinde Allrode in die Stadt Oberharz
sprechenden Gründe durchzusetzen und stattdessen für eine Zuordnung zur Stadt Thale
sprechen. Der Wechsel der Gemeinde Allrode aus dem Landkreis Quedlinburg in den
Landkreis Wernigerode zum 1. Juli 1994 basiert auf einer andersartigen, nicht
vergleichbaren Rechtsgrundlage. Vielmehr wurde im Jahre 1992 eine Bürgerbefragung
vorgenommen. Ziel der Befragung war es, eine Verwaltungsgemeinschaft Hochharz mit Sitz
in Hasselfelde zu bilden, der die Gemeinden Allrode, Altenbrak, Hasselfelde, Trautenstein,
Treseburg und Stiege angehören sollten. Von 491 wahlberechtigten Bürgerinnen und
Bürgern der Gemeinde Allrode wurden 204 gültige Stimmen abgegeben, davon stimmten
141 (69,21 %) für die Bildung der Verwaltungsgemeinschaft Hochharz in Hasselfelde und 63
50
(30,88 %) dagegen. Die Verwaltungsgemeinschaft Hochharz wurde am 8. Dezember 1992
unter Beteiligung der Gemeinde Allrode kommunalaufsichtlich genehmigt. Der Anschluss der
Gemeinde Allrode zur Verwaltungsgemeinschaft Hochharz führte zum abschließenden
Wechsel der Gemeinde Allrode in den Landkreis Wernigerode durch Gesetz über die
Kreisgebietsreform vom 13. Juli 1993 (vgl. LT-Drs. 1/2285, S. 119).
Auch der Hinweis, dass die Gemeinden Allrode, Altenbrak und Treseburg schon im Jahre
2001/2002 die Bildung einer neuen Gemeinde vertraglich vorbereitet hätten und es für
Allrode wegen der Verbindungen der drei Orte insbesondere bei der touristischen
Vermarktung Sinn mache, Altenbrak und Treseburg nach Thale zu folgen, kann tatsächliche
Besonderheiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG, die ein Abweichen vom
Neugliederungssystem rechtfertigen könnten, nicht begründen. Was die geltend gemachten
seinerzeitigen Vorbereitungen eines Gebietsänderungsänderungsvertrages betrifft, beruhte
dies auf den damaligen Vorschaltgesetzen zur Kommunalreform. In diesem Rahmen war
seitens der Gemeinden Allrode, Altenbrak und Treseburg der Zusammenschluss zu einer
mindestens 1 000 Einwohner großen Gemeinde vorbereitet worden, um Mitgliedsgemeinde
in einer Verbandsgemeinde werden zu können. Dieses Vorhaben wurde seinerzeit nicht
verwirklicht. Nach den Darlegungen der Mitglieder des Gemeinderates Allrode, die in der
Wählergruppe „Pro Allrode“ vertreten sind und sich für eine Eingemeindung in die Stadt
Oberharz am Brocken aussprechen, sei dies auf unterschiedliche gemeindliche
Auffassungen und Vorbehalte seitens der Gemeinden Altenbrak und Treseburg
zurückzuführen. Angesichts der gegensätzlichen Darstellungen, die von den Mitgliedern des
Gemeinderates Allrode zu dem seinerzeitigen Gebietsänderungsvorhaben ausgeführt
worden sind, vermag diesem Gesichtspunkt ein abwägungsrelevanter Stellenwert nicht
zukommen. Zudem lässt sich eine touristische Vermarktung, wie sie von der Wählergruppe
„Pro Allrode“ und der Stadt Thale dargelegt werden, nicht allein nur mit der Stadt Thale
entwickeln, sondern auch gleichermaßen innerhalb der langjährig bewährten Strukturen der
ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz und nunmehrigen Stadt Oberharz
am Brocken. Nicht nur die Stadt Thale, sondern auch die Stadt Oberharz am Brocken bietet
attraktive touristische Anziehungspunkte. Viele Alleinstellungsmerkmale, wie die Bergwerke
in Elbingerode, der neu angelegte Rhododendronpark in Bennneckenstein, die Köhlerei und
„Pullmann City“ in Hasselfelde, die Holzkirche in Elend, die Höhlen in Rübeland und die
Rappbodetalsperre oder das Grenzmuseum in Sorge bilden – zusammen mit den staatlich
anerkannten Luftkur- und Erholungsorten innerhalb des Gebietes der Stadt - starke
Voraussetzungen für die Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken, um sich gegenüber
anderen Städten gleichrangig beweisen zu können. Im Übrigen ist der Einwand hinsichtlich
der Möglichkeiten, die gerade die Stadt Thale für die Gemeinde Allrode im touristischen
Bereich bieten könnte, nicht untersetzt, sondern beruht auf künftigen Erwartungen, die
gleichermaßen für die innerhalb der Verwaltungsgemeinschaftsstrukturen gebildete Stadt
Oberharz am Brocken gelten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Eingliederung der
Gemeinde Allrode verwaltungsgemeinschaftsübergreifend in die Stadt Thale hinsichtlich der
Entwicklung von Tourismuskonzepten eher zu neuem Koordinierungsbedarf führen würde
als bei einer Fortführung der in der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz
bewährten langjährigen Verwaltungsstrukturen durch Eingemeindung von Allrode in die Stadt
Oberharz am Brocken.
In diesem Zusammenhang überzeugt auch nicht der Einwand, nur ein Zusammenschluss mit
der Stadt Thale könne die in Allrode im touristischen Bereich angesiedelten Arbeitsplätze
langfristig sichern und die Abwanderung von jungen Leuten verhindern. Die Gemeinde
Allrode ist nicht allein für Arbeitsplätze auf dem touristischen Bereich prädestiniert. Die
langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen ist zudem eine städte- und landkreisübergreifende
Anforderung, die von mehreren Faktoren abhängig ist, und im touristischen Bereich nicht
zuletzt maßgebend von den konkreten touristischen Konzepten abhängig. Außerdem müsste
sich eine Zusammenarbeit mit Thale erst entwickeln, während sich sein solche im bisherigen
Gebiet der Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz bereits bewährt hat.
51
Dem Einwand bezüglich der Schulstandorte ist entgegenzuhalten, dass der Kreistag des
Landkreises Harz mit der Beschlussfassung zur Schulentwicklungsplanung des Landkreises
Harz für den Planungszeitraum 2009/2010 bis 2013/2014 für die Gymnasien keine
Schuleinzugsbereiche mehr festgelegt hat. Der Besuch weiterführender Schulen ab der
Klassenstufe 5 ist für die Grundschule Friedrichsbrunn, in der Kinder aus Allrode eingeschult
werden, insoweit nicht zwingend mehr auf das Gymnasium in Thale ausgerichtet. Außerdem
hat er für die Schülerinnen und Schüler aus Allrode, die den Sekundarschulbildungsgang
gewählt haben, die Möglichkeit eröffnet, auch die Sekundarschule Bodfeld in Elbingerode
besuchen zu können. Damit wurde ausdrücklich dem Wunsch Rechnung getragen, alle
Schülerinnen und Schüler des Bereichs der Stadt Oberharz am Brocken die Möglichkeit zu
geben, die Schulform zu nutzen, die in ihrer Stadt angeboten wird.
Auch das Ergebnis der Bürgeranhörung, die am 29. November 2009 in der Gemeinde
Allrode zum Referentenentwurf eines Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis
Harz durchgeführt wurde, vermag ein Abweichen vom Neugliederungssystem nicht zu
rechtfertigen. Soweit sich die Abstimmungsberechtigten in der Bürgeranhörung mit 211 zu
218 Stimmen gegen eine Eingemeindung der Gemeinde Allrode in die Stadt Oberharz am
Brocken entschieden haben, verkennt der Gesetzgeber nicht, dass ein Zusammenwachsen
zwangsweise zusammengeschlossener Gemeinden leichter vonstatten geht, wenn dies
mehrheitlich von der betroffenen Bürgerschaft mitgetragen wird. Indessen ergibt sich aus
den verfassungsrechtlichen Anforderungen und Grenzen an eine gesetzliche
Neugliederungsentscheidung, wie sie sich aus Art. 90 Verf LSA ergeben, keine absolute
Bindungswirkung des Bürgerwillens. Die mehrheitliche Ablehnung oder Zustimmung der
Bürgerinnen und Bürger der durch die Neugliederungsmaßnahme unmittelbar betroffenen
Gemeinden ist ein objektiv in die Abwägung einzustellendes Abwägungskriterium und
insoweit im Rahmen der Abwägung der Belange des Gemeinwohls in die gesetzgeberische
Entscheidung einzustellen. Das Votum der Bürgerschaft bildet lediglich einen von einer
Vielzahl bei der Neugliederungsentscheidung zu beachtenden Gesichtspunkten. Von
Verfassung wegen muss die Akzeptanz einer Neugliederungsmaßnahme durch die
unmittelbar betroffenen Gemeinden und ihrer Einwohner nicht zum alleinigen oder auch nur
vorrangigen Maßstab für die gesetzgeberische Entscheidung gemacht werden, sondern ist
nach Lage der Gegebenheiten mit ihrem jeweiligen Gewicht im Einzelfall in die Abwägung
einzustellen (so LVerfG LSA, LVerfGE 2, 227 <261>; LVerfG Brandenburg, VfGBbg 101/03,
LVerfGE 14, 203). Art. 90 Verf LSA räumt dem Gesetzgeber gerade das Recht ein, auch
gegen den erklärten Willen der Gemeinde und ihrer Bürger die Auflösung und Neugliederung
von Gemeinden vorzunehmen, wenn dafür hinreichende Gründe des Gemeinwohls
bestehen. Hiermit wird zugleich dem Umstand Rechnung getragen, dass das Wohl der
Allgemeinheit bei einer Neugliederung der kommunalen Ebene nicht allein aus Sicht der
einzelnen Gemeinde bestimmt werden kann. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es
eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern und in diesem Zusammenhang die
überörtlichen Belange für die gesamte Kommunalstruktur des Landes unter Beachtung auch
großräumiger wirtschaftlicher, sozialer, ökologischer, kultureller, geschichtlicher und weiterer
Gesichtspunkte zu bedenken.
Die gesetzgeberische Abwägung orientiert sich deswegen an der Notwendigkeit und den
Zielen der Gebietsreform. Die weiteren Vorgaben, wie die Ziele der Reform umzusetzen
sind, enthält das gesetzlich Leitbild u.a. mit seinen Parametern für die Größe der künftigen
Einheitsgemeinden. Insoweit wird auch auf die zum GemeindeneugliederungsGrundsätzegesetz ergangenen Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts vom
21.04.2009 (a.a.O.) verwiesen. Bereits aus diesem Grund kann den Vorstellungen der
Bürgerinnen und Bürger der durch die Neugliederungsentscheidung betroffenen Gemeinden
in aller Regel dann nicht gefolgt werden, wenn diese Vorstellungen nicht dem Leitbild der
Reform entsprechen. Bei dem hier zu behandelnden konkreten Neugliederungsfall tritt im
Ergebnis der Abwägung die mehrheitliche Ablehnung der Bürgerinnen und Bürger gegen die
Eingemeindung der Gemeinde Allrode in die Stadt Oberharz am Brocken hinter die den
52
gesetzlichen Neugliederungsvorschlag tragenden Gründe zurück. Der subjektive Unwille der
Bürgerschaft wird nicht durch objektivierbare und hinreichend gewichtige Gründe unterlegt,
die als deutliche Argumente im Verhältnis zu den für die Eingemeindung in die Stadt
Oberharz am Brocken sprechenden Gründen gewichtet werden müssten. Die
Eingemeindung der Gemeinde Allrode in die Stadt Oberharz entspricht den Vorgaben des
gesetzgeberischen Leitbildes und ist systemgerecht.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Bürgeranhörung kein
ausdrückliches, die Eingemeindung von Allrode in die Stadt Oberharz vehement
ablehnendes Votum der Bürgerinnen und Bürger ergeben hat. So hatten 211
Abstimmungsberechtigte für, 218 gegen die Zuordnung zur Stadt Oberharz am Brocken
gestimmt. Aus dem Ergebnis der Bürgeranhörung lässt sich erkennen, dass die Bürgerschaft
gleichermaßen wie die im Gemeinderat Allrode vertretenen Gruppierungen einem Anschluss
an die Stadt Oberharz am Brocken jeweils mit leichter Mehrheit ablehnend
gegenüberstehen, ihn gleichwohl aber in einem nicht unerheblichen Maße befürworten. In
der am 1. Februar 2009 stattgefundenen Bürgeranhörung für eine Neubildung einer
Einheitsgemeinde aus dazu bereiten Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft
Brocken-Hochharz und der Stadt Elbingerode (Harz) hatte sich noch ein anderes Bild
ergeben. So votierten 220 der an der Abstimmung teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger
für den durch dieses Gesetz entstehenden Gebietszuschnitt der Einheitsgemeinde Stadt
Oberharz am Brocken, 152 dagegen. Demgegenüber lehnten 218 der teilnehmenden
Wahlberechtigten eine Eingemeindung von Allrode in die Stadt Thale ab, während 159 den
Zusammenschluss mit Thale befürworteten. Der in der Bürgeranhörung am 29. November
2009 zum Ausdruck kommende Unwille in der Gemeindebevölkerung von Allrode wird indes
nicht durch hinreichend gewichtige objektivierbare Gründe unterlegt, durch die eine
Zurückdrängung der für die Neugliederung sprechenden Gesichtspunkte erfolgte. Die
Ergebnisse der Bürgeranhörungen vom 1. Februar und 29. November 2009 lassen nicht
erwarten, dass die Eingemeindung der Gemeinde Allrode in die Stadt Oberharz am Brocken
dauerhaft keine Akzeptanz finden wird.
Auch aus dem von den im Gemeinderat Allrode vertretenen Befürwortern einer Zuordnung
nach Thale vorgetragenen Argument, das Wahlergebnis bei den Kommunalwahlen am
7. Juni 2009, bei der ca. 60 % der Wähler für die eine Eingemeindung nach Thale
befürwortende Wählergemeinschaft „Für Allrode“ gestimmt hätten, habe deutlich gemacht,
dass sich gegenüber der Bürgeranhörung vom 1. Februar 2009 ein deutlicher
Stimmungswandel vollzogen habe, kann nicht abgeleitet werden, dass auf die nach dem
Neugliederungssystem gebotene Zuordnung der Gemeinde Allrode zur Stadt Oberharz am
Brocken zu verzichten ist. Das Wahlergebnis mag ein Indiz dafür sein, dass die Bürgerschaft
von Allrode die Wählergemeinschaft „Für Allrode“ wegen der damit verbundenen
Erwartungen und Vorteile eines Zusammenschlusses mit Thale unterstützt haben kann, ist
letztlich aber nicht objektivierbar. Zudem ist der Gesetzgeber, wie oben bereits dargestellt,
an das Stimmungsbild in der Bevölkerung nicht gebunden. Der Gesetzgeber hat bei der das
gesamte Land umfassenden Gebietsreform nicht allein den Bürgerwillen in der einzelnen
Gemeinde in den Blick zu nehmen, sondern die überörtlichen Belange für die gesamte
Kommunalstruktur des Landes zu bedenken.
V.
Abwägungsergebnis
Die Zuordnung der Gemeinde Allrode in die Stadt Oberharz am Brocken entspricht wie
ausgeführt dem Leitbild des Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes und ist
systemgerecht. Gründe für die Eingemeindung sind neben dem gesetzgeberischen
Neugliederungssystem insbesondere die seit Jahren gewachsenen Strukturen und
53
bestehenden Verflechtungsbeziehungen innerhalb der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft
Brocken-Hochharz.
Gegen dieses Abwägungsergebnis sprechen auch nicht die in der Anhörung vorgetragenen
Argumente.
Tatsächliche,
nachvollziehbare
Besonderheiten
im
Sinne
des
§ 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG, die eine nach dem gesetzlichen Leitbild zulässige
Ausnahme
für
eine
gemeindliche
Neugliederung
über
die
Grenzen
der
Verwaltungsgemeinschaft hinaus und eine Eingemeindung in die Stadt Thale sachgerecht
rechtfertigen könnten, sind nach den Anhörungsergebnissen nicht zu erkennen. Maßgebend
ist für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne von Art. 90 Verf LSA
letztlich auch nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie, welche Lösung nach
Auffassung der einzelnen Gemeinde und der Bevölkerung die meisten Vorteile bieten
könnte. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten von der
Neugliederung betroffenen und berührten Raumes am besten entspricht. Im Interesse der
mit der Reform zu verwirklichenden Ziele ist den Gründen, die für die Zuordnung der
Gemeinde Allrode zur Stadt Oberharz am Brocken gemäß dem gesetzgeberischen Leitbild
und Neugliederungssystem sprechen, letztlich das größere Gewicht beizumessen gegenüber
den örtlichen Belangen der Gemeinde Allrode. Der Eingriff in das der Gemeinde gewährte
kommunale Selbstverwaltungsrecht ist gerechtfertigt und verhältnismäßig.
54
Zu § 3
I.
Sachlage / bisherige Reformschritte
Nach den Erkenntnissen der Landesregierung stellt sich die Sachlage der betroffenen
Gemeinden wie folgt dar:
1.
Gemeinde Westerhausen
Westerhausen liegt in zentraler Lage im Landkreis Harz nördlich von Thale direkt an der
Verbindungsstraße zwischen den beiden Städten Blankenburg (Harz) und Quedlinburg. Die
Gemarkung Westerhausen grenzt im Süden an den Ortsteil Warnstedt der Stadt Thale, im
Westen an die Stadt Blankenburg (Harz), im Nordosten an die Gemeinde Harsleben und im
Osten an die Stadt Quedlinburg. Der Ort wird von West nach Ost vom Zapfenbach
durchflossen. Das Stadtzentrum von Thale ist über den 5 km entfernten Ortsteil Warnstedt
der Stadt Thale in 8,7 km zu erreichen. Von Quedlinburg liegt Westerhausen etwa 7 km, von
Blankenburg 6,6 km entfernt.
Westerhausen ist durch den öffentlichen Personennahverkehr jeweils in die Richtungen
Thale, Quedlinburg und Blankenburg angebunden. Unmittelbar durch den Ort führte die
ehemalige Bundesstraße 6 mit ihrer Anbindung an Quedlinburg und Blankenburg. Nunmehr
befindet sich in unmittelbarer Nähe des Ortes eine Auffahrt zur neu entstandenen
Bundesstraße 6n. In Westerhausen gibt es Verbindungsstraßen zur B 79 (Harsleben,
Halberstadt), nach Thale über den Ortsteil Warnstedt und nach Börnecke, Ortsteil von
Blankenburg (Harz).
Die Gemarkung Westerhausen liegt im Zentrum des Landschaftsschutzgebietes Harz und
Vorländer (früher Nördliches Harzvorland). Der Ort hat eine Fläche von 17,42 km².
Westerhausen ist von der Landwirtschaft geprägt.
Die erste urkundliche Erwähnung von Westerhausen erfolgte am 19. Februar 1046 in einer
Urkunde des Königs Heinrich III., in der er die Schenkung verschiedener Güter des
Markgrafen Ekkehard II. von Meißen an die Abtei Gernrode bestätigt. Westerhausen gehörte
seit Mitte des 12. Jahrhunderts als Halberstädter Lehen den Grafen von BlankenburgRegenstein, die hier u.a. ein Vorwerk des Amtes Blankenburg einrichteten, das 1525 im
Bauernkrieg zerstört wurde. Historisch ist Westerhausen mit Thale verbunden. So kam der
Ort nach dem Aussterben der Blankenburg-Regensteiner 1599 an die Herzöge von
Braunschweig, 1643 an den Grafen von Tättenbach, wobei Ende des 16., Anfang des
17. Jahrhunderts erneut ein Amt Westerhausen eingerichtet wurde. Diesem gehörten die
Orte Westerhausen, Warnstedt, zum Thal (heute Thale), Weddersleben und Neinstedt
(zeitweilig anteilig) an. Noch 1670 gehörte Thale verwaltungsmäßig zum Amte
Westerhausen. In der preußischen Zeit bildeten die Ämter Westerhausen und Stecklenberg
einen eigenen Kreis Westerhausen im Fürstentum Halberstadt. Ab 1815 war Westerhausen
ein Amtsbezirk im Kreis Aschersleben-Quedlinburg der preußischen Provinz Sachsen.
Nachdem Aschersleben 1901 (bis 1950) Stadtkreis geworden war, gehörte Westerhausen
durchgängig dem Kreis Quedlinburg an, so auch in den Jahren der DDR wie auch von 1990
an bis zur Bildung des Landkreises Harz im Juli 2007.
Wie aus einem Zeitungsartikel des Jahres 1992 hervorgeht, gehörte die Gemeinde
Westerhausen zwischen 1973 und 1992 gemeinsam mit den Gemeinden Warnstedt,
Weddersleben, Neinstedt und Timmenrode dem Gemeindeverband Thale an.
55
Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Westerhausen sind durch Handwerk und Landwirtschaft
geprägt. Ein Lebensmittel-Discounter, eine Bäckerei, ein Fleischereifachgeschäft sowie
mehrere kleinere Geschäfte haben sich in Westerhausen angesiedelt. In Westerhausen
praktiziert ein Facharzt für Allgemeinmedizin.
An Freizeiteinrichtungen befinden sich in der Gemeinde das Freibad, das Tiergehege,
Sportplätze, eine Motocross-Strecke, das Heimatmuseum. In Westerhausen wird ein reges
Vereinsleben gepflegt, u.a. Motorsportclub, Westernverein Vorharz, Reit- und Fahrverein.
Der älteste Verein ist die Schützengesellschaft (seit 1815).
Die Gemeinde Westerhausen hat mit Stand der vom Statistischen Landesamt ermittelten
Zahlen zum nach § 2 Abs. 10 GemNeuglGrG maßgebenden Stichtag 31. Dezember 2005
2 141 Einwohner.
In Westerhausen befinden sich eine Grundschule mit Hort sowie eine
Kindertageseinrichtung. Die Grundschule in Westerhausen liegt nach dem
Schulentwicklungsplan im Schuleinzugsbereich für die Sekundarschule Quedlinburg und für
die Förderschule in Quedlinburg.
In der Haushaltssatzung 2009 hat die Gemeinde Westerhausen einen Kassenkredit in Höhe
von 385.000,00 € eingestellt. Die Haushaltssatzung stellt sich ausgeglichen dar und wurde
durch die Kommunalaufsicht bestätigt. Davon wurden bis zum 30. Juni 2009 insgesamt
104.427,42 € in Anspruch genommen. Außerdem wurden 5.000,00 € für über- bzw.
außerplanmäßige Ausgaben verbraucht. Bedarfszuweisungen wurden nicht geplant oder
beantragt.
Die Gemeinde Westerhausen zählt zur Regionalen Planungsgemeinschaft Harz. Der
Gemeinde ist keine Funktion als Zentraler Ort zugewiesen. Im südlich von Westerhausen
belegenen Raum Thale nimmt die Stadt Thale die Funktion eines Grundzentrums wahr. Ein
weiteres Grundzentrum ist westlich von Westerhausen im Regionalentwicklungsplan der
Regionalen Planungsgemeinschaft Harz mit der Stadt Blankenburg (Harz) ausgewiesen,
welches aufgrund der räumlichen Lage im Siedlungsgefüge Teilfunktionen eines
Mittelzentrums übernimmt. Die Gemeinde Westerhausen liegt im Nahbereich des
Mittelzentrums Quedlinburg, das die mittelzentralörtlichen Funktionen für den Bereich im
südöstlichen Bereich des Landkreises Harz wahrnimmt.
Die Gemeinde Westerhausen ist Mitglied in folgenden Zweckverbänden:
Trink- und Abwasserzweckverband Blankenburg und Umgebung;
Unterhaltungsverband Selke / Obere Bode
Im Zeitraum vom 18. März 1994 bis 31. Dezember 2003 war die Gemeinde Westerhausen
Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft Quedlinburg mit der Stadt Quedlinburg als
Trägergemeinde i. S. v. § 75 Abs. 3 GO LSA. Zum 1. Januar 2004 wechselte die Gemeinde
Westerhausen in die Verwaltungsgemeinschaft Thale. Mit dem Ausscheiden von
Westerhausen wurde die Verwaltungsgemeinschaft Stadt Quedlinburg mit Wirkung zum
1. Januar 2004 aufgelöst.
In der Gemeinde Westerhausen fand am 2. März 2008 eine Bürgeranhörung zur
Gebietsänderung unter folgender Fragestellung statt: „Soll Westerhausen eigenständig
bleiben ja oder nein?“ Bei einer Beteiligung von 74,7 % der wahlberechtigten Bürgerinnen
und Bürger stimmten 1 261 für die weitere Eigenständigkeit der Gemeinde Westerhausen.
Lediglich 65 Einwohner plädierten dagegen.
56
Die Gemeinde Westerhausen hatte sich der „Volksinitiative Sachsen-Anhalt 2011“
angeschlossen im Bestreben, mit Unterstützung dieser Initiative ihre Selbständigkeit zu
erhalten. Entsprechend des Beschlusses vom 27. Februar 2008 des Gemeinderates der
Gemeinde Westerhausen reichte die Gemeinde Westerhausen als Mitglied der
klageführenden Gemeinden beim Verfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt
Verfassungsbeschwerde gegen das Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform vom
14. Februar 2008 ein.
Im Herbst 2009 hatte die Gemeinde Westerhausen Verhandlungen mit der Stadt Thale über
den Abschluss einer Gebietsänderungsvereinbarung zum Zwecke der Eingemeindung der
Gemeinde Westerhausen in die Stadt Thale eingeleitet. Dem Ministerium des Innern wurde
der Entwurf einer Gebietsänderungsvereinbarung zwischen der Gemeinde Westerhausen
und der Stadt Thale im November 2009 zur Vorprüfung vorgelegt. Im Ergebnis dieser
Prüfung wäre der Vereinbarungsentwurf mit Ausnahme einzelner Regelungen grundsätzlich
mit klarstellenden Hinweisen genehmigungsfähig. Einzelne Bestimmungen des
Vereinbarungsentwurfs sind allerdings aus materiellen Gründen mit geltendem Recht nicht
vereinbar und wären aus rechtlicher Sicht von der kommunalaufsichtlichen Genehmigung
auszunehmen, soweit sie nicht abgeändert werden sollten.
Nach der Anhörung der Bürgerinnen und Bürger am 29. November 2009 zum
Referentenentwurf eines Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis, die im Ergebnis
ein deutliches Votum der Bürgerschaft für eine Eingemeindung nach Thale und gegen eine
Eingemeindung in die Stadt Quedlinburg gezeigt hatte, hat der Gemeinderat der Gemeinde
Westerhausen in seiner Sitzung am 8. Dezember 2009 mehrheitlich einen
Gebietsänderungsvertrag zur Eingemeindung in die Stadt Thale beschlossen. Diesen
Vertrag hat auch der Stadtrat der Stadt Thale in seiner Sitzung am 10. Dezember 2009
einstimmig beschlossen. Nach dem Ergebnis einer kommunalaufsichtlichen Prüfung
entspricht der von den kommunalen Vertretungen beschlossene Gebietsänderungsvertrag
nahezu inhaltsgleich dem Vertragsentwurf und ist insoweit trotz der kommunalaufsichtlichen
Hinweise über die Notwendigkeit einer Abänderung der rechtswidrigen Vertragsbestandteile
unverändert geblieben.
Der Vertrag über die Eingliederung der Gemeinde Westerhausen in die Stadt Thale
entspricht dem Neugliederungsgrundsatz nach § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG. Gleichwohl ist
eine uneingeschränkte Genehmigungsfähigkeit des Gebietsänderungsvertrages nicht
gegeben, da mehrere Vertragsregelungen mit geltendem Recht unvereinbar sind. Die
Ausnahme der rechtswidrigen Vertragsregelungen von der kommunalaufsichtlichen
Genehmigung erfordern Zustimmungsbeschlüsse des Stadtrates der Stadt Thale sowie des
Gemeinderates der Gemeinde Westerhausen, die noch ausstehen.
2.
Verwaltungsgemeinschaft Thale
Die Verwaltungsgemeinschaft Thale wurde zum 21. August 1994 aus den
Mitgliedsgemeinden Stadt Thale sowie den Gemeinden Neinstedt, Weddersleben und
Warnstedt gegründet. Seit 2003 ist die ehemalige Gemeinde Warnstedt ein Ortsteil von
Thale. Zur Verwaltungsgemeinschaft Thale kam zum 1. Januar 2004 die Gemeinde
Westerhausen hinzu.
