Wirtschaftsleitfaden - Afghanistan - Perspektiven der
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Wirtschaft Wirtschaftsleitfaden - Afghanistan - Perspektiven der Zusammenarbeit - Über uns Foto: © karssar - iStockphoto.com Germany Trade & Invest ist die Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik Deutschland. Sie unterstützt deutsche Unternehmen, die ausländische Märkte erschließen wollen, mit Außenwirtschaftsinformationen. Germany Trade & Invest wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und vom Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Germany Trade and Invest Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH Villemombler Straße 76 53123 Bonn T. +49 (0)228 24993-0 F. +49 (0)228 24993-212 [email protected] www.gtai.de 2 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Inhalt 5 Geschichte, Politik, Sicherheit 5 Geschichte 6 Politisches System 7 Sicherheitslage 9 9 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Wirtschaftsstruktur und -entwicklung 10 Außenhandel 14 Staatsfinanzen 15 Landwirtschaft 15 Allgemeine Lage und Bedeutung 15 Produktion 16 Außenhandel 18 Geschäftschancen für deutsche Firmen 20 Kontaktadressen 21 Bergbau 21 Allgemeine Lage und Bedeutung 22 Gesetzlicher Rahmen 22 Regelung des Vergabeprozesses 23 Chancen und Herausforderungen für deutsche Firmen 24 Investitionen und Projekte 26 Kontaktadressen 27 Infrastruktur 27 Transport / Logistik 28 Elektrizität 28 Wasser 29 Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) 29 Bauwirtschaft 30 Chancen für deutsche Unternehmen 31 Branchenstruktur und Geschäftspraxis 31 Kontaktadressen 32 Rechtliche Rahmenbedingungen 32 Einleitung und Hintergrund 32 Handels- und Gesellschaftsrecht 34 Investitionsrecht 36 Arbeitsrecht / Arbeitnehmerentsendung Germany Trade & Invest www.gtai.de 3 38 Zoll und Einfuhrverfahren 38 Einfuhrabgaben, Zolltarif 39 Warenbegleitpapiere 39 Außertarifliche Zollbefreiungen 40 Besondere Zollverfahren 40 Einfuhrverbote und -beschränkungen 41 41 Werte 42 Verhaltensweisen 44 Risiken im Umgang mit staatlichen Einrichtungen 45 Auslandsfinanzierte Projekte und Ausschreibungen 45 Bedeutung staatlicher Aufträge 45 Umfang der Entwicklungszusammenarbeit 47 Deutsche Firmen und Entwicklungszusammenarbeit 47 Ausschreibungs-Plattformen 48 Umfang und Verwendung deutscher Entwicklungszusammenarbeit 49 Beschaffung von Zivilgütern 50 Kontaktadressen 51 51 53 Erfahrungen aus der Praxis Erfahrungen und Einschätzungen deutscher Firmen Interviews 53 ETC Power 55 Afghanyar Construction Company Limited (ACCL International) 57 Siemens Afghanistan 59 Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA) 60 4 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Kultureller Hintergrund Kontaktadressen und Informationsquellen Geschichte, Politik, Sicherheit Afghanistan, die Brücke zwischen West- und Südasien, war immer „Durchgangsland“. Alexander der Große und viele andere Herrscher des Iran und Zentralasiens haben das Land als Stützpunkt und Brücke für den Vorstoß nach Indien genutzt. Seit dem 7. Jahrhundert kam es zur Verbreitung des Islam, der die vorherigen Religionen und Glaubensrichtungen ablöste. Anfang des 19. Jahrhunderts versuchten die Kolonialmächte Großbritannien und Russland zunehmend, Afghanistan unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Festlegung der Durand-Linie als Grenzverlauf zwischen Afghanistan und BritischIndien waren zwei blutige Kriege zwischen England und Afghanistan (1839 bis 1842 und 1878 bis 1890) vorausgegangen. Diese Grenzziehung, die bis heute gilt, fasste zahlreiche unterschiedliche Ethnien und Gesellschaftsstrukturen zusammen. Der dritte Anglo-Afghanische Krieg führte 1919 schließlich zur Unabhängigkeit Afghanistans, das in den Folgejahren die Beziehungen zur UdSSR ausbaute. Seit Mitte der 1970er-Jahre herrschte ein blutiger Bürgerkrieg zwischen kommunistischen und religiösen Milizen. Zwischen 1979 und 1989 besetzten sowjetische Truppen das Land. Afghanistan wurde durch den jahrelangen Krieg weitgehend zerstört und fragmentiert, gleichzeitig erstarkten radikale islamische Kräfte. Der Bürgerkrieg ließ das Land in Stammesgebiete nach Pakistan flohen. Im Dezember 2001 wurde auf der Petersberg-Konferenz eine Übergangsregierung gebildet, der Paschtunenführer Hamid Karzai zum Regierungschef ernannt. Usbekistan Tadschikistan Turkmenistan China Kundus Towraghondi Kabul Herat Jalalabad Shindand Iran Lashkar Gah Ghazni Kandahar Zaranj Pakistan ien Geschichte die Einflussbereiche von Warlords und Stammesfürsten zerfallen, die Sicherheit im Sinne von Unternehmen verkauften und Gewalt zur Durchsetzung ihrer ökonomischen Ziele einsetzten. In d Geschichte, Politik, Sicherheit Im Jahr 1994 übernahmen die Taliban die Kontrolle über das südliche Paschtunistan entlang der pakistanischen Grenze. Seit der Grenzziehung im 19. Jahrhundert bestimmt die Forderung nach einem autonomen Paschtunenstaat Afghanistans Innenpolitik und die Beziehungen zu Pakistan. Die Taliban wollen bis heute einen Gottesstaat nach frühislamischem Vorbild errichten. Ihre strenge Sittenmoral entspricht in vielen Punkten jedoch mehr dem Ehrbegriff des paschtunischen Verhaltenskodex (Paschtunwali) als dem islamischen Recht. Der 11. September 2001 verdeutlichte die Rolle Afghanistans als Rückzugsgebiet militanter globaler Netzwerke. Die Operation „Enduring Freedom“ entmachtete die Taliban, die daraufhin zum Teil in die paschtunischen Afghanistan setzt sich aus vielen verschiedenen Ethnien, Sprachen und Religionen zusammen. Zum Islam bekennen sich 99% der Afghanen, die Mehrheit davon sind Sunniten; Schiiten sind nach groben Schätzungen 15 bis 30%. Daneben gibt es nichtmuslimische Minderheiten in den Städten, vor allem Hindus und Sikhs. In Afghanistan sind über 30 Sprachen im Gebrauch, die zu unterschiedlichen Sprachfamilien gehören. Dari und Paschtu sind die beiden Amtssprachen, im Norden und Nordwesten sind außerdem Usbekisch, Turkmenisch und Tadschikisch verbreitet. Die unzähligen Ethnien lassen sich oft schwer voneinander unterscheiden, zumal auf keine offiziellen Volkszählungen zurückgegriffen werden kann. Viel wichtiger als die Germany Trade & Invest www.gtai.de 5 Geschichte, Politik, Sicherheit ethnische Identität ist den Afghanen ihre lokale, stammesmäßige und familiäre Zugehörigkeit. Die lokalen Machtstrukturen sind recht facettenreich und umfassen sowohl Ordnungstrupps auf Dorf- oder Stammesebene als auch professionelle Milizen und militante Oppositionsgruppen. In Paktia, im Südosten des Landes, leben beispielsweise vornehmlich paschtunische Stämme. Die Identität mit dem Stamm sowie die Einhaltung des Ehren- und Rechtskodex (Paschtunwali) sind maßgeblich. Entscheidungen werden im Konsens in der Stammesversammlung (Jirga) getroffen. Die Stämme verfügen auch über ihre eigenen Polizeieinheiten, der Einfluss des Staates ist sehr gering. Politisches System Seit der Verabschiedung der bis heute gültigen Verfassung im Jahr 2004 ist Afghanistan eine Islamische Republik mit einem präsidialen Regierungssystem. Die Verfassung gilt de jure als eine der demokratischsten der islamischen Welt und sieht die Gleichberechtigung der Angehörigen aller Religionen und ethnischen Gruppen sowie der Geschlechter vor. Das Volk wählt den Präsidenten direkt für eine Dauer von fünf Jahren. Hamid Karzai ist seit 2001 Staats- und Regierungsoberhaupt sowie Oberbefehlshaber des Militärs. Die Nationalversammlung stellt die Legislative dar, die Judikative setzt sich aus dem Obersten Gerichtshof, dem Berufungsgericht und kleineren Fachgerichten zusammen. In der Realität allerdings ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung seit 2004 zunehmend gesunken, Korruption als Mittel zur Machtsicherung ist weit verbreitet. Laut Transparency International 2009 sind Afghanistan und Somalia die korruptesten Länder weltweit. Foto: © GIZ Die Situation in Kundus im Nordosten unterscheidet sich stark davon: Dort konzentriert sich die Macht auf die einzelnen Dörfer, bewaffnete Kommandeure sind durch ihre ethnische Herkunft mit anderen Kriegsfürsten verbunden. Im südafghanischen Kandahar wiederum sind die paschtunischen Stämme in großen Stammesverbänden organisiert, durch die starke Hierarchisierung bilden sich einzelne einflussreiche Machthaber heraus. Die lokalen Machtstrukturen sind demnach sehr unterschiedlich und werden durch ökonomische Faktoren beeinflusst, beispielsweise dem Drogenhandel. 6 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Der afghanische Staat geht noch nicht ausreichend dagegen vor, Unterschlagungen sind nur selten nachweisbar. Die Bevölkerung bezeichnete die Korruption in einer aktuellen Umfrage noch vor der Sicherheitslage und der hohen Arbeitslosigkeit als das größte Problem des Landes. Das große Ausmaß an Korruption wird vor allem der internationalen Hilfe angelastet. Mehr als zwei Drittel der Afghanen sind überzeugt, dass ein erheblicher Teil der Gelder die Bevölkerung nie erreicht. Eine vermeintliche Involvierung der afghanischen Regierung wird weniger vermutet. Die afghanische Regierung indes sieht sich immer wieder mit Vorwürfen der internationalen Gemeinschaft konfrontiert, die Bekämpfung der Korruption nicht angemessen voranzutreiben. Die Provinzgouverneure besitzen auf lokaler Ebene mehr Einfluss als die Zentralregierung in Kabul. Überhaupt gestaltet sich die Zentralisierung des Landes nach Jahrzehnten des Krieges schwierig. Die einzelnen Gouverneure werden zudem meist nicht nach Qualifikation, sondern nach Klientelinteressen eingesetzt. Dem Aufbau staatlicher Strukturen steht die Bevölkerung eher skeptisch gegenüber, wie die Bundesregierung im „Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages“ vom Dezember 2010 festhält. Verwaltungsund Justizapparat verfügen über schlecht ausgebildetes Personal und mangelnde Infrastruktur. Auch hier beherrschen Eigeninteressen die Entscheidungen. Vier Fünftel der Bevölkerung konsultieren nach wie vor das informelle, traditionell geprägte Rechtssystem der Stammes- und Dorfräte (Schuren und Jirgas), vor allem auf dem Land. Der duale Charakter der Verfassung, der Demokratie nur