Die Gemeinden Neinstedt und Weddersleben der Verwaltungsgemeinschaft Thale haben
entsprechend der Vorgaben des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GemNeuglGrG mit der
Trägergemeinde Thale Gebietsänderungsvereinbarungen abgeschlossen und sind zum
1. Januar 2009 in die Stadt Thale eingemeindet worden.
57
In die Stadt Thale wurden zudem die Gemeinden Altenbrak und Treseburg der benachbarten
ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz mit Wirkung vom 1. Juli 2009
eingemeindet. Dieser Neugliederung war in Treseburg ein am 2. März 2008 durchgeführter
Bürgerentscheid mit der Frage vorausgegangen, ob die Gemeinde Treseburg im Zuge der
anstehenden Gemeindegebietsreform in die Stadt Thale eingemeindet werden soll. Der
Bürgerentscheid verlief bei einer Beteiligung von 94,44 % der Bürgerschaft erfolgreich. Die in
der Gemeinde Altenbrak am 2. März 2008 durchgeführte Bürgeranhörung führte zur Frage
einer Eingemeindung in die Stadt Thale ein geteiltes Bild mit 50 Ja- und 50 Nein-Stimmen.
Gleichwohl entschied sich der Gemeinderat von Altenbrak für eine Eingemeindung nach
Thale.
Weitere Eingliederungen in die Stadt Thale erfolgen mit der Eingemeindung der Gemeinden
Friedrichsbrunn und Stecklenberg aus der benachbarten Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz.
Bei
der
Eingliederung
von
Friedrichsbrunn
ging
dem
Gebietsänderungsvertrag mit der Stadt Thale ein erfolgreicher Bürgerentscheid in
Friedrichsbrunn zur Frage der Eingemeindung nach Thale voraus. Auch die Bürgerschaft in
Stecklenburg brachte in einer Bürgeranhörung ein ausdrückliches Votum für eine
Eingemeindung der Gemeinde in die benachbarte Stadt Thale zum Ausdruck. Gegen die
Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung der Gebietsänderungsverträge
zwischen den Gemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg mit der Stadt Thale hatten sich
die
Stadt
Gernrode
und
die
Gemeinden
Bad
Suderode
und
Rieder,
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes
gewandt. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 12. November 2009 die
Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Stadt
Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder vom 24. September 2009 gegen
die kommunalaufsichtliche Genehmigung der Gebietsänderungsverträge abgelehnt. Mit
Beschluss vom 18. November 2009 hat das Oberverwaltungsgericht des Landes SachsenAnhalt den Antrag der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder, den
Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 12. November 2009 vorläufig bis zu
einer abschließenden Entscheidung in der Beschwerdeinstanz auszusetzen, abgelehnt. Mit
Beschluss vom 22. Dezember 2009 hat das Oberverwaltungsgericht des Landes SachsenAnhalt die Beschwerde der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder
gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 12. November 2009
zurückgewiesen.
Die Stadt Thale nimmt als Trägergemeinde der Verwaltungsgemeinschaft Thale i. S. d.
§ 75 Abs. 3 GO LSA die Verwaltung wahr. Die Verwaltungsgemeinschaft hat ihren Sitz in
Thale.
Die
Gemeinde
Westerhausen
bildet
eine
Verwaltungsaußenstelle.
Grundzentralörtliche Funktionen nimmt in der Verwaltungsgemeinschaft die Stadt Thale
wahr. Im Regionalen Entwicklungsplan ist die Stadt Thale ferner als regional bedeutsamer
Vorrangstandort für Industrie und Gewerbe sowie für Gesundheitsvorsorge bzw.
Rehabilitation festgelegt.
Infolge der Eingemeindungen der verwaltungsgemeinschaftsangehörigen Gemeinden
Neinstedt und Weddersleben gehören der Verwaltungsgemeinschaft Thale nur noch die
Stadt Thale und die Gemeinde Westerhausen an. Einwohner- und flächenmäßig hat sich die
Stadt Thale - und insoweit auch die Verwaltungsgemeinschaft - durch die Eingemeindungen
der Gemeinden Altenbrak und Treseburg aus der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft
Brocken-Hochharz zum 1. Juli 2009 vergrößert. Mit den Eingemeindungen der Gemeinden
Friedrichsbrunn und Stecklenberg aus der benachbarten Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz hat die verwaltungsgemeinschaftsangehörige Stadt Thale mit Gebietsstand
zum 1. Januar 2010 und dem für die Neugliederungen maßgeblichen Stichtag 31. Dezember
2005 insgesamt 17 992 Einwohner (vgl. § 2 Abs. 10 GemNeuglGrG). Die Gemeinde
Westerhausen hatte zum 31. Dezember 2005 2 079 Einwohner.
58
Die Gemeinde Westerhausen bildet den nördlichen Abschluss der Verwaltungsgemeinschaft
Thale. Südlich von Westerhausen grenzt der Ortsteil Warnstedt der Stadt Thale an. In
südöstlicher Richtung liegen die Ortsteile Neinstedt und Weddersleben der Stadt Thale.
Eine wichtige Verkehrsader für die Verwaltungsgemeinschaft Thale stellt im Norden bei
Westerhausen die neu gebaute Bundesstraße 6n in Richtung Quedlinburg und Blankenburg
dar, an die nach vier Kilometern Thale Anschluss hat. Die Verwaltungsgemeinschaft ist mit
den Bahnhöfen in Thale und Neinstedt an die Bahnstrecke nach Magdeburg über
Quedlinburg und Halberstadt angeschlossen.
Kindereinrichtungen, teils in freier Trägerschaft, werden in der Stadt Thale und ihren
Ortsteilen sowie in der Gemeinde Westerhausen angeboten.
Grundschulen sind in der Stadt Thale und den Ortsteilen Neinstedt und Weddersleben
vorhanden. Eine Sekundarschule befindet sich in der Stadt Thale, eine freie Ganztagsschule
in der ehemaligen Gemeinde und dem nunmehrigen Ortsteil Neinstedt (Klassenstufe 1- 10).
Neben einem Gymnasium ist eine Waldorfschule in der Stadt Thale eingerichtet. Eine
Sonderschule für geistig Behinderte ist in den Neinstedter Anstalten untergebracht.
Wirtschaftlich ist das Gebiet der Verwaltungsgemeinschaft unterschiedlich geprägt. Im
Bereich der Stadt Thale nimmt der Tourismus eine dominierende Bedeutung ein. Dies hat
sich durch die Eingemeindungen von Altenbrak und Treseburg aus dem Bodetal wie auch
durch die Eingemeindungen von Friedrichsbrunn und Stecklenberg weiter verstärkt. Die
Stadt Thale, am nordöstlichen Rand des steil abfallenden Harz-Gebietes gelegen, ist bereits
seit dem 19. Jahrhundert ein bedeutender Fremdenverkehrsort. Von Thale aus hat man
Zugang zum Bodetal, insbesondere gilt dies seit der Eingemeindung von Treseburg. Dieser
Ortsteil von Thale liegt am Zusammenfluss der Luppbode mit der Bode, im Durchschnitt 270
m über NN hoch im Bodetal und ist ein Ferienort sowie Anfangs- und Zielpunkt von
Bodetalwanderungen. Unterhalb von Treseburg liegt das Naturschutzgebiet Bodetal, durch
das ein etwa zehn Kilometer langer Wanderweg nach Thale bzw. zur Roßtrappe führt. Das
Bodetal überragen Hexentanzplatz, der mit der Personenschwebebahn zu erreichen ist, und
die Roßtrappe, zu der ein Sessellift führt. Von Thale aus führt mit dem Harzer Hexenstieg ein
knapp 100 km langer Wanderweg quer durch den Harz nach Osterode, u.a. auch durch die
ehemalige Gemeinde Altenbrak und nunmehrige Ortschaft von Thale. Etwa 3 km von
Altenbrak entfernt liegt die Talsperre Wendefurth, die Teil der Rappbodetalsperre ist.
In der Gemeinde Westerhausen im nördlichen Teil der Verwaltungsgemeinschaft Thale
hingegen spielt der Tourismus keine Rolle. Die Gemeinde Westerhausen, die – im
Gegensatz zu Quedlinburg und Blankenburg - mit der Stadt Thale nur eine relativ kurze
Gemarkungsgrenze bildet und durch ihre eingebettete Lage zwischen Quedlinburg und
Blankenburg von dem Restgebiet der Verwaltungsgemeinschaft Thale räumlich getrennt
erscheint, wird hauptsächlich durch die Landwirtschaft geprägt. Zudem wird in Westerhausen
ein Gewerbegebiet vorgehalten.
Während die Stadt Thale mit den Ortsteilen Warnstedt, Neinstedt und Weddersleben dem
Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Ostharz angehört, ist die
Gemeinde Westerhausen dem Trink- und Abwasserzweckverband Blankenburg und
Umgebung angeschlossen. Die Stadt Thale mit ihren Ortsteilen ist wie die Gemeinde
Westerhausen im Unterhaltungsverband Selke/Obere Bode organisiert.
59
3.
Stadt Quedlinburg
Zum Sachverhalt betreffend die Stadt Quedlinburg wird auf die Begründung zu § 4,
Abschnitt I Nr. 5 verwiesen.
II.
Zuordnung zur Stadt Thale
Die Gemeinde Westerhausen wird mit Inkrafttreten dieses Gesetzes in die Stadt Thale
eingemeindet. Die eingemeindete Gemeinde wird aufgelöst. Die Verwaltungsgemeinschaft
Thale ist mit Wirksamkeit der Bildung der Einheitsgemeinde Stadt Thale aufgelöst.
III. Anhörungen der betroffenen Gemeinden und der Einwohner sowie Stellungnahmen
des Landkreises der weiteren Beteiligten
Der zur Anhörung freigegebene Entwurf eines Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden
im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Harz sah vor, die Gemeinde
Westerhausen in die Stadt Quedlinburg einzugemeinden. Hiervon wurde aufgrund der
nachfolgend dargestellten Ergebnisse des Anhörungsverfahrens im Rahmen der Abwägung
Abstand genommen. Nunmehr wird die Gemeinde Westerhausen mit Inkrafttreten dieses
Gesetzes in die Stadt Thale eingemeindet.
1.
Auffassung der aufzulösenden Gemeinde
Die aufzulösende Gemeinde Westerhausen ist mit Schreiben des Ministeriums des Innern
vom 4. September 2009 zu dem Gesetzentwurf angehört worden. Die Gemeinde
Westerhausen wurde sowohl zu der nach dem Referentenentwurf beabsichtigten
Eingemeindung in die Stadt Quedlinburg als auch zur alternativ möglichen Eingemeindung in
die künftige Einheitsgemeinde Stadt Thale angehört. Ausweislich der Empfangsbestätigungen
hat die Gemeinde Westerhausen den Referentenentwurf nebst Begründung am
18. September 2009 erhalten. Der Gemeinde wurde eine Frist zur Stellungnahme bis zum
1. Dezember 2009 eingeräumt.
Mit Schreiben vom 30. November 2009 hat der Bürgermeister der Gemeinde Westerhausen
mitgeteilt, dass die Bürgeranhörung am 29. November 2009 ein deutliches Votum der
Bürgerschaft zur Neugliederung der Gemeinde Westerhausen ergeben habe. So hätten sich
725 der abstimmenden Bürgerinnen und Bürger für die Stadt Thale ausgesprochen und
lediglich 88 dagegen. Demgegenüber hätten die abstimmungsberechtigten Bürgerinnen und
Bürger mit 695 Stimmen eine Eingemeindung in die Stadt Quedlinburg eindeutig abgelehnt,
während diese Neugliederung von nur 85 Abstimmenden befürwortet worden wäre.
Wie der Bürgermeister in seiner Stellungnahme weiter ausgeführt, hätten die Bürgerinnen
und Bürger, die Mehrzahl der Gemeinderäte und der Bürgermeister ihre Arbeit im Rahmen
der Gemeindegebietsreform getan. Nunmehr könnten der Stadtrat der Stadt Thale und der
Gemeinderat der Gemeinde Westerhausen den vorbereiteten und zwischen den Gemeinden
abgestimmten Entwurf der Gebietsänderungsvereinbarung zur Eingemeindung von
Westerhausen in die Stadt Thale beschließen.
60
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 hat der Bürgermeister der Gemeinde Westerhausen
die vom Gemeinderat beschlossene Stellungnahme zum Referentenentwurf eines
Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis Harz dem Ministerium des Innern
übersandt. Danach lehnt die Gemeinde Westerhausen die nach dem Referentenentwurf
vorgesehene Zuordnung von Westerhausen in die Stadt Quedlinburg ab. So entspräche die
vorgesehene Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die Stadt Quedlinburg nicht
dem Grundsatz nach § 2 Abs. 1 GemNeuglGrG, wonach Einheitsgemeinden durch den
Zusammenschluss von Gemeinden in Verwaltungsgemeinschaften mit Trägergemeinde
gebildet werden sollen. Nach § 2 Abs. 1 GemNeuglGrG müsse die Gemeinde Westerhausen
deshalb der künftigen Einheitsgemeinde Stadt Thale zugeordnet werden.
Wie in der Stellungnahme weiter ausgeführt wird, habe die Gemeinde Westerhausen bereits
im Zeitraum von 1973 bis 1992 gemeinsam mit den Gemeinden Timmenrode, Warnstedt,
Neinstedt und Weddersleben sowie der Stadt Thale dem Gemeindeverband Thale angehört.
Zwar habe die Gemeinde im März 1994 eine Verwaltungsgemeinschaft mit der Stadt
Quedlinburg gebildet. Diese sei jedoch bereits nach 9 Jahren im beiderseitigen
Einvernehmen Ende Februar 2003 aufgelöst worden, nachdem zwischen Westerhausen und
Quedlinburg über Jahre unüberwindliche Meinungsverschiedenheiten aufgetreten waren.
Diese würden in den Köpfen der meisten Einwohner von Westerhausen noch bis heute
wirken. Seit dem Beitritt der Gemeinde Westerhausen in die Verwaltungsgemeinschaft Thale
zum 1. Januar 2004 bestehe eine sehr kooperative und zufrieden stellende Zusammenarbeit
zwischen dem Gemeinderat Westerhausen mit dem Bürgermeister der Gemeinde auf der
einen Seite und der Stadt Thale als Trägergemeinde der Verwaltungsgemeinschaft mit dem
Bürgermeister von Thale auf der anderen Seite. Zusammenfassend sei daher festzustellen,
dass die Stadt Thale und die Gemeinde Westerhausen in einer Einheitsgemeinde Thale in
vielfältiger Weise eine leistungsfähige Gemeinschaft darstellen können. Aus diesen Gründen
spricht sich die Gemeinde Westerhausen für einen Zusammenschluss mit der Stadt Thale
aus. Allerdings sei eine gesetzliche Zuordnung indes nicht mehr notwendig, da die
Gemeinde Westerhausen und die Stadt Thale sich freiwillig und im gegenseitigen
Einvernehmen zu einer Einheitsgemeinde zusammenschließen wollen und diesbezüglich
bereits ein Gebietsänderungsvertrag vorgelegt worden sei.
2.
Bürgeranhörung in der aufzulösenden Gemeinde
Das Ministerium des Innern hat mit Erlass vom 4. September 2009 die
Kommunalaufsichtsbehörde des Landkreises Harz aufgefordert, für die Durchführung der
nach Art. 90 S. 2 Verf LSA i.V.m. § 17 Abs. 2 GO LSA erforderlichen Bürgeranhörungen in
der Gemeinde Westerhausen Sorge zu tragen. Die Verwaltungsgemeinschaft Thale als die
für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises zuständige Behörde war gebeten worden,
die Anhörungen der Bürgerinnen und Bürger durchzuführen. Dabei hat das Ministerium des
Innern die Anhörungsfragen im Erlasswege vorgegeben (vgl. nachfolgende Übersicht). Die
Kommunalaufsichtsbehörde des Landkreises hat auf Bitte des Ministeriums des Innern den
Termin für die Bürgeranhörungen gegenüber der Verwaltungsgemeinschaft festgesetzt.
Mit der Bekanntmachung der Bürgeranhörungen ist gleichzeitig der Gesetzestext des
Referentenentwurfs bekannt gemacht worden, die Bekanntmachung enthielt den Hinweis,
dass der gesamte Referentenentwurf einschließlich der Begründung während der
allgemeinen Öffnungszeiten der Verwaltungsgemeinschaft zur Einsichtnahme für die
Bürgerinnen und Bürger bereit liegt.
Die Bürgeranhörung hat in der aufzulösenden Gemeinde Westerhausen stattgefunden, die
Bürgerinnen und Bürger haben wie folgt votiert:
61
Ergebnis BA
(Anzahl der
BürgerGemeinde
anhörung
(BA)
Westerhausen
Westerhausen
Datum
Fragestellung nach Weisung
Beteiligung
des Ministeriums des Innern
in %
BA
Sind Sie dafür, dass die Gemeinde
29.11.2009 Westerhausen in die Stadt
Quedlinburg eingemeindet wird?
BA
Sind Sie dafür, dass die Gemeinde
29.11.2009 Westerhausen in die künftige
Einheitsgemeinde Stadt Thale
eingemeindet wird?
Stimmen)
Ja
Nein
46,58
85
691
46,58
725
88
Die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Westerhausen haben sich damit im Rahmen der
Anhörung zum Referentenentwurf eines Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis
Harz mit deutlichen Mehrheiten gegen eine Eingemeindung in die Stadt Quedlinburg
ausgesprochen und eindeutig für eine Eingliederung in die künftige Einheitsgemeinde Thale
votiert.
3.
Stellungnahme der Stadt Quedlinburg
Die Stadt Quedlinburg ist zu der nach dem Referentenentwurf beabsichtigten Neugliederung
der Gemeinde Westerhausen mit Schreiben des Ministeriums des Innern vom
4. September 2009 angehört worden. Die Stadt hat den Referentenentwurf nebst
Begründung ausweislich der Empfangsbestätigung am 11. September 2009 erhalten. Ihr
wurde eine Frist zur Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2009 eingeräumt.
Mit Schreiben vom 6. November 2009 hat die Stadt Quedlinburg zum Referentenentwurf
Stellung genommen und dabei folgendes Votum abgegeben.
Gegen die vorgesehene gesetzliche Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die
Stadt Quedlinburg bestehen aus Sicht der Stadt Quedlinburg keine Einwände. In ihrer
Stellungnahme stimmt die Stadt dem Neugliederungsvorhaben zu. Die Stadt Quedlinburg
verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass die vorgesehene Zuordnung der Gemeinde
Westerhausen
zur
Stadt
Quedlinburg
neben
den
bestehenden
vielfältigen
Verflechtungsbeziehungen, die in den wirtschaftlichen, sozialen und naturräumlichen
Verhältnissen zum Ausdruck kämen, auch die Gesichtspunkte der Raumordnung und
Landesplanung zur Stärkung des Mittelzentrums Quedlinburg mit seinen zentralen
Funktionen besonders Rechnung trage. Damit werde dem gesetzgeberischen Leitbild der
Gemeindegebietsreform sowohl raumordnerisch als sich sachlich sinnvoll entsprochen.
Wie die Stadt Quedlinburg in ihrer Stellungnahme weiter ausführt, sei jedoch darauf
hinzuweisen, dass die Eingemeindung der Gemeindung Westerhausen allein mit 2 121
Einwohnern (Stand 31. Dezember 2005) nicht dazu führen werde, den Status des
Mittelzentrums Quedlinburg mittelfristig zu sichern. Damit würde dem durch die
demographische Veränderung im Land Sachsen-Anhalt berechtigerweise Weise erhobenen
Anspruch einer Stärkung von Zentren nicht ausreichend entsprochen.
62
4.
Stadt Thale
Mit Schreiben des Ministeriums des Innern vom 4. September 2009 ist die Stadt Thale zu der
nach dem Referentenentwurf beabsichtigten Neugliederung der Gemeinde Westerhausen
angehört worden. Die Stadt Thale hat den Referentenentwurf nebst Begründung ausweislich
der Empfangsbestätigung am 15. September 2009 erhalten. Ihr wurde eine Frist zur
Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2009 eingeräumt.
Die Stadt Thale hat mit Schreiben vom 30. November 2009 die vom Stadtrat Thale in seiner
Sitzung am 26. November 2009 beschlossene Stellungnahme zu dem nach dem
Referentenentwurf vorgesehenen Neugliederungsvorhaben vorgelegt.
In ihrer Stellungnahme vertritt die Stadt Thale die Auffassung, dass die vorgesehene
Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die Stadt Quedlinburg nicht dem Grundsatz
in § 2 Abs. 1 GemNeuglGrG entspreche, wonach Einheitsgemeinden durch den
Zusammenschluss von Gemeinden in Verwaltungsgemeinschaften mit Trägergemeinde
gebildet werden sollen. Die Gemeinde Westerhausen und die Stadt Quedlinburg seien nicht
derselben Verwaltungsgemeinschaft angehörig. Nach § 2 Abs. 1 GemNeuglGrG müsse
daher die Gemeinde Westerhausen der künftigen Einheitsgemeinde Stadt Thale zugeordnet
werden, da Westerhausen gegenwärtig Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft sei und es
gewichtige Gründe gebe, die in der Begründung des Referentenentwurfs nicht berücksichtigt
worden seien.
So habe die Gemeinde Westerhausen bereits im Zeitraum von 1973 bis 1992 gemeinsam
mit den Gemeinden Timmenrode, Warnstedt, Neinstedt und Weddersleben sowie der Stadt
Thale dem Gemeindeverband Thale angehört. Warnstedt, Neinstedt und Weddersleben
seien inzwischen Ortsteile der Stadt Thale geworden. Die von der Gemeinde Westerhausen
und der Stadt Quedlinburg mit Vereinbarung vom 18. März 1994 gebildete
Verwaltungsgemeinschaft sei bereits nach 9 Jahren in beiderseitigem Einvernehmen zum
1. Januar
2004
aufgelöst
worden,
nachdem
über
Jahre
unüberwindliche
Meinungsverschiedenheiten aufgetreten seien.
Zudem bestehe seit Eintritt der Gemeinde Westerhausen in die Verwaltungsgemeinschaft
Thale am 1. Januar 2004 eine sehr kooperative und zufriedenstellende Zusammenarbeit
zwischen dem Gemeinderat und dem Bürgermeister der Gemeinde Westerhausen auf der
einen Seite und der Stadt Thale als Trägergemeinde mit dem Bürgermeister auf der anderen
Seite. Im Zuge eines bürgerfreundlichen Verwaltungshandelns halte die Stadt Thale eine
Verwaltungsaußenstelle in der Gemeinde Westerhausen vor, die auch nach der
Eingemeindung in die Stadt Thale geöffnet bleiben werde. Auch die Beschäftigten der
Verwaltung der Stadt Thale seien umfassend in die für Westerhausen erforderliche
Verwaltungsarbeit eingebunden. Direkt in Westerhausen seien insgesamt 27 Beschäftigte
der Stadt Thale tätig, davon 19 im Kindergarten, 2 in der Verwaltungsaußenstelle
einschließlich Sekretariat der Grundschule, 1 Gemeindearbeiter, 2 im Tierpark und
insgesamt 3 geringfügig Beschäftigte im Tierpark und in der Grundschule.
Verbundenheiten bestünden auch im Schulbereich. So besuche die überwiegende Zahl der
in Westerhausen wohnenden Schüler nach Beendigung der Grundschule das Gymnasium in
Thale, obwohl auch der Besuch des Gymnasiums in Quedlinburg frei gewählt werden könne.
Entsprechend der durch den Landkreis Harz formell festgelegten Einzugsbereiche würden
die Sekundarschüler aus Westerhausen noch immer in die Sekundarschulen in Quedlinburg
aufgenommen, obwohl aufgrund der Zugehörigkeit der Gemeinde Westerhausen zur
Verwaltungsgemeinschaft Thale und der ausreichend vorhandenen Kapazitäten in der
Sekundarschule Thale eine Änderung des Einzugsbereichs von Quedlinburg nach Thale
längst überfällig sei.
63
Thale und Westerhausen seien auch verkehrsmäßig gut verbunden, etwa direkt durch die
Landesstraße L 240 insbesondere im Wege des ÖPNV. Die Landesstraße diene für den
gewerblichen und privaten Verkehr als Anbindung an die neue Bundesstraße B 6n. Wegen
der Nähe des bestehenden Gewerbegebietes Thale/Nord und Warnstedt biete sich eine
Erschließung von Gewerbegebietsflächen in Westerhausen entlang der Landesstraße L 240
an, da das bereits in Westerhausen vorhandene Gewerbegebiet keine direkte Anbindung zur
B 6n habe. Der Bedarf an Gewerbeflächen in Westerhausen ergebe sich aus der Tatsache,
dass in der Gemeinde gegenwärtig ca. 120 handwerkliche, produzierende und
Handelsunternehmen angesiedelt hätten. Insoweit sei Westerhausen – anders als im
Referentenentwurf ausgeführt - nicht nur durch die Landwirtschaft geprägt, sondern die
gewerblichen Unternehmen seien gleichbedeutend mit der Landwirtschaft.
Entgegen der Darlegungen im Referentenentwurf spiele der Tourismus in Westerhausen
durchaus eine Rolle. Zwar stelle der Tourismus für die Gemeinde keinen bedeutenden
Wirtschaftsfaktor dar, jedoch seien einzelne touristische Anziehungspunkte vorhanden (z.B.
Harzer Weingut, Tiergehege). Die Stadt Thale könne die touristische Vermarktung dieser
Angebote durch eine Einbeziehung in ihr touristisches Marketingkonzept maßgeblich
unterstützen.
Eine räumliche Trennung der Gemeinde Westerhausen vom Restgebiet der
Verwaltungsgemeinschaft Thale sei nicht gegeben. Vielmehr würden die naturräumlichen
Verhältnisse das Landschaftsbild zwischen den Ortslagen Thale und Westerhausen als
einen einheitlichen Raum „Harzrand“ auszeichnen.
Für die Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die Stadt Thale würde zudem das
Ergebnis der am 29. November 2009 in Westerhausen durchgeführten Bürgeranhörung
sprechen. So sei die Frage der Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die künftige
Einheitsgemeinde Stadt Thale von 725 Abstimmungsberechtigten mit „Ja“ und lediglich 88
Abstimmungsberechtigten mit „Nein“ beantwortet worden. Dagegen sei die Frage der
Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die Stadt Quedlinburg lediglich von 85
Abstimmungsberechtigten mit „Ja“ und 691 mit „Nein“ beantwortet worden.
5.
Stellungnahme des Landkreises Harz
Der Landkreis Harz hat mit Schreiben vom 2. November 2009 im Rahmen der vom
Ministerium des Innern mit Schreiben vom 4. September 2009 veranlassten Anhörung
Stellung genommen. Bezüglich der nach dem Referentenentwurf beabsichtigten
Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die Stadt Quedlinburg führt der Landkreis
aus, dass dieser gesetzlichen Zuordnung insbesondere im Hinblick darauf zugestimmt wird,
dass dadurch das Mittelzentrum Quedlinburg gestärkt wird.
6.
Regionale Planungsgemeinschaft Harz
Unter dem 21 Oktober 2009 hat die angehörte Planungsgemeinschaft Harz folgendes Votum
zu der nach dem Referentenentwurf vorgesehenen Eingemeindung von Westerhausen in die
Stadt Quedlinburg abgegeben:
In den Regionalen Entwicklungsplänen werden bezüglich der zentralörtlichen Gliederung auf
Grundlage der Kriterien des Landesentwicklungsplanes allein die Grundzentren festgelegt.
Die höherrangigen zentralen Orte, wie z.B. Quedlinburg als Mittelzentrum, werden bereits
abschließend im Landesentwicklungsplan festgelegt. Im Regionalen Entwicklungsplan Harz
erfolgte (lediglich) eine diesbezügliche Übernahme gemäß § 6 Abs. 1 LPlG. Grundzentren
64
sind als Standorte zur Konzentration von Einrichtungen der überörtlichen Grundversorgung
mit Gütern und Dienstleistungen sowie der gewerblichen Wirtschaft zu sichern und zu
entwickeln. Da diese grundzentrale Aufgabe für einen jeweiligen Verflechtungsbereich mit
mindestens 10 000 Einwohnern (Stand derzeit geltender Landesentwicklungsplan)
abzusichern sei, spiele die Frage der Zuordnung einer einzugemeindenden Gemeinde zu
einem
grundzentralen
Verflechtungsbereich
im
Gesetzgebungsverfahren
des
Gemeindeneugliederungsgesetzes eine wichtige Rolle. Gemäß Landesentwicklungsplan
übernehme allerdings ein höherrangiger zentraler Ort, wie hier z.B. das Mittelzentrum
Quedlinburg, auch Funktionen niedriger Zentralität, im genannten Bespiel die eines
Grundzentrums.
Wie die Regionale Planungsgemeinschaft Harz ausführte, dürfte die Gemeinde
Westerhausen im Grenzbereich sowohl von Quedlinburg als auch Thale liegen. Ebenfalls
berühre Westerhausen auch den Verflechtungsbereich von Blankenburg (Harz). Folglich sei
eine eindeutige regionalplanerische Zuordnung derzeit nicht gegeben. Auch bei den
grundzentralen Erreichbarkeitskriterien gebe es keine signifikanten Unterschiede. Da Thale,
Quedlinburg und Blankenburg auch ohne Eingemeindung von Westerhausen leistungsstark
genug seien, die grundzentralen Aufgaben für den jeweiligen Verflechtungsbereich
wahrzunehmen, könne hinsichtlich der Eingemeindung von Westerhausen keine eindeutige
regionalplanerische Präferenz abgeleitet werden.
Auch ausgehend von den sonstigen Festsetzungen des Regionalen Entwicklungsplanes
Harz (Raum-, Siedlungs- und Freiraumstruktur) dränge sich keine eindeutige Zuordnung von
Westerhausen in eine der umliegenden zentralen Orte auf. Soweit der Gesetzgeber
beabsichtige, durch eine Eingemeindung von Westerhausen das Mittelzentrum Quedlinburg
zu stärken, würden aus regionalplanerischer Sicht keine Bedenken bestehen.
IV. Abwägung
Die Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die Stadt Thale ist nach den
gemeinwohlorientierten Zielen der Gemeindegebietsreform im Land Sachsen-Anhalt
geboten. Nach § 1 Abs. 1 GemNeuglGrG sollen auf der gemeindlichen Ebene zukunftsfähige
gemeindliche Strukturen geschaffen werden, die ihre und die ihnen übertragenen Aufgaben
sachgerecht, effizient und in hoher Qualität erfüllen und die wirtschaftliche Nutzung der
erforderlichen kommunalen Einrichtungen sichern.
Die Gemeinde Westerhausen mit ihren 2 141 Einwohnern zum maßgeblichen Stichtag
31. Dezember 2005 ist Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft Thale. Die
Gemeinde hatte die Möglichkeit, bis zum 30. Juni 2009 eine freiwillige Neugliederung zu
vereinbaren, die den Vorgaben des Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes
entspricht.
Der
zuständigen
Kommunalaufsichtsbehörde
sollte
nach
§ 2 Abs. 9 GemNeuglGrG bis spätestens zum 30. Juni 2009 der genehmigungsfähige
Gebietsänderungsvertrag vorliegen. Die Gemeinde Westerhausen hat im Dezember 2009
mit der Stadt Thale einen Gebietsänderungsvertrag über ihre Eingliederung in die Stadt
Thale geschlossen. Der vom Gemeinderat Westerhausen am 8. Dezember 2009 und vom
Stadtrat Thale am 10. Dezember 2009 beschlossene Gebietsänderungsvertrag ist in der
vorliegenden Fassung indes nicht uneingeschränkt genehmigungsfähig. Mehrere
Vertragsregelungen sind mit geltendem Recht unvereinbar und deshalb von der
kommunalaufsichtlichen Genehmigung zwingend auszunehmen. Die Ausnahme der
rechtswidrigen Vertragsbestandteile von der kommunalaufsichtlichen Genehmigung setzt
Zustimmungsbeschlüsse des Stadtrates Thale und des Gemeinderates Westerhausen
65
voraus, die noch ausstehen. Eine rechtswirksame Eingemeindung der Gemeinde
Westerhausen in die Stadt Thale auf vertraglicher Grundlage ist deshalb bislang nicht erfolgt.
Das vorliegende Gesetz trägt mit der Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die
Stadt Thale der Ankündigung des Gesetzgebers in § 2 Abs. 9 GemNeuglGrG Rechnung,
dass nach dem 30. Juni 2009 Gemeinden per Gesetz zu Einheitsgemeinden
zusammengeschlossen werden.
Die Zuordnung der Gemeinde Westerhausen zur Stadt Thale beruht auf den Regelungen
des § 2 GemNeuglGrG, mit denen der Gesetzgeber die grundlegenden Aussagen zur
Struktur der gemeindlichen Ebene in Sachsen-Anhalt getroffen und damit sein Leitbild zur
Verwirklichung der in § 1 GemNeuglGrG normierten Ziele der Gemeindegebietsreform
aufgestellt hatte. Zum gesetzgeberischen Leitbild zählt die in § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG
getroffene Strukturaussage, dass Gemeindezusammenschlüsse zur Bildung von
Einheitsgemeinden innerhalb der Grenzen der bestehenden Verwaltungsgemeinschaften
erfolgen sollen. Dieser Regelung liegt die am Gemeinwohl orientierte Zielsetzung zugrunde,
die innerhalb der bisher bestehenden Verwaltungsgemeinschaften gewachsenen
Verflechtungen und Synergien zu erhalten und zu verstärken, und insoweit auf eingerichtete
Verwaltungsstrukturen sowie bestehende Verwaltungs- und Personalkapazitäten
zurückzugreifen, auf denen die neue Gemeindestruktur aufbauen und welche sie fortsetzen
kann. Zum anderen haben sich die Einwohner der einzelnen Gemeinden seit der Einführung
der Verwaltungsgemeinschaften und der Konzentration der Erledigung vieler
Verwaltungsaufgaben in einem einheitlichen Verwaltungsamt aneinander gewöhnt.
Die Gemeinde Westerhausen ist Mitgliedsgemeinde der nach dem Modell der
Trägergemeinde organisierten Verwaltungsgemeinschaft Thale (vgl. § 75 Abs. 3 GO LSA),
Trägergemeinde ist die Stadt Thale.
Ein Erhalt der Selbständigkeit der Gemeinde Westerhausen ist nach dem gesetzgeberischen
Leitbild der Gemeindegebietsreform nicht möglich. Die Gemeinde Westerhausen hat zwar
wie ausgeführt einen ausgeglichenen Haushalt, weist zum maßgeblichen Stand
31. Dezember 2005 allerdings nur eine Einwohnerzahl von 2 141 auf.
Zur Erreichung der mit der Reform bezweckten Zielsetzungen hat der Gesetzgeber mit
seinem Leitbild in § 2 GemNeuglGrG Mindesteinwohnerzahlenwerte für die künftigen
gemeindlichen Strukturen in Sachsen-Anhalt festgelegt. So sollen Einheitsgemeinden und
Verbandsgemeinden mindestens 10 000 Einwohner haben (§ 2 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 7
Satz 1 GemNeuglGrG), wobei diese Einwohnerzahl geringfügig unterschritten werden kann,
wenn Umstände des Einzelfalls die Annahme rechtfertigen, dass die dauerhafte
Leistungsfähigkeit der Einheits- bzw. Verbandsgemeinde erreicht wird (§ 2 Abs. 3 Satz 3 und
Abs. 7 Satz 2 GemNeuglGrG). Ein Abweichen von der Regelgröße einer Einheitsgemeinde
von 10 000 Einwohnern hat der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 3 Satz 2 GemNeuglGrG eröffnet,
wenn eine unterdurchschnittliche Bevölkerungsdichte im Landkreis vorliegt oder besondere
geographische Lagen eine Rolle spielen. In diesen Fällen sollen Einheitsgemeinden
mindestens 8 000 Einwohner haben, wobei diese Einwohnerzahl geringfügig unterschritten
werden darf (§ 2 Abs. 3 Satz 3 GemNeuglGrG).
Die Typisierung im Hinblick auf die Einwohnerzahl ist verfassungsgemäß. Hierzu hat das
Landesverfassungsgericht mit Urteil vom 21. April 2009 (LVerfG 12, 27, 56, 58, 71, 83, 87,
99 und 149/08, Rn. 46) bereits ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei organisatorischen
Maßnahmen, die das ganze Land betreffen, typisieren darf. Er braucht nicht jeder einzelnen
Gemeinde und grundsätzlich auch nicht jeder insgesamt gesehen unbedeutenden Gruppe
von Gemeinden Rechnung tragen. Dies folgt schon aus dem notwendig generellen
Charakter seiner Regelung. Der Gesetzgeber kann sich somit an Werten im Sinne von
66
Richtgrößen orientieren, die in einem rationalen Abwägungsprozess zustande gekommen
sind. Die Abwägungsentscheidung im Hinblick auf die Festlegung der Richtgröße von 10 000
Einwohnern
für
eine
Einheitsgemeinde
als
Mindestgröße
wurde
vom
Landesverfassungsgericht nicht beanstandet und ist damit verfassungsgemäß.
Mit 2 141 Einwohnern unterschreitet die Gemeinde Westerhausen die Mindesteinwohnerzahl
von 10 000 mehr als deutlich. Mit 2 141 Einwohnern kann Westerhausen nicht als
leistungsfähige Gemeinde betrachtet werden und bestehen bleiben.
Das Leitbild des Reformgesetzgebers bestimmt unter § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GemNeuglGrG,
dass die Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften nach dem Modell der
Trägergemeinde in eine Einheitsgemeinde umzuwandeln sind. Diesem Leitbild liegt die
gemeinwohlkonforme
Erwägung
zugrunde,
dass
bei
dieser
Form
der
Verwaltungsgemeinschaft bereits eine Gemeinde für alle Mitgliedsgemeinden tätig wird und
insoweit schon seit Jahren eine freiwillige Orientierung der Mitgliedsgemeinden und ihrer
Einwohner auf diese Trägergemeinde vorliegt. Diesen gesetzlichen Vorgaben entsprechend
hatten sich die der Verwaltungsgemeinschaft Thale angehörenden Gemeinden Neinstedt
und Weddersleben mit der Trägergemeinde Thale zusammengeschlossen und sich zum
1. Januar 2009 in die Stadt Thale eingemeinden lassen. Allein durch die Eingemeindung der
verwaltungsgemeinschaftsangehörigen Gemeinden Neinstedt und Weddersleben hat sich
die Einwohnerzahl der Stadt Thale auf 15 797 vergrößert.
Einen weiteren Einwohnerzuwachs hat die Stadt Thale darüber hinaus durch die
Eingliederung von Gemeinden aus benachbarten Verwaltungsgemeinschaften erfahren. Mit
den Eingemeindungen von Altenbrak und Treseburg aus der ehemaligen
Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz steigt die Einwohnerzahl der Stadt Thale auf
insgesamt 16 280 Einwohner an. Weitere Eingliederungen in die Stadt Thale erfolgen – wie
bereits dargelegt - mit der Eingemeindung der Gemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg
aus
der
benachbarten
Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz,
soweit
das
Oberverwaltungsgericht
des
Landes
Sachsen-Anhalt
seinen
Beschluss
vom
18. November 2009 bestätigt, mit dem es den Antrag der Stadt Gernrode und der
Gemeinden Bad Suderode und Rieder auf vorläufige Aussetzung des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 12. November 2009 bis zu einer abschließenden
Entscheidung in der Beschwerdeinstanz abgelehnt hatte. Mit der Eingemeindung der
Gemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg erhöht sich die Einwohnerzahl der Stadt Thale
auf 17 992.
Mit einer Einwohnerzahl von 17 992 mit Gebietsstand vom 1. Januar 2010 und zum
maßgeblichen Stichtag 31. Dezember 2005 überschreitet die Stadt Thale die gesetzliche
Mindesteinwohnerzahl von 10 000 deutlich.
Allein aufgrund der leitbildgerechten Einwohnerzahl der Stadt Thale wäre mithin eine
Zuordnung der Gemeinde Westerhausen nach Thale zur Bildung einer leistungsfähigen
Einheitsgemeinde nicht erforderlich, sondern auch eine andere Zuordnung möglich.
Mit dem Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz hat der Gesetzgeber eindeutig den
Vorrang der Einheitsgemeinde normiert, indem er in § 2 Abs. 1 Satz 1 GemNeuglGrG
bestimmt, dass das Reformziel vorrangig durch die Bildung von Einheitsgemeinden erreicht
werden
soll.
Die
Bildung
von
Einheitsgemeinden
soll
nach
§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GemNeuglGrG grundsätzlich in Verwaltungsgemeinschaften nach
dem Modell der Trägergemeinde und gemäß § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG grundsätzlich in den
Grenzen der bestehenden Verwaltungsgemeinschaft erfolgen. Ein Abweichen von diesem
Neugliederungsgrundsatz muss durch hinreichende Besonderheiten des Einzelfalls
gerechtfertigt sein. Die Gesichtspunkte, die nach den örtlichen Gegebenheiten ein Verlassen
von dem der Gemeindegebietsreform zugrundeliegenden System begründen können,
67
ergeben sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG. Danach können Gesichtspunkte der
Raumordnung und Landesplanung sowie die örtlichen Zusammenhänge, wie wirtschaftliche
und naturräumliche Verhältnisse sowie historische und landsmannschaftliche
Verbundenheiten, es erlauben, den Rahmen der von § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG
vorgegebenen Neugliederungsgrundsätze zu verlassen. Solche im Einzelfall herangezogene
maßgebliche Kriterien müssen sich auf tatsächliche, nachvollziehbare örtliche
Gegebenheiten oder Besonderheiten stützen.
Wegen der gemeinsamen Grenzen, welche die Gemeinde Westerhausen im Norden mit der
Gemeinde Harsleben, im Westen mit der Stadt Blankenburg (Harz) und im Osten mit dem
Mittelzentrum Quedlinburg aufweist, war zu prüfen, ob von dem gesetzlichen Leitbild, dass
die
Einheitsgemeinde
grundsätzlich
aus
den
Mitgliedsgemeinden
derselben
Verwaltungsgemeinschaft entstehen soll und dass die Mitgliedsgemeinden von
Verwaltungsgemeinschaften nach dem Modell der Trägergemeinde gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3
Nr. 2 GemNeuglGrG in eine Einheitsgemeinde umgewandelt werden sollen, abgewichen
werden muss, weil besondere Belange für eine Eingemeindung in die Gemeinde Harsleben
oder in die Städte Blankenburg (Harz) oder Quedlinburg vorliegen könnten.
Die Möglichkeit der Zuordnung zur Gemeinde Harsleben, welche ab dem 1. Januar 2010
eine Mitgliedsgemeinde der Verbandsgemeinde Vorharz bildet, entfällt, da mit der
vorrangigen Bildung von Einheitsgemeinden nach dem GemeindeneugliederungsGrundsätzegesetz eine verwaltungsgemeinschaftsübergreifende Zuordnung zu einer
Mitgliedsgemeinde einer Verbandsgemeinde in der gesetzlichen Phase nicht mehr in
Betracht kommt.
Des Weiteren käme eine Zuordnung zu der ab dem 1. Januar 2010 gebildeten
Einheitsgemeinde Stadt Blankenburg (Harz) in Betracht. Allerdings drängen sich hier keine
Gründe des Gemeinwohls auf, die ein Abweichen des Gesetzgebers von seinem
Neugliederungssystem gebieten würden. Dies gilt bereits im Hinblick auf die Einwohnerzahl
der zum 1. Januar 2010 gebildeten Einheitsgemeinde Stadt Blankenburg (Harz), die mit der
gesetzlichen Zuordnung der Gemeinde Timmenrode (vgl. § 4) nach dem maßgeblichen
Stand zum 31. Dezember 2005 20 635 Einwohner aufweisen wird, damit weit über den
gesetzlich geforderten Einwohnerzahlen liegt und mithin keinen weiteren Einwohnerzuwachs
benötigt. Zudem sind zwischen der Stadt Blankenburg (Harz) und der Gemeinde
Westerhausen örtliche, wirtschaftliche und sonstige Verbundenheiten, die für einen
verwaltungsgemeinschaftsübergreifenden Zusammenschluss sprechen, weder ersichtlich
noch drängen sie sich auf.
Die Gemeinde Westerhausen liegt schließlich im Nahbereich des Mittelzentrums
Quedlinburg. Eine enge bauliche Verflechtung mit der Stadt Quedlinburg besteht nicht. Auch
haben sich im Rahmen der 2006/2007 durchgeführten Untersuchung der
Verflechtungsbeziehungen zwischen Mittelzentren und angrenzenden Gemeinden bei
Westerhausen keine derart engen Verflechtungen zum Mittelzentrum Quedlinburg erkennen
lassen, die nach Maßgabe des § 3 GemNeuglGrG zwingend im Wege einer
Teileingemeindung oder Eingemeindung einer Lösung zugeführt werden müssten. So hat
Westerhausen bei Auswertung der Kriterien, die der Untersuchung zugrunde gelegt worden
waren, von insgesamt 100 zu vergebenden Punkten lediglich einen Punktwert von 15
erreicht.
Ausgehend von den Kriterien des gesetzgeberischen Leitbildes liegt keine vom
regelmäßigen Neugliederungssystem des § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG abweichende Situation
vor, die ein Abgehen vom Erfordernis der Bildung von Einheitsgemeinden innerhalb der
bestehenden Verwaltungsgemeinschaftsstruktur rechtfertigen würde.
68
So sind tatsächliche, nachvollziehbare örtliche Besonderheiten im Sinne des
§ 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG, die eine nach dem gesetzlichen Leitbild zulässige
Ausnahme
für
eine
gemeindliche
Neugliederung
über
die
Grenzen
der
Verwaltungsgemeinschaft hinaus in Richtung der Stadt Quedlinburg begründen könnten,
vorliegend nicht gegeben. Örtliche Zusammenhänge als auch historische und
landsmannschaftliche Verbundenheiten mit der Stadt Quedlinburg sind nicht derart
ausgeprägt, dass sie eine Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die Stadt
Quedlinburg rechtfertigen würden. Zwar war die Gemeinde Westerhausen im Zeitraum vom
18. März 1994 bis 31. Dezember 2003 zusammen mit Quedlinburg Mitgliedsgemeinde der
Verwaltungsgemeinschaft Quedlinburg mit der Stadt Quedlinburg als Trägergemeinde i. S. v.
§ 75 Abs. 3 GO LSA. Allerdings wurde die Verwaltungsgemeinschaft nach Differenzen
zwischen den Mitgliedsgemeinden mit dem Wechsel von Westerhausen zur
Verwaltungsgemeinschaft Thale zum 1. Januar 2004 aufgelöst. Die Gemeinde
Westerhausen weist zwar schulische Zusammenhänge mit der Stadt Quedlinburg nach dem
Schulentwicklungsplan
insoweit
auf,
als
die
Gemeinde
Westerhausen
im
Schuleinzugsbereich für die Sekundar- und Förderschule in Quedlinburg liegt. Dies ist jedoch
nicht als ausreichend zu bewerten, um ein Verlassen vom Neugliederungssystem zu
rechtfertigen, nicht zuletzt auch vor dem Umstand, dass sich im Bereich der gymnasialen
Beschulung aufgrund der Wahlfreiheit eine differenziertere Ausrichtung ergibt.
Ein Erfordernis der Stärkung des Mittelzentrums Quedlinburg durch Zuordnung der
Gemeinde Westerhausen besteht nicht. Die Stärkung des Mittelzentrums Quedlinburg als ein
entsprechend von § 1 Abs. 2 GemNeuglGrG von der Gemeindegebietsreform in SachsenAnhalt verfolgtes Ziel wird mit der gesetzlichen Zuordnung der Stadt Gernrode und der
Gemeinden Bad Suderode und Rieder der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz erreicht
(vgl. § 4). Mit der Eingemeindung von Gernrode, Bad Suderode und Rieder wird das
Mittelzentrum Quedlinburg über eine Einwohnerzahl von 30 350 verfügen. Weitere
Eingemeindungen zur Stärkung des Mittelzentrums sind nicht erforderlich.
In die Abwägung war insbesondere einzubeziehen, dass in der Gemeinde Westerhausen
nach dem Ergebnis der am 29. November 2009 zum Referentenentwurf durchgeführten
Bürgeranhörung ein Vertrag über die Eingemeindung von Westerhausen in die Stadt Thale
beschlossen wurde (siehe auch Abschnitt I). Diese Neugliederung ist, auch wenn der
Gebietsänderungsvertrag in der vorliegenden Fassung nicht uneingeschränkt
genehmigungsfähig ist, leitbildgerecht, da sie eine Eingliederung einer Gemeinde in die
Trägergemeinde innerhalb der bestehenden Verwaltungsgemeinschaftsstruktur zur
Zielsetzung hat. Mit einer Eingemeindung der Gemeinde Westerhausen in die Stadt Thale
wird den auf freiwilliger Basis unternommenen Eingliederungsbemühungen von
Westerhausen mit der Stadt Thale gefolgt.
Darüber hinaus entspricht die vorgesehene gesetzliche Eingemeindung der Gemeinde
Westerhausen dem in der Bürgeranhörung am 29. November 2009 deutlich zum Ausdruck
gekommenen Willen der Bürgerschaft von Westerhausen hinsichtlich der Frage der
Neugliederung ihrer Gemeinde. So votierten die beteiligten Bürgerinnen und Bürger mit
großer Mehrheit für eine Eingemeindung in die Stadt Thale, während sie gleichzeitig eine
Eingliederung in die Stadt Quedlinburg eindeutig ablehnten. Dem eindeutig zustimmenden
Bürgervotum in der Gemeinde Westerhausen kommt insoweit ein abwägungsrelevanter
Stellenwert zu. Zudem werden in der Abwägung über die Neugliederung der Gemeinde
Westerhausen zu beachten, dass die
Das nach dem gesetzgeberischen Leitbild bestehende Erfordernis einer Zuordnung der
Gemeinde Westerhausen zur Stadt Thale ist nach alledem unter Abwägung aller Umstände
sowie des befürwortenden Willens des Gemeinderates und der Bevölkerung der Gemeinde
Westerhausen sachgerecht.
69
V.
Abwägungsergebnis
Die Zuordnung der Gemeinde Westerhausen in die Stadt Thale entspricht wie ausgeführt
dem Leitbild des Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes und ist systemgerecht.
Wegen der Unterschreitung der Regelmindesteinwohnerzahl der Gemeinde Westerhausen
ist ein Erhalt der kommunalen Eigenständigkeit der Gemeinde nicht in Betracht zu ziehen.
Die hierzu niedergelegten Gemeinwohlgründe überwiegen im Interesse der mit der Reform
zu verwirklichenden Ziele die örtlichen Interessen der Gemeinde Westerhausen am Erhalt
ihrer Eigenständigkeit. Belange der Gemeinde Westerhausen, die ein Verlassen des
Neugliederungssystems gebieten würden, drängen sich nicht auf. Der Eingriff in das der
Gemeinde gewährte kommunale Selbstverwaltungsrecht ist gerechtfertigt und
verhältnismäßig.
70
Zu § 4
I.
Sachlage / bisherige Reformschritte
1.
Stadt Gernrode
Die Stadt Gernrode liegt am nordöstlichen Rand des Harzes. Sie grenzt im Süden an die
zum 1. August 2009 neu gebildete Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode und im Norden an
das Mittelzentrum Stadt Quedlinburg. Das Stadtzentrum von Quedlinburg liegt ca. 8 km
entfernt. Westlich von Gernrode liegen Friedrichsbrunn, seit 1. Januar 2010 Ortsteil von
Thale, und nordwestlich in 2 km Entfernung die Gemeinde Bad Suderode. Im Osten grenzt
Gernrode in 2 km Entfernung an die Gemeinde Rieder. Die benachbarten Gemeinden Bad
Suderode und Rieder sind ebenso wie Gernrode Mitgliedsgemeinden der
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz.
Die Stadt Gernrode ist durch Busverbindung an den Öffentlichen Nahverkehr
angeschlossen. Sie ist hierbei durch die Q-Bus Nahverkehrsgesellschaft in Richtung
Quedlinburg, Thale, Halberstadt, Wernigerode, Aschersleben, Harzgerode und Stolberg
angebunden. Darüber hinaus ist die Stadt Gernrode zusätzlich an die Harzer
Schmalspurbahn in Richtung Quedlinburg angebunden. Von dort aus kann der Regionalzug
HEX erreicht werden. Straßenmäßig ist Gernrode wie folgt erschlossen:
L 241
L 243
L 239
L 92
beginnt in Gernrode und verbindet Gernrode mit Bad Suderode
führt durch Gernrode und verbindet Gernrode mit Quedlinburg und führt
südlich in Richtung Harzgerode
beginnt ca. 2 km westlich von Gernrode und führt nach Quedlinburg und
Friedrichsbrunn
beginnt 4 km nördlich von Gernrode und führt nach Thale, in Thale ist
Anschlussmöglichkeit an die L 240 gegeben
Die Bundesstraße 6, die durch die Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt
und Sachsen zur polnischen Grenze führt, ist ca. 14 km entfernt. Anschlussmöglichkeit
besteht durch die K 2356 von Quedlinburg in Richtung B 6. Im ca. 7,5 km entfernten
Ballenstedt besteht Anschlussmöglichkeit an die Bundesstraße 185. Sie verbindet in OstWest-Richtung die Stadt Dessau-Roßlau mit dem Harz.
Die Stadt Gernrode liegt auf einer Höhe von 217 m und hat eine Bevölkerungsdichte von 112
Einwohnern je km². Die höchste Erhebung in der näheren Umgebung ist die Viktorshöhe mit
585 m. Die Gemarkung Gernrode hat eine Fläche von 3406 Hektar, davon sind 2718 Hektar
Wald und 20 Hektar Gewässer.
Gernrode wurde 961 erstmals urkundlich erwähnt und erhielt im Jahr 1539 das Recht,
Wappen und Siegel zu führen, was heute häufig mit einer Stadtrechtsverleihung
gleichgesetzt wird. Die Stadt war fast 700 Jahre lang der Sitz eines erst geistlichen, nach der
Reformation freiweltlichen Damenstiftes. Im Jahre 1533 wurde in Gernrode das erste
Schulgebäude auf Geheiß der Äbtissin Anna von Plauen erbaut und aus Mitteln der Abtei
unterhalten. An der Schule wurden Kinder unabhängig vom Stand ihrer Familie
gleichermaßen unterrichtet. Heute geht man davon aus, dass es die wahrscheinlich älteste
protestantische Elementarschule in Deutschland war. Noch bis 1847 fand in den
Schulräumen Unterricht statt. Aufgrund seiner geringen Bedeutung blieb Gernrode immer
Marktflecken, der Ort bzw. der Markt waren nicht ummauert. Noch im 17. und 18.
Jahrhundert wird Gernrode in Urkunden als Flecken und ganz selten als Stadt bezeichnet.
Bei der 1603 erfolgten Teilung Anhalts in vier Fürstentümer wurden das Stift und die Stadt
den Senioratsgütern zugewiesen. Die Verwaltung und Regierung des ehemaligen
71
reichsunmittelbaren Stiftes lag nun in den Händen des jeweiligen Seniors der anhaltischen
Fürsten. Die Rechtsnachfolge wurde 1728 durch Kaiser Karl VI. endgültig dem anhaltischen
Fürstenhaus übertragen. Im Jahr 1802 erfolgte durch Franz II. die letztmalige Belehnung.