unter Vorbehalt der Scharia zulässt, behindert so in vielen Bereichen immens den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit. Die Menschenrechte wurden in den letzten Jahren langsam, aber stetig besser gewahrt. Besonders Frauen haben nun besseren Zugang zu Bildung und Gesundheitswesen sowie Möglichkeiten zur politischen Partizipation. Auch die Zivilgesellschaft wächst, zahlreiche nationale und internationale Organisationen haben sich im Land etabliert. Die Medienlandschaft hat sich in den vergangenen Jahren ebenso erweitert und sich pluralistischer ausgestaltet. Eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und religiösen Themen bleibt allerdings weiterhin schwierig. Zivilgesellschaftliche Akteure, insbesondere die Medien, sind auch auf lokaler Ebene immer wieder Versuchen der politischen Einflussnahme ausgesetzt; ihre Arbeit ist zudem traditionell-religiösen Dogmen unterworfen. Seit 2001 wurden zwar wesentliche staatliche Institutionen neu geschaffen, die Fortschritte bei „guter Regierungsführung“ bleiben nach Auffassung der Bundesregierung jedoch gering. Hierzu müsse auf afghanischer Seite ein Bewusstseinswandel erfolgen. Im Jahr 2005 fanden die ersten Parlaments- und Provinzratswahlen seit über 30 Jahren statt. Trotz Anschlagsdrohungen lag die Wahlbeteiligung bei 54%. Bei den Präsidentschaftswahlen 2009 wurde Karzai im Amt bestätigt, nachdem es Berichten zufolge im ersten Wahlgang Manipulationen gegeben hatte. Die Parlamentswahlen von 2010 wurden von der brisanten Sicherheitslage überschattet. Im selben Jahr hat die afghanische Regierung erste Schritte zu einer politischen Konfliktlösung mit den Aufständischen eingeleitet. So werden Verhandlungen mit Talibanchefs geführt. Dies soll die Gruppe entradikalisieren und entmilitarisieren, damit sie in den politischen Aussöhnungsprozess eingegliedert werden kann. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob und inwieweit mit diesen Versuchen eine nachhaltige sicherheitspolitische Stabilisierung erreicht werden kann. Sicherheitslage Nach dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 stimmte der Sicherheitsrat der UN für die Schaffung einer International Security Assistance Force (ISAF). Ziel war, einen souveränen und stabilen Staat zu schaffen. Dieses Ziel konnte bisher allerdings nur ansatzweise umgesetzt werden. So hat sich seit 2006 die Sicherheitslage in Afghanistan deutlich verschlechtert. Als Gründe gelten ungenügende Kapazitäten der nationalen und internationalen Sicherheitskräfte und zunehmende bewaffnete Aufstände im pakistanischen Grenzgebiet. Die NATO reagierte auf diese Gewalteskalation mit einer Aufstockung ihres Truppenkontingents. Ende Juli 2006 übernahm die NATO-geführte ISAF im unruhigen Süden das Kommando von den US-Truppen. Neben den Aufständischen bedrohen weitere regierungsfeindliche Germany Trade & Invest www.gtai.de 7 Geschichte, Politik, Sicherheit Gruppierungen, internationale Terrornetzwerke, Drogenkriminalität und ethnische Konflikte die Sicherheit der Bevölkerung und der internationalen Truppen. Die regierungsfeindlichen Kräfte arbeiten im Norden laut Fortschrittsbericht meist mit Kriminellen aus dem Drogenmilieu und lokalen Machthabern zusammen. Sie wollen die Entwicklung eines starken und durchsetzungsfähigen Staates verhindern, um ihre eigenen Ziele - oftmals mit Gewalt - durchzusetzen. Für die Stabilisierung des afghanischen Staates ist nach Ansicht der Beteiligten der Ausbau der lokalen Sicherheitskräfte notwendig. Derzeit sind etwa 150.000 afghanische Soldaten und 113.000 Polizeikräfte aufgestellt. Bis Ende 2011 soll die Präsenz auf 306.000 Mann ausgebaut werden. Deutschland beteiligt sich an der Ausbildung afghanischer Soldaten und bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen afghanischen und internationalen Vorstellungen. Beim Aufbau des afghanischen Polizeiwesens wurden Fortschritte erzielt. Hierzu zählen eine erhöhte Ausbildungskapazität sowie eine bessere Ausstattung der 8 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan lokalen Polizei. Bei Ausbildung und Finanzierung wird Afghanistan weiterhin auf internationale Unterstützung angewiesen sein. Deutschland verwendet einen Teil seiner zur Verfügung gestellten Mittel zur Förderung der Infrastruktur und zum Ausbau von Trainingszentren. Heute konzentriert sich das internationale Kontingent nur noch auf den Bereich der Sicherheit. Die ISAFKräfte waren bis 2003 nur in Kabul stationiert, bis Ende 2006 wurden regionale Kommandos geschaffen. Nachdem 2010 ein Rückgang der bewaffneten Aufstände zu verzeichnen war und die Lage in der Hauptstadt Kabul relativ ruhig ist, sichern die ISAF-Kräfte heute die Arbeit ziviler Organisation und der afghanischen Regierung. Ende 2011 soll die schrittweise Übergabe des Sicherheitsbereiches an die afghanischen Sicherheitskräfte erfolgen. Deutschland hat auch darüber hinaus seine Unterstützung bei der Ausbildung der Sicherheitskräfte zugesagt. Was die Sicherheitslage betrifft, gibt es große regionale sowie saisonale Unterschiede. Die südliche, süd- westliche und östliche Region des Landes ist besonders unsicher. Der Norden, der im deutschen Verantwortungsbereich liegt, gilt dagegen als relativ stabil. Jedoch hat sich auch hier die Zahl der Anschläge seit 2006 deutlich erhöht. Die vermehrten Attentate in Kundus und Faryab erklären sich unter anderem mit der verstärkten Rückführung paschtunischer Flüchtlinge, die im Norden eine Minderheit bilden, aus Pakistan. Wer nach Afghanistan reist, sollte daher zuvor beim Auswärtigen Amt Erkundigungen über die aktuelle Lage einholen. Im Moment (Ende Mai 2011) rät das Amt von Reisen nach Afghanistan ab. „Wer dennoch reist, muss sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein“ (www.auswaertiges-amt.de/ DE/Laenderinformationen/00-SiHi/ AfghanistanSicherheit.html). Für die Einreise nach Afghanistan ist ein Visum erforderlich, das bei der afghanischen Botschaft in Berlin beantragt werden kann. Samira Akrach (Nah- und MittelostVerein) Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Wirtschaftsstruktur und -entwicklung Afghanistan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und belegte beim Human Development Index von 2009 weltweit den vorletzten Platz. Trotz erheblicher Fortschritte im wirtschaftlichen und sozialen Bereich seit 2001 und hoher ökonomischer Wachstumsraten bleibt die Entwicklung der Wirtschaft stark von der Sicherheitslage abhängig. Stabilste Regionen sind der Norden und der Westen des Landes. Dort konnten sich in den Städten Mazar-e Sharif und Herat kleine industrielle Zonen entwickeln. Vor dem Hintergrund politischer Unsicherheiten und fehlender Rechtsstaatlichkeit spielen sich über vier Fünftel der Wirtschaft im informellen Sektor ab. Insofern sind die offiziellen Zahlen lediglich eine Annäherung an die Wirklichkeit. Je nach Quelle differieren einzelne Daten beträchtlich. Nach offiziellen Zahlen stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2009 um über 22%. Gründe waren eine Rekordernte und ein florierender Dienstleistungssektor, der wiederum von der hohen finanziellen Unterstützung des Auslands gespeist wird. Für 2010 bis 2012 schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF) das BIP-Wachstum auf immer noch 7 bis 8% pro Jahr. Der Wert des Geldes hat laut IWF 2009 sogar zugenommen, während die - zuvor Wirtschaftliche Eckdaten Indikator 2006 2007 2008 2009 BIP-Wachstum (real, %) 8,2 14,2 3,4 22,5 BIP pro Kopf (gerundet, US$) 300 370 440 500 BIP pro Kopf (Kaufkraftparität, US$) *) 620 708 724 856 BIP (Mrd. US$) 7,7 9,7 12,0 14,2 .Landwirtschaft 38,8 37,5 31,6 k.A. .Industrie, Bau 26,6 24,9 26,3 k.A. .Dienstleistungen 34,5 37,6 42,1 k.A. .Privatkonsum 98,4 98,1 97,9 k.A. .Staatskonsum 9,9 10,6 10,0 k.A. .Bruttoanlageinvestitionen 32,8 30,6 27,6 k.A. .Exporte 22,9 17,3 17,2 k.A. .Importe 64,0 56,6 52,7 k.A. Bevölkerung (Mio.) 25,4 26,3 27,2 28,2 Exporte (fob, Mrd. US$) 0,42 0,45 0,55 0,40 Importe (cif, Mrd. US$) 2,74 3,02 3,02 3,34 5,1 13,0 26,8 -12,2 Entstehung (Anteil in %): *) Verwendung (Anteil in %) *) Inflation (%) *) *) Fiskaljahr (21.3. bis 20.3.) Quellen: Internationaler Währungsfonds (IWF; BIP nach Kaufkraftparität, Inflation); Asian Development Bank (ADB; BIP-Zusammensetzung, Außenhandel); Economist Intelligence Unit (EIU; übrige Werte) sehr hohe - Inflation in den beiden Folgejahren wieder knapp zweistellig ausfallen dürfte. Im Laufe der letzten Jahre haben sich die Anteile der einzelnen Wirtschaftssektoren am BIP verschoben. Die Landwirtschaft bildet nach wie vor die Haupteinnahmequelle der vorwiegend ländlichen Bevölkerung. Nach Zahlen der Asian De- velopment Bank (ADB) waren dort 2004 noch 70% aller Beschäftigten tätig, und vier von fünf Afghanen leben auf dem Land. Allerdings nahm der Anteil des primären Sektors am BIP laut ADB zwischen 2002 und 2008 von 45 auf 32% ab. Gleichzeitig stieg der Beitrag von Industrie und Bau von 20 auf 26%. Die Bauwirtschaft erlebte in den Germany Trade & Invest www.gtai.de 9 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen letzten Jahren einen regelrechten Boom. Sie erbrachte 2008 gut 9% der Wirtschaftsleistung. Der Anteil der Dienstleistungen erhöhte sich im genannten Zeitraum von 35 auf 42%. Besonders rasant entwickelt sich die Telekommunikation. Mittlerweile gibt es nach Branchenschätzung 17 Mio. MobilfunkNutzer im Land, nachdem 2002 praktisch noch niemand ein Handy hatte. Bei der Zentralbank sind 14 Geschäftsbanken registriert. Das größte Kreditinstitut ist die Kabul Bank, die in jüngerer Zeit wegen Missmanagements kritisiert worden ist. Afghanistan ist reich an Ressourcen, die aber derzeit kaum genutzt werden - es fehlt an Infrastruktur, Transportmöglichkeiten, verarbeitender Industrie und nicht zuletzt an Sicherheit. Großes Potenzial besteht im Bergbau, speziell in der Förderung von Kupfer und Eisen. Nach Angaben der deutschen Botschaft in Kabul lockt Afghanistan immer mehr ausländische Investoren an, darunter auch eine Reihe deutscher Unternehmen. Schwerpunktsektoren ausländischer Unternehmen sind demnach Bauwirtschaft, Telekommunikation, Leichtindustrie, Beratungs- und