Als 1696 die Senioratsgüter aufgeteilt wurden, fiel der nördliche Teil des ehemaligen
Stiftsgebietes mit Großalsleben und Alikendorf an Anhalt-Dessau. Ab 1709 gehörte die Stadt
Gernrode zum Fürstentum Anhalt-Bernburg. Im Jahr 1806 wurde das Fürstentum AnhaltBernburg zum Herzogtum erhoben. Nach dem Erlöschen des Herzogtums kam es im Jahr
1863 zusammen mit dem Herzogtum Anhalt-Köthen zum Herzogtum Anhalt mit der
Landeshauptstadt Dessau. Das Fürstentum Anhalt-Bernburg gliederte sich im
18. Jahrhundert in zwei Hauptgebiete – das Land Bernburg sowie das Gebiet im Vorharz.
Das anhaltische Gebiet im Vorharz bestand aus den fünf Justizämtern Ballenstedt,
Gernrode, Güntersberge, Harzgerode, Hoym. Das Amt Gernrode grenzte dabei im Norden
und Westen an Preußen, Sitz des Amtes Gernrode war um 1739 der Fürstliche Amtshof. Der
Stiftsbezirk wurde 1832 in eine Domäne umgewandelt, die Nutzung als landwirtschaftlicher
Betrieb zog fast die Zerstörung der Stiftskirche und des Stiftsbezirkes nach sich. Die
Domäne wurde 1858 zurückgekauft, ab dem Jahr 1859 wurde mit der Restaurierung der
Kirche durch Ferdinand von Quast begonnen. Von Bedeutung für die Stadt Gernrode war
Fürst Victor Friedrich von Anhalt-Bernburg. Er regierte von 1721 bis 1765 als ein
absolutistischer Herrscher. Er ließ sich in der Stadt ein Denkmal erbauen, als er 1754 auf
dem Stubenberg anstelle einer Rasenbank ein Gästehaus errichten ließ. Später wurde
dieses Gästehaus umgebaut und erweitert und als Hotel genutzt.
Mit dem beginnenden 19. Jahrhundert begann der Ort zu einem Erholungsort zu werden. Zu
dieser Zeit besuchten neben Goethe auch andere bekannte Personen wie Heinrich von
Kleist und Wilhelm von Kügelgen Gernrode, besonders das Hotel auf dem Stubenberg.
Durch den Fremdenverkehr entwickelte sich Gernrode zu einer modernen Kleinstadt, denn
für die Urlauber musste die Infrastruktur auf Grund der steigenden Ansprüche verbessert
werden. Auch die Verkehrsanbindung wurde in dieser Zeit verbessert, so wurde 1885 die
Eisenbahnstrecke Quedlinburg - Aschersleben und im Jahr 1887 die Selketalbahn durch die
damalige Gernröder-Harzgeröder-Eisenbahngesellschaft eröffnet. Die Nachkriegsjahre
brachten auch für Gernrode schwere Zeiten, Hunger und Entbehrung mit sich. Der Inflation
zu Beginn der Weimarer Republik versuchte man in Gernrode wie auch andernorts durch die
Ausgabe von Gutscheinen Herr zu werden. In der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis
1945 unterstand das Land Anhalt zusammen mit dem Land Braunschweig einem
Reichsstatthalter mit besonderen Befugnissen. Das Land Anhalt bildete in dieser Zeit
zusammen mit Teilen der ehemaligen preußischen Provinz Sachsen den Gau MagdeburgAnhalt. Nach der durch die Alliierten getroffen Einigung über die Aufteilung Deutschlands
wurden die amerikanischen Truppen im Juni 1945 durch sowjetische ersetzt. Nach der
Gründung der DDR 1949 wurde im Jahre 1952 eine Verwaltungsreform durchgeführt. Die
Hauptteile des 1947 gegründeten Landes Sachsen-Anhalt wurden auf die zwei Bezirke
Magdeburg und Halle aufgeteilt. Die Stadt Gernrode kam zusammen mit dem Landkreis
Quedlinburg zum Bezirk Halle. In Gernrode wurde mit dem Aufbau des FDGBFeriendienstes begonnen, was zu rasch steigenden Übernachtungszahlen führte. Das Hotel
Stubenberg wurde 1948 eines der ersten FDGB-Ferienheime. Zahlreichen
Übernachtungsmöglichkeiten führten zu einer enormen Anzahl von Urlaubern. Obwohl der
Tourismus dominierte, siedelten sich auch Industriebetriebe an. So wurde 1960 der VEB
Harzer Uhren gegründet, der aus einer enteigneten privaten Uhrmacherfirma hervorging. Der
Betrieb begann 1969 mit der Produktion von Kuckucksuhren. Sie werden noch heute unter
dem Namen Harzer Uhren produziert. Daneben gab es in Gernrode Betriebe zur Produktion
von Polstermöbeln sowie zur Herstellung von Getränken und Spirituosen. In der
Landwirtschaft wurden die Flächen der Bauern zu einer LPG zusammengefasst, die das
ganze Spektrum vom Obstanbau über Viehzucht bis zum Ackerbau abdeckte. In Gernrode
hatte es vor dem Krieg schon eine Baumschule gegeben. Diese wurde 1972 zusammen mit
einer Baumschule in Blankenburg zum VEG Saatzucht, Baumschulen und
Landschaftsgestaltung Gernrode zusammengeschlossen. Die Umwälzungen beim
72
Niedergang der DDR im Herbst 1989 brachten das Ende des Feriendienstes der
Gewerkschaften und der Ferienheime der meisten Betriebe. Mit dem Wegbleiben der
Urlauber und der Schließung der Betriebe kam es zu einem starken Anstieg der
Arbeitslosigkeit. Trotz etlicher Nutzungskonzepte für die ehemaligen Ferienheime stehen
diese bisher leer. Sie sind stark verfallen und müssen wahrscheinlich abgerissen werden.
Der Stubenberg konnte 1992 an einen privaten Investor verkauft werden und wurde als Hotel
wiedereröffnet. Seit dem 4. März 2006 besteht wieder eine Schienenverbindung nach
Quedlinburg. Die schmalspurige Selketalbahn wurde verlängert und am 26. Juni 2006
anlässlich des Harzfestes in Gernrode in Betrieb genommen. Die bereits zu DDR-Zeiten
bestehende Zugehörigkeit der Stadt Gernrode zum Landkreis Quedlinburg bestand auch
nach der ersten, zum 1. Juli 1994 wirksam gewordenen Kreisgebietsreform fort. Mit der am
1. Juli 2007 in Sachsen-Anhalt in Kraft getretenen neuen Kreisgebietsstruktur gehört
Gernrode zum Landkreis Harz.
Die Stadt gliedert sich in den Stiftsbesitz mit dem Bereich um die Stiftskirche und Altstadt
und östlich davon im Bereich um die ehemalige Marktkirche St. Stephanus und das Rathaus.
Ausgehend von diesem mittelalterlichen Kern wurde am Übergang vom 19. zum 20.
Jahrhundert ein Gürtel aus Villen im Jugendstil gebaut. Seit 1990 entstanden das
Neubaugebiet Osterfeld und das Gewerbegebiet auf den Steinen. In der Altstadt mit ihren
verwinkelten Straßen befinden sich viele Gebäude aus verschiedenen Jahrhunderten der
Stadtgeschichte. Am kleinen Markt liegen das Rathaus aus der Zeit des Historismus,
westlich davon der romanische Turm der ehemaligen Marktkirche St. Stephanus sowie die
bekannteste Sehenswürdigkeit, die romanische Stiftskirche St. Cyriacus. Die Stiftskirche
St. Cyriacus befindet sich an der Südroute der Straße der Romanik. Neben der Stiftskirche
ist das Hotel Stubenberg das zweite Wahrzeichen der Stadt Gernrode.
In Gernrode gibt es vielfältige Möglichkeiten für den Einkauf von Lebensmitteln, Bürobedarf,
Bekleidung, Möbel, Uhren und Schmuck u.v.m. In Gernrode gibt es neben
Allgemeinmedizinern eine große Auswahl an Fachärzten, Kranken- und Pflegediensten.
Darüber hinaus befinden sich in Gernrode zwei Seniorenheime, eins davon ist die
Neinstedter Anstalt in Trägerschaft einer gemeinnützigen Stiftung. Auch Apotheken sind
direkt in Gernrode vorhanden.
Die Einwohnerentwicklung in der Stadt Gernrode stellt sich in den letzten Jahren wie folgt
dar:
31.12.2005
3.931
31.12.2006
3.897
31.12.2007
3.824
31.12.2008
3.765
Die Stadt Gernrode ist Schulstandort. Die Grundschule in Gernrode besuchen derzeit 103
Kinder und die Sekundarschule Hagenberg besuchen derzeit 255 Kinder und Jugendliche.
Darüber hinaus hält die Stadt mit der Kindertagesstätte „Gernröder Spatzen“ eine eigene
Einrichtung zur Betreuung von Krippen- und Kindergartenkindern vor. Träger der
Kindertagesstätte ist die Stadt Gernrode. Derzeit besuchen 130 Kinder die Kindertagesstätte.
Der Haushaltsplan der Stadt Gernrode wurde für das Haushaltsjahr 2009 mit einer
Kreditaufnahme genehmigt. Nach Prüfung der Jahresrechnung 2008 hat die Stadt Gernrode
einen Fehlbetrag im Vermögenshaushalt in Höhe von 1 805 991,67 €, der nicht offensichtlich
gedeckt werden kann.
Die Stadt Gernrode ist im Regionalen Entwicklungsplan für die Planungsregion Harz als
Grundzentrum zur Sicherung der Grundversorgung für die umliegenden Orte ihres
73
Verflechtungsbereichs ausgewiesen. Weiterhin ist Gernrode mit Stiftskirche und historischem
Ortskern als Vorrangstandort für Kultur und Denkmalpflege innerhalb der Planungsregion
Harz festgelegt. Ebenso ist Gernrode im Regionalen Entwicklungsplan Harz als regional
bedeutsame Schnittstelle im Öffentlichen Personennahverkehr mit seinen Schnittstellen
zwischen Bahn/Bus und Bus/Bus ausgewiesen. Weiterhin ist im Regionalen
Entwicklungsplan Harz festgelegt, dass die Güterverkehrsstelle Gernrode als regional- und
überregional bedeutsames Schienennetz zu erhalten und entsprechend der
raumordnerischen Anforderung einer verstärkten Verlagerung des Güterverkehrs auf die
Schiene zu entwickeln und bedarfsweise durch weitere Stellen zu ergänzen ist. Das Gebiet
um Gernrode ist ferner als Vorranggebiet für Natur und Landschaft im Regionalen
Entwicklungsplan
für
die
Planungsregion
Harz
festgelegt.
Der
artenreiche
Halbtrockenrasenstandort und die Umwandlung der Kiefernforste in standortgerechte
Mischwälder trockener Ausprägung sollen als Lebens- und Nahrungsraum für
charakteristische Tierarten hierbei erhalten werden.
Die Stadt Gernrode ist wie die anderen Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz Mitglied im Zweckverband für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung
Ostharz.
Bereits seit dem Jahre 1973 war die Stadt Gernrode Mitglied des Gemeindeverbandes
Gernrode, der aus den Ort Gernrode, Bad Suderode, Rieder, Friedrichsbrunn und
Stecklenberg bestand. Schon damals hatte sich eine Zusammenarbeit der fünf Orte
herausgebildet. Im Jahre 1994 gründete die Stadt Gernrode gemeinsam mit den Orten Bad
Suderode, Rieder, Friedrichsbrunn und Stecklenberg die Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz.
Am 29. März 2009 wurde in der Stadt Gernrode eine Bürgeranhörung durchgeführt mit der
Fragestellung „Sind Sie dafür, dass sich die Stadt Gernrode mit allen dazu bereiten
Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz in der freiwilligen Phase
der Gemeindegebietsreform zu einer Einheitsgemeinde zusammenschließt?“.
1.594 gültige Stimmen und damit 94,82 % stimmten für ja und 87 Stimmen und damit 5,18 %
für nein.
2.
Gemeinde Bad Suderode
Die Gemeinde Bad Suderode liegt am nordöstlichen Rand des Harzes. Sie grenzt im Süden
und im Osten an die Stadt Gernrode und im Südwesten an die Gemeinde Friedrichsbrunn.
Nordwestlich von Bad Suderode liegt die Gemeinde Stecklenberg. Im Norden bildet die
Gemeinde Bad Suderode eine kleine gemeinsame Gemarkungsgrenze mit der Stadt
Quedlinburg. Das Stadtzentrum von Quedlinburg ist von Bad Suderode in 7 km Entfernung
zu erreichen. Gernrode ist 2 km, Rieder 4 km entfernt. Die benachbarten Gemeinden
Gernrode, Friedrichsbrunn und Stecklenberg sind ebenso wie die Gemeinde Bad Suderode
Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz.
Die Gemeinde Bad Suderode ist durch Busverbindung an den Öffentlichen Nahverkehr
angeschlossen. Sie ist hierbei durch die Q-Bus Nahverkehrsgesellschaft in Richtung
Quedlinburg, Thale, Halberstadt, Wernigerode, Aschersleben, Harzgerode und Stolberg
angebunden. Darüber hinaus ist die Gemeinde Bad Suderode zusätzlich an die Harzer
Schmalspurbahn in Richtung Quedlinburg angebunden. Von dort aus kann der Regionalzug
HEX erreicht werden. Straßenmäßig ist Bad Suderode wie folgt erschlossen:
L 241
L 239
beginnt in Bad Suderode und verbindet Bad Suderode mit Gernrode
führt durch Bad Suderode und verbindet Bad Suderode mit Quedlinburg und
Friedrichsbrunn
74
L 243
L 92
liegt 2 km östlich von Bad Suderode und führt durch Gernrode, verbindet
Gernrode mit Quedlinburg und führt südlich in Richtung Harzgerode, ist von
Bad Suderode durch die L241 zu erreichen
beginnt 2 km nördlich von Bad Suderode und führt nach Thale, in Thale ist
Anschlussmöglichkeit an die L 240 gegeben
Die Bundesstraße 6, die durch die Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt
und Sachsen zur polnischen Grenze führt, ist ca. 11,5 km entfernt. Anschlussmöglichkeit
besteht durch die L 239 über Quedlinburg in Richtung B 6. Im ca. 9 km entfernten
Ballenstedt besteht Anschlussmöglichkeit an die Bundesstraße 185. Sie verbindet in OstWest-Richtung die Stadt Dessau-Rosslau mit dem Harz.
Die Gemeinde Bad Suderode liegt auf einer Höhe von 199 m und hat eine
Bevölkerungsdichte von 225 Einwohner je km². Die Gemarkung Bad Suderode hat eine
Fläche von 8,21 km². Davon sind 506 ha Waldfläche und 2 ha Wasserfläche.
Im Jahre 1179 wurde Suderode erstmals urkundlich erwähnt. Während des 30-jährigen
Krieges brannten die Kirche und ein Großteil der Häuser Suderodes aus. Im Jahre 1663 ließ
Katharina von Oettingen, Schlossfrau von der Stecklenburg, die versehrte Kirche
wiederherstellen und dem Turm eine barocke Haube geben. Die seit dem 16. Jahrhundert
ungenutzte und verschüttete Calciumquelle wurde 1819 von einer Jagdgesellschaft
wiederentdeckt. In den folgenden Jahren wurden erste Badezellen errichtet. 1839 wurde das
Logier- und Badehaus „Neues Behringer-Bad“ eingeweiht. Im Jahre 1911 erhielt Suderode
die amtliche Bezeichnung „Bad“. Der Calciumbrunnen wurde 1913 unter staatlichen Schutz
gestellt und die Calciumtrinkkur eingeführt. Mit dem Beginn des Badekurbetriebes in den
zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelten sich immer mehr Gast- und
Logierhäuser, die dem Kur- und Urlaubsbedürfnis entsprachen und deren vorgebaute,
kunstvoll geschmückte filigranen Holzbalkone dem Ort ein markantes Bild geben. Ein im
Harz einmaliges denkmalgeschütztes Ensemble. Die Gemeinde Bad Suderode trägt seit
dem Jahr 2000 das Prädikat „Heilbad“ und ist damit im Ostharz der einzige Ort der diese
Prädikatisierung dauerhaft anerkannt bekommen hat. Außerdem ist Bad Suderode der Sitz
des Heilbäder- und Kurorteverbandes e.V. des Landes Sachsen-Anhalt.
Zu den Sehenswürdigkeiten gehört neben der alten Dorfkirche, die heute für Konzerte,
Lesungen und regelmäßig wechselnde Ausstellungen genutzt wird, der hölzerne
Aussichtsturm. Er ermöglicht dem Besucher ein wunderschönes Panorama über Bad
Suderode und das Harzer Vorland. Zum Preußenturm führen mehrere Wanderwege. Auf
dem kürzesten Weg erreicht man den Aussichtsturm vom Kurpark, Nähe Behringer Brunnen,
aus. Der 1934 errichtete Behringer Brunnentempel ist das Wahrzeichen des Heilbads. Mitten
im Kurpark ist er nicht nur Ausgangspunkt für Wandertouren und Nordic Walking Parcours,
er ist zugleich auch Mittelpunkt des Brunnenfestes und der Sommerkurkonzerte.
Durch die geographische Lage und durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz und insbesondere durch die gemeinsame
Zugehörigkeit zu Anhalt ist Bad Suderode mit der umliegenden Gemeinde Rieder und der
Stadt Gernrode eng verbunden. Eine besondere Verbundenheit besteht zu Gernrode und
Rieder. Die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder gehen örtlich
ineinander über, d.h. die Ortsausgangsschilder des einen Ortes sind gleichzeitig die
Ortseingangsschilder des nächsten Ortes.
Aufgrund des Heilbadbetriebes gibt es in Bad Suderode vielfältige Möglichkeiten für den
Einkauf von Backwaren, Fleisch- und Wurstwaren, Obst und Gemüse, Getränke, weitere
Lebensmittel, Textilien und Modewaren. In Bad Suderode gibt es einen Zahnarzt, Apotheke,
Pflegedienste, Physiotherapie und ein Geschäft für Sanitätsartikel. Durch die ParacelsusHarz-Klinik besteht in Bad Suderode darüber hinaus die Möglichkeit für Rehabilitations- und
Anschlussheilbehandlung
von
Herz-/Kreislauferkrankungen,
Krebsnachsorge,
Atemwegserkrankungen und Diabetes mellitus. Im nur 2 km entfernten Gernrode gibt es
75
neben Allgemeinmedizinern eine große Auswahl an Fachärzten. Darüber hinaus befinden
sich in Gernrode zwei Seniorenheime, eins davon ist die Neinstedter Anstalt in Trägerschaft
einer gemeinnützigen Stiftung. Auch weitere Apotheken sind in Gernrode vorhanden. In Bad
Suderode gibt es weiterhin mehrere Hotels und Pensionen, Restaurants und Cafes.
Die Einwohnerentwicklung in der Gemeinde Bad Suderode stellt sich in den letzten Jahren
wie folgt dar:
31.12.2005
1.850
31.12.2006
1.858
31.12.2007
1.848
31.12.2008
1.801
Die Gemeinde Bad Suderode ist Schulstandort. Die Grundschule in Bad Suderode besuchen
derzeit 58 Kinder. Aufgrund der geringen Schülerzahl wurde für diese Grundschulen vom
Landkreis eine Ausnahmegenehmigung gem. § 4 Abs. 2 SEPl-VO zum eigenständigen
Fortbestand beantragt. Ebenso gibt es in Bad Suderode eine Sonderschule für
lernbehinderte Kinder und Jugendliche, die derzeit 115 Kinder und Jugendliche besuchen.
Die Sekundarschüler aus Bad Suderode besuchen in Gernrode die Sekundarschule
Hagenberg. Derzeit werden dort 255 Kinder und Jugendliche beschult. Gymnasien befinden
sich in den nahegelegenen Städten Ballenstedt, Thale und Quedlinburg. Die Gemeinde Bad
Suderode hält weiterhin mit der Kindertagesstätte „Harzzwerge“ eine eigene Einrichtung zur
Betreuung von Krippen- und Kindergartenkindern vor. Träger der Kindertagesstätte ist die
Gemeinde Bad Suderode. Derzeit besuchen 80 Kinder die Kindertagesstätte.
Mit Verfügung vom 25. März 2009 wurde der Haushalt 2009 der Gemeinde Bad Suderode
beanstandet. Derzeit hat die Gemeinde Fehlbeträge i.H.v. ca. 13 Mio. €, die bis 2012 auf
18,6 Mio. € anwachsen werden. Seit April 1997 erhält die Gemeinde unter anderem
regelmäßige Liquiditätshilfen für den laufenden Betrieb der Kureinrichtung, was in
begrenztem Maße auch Investitionen, die entweder zum Betrieb der Kureinrichtung
unumgänglich sind (z.B. Ersatzbeschaffungen) oder zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit
beitragen, einschließt. Bisher hat die Gemeinde Bad Suderode 16 102 948 € Liquiditätshilfe
erhalten. Ingesamt sind bislang für die laufende Unterhaltung des Kureigenbetriebes rund
8,5 Mio. € gezahlt worden. Seit den letzten Jahren wird die Liquiditätshilfe halbjährlich
ausgereicht. Momentan wird geklärt, ob und mit wessen finanzieller Beteiligung ein
Weiterbetrieb nach Ablauf der Fördermittelbindungsfrist realisiert werden kann. Hierzu soll
eine vom Ministerium für Wirtschaft geförderte Machbarkeitsstudie beitragen, für die das
Ministerium des Innern die Übernahme des Eigenanteils zugesagt hat. Die Gemeinde Bad
Suderode hat zuletzt mit Bescheid vom 29. Juni 2005 eine Bedarfszuweisung von
521.606,00 € zum Ausgleich der bis einschließlich 2001 aufgelaufenen Fehlbeträge erhalten.
Es liegen Anträge der Gemeinde Bad Suderode auf Umwandlung der bisherigen
Liquiditätshilfen für den Kureigenbetrieb in Bedarfszuweisungen (Antrag vom 21. April 2009)
sowie auf Bedarfszuweisung zum Ausgleich der Haushaltsfehlbeträge 2005 und 2006 im
Verwaltungs- und Vermögenshaushalt (Antrag vom 6. Juli 2009) vor.
Die Gemeinde Bad Suderode ist eine Gemeinde ohne eigene Zentralität. Im Regionalen
Entwicklungsplan ist Bad Suderode als regional bedeutsamer Standort für
Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation festgelegt. Als nahegelegenes Grundzentrum ist
Gernrode im Regionalen Entwicklungsplan für die Planungsregion Harz festgelegt.
Die Gemeinde Bad Suderode ist wie die anderen Mitgliedsgemeinden der
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz Mitglied im Zweckverband für Wasserversorgung
und Abwasserentsorgung Ostharz.
76
Die im südöstlichen Teil des Landkreises Harz gelegene Gemeinde Bad Suderode ist seit
Bildung der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz am 1. Januar 1994 deren Mitglied. Die
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz mit Sitz in Gernrode war seinerzeit durch die Stadt
Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode, Friedrichsbrunn, Rieder und Stecklenberg
gegründet worden.
Am 29. März 2009 wurde in der Gemeinde Bad Suderode eine Bürgeranhörung mit der
Fragestellung „Sind Sie dafür, dass sich die Gemeinde Bad Suderode mit allen dazu bereiten
Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz in der freiwilligen Phase
der Gemeindegebietsreform zu einer Einheitsgemeinde zusammenschließt?“ durchgeführt.
Von 1026 gültigen Stimmen entfielen 964 und damit 93,96 % auf ja und 62 Stimmen und
damit 6,04 % auf nein.
Festzustellen ist, dass damit ein klares Votum für die Bildung einer Einheitsgemeinde aus
den hierzu bereiten Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz
herbeigeführt wurde.
3.
Gemeinde Rieder
Die Gemeinde Rieder liegt am Nordrand des Unterharzes zwischen Ballenstedt im Osten
und Gernrode im Westen. Sie liegt zwischen dem Kahlberg und dem Schierberg. Mitten im
Ort liegt der Tieberg. Durch die Gemeinde Rieder fließt der Eulenbach, der sich in Gernrode
mit dem Wellbach vereint und schließlich in der Bode mündet. Die Gemeinde Rieder grenzt
im Süden und im Osten an die Stadt Ballenstedt (5 km entfernt) und im Norden an die Stadt
Quedlinburg (7,4 km entfernt). Westlich von Gernrode liegt in 2 km Entfernung die Stadt
Gernrode. Rieder ist ebenso wie die benachbarte Stadt Gernrode und Bad Suderode
Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz.
Die Gemeinde Rieder ist durch Busverbindung an den Öffentlichen Nahverkehr
angeschlossen. Sie ist hierbei durch die Q-Bus Nahverkehrsgesellschaft in Richtung
Quedlinburg, Thale, Halberstadt, Wernigerode, Aschersleben, Harzgerode und Stolberg
angebunden. Darüber hinaus besteht im nahegelegenen Gernrode und in Bad Suderode
zusätzlich Anschlussmöglichkeit an die Harzer Schmalspurbahn in Richtung Quedlinburg.
Von dort aus kann der Regionalzug HEX erreicht werden. Straßenmäßig ist Rieder wie folgt
erschlossen:
L242
L 243
L 241
führt durch Rieder und verbindet Rieder mit Ballenstedt und Quedlinburg
beginnt in Rieder und verbindet Rieder mit Gernrode
beginnt im ca. 4 km entfernten Bad Suderode und führt nach Gernrode
Die Bundesstraße 6, die durch die Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt
und Sachsen zur polnischen Grenze führt, ist ca. 11 km entfernt. Anschlussmöglichkeit
besteht durch die L 239 über Quedlinburg in Richtung B 6. Im nahegelegenen Ballenstedt
besteht Anschlussmöglichkeit an die Bundesstraße 185. Sie verbindet in Ost-West-Richtung
die Stadt Dessau-Rosslau mit dem Harz.
Die Gemeinde Rieder liegt auf einer Höhe von 231 m und hat eine Bevölkerungsdichte von
89 Einwohnern je km². Die Gemarkung Rieder hat eine Gesamtfläche von 21,41 km², davon
sind 650 Hektar Wald und 9 Hektar Gewässer.
Die Gemeinde Rieder wurde in einer Urkunde von König Otto I. vom 13. September 936
erstmals urkundlich erwähnt. Damit ist Rieder einer der ältesten Orte im Territorium Anhalts.
Der ursprüngliche Ortskern waren die Sandsteinhöhlen der Klus und des Thieberges, wo
seinerzeit eine Holzkirche und ein Kloster errichtet wurden. Im Laufe der Zeit wurden die
neue Kirche am Pferdeteich und das Rathaus ”Altes Rathaus”, die 1993 rekonstruiert
77
wurden, gebaut. Beide Objekte stehen auf der Zentralen Denkmalliste. Der Ort Rieder besitzt
die zweitälteste Glocke in Deutschland und eines der bestgeführten Kirchenbücher, welches
dem Schriftsteller Otto Gotsche als Grundlage zu seinem Roman “...und haben nur den
Zorn” diente. Mitte des 17. Jahrhunderts verlagerte sich der Ortskern in den Bereich des
heutigen Dorfteiches und der Kirche. Verwendung dabei fanden Sandstein vom Schierberg,
Lehm aus den Kalkhöhlen am Kahlenberg und Holz aus dem Ramberger Forst. Auch
Dachziegel wurden in Rieder gebrannt. Um die Bewohner und den Reichtum des Ortes zu
schützen, entstanden bereits zu dieser Zeit an den Ortseingängen Tore und Schranken.
Anfang des 19. Jahrhunderts hatte sich Rieder zu dem größten Kirch- und Pfarrdorf in Anhalt
entwickelt. Ursache für den ungewöhnlichen Reichtum waren der Ackerbau, der Obst- und
Flachsanbau und vor allem die stark ausgeprägte Gewerbetätigkeit. Ihren Wohlstand teilten
die Dorfbewohner mit den Ärmsten, sodass es keine Bettler gab. Rieder war weit über die
Ortsgrenzen für seine Mildtätigkeit bekannt. Trotz aller Brandschatzungen und Hungersnöte
erholte sich das Dorf immer wieder schnell. Ein wirklich anderes Gesicht verlieh erst der
Bahnbau im Jahre 1885 dem Ort. In diese Zeit fällt auch der Beginn des
Blumensamenanbaus von Robert Hesse, der Rieder zum größten Blumendorf Deutschlands
machen sollte. Wenige Jahre später begann der Bau der Roseburg, die jetzt wieder zu
neuem Leben erweckt werden soll. Zur DDR-Zeit war der Ort maßgeblich durch die LPG
geprägt, die sich stark für die Verbesserung der Lebensbedingungen in der Gemeinde
Rieder eingesetzt hat. In den letzten 15 Jahren stand die Weiterentwicklung der Infrastruktur
im Mittelpunkt. Das Wappen der Gemeinde Rieder hat folgende Blasonierung: „Zinnenförmig
schräggeteilt, oben in Grün eine silberne Glocke, unten eine schwarz gefugte, silberne
Mauer.“ Zu den Sehenswürdigkeiten der Gemeinde Rieder gehört die Roseburg, die sich auf
den Ruinen einer mittelalterlichen Burg über der Strasse von Rieder nach Ballenstedt erhebt.
Die zwischen 1905 und 1908 entstandene Burganlage vereinigt ein originelles
Sammelsurium an Kunstgegenständen. Das Erholungsgebiet “Roseburg” bietet dem
Besucher eine gut gepflegte Parkanlage, in der alljährlich die “Roseburger Sommerfesttage”
stattfinden.
Durch die geographische Lage und durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz und insbesondere durch die Randlage in Anhalt ist
Rieder mit der angrenzenden Stadt Gernrode und der naheliegenden Gemeinde Bad
Suderode eng verbunden. Eine besondere Verbundenheit besteht zu Gernrode und Bad
Suderode. Die Stadt Gernrode und die Gemeinden Rieder und Bad Suderode gehen örtlich
ineinander über, d.h. die Ortsausgangsschilder des einen Ortes sind gleichzeitig die
Ortseingangsschilder des nächsten Ortes.
Die Gemeinde Rieder verfügt über einen Bäcker, zwei Friseursalons und ein Kosmetikstudio.
Im nur etwa 2 km entfernten Gernrode gibt es aufgrund der Funktion Gernrodes als
Grundzentrum vielfältige Möglichkeiten für den Einkauf von Lebensmitteln, Bürobedarf,
Bekleidung, Möbel, Uhren und Schmuck u. v. m. In Gernrode ist auch die ärztliche
Versorgung sichergestellt. Dort gibt es neben Allgemeinmedizinern eine große Auswahl an
Fachärzten, Kranken- und Pflegediensten. Darüber hinaus befinden sich in Gernrode zwei
Seniorenheime. Auch Apotheken sind direkt in Gernrode vorhanden.
Die Einwohnerentwicklung in der Gemeinde Rieder stellt sich in den letzten Jahren wie folgt
dar:
31.12.2005
1.962
31.12.2006
1.924
31.12.2007
1.897
31.12.2008
1.906
Die Gemeinde Rieder ist Schulstandort. Die Grundschule „Ferdinand Freiligrath“ besuchen
derzeit 71 Kinder. Die Sekundarschüler der Gemeinde Rieder besuchen die Sekundarschule
Hagenberg in Gernrode. Dort werden derzeit insgesamt 255 Kinder und Jugendliche
beschult. Gymnasien befinden sich in den nahegelegenen Städten Ballenstedt, Thale und
78
Quedlinburg. Die Gemeinde Rieder hält weiterhin mit der Kindertagesstätte „Waldgeister“
eine eigene Einrichtung zur Betreuung von Krippen- und Kindergartenkindern vor. Träger der
Kindertagesstätte ist die Gemeinde Rieder. Derzeit besuchen 100 Kinder die
Kindertagesstätte.
Die Haushaltslage der Gemeinde Rieder kann derzeit nicht als geordnet bezeichnet werden.
Der Verwaltungshaushalt ist defizitär. Nach Korrektur der Jahresabschlussbuchungen 2008
durch das Rechnungsprüfungsamt des Landkreises Harz hat die Gemeinde einen
Gesamtfehlbetrag im Verwaltungs- und Vermögenshaushalt von 556 635,22 €.
Die Gemeinde Rieder ist eine Gemeinde ohne eigene Zentralität. Als nahegelegenes
Grundzentrum ist Gernrode im Regionalen Entwicklungsplan für die Planungsregion Harz
festgelegt. Weiterhin bietet die ca. 5 km entfernte Stadt Ballenstedt Funktionen eines
Grundzentrums. Rieder ist mit seinem Industriegebiet Gernrode-Rieder im Regionalen
Entwicklungsplan für die Planungsregion Harz als regional bedeutsamer Vorrangstandort für
Industrie und Gewerbe festgelegt.
Die Gemeinde Rieder ist wie die anderen Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz Mitglied im Zweckverband für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung
Ostharz.
Die Gemeinde Rieder hat zusammen mit den Orten Gernrode, Bad Suderode,
Friedrichsbrunn und Stecklenberg durch Vereinbarung vom 26. Mai 1994 die
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz gebildet. Bereits zu DDR-Zeiten gehörte die
Gemeinde Rieder dem Gemeindeverband Gernrode mit den Orten Gernrode, Bad Suderode,
Friedrichsbrunn und Stecklenberg an.
Am 29. März 2009 wurde in der Gemeinde Rieder eine Bürgeranhörung mit der
Fragestellung „Sind Sie dafür, dass sich die Gemeinde Rieder mit allen dazu bereiten
Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz in der freiwilligen Phase
der Gemeindegebietsreform zu einer Einheitsgemeinde zusammenschließt?“ durchgeführt.
Von insgesamt 830 gültigen Stimmen entfielen 747 und damit 90 % auf ja und 83 Stimmen
und damit 10% auf nein.
Festzustellen ist, dass damit ein klares Votum für die Bildung einer Einheitsgemeinde aus
den hierzu bereiten Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz
herbeigeführt wurde.
4.
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode /Harz
Die im nordöstlichen Teil des Landkreises Harz gelegene Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz wurde mit Vereinbarung vom 26. Mai 1994 aus den fünf Mitgliedsgemeinden
Stecklenberg, Friedrichsbrunn, Bad Suderode, Gernrode und Rieder nach dem Modell des
gemeinsamen Verwaltungsamtes mit Sitz in Gernrode gegründet. Der Sitz der
Verwaltungsgemeinschaft befindet sich im Grundzentrum Gernrode. Außenstellen sind nicht
eingerichtet. Zum maßgeblichen Stichtag 31. Dezember 2005 hatten die Mitgliedsgemeinden
der Verwaltungsgemeinschaft eine Einwohnerzahl von insgesamt 9 455 erreicht, die sich wie
folgt zusammensetzt:
Gernrode:
Rieder:
Bad Suderode
Friedrichsbrunn
Stecklenberg
3.931 Einwohner
1.962 Einwohner
1.850 Einwohner
1.050 Einwohner
662 Einwohner
79
Da die Stadt Gernrode aufgrund ihrer deutlich unterschiedlichen Einwohnerzahl im Verhältnis
zu den übrigen Mitgliedsgemeinden und der ihr zugewiesenen zentralörtlichen Funktion
eines Grundzentrums einen prägenden Ort im Sinne der Vorschrift darstellt, kommt innerhalb
der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz der in § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GemNeuglGrG
bestimmte Vorrang der Bildung einer Einheitsgemeinde zum Tragen.
In allen Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz wurden die Bürger
zur Frage der Neugliederung ihrer Gemeinde gemäß § 17 Abs. 1 GO LSA im Wege einer
Bürgeranhörung oder eines Bürgerentscheids beteiligt.
Die einzelnen Ergebnisse der Bürgerbeteiligungen stellen sich in den Mitgliedsgemeinden
wie folgt dar:
Gemeinde
Stecklenberg
Bürgeranhöru
Datum
ng (BA) /
Fragestellung BA / BE
Bürgerentsch
eid
(BE)
BA
31.08.2008 1. Sind Sie für den Beitritt zur sich
bildenden Einheitsgemeinde Thale?
BA/BE (Anzahl Ergebnis BE Beteiligu der Stimmen) Quorum erreicht
ng
Ja
Nein
195
89
94
170
63,75
426
154
71,29
234
419
63,75
964
62
50,84
1.594
87
50,7
747
83
Ja
Nein
49,91
Friedrichsbrunn
BE
BE
Bad Suderode
Gernrode
Rieder
BA
BA
BA
2. Sind Sie für den Beitritt zur sich
eventuell bildenden
Einheitsgemeinde Gernrode?
01.03.2009 Sind Sie damit einverstanden, dass
Friedrichsbrunn in die Stadt Thale
eingemeindet wird?
30.11.2008 Sind Sie, wenn das Begleitgesetz zur
Gemeindegebietsreform Bestand hat,
dafür, dass sich die Gemeinde
Friedrichsbrunn mit allen dazu
bereiten Mitgliedsgemeinden der
Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz, wie Gernrode,
Rieder, Bad Suderode und eventuell
Stecklenberg, in der freiwilligen
Phase der Gemeindegebietsreform
zu einer neuen Stadt
zusammenschließt?
29.03.2009 Sind Sie dafür, dass sich die
Gemeinde Bad Suderode mit allen
dazu bereiten Mitgliedsgemeinden
der Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz in der freiwilligen
Phase der Gemeindegebietsreform
zu einer Einheitsgemeinde
zusammenschließt?
29.03.2009 Sind Sie dafür, dass sich die Stadt
Gernrode mit allen dazu bereiten
Mitgliedsgemeinden der
Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz in der freiwilligen
Phase der Gemeindegebietsreform
zu einer Einheitsgemeinde
zusammenschließt?
29.03.2009 Sind Sie dafür, dass sich die
Gemeinde Rieder mit allen dazu
bereiten Mitgliedsgemeinden der
Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz in der freiwilligen
Phase der Gemeindegebietsreform
zu einer Einheitsgemeinde
zusammenschließt?
X
X
80
Im Rahmen der freiwilligen Phase der Gemeindegebietsreform konnte eine einvernehmliche
Neugliederung innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz nicht erreicht werden.
Die Stadt Gernrode sowie die Gemeinden Rieder und Bad Suderode, hatten von Beginn der
Gemeindegebietsreform an das Ziel eines Erhalts der bestehenden Struktur und insoweit
eine leitbildkonforme Neugliederung innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft verfolgt. Für
Gernrode, Bad Suderode und Rieder ist, wie die Kommunen mehrfach auch gegenüber der
unteren wie auch der obersten Kommunalaufsichtsbehörde dargelegt hatten, die Sicherung
ihrer Zusammengehörigkeit im Zuge der Gemeindegebietsreform, sei es in der freiwilligen
oder in der gesetzlichen Phase, von besonderer Priorität. Die drei Gemeinden würden ihrer
langjährigen Verbundenheit, die auch im bürgerschaftlichen Bereich bestehe, einen hohen
Stellenwert beimessen und hätten insoweit ihre bisherigen Neugliederungsüberlegungen
hierauf ausgerichtet. In ihrer Neugliederungsabsicht sehen sich die drei Gemeinden durch
die Voten im Rahmen der Bürgeranhörungen bestätigt, die eine deutliche Zustimmung der
Bürger für einen Zusammenschluss in der bestehenden Verwaltungsgemeinschaftsstruktur
zum Ergebnis hatten.
Eine Verwirklichung des Ziels der Bildung einer Einheitsgemeinde konnte allerdings weder
im Einvernehmen mit den Mitgliedsgemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg noch auf
der Grundlage von § 2 Abs. 4 GemNeuglGrG verwirklicht werden, da Gernrode, Bad
Suderode und Rieder die nach § 2 Abs. 4 GemNeuglGrG erforderlichen Mehrheiten allein
nicht erfüllen. Denn während von der Stadt Gernrode und den Gemeinden Rieder und
Gernrode allein eine Neugliederung innerhalb der bestehenden Verwaltungsstruktur in
Betracht gezogen wurde, hatten sich die Gemeinden Stecklenberg und Friedrichsbrunn
letztendlich für ein Ausscheiden aus dem verwaltungsgemeinschaftlichen Verbund mit
Gernrode, Bad Suderode und Rieder und für eine Eingemeindung in die benachbarte Stadt
Thale der Verwaltungsgemeinschaft Thale entschieden.
So hatte die Gemeinde Stecklenberg entsprechend dem Votum der am 31. August 2008
durchgeführten Bürgeranhörung Verhandlungen mit der Stadt Thale über einen
entsprechenden Gebietsänderungsvertrag aufgenommen. Den Beschluss über den
Gebietsänderungsvertrag zur Eingemeindung in die Stadt Thale fasste der Gemeinderat von
Stecklenberg am 18. Juni 2009.
Die Gemeinde Friedrichsbrunn hatte ihre Neugliederungsüberlegungen zunächst auf die
Bildung einer Einheitsgemeinde mit den Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz ausgerichtet. Ein Bürgerentscheid, der am 30. November 2008 zur Frage
eines Zusammenschlusses mit den Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz zur Bildung einer Einheitsgemeinde durchgeführt worden war, hatte indes
eine klare Absage der Bürger gegen dieses Vorhaben erteilt und war aufgrund dessen nicht
erfolgreich. Am 1. März 2009 waren die Bürger erneut im Wege eines Bürgerentscheids zur
Entscheidung aufgerufen. Der neuerliche Bürgerentscheid war auf die Frage einer
Eingemeindung der Gemeinde Friedrichsbrunn in die Stadt Thale ausgerichtet. Dieser
Bürgerentscheid war erfolgreich verlaufen. Mit einer deutlichen Mehrheit hatten sich die
Bürger
von
Friedrichsbrunn
für
ein
Ausscheiden
aus
der
derzeitigen
Verwaltungsgemeinschaftsstruktur mit dem Ziel einer Eingemeindung nach Thale
entschieden. Aufgrund der einem Gemeinderatsbeschluss zukommenden Wirkung des
erfolgreichen Bürgerentscheids hatte die Gemeinde Friedrichsbrunn in Vollzug dieser
bürgerschaftlichen Entscheidung Verhandlungen mit der Stadt Thale über einen
Gebietsänderungsvertrag aufgenommen und der Gemeinderat den entsprechenden Vertrag
zur Eingemeindung in die Stadt Thale abgeschlossen.
81
Ein Umdenken der Gemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg in Richtung einer
Neugliederung innerhalb der Verwaltungsgemeinschaftsstruktur zusammen mit Gernrode,
Bad Suderode und Rieder erfolgte nicht. Mehrere Vorkommnisse in der Gemeinde
Friedrichsbrunn hatten indes deutlich gemacht, dass den gemeindlichen Interessen,
insbesondere aber dem auch in den Bürgerentscheiden zum Ausdruck gekommene
Bürgerwillen einen besonderen Stellenwert bei der Frage der konkreten
Neugliederungsentscheidung beizumessen ist. So war durch mehrere Vorkommnisse in
Friedrichsbrunn erkennbar geworden, dass für die breite Bevölkerung der Gemeinde ein
Zusammenschluss mit den Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz
inakzeptabel ist. Mit mehrfachen Eingaben hatten die Einwohner von Friedrichsbrunn bei der
Kommunalaufsicht über die Vorgehensweise des Bürgermeisters, Widerspruch gegen den
Ratsbeschluss über den Gebietsänderungsvertrag mit Thale einzulegen und die Unterschrift
des Vertrages zu verweigern, ihr Unverständnis zum Ausdruck gebracht und um Hilfe bei der
Umsetzung des Ratsbeschlusses im Wege kommunalaufsichtlicher Mittel gebeten. Nach den
vorliegenden Erkenntnissen hatte sich gezeigt, dass die Kluft zwischen der Bevölkerung der
Gemeinde Friedrichsbrunn und dem Bürgermeister der Gemeinde im Laufe der Zeit mehr
und mehr vertieft haben musste. So demonstrierten Einwohner bei Gemeinderatssitzungen
gegen die Auffassung des Bürgermeisters wie auch der Verwaltungsgemeinschaft mit
Transparenten und lauten Rufen, so dass eine Gemeinderatssitzung abgebrochen werden
musste. Die gegensätzlichen Interessen zwischen Gemeinderat und Einwohnerschaft
einerseits und Bürgermeister andererseits über die Neugliederung der Gemeinde mündeten
im Juli 2009 in einem Beschluss des Gemeinderates, dem Bürgermeister die Führung der
Dienstgeschäfte zu untersagen und ein Disziplinar- wie auch ein Abwahlverfahren, welches
am 27. September 2009 stattfinden soll, einzuleiten.
Der zwischen der Gemeinde Stecklenberg und der Stadt Thale abgeschlossene
Gebietsänderungsvertrag wurde von den Bürgermeistern am 19. Juni 2009 bzw. am 26. Juni
2009 unterzeichnet. Unter dem 27. Juli 2009 unterzeichnete der stellvertretende
Bürgermeister der Gemeinde Friedrichsbrunn die Gebietsänderungsvereinbarung mit der
Stadt Thale. Die Gebietsänderungsverträge wurde von der Kommunalaufsichtsbehörde des
Landkreises Harz am 8. September 2009 genehmigt und einschließlich der Genehmigung im
Amtsblatt des Landkreises Harz am 28. September 2009 veröffentlicht. Unter dem
25. September 2009 ordnete der Landkreis Harz die sofortige Vollziehung der Genehmigung
der Gebietsänderungsverträge an.
Unter dem 24. September 2009 wandten sich die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad
Suderode und Rieder gegen die kommunalaufsichtliche Genehmigung der
Gebietsänderungsverträge zwischen den Gemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg mit
der Stadt Thale im Wege eines Widerspruchs und suchten mit Schriftsatz vom
28. September 2009 beim Verwaltungsgericht Magdeburg um einstweiligen Rechtsschutz
nach. Das Verwaltungsgericht Magdeburg lehnte mit Beschluss vom 12. November 2009 die
Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Stadt
Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder vom 24. September 2009 gegen
die kommunalaufsichtliche Genehmigung der Gebietsänderungsverträge ab. Den Antrag der
Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder, den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 12. November 2009 vorläufig bis zu einer
abschließenden Entscheidung in der Beschwerdeinstanz auszusetzen, hat das
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 18. November 2009
abgelehnt.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 wies das Oberverwaltungsgericht des Landes
Sachsen-Anhalt die Beschwerde der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und
Rieder gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 12. November 2009
zurück. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts unterliegt die Genehmigung der
82
Gebietsänderungsverträge und auch die Anordnung des Sofortvollzugs durch den Landkreis
Harz keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da die gesetzlichen Voraussetzungen
für die kommunalaufsichtliche Genehmigung vorliegen. So steht der Abschluss der
Gebietsänderungsverträge den gesetzlichen Zielen der Gemeindegebietsreform, wie sie in
§ 1 Abs. 1 GemNeuglGrG im Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 GemNeuglGrG normiert sind,
und damit Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne von § 16 Abs. 1 GO LSA nicht
entgegen. Wie das Oberwaltungsgericht Magdeburg in seiner Begründung ausführt, stünden
der von der Stadt Gernrode und den Gemeinden Bad Suderode und Rieder angestrebten
Bildung einer Einheitsgemeinde aus Gernrode, Bad Suderode, Rieder, Friedrichsbrunn und
Stecklenberg schon die in § 2 GemNeuglGrG normierten Grundsätze für die Neugliederung
der gemeindlichen Ebene im Land Sachsen-Anhalt entgegen, wonach Einheitsgemeinden
mindestens 10 000 Einwohner haben sollen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 GemNeuglGrG). Die
Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz erreichten zum
maßgeblichen Stichtag 31. Dezember 2005 aber nur eine Einwohnerzahl von insgesamt
9 455 und unterschritten daher auch die für Einheitsgemeinden ausnahmsweise
zugelassene Mindesteinwohnerzahl von 9 500. Nach Auffassung des Oberwaltungsgerichts
seien Umstände des Einzelfalles, die die Annahme rechtfertigten, dass die dauerhafte
Leistungsfähigkeit erreicht werde, auch wenn die nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GemNeuglGrG
maßgebliche Einwohnerzahl geringfügig unterschritten wird, nicht ersichtlich. So könnten
fiktive
Haushaltspläne
die
wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit
einer
künftigen
Einheitsgemeinde
„Gernrode/Harz“
nicht belegen. Hinzu
komme,
dass
ein
übereinstimmender Wille zur Bildung einer solchen Einheitsgemeinde (§ 2 Abs. 2
GemNeuglGrG) gerade nicht vorliege.
Als Folge des Beschlusses des Oberwaltungsgerichts Magdeburg vom 22. Dezember 2009
sind die Eingemeindungen der Gemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg in die Stadt
Thale vollziehbar. Die Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz besteht insoweit nur noch
aus der Stadt Gernrode und den Gemeinden Bad Suderode und Rieder mit einer
Einwohnerzahl von insgesamt 7 743 zum gesetzlich maßgeblichen Stand 31. Dezember
2005.
Die unter dem 26. Mai 2009 von der Stadt Gernrode und den Gemeinden Bad Suderode und
Rieder vereinbarte Bildung einer Einheitsgemeinde war mangels Erreichen der gesetzlichen
Neugliederungsgrundsätze
nicht
genehmigungsfähig.
Die
Genehmigung
der
Gebietsänderungsvereinbarung versagte der Landkreis Harz unter Hinweis auf die zu
geringe Einwohnerzahl eines solchen Zusammenschlusses.
5.
Stadt Quedlinburg
Quedlinburg ist eine Stadt an der Bode nördlich des Harzes. Sie liegt auf einer
durchschnittlichen Höhe von 123 m und die unmittelbar angrenzenden Höhen erreichen bis
zu 181 m. Die Stadt Quedlinburg hat 22 607 Einwohner zum gesetzlich maßgebenden Stand
vom 31. Dezember 2005 und eine Bevölkerungsdichte von 280 Einwohnern je km². Die
Gemarkung Quedlinburg hat eine Fläche von insgesamt 78,14 km².
Die Stadt Quedlinburg liegt im Osten des Landreises Harz, der im Zuge der zweiten
Kreisgebietsreform am 1. Juli 2007 aus den Landkreisen Halberstadt, Wernigerode und
Quedlinburg sowie der Stadt Falkenstein/Harz (Landkreis Aschersleben-Staßfurt) entstanden
ist.
Quedlinburg, 994 mit dem Stadtrecht versehen, war vom 10. bis zum 12. Jahrhundert Sitz
der zu Ostern besuchten Königspfalz weltlicher Herrscher und fast 900 Jahre lang eines erst
geistlichen,
nach
der
Reformation
freiweltlichen
Damenstiftes.
Quedlinburgs
architektonisches Erbe steht seit 1994 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes und
83
macht die Stadt zu einem der größten Flächendenkmale in Deutschland. In der historischen
Altstadt mit ihren kopfsteingepflasterten Straßen, verwinkelten Gassen und kleinen Plätzen
befinden sich 1200 Fachwerkhäuser aus sechs Jahrhunderten. Am Markt liegt das
Renaissance-Rathaus mit der Roland-Statue, südlich davon der Schlossberg mit der
romanischen Stiftskirche und dem Domschatz als Zeugnisse des Quedlinburger
Damenstiftes. Auch der Münzenberg mit der romanischen Klosterkirche St. Marien und im
Tal dazwischen die romanische St. Wiperti, der sich anschließende Abteigarten und der
Brühl-Park gehören zum Weltkulturerbe. Die historische Kernstadt gliedert sich in den
ehemaligen Königsbesitz mit dem Westendorf, dem Burgberg, der St.-Wiperti-Kirche sowie
dem Münzenberg. Nördlich davon liegt die 994 gegründete Altstadt und östlich die im
12. Jahrhundert gegründete Neustadt. Im dazwischenliegenden Bereich wurde im
13./14. Jahrhundert die Steinbrücke angelegt und die Word trockengelegt. Nördlich der
Altstadt befindet sich das mittelalterliche Vorstadtviertel Gröpern. Um diesen mittelalterlichen
Kern wurde am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert ein Gürtel aus Villen im Jugendstil
gebaut. Im Zuge der Industrialisierung entstanden außerhalb dieses Gürtels neue Ortsteile,
so die Kleysiedlung, das Neubaugebiet in der Süderstadt (19./20. Jahrhundert) und das auf
dem Kleers (1980er). Neben dieser Kernstadt besteht Quedlinburg noch aus den Ortsteilen
Münchenhof (vier Kilometer nördlich), Gersdorfer Burg (drei Kilometer südöstlich), Morgenrot
(vier Kilometer östlich) und Quarmbeck (vier Kilometer südlich).
Die Stadt Quedlinburg liegt am Knotenpunkt der Bundesstraßen 79 und 6 und der
neugebauten vierspurigen B 6n. Der nördliche Anschluss (Quedlinburg-Nord) zur B 6n über
der mittelalterlichen Siedlung Marsleben ist seit 2006 in Betrieb. Die Autobahn A 14 ist ca.
40 Kilometer in östlicher und die A 395 ca. 44 Kilometer in westlicher Richtung von der Stadt
entfernt. Die Autobahn A 2 ist ca. 50 Kilometer in nördlicher und die A 7 ca. 75 Kilometer in
westlicher Richtung von der Stadt entfernt.
Quedlinburg ist durch Busverkehr an den Öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen.
Der Busverkehr wird von der Q-Bus Nahverkehrsgesellschaft mbH Ballenstedt mit 102
Beschäftigten und 50 Bussen für den ehemaligen Landkreis Quedlinburg betrieben.
Die Bahnstation Quedlinburg hat seit 2006 eine herausragende Bedeutung als
Verkehrsknotenpunkt durch die neue Umstiegsmöglichkeit von der Bahnstrecke HalberstadtThale auf die Harzer Schmalspurbahnen – auf der neuen Strecke von Quedlinburg über
Gernrode in den Harz – gewonnen. Seit dem Juni 2006 gibt es einen planmäßigen
Zugbetrieb der Harzer Schmalspurbahnen bis Quedlinburg mit mindestens zwei
Dampfzugpaaren am Tag. Der Harz-Elbe-Express verkehrt stündlich im Nahverkehr von
Magdeburg über Halberstadt nach Thale. Freitags, samstags und sonntags fährt der private
Fernverkehrszug Harz-Berlin-Express von Berlin über Potsdam, Magdeburg, Halberstadt und
Quedlinburg nach Thale und zurück.
Im Regionalen Entwicklungsplan Harz ist Quedlinburg als Mittelzentrum festgelegt.
Quedlinburg ist damit für die Planungsregion Harz als Standort für gehobene Einrichtungen
im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Bereich und für weitere private
Dienstleistungen ausgewiesen. Quedlinburg ist wie die anderen Mittelzentren im Landkreis
Harz Verknüpfungspunkt der öffentlichen Nahverkehrsbedienung und soll die Verbindung
zum regionalen und überregionalen Verkehr sichern. Die Stadt Quedlinburg ist im
Regionalen Entwicklungsplan Harz als Vorrangstandort für Industrie und Gewerbe festgelegt.
Quedlinburg als UNESCO Weltkulturerbestadt mit Stiftsschloss und -kirche, Kloster und
Parkanlagen ist weiterhin Vorrangstandort für Kultur- und Denkmalpflege. Die Stadt ist ferner
Schwerpunkt für den Kulturtourismus in der Planungsregion Harz. Darüber hinaus ist
Quedlinburg für die Planungsregion Harz als regional bedeutsame Schnittstelle im
Öffentlichen Personennahverkehr mit seinen Schnittstellen zwischen Bahn/Bahn, Bahn/Bus,
Bus/Bus festgelegt.
84
Durch die Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen ist Quedlinburg im
Regionalen Entwicklungsplan Harz als Vorrangstandort für Forschung und Bildung
festgelegt. Mit seinem Wasserwerk ist Quedlinburg Vorranggebiet für Wassergewinnung und
bei Quedlinburg sind die Quarzsandlagerstätte Quedlinburg/Lehof und die Tonlagerstätte als
Vorranggebiete für Rohstoffgewinnung festgelegt. Ebenso ist zwischen Quedlinburg und
Halberstadt ein Vorbehaltsgebiet für den Aufbau eines ökologischen Verbundsystems
festgelegt. Diese sollen die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes aufgrund
ihres eigenen Wertes und als natürliche Lebensgrundlage des Menschen auch in
Verantwortung für künftige Generationen sowie die Gestaltung und Entwicklung der
Kulturlandschaft im Zusammenwirken mit anderen raum- und entwicklungsgestaltenden
Planungsträgern gewährleisten.
Im Schulentwicklungsplan 2009/10 bis 2013//14 sind für die Stadt Quedlinburg fünf
Grundschulen, zwei Sekundarschulen, ein Gymnasium eine Berufsschule, eine Förderschule
für Geistigbehinderte und eine Förderschule für Lernbehinderte ausgewiesen.
Die in Quedlinburg befindliche Musikschule Johann Heinrich Rolle, Außenstelle der
Kreismusikschule Harz, ist 1952 aus dem seit 1945 bestehenden Landeskonservatorium
hervorgegangen. Die musikalische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen ist ihr
Hauptziel. Dafür werden in Quedlinburg und an den betreuten Außenstellen Thale,
Ballenstedt und Harzgerode ungefähr 560 Schüler in 30 Fächern instrumental und vokal
unterrichtet.