Dienstleistungen sowie die Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Wichtigster Faktor der afghanischen Schattenwirtschaft bleibt der Drogenhandel, für den Afghanistan ein Zentrum ist. Mitte der 2000erJahre ist das Land zum weltweit 10 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan führenden Drogenproduzenten avanciert. Derzeit beträgt der Anteil am illegalen Weltmarkt für Opiate (Opium, Morphin, Heroin) 93%. Seit kurzem ist Afghanistan nach Angaben der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin auch wieder zum führenden Produzenten von Cannabis (Haschisch) geworden. Mohn und Opium werden zumeist in den Westen geschmuggelt, der Drogenkonsum hat aber auch immense Probleme für die Bevölkerung Afghanistans und der umliegenden Staaten geschaffen. Afghanistan bleibt auf finanzielle Unterstützung vom Ausland angewiesen. Die Beiträge der internationalen Entwicklungszusammenarbeit sind zwischen 2001 und 2008 verzehnfacht worden. Innerhalb der EU ist Deutschland inzwischen führender Geber. Die KfW Entwicklungsbank und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sind in einer Vielzahl von Programmen aktiv. Die daran beteiligten ausländischen Firmen kommen oft aus Deutschland. Außenhandel Importe halten manche Wirtschaftsbereiche Afghanistans buchstäblich am Leben. Viele der eingesetzten Güter stammen aus dem Ausland, so muss selbst die Bauwirtschaft fast allen Zement und den Großteil der anderen benötigten Materialien importieren. Die amtlichen Zahlen zum Außenhandel spiegeln dies nur im Ansatz wider. Selbst im Statistischen Jahrbuch Afghanistans ist vermerkt, die aufgeführten Zahlen umfassten keine geschmuggelten, reexportierten und Duty-Free-Güter. Offiziell betrugen die Exporte 2008 dem Jahrbuch zufolge gut 0,5 Mrd. US$ und die Importe 3 Mrd. US$. Die Economist Intelligence Unit (EIU) nennt 2,2 Mrd. beziehungsweise 8,8 Mrd. US$, was in etwa den Daten der Zahlungsbilanz entspricht. Die EIU-Werte hätten 2008 immerhin drei Viertel der Wirtschaftsleistung entsprochen, bei einem Handelsbilanzdefizit von stolzen 55% des BIP. Die geringen, offiziell ausgewiesenen Exporte Afghanistans bestehen hauptsächlich aus getrocknetem Obst und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Teppiche als zweitwichtigste Ausfuhrware gelten als Industrieprodukt. Bei den Einfuhren entfällt wertmäßig der größte Einzelposten auf Treibstoffe. Es folgen Autos und Maschinen, Nahrungsmittel und Haushaltsartikel. Das Importwachstum wird sich in den nächsten beiden Jahren nach Einschätzung der EIU verlangsamen. Kapitalgüter spielen demnach eine größere Rolle, hauptsächlich wegen des Aufbaus der Kupfermine Aynak. Bedarf sollte auch die Erstellung von Infrastruktur mit ausländischem Geld schaffen. Der gesamte Außenhandel dürfte von größerem Transithandel zwischen Pakistan und den zentralasiatischen Republiken profitieren. Rückenwind erhoffen sich die Verantwortlichen durch das Afghan-Pakistan Transit Trade Agreement, das im Oktober 2010 unterzeichnet wurde und den letzten Informationen zufolge Mitte 2011 in Kraft treten sollte. Exporte (Mio. US$, fob) *) 550 n 2008 n 2009 545 500 450 403 400 350 300 250 245 200 199 181 148 150 50 11 0 Insgesamt Getrocknetes Obst Teppiche 41 29 Heilpflanzen 23 Frisches Obst 21 6 Felle, Häute *) Fiskaljahr (laut Quelle) Quelle: Afghanistan Statistical Yearbook 2009-2010 © Germany Trade & Invest 100 Importe (Mio. US$, cif) *) n 2008 n 2009 3500 3000 3.337 3.020 2500 2000 1500 546 740 576 688 500 594 277 646 500 587 328 433 317 0 Insgesamt Öl, Treibstoff Maschinen, Ausrüstungen *) Fiskaljahr (laut Quelle) Quelle: Afghanistan Statistical Yearbook 2009-2010 Kfz Medikamente, Haushaltsartikel Nahrungsmittel Metalle © Germany Trade & Invest 1000 Germany Trade & Invest www.gtai.de 11 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Hauptabnehmerländer (Mio. US$, fob) *) 550 n 2008 n 2009 545 500 450 403 400 350 300 264 250 191 200 150 136 100 50 37 41 18 26 Insgesamt Pakistan Indien 17 2 0 Iran Russland USA *) Fiskaljahr (laut Quelle) Quelle: Afghanistan Statistical Yearbook 2009-2010 © Germany Trade & Invest 76 Hauptlieferländer (Mio. US$, cif) *) n 2008 n 2009 3500 3.020 3.337 3000 2500 2000 1500 1000 501 500 430 360 368 337 489 308 165 291 98 198 200 177 0 Insgesamt Usbekistan VR China *) Fiskaljahr (laut Quelle) Quelle: Afghanistan Statistical Yearbook 2009-2010 12 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Japan Pakistan Kasachstan Russland Iran 65 145 Deutschland 65 145 Indien © Germany Trade & Invest 876 Wichtigste Handelspartner Afghanistans sind die Nachbarländer. Bedeutendster Kunde ist Pakistan, führende Lieferländer waren 2009 Usbekistan und die VR China. Teppiche die Grenzen. Es ist anzunehmen, dass deutsche Exporteure etliche Lieferungen über die VAE und andere Drittländer abwickeln. Euler Hermes wies von 2008 bis 2011 zu keinem Zeitpunkt ein Deckungsvolumen im AfghanistanGeschäft aus, es hatte also keine Geschäfte über den Kreditversicherer gegeben. In den Jahren davor hatte es ebenfalls nur wenige Transaktionen geben. Foto: © ACCI Für Deutschlands Außenhandel hat Afghanistan kaum Bedeutung. Als Kunde kam das Land am Hindukusch 2010 mit immerhin 269 Mio. Euro Exportwert auf den 91. Rang, hinter den Marshallinseln und vor Island. Unter den Lieferanten lag Afghanistan mit nur 24 Mio. Euro abgeschlagen auf dem 136. Platz, eingerahmt von Jordanien und Nicaragua. Deutschland verkauft nach Afghanistan im Wesentlichen Fahrzeuge, Maschinen, Elektrotechnik und andere Industriewaren. Umgekehrt passieren mehrheitlich Obst und Deutsche Importe aus Afghanistan (Mio. Euro) Produkt 2008 2009 2010 Genießbare Früchte und Nüsse 0,89 2,19 13,50 Zusammenstellung verschiedener Waren 0,30 0,17 8,55 Teppiche, Fußbodenbelag aus Spinnstoff 0,70 0,37 0,47 Elektrotechnische Erzeugnisse 0,13 0,76 0,01 Pelzfelle, künstliches Pelzwerk 0,39 0,12 0,18 Waren aus Eisen oder Stahl 0,00 0,28 0,27 Maschinen, Apparate, mechanische Geräte 0,04 0,02 0,33 Ölsamen, Heilpflanzen 0,05 0,09 0,22 Ätherische Öle, Riech-, Schönheitsmittel 0,11 0,13 0,00 Insgesamt 2,76 4,24 23,71 Quelle: Statistisches Bundesamt Germany Trade & Invest www.gtai.de 13 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Deutsche Exporte nach Afghanistan (Mio. Euro) Produkt 2008 2009 2010 Kraftfahrzeuge 87,2 94,1 104,5 Maschinen, Apparate, mechanische Geräte 38,1 30,3 18,2 Elektrotechnische Erzeugnisse 26,3 16,5 24,2 Möbel, Beleuchtungskörper 19,6 10,1 16,5 Zusammenstellung verschiedener Waren 12,0 4,8 28,4 Verschiedene Lebensmittelzubereitungen 12,1 10,3 9,2 Schienenfahrzeuge 13,7 4,4 8,6 Waren aus Eisen/Stahl 12,1 3,9 5,0 Optische, photographische Erzeugnisse 5,8 7,0 5,4 Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten, Essig 4,7 5,3 5,5 267,5 224,9 269,1 Insgesamt Quelle: Statistisches Bundesamt Staatsfinanzen Afghanistans Staat hängt finanziell am Tropf des Auslands, das für einen großen Teil des Budgets aufkommt. Die Staatseinnahmen aus dem Land selbst erreichten 2009/2010 laut IWF nur gut 10% des BIP. Dieser Anteil soll im Folgejahr knapp 11% erreichen, er bleibt damit im weltweiten Vergleich jedoch einer der niedrigsten. Im Vergleich zum Beginn des Wiederaufbaus allerdings haben sich die Staatsfinanzen positiv entwickelt, zumal die Einnahmen 2002/2003 nur gut 3% des BIP erreicht hatten. Grund für die deutlichen Einnahmesteigerungen des Fiskus in den letzten Jahren waren ein großes Plus bei den Einkünften aus Zöllen sowie mehr Zuflüsse aus der Vergabe von Mobilfunklizenzen und aus Steuern auf Einkommen, 14 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Gewinne und Umsätze. Reformen des Finanzministeriums mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft machten es möglich, die mit dem IWF vereinbarten Zielmarken sogar zu übertreffen. Damit konnte der afghanische Staat zuletzt einen größeren Teil der laufenden Kosten durch eigene Einnahmen decken. Steigende Ausgaben für die Sicherheit erschweren in den kommenden Jahren jedoch eine weitere Zunahme, zumal Afghanistan schrittweise einen größeren Eigenbeitrag zur Finanzierung seiner Sicherheitskräfte leisten soll. Entlastet wurde der Fiskus durch verschiedene Schuldenerlasse, die laut IWF insgesamt 96% der 12 Mrd. US$ Auslandsschulden von 2006 tilgten. Die Bundesregierung hat sämtliche Altschulden erlassen. Prüfungen der Weltbank aus den Jahren 2005 und 2008 haben ergeben, dass sich das Fiskalwesen verbessert hat. Afghanistan wurde deutlich besser bewertet als vergleichbare Länder mit niedrigem Einkommen. Die Regierung hatte Verwaltungsvorschriften zu öffentlichen Ausschreibungen erneuert und die Finanzämter in den Provinzen reformiert. Dennoch gibt es weiterhin Probleme bei der Umsetzung von Investitionsvorhaben: Im Haushaltsjahr 2009/10 wurden nur 39% der budgetierten Investitionen umgesetzt, nachdem es zwei Jahre zuvor immerhin noch 54% waren. Als Ursachen sind neben unzureichenden Kenntnissen über die neuen Ausschreibungsverfahren auch unrealistische Haushaltsansätze und Verzögerungen durch Probleme mit der Sicherheit zu nennen. Samira Akrach (Nah- und MittelostVerein) Landwirtschaft Landwirtschaft Allgemeine Lage und Bedeutung Die Landwirtschaft ist mit Abstand der wichtigste Wirtschaftssektor Afghanistans. Zusammen mit ihren Vorstufen und der Weiterverarbeitung sichert sie 85% der Bevölkerung den Lebensunterhalt. Etwa 46% der Landesfläche wird für Weidewirtschaft genutzt, 39% ist gebirgig oder bewohnt, 3% besteht aus Wald und nur 12% ist landwirtschaftlich nutzbar. Davon wiederum wird laut Afghanistan Statistical Yearbook derzeit nur die Hälfte kultiviert. Hauptsächlich angebaut wird Getreide (Weizen, Roggen, Reis), außerdem Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Obst und Nüsse. Foto: © ACCI Die Landwirtschaft beschränkt sich wegen Topografie und Klima im Wesentlichen auf die Gebirgsfußoasen am Nord-, West- und Südrand des zentralen Hochlandes, die Beckenlandschaften der Kabul-Region und die Flusstäler an der pakistanischen Grenze. Von entscheidender Bedeutung sind bewässerte Flächen. Trotz massiver Zerstörungen als Kriegsfolge liefern sie noch