Weiterführende Bildung ermöglichen die Berufsbildende Schule, die Volkshochschule, die
Landesfachschule für Gartenbau, das Deutsche Fachwerkzentrum und eine Reihe von
Bildungswerken, wie das Regionale Kompetenzzentrum Harz des Europäischen
Bildungswerkes für Beruf und Gesellschaft e. V., das Bildungszentrum für das Hotel- und
Gaststättengewerbe Ostharz GmbH, das Bildungswerk der Wirtschaft Sachsen-Anhalt e. V.
und die Kreishandwerkerschaft Harzland-Staßfurt. In Quedlinburg befindet sich die
Landesfachschule für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Fachbereich Gartenbau des
Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt, die ein- und zweijährige Fachschulausbildungen
in den Bereichen Garten- und Landschaftsbau sowie Hauswirtschaft anbietet. Das Deutsche
Fachwerkzentrum Quedlinburg wurde 2002 als Trägerverein der Deutschen Stiftung
Denkmalschutz, des Landes Sachsen-Anhalt und der Stadt Quedlinburg unter Mithilfe der
Deutschen Bundesstiftung Umwelt gegründet. Das Zentrum betreut ökologische
Sanierungen und Bauforschungen und ermöglicht Jugendlichen ein Freiwilliges Jahr der
Denkmalpflege.
6.
Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt
Die Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt entstand durch Eingemeindung der Gemeinde
Radisleben zum 1. Januar 2010. Ballenstedt und Radisleben sind nach dem Ausscheiden
der Gemeinden Ditfurt, Hausneindorf, Hedersleben, Heteborn und Wedderstedt die einzigen
verbleibenden Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Ballenstedt-Bode-SelkeAue. Für die Verwaltungsgemeinschaft Ballenstedt-Bode-Selke-Aue lag unter
Berücksichtigung
der
besonderen
Gesichtspunkte
im
Sinne
des
§ 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG eine Sondersituation vor, die abweichend von dem
Grundsatz nach § 2 Abs. 2, 6 GemNeuglGrG, wonach gesetzeskonforme
Gemeindestrukturen durch einen Zusammenschluss von Mitgliedsgemeinden derselben
Verwaltungsgemeinschaft gebildet werden sollen, eine Neugliederung über die Grenzen der
Verwaltungsgemeinschaft hinweg rechtfertigt. So rechtfertigen raumordnerische
Gesichtspunkte, insbesondere aber örtliche Belange und historische wie strukturelle
Zusammenhänge eine anderweitige Orientierung der Gemeinden Ditfurt, Hausneindorf,
Hedersleben, Heteborn und Wedderstedt der früheren Verwaltungsgemeinschaft BodeSelke-Aue. Vor diesem Hintergrund haben sich die ausscheidenden Gemeinden
85
leitbildkonform mit den Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Bode-Holtemme zum
1. Januar 2010 zur Verbandsgemeinde Vorharz zusammengeschlossen.
Die in der Verwaltungsgemeinschaft Ballenstedt-Bode-Selke-Aue verbleibende Stadt
Ballenstedt hat mit der Gemeinde Radisleben am 15. Juni 2009 einen
Gebietsänderungsvertrag zur Eingemeindung der Gemeinde Radisleben in die Stadt
Ballenstedt zum 1. Januar 2010 unterzeichnet und ihn zur kommunalaufsichtlichen
Genehmigung vorgelegt. Die kommunalaufsichtliche Genehmigung wurde am 22. Juli 2009
erteilt und zusammen mit dem Gebietsänderungsvertrag am 22. August 2009 im Amtsblatt
des Landkreises Harz veröffentlicht. Infolge der Eingemeindung von Radisleben nach
Ballenstedt und des damit verbundenen Ausscheidens von Radisleben gemäß
§ 84 Abs. 5 Satz 1 GO LSA ist die bis zur Eingemeindung aus zwei Mitgliedsgemeinden
bestehende Verwaltungsgemeinschaft aufgelöst. Die insoweit gebildete Einheitsgemeinde
Stadt Ballenstedt weist bei ihrer Entstehung mit Gebietsstand zum 1. Januar 2010 und nach
dem gesetzlich maßgebenden Stand vom 31. Dezember 2005 8 361 Einwohner auf. Somit
erreicht die Einheitsgemeinde die Soll-Mindesteinwohnerzahl von 10 000 Einwohnern nach
§ 2 Abs. 3 Satz 1 GemNeuglGrG zwar nicht. Aufgrund der besonderen geographische Lage
von Ballenstedt mit der unmittelbare Angrenzung an die Landkreisgrenze zum Salzlandkreis
und
an
die
Bestandsschutz
genießende
Stadt
Falkenstein
/Harz
sieht
§ 2 Abs. 3 Satz 2 GemNeuglGrG eine Ausnahme vor, wonach die Einheitsgemeinde in
diesen Fällen mindestens 8 000 Einwohnern aufweisen soll. Dies ist vorliegend erfüllt.
II.
Zuordnung
Die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder werden in die
Einheitsgemeinde Stadt Quedlinburg eingemeindet. Die eingemeindete Stadt und die
eingemeindeten Gemeinden werden aufgelöst.
III.
Anhörungen der betroffenen Gemeinden
Stellungnahmen der weiteren Beteiligten
und
der
Einwohner
sowie
Der zur Anhörung freigegebene Entwurf eines Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden
im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Harz sah vor, die Stadt Gernrode und die
Gemeinden Bad Suderode und Rieder in die sich aus der Stadt Ballenstedt und der
Gemeinde Radisleben gebildete Stadt Ballenstedt einzugemeinden. Hiervon wurde aufgrund
der nachfolgend dargestellten Ergebnisse des Anhörungsverfahrens im Rahmen der
Abwägung Abstand genommen. Nunmehr werden die Stadt Gernrode und die Gemeinden
Bad Suderode und Rieder mit Inkrafttreten dieses Gesetzes in die Einheitsgemeinde Stadt
Quedlinburg eingemeindet.
1.
Auffassung der aufzulösenden Gemeinden
Die aufzulösende Stadt Gernrode sowie die aufzulösenden Gemeinden Bad Suderode und
Rieder sind jeweils mit Schreiben des Ministeriums des Innern vom 4. September 2009 zu
dem Gesetzentwurf angehört worden. Die Stadt Gernrode sowie die Gemeinden Bad
Suderode und Rieder wurden sowohl zu der nach dem Referentenentwurf beabsichtigten
Eingemeindung in die Stadt Ballenstedt als auch zur alternativ möglichen Eingemeindung in
die Stadt Quedlinburg angehört. Ausweislich der Empfangsbestätigungen hat die Stadt
Gernrode den Referentenentwurf nebst Begründung am 18. September 2009, die Gemeinde
Bad Suderode am 24. September 2009 und die Gemeinde Rieder am 17. September 2009
erhalten. Den Gemeinden wurde eine Frist zur Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2009
eingeräumt.
86
Die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder haben jeweils mit
Schreiben vom 27. Oktober 2009 zu dem nach dem Referentenentwurf vorgesehenen
Neugliederungsvorhaben gleichlautend Stellung genommen. In ihren Stellungnahmen teilten
die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder im Wortlaut
übereinstimmend mit, dass sie eine Eingemeindung nach Ballenstedt wie auch eine
Eingemeindung nach Quedlinburg ablehnten. Nach intensiven Diskussionen in den
kommunalen Vertretungen sei festgestellt worden, dass solche Eingemeindungen für die
Gemeinde nachteilig wären. Die Stadt Gernrode sowie die Gemeinden Bad Suderode und
Rieder haben in ihren Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht, dass alle drei Kommunen in
enger Abstimmung miteinander weiterhin auf die Bildung einer Einheitsgemeindung in der
Struktur der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz bestünden, so wie es im
Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz grundsätzlich favorisiert werde. Vor dem
Hintergrund der besonderen Problematik bei der Umsetzung der Gemeindegebietsreform im
Bereich der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz sprachen die Stadt Gernrode sowie die
Gemeinden Bad Suderode und Rieder die Bitte aus, eine Ausnahmegenehmigung zur Bildung
einer Einheitsgemeinde aus Gernrode, Bad Suderode und Rieder für den Falle zu erteilen,
dass das Land am Ausscheiden der Mitgliedsgemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg
aus der bestehenden Struktur festhalte.
Mit jeweiligem Schreiben vom 1. Dezember 2009 haben die Stadt Gernrode sowie die
Gemeinden Bad Suderode und Rieder ergänzend zum Referentenentwurf eines
Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis Harz gleichlautende Stellungnahmen
abgegeben. Gernrode, Bad Suderode und Rieder führten darin aus, dass in ihren Gemeinden
am 29. November 2009 Bürgeranhörungen und eine Bürgerbefragung zur
Gemeindegebietsreform stattgefunden hatten. Dabei hätten sich in Gernrode nur 6,49 %, in
Bad Suderode nur 2,87 % und in Rieder nur 17,8 % der Wähler für die im Gesetzentwurf
favorisierte Eingemeindung nach Ballenstedt ausgesprochen, 91,29 %, 94,98 % bzw. 80,7 %
dagegen. Deutlich sei auch die Ablehnung der Bürgerinnen und Bürger gegen eine
Eingemeindung nach Quedlinburg. So hätten sich in Gernrode nur 18,64 %, in Bad Suderode
nur 36,04 % und in Rieder nur 5,9 % der Wähler hierfür ausgesprochen, während eine
deutliche Mehrheit von 80,46 % in Gernrode, 63,01 % in Bad Suderode und 92,4 % in Rieder
die Eingemeindung nach Quedlinburg ablehnten.
In der Bürgerbefragung hätten sich die Wähler mit 92,3 % in Gernrode, mit 85,55 % in Bad
Suderode und in Rieder mit 91,9 % für die Bildung einer Einheitsgemeinde aus Gernrode, Bad
Suderode und Rieder ausgesprochen, nur 7,7 % (Gernrode), 12,92 % (Bad Suderode) und
nur 7,8 % (Rieder) dagegen.
Wie in den Stellungnahmen weiter ausgeführt wird, sei das erneute klare Votum der
Bürgerinnen und Bürger in Gernrode, Bad Suderode und Rieder am 29. November 2009 für
die jeweiligen Bürgermeister und Gemeinderäte ein ganz klarer Auftrag, weiter mit allen
Mitteln für die Bildung der Einheitsgemeinde Gernrode/Harz zu kämpfen. Die Stadt Gernrode
sowie die Gemeinden Bad Suderode und Rieder bitten daher, die Bildung der
Einheitsgemeinde Gernrode/Harz zuzulassen und damit dem klaren Bürgerwillen zu
entsprechen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Stadt Gernrode sowie die
Gemeinden Bad Suderode und Rieder nicht – wie andere Kommunen im Land – grundsätzlich
gegen die Gemeindegebietsreform stellten, sondern zur Bildung einer neuen
Einheitsgemeinde bereit seien. Gernrode, Bad Suderode und Rieder würden jedoch die
Berücksichtigung der besonderen Situation vor Ort erwarten und dass der Bürgerwille in ihrer
Stadt bzw. ihren Gemeinden genauso berücksichtigt werde wie der in Friedrichsbrunn und
Stecklenberg.
87
2.
Bürgeranhörungen in den aufzulösenden Gemeinden
Das Ministerium des Innern hat mit Erlass vom 4. September 2009 die
Kommunalaufsichtsbehörde im Landkreis Harz aufgefordert, für die Durchführung der nach
Art. 90 S. 2 Verf LSA i.V.m. § 17 Abs. 2 GO LSA erforderlichen Bürgeranhörungen in der
Stadt Gernrode und in den Gemeinden Bad Suderode und Rieder Sorge zu tragen. Die
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz als die für Aufgaben des übertragenen
Wirkungskreises zuständige Behörde war gebeten worden, die Anhörungen der Bürgerinnen
und Bürger durchzuführen. Dabei hat das Ministerium des Innern die Anhörungsfragen im
Erlasswege vorgegeben (vgl. nachfolgende Übersicht). Die Kommunalaufsichtsbehörde des
Landkreises hat auf Bitte des Ministeriums des Innern den Termin für die Bürgeranhörungen
gegenüber der Verwaltungsgemeinschaft festgesetzt.
Mit der Bekanntmachung der Bürgeranhörungen ist gleichzeitig der Gesetzestext des
Referentenentwurfs bekannt gemacht worden, die Bekanntmachung enthielt den Hinweis,
dass der gesamte Referentenentwurf einschließlich der Begründung während der
allgemeinen Öffnungszeiten der Verwaltungsgemeinschaft zur Einsichtnahme für die
Bürgerinnen und Bürger bereit liegt.
Die Bürgeranhörungen in den aufzulösenden Gemeinden haben am 29. November 2009
stattgefunden, die Bürgerinnen und Bürger haben wie folgt votiert:
Ergebnisse der Bürgeranhörung am 29. November 2009
Gemeinde
Gernrode
Fragestellung BA
Sind Sie dafür, dass die Stadt Gernrode in die
künftige Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt
eingemeindet wird?
Sind Sie dafür, dass die Stadt Gernrode in die
Stadt Quedlinburg eingemeindet wird?
Bad
Suderode
Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Bad Suderode
in die künftige Einheitsgemeinde Stadt
Ballenstedt eingemeindet wird?
Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Bad Suderode
in die Stadt Quedlinburg eingemeindet wird?
Rieder
Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Rieder in die
künftige Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt
eingemeindet wird?
Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Rieder in die
Stadt Quedlinburg eingemeindet wird?
3.
Beteiligung
in %
Ergebnis BA
(Anzahl der
Stimmen)
Ja
Nein
37,3
79
1.111
37,3
227
980
51,86
24
795
51,92
302
528
25,36
73
331
25,29
24
378
Stellungnahme der Stadt Ballenstedt
Die zum 1. Januar 2010 die Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt bildenden Kommunen, die
Stadt Ballenstedt und die Gemeinde Radisleben, sind zu der im Referentenentwurf
beabsichtigten Eingemeindung der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und
Rieder mit Schreiben des Ministeriums des Innern vom 4. September 2009 angehört worden.
Der Referentenentwurf nebst Begründung ist den Kommunen nachweislich der
Empfangsbestätigungen am 10. September 2009 zugegangen. Ihnen wurde eine Frist zur
Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2009 eingeräumt.
88
Die Gemeinde Radisleben hat sich innerhalb der Anhörungsfrist nicht geäußert. Die Stadt
Ballenstedt hat mit Schreiben vom 20. November 2009 folgendes Votum abgegeben:
Für die Verwaltungsgemeinschaft Ballenstedt-Bode-Selke-Aue sei unter Berücksichtigung
der besonderen Gesichtspunkte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG eine
Sondersituation anerkannt worden, die abweichend von dem Grundsatz nach
§ 2 Abs. 2, 6 GemNeuglGrG
eine
Neugliederung
über
die
Grenzen
der
Verwaltungsgemeinschaft hinweg gerechtfertigt habe. Die Einheitsgemeinde Stadt
Ballenstedt, gebildet aus den verbliebenen Mitgliedsgemeinden Stadt Ballenstedt und
Radisleben, weist zum Zeitpunkt ihrer wirksamen Bildung am 1. Januar 2010 eine
Einwohnerzahl von 8 361 nach dem gesetzlich maßgebenden Stand 31. Dezember 2005
auf. Damit verfügt die Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt nicht über die
Regelmindesteinwohnerzahl von 10 000.
In ihrer Stellungnahme führt die Stadt Ballenstedt aus, dass, perspektivisch gesehen,
zukunftsfähige sowie leistungsfähige Einheitsgemeinden das Ziel sein sollen. Die Stadt
Ballenstedt sehe unter Berücksichtigung vieler Belange, wie historische, örtliche und
siedlungsstrukturelle Verbundenheit, als ihren natürlichen Partner die Stadt Falkenstein an,
welche jedoch derzeit Bestandschutz genieße und damit momentan als Partner ausscheide.
Zu der Stadt Gernrode und den Gemeinden Bad Suderode und Rieder würden seitens der
Stadt Ballenstedt lediglich zu Rieder eine historische, örtliche und strukturelle Verbundenheit
bestehen. Die historische Verbundenheit der Gemeinde Rieder habe sich in den
vergangenen Jahrhunderten stets Richtung Osten, also Richtung Ballenstedt gerichtet. Erst
1952 mit Auflösung des Landkreises Ballenstedt habe die Gemeinde Rieder den damaligen
Landkreis Ballenstedt, dem sie seit 1863 angehörte, verlassen. Eine entsprechende
Verbindung zu der Gemeinde Bad Suderode bestehe nicht.
Auch unter Berücksichtigung, dass das Grundzentrum Ballenstedt von einem gestärkten
Mittelzentrum Quedlinburg langfristig profitieren würde, plädiert die Stadt Ballenstedt für eine
Zuordnung der Gemeinde Rieder zur Stadt Ballenstedt und für eine Zuordnung der Stadt
Gernrode und der Gemeinde Bad Suderode nach Quedlinburg. Dieser Vorschlag werde von
den Stadträten der Städte Quedlinburg und Ballenstedt getragen. An einer solchen
Zuordnung hält die Stadt Ballenstedt auch weiterhin fest, zumal mit einer Zuordnung der
Gemeinde Rieder zur Einheitsgemeinde Ballenstedt die leitbildgerechte Einwohnerzahl von
über 10 000 erreicht wäre. Auch würde eine entsprechende Zuordnung gerade unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten äußerst sinnvoll sein. Ebenso sei unter kulturellen
Gesichtspunkten eine solche Zuordnung im Hinblick einer einheitlichen Vermarktung und
Planung hilfreich. Hier sei auf die gemeinsamen Projekte von Ballenstedt mit dem
Schlosspark und Rieder mit der Roseburg (beide vereint im landesweiten Verein
Gartenträume) zu verweisen.
Als Alternative hierzu käme in Betracht, der Stadt Ballenstedt aufgrund ihrer besonderen
geographischen Lage und der den Ausnahmetatbestand erfüllenden Einwohnerzahl von
8 361 eine Ausnahme zu erteilen. Die besondere geographische Lage ergäbe sich zum
einen durch eine unmittelbare Angrenzung an die Landkreisgrenze zum östlich gelegenen
Salzlandkreis und an die bekanntermaßen Bestandschutz genießende Stadt Falkenstein.
Gerade für solche speziellen Fälle sehe § 2 Abs. 3 Satz 2 GemNeuglGrG eine
Ausnahmeregelung vor. Hinzu komme, dass bereits zugunsten der Gemeinden der
ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Bode-Selke-Aue eine Ausnahme vom Grundsatz nach
§ 2 Abs. 2, 6 GemNeuglGrG erteilt worden sei.
Vor diesem Hintergrund spricht sich die Stadt Ballenstedt für eine Zuordnung der Gemeinde
Rieder zur Stadt Ballenstedt aus oder alternativ hierzu, Ballenstedt aufgrund der besonderen
eine
Ausnahme
rechtfertigenden
Situation
eine
Ausnahme
nach
§ 2 Abs. 3 Satz 2 GemNeuglGrG zu erteilen.
89
4.
Stellungnahme der Stadt Quedlinburg
Zu dem nach dem Referentenentwurf beabsichtigten Neugliederungsvorhaben bezüglich der
Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder ist die Stadt Quedlinburg mit
Schreiben des Ministeriums des Innern vom 4. September 2009 angehört worden.
Ausweislich der Empfangsbestätigung hat die Stadt Quedlinburg den Referentenentwurf
nebst Begründung am 11. September 2009 erhalten. Der Stadt wurde eine Frist zur
Stellungnahme bis zum 1. Dezember 2009 eingeräumt.
Unter dem 6. November 2009 hat die Stadt Quedlinburg gegen die nach dem
Referentenentwurf vorgesehene Eingemeindung der Stadt Gernrode und der Gemeinden
Bad Suderode und Rieder in die Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt grundsätzliche
Bedenken geltend gemacht und dieses Neugliederungsvorhaben im Ergebnis abgelehnt. Die
Stadt Quedlinburg sprach sich in ihrer Stellungnahme stattdessen dafür aus, die Stadt
Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder in die Stadt Quedlinburg
einzugliedern.
Wie die Stadt Quedlinburg in ihrer Stellungnahme ausführt, könne ein Mittelzentrum
Quedlinburg seine zentralen Funktionen in der umliegenden Region nur zukunftsfähig
wahrnehmen, wenn eine nachhaltige Erweiterung des Gebietes und eine wesentliche
Erhöhung der Einwohnerzahl erfolgten. Nach den freiwillig vereinbarten Gebietsänderungen
und den nach dem Referentenentwurf vorgesehenen gesetzlichen Zuordnungen würde das
Mittelzentrum Quedlinburg von drei flächenmäßig deutlich größeren Gebietskörperschaften
umschlossen, einer Verbandsgemeinde und zwei Einheitsgemeinden (die Grundzentren
Thale und Ballenstedt), deren jeweilige Einwohnerzahl nur unwesentlich unter der des
Mittelzentrums liegen würde, wobei dieser Aussage die Annahme zugrunde läge, dass
perspektivisch die derzeit unter Bestandschutz stehende Einheitsgemeinde Falkenstein
notwendig mit Ballenstedt verschmolzen wird. Damit würde dem durch die demografische
Veränderung im Land Sachsen-Anhalt berechtigter Weise erhobenen Anspruch einer
Stärkung von Zentren (vgl. § 1 Abs. 2 GemNeuglGrG) aus Sicht der Stadt Quedlinburg nicht
ausreichend entsprochen.
Die Stadt Quedlinburg verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass die im
Referentenentwurf angeführten bestehenden Verflechtungsbeziehungen der drei Kommunen
zur Stadt Ballenstedt für die Stadt Quedlinburg gleichermaßen gelten würden. Dies träfe
sowohl auf die auch zur Stadt Quedlinburg bestehende wirtschaftliche und
siedlungsstrukturelle Verbundenheit zu. Insbesondere sei hier die Verflechtung der Stadt
Gernrode und der Gemeinde Bad Suderode zur Stadt Quedlinburg erkennbar. Gerade im
Bereich einer effizienteren gemeinsamen strategischen Marketing-Strategie der
Kureinrichtung der Gemeinde Suderode durch die städtische Eigengesellschaft QuedlinburgTourismus-Marketing GmbH bestünden erhebliche Entwicklungspotenziale. Zudem verweist
die Stadt Quedlinburg auf die Möglichkeiten einer einheitlichen Planung, Entwicklung und
Vermarktung der Erweiterung der unmittelbar angrenzenden gewerblich genutzten Flächen
im Bereich der Stadt Gernrode und der Stadt Quedlinburg.
Als Alternative zu der nach dem Referentenentwurf beabsichtigten Neugliederung könnte
eine gesetzliche Zuordnung der Gemeinde Rieder zur Stadt Ballenstedt und eine
Eingemeindung der Stadt Gernrode und der Gemeinde Bad Suderode in die Stadt
Quedlinburg in Erwägung gezogen werden. Diese Zuordnungsvariante habe die Stadt
Quedlinburg bereits in der Vergangenheit mit der Stadt Ballenstedt übereinstimmend erörtert.
Mit einer gesetzlichen Zuordnung der Gemeinde Rieder zur Stadt Ballenstedt würde sowohl
der wirtschaftlichen und strukturellen Verbundenheit der Gemeinde Rieder mit Ballenstedt
als auch der hinreichenden Stärkung der Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt Rechnung
getragen. Eine Eingemeindung der Stadt Gernrode und der Gemeinde Bad Suderode in die
Stadt Quedlinburg schaffe ein zukunftsfähiges, auf Dauer ausgerichtetes Mittelzentrum in der
Region und sei demzufolge unter strukturpolitischen Gesichtspunkten anzustreben. Zudem
90
würden die vielfältigen touristischen Gemeinsamkeiten sowohl der Gernrode als auch der
Gemeinde Bad Suderode in der Weltkulturerbestadt Quedlinburg bezogen auf die nationale
und internationale Bedeutung nachhaltig unterstützt.
5.
Stellungnahme des Landkreises Harz
Hinsichtlich der gesetzlichen Zuordnung der Gemeinden Bad Suderode und Rieder sowie der
Stadt Gernrode hat der Landkreis Harz im Rahmen der Anhörung zu dem Referentenentwurf
eines Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis Harz mit Schreiben vom
2. November 2009 folgendes Votum abgegeben:
Der nach dem Referentenentwurf vorgesehenen Eingemeindung von Gernrode, Bad
Suderode und Rieder in die Stadt Ballenstedt wird wegen der örtlichen Zusammenhänge,
insbesondere der wirtschaftlichen und naturräumlichen Verhältnisse sowie auch der
historischen und landsmannschaftlichen Verbundenheiten zugestimmt. Zu dem
Alternativvorschlag, die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder in die
Stadt Quedlinburg einzugemeinden, führt der Landkreis aus, dass dies auf der einen Seite
das Mittelzentrum Quedlinburg stärken, auf der anderen Seite zwei Verwaltungseinheiten
(Stadt Ballenstedt mit Radisleben und Stadt Falkenstein (Harz)) nebeneinander bestehen
würden, die die gesetzliche Regeleinwohnergröße nicht erreichen. Abschließend betont der
Landkreis, dass aufgrund der engen Verflechtungen der Gemeinden untereinander und
angesichts der Ergebnisse der Bürgeranhörungen, nach denen sich 3 305 von 3 537
Wählerinnen und Wähler für die Bildung einer Einheitsgemeinde mit allen dazu bereiten
Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz ausgesprochen hatten, aus
Sicht des Landkreises eine gemeinsame Lösung mit Gernrode, Bad Suderode und Rieder für
erforderlich gehalten wird.
6.
Stellungnahme der Regionalen Planungsgemeinschaft Harz
Die Regionale Planungsgemeinschaft Harz hat in ihrer Stellungnahme vom 21. Oktober 2009
zum Referentenentwurf über ein Neugliederungsgesetz betreffend den Landkreis Harz
folgendes Votum abgegeben:
Gemäß der Kriterien des derzeit geltenden Landesentwicklungsplanes für eine
Grundzentreneinstufung (mindestens 3 000 Einwohner im Grundzentrum und insgesamt
mindestens
10 000
Einwohner
im
Verflechtungsbereich)
sei
die
bisherige
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode mehr oder weniger deckungsgleich mit dem
grundzentralen Verflechtungsbereich von Gernrode. Durch die Herauslösung von
Stecklenberg und Friedrichsbrunn aus der Verwaltungsgemeinschaft sei dieses nun nicht
mehr gewährleistet. Gleichzeitig sei damit auch die Umwandlung der (übrig gebliebenen)
Verwaltungsgemeinschaft in eine leitbildgerechte Einheitsgemeinde nicht mehr möglich.
Wie die Regionale Planungsgemeinschaft weiter ausführte, sei das Zusammenlassen von
Gernrode, Bad Suderode und Rieder durch eine einheitliche Zuordnung wegen der engen
Verflechtungen der Gemeinden untereinander prinzipiell aus regionalplanerischer Sicht zu
begrüßen. Durch deren Eingemeindung in die Stadt Ballenstedt würden jedoch zwei
Grundzentren verwaltungstechnisch zusammengelegt, was für die künftige Neuordnung der
Grundzentren von Bedeutung sein könnte. Das gleiche würde jedoch auch für eine
alternative Zuordnung in die Stadt Quedlinburg gelten.
Mit der vorgesehenen Zuordnung nach Ballenstedt wäre unter Berücksichtigung der im
Entwurf des Landesentwicklungsplanes für das Land Sachsen-Anhalt enthaltenden Kriterien
für die künftigen Grundzentren (mindestens 3 000 Einwohner im zentralen Ort, zuzüglich
mindestens 9 000 Einwohner im weiteren Verflechtungsbereich) ein auch langfristig
91
ausreichend tragfähiger Verflechtungsbereich für ein Grundzentrum im Bereich der künftigen
Stadt Ballenstedt gegeben. Die sehr ähnliche Freiraum- und Siedlungsstruktur im Bereich
Gernrode – Bad Suderode – Rieder einerseits und Ballenstedt andererseits (z.B. gleiche
Lage unmittelbar im Übergangsbereich vom Harz in das Nördliche Harzvorland) spreche aus
Sicht der Regionalen Planungsgemeinschaft für die nach dem Referentenentwurf
vorgesehene Eingemeindung.
IV.
Abwägung
Die Eingemeindung der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder in die
Stadt
Quedlinburg
entspricht
der
Ankündigung
des
Gesetzgebers
in
§ 2 Abs. 9 GemNeuglGrG, dass nach dem 30. Juni 2009 Gemeinden per Gesetz zu
Einheitsgemeinden zusammengeschlossen werden. Die Eingemeindung ist nach den
gemeinwohlorientierten
Zielen
der
Gemeindegebietsreform
geboten.
Nach
§ 1 Abs. 1 GemNeuglGrG sollen auf der gemeindlichen Ebene zukunftsfähige gemeindliche
Strukturen geschaffen werden, die ihre und die ihnen übertragenen Aufgaben sachgerecht,
effizient und in hoher Qualität erfüllen und die wirtschaftliche Nutzung der erforderlichen
kommunalen Einrichtungen sichern.
Die Bildung einer Einheitsgemeinde soll nach § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG grundsätzlich
innerhalb der Grenzen der Verwaltungsgemeinschaften stattfinden, da zum einen die
Aufgaben die eigenen als auch des übertragenen Wirkungskreises aller in einer
Verwaltungsgemeinschaft zusammengeschlossenen Gemeinden in einem gemeinsamen
Verwaltungsamt bzw. in der Trägergemeinde erledigt werden. Dadurch sind gewachsene
Verwaltungsstrukturen und funktionale Verflechtungen vorhanden, auf denen die neue
Gemeindestruktur aufbauen und welche sie fortsetzen kann. Zum anderen haben sich die
Einwohner der einzelnen Gemeinden seit der Einführung der Verwaltungsgemeinschaften
und der Konzentration der Erledigung vieler Verwaltungsaufgaben in einem einheitlichen
Verwaltungsamt aneinander gewöhnt.
Vom Ziel der Bildung von Einheitsgemeinden innerhalb der Grenzen einer
Verwaltungsgemeinschaft kann dann abgewichen werden, wenn besondere Gründe wie
Gesichtspunkte der Raumordnung und Landesplanung sowie die örtliche Zusammenhänge,
insbesondere die wirtschaftlichen und naturräumlichen Verhältnisse wie auch historische und
landsmannschaftliche Verbundenheiten vorliegen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GemNeuglGrG).
Insoweit eröffnet das Gesetz den Gemeinden einen gewissen Spielraum bei der
Neustrukturierung, den sie im Rahmen ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts auch
nutzen können, etwa um dem Bürgerwillen, aus einer Verwaltungsgemeinschaft
auszuscheiden und sich mit Gemeinden einer benachbarten Verwaltungsgemeinschaft
zusammenzuschließen, Rechnung zu tragen.
Im Falle der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder war in die
Entscheidung über die Art und Weise der Neugliederung einzustellen, ob nach den
Zielvorgaben des Leitbildes des Reformgesetzgebers ein Zusammenschluss innerhalb der
bestehenden Verwaltungsgemeinschaftsstruktur erfolgen könnte oder ob eine Zuordnung in
eine benachbarte Einheitsgemeinde geboten ist. Wie im allgemeinen Teil der Begründung
bereits dargestellt, orientiert sich die gesetzgeberische Abwägung an der Notwendigkeit und
den Zielen der Gebietsreform, wie sie sich aus § 1 Abs. 1 GemNeuglGrG ergeben.
Ausdrücklich als Ziele formuliert sind die Schaffung effektiver zukunftsfähiger
Gemeindestrukturen und die Bewahrung des bürgerschaftlichen Engagements. Die weiteren
Vorgaben, wie die Ziele der Reform umzusetzen sind, enthält das Leitbild u.a. mit seinen
Parametern für die Größe der künftigen Einheitsgemeinden. Insoweit wird auch auf die zum
Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz
ergangenen
Entscheidungen
des
Landesverfassungsgerichts vom 21. April 2009 (a.a.O.) bzw. auf den Beschluss vom
15. September 2009 (a.a.O.) verwiesen.
92
Wie oben dargstellt, konnte die Bildung einer Einheitsgemeinde innerhalb der
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz, wie sie von der Stadt Gernrode und den
Gemeinden Bad Suderode und Rieder vom Beginn der Reform favorisiert und auch im
Rahmen der Anhörung zum Referentenentwurf geltend gemacht wurde, mit den
Mitgliedsgemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg weder im Einvernehmen noch auf der
Grundlage von § 2 Abs. 4 GemNeuglGrG verwirklicht werden. Innerhalb der freiwilligen
Phase der Gemeindegebietsreform zeichnete sich in der Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz
schon
frühzeitig
ab,
dass
angesichts
divergierender
Neugliederungsinteressen vor Ort eine einvernehmliche Neugliederungslösung zwischen
den Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft nicht zustande zu kommen vermag.
Entsprechend des in den Bürgerentscheiden bzw. in der Bürgeranhörung zum Ausdruck
gekommenen Bürgerwillens hatten die Gemeinden Friedrichsbrunn und Stecklenberg einem
Zusammenschluss mit den übrigen Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz eine deutliche Abkehr erteilt und Gebietsänderungsverträge mit der Stadt
Thale abgeschlossen. Soweit sich die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode
und Rieder im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der sofortigen
Vollziehung der Genehmigung der Gebietsänderungsverträge zwischen den Gemeinden
Friedrichsbrunn und Stecklenberg mit der Stadt Thale gewandt hatten, hatte dieses
Verfahren – wie bereits unter Abschnitt I ausgeführt – keinen Erfolg.
Die Bildung einer Einheitsgemeinde innerhalb der bestehenden Struktur der
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz, so wie sie von der Stadt Gernrode und den
Gemeinden Bad Suderode und Rieder im Rahmen der Anhörung zum Referentenentwurf
geltend gemacht wurde, lässt sich nach dem gesetzlichen Leitbild der
Gemeindegebietsreform nicht rechtfertigen. Nach den Eingemeindungen der Gemeinden
Friedrichsbrunn und Stecklenberg in die Stadt Thale und des damit verbundenen
Ausscheidens dieser Gemeinden nach § 84 Abs. 5 GO LSA aus der
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz verfügen die verbleibenden Mitgliedsgemeinden
der Verwaltungsgemeinschaft über insgesamt lediglich 7 743 Einwohner zum maßgeblichen
Stand 31. Dezember 2005 und unterschreiten damit die für die Leistungsfähigkeit einer
Einheitsgemeinde gesetzliche Regelmindesteinwohnergröße von 10 000 deutlich.
Das von der Stadt Gernrode und den Gemeinden Bad Suderode und Rieder geltend
gemachte Argument, dass vor dem Hintergrund der besonderen Problematik bei der
Umsetzung der Gemeindegebietsreform im Bereich der Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz eine Einheitsgemeinde Gernrode mit einer Einwohnerzahl von 7 743 als
Ausnahmefall zugelassen werden sollte, greift nicht.
Zum einen liegt keine atypische Konstellation vor, die es gebieten würde, vom Regelfall des
§ 2 Abs. 3 Satz 1 GemNeuglGrG abzuweichen. Der Landkreis Harz ist kein Landkreis mit
einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte von weniger als 70 Einwohnern je
Quadratkilometer. Auch eine besondere geografische Lage drängt sich mit Blick auf die Stadt
Gernrode sowie die Gemeinden Bad Suderode und Rieder nicht auf. Die Gemarkungsgrenzen
der Stadt Gernrode sowie der Gemeinden Bad Suderode und Rieder sind nicht
gekennzeichnet durch Berge, Täler, Flüsse oder sonstige räumliche Besonderheiten, welche
das Gebiet der drei Kommunen von dem Gebiet benachbarter Städte und Gemeinden
räumlich abtrennen würden. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 2 GemNeuglGrG,
welche ein Abweichen vom Regelfall zulassen würden, liegen somit nicht vor.
Auch unter Berücksichtigung, dass die durch § 2 Abs. 3 GemNeuglGrG vorgegebene
Regelmindesteinwohnerzahl von 10 000 bzw. die ausnahmsweise zugelassene
Mindesteinwohnerzahl von 8 000 im Fall einer besonderen geografischen Lage oder einer
unterdurchschnittlichen Bevölkerungsdichte geringfügig unterschritten werden können, wenn
Umstände des Einzelfalls die Annahme rechtfertigen, dass die dauerhafte Leistungsfähigkeit
93
erreicht wird, lässt die Würdigung des Einzelfalles die Bildung einer Einheitsgemeinde aus
der Stadt Gernrode und den Gemeinden Bad Suderode und Rieder mit geringerer
Einwohnerzahl nicht zu. Wie oben bereits dargelegt, wäre die dauerhafte Leistungsfähigkeit
einer aus Gernrode, Bad Suderode und Rieder gebildeten Einheitsgemeinde nicht gesichert.
Die Haushalte der Stadt Gernrode und der Gemeinde Rieder haben sich für das
Haushaltsjahr 2008 als defizitär erwiesen. Die Gemeinde Bad Suderode hat bisher
521 606 € Bedarfszuweisung zum Ausgleich der bis einschließlich 2001 aufgelaufenen
Fehlbeträge erhalten. Zum Ausgleich der Haushaltsfehlbeträge 2005 und 2006 im
Verwaltungs- und Vermögenshaushalt hat die Gemeinde Bad Suderode Anfang Juli 2009
eine Bedarfszuweisung beantragt. Besondere finanzielle Belastungen für eine
Einheitsgemeinde Gernrode würden sich jedoch insbesondere aus der Kureinrichtung in der
Gemeinde Bad Suderode ergeben. Die seinerzeit geplante Auslastung als Voraussetzung für
einen wirtschaftlichen Betrieb der Kureinrichtung wurde nie erreicht.
Die Argumente, mit denen die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder
einen Sonderfall für sich zu begründen suchen, würden dazu führen, dass der Gesetzgeber
sein System vollständig verlassen müsste. Die verfassungsrechtlich eröffneten
Systemabweichungen sollen atypischen Konstellationen bei der Neugliederung gerecht
werden. Derartiges ist für Gernrode, Bad Suderode und Rieder nicht ersichtlich. Vielmehr
verlangen die drei Kommunen vom Gesetzgeber einen doppelten Systembruch. Die Stadt
Gernrode sowie die Gemeinden Bad Suderode und Rieder übersehen bei ihrer Forderung
nach einem ausnahmsweisen Unterschreiten der Mindesteinwohnerzahlen, dass mangels
Vorliegen einer besonderen geographischen Lage oder einer unterdurchschnittlichen
Bevölkerungsdichte
des
Landkreises
Harz
nicht
auf
die
durch
§ 2 Abs. 3 Satz 2 GemNeuglGrG als Ausnahme zugelassene Mindesteinwohnergröße von
8 000 abgestellt werden kann, sondern dass bei den drei Kommunen die
Regelmindesteinwohnergröße von 10 000 nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GemNeuglGrG
maßgeblich ist. Im Fall der Stadt Gernrode sowie die Gemeinden Bad Suderode und Rieder
könnte die für eine Einheitsgemeinde gesetzlich erforderliche Einwohnerzahl von 10 000
insoweit geringfügig unterschritten werden, wenn die dauerhafte Leistungsfähigkeit
nachgewiesen wäre. Demgegenüber würde ein Zusammenschluss von Gernrode, Bad
Suderode und Rieder eine Einwohnerzahl von lediglich 7 743 erreichen und damit die
gesetzliche Regelmindesteinwohnergröße weit unterschreiten, wobei darüber hinaus die
dauerhafte Leistungsfähigkeit eines solchen Zusammenschlusses nicht erreicht wäre. Würde
der Gesetzgeber die Bildung einer Einheitsgemeinde aus Gernrode, Bad Suderode und
Rieder zulassen, müsste er mithin zum einen sein System der nach
§ 2 Abs. 3 Satz 1 GemNeuglGrG für Einheitsgemeinden vorgegebenen Mindestgröße von
regelmäßig 10 000 Einwohnern durchbrechen und zusätzlich vom Erfordernis der
dauerhaften Leistungsfähigkeit der zu bildenden Einheitsgemeinde Abstand nehmen.
Zweifelsohne drängt sich ein solches Vorgehen nicht auf.
In diesem Zusammenhang können sich die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad
Suderode und Rieder auch nicht darauf berufen, dass die Zusammenschlüsse der zur
Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz gehörenden Gemeinden Friedrichsbrunn und
Stecklenberg mit der benachbarten Stadt Thale nicht hätten genehmigt werden dürfen, weil
hierdurch eine Verengung der Neugliederungsmöglichkeiten für die anderen
Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft erfolgt ist. Mit einer derartigen
Argumentation würde die verfassungsrechtlich durch Art. 90 Verf LSA fundierte
Freiwilligkeitsphase als solche und der Vorrang freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse vor
gesetzlichen Neugliederungsentscheidungen letztlich ausgehöhlt. Im Übrigen war den
Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz mit Blick auf die
divergierenden Neugliederungsinteressen gerade von Friedrichsbrunn und Stecklenberg im
Rahmen mehrfacher kommunalaufsichtlicher Beratungen dargelegt worden, welche
Möglichkeiten einer freiwilligen Neugliederung insgesamt für den Bereich bestehen.
94
Auch der für die Bildung einer Einheitsgemeinde Gernrode geäußerte Wille der betroffenen
Bürgerinnen und Bürger, den sich die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode
und Rieder zu Eigen machen, vermag ein doppeltes Abweichen vom System nicht
rechtfertigen. Soweit die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder
geltend machen, dass die in den Bürgeranhörungen mehrheitlich geäußerte Ablehnung einer
Eingliederung nach Ballenstedt oder Quedlinburg und die in der Bürgerbefragung zum
Ausdruck gekommene Befürwortung einer eigenständigen Einheitsgemeinde Gernrode
unbedingt zu beachten seien, verkennt der Gesetzgeber nicht, dass ein Zusammenwachsen
zwangsweise zusammengeschlossener Gemeinden leichter vonstatten geht, wenn dies
mehrheitlich von der betroffenen Bürgerschaft mitgetragen wird. Indessen entspricht es,
soweit sich die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und Rieder auf eine ihrer
Auffassung nach bestehende absolute Bindungswirkung des Bürgerwillens in den
Bürgeranhörungen bzw. -befragungen berufen, nicht den verfassungsrechtlichen
Anforderungen und Grenzen an eine gesetzliche Neugliederungsentscheidung, wie sie sich
aus Art. 90 Verf LSA ergeben. Die mehrheitliche Ablehnung oder Zustimmung der
Bürgerinnen und Bürger der durch die Neugliederungsmaßnahme unmittelbar betroffenen
Gemeinden ist im Rahmen der Abwägung der Belange des Gemeinwohls in die
gesetzgeberische Entscheidung einzustellen. Das Votum der Bürgerschaft bildet lediglich
einen von einer Vielzahl bei der Neugliederungsentscheidung zu beachtenden
Gesichtspunkten.
Von
Verfassung
wegen
muss
die
Akzeptanz
einer
Neugliederungsmaßnahme durch die unmittelbar betroffenen Gemeinden und ihrer
Einwohner nicht zum alleinigen oder auch nur vorrangigen Maßstab für die gesetzgeberische
Entscheidung gemacht werden, sondern ist nach Lage der Gegebenheiten mit ihrem
jeweiligen Gewicht im Einzelfall in die Abwägung einzustellen (so LVerfG LSA, LVerfGE 2,
227 <261>; LVerfG Brandenburg, VfGBbg 101/03, LVerfGE 14, 203). Art. 90 Verf LSA räumt
dem Gesetzgeber gerade das Recht ein, auch gegen den erklärten Willen der Gemeinde und
ihrer Bürger die Auflösung und Neugliederung von Gemeinden vorzunehmen, wenn dafür
hinreichende Gründe des Gemeinwohls bestehen. Hiermit wird zugleich dem Umstand
Rechnung getragen, dass das Wohl der Allgemeinheit bei einer Neugliederung der
kommunalen Ebene nicht allein aus Sicht der einzelnen Gemeinde bestimmt werden kann.
Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu
gliedern und in diesem Zusammenhang die überörtlichen Belange für die gesamte
Kommunalstruktur des Landes unter Beachtung auch großräumiger wirtschaftlicher, sozialer,
ökologischer, kultureller, geschichtlicher und weiterer Gesichtspunkte zu bedenken.
Die gesetzgeberische Abwägung orientiert sich deswegen an der Notwendigkeit und den
Zielen der Gebietsreform. Die weiteren Vorgaben, wie die Ziele der Reform umzusetzen
sind, enthält das gesetzliche Leitbild u.a. mit seinen Parametern für die Größe der künftigen
Einheitsgemeinden. Insoweit wird auch auf die zum GemeindeneugliederungsGrundsätzegesetz ergangenen Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts vom
21.04.2009 (a.a.O.) verwiesen. Bereits aus diesem Grund kann den Vorstellungen der
Bürgerinnen und Bürger der durch die Neugliederungsentscheidung betroffenen Gemeinden
in aller Regel dann nicht gefolgt werden, wenn diese Vorstellungen nicht dem Leitbild der
Reform entsprechen. Im konkreten Fall ist die mehrheitlich von den Bürgerinnen und Bürgern
der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder im Rahmen der
Bürgeranhörungen geäußerte ablehnende Haltung gegenüber einer Eingliederung in die
Stadt Ballenstedt oder in die Stadt Quedlinburg nicht von einem derartigen Gewicht, dass ein
gesetzlicher Zusammenschluss mit Ballenstedt oder Quedlinburg unterbleiben müsste. Die
von den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode
und Rieder zum Ausdruck gebrachte Befürwortung einer Einheitsgemeinde Gernrode
entspricht, wie oben dargestellt, nicht den Vorgaben des gesetzgeberischen Leitbildes und
ist nicht systemgerecht.
Hinsichtlich des von Gernrode, Bad Suderode und Rieder geltend gemachten Ergebnisses
der Bürgerbefragungen sind die in diesem Zusammenhang festzustellenden Gegebenheiten
95
vor Ort zu berücksichtigen. Die von der Stadt Gernrode und den Gemeinden Bad Suderode
und Rieder initiierten Bürgerbefragungen fanden am gleichen Tage statt, an dem die nach
Art. 90 Verf LSA gebotenen Anhörungen der Bürgerinnen und Bürger zu dem
Referentenentwurf eines Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis Harz
durchgeführt wurden. Das den abstimmungsberechtigten Bürgerinnen und Bürgern
zugestellte Benachrichtigungsschreiben über die Durchführung einer Bürgerbefragung zur
Bildung einer Einheitsgemeinde Gernrode vermochte den Eindruck vermitteln, dass die
Bildung einer Einheitsgemeinde Gernrode im Wege einer Ausnahmeregelung möglich wäre
und es insoweit zur gesetzlich vorgesehenen Zuordnung eine durchaus realisierbare
Alternative einer Eigenständigkeit in einer Einheitsgemeinde geben würde. Bei dieser
Sachlage vermag nicht abschließend beurteilt werden, ob und inwieweit die Meinungs- und
Willensbildung der an der Bürgerbefragung teilnehmenden Abstimmungsberechtigten und
damit unmittelbar das Abstimmungsverhalten von objektiven Umständen getragen war.
Insoweit wäre die Aussagekraft der Bürgerbefragungen relativiert zu betrachten.
Da, wie oben dargestellt, eine leitbildgerechte und leistungsfähige Einheitsgemeinde durch
einen Zusammenschluss der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder
nicht gebildet werden kann, ist aufgrund der für die Gemeindegebietsreform durch das
gesetzliche
Leitbild
vorgeprägten
Maßstäbe
unter
dem
Gesichtspunkt
der
Systemgerechtigkeit eine grundsätzliche Umbildung der Verwaltungsgemeinschaft
Gernrode/Harz geboten.
Bei der gesetzlichen Neugliederung der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode
und Rieder sind in besonderem Maße die örtlichen Gegebenheiten in die Abwägung
einzustellen. Anders als der Ort Friedrichsbrunn, der räumlich von den übrigen Ort der
Verwaltungsgemeinschaft gelegen ist, und zum Teil auch der Ort Stecklenberg weisen Bad
Suderode, Gernrode und Rieder innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft einen engen
siedlungsstrukturellen Zusammenhang auf. Raumordnerisch lassen sich Gesichtspunkte
erkennen, dass Rieder, Gernrode und Bad Suderode einen eigenen Verflechtungsbereich
bilden. Zwischen den Gemeinden besteht ein weitgehender siedlungsstruktureller
Zusammenhang. Die Bebauung der Orte geht ineinander über, d.h. die
Ortsausgangsschilder des einen Ortes sind gleichzeitig die Ortseingangsschilder des
nächsten Ortes. Auch bestehen wirtschaftliche Verflechtungen. Gernrode-Rieder ist im
Regionalen Entwicklungsplan für die Planungsregion Harz als regional bedeutsamer
Vorrangstandort für Industrie und Gewerbe festgelegt. Die baulich, siedlungsräumlich und
wirtschaftlich erkennbare Verflechtung von Gernrode, Rieder und Bad Suderode spricht für
Zusammenschlüsse, bei denen die Verbundenheit der drei Orte erhalten bleibt. Auch das in
den Bürgeranhörungen zum Ausdruck gekommene Zusammengehörigkeitsgefühl der
Bevölkerung und die Identifikation der Bürgerschaft mit einer einheitlichen Neugliederung
sprechen gegen eine Trennung der drei Orte. Eine Teilung der drei Orte würde zu einem
Verlust des auf die örtliche Gemeinschaft bezogenen Bewusstseins, Interesses und
Engagements der Einwohner führen und die Integration in die neuen Strukturen in Frage
stellen.
Auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Neugliederungslösung für die Stadt Gernrode und
die Gemeinden Bad Suderode und Rieder im Zuge der gesetzlichen Reformphase haben
auch der Landkreis Harz und die Regionale Planungsgemeinschaft Harz im Rahmen der
Anhörung zum Referentenentwurf eines Neugliederungsgesetzes betreffend den Landkreis
Harz hingewiesen. So hat die Regionale Planungsgemeinschaft Harz in ihrer Stellungnahme
vom 21. Oktober 2009 ausgeführt, dass aus regionalplanerischer Sicht das
Zusammenlassen von Gernrode, Bad Suderode und Rieder durch eine einheitliche
Zuordnung wegen der engen Verflechtungen der Gemeinden untereinander prinzipiell zu
begrüßen sei.
96
Bei Betrachtung der räumlichen Lage der Stadt Gernrode und der Gemeinde Bad Suderode
und Rieder ist festzustellen, dass die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode und
Rieder gemeinsame Gemarkungsgrenzen mit den Städten Harzgerode, Thale, Ballenstedt
und Quedlinburg aufweisen.
Die potentielle Möglichkeit der Zuordnung der Stadt Gernrode und der Gemeinde Bad
Suderode und Rieder zur Einheitsgemeinde Stadt Harzgerode käme ebenso in Betracht wie
auch die Zuordnung zur Stadt Thale. Allerdings drängen sich hier keine Gründe des
Gemeinwohls auf, die eine Eingliederung von Gernrode, Bad Suderode und Rieder in die
Stadt Thale und die Stadt Harzgerode gebieten würden.
Dies gilt bereits im Hinblick auf die Einwohnerzahl der Stadt Thale, die mit der
Eingemeindung von zwei Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Thale und von
vier Gemeinden aus benachbarten Verwaltungsgemeinschaften (Altenbrak und Treseburg
aus der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz; Friedrichsbrunn und
Stecklenburg aus der Verwaltungsgemeinschaft Gernrode/Harz) mit Gebietsstand vom
1. Januar 2010 und nach dem maßgeblichen Stand zum 31. Dezember 2005 17 992
Einwohner aufweisen wird, damit weit über den gesetzlich geforderten Einwohnerzahlen liegt
und mithin keinen weiteren Einwohnerzuwachs benötigt. Zudem sind zwischen Gernrode,
Bad Suderode und Rieder sowie der Stadt Thale örtliche, wirtschaftliche und sonstige
Verbundenheiten, die für einen verwaltungsgemeinschaftsübergreifenden Zusammenschluss
sprechen, weder ersichtlich noch drängen sie sich auf.
Bei der Stadt Harzgerode ist im besonderen Maße der Umstand zu berücksichtigen, dass
diese Einheitsgemeinde erst zum 1. August 2009 durch einen freiwilligen Zusammenschluss
der Gemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Unterharz gebildet wurde. Vor
dem Hintergrund des Bestands- und Vertrauensschutzes der Stadt Harzgerode wäre es nicht
sachgerecht, die von den reformwilligen Gemeinden bereits vollzogene und staatlich
genehmigte Gebietsänderung zur Bildung einer Einheitsgemeinde durch eine gesetzliche
Zuordnung von Gernrode, Bad Suderode und Rieder einer erneuten Änderung im
gebietlichen Zuschnitt der Stadt zu unterziehen. Eine solche sog. Mehrfachneugliederung
bedarf wegen der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit besonders gewichtiger
Gründe, die im vorliegenden Fall indes weder ersichtlich sind noch sich aufdrängen.
Insoweit scheidet eine Zuordnung von Gernrode, Bad Suderode und Rieder zur Stadt Thale
wie auch eine Zuordnung zur Stadt Harzgerode aus.
Übergeordnete Gesichtspunkte, die im Rahmen des Anhörungsverfahrens erkennbar
geworden sind, sprechen für eine Zuordnung der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad
Suderode und Rieder in die Stadt Quedlinburg.
Die Stadt Quedlinburg ist im Landesentwicklungsplan des Landes Sachsen-Anhalt als
Mittelzentrum ausgewiesen. In der Landesentwicklungsplanung für das Land stellen die
Mittelzentren in Sachsen-Anhalt unter dem Gesichtspunkt rückläufiger Einwohnerentwicklung
und der sich ändernden Altersstruktur das Rückgrat für die Sicherung der öffentlichen
Daseinsvorsorge für die Bevölkerung in allen Landesteilen dar. Sie tragen in Ergänzung zu
den Oberzentren zum Erhalt eines engen tragfähigen Netzes regionaler Versorgungs- und
Arbeitsmarktzentren, zur Sicherung einer landesweit ausgeglichenen Ausstattung und
Versorgung mit höherwertigen und spezialisierten Dienstleistungen, mit Industrie-, Gewerbeund Dienstleistungsarbeitsplätzen sowie mit öffentlichen Verwaltungs-, Bildungs-,
GesundheitsSozial-,
Kulturund
Sporteinrichtungen
und
hochwertigen
Einkaufsmöglichkeiten bei. Nach dem Landesentwicklungsplan soll ein Mittelzentrum selbst
über mindestens 20 000 Einwohner verfügen, um das Potenzial für die notwendigen
Einrichtungen der Daseinsvorsorge vorhalten zu können. Die Stadt Quedlinburg verfügt nach
dem Stand 31. Dezember 2005 über 22 607 Einwohner. Die Bevölkerungsentwicklung in
97
Quedlinburg ist indes rückläufig. Zum 31. Dezember 2008 ist die Einwohnerzahl der Stadt
Quedlinburg auf 21 500 gesunken. Sollte sich die rückläufige Einwohnerentwicklung in den
nächsten Jahren fortsetzen, könnte die zentralörtliche Funktion des Mittelzentrums
Quedlinburg mittelfristig in Frage stehen. Dies würde nicht nur die Stadt Quedlinburg als
Siedlungs-, Wirtschafts- und Arbeitsstandort selbst treffen, sondern sich auch auf die
Entwicklung der Umlandgemeinden auswirken.