immer 85% der Ernten. Der Rückgang der Irrigationsfläche um 60% seit 1978 hat Afghanistan von einem Land, das sich nahezu selbst mit Nahrungsmitteln versorgt, zu einem größeren Importeur von Getreide, Obst und Gemüse gemacht. Seit 2001 hat der Agrarsektor seine Produktion durch den Einsatz verbesserter Anbaumethoden und Düngemitteln gesteigert. Die Erträge sind aber stark abhängig von den Witterungsbedingungen; so war 2008 ein Dürrejahr. Hinzu kommen Wassermangel und unzureichende Transport- und Lagerkapazitäten. Das afghanische Ministerium für ländlichen Wiederaufbau und Entwicklung gründete 2003 das National Solidarity Program, das von afghanischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen umgesetzt wird. Dazu hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bislang 44 Mio. Euro beigesteuert. Produktion Sortenvielfalt und Qualität des afghanischen Obstes sind berühmt. Wichtige Anbauregionen sind die Oase von Herat, die SchomaliEbene nördlich von Kabul (Weintrauben), die Oase von Kandahar (Granatäpfel) sowie das Panjshir-Tal (Aprikosen). Mit über 83% des Getreideverbrauchs ist Weizen das wichtigste Grundnahrungsmittel. Er ist zugleich Hauptanbauprodukt, sowohl auf bewässertem als auch auf nicht bewässerten Böden. In den subtropischen Gebieten des Südens und Südostens kommen Reis, Gerste und Hülsenfrüchte hinzu. Im Zuge der beginnenden agrarischen Modernisierung im 20. Jahrhundert wurden nicht heimische Anbaupflanzen wie Mais und Kartoffeln eingeführt, ebenso Baumwolle als Rohstoffpflanze für die sich entwickelnde Textilindustrie. kümmel (Cumin) und Süßholz gehören zu den bekanntesten Wildkräutern des Landes. Gemüse spielt im Anbau eine untergeordnete Rolle. Es wird von Kleinbauern für den Eigengebrauch und die Vermarktung auf dem lokalen Basar produziert. Unter 10% des bewässerten Landes wird für die Gemüseproduktion verwendet. Die Boden- und Klimabedingungen in der Region Herat sind ideal für die Produktion von Safran. Seit 2004 verdoppelt sich die Anbaumenge dort jährlich. Viehzucht wird in Afghanistan größtenteils extensiv betrieben. Die Hauptproduzenten sind paschtunische Nomaden, die hauptsächlich Schafe halten und in Wanderwirtschaft zwischen den Sommerweiden des zentralen Hochlandes und den wintermilden Steppen des Südwestens beziehungsweise der pakistanischen Indusebene ziehen. Das ausgedehnte, aber meist karge Grasland bietet für diese Nutzung gute Voraussetzungen. Die Zahl der Nomaden wird auf 1 Mio. geschätzt, der Anteil der Tierproduktion an der gesamten (wertmäßigen) Agrarproduktion auf etwa 30%. Lederverarbeitung gehört zu den bedeutenden ländlichen Einkommensquellen. Afghanistan gilt weltweit als einer der Hotspots der Biodiversität: In dem Land kommen über 4.000 Pflanzenarten vor. Fast ein Drittel davon ist endemisch, also ausschließlich dort heimisch. Kreuz- Germany Trade & Invest www.gtai.de 15 Landwirtschaft gel nach Pakistan stark in Mitleidenschaft gezogen. Landwirtschaftliche Produktion 2008 Produkt Wert (Mio. US$) *) Produktion (1.000 t) Weizen 376,0 2.623,0 Kuhmilch 348,3 1.390,8 Rindfleisch 275,0 132,3 Lammfleisch 171,9 86,9 Trauben 162,4 364,4 Gemüse (frisch), sonstiges 112,6 699,9 Reis 82,9 612,0 Ziegenfleisch 63,3 41,6 Schafsmilch 55,0 162,0 Mandeln mit Schale 43,9 42,0 Beeren, andere 39,2 47,0 Kartoffeln 37,7 280,0 Ziegenmilch 34,0 112,8 Sesamsamen 27,7 32,0 Baumwolle 27,5 18,5 Hähnchen 24,2 20,7 Gerste 23,3 333,0 Mais 22,2 280,0 Wassermelonen 20,9 200,0 Wolle, ungewaschen 16,2 12,8 *) Basis: internationale Preise Quelle: Food and Agriculture Organization (FAO) (http://faostat.fao.org/site/339/default.aspx) Fast alle Ziegen sind KaschmirZiegen. Die Qualität der Faser ist hochwertig und liegt dicht hinter der aus der Mongolei und China. Afghanistan ist der drittgrößte Produzent von Kaschmir-Faser. Rinderhaltung ist häufig als Nebenerwerb bei Kleinbauern der bewässerten Flussoasen zu finden. Kleinviehhaltung (Hühner, Ziegen) ist im ganzen Land bis in städtische Milieus hinein verbreitet. Forstwirtschaft gibt es kaum noch. Die ökologischen und ökonomischen 16 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Konsequenzen (Erosion, Mangel an Brennmaterial und Bauholz) sind schwer kalkulierbar und machen Wiederaufforstung zu einem wichtigen Aspekt. Die bestehenden Waldgebiete liegen im östlichen Landesteil, in Höhen ab 2.000 bis 4.000 m. Die Bestände, welche die Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen (FAO) für 1992 mit 1,9 Mio. ha angegeben hat, sind durch Raubbau (zur Brennholzgewinnung), Überweidung und jahrzehntelangen Kantholzschmug- Außenhandel Der bedrückende Zustand von Afghanistans Landwirtschaft und weiterverarbeitenden Branchen zeigt sich im Außenhandel. Mit dem Hauptausfuhrprodukt Obst (getrocknet und frisch) verdiente Afghanistan 2008 im Ausland gerade einmal 286 Mio. US$, so die nationale Statistik. Gleichzeitig summierten sich die Nahrungsmittelimporte auf 500 Mio. US$. Die FAO, die ihren Zahlen andere Berechnungen zugrunde legt und den illegalen Handel mit Daten der Partnerländer besser erfasst, kommt für 2008 gar auf Lebensmittelimporte von über 1,5 Mrd. US$. Die Daten zeigen auch, dass die Agrargüter bisher kaum weiterverarbeitet werden: Während Afghanistan viele Nahrungsmittel importieren muss, stehen auf der Ausfuhrliste praktisch nur landwirtschaftliche Roherzeugnisse. Bei Grundnahrungsmitteln ist Afghanistan seit dem Krieg im Wesentlichen auf Importe angewiesen. Davor war das Land in der Lage, sich mit allen wesentlichen Nahrungsmitteln selbst zu versorgen und in Einzelsegmenten sogar Weltmarktführer zu sein. Bis in die 1980er-Jahre hatten afghanische Trockenfrüchte einen Weltmarktanteil von nahezu 60%. Stark war das Land vor allem bei Rosinen, Aprikosen und Mandeln. Heute scheitert eine Verwertung für den Export an der unzureichenden Weiterverarbeitung der Früchte, sodass afghanisches Obst außerhalb der Landesgrenzen relativ selten angeboten wird. Der Agrarsektor war schon immer der wichtigste Teil der afghanischen Exportwirtschaft und wird dies auch auf absehbare Zukunft hin bleiben. Grund ist der Reichtum an natürlichen Ressourcen, die ideale Rahmenbedingungen für die Produktionen von Trockenfrüchten und Nüssen liefern, sowie die räumliche Nähe zu stark wachsenden Märkten (VR China, Indien, Pakistan, Iran), in denen Afghanistan historisch eine gute Marktposition hat. Geschäftschancen für deutsche Firmen Relativ kurzfristige Geschäftsmöglichkeiten bieten in Afghanistan der Einkauf landwirtschaftlicher Produkte und der Handel damit. Häufig fehlt es dafür an den notwendigen Strukturen in Produktion und Infrastruktur. Deshalb ist auch für Investitionen in Agribusiness und Weiterverarbeitung viel Platz. Das Land ist dem Codex Alimentarius beigetreten, dem internationalen Hygienestandard der FAO. Es hat die wesentlichen, international gültigen Hygienevorschriften für Nahrungsmittel in Kraft gesetzt. Dadurch muss der gesamte Sektor der Lebensmittelverarbeitung inklusive Transport und Handel grundlegend erneuert werden. Vorreiter, die in moderne Weiterverarbeitungstechnologien investieren, genießen viele Vorteile. Dadurch ergeben sich Investitionsund Absatzmöglichkeiten für deutsche Unternehmen. Importe von landwirtschaftlichen Gütern und Nahrungsmitteln 2008 Güter Menge (1.000 t) Wert (Mio. US$) *) Weizenmehl 865,33 524,62 Weizen 695,63 250,00 Pflanzenöl, ungehärtet 108,29 132,09 Palmöl 102,80 98,00 35,98 90,20 232,46 72,00 8,06 61,53 12,00 51,55 106,89 44,84 Hähnchenfleisch 32,32 35,81 Gebäck 12,42 25,00 Nichtalkoholische Getränke 43,69 21,09 Öl aus Gemüseerzeugnissen 19,52 20,00 Eier in der Schale 17,31 18,63 Süßwaren 9,17 17,49 Tabakprodukte, sonstige 1,70 14,19 Sojaöl 10,90 11,00 Rapsöl 6,00 8,00 15,55 7,80 2,22 7,03 Tee Zucker, raffiniert Zigaretten Lebensmittel, sonstige Reis Hülsenfrüchte Milchpulver *) Basis: internationale Preise; Werte weichen von Importdaten laut Afghanistan Statistical Yearbook 2009-10 ab Quelle: FAO (http://faostat.fao.org/site/342/default.aspx) Germany Trade & Invest www.gtai.de 17 Landwirtschaft Exporte von landwirtschaftlichen Gütern 2008 Güter Menge (1.000 t ) Wert (Mio. US$)*) 27,13 30,43 Getrocknete Feigen 4,49 28,76 Pistazien 3,26 24,56 Geschälte Mandeln 2,92 14,78 Trockene Aprikosen 3,98 9,67 Baumwolle 8,83 9,50 62,95 7,20 Mandeln mit Schale 3,29 6,44 Geschälte Walnüsse 0,76 3,82 27,30 3,33 8,78 3,02 17,91 2,56 Sesamsamen 4,00 2,50 Anis, Fenchel und Koriander 1,99 1,84 Frisches oder getrocknetes Gemüse 3,27 1,76 Äpfel 10,79 1,40 Melonen, sonstige 20,08 1,39 Trockenfrüchte, sonstige 1,14 1,23 Hülsenfrüchte, sonstige 4,02 0,81 Frisches Gemüse, sonstige 6,64 0,58 Rosinen Trauben Aprikosen Frisches Obst, sonstiges Kartoffeln *) Basis: internationale Preise; Werte weichen von Exportdaten laut Afghanistan Statistical Yearbook 2009-10 ab Quelle: FAO (http://faostat.fao.org/site/342/default.aspx) 18 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Bei der Lebensmittelverarbeitung gibt es viel Bedarf, um Produkte kühlen, sortieren, trocknen und verpacken zu können, sie hygienisch einwandfrei zu machen und zu graden (mit einem Bildverarbeitungssystem analysieren). Dies gilt vor allem für Obst, Fleisch, Milch, Nüsse und Getreideprodukte für den nationalen Markt. Gefragt ist besonders die Verarbeitung von Milch, um Käse, Butter, Joghurt, Milchpulver, Eiscreme etc. herzustellen. Benötigt ist außerdem technische Unterstützung beim Sammeln und Transport, bei der Aufbewahrung, Pasteurisierung und der Qualitätskontrolle. Die heutigen Produzenten sind eher kleine Unternehmer, die nur lokale Märkte bedienen können. Die Milchproduktion wächst kräftig, der Milchpreis hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdreifacht. Bei Tomaten existieren technische Defizite in den Bereichen Sonnentrocknen, Kühllagerhaltung, Qualitätskontrolle sowie Hygiene bei der Produktion. Gefragt ist die Weiterverarbeitung zu Ketchup, Saucen, Saft und Paste. Für die Verarbeitung von Mandeln, die traditionell im Land sortiert werden, fehlt moderne Technik etwa zum Entfernen der Schale. Zudem sind keine Verpackungen erhältlich. Mandeln wachsen oft wild in den Bergen Afghanistans und sind sehr wertvoll; besonders Mandelöl erzielt einen hohen Exportpreis. Oliven in Kanistern und Gläsern sowie Olivenöl als Lebensmittel wie auch als Kosmetikprodukt haben hohes Marktpotenzial in Europa und China. Der momentane Preis liegt zwischen 3,30 und 5,90 US$ pro Kilo. Investoren sind gesucht, um aus Sonnenblumenkernen Öl, Kosmetika sowie Biodiesel zu produzieren. Spezielle Notwendigkeit gibt es für technische Ausrüstungen zum Entfernen der Schalen sowie zum Ölpressen, Rösten, Grading und Verpacken, ebenso bei Marketing, Transport und Export. Bei Schnitt- und Topfblumen sowie Blumenessenzen und Extrakten werden vielversprechende Investitionen prognostiziert. Möglichkeiten für technische Verbesserungen existieren bei der Gewinnung und Vermarktung von Rosenöl. Ein Kilo reines Rosenwasser kostet 7.500 US$. Als lohnend sehen Experten die Kultivierung von Obstbäumen an. In der Forstwirtschaft gelte dies für Wiederaufforstungen und die Produktion von Brennmaterialien. Kaschmir, Seide, Karakulfell, Yakund Schafwolle lassen sich gewinnbringend spinnen, weben und zu hochwertigen Textilien in Handarbeit und Manufaktur weiterverarbeiten. Technische Unterstützung wird benötigt beim Züchten, Wollesammeln und bei der Kaschmirverarbeitung, etwa beim Waschen. Die heutige Produktion von Kaschmirwolle ließe sich verdoppeln, da nur 30% der Schafe geschoren werden. Zudem sind Preissteigerungen möglich. Für die Verarbeitung von Leder, das vorwiegend von Ziegen und Schafen stammt, herrscht Bedarf bei Pflanzengerbung und Weiterverarbeitung in Manufakturen. Das Fell des Karakulschafs ist eines der hochwertigsten Produkte Afghanistans. Investitionsbedarf ist nötig für den Aufbau von Sammelstellen sowie das Marketing, namentlich die Vermarktung im Ausland. Bei Verpackungen ist das Geschäftspotenzial für die meisten Produkte riesig. Die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten ist im Land groß, aber Afghanistans Verpackungsindustrie liefert bisher fast nichts, weshalb 20 bis 40% der Produktion verschwendet werden. Geschäftschancen gibt es generell beim Einkauf und Handel von (Heil-) Kräutern und Gewürzen (Safran, Cumin, Süßholz), Blumen, Medizinpflanzen, Trockenfrüchten sowie hochwertigen Pflanzenölen aus Wildsammlung. Beim Export gilt dies besonders für Destinationen im arabischen Raum, Zentralasien und Europa. Lohnenswert erscheint der Handel mit manchen Bioprodukten. Honig als Lebensmittel oder für Kosmetika sowie Bienenwachsprodukte sind im Ausland gefragt. Investitionen sind gefragt im Filtern und Grading, in der Weiterverarbeitung und bei Zuchtmethoden. Die Honigproduktion eröffnet in Afghanistan weiblichen Arbeitskräften einen üblicherweise schwierigen - Zugang zum Arbeitsmarkt. In der Landtechnik werden Traktoren und Pflüge nachgefragt. Profitabel zu verkaufen sind außerdem Germany Trade & Invest www.gtai.de 19 Landwirtschaft Anlagen für die Getreidesäuberung sowie Siebausrüstungen für Mehl. Eine relativ wichtige Branchenmesse war in der Vergangenheit die AgFair (www.agfair.af), die jährlich in Kabul und teilweise auch in anderen Städten stattgefunden hatte. Allerdings ist nicht bekannt, ob und wann 2011 und später eine Veranstaltung geplant ist. International sind die Nürnberger „BioFach“ und die „Grüne Woche“ in Berlin von Bedeutung für Afghanistans Landwirtschaft. Kontaktadressen Afghanistan Chamber of Commerce & Industries Export Promotion Agency of Afghanistan Internet: www.acci.org.af Internet: www.epaa.org.af Landwirtschaftsmesse in Afghanistan: AgFair Ministry of Agriculture, Irrigation and Livestock Internet: www.agfair.af Internet: www.mail.gov.af Enterprise Development Program (AREDP) Ministry of Rural Rehabilitation and Development Internet: www.aredp.org Internet: www.mrrd.gov.af Foto: © GIZ Hermann van Boemmel, Elisaveta Kostova (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) 20 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Bergbau Bergbau Allgemeine Lage und Bedeutung Der Anteil des Bergbaus an Afghanistans Bruttoinlandsprodukt beträgt derzeit weniger als 0,3%. Die Bedeutung des Sektors für die Versorgung des internationalen Marktes geht damit aktuell gegen null. Obwohl das Rohstoffpotenzial Afghanistans schon früh erkannt wurde, sind deutliche Bemühungen zu dessen Nutzung erst seit der Invasion und Stabilisierung des Landes seit 2001 erkennbar. Bisher gibt es kaum Großprojekte und auch nur wenige kleine Vorhaben. Gründe sind die prekäre Sicherheitslage, schlechte Infrastruktur, weite Entfernungen sowie Fachkräftemangel. Foto: © GIZ Mittlerweile prognostizieren Beobachter jedoch, dass der Rohstoffabbau eine der wichtigsten und nachhaltigsten Einkommensquellen für die afghanische Wirtschaft werden kann. Die in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) angesiedelte Deutsche Rohstoffagentur (DERA) rechnet damit, dass Afghanistan, angesichts der langen Vorlaufzeiten in der kapitalintensiven Branche, in fünf bis zehn Jahren zunehmende Bedeutung als Rohstoffproduzent erlangen könnte. Wert und Umfang des Gesamtbestandes von Mineralien können nur grob geschätzt werden, da in weiten Teilen des Landes bislang noch keine Exploration stattgefunden hat. Die geologischen Studien zeigen zwei große Mineraliengürtel. Einer erstreckt sich vom Nordwesten zum Nordosten (Badakhshan). Er beinhaltet Eisen, Kupfer, Gold sowie Ablagerungen von Zinn und Wolfram. Der zweite Gürtel reicht von Kabul nach Kandahar und umfasst Kupfer, Gold, Chromit, Edelsteine sowie Molybdän. Die beiden größten Mineralien-Lagerstätten sind das Kupfervorkommen Aynak und das Eisenerzvorkommen Hajigak. Produzent werden. Für die Versorgung Europas gälte dies besonders bei Seltenen Erden, Beryll und Niob, aber auch bei Graphit, Tantal, Wolfram, Magnesium und Flussspat. Auch für Baryt könnte sich Afghanistan zu einem wichtigen Produzentenland entwickeln. Eine im September 2010 vorgestellte Analyse der BGR bewertete das Rohstoffpotenzial von asiatischen Ländern (ohne GUS und die Türkei) für die deutsche Wirtschaft. Sie ergab, dass Afghanistan an siebter Stelle der insgesamt 24 Länder liegt, die eine nennenswerte mineralische Rohstoffproduktion in Asien aufweisen. Die DERA weist allerdings darauf hin, dass High-Tech-Rohstoffe in Afghanistan noch nie speziell exploriert wurden. Der Explorationsstand für Seltene Erden etwa sei sehr niedrig. Der U.S. Geological Survey (USGS) gehe von (ungesicherten) Ressourcen von rund 1,4 Mio. t Seltenen Erden und 3,5 Mio. t Niob aus. Afghanistan könnte zumindest bei Kupfer und Eisen für die Rohstoffversorgung Asiens ein wichtiger Afghanistans Lithium-Lagerstätten gehören zu den bedeutendsten der Welt, und eine Produktion wäre langfristig möglicherweise relevant Germany Trade & Invest www.gtai.de 21 Bergbau für den Weltmarkt. Der Afghan Geological Survey (AGS) berichtet über zwölf bekannte Pegmatitfelder, die sich in den Provinzen Laghman, Nangarhar, Badakhshan und Uruzgan befinden. Das Land ist auch reich an Rohmaterialien für die Zementherstellung. Der anhaltende Bauboom sorgt für eine ausreichende Nachfrage. Die Edelsteinindustrie Afghanistans war vor 1979 von weltweiter Bedeutung. Dies gilt besonders für Lapislazuli, aber auch für Smaragde und Rubine. Heutzutage werden laut DERA 95% der Edelsteine aus dem Land geschmuggelt und gehen, hauptsächlich zur weiteren Verarbeitung, nach Pakistan. Die meisten Edelsteine kommen aus dem Nordosten. Die Skarn-Lazuritlagerstätte Sary-Sang in der Provinz Badakhshan enthält den Angaben zufolge noch rund 1.300 t Lapislazuli, bei einer Jahresproduktion von derzeit 9 t. Laut Bergbauministerium gibt es in Afghanistan folgende Bodenschätze von wirtschaftlicher Bedeutung: Bauxit, Blei, Chrom, Eisen, Erdgas, Gold, Kalkstein, Kohle, Kobalt, Kupfer, Lithium, Marmor, Molybdän, Öl, Phosphat, Seltene Erden, Silber, Uran, Wismut, Wolfram, Zink und Zinn. Gesetzlicher Rahmen Um ein schnelles und effizientes Wachstum des Bergbaus zu ermöglichen, verabschiedete sich die afghanische Regierung vom System der Staatswirtschaft aus Zeiten der Sowjetherrschaft. Das Bergbauministerium tritt nunmehr als Vermittler für Privatinvestitio- 22 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan nen und als Regulierungsbehörde auf. Allerdings ist die Privatisierung afghanischer Staatsbetriebe, die bislang große Teile der natürlichen Ressourcen kontrollierten, noch nicht abgeschlossen. Im Jahr 2006 verabschiedeten die Behörden neue Gesetze, um den Abbau von Rohstoffen formal zu ordnen. Seither regelt das „Minerals Law of Afghanistan“ die Eigentümerschaft und Verwaltung aller Rohstoffe außer Kohlenwasserstoffen und Wasser, die in separaten Gesetzten behandelt werden. Die Regierung im Allgemeinen und das Ministry of Mining im Besonderen sollen dabei den effizienten Aufbau der Abbauindustrie fördern und verwalten - nicht jedoch selbst als Betreiber tätig werden. Das Gesetz bietet Eigentümern von Abbaurechten Schutz gegen Enteignung. Damit verpflichtet sich die Regierung, im gegebenen Fall Kompensationen entsprechend internationaler Normen zu zahlen. Die Enteignungsgarantien sind allerdings sehr gering und dürften ausländische Investoren kaum beruhigen. Beim milliardenschweren Kupferprojekt Aynak etwa würde das chinesische Gewinnerkonsortium nur 16 Mio. US$ Entschädigung erhalten. Die Höhe der Lizenzgebühr beziffert das Gesetz mit 5% des Bruttoumsatzes für Mineralien und 10% für Edelsteine. Eine Revision des Gesetzes ist noch für 2011 geplant. Im Februar 2010 wurde Afghanistan als Kandidatenland der RohstoffTransparenzinitiative EITI (Extractive Industries Transparency Initiative) akzeptiert. Gemäß der EITI-Standards verpflichtet sich das Land damit, alle Zahlungen von Rohstoff explorierenden und gewinnenden Unternehmen an den Staat, etwa Steuern und Förderabgaben, zu veröffentlichen. Regelung des Vergabeprozesses Die Entscheidung, ein Gebiet zum Abbau von Rohstoffen auszuschreiben, liegt bei der Regierung. Soll eine Abbaulizenz vergeben werden, ist eine öffentliche Ausschreibung Pflicht. Einschränkungen zur Teilnahme am Ausschreibungsverfahren sind in Artikel 16 des Mineral Law spezifiziert, Afghanistan ist an diesem Punkt jedoch vergleichsweise liberal. In jeder Ausschreibung kann die Teilnahme am Vergabeverfahren konkret eingeschränkt werden, beispielsweise in Bezug auf die Mindestgröße teilnehmender Unternehmen oder die Mindesthöhe der Investition. Das Auswahlkomitee ist zu Fairness und Nicht-Diskriminierung verpflichtet. Es entscheidet laut Vorgaben auf der Grundlage des größten Nutzens für Afghanistan und anhand folgender Kriterien: n Arbeitsplan und Investition technische und finanzielle Kapazität der Bieter n Erfahrung der Bieter n andere sozio-ökonomische Vorteile für den Staat, also etwa Kompensationen für Umsiedlun gen, Anzahl der Arbeits- und Ausbildungsplätze für Afghanen, Ausbau der lokalen Infrastruk tur, Planung zur Umweltverträglichkeit. n Ausschreibungen finden in zwei Runden statt. Zunächst bittet das Ministerium um Interessensbekundungen (Expression of Interest). Diese umfassen die Basisdaten des Unternehmens bezüglich der finanziellen und technischen Fähigkeiten. Firmen, die als akzeptable Bieter ausgewählt werden, zahlen eine Gebühr, deren Höhe sich nach der Ausschreibung bemisst. Sie erhalten zudem weitergehende Informationen zum aktuellen Stand der Exploration. Auf dieser Grundlage erstellen die Bieter ein Angebot, von denen das Ministerium eines auswählt. Gelegentlich wird die zur Ausschreibung stehende Fläche in Blöcke unterteilt, sodass Firmen auf die gesamte Fläche oder bestimmte Parzellen bieten können. Die Ausschreibung von Abbaulizenzen wird unter anderem auf der Website des Ministry of Mines angekündigt. Hier finden sich auch weitergehende Informationen zu jeder Ausschreibung. Neben dem Ministry of Mines ist der AGS die wichtigste Behörde für den Rohstoffabbau. Er erforscht und kartographiert Rohstoffvorkommen. Seit 2008 wurden jedoch keine Berichte mehr veröffentlicht. In seinen Anfängen wurde der AGS durch den British Geological Survey über das British Government’s Department for International Development unterstützt. Chancen und Herausforderungen für deutsche Firmen Im Bergbau wurden bisher erst für einen sehr kleinen Teil der Vorkommen Konzessionen vergeben. Die Regierung und manche Beobachter gehen aber davon aus, dass es in den nächsten Jahren zu einer Vielzahl von Einzelausschreibungen kommt. Bei den bereits vergebenen Konzessionen befindet sich der Bau der zur Förderung benötigten Infrastruktur noch in den Anfängen, sofern überhaupt schon investiert wurde. Die Projekte dürften daher relativ teuer werden, mit hohen Ausgaben für Infrastruktur, Abbautechnologie, Maschinen, Material und Beratung. Bis März 2010 erteilten die zuständigen Behörden insgesamt 106 Abbaukonzessionen. Der größte Teil davon war für den Abbau von Baumaterialien (Sand, Schotter etc.) und Salz. Lediglich acht Konzessionen beinhalten die Gewinnung international gehandelter Rohstoffe, nämlich Kohle, Kupfer und Gold. Die mit der Konzession verbundene Investition wird nicht veröffentlicht, und der Lizenznehmer kann mit den zuständigen Ministerien Vertraulichkeit für die Dauer der Investition vereinbaren (Artikel 103 des Mineraliengesetzes). Möglicherweise lässt sich der Investitionswert jedoch von der Enteignungsgarantie ableiten. Aus dem Ausland zeichnet sich ein starkes Interesse chinesischer Staatsfirmen ab. Unter den Bietern bei bisherigen Konzessionsvergaben befanden sich auch Unternehmen aus Australien, Indien, Russland, den USA, Kanada sowie Zentralasien. Eine deutsche Firma war auf den vorliegenden Bieterlisten nicht vertreten. Laut DERA werden in letzter Zeit immer mehr industrielle Bergbauprojekte von einheimischen Investoren verwirklicht. Im Fokus stünden die Zementindustrie und der Goldbergbau. Um ausländische Investitionen in die Zementindustrie wirbt die Afghanistan Investment Support Agency (AISA) in ihrem Bericht „Main Investment Opportunities in Afghanistan“. Die Zementnachfrage aus dem In- und Ausland, etwa aus der VR China, wird als sehr hoch eingeschätzt. Chinesische Firmen können in Afghanistan relativ sorglos investieren. Sie gehören ganz oder großteils dem Staat, der langfristig kalkuliert und die Rohstoffsicherung mit hoher Priorität versehen hat. Im Zweifelsfall sind chinesische Staatsfirmen bereit Risiken einzugehen, die private Investoren nicht tragen wollen oder können. Westlichen Zulieferern fällt es üblicherweise schwer, mit chinesischen Abbaufirmen ins Geschäft zu kommen. Deutsche Investoren treffen in Afghanistans Bergbau auf mindestens drei Hindernisse. Am wenigsten Probleme dürfte noch das Mineraliengesetz mit seiner Vorschrift bereiten, afghanischen Zulieferern und Dienstleistern bei gleicher Eignung den Vorzug zu geben. In Anbetracht der geringen finanziellen und technischen Kapazitäten afghanischer Firmen scheint dieser Punkt beherrschbar. Wesentlich schwerer wiegt zweitens - die weiterhin kritische Sicherheitslage. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weite Teile des Landes für Ausländer unzugänglich bleiben oder wieder unzugänglich werden und bereits erworbene Konzessionen daher nicht genutzt werden können. Stören könnten sich westliche Firmen in Afghanistan drittens an den Rohstoffinteressen asiatischer Staaten, insbesondere der VR China. Germany Trade & Invest www.gtai.de 23 Bergbau Abbaukonzessionen (ohne Baustoffe und Salz, unvollständig) und Enteignungsgarantien Firma Fläche (qkm) MCC Rohstoff Enteignungsgarantie (Mio. US$) 106,30 Kupfer 16,1 Afghan Investment Company 20,45 Kohle 0,50 Brotheran Mohamand 14,00 Kohle 0,10 Madan Kahran 8,20 Kohle 0,10 Mesaq Sharq 1,92 Kohle 0,10 Aslami 1,90 Kohle 0,10 14,00 Gold 0,05 8,00 Kohle 0,04 West Land General Trading Brotheran Khushak Quelle: „List of Mining Contracts“, Ministry of Mines, 7.4.10 Investitionen und Projekte Kupfer Das Aynak-Vorkommen ist womöglich eine der größten noch nicht erschlossenen Kupferminen weltweit. Dort befinden sich nach USGS-Schätzungen von 2009 etwa 490 Mio. t Erz mit einem Gehalt von durchschnittlich 1,84% und mithin 9 Mio. t Kupfer (Jahresverbrauch 2011 weltweit knapp 20 Mio. t). Das Vorkommen liegt etwa 30 km östlich von Kabul und wurde 1974 zum ersten Mal erforscht. der Mine hat eine Laufzeit von 30 Jahren. Das Erz soll in Afghanistan selbst weitgehend zu reinem Kupfer verarbeitet werden. Die Chinesen planen einen Jahresausstoß von Mine und Weiterverarbeitung in Höhe von 220.000 t elektrolytischem Kupfer, 100.000 t Kupferkonzentrat und 300.000 t Schwefelsäure pro Jahr. Für 2012 war der Anlauf der Förderanlagen und für 2014 die vollständige Produktion vorgesehen. Danach steht die Errichtung der Kupferschmelze an. Es wird erwartet, dass die Mine nach Inbetriebnahme ein Steuervolumen von jährlich 400 Mio. US$ generiert. Nach einer internationalen Ausschreibung wurde die Lagerstätte 2008 von einem chinesischen Konsortium erworben. Es besteht aus dem Staatskonzern China Metallurgical Group Corporation (MCC, 75% Anteil) und der Jiangxi Copper Co. Die Konzession zur Ausbeutung Das Gewinnerkonsortium versprach Investitionen von 2,9 Mrd. US$, wovon die afghanische Regierung bereits gut 800 Mio. US$ für die Förderrechte erhielt. Die Chinesen planen nach Firmenangaben aber insgesamt über 4 Mrd. US$ auszugeben, weil der Vertrag außer der 24 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Kupfergewinnung und -verhüttung auch Infrastrukturmaßnahmen vorsieht. Geplant sind Straßen sowie eine neue Eisenbahnstrecke, die von Hairatan an der Grenze Usbekistans über Kabul bis nach Torkham an der pakistanischen Grenze bei Peshawar führt. Strom soll ein neues 400-MW-Kohlekraftwerk in der Provinz Bamian über eine ebenfalls zu bauende Hochspannungsleitung liefern. Die Hälfte der Erzeugerkapazität ist dabei für den Verbrauch der Bevölkerung vorgesehen. Während der ersten Betriebsjahre bezieht die Mine ihre Energie laut Plan aus Dieselgeneratoren. Wohnungen, Schulen und Kliniken haben die Investoren ebenfalls versprochen. Das chinesische Angebot beim Kupferprojekt Aynak war für die afghanische Regierung konkurrenzlos gut, auch wenn sich westliche Firmen bei der Vergabe über eine angebliche Bevorzugung der chinesischen Konkurrenz beschwerten. Für die Erstellung der zum Abbau notwendigen Infrastruktur werden mindestens fünf Jahre veranschlagt. Gegenwärtig laufen laut MCC Annual Report 2010 die Vorarbeiten zum Aufbau des Bergwerks. Die Umweltverträglichkeitsstudie ist demnach bei den Behörden eingereicht, aber noch nicht genehmigt worden. Eisenerz Das Eisenerzvorkommen Hajigak liegt in der gebirgigen Provinz Bamian, etwa 130 km westlich von Kabul und auf großer Meereshöhe in schwer zugänglichem Gebiet. Hajigak gilt als größte noch nicht entwickelte Lagerstätte Asiens. Nach Schätzungen aus der Sowjetzeit taxiert der USGS das Vorkommen auf 2,2 Mrd. t mit einem Eisengehalt von 63 bis 69%. Mit Nutzung der Ressourcen würde Afghanistan zu einem führenden Eisenerzproduzenten aufsteigen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um gesicherte Erkenntnisse, da sie auf Proben aus wenigen Borlöchern basieren. Sowjetische Studien ergaben, dass Tagebau möglich ist. Das Ausschreibungsverfahren läuft. Einsendeschluss der Interessenbekundung war im Januar 2011, über die Vorrunde soll Anfang August 2011 entschieden werden. Die Ausschreibung ist in mindestens drei Blöcke unterteilt. Teilnehmende Unternehmen verpflichten sich zu einer Mindestinvestitionssumme über zumindest drei Jahre und mit jährlichen Mindestinvestitionen. Nach erfolgreicher Exploration vergibt das Bergbauministerium eine Abbaulizenz. Die Regierung befürwortet eine phasenweise, vertikale Ausweitung der Investitionen auf die Eisen- und Stahlproduktion. Sie hofft auf Investoren, die finanziell, technisch und unternehmerisch den Anforderungen gewachsen sind. Unternehmen mit technischer Kompetenz in Exploration und Entwicklung können bevorzugt werden. Von den Investoren wird erwartet, aktiv an Infrastrukturmaßnahmen teilzunehmen. Diese umfassen den Ausbau des Schienenverkehrs und die Elektrizitätserzeugung auf Basis von Kohle, Gas oder Wasserkraft durch öffentlich-private Kooperation, bei denen Explorationsunternehmen als Schlüsselpartner gesehen werden. Berichten zufolge haben mindestens 23 Unternehmen Interesse bekundet, davon 15 aus Indien, mit teilweise massiver Unterstützung der indischen Regierung. Chrom Ein Explorations- und Abbauvertrag für die Chromminen bei Gadakhil wurde am 17.3.11 zwischen dem Bergbauministerium und der afghanischen Firma Hewad Brothers unterzeichnet. Die Vertragslaufzeit beträgt 18 Jahre. Hewad Brothers hat sich verpflichtet, 30 Mio. US$ zu investieren und 26% des Werts der abgebauten Rohstoffe an die afghanische Regierung abzuführen. Der Abbau beginnt nach Abschluss der Exploration, spätestens jedoch innerhalb von drei Jahren. Die Veredelung des geförderten Materials wird zu 60% in Afghanistan stattfinden, die Maschinen dafür importiert Hewad den Plänen zufolge aus der Türkei. Erdöl, Erdgas Den Gewinner der laufenden Ausschreibung für das Ölfeld Amu Darya im Nordosten Afghanistans hofft das Bergbauministerium Ende Juli 2011 bekanntgeben zu können. Für Exploration und Produktion hatten sich im April fünf Unternehmen qualifiziert: Buccaneer (Australien), CNPC (VR China), Petroleum Exploration (Pakistan), Schlumberger (Frankreich) und Tethys (Vereinigtes Königreich). Das Ölfeld ist in drei Blöcke unterteilt und hat geschätzte Ressourcen von 80 Mio. Barrel. Einer der drei Blöcke (Kashkari) beinhaltet das Feld „Angot“, auf dem derzeit schon produziert wird, sowie zwei weitere Felder, bei denen die Vorbereitung zur Förderung schon teilweise stattgefunden hat. In den anderen beiden Blöcken wurde bislang nicht produziert. Es ist wahrscheinlich, dass sich in allen drei Blöcken noch weitere, bislang unbekannte Ölund Gasvorkommen befinden. Die afghanische Regierung hofft nach Amu Darya auf weitere Ausschreibungen in der Branche. Wie bei den bisherigen Ausschreibungen werden die Verträge vorsehen, dass ein bestimmter Anteil am Rohstoffwert an die afghanische Regierung abzuführen ist. Für bekannte und unbekannte Vorkommen werden dabei unterschiedliche Prozentsätze angelegt. Die AISA sieht daneben Investitionsmöglichkeiten beim „TurkmenistanAfghanistan-Pakistan (TAP) Natural Gas Project“, das von der Asian Development Bank unterstützt wird. Es handelt sich dabei um eine rund Germany Trade & Invest www.gtai.de 25 Bergbau 1.800 km lange Gas-Pipeline, die jährlich einmal 33 Mrd. cbm Erdgas vom südöstlichen Teil Turkmenistans an die Verbraucher in Afghanistan und Pakistan bis hin an die indische Grenze liefern soll. Nach derzeitigen Planungen würde die Pipeline 7,6 Mrd. US$ kosten. Afghanistan hat laut DERA nur geringe Reserven an Erdöl in der Größenordnung von 10 Mio. t in den weitgehend ausgeförderten Feldern im Norden. Die Förderung ist demnach unbedeutend, sie soll 2008 laut USGS rund 20.000 Barrel betragen haben. Die Erdgasressourcen schätzt die DERA auf 500 Mrd. cbm, die Reserven auf 85 Mrd. cbm, Kontaktadressen Afghanistan Investment Support Agency Internet: www.aisa.org.af Ministry of Mines, The Islamic Republic of Afghanistan Veröffentlichung von aktuellen Ausschreibungen Internet: www.mom.gov. af/?page=tenders&lang=en. Investment Promotion Department (IPD) of the Afghan Ministry of Mines (Unterstützung der Investoren) was halb so viel wie die Deutschlands sei. Erdöl und -gas werden hauptsächlich in Nordafghanistan vermutet. Gold Ende 2010 billigte die afghanische Regierung nach Pressemeldungen ein millionenschweres Abkommen zur Ausbeutung von Goldminen im Norden des Landes. Das Projekt sei das erste in Afghanistan, hinter dem private westliche Investoren stünden, die meisten aus den USA und dem Vereinigten Königreich. Die etwa zehn Firmen investieren nach Angaben des Bergbauministeriums in Kabul schätzungsweise 50 Mio. US$ in das Projekt, das im Bezirk In der benachbarten Provinz Thakar plant nach Informationen der DERA ein afghanisches Bergbauunternehmen eine Investition von 40 Mio. US$, um Seifengold zu gewinnen. Dies ist laut Presseinformationen Afghanistans einzige andere Goldmine. Steffen Arnold, Liane Hryca und Birgit Seibel (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), mit Zusatz-Informationen der Deutschen Rohstoffagentur Informationsquellen Afghanistan Economic Update, The World Bank, Dec. 2010 Ministry of Mines, The Islamic Republic of Afghanistan Afghanistan Geological Survey Business Plan 2010 - 2015, Synopsis Internet: www.bgs.ac. uk/afghanminerals/ Übersicht über die Vorkommen: Internet: http://minerals.usgs. gov/minerals/pubs/country/2006/ myb3-2006-af.pdf Main Investment Opportunities in Afghanistan Afghanistan Investment Support Agency Internet: www.aisa.org.af 26 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Dushi in der Provinz Baghlan etwa 130 km nördlich von Kabul liegt. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Deutsche Rohstoffagentur Internet: www.bgr.bund.de, www. deutsche-rohstoffagentur.de Infrastruktur Infrastruktur Die Entwicklung der Infrastruktur ist eines der wichtigsten Ziele in der nationalen Entwicklungsstrategie Afghanistans. Darunter fallen unter anderem die Kategorien Transport und Logistik, Energie, Wasser, Bau sowie Informations- und Kommunikationswesen. Den Infrastrukturbedarf des Landes schätzt die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) für 2010 bis 2013 auf etwa 4 Mrd. US$. Transport / Logistik Straßen Afghanistan verfügte 2006 nach CIAAngaben über ein Straßennetz von insgesamt 42.150 km, wovon etwa 12.350 km asphaltiert waren. Das Fernstraßennetz wird derzeit rundum erneuert, um weite Teile des Landes wieder zugänglich zu machen und für den Handel zu öffnen. Das letzte Teilstück einer insgesamt 2.700 km langen Ringstraße, die die großen Städte Kabul, Kandahar, Herat und Mazar-e-Sharif verbindet, wird aktuell im Nordwesten des Landes fertiggestellt. Flugverkehr Im Land sind 34 Flughäfen in Betrieb, von denen 19 über asphaltierte Start- und Landebahnen verfügen. Internationale Flughäfen befinden sich in Kabul, Kandahar, Herat, Mazar-e Sharif und Jalalabad. Der größte afghanische Flughafen in Kabul wurde 2008 mit japa- Foto: © ACCI Weil Afghanistan zum großen Teil aus Gebirge oder Wüste besteht, stellte unzureichende Infrastruktur lange Zeit eines der größten Hindernisse für die wirtschaftliche Entwicklung insbesondere des Hinterlands dar. Nach dem 2. Weltkrieg und bis in die 1970er-Jahre wurde mit sowjetischer und US-amerikanischer Unterstützung ein Straßennetz aufgebaut, das die wesentlichen Handels- und Produktionsstätten des Landes verband und den Zugang zu den Nachbarländern sicherstellte. Während des Bürgerkriegs sind viele dieser Straßen durch Zerstörung oder Vernachlässigung unbefahrbar geworden. Seit Beginn des Wiederaufbaus 2001 wird landesweit mit internationaler Hilfe daran gearbeitet, wesentliche Straßen und weitere Infrastruktur wiederherzustellen und zum Teil neu zu errichten. Germany Trade & Invest www.gtai.de 27 Infrastruktur nischer Unterstützung modernisiert und erweitert. Gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Australien trägt das deutsche Auswärtige Amt (AA) zum Ausbau des zweitgrößten zivilen Flughafens Afghanistans in Mazar-e Sharif bei, was 49 Mio. Euro kostet. Zudem entsteht dort das landesweit erste Cargoterminal an einem Flughafen. Die staatliche Fluggesellschaft ist Afghan Ariana Airlines. Darüber hinaus operieren verschiedene private Fluggesellschaften, darunter KAM Air, Pamir Airways und Safi Airways. Die Europäische Union verhängte aufgrund von Sicherheitsbedenken im November 2010 ein Landeverbot für alle afghanischen Fluglinien. Schienenverkehr Von der Errichtung eines Schienennetzes wurde in Afghanistan aus Angst vor Missbrauch und Übernahme durch feindliche Mächte lange Zeit abgesehen. Bis vor kurzem gab es nur eine kurze Breitspurstrecke vom usbekischen Termez über den Grenzfluss Amu Darya bis in das auf afghanischem Territorium liegende, zwölf Kilometer entfernte Hairatan. Im Sommer 2010 kündigte die afghanische Regierung Pläne an, mit einem Budget von über 6 Mrd. US$ ein Schienennetz von insgesamt 2.000 km aufzubauen. Ein erstes Teilstück zwischen Hairatan und Mazar-e Sharif ging Anfang 2010 für den Güterverkehr zunächst testweise in Betrieb. Der Bau wurde maßgeblich von der ADB finanziert und von der usbekischen Eisenbahngesellschaft durchgeführt. Geplant ist eine Verlängerung zum Bin- 28 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan nenhafen Shir Khan Bandar sowie eine Verbindung zwischen Mazar-e Sharif und Kabul. Von Kabul aus soll die Schienenstrecke weiter nach Herat im Westen führen, wo gerade eine Verbindung ins Nachbarland Iran fertiggestellt wird. Flussschifffahrt Afghanistan hat keine Küste, und die einzigen Binnenhäfen des Landes liegen entlang des Amu Darya im Norden. Der Fluss stellt die natürliche Grenze zu Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan dar. Die zwei wesentlichen Binnenhäfen befinden sich in Hairatan an der Grenze zu Usbekistan und in Shir Khan Bandar an der Grenze zu Tadschikistan. Elektrizität Die Energieversorgung wurde durch den Krieg stark beeinträchtigt. Das Land muss 61% seines aktuellen Strombedarfs importieren, etwa 35% werden durch Wasserkraft gewonnen und etwa 4% durch Heizkraftwerke. So erhält Kabul seit Januar 2009 Strom aus Usbekistan, und im Februar 2010 wurde mit dem Bau einer 220-kV-Übertragungsleitung aus Tadschikistan begonnen. Das Potenzial für Energiegewinnung aus Wasserkraft, der größten Energieressource des Landes, wird langfristig auf 25.000 MW geschätzt, kurzfristig auf 800 MW. Über die aktuell installierten Kapazitäten gibt es unterschiedliche Angaben. Sie sind von rund 430 MW (2001) auf 1.028 MW (September 2009) gewachsen, so der Fortschritts- bericht der Bundesregierung, der den US-Sonderinspekteur für den Wiederaufbau in Afghanistan als Quelle nennt. Zugang zum öffentlichen Stromnetz hätten 2007/08 knapp 78% der Stadtbewohner, aber nur 5,8% der ländlichen Bevölkerung gehabt. Der nationale Durchschnitt hätte damit bei 19% gelegen, wobei Branchenvertreter noch niedrigere Zahlen nennen. Zugang zur Stromversorgung überhaupt hatten laut Fortschrittsbericht 42% der Bevölkerung, nachdem es 2005 erst 23% gewesen waren. Über 70% der gesamten Elektrizität ist für die urbanen Zentren bestimmt. Die Städte Kabul, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar haben durch gezielten Wiederaufbau seit 2001 mittlerweile eine relativ stabile Stromversorgung. Das deutsche Unternehmen Voith Hydro erhielt Ende 2003 den 13 Mio. Euro teuren Rehabilitierungsauftrag für zwei Wasserkraftwerke, die es in den 1950er- und 1960er-Jahren aufgebaut hatte. Die afghanische Regierung verfolgt das Ziel, die Strom- und Wasserversorgung auf Basis von kommerziellen Prinzipien lokal zu regeln. Der Wasserpreis beträgt 5 bis 7 Af (Afghani; etwa 0,10 Euro; 1 Euro = 66 Af; Stand Ende Mai 2011) pro Kubikmeter für diejenigen, die an die städtische Wasserversorgung angeschlossen sind, und pauschal 100 Af (1,50 Euro) pro Monat für Nutzer privater Wasserquellen. Wasser Auch die Trinkwasserversorgung wurde bis 2001 stark vernachlässigt und in großen Teilen zerstört. Die Bundesregierung hält die gesetzlichen Rahmenbedingungen in ihrem Fortschrittsbericht Afghanistan für nicht ausreichend. Auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene gibt es kaum Betreiberstrukturen und qualifiziertes Personal mit ausreichender Erfahrung, um die Infrastruktur instand zu erhalten. Die Bevölkerung bezieht ihr Trinkwasser deshalb vielfach über traditionelle Vorrichtungen. Wasser ist knapp und vielerorts verschmutzt und übernutzt. Laut National Risk and Vulnerability Assessment hatten 2007/08 nur 19% der ländlichen Bevölkerung sowie 58% der Städter Zugang zu sauberem Trinkwasser (nationaler Durchschnitt: 27%). Aus Deutschland helfen AA und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) beim Aufbau der Trinkwasserversorgung in einigen ländlichen Distrikten sowie in Badakhshan, Herat, Kabul und Kundus. Die Arbeiten in Herat und Kundus sind weitgehend abgeschlossen. Mittlerweile wurde das Programm auf weitere Städte im Norden (Faisabad, Imam Sahib sowie Balkh) ausgeweitet. Das BMZ fördert auch die Stärkung von Management- und Planungskapazitäten bei den Betreibern. Sehr viel problematischer als beim Trinkwasser ist laut Fortschrittsbericht die Lage im Bereich der Sanitärversorgung: Nur rund ein Fünftel der städtischen Bevölkerung könne auf hygienische sanitäre Anlagen zurückgreifen, während der Anteil in der ländlichen Bevölkerung nur bei knapp über 1% liege (nationaler Durchschnitt: 5%). Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) Seit 2002 ist der Kommunikationssektor in Afghanistan rasant gewachsen, insbesondere im Mobilfunkbereich. Das Land verfügte 2009 laut Afghanistan Statistical Yearbook nur über rund 140.000 Festnetzanschlüsse, die Zahl der Mobilfunkanschlüsse schätzte Nokia Siemens Networks (NSN) im November 2010 aber auf 17 Mio. Dies kommt einer Durchdringung von 57% gleich. Zudem wird mit etwa 1 Mio. aktiven Internetnutzern gerechnet, wobei diese Zahl aufgrund der immer weiteren Verbreitung von Internetcafés stetig ansteigt. Der größte Telekommunikationsanbieter im Land ist die Firma Roshan mit 3,8 Mio. aktiven Abonnenten (Mai 2010). Das private Unternehmen hat von 2004 bis 2010 mit internationaler Unterstützung über 445 Mio. US$ in Afghanistan investiert und ist der größte Steuerzahler des Landes. Nach eigenem Bekunden sollen die nächsten Jahre jeweils 30 Mio. bis 80 Mio. US$ investiert werden. Als Anbieter mit Schwerpunkt im ländlichen Bereich wolle man 20 bis 80 zusätzliche Dörfer und kleinere Städte versorgen. Ausrüster NSN unterstützt Roshan durch Beratung sowie Bereitstellung von Netzwerkausrüstung und Wartungsleistungen. Die beiden Haupteigner von Roshan sind die Aga Khan Foundation (51%) und Monaco Telecom (36,75%). Ein weiterer Mobilfunkanbieter ist die Afghan Wireless Communications Company (AWCC). Die Firma sendet nach Angaben von NSN in allen Provinzen des Landes und ist größter privater Investor Afghanistans. Im November 2010 gab NSN bekannt, für AWCC dessen 2,5G-Netzwerk auszubauen und zu modernisieren sowie Technik zur Kunden- und Abrechnungsverwaltung zu liefern. Die Installation der Technik in den vielfach ländlichen Regionen übernimmt der Kunde den Angaben zufolge weitgehend selbst. Im Jahr 2006 hatte die afghanische Regierung mit dem chinesischen Anbieter ZTE ein Abkommen über 64,5 Mio. US$ zur Errichtung eines landesweiten Glasfasernetzes unterschrieben. Das Netz soll den Empfang von Radio und Fernsehen sowie den Zugang zu Telefonnetz und Internet erheblich verbessern. Bauwirtschaft Die Baubranche stellt einen der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren des Landes dar, zumal der Wiederaufbau für viele Aufträge sorgt. Die Branche wuchs in jüngster Vergangenheit jedes Jahr um ein Zehntel und trug 2008 gut 9% zur Wirtschaftsleistung bei. Bauprojekte entstehen vor allem durch den Aufbau der massiven Militärpräsenz im Land sowie die großflächigen Wiederaufbauprojekte der afghanischen Regierung. Darüber hinaus gibt es auch private Investitionen in größere und kleinere kommerziell orientierte Projekte, Germany Trade & Invest www.gtai.de 29 Infrastruktur zum Beispiel Einkaufszentren und Wohnanlagen. Wegen der vielfältigen Bautätigkeit besteht auch eine anhaltend hohe Nachfrage nach Baumaterialien aller Art und Maschinen. So produzierte das Land 2009 nach Angaben des U.S. Geological Survey nur 50.000 t Zement, bei einem Bedarf von geschätzt 2,5 Mio. t pro Jahr. Chancen für deutsche Unternehmen Grundsätzlich birgt Afghanistan ein hohes Potenzial und geostrategische Vorteile für Investitionen in die Infrastruktur. Der Wiederaufbau schafft hohen Bedarf und fördert zugleich die Stabilität im Land. Dies wiederum wird die Nachfrage nach Handels- und Industriegütern im Land steigern. Durch verbesserte Infrastruktur und Sicherheit im Land wird erwartet, dass Afghanistan auch wieder vermehrt als Umschlagplatz für den Handel mit Gütern aus dem gesamten zentralasiatischen Raum genutzt wird. Bei Transport und Logistik erwarten Beobachter, dass die Nachfrage nach kommerziellem Personenund Güterverkehrs weiter ansteigt. Ein besonderer Bedarf im Logistiksektor besteht in der Bereitstellung von Kühltransporten und Aufbewahrungsanlagen wie Kühlräumen und Containern. Etwa 20 bis 40% der geernteten landwirtschaftlichen Produkte im Land verderben aufgrund mangelnder Aufbewahrung. Laut Afghanistan Investment Support Agency (AISA) befinden sich derzeit nur weniger als 50 Kühllaster im Land. Im Bereich Kühlgeräte engagiert sich vor Ort die deutsche Firma Viessmann. Investitionsmöglichkeiten im Energiesektor bestehen in der Gewinnung und Verteilung von Elektrizität auf Basis verschiedener Energieträger, darunter Wasserkraft, Gas, Kohle, Solar- und Windenergie, Erdwärme und Bio-Ethanol. Die Regierung sucht unter anderem private Investoren für die Rehabilitierung und den Ausbau verschiedener existierender Wasserkraftwerke und Dämme, für die zum Teil schon ausführliche Machbarkeitsstudien durchgeführt wurden. So soll zum Beispiel das „Shahtoot Storage Dam“-Projekt für die Provinz Kabul Wasser für Haushalte und Landwirtschaft bereitstellen. Die Kosten für das Vorhaben schätzt die AISA auf 120 Mio. US$ bei einem erwarteten Umsatz von etwa 2 Mio. US$ pro Jahr. Auch für Anlagen der Solar- und Windenergie zeichnet sich eine stabile Nachfrage ab. So finanzieren unter anderem die Weltbank und die Asian Development Bank langjährige Programme, um alternative Energien zu fördern. In dieser Branche ist das deutsche Unternehmen ETC Power tätig. Die Bauwirtschaft profitiert davon, dass Afghanistans Bevölkerung schnell wächst, besonders in den Städten. Damit nimmt der Bedarf an Wohnraum stetig zu. Landesweit wird die Nachfrage nach zusätzlichem Wohnraum auf etwa 1,25 Mio. Wohneinheiten (2010) beziehungsweise 1,5 Mio. (2014) geschätzt. Ausgewählte Projekte Projekt Zeitraum Investitionsvolumen Stand Ring Road - Bau einer Ringstraße von etwa 2.700 km Länge, die große Städte verbindet seit 2002 über 790 Mio. US$ im Bau; Finanzierung für das letzte Teilstück (340 Mio. US$) durch ADB zugesagt Eisenbahnstrecke von Hairatan (Grenze Usbekistan) nach Mazare Sharif 2010 bis 2011 170 Mio. US$ Teilstück fertig gestellt; Erweiterungen geplant (Ausbau nach Kabul/Herat) Kabul New City - Entwicklung eines neuen Stadtgebiets im Nordosten Kabuls auf 500 qkm 2009 bis 2040 über 6 Mrd. US$ (Gesamtvolumen) Ausschreibungen für die erste Phase angelaufen 30 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Hervorzuheben ist das Projekt Kabul New City (Dehsabz). Die Regierung verfolgt dabei einen Privatsektor-Ansatz, um ein neues Stadtgebiet nordöstlich der bestehenden Stadt Kabul zu entwickeln, etwa 20 km entfernt vom aktuellen Zentrum. Die Pläne beziehen sich auf eine Fläche von gigantisch anmutenden 500 qkm, die, auf 20.000 Parzellen aufgeteilt, über einen Zeitraum von zehn Jahren durch private Investoren entwickelt werden soll. Pro Baufläche ist ein Preis von durchschnittlich 30.000 US$ angesetzt. In der IKT-Branche soll die staatliche Afghan Telecom Corporation, die das Telefonfestnetz des Landes zur Verfügung stellt, bald privatisiert werden. Der Wert des Unternehmens wird auf etwa 200 Mio. US$ geschätzt, worunter auch das geplante Glasfasernetz im Wert von 65 Mio. US$ fällt. Branchenstruktur und Geschäftspraxis Bei der Erstellung von Infrastruktur und für die Bauwirtschaft generell stellen Projekte im Rahmen der internationalen (Militär-) Präsenz sowie die großen Bauprojekte der afghanischen Regierung mit Abstand die höchsten Investitionen dar. Es existieren keine öffentlichen Zahlen über das Gesamtvolumen der in diesem Zusammenhang geschlossenen Verträge. Aufträge durch das Militär und die internationale Gebergemeinschaft wirken sich in besonderem Maße auf Markt und Konkurrenz aus. Insgesamt hat diese besondere Auftragslage zu einer Minimierung der Akteure im Bausektor geführt. Zurückzuführen ist dies besonders auf Sicherheitsbedenken. Internationale Auftragsnehmer vergeben Verträge an eine immer geringere Zahl von Subunternehmern zu immer höheren Auftragswerten. Die Unternehmer, die von diesem System profitieren, sind entweder afghanische Firmen mit guten Verbindungen zur