Im Zuge der freiwilligen Phase der Gemeindegebietsreform hat die Stadt Quedlinburg selbst
keine Eingliederung von Umlandgemeinden erfahren, während die großen Städte im Umland
von
Quedlinburg
nicht
unerhebliche
Einwohnerzugewinne
durch
freiwillige
Gebietsänderungen verzeichnen konnten. Von der Eingemeindung der Gemeinde
Westerhausen aus der Verwaltungsgemeinschaft Thale in die Stadt Quedlinburg, wie sie
nach dem zur Anhörung freigegebenen Entwurf eines Neugliederungsgesetzes betreffend
den Landkreis Harz zur Stärkung des Mittelzentrums Quedlinburg vorgesehen war, wurde
aufgrund der Ergebnisse des Anhörungsverfahrens im Rahmen der Abwägung Abstand
genommen. Die Gemeinde Westerhausen wird nunmehr in die Stadt Thale eingemeindet
(vgl. § 3). Damit erhöht sich die Einwohnerzahl der Stadt Thale zum einen infolge der
Eingemeindung von zwei Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Thale und von
vier Gemeinden aus benachbarten Verwaltungsgemeinschaften von 12 748 auf 17 992
Einwohner. Zum anderen wird die Stadt Thale mit der gesetzlichen Zuordnung der
Gemeinde Westerhausen eine Einwohnerzahl von insgesamt 20 133 aufweisen (jeweils
Stand 31. Dezember 2005). Die Einwohnerzahl der Stadt Blankenburg (Harz) steigt infolge
der Eingemeindung sämtlicher Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft
Blankenburg und der Eingliederung der Stadt Derenburg aus der ehemaligen
Verwaltungsgemeinschaft Nordharz von 15 760 auf 23 000. Im Norden der Stadt
Quedlinburg hat sich zum 1. Januar 2010 die Verbandsgemeinde Vorharz aus den
Mitgliedsgemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Bode-Holtemme und von
Mitgliedsgemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Ballenstedt-Bode-Selke-Aue
gebildet. Die Einwohnerzahl der Verbandsgemeinde umfasst 14 497 (Stand
31. Dezember 2005).
Auch die weiteren im Landkreis Harz bestehenden Mittelzentren, die Stadt Halberstadt und
die Stadt Wernigerode, haben durch freiwillige Eingliederung von Umlandgemeinden ihr
Gebiet und ihre Einwohnerzahl vergrößern können. So erfährt die Stadt Halberstadt aufgrund
der Eingliederung der Mitgliedsgemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft
Harzvorland-Huy (mit Ausnahme der Gemeinde Danstedt) einen Einwohnerzuwachs von
4 876 und weist damit eine Einwohnerzahl von 44 625 auf. Die Einwohnerzahl der Stadt
Wernigerode ist durch die Eingemeindung der Gemeinde Schierke aus der ehemaligen
Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz und durch die Eingliederung der erheblich
verflochtenen Umlandgemeinde Reddeber aus der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft
Nordharz von 34 169 auf 35 772 angestiegen (jeweils Stand 31. Dezember 2005).
Übersicht der einwohnermäßigen Veränderungen durch die Gemeindegebietsreform
(maßgeblicher Einwohnerstand: 31. Dezember 2005)
Stadt
Einwohnerzahl vor
Einwohnerzahl nach
Gebietsänderungen
Gebietsänderungen
Halberstadt
39 749
44 625
Wernigerode
34 169
35 772
Quedlinburg
22 607
Blankenburg
15 760
23 000
Thale
12 748
20 133
98
Das Mittelzentrum Quedlinburg würde insoweit einwohnermäßig weit hinter den beiden
anderen Mittelzentren des Landkreises Harz zurückfallen, soweit keine gesetzlichen
Neugliederungen erfolgen sollten. Die Stadt Blankenburg wäre nach der
Gemeindegebietsreform die drittgrößte Stadt innerhalb des Landkreises und würde damit
das Mittelzentrum Quedlinburg einwohnermäßig übertreffen.
Nach dem gesetzgeberischen Leitbild soll die Reform der gemeindlichen Strukturen im Land
Sachsen-Anhalt auch einen Beitrag zur Stärkung der Mittelzentren im Interesse der
langfristigen Funktionsfähigkeit ihrer zentralörtlichen Versorgungsaufgaben leisten. Der
Funktionsfähigkeit der Mittelzentren und ihres Umlandes kommt für die weitere
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung des Landes eine entscheidende
Bedeutung zu. Als Schwerpunkte der gehobenen Versorgung mit Einrichtungen der
Daseinsvorsorge und mit öffentlichen sowie privaten Gütern und Dienstleistungen im
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich spielen die Mittelzentren eine große Rolle
für eine nachhaltige raumstrukturelle Landesentwicklung. Aufgrund dieser Standortfunktion
sind die Mittelzentren zu sichern und zu entwickeln. Als Verknüpfungspunkte der
verkehrlichen Infrastruktur im Nahverkehr und Verbindung zum regionalen und
überregionalen Verkehr, mit der Bündelung von Angeboten der Daseinsvorsorge, der
Vorhaltung von weiterführenden Schulen, der Schaffung attraktiver Flächenangebote für
Wohnen und Gewerbe sowie der Ansiedlung von regionalen und überregionalen
Einrichtungen sollen die Mittelzentren als Versorgungskerne über den eigenen örtlichen
Bedarf hinaus soziale, wissenschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Aufgaben für die
Bevölkerung ihres Verflechtungsbereichs übernehmen. Über die eigenen Ausstrahleffekte
des Mittelzentrums kann das jeweilige Umland gestützt werden.
Im System der Zentralen Orte nehmen die Mittelzentren eine bedeutsame Funktion ein und
leisten einen besonderen Beitrag zur Schaffung und Erhaltung gleichwertiger
Lebensbedingungen in allen Landesteilen. Das Leitbild der Gemeindegebietsreform sieht vor
diesem Hintergrund eine Stärkung der Mittelzentren des Landes vor, bei denen sich als
Folge der Suburbanisierung Verflechtungen mit gegenseitigen Abhängigkeiten und
Konkurrenzen und damit verbundenen Stadt-Umland-Probleme ergeben haben (§ 1 Abs. 2,
§ 3 GemNeuglGrG).
Im Rahmen der 2006/2007 durchgeführten Untersuchung der Verflechtungsbeziehungen
zwischen Mittelzentren und angrenzenden Gemeinden haben sich erhebliche enge
Verflechtungen, die nach Maßgabe des § 3 GemNeuglGrG zwingend im Wege einer
Teileingemeindung oder Eingemeindung einer Lösung zugeführt werden müssten, bei der
Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder zum Mittelzentrum
Quedlinburg zwar nicht erkennen lassen. Bei Auswertung der Kriterien, die der
Untersuchung zugrunde gelegt worden waren, hat Bad Suderode von insgesamt 100 zu
vergebenden Punkten einen Punktwert von 26, Rieder von 23 und Gernrode von 21 erreicht.
Im Zuge der gesetzlichen Phase der Gemeindegebietsreform bietet sich jedoch im Rahmen
der erforderlichen gesetzlichen Neugliederung der nicht leitbildgerechten Kommunen
Gernrode, Bad Suderode und Rieder die Chance, im Interesse der langfristigen
Funktionsfähigkeit des Mittelzentrums Quedlinburg auch im Hinblick auf die zu erwartenden
demografischen Veränderungen die weitere Entwicklung von Quedlinburg nachhaltig so zu
sichern, dass die Stadt auch künftig ihre überörtlichen Versorgungsaufgaben innerhalb ihres
Verflechtungsbereiches dauerhaft erfüllen kann.
Mit einer Eingliederung der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder in
die Stadt Quedlinburg erhöht sich die Einwohnerzahl des Mittelzentrums von 22 607 auf
30 350 (Stand 31. Dezember 2005). Damit wird die Stadt Quedlinburg gerade mit Blick auf
99
die rückläufige Bevölkerungsentwicklung wesentlich gestärkt. Insoweit entspricht die
Stärkung des Mittelzentrums Quedlinburg dem Reformansatz des Leitbildes.
Durch eine Zuordnung von Gernrode, Bad Suderode und Rieder nach Quedlinburg steht zu
erwarten, dass im Wege der Bündelung der Verwaltungskraft eine Stärkung der
Leistungskraft erreicht werden kann. Gerade mit Blick auf die Kureinrichtung der Gemeinde
Bad Suderode können die damit verbundenen Anforderungen in einem Zusammenschluss
mit der Stadt Quedlinburg mittelfristig einer Lösung zugeführt werden. So werden mit einer
Eingliederung in das Mittelzentrum Quedlinburg zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten für die
künftige Weiterentwicklung der Kureinrichtung zu erwarten sein. Mit einer gemeinsamen
Marketing-Strategie durch die städtische Eigengesellschaft Quedlinburg-TourismusMarketing GmbH erwartet die Stadt Quedlinburg erhebliche Entwicklungspotenziale, die es
ermöglichen, die Situation zu verbessern. Auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten
einer einheitlichen Planung, Entwicklung und Vermarktung der zwischen Quedlinburg und
Gernrode unmittelbar angrenzenden gewerblich genutzten Flächen kann künftig eine
koordinierte und nachhaltige Entwicklung sowie Ausstattung des Raumes gewährleistet
werden. Eine einheitliche Bauleitplanung ermöglicht eine geordnete Entwicklung im Bereich
Quedlinburg und Gernrode, die zur Stärkung dieses Raumes im Wettbewerb mit anderen
Kommunen beiträgt. Zugleich werden Planungsprozesse insgesamt vereinfacht und
beschleunigt. Auch dies trägt wesentlich dazu bei, das Mittelzentrum Quedlinburg als
Schwerpunkt der regionalen Entwicklung zu stärken und seine Leistungs- und
Entwicklungsfähigkeit langfristig zu sichern.
Mit der gemeinsamen gesetzlichen Zuordnung der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad
Suderode und Rieder zur Stadt Quedlinburg wäre eine Eingemeindung des Grundzentrums
Gernrode
in
das
Mittelzentrum
verbunden.
Bei
der
Beurteilung
der
Verflechtungsbeziehungen zwischen Mittelzentren und Umlandgemeinden war eine
Einbeziehung von denjenigen im Umland eines Mittelzentrums liegenden Gemeinden in den
Kreis der „Eingemeindungskandidaten“ ausgeschlossen worden, die als Standort eines
Grundzentrums im Sinne des Landesentwicklungsplanes des Landes Sachsen-Anhalt die
Aufgaben der überörtlichen Grundversorgung wahrnehmen (vgl. Leitbild S. 127). Denn diese
Umlandgemeinden sind mit ihrer zentralörtlichen Funktion Träger für eine zukunftsfähige
Landesentwicklung. Zur weiteren Sicherung der grundzentralen Versorgung war daher auf
eine Eingemeindung der Städte Leuna und Nienburg/Saale verzichtet worden (vgl. Leitbild
der Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt, S. 127). In diesen Fällen hat sich der
Gesetzgeber gerade nicht die Option einer Teileingemeindung oder Eingemeindung offen
gehalten. Mit dieser Wertung des Leitbildes, die sich der Gesetzgeber zu Eigen gemacht hat,
liegt eine vorweggenommene Abwägung vor, die nunmehr in der gesetzlichen Phase
gleichermaßen für das Grundzentrum Gernrode gilt.
In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei der Entscheidung über
die erforderliche gesetzliche Neugliederung der nicht leitbildgerechten Kommunen Gernrode,
Bad Suderode und Rieder aufgrund der räumlichen Lage allein die beiden
Neugliederungsalternativen einer Zuordnung nach Quedlinburg oder nach Ballenstedt in
Betracht kommen, da eine Zuordnung zur Stadt Thale oder zur Stadt Harzgerode, wie oben
dargelegt, ausscheidet. Sowohl eine Eingliederung nach Quedlinburg als auch eine
Zuordnung zur Stadt Ballenstedt haben einen Zusammenschluss des Grundzentrums
Gernrode mit einem anderen Zentralen Ort gemeinsam. Beide Neugliederungsalternativen
werden mithin, wie die Regionale Planungsgemeinschaft Harz im Anhörungsverfahren
dargelegt hat, gleichermaßen Auswirkungen auf die künftige Neuordnung der Grundzentren
im Bereich Gernrode und Ballenstedt haben. So hat die Regionale Planungsgemeinschaft
Harz in ihrer Stellungnahme vom 21. Oktober 2009 ausgeführt, dass mit einer Zuordnung
von Gernrode gemeinsam mit Bad Suderode und Rieder nach Ballenstedt unter
Berücksichtigung der im Entwurf des Landesentwicklungsplanes enthaltenen Kriterien für die
100
künftigen Grundzentren ein ausreichend tragfähiger Verflechtungsbereich für ein
Grundzentrum im Bereich der Stadt Ballenstedt gegeben wäre. Danach kann nicht
ausgeschlossen werden, dass die gegenwärtige Einstufung der Stadt Gernrode im System
der Zentralen Orte als Grundzentrum infolge der gesetzlichen Neugliederung und unter
Berücksichtigung der künftigen für das Zentrale-Orte-Konzept maßgebenden Kriterien in
Frage steht, und zwar gleichermaßen im Falle einer gesetzlichen Zuordnung zur Stadt
Ballenstedt als auch zur Stadt Quedlinburg. Da insoweit zu erwarten bleibt, dass die
gesetzlichen Neugliederungsmaßnahmen betreffend die Stadt Gernrode und die Gemeinden
Bad Suderode und Rieder Auswirkungen auf die künftige Neuordnung der Grundzentren im
Bereich Gernrode und Ballenstedt haben werden und ein Erhalt der grundzentralen
Versorgungsfunktion von Gernrode auch im Falle der Zuordnung nach Ballenstedt
mittelfristig kritisch zu bewerten ist, kann an der seinerzeitigen Einschätzung, bei im Umland
eines Mittelzentrums liegenden Gemeinden mit der Funktion eines Grundzentrums von der
Eingemeindung in das Mittelzentrum zur weiteren Sicherung der grundzentralen Versorgung
Abstand zu nehmen, im Falle der Stadt Gernrode nicht festgehalten werden. Vorliegend
überwiegt das übergeordnete Interesse an einer Stärkung des Mittelzentrums Quedlinburg.
Die weitere Entwicklung und Sicherung des Mittelzentrums Quedlinburg ist von besonderer
Bedeutung für eine nachhaltige Raumentwicklung im südöstlichen Bereich des Landkreises
Harz. Die Stadt Quedlinburg ist als Mittelzentrum durch eine Erweiterung ihres Gebietes und
einen Einwohnerzuwachs zu stärken, damit sie ihre überörtlichen Versorgungsaufgaben
innerhalb ihres Verflechtungsbereiches dauerhaft und zukunftsfähig erfüllen kann.
Das Ergebnis der Anhörungen der Bevölkerung spricht zwar gegen eine Eingliederung der
Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder in die Stadt Quedlinburg. Wie
oben bereits dargestellt, war in Gernrode, Bad Suderode und Rieder allerdings eine starke
Emotionalisierung zugunsten einer eigenständigen Einheitsgemeinde Gernrode zu
verzeichnen, indem vor Ort Erwartungen ausgelöst wurden, dass eine Ausnahme von den
gesetzlichen Mindesteinwohnergrößen einer Einheitsgemeinde durchaus möglich sei. Diese
– nach dem gesetzlichen Neugliederungssystem nicht begründbare – Auffassung vermag
eine sachliche Auseinandersetzung mit den nach dem Referentenentwurf vorgesehenen
Neugliederungsvorhaben verhindert haben. Im Hinblick auf die oben dargestellten
raumstrukturellen Gesichtspunkte konnte den Bürgeranhörungen keine ausschlaggebende
Bedeutung zu kommen. Es ist zu erwarten, dass die Bevölkerung eine Eingliederung nach
Quedlinburg zumindest mittelfristig akzeptiert. Zudem ist für die Beurteilung am Maßstab des
Gemeinwohls im Sinne von Art. 90 Verf LSA nicht ausschließlich entscheidend, welche
Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend
ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten von der Neugliederung
betroffenen und berührten Raumes am besten entspricht. Diese liegt im Interesse der
Stärkung des Mittelzentrums in einer Eingliederung der Stadt Gernrode und der Gemeinden
Bad Suderode und Rieder in die Stadt Quedlinburg.
Als teilweise leitbildgerechte, aber – nach den Ergebnissen der Anhörung - dennoch
problematische Alternative würde sich eine Zuordnung der Stadt Gernrode und der
Gemeinden Bad Suderode und Rieder zur Stadt Ballenstedt darstellen. Eine Eingliederung
der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder in die Stadt Ballenstedt
würde zu einer einwohnermäßigen Stärkung der neuen Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt
beitragen. Durch die Eingemeindung der drei Orte würde die Einheitsgemeinde Stadt
Ballenstedt einen Einwohnerzuwachs von 7 743 erfahren und dann eine Einwohnerzahl von
insgesamt 16 104 erreichen. Gegen eine solche Neugliederung und für die Eingemeindung
von Gernrode, Bad Suderode und Rieder in das Mittelzentrum Quedlinburg sprechen jedoch
folgende gewichtige Gesichtspunkte, die im Rahmen des Anhörungsverfahrens erkennbar
geworden sind.
101
Einer Zuordnung der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder zur
Stadt Ballenstedt stehen zum einen landesplanerische und raumstrukturelle Gesichtspunkte
entgegen. Durch eine Eingliederung von Gernrode, Bad Suderode und Rieder nach
Ballenstedt würden zwei Grundzentren, die Stadt Gernrode und die Stadt Ballenstedt,
verwaltungstechnisch zusammengelegt. Hiergegen hat die Regionale Planungsgemeinschaft
Harz im Rahmen der Anhörung zum Referentenentwurf Bedenken aufgeworfen und darauf
hingewiesen, dass dies für die künftige Neuordnung der Grundzentren von Bedeutung sein
könnte. Das gleiche würde nach der Stellungnahme der Regionalen Planungsgemeinschaft
Harz auch für eine Zuordnung in die Stadt Quedlinburg gelten. Im Hinblick auf die oben
dargestellten Gesichtspunkte der Landesentwicklung und die raumstrukturellen Belange
überwiegen allerdings die überörtlichen Gründe der Stärkung des Mittelzentrums
Quedlinburg.
Ein gewichtiges Argument gegen eine Zuordnung von Gernrode, Bad Suderode und Rieder
zur Stadt Ballenstedt ist auch das Fehlen von Gemeinsamkeiten aller drei Gemeinden mit
Ballenstedt. Im Rahmen der Anhörung ist erkennbar geworden, dass eine historische,
örtliche und strukturelle Verbundenheit seitens der Stadt Ballenstedt lediglich zur Gemeinde
Rieder besteht. Die historische Verbundenheit der Gemeinde Rieder richtete sich in den
vergangenen Jahrhunderten immer in Richtung Osten, insoweit Richtung Ballenstedt. Seit
der Gründung des Landkreises Ballenstedt im Jahre 1863 gehörte die Gemeinde Rieder
diesem an. Erst nach der Auflösung des Landkreises Ballenstedt im Jahre 1952 wurde
Rieder dem Landkreis Quedlinburg zugeordnet. Entsprechende Verbindungen gibt es zu Bad
Suderode und Gernrode nicht. Auch wirtschaftsstrukturelle Zusammenhänge bestehen allein
zwischen der Gemeinde Rieder und der Stadt Ballenstedt. So befindet sich zwischen
Ballenstedt und Rieder im Eulenbachtal der Steintagebau "Harzer Grauwacke Rieder", der
von der Mitteldeutsche Baustoffe GmbH betrieben wird. Die Abbautätigkeit in Rieder wird in
absehbarer Zeit auslaufen. Perspektivisch soll die Hartsteingewinnung von der Lagerstätte
Ballenstedt-Rehköpfe erfolgen, welche die Mitteldeutsche Baustoffe GmbH als
Nachfolgelagerstätte für Rieder betreiben will. Die Lagerstätte Ballenstedt-Rehköpfe liegt
süd-westlich von der Ortschaft Ballenstedt. Diese ist im Regionalen Entwicklungsplan für die
Planungsgemeinschaft als Vorranggebiet für Rohstoffgewinnung ausgewiesen. Vor diesem
Hintergrund hat sich die Stadt Ballenstedt in ihrer Stellungnahme vom 20. November 2009
zum Referentenentwurf, auch unter der Berücksichtigung, dass das Grundzentrum
Ballenstedt von einem gestärkten Mittelzentrum Quedlinburg langfristig profitieren werde,
allein für eine Zuordnung der Gemeinde Rieder nach Ballenstedt und für eine Zuordnung der
Stadt Gernrode und Gemeinde Bad Suderode nach Quedlinburg ausgesprochen. Wie die
Stadt Ballenstedt in ihrer Stellungnahme weiter ausführte, käme als Alternative hierzu die
Anerkennung der Eigenständigkeit einer Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt, wie sie sich
durch die Eingemeindung von Radisleben nach Ballenstedt gebildet hat, in Betracht.
Ein gewichtiges Argument gegen eine Zuordnung allein von Rieder zur Stadt Ballenstedt ist
jedoch, dass mit einer solchen Neugliederung die örtlichen Verbundenheiten sowie die
räumlichen, historischen und sonstigen Zusammenhänge zwischen Bad Suderode, Gernrode
und Rieder zerschlagen würden. Wie bereits ausgeführt sprechen die baulich und
siedlungsräumlich erkennbaren Verflechtungen von Gernrode, Rieder und Bad Suderode
sowie deren örtliche und historische Verbundenheiten gegen eine Trennung der drei Orte,
sondern für Zusammenschlüsse, bei denen die Verbundenheit der drei Orte erhalten bleibt.
Eine gemeinsame Neugliederung von Gernrode, Bad Suderode und Rieder trägt zudem dem
eindeutig geäußerten Bürgerwillen und den von den Vertretungen der betroffenen
Gemeinden mehrmals zum Ausdruck gebrachten Bekundungen, die örtlichen
Verbundenheiten zwischen ihren Orten auch im Rahmen einer Neugliederung zu bewahren.
Die Bedeutung der örtlichen Verbundenheit für die Neugliederung der Gemeinden hebt
bereits § 2 Abs. 1 GemNeuglGrG hervor, indem diese Regelung u.a. bestimmt, dass bei der
Neugliederung die örtlichen Zusammenhänge berücksichtigt werden sollen. Über dieses
einfachrechtliche Gebot hinaus ist auch der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten, die
Bedeutung der örtlichen Verbundenheit der Gemeindeeinwohner in seine Abwägung
102
einzubeziehen. Denn ein etwaiger Verlust an kommunaler Verbundenheit ist schon mit Blick
auf die Demokratiefunktion der Selbstverwaltung von verfassungsrechtlichem Belang.
In der Abwägung ist nach alledem den übergeordneten Belangen der Landesentwicklung an
einer Stärkung der Mittelzentren und insbesondere den Interessen der von der
Neugliederungsmaßnahme betroffenen Gemeinden am Erhalt ihrer örtlichen und
strukturellen Verbundenheiten der Vorrang einzuräumen. Eine gemeinsame Zuordnung von
Gernrode, Bad Suderode und Rieder würde zwar zu einer größeren Einwohnerzahl der Stadt
Ballenstedt führen. Der Gesichtspunkt eines Einwohnerzugewinns kann allerdings nicht
losgelöst betrachtet werden von den finanziellen Folgen, welche auf die Stadt Ballenstedt bei
einer Eingliederung von Gernrode, Bad Suderode und Rieder zukommen würden. Gerade
die Gemeinde Bad Suderode hat mit der seit Jahren defizitären Kureinrichtung große
finanzielle Probleme, die zu lösen, wie oben dargestellt, in einem Zusammenschluss mit dem
Mittelzentrum Quedlinburg möglich sind.
Die aus Ballenstedt und Radisleben gebildete Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt ist auch
ohne eine Zuordnung weiterer Gemeinden leitbildgerecht. Im Falle der Stadt Ballenstedt liegt
eine atypische Konstellation vor, die ein Abweichen von der Regelmindesteinwohnergröße
nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GemNeuglGrG begründet. Vorliegend besteht eine besondere
geografische Lage, die nach § 2 Abs. 3 Satz 2 GemNeuglGrG eine Ausnahme von der
regelmäßigen Mindestgröße einer Einheitsgemeinde von 10 000 rechtfertigt und die Bildung
einer Einheitsgemeinde mit mindestens 8 000 Einwohnern zulässt. So grenzt im Osten der
Stadt Ballenstedt die Stadt Falkenstein/Harz an, die zum 1. Januar 2002 rechtmäßig als
Einheitsgemeinde gebildet wurde und als solche Bestandsschutz genießt. Die Stadt
Falkenstein/Harz bleibt aufgrund des ihr zukommenden Bestandsschutzes von der
Gemeindegebietsreform unberührt und ist kraft Gesetzes nicht zu weiteren Neugliederungen
aufgefordert. Im Nordosten von Ballenstedt verläuft über etwa 5 km die Gemeindegrenze zur
Stadt Quedlinburg. Raumordnerische, siedlungsstrukturelle und verkehrliche Verbindungen
zwischen der Stadt Quedlinburg und der Stadt Ballenstedt lassen sich nicht erkennen. Die
Stadt Ballenstedt mit ihrem Siedlungskern ist zwar nur ca. 10 km Luftlinie von Quedlinburg
entfernt. Unmittelbare verkehrliche Verbindungen bestehen indes nicht. Im Norden wird die
Stadt Ballenstedt durch ihre unmittelbare Angrenzung an die Landkreisgrenze zum
Salzlandkreis räumlich abgegrenzt.
V.
Abwägungsergebnis
Im Ergebnis der Abwägung werden die Stadt Gernrode und die Gemeinden Bad Suderode
und Rieder in die Stadt Quedlinburg eingegliedert. Die Zuordnung von Gernrode, Bad
Suderode und Rieder in die Stadt Quedlinburg entspricht den im GemeindeneugliederungsGrundsätzegesetz konkretisierten und verfassungsgemäßen Gemeinwohlaspekten und trägt
auch dem in § 1 Abs. 2 GemNeuglGrG festgelegten Ziel der Gemeindegebietsreform zur
Stärkung der Mittelzentren des Landes Sachsen-Anhalt Rechnung. Die zur Eingliederung der
Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder in die Stadt Quedlinburg
niedergelegten Gemeinwohlgründe überwiegen im Interesse der mit der Reform zu
verwirklichenden Ziele nach Abwägung die örtlichen Belange der einzugliedernden
Gemeinden am Erhalt ihrer Eigenständigkeit. Der Eingriff in das den Gemeinden gewährte
kommunale Selbstverwaltungsrecht ist gerechtfertigt und verhältnismäßig.
103
Zu § 5
Diese Vorschrift regelt den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes. Sie sieht hierbei ein
zeitlich unterschiedliches in Kraft setzen der einzelnen Neugliederungen vor:
Während die Eingemeindungen nach §§ 1 bis 3 am Tage nach der Verkündung des Gesetzes
in Kraft treten, sollen die Eingemeindungen nach § 4 erst zum 1. Januar 2011 in Kraft treten.
Das unterschiedliche Inkrafttreten berücksichtigt die besondere Lage der zuzuordnenden
Gemeinden:
Die nach §§ 1 und 2 zuzuordnenden Gemeinden werden nach § 2 Abs. 5 Satz 3
GemNeuglGrG in der Übergangsphase bis zur gesetzgeberischen Entscheidung von den neu
entstandenen Einheitsgemeinde mitverwaltet. Die Einheitsgemeinde nimmt nach dem
ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers die den zuzuordnenden Gemeinden obliegenden
Aufgaben wahr. Um hier alsbald Rechtsklarheit zu erlangen und die Übergangsphase zu
beenden, sollen die Zuordnungen am Tage nach der Verkündung des Gesetzes wirksam
werden.
Im Falle des § 3 wird die zuzuordnende Gemeinde in eine Trägergemeinde nach § 75 Abs. 3
GO LSA eingemeindet. In Trägergemeinden ist nach § 57 Abs. 1 Satz 2 GO LSA der
Bürgermeister hauptamtlicher Beamter auf Zeit. Insoweit bedarf es als Folge der
Eingemeindung in die Trägergemeinden keiner Wahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters für
die neue Einheitsgemeinde. Die Eingemeindung macht darüber hinaus keine
Auseinandersetzungsvereinbarung als Folge der Auflösung der Verwaltungsgemeinschaft
erforderlich, da die Eingemeindung innerhalb der Grenzen der bestehenden
Verwaltungsgemeinschaft erfolgt.
Die Eingemeindungen nach § 4 hingegen werden zum 1. Januar 2011 wirksam. Die zwischen
der Entscheidung des Plenums und dem Inkrafttreten liegende Zeitspanne berücksichtigt,
dass sich aus dem Ausführungsgesetz zur Gemeindegebietsreform besondere Forderungen
an die Gemeinden zum Vollzug der Gebietsänderung ergeben. Im Falle der Neugliederungen
nach § 4 wird die Verwaltungsgemeinschaft durch Verwaltungsgemeinschaftsgrenzen
überschreitende Eingemeindungen aufgelöst. Hier müssen nach § 3 des
Ausführungsgesetzes zur Gemeindegebietsreform bis zum 1. November 2010
Auseinandersetzungsvereinbarungen geschlossen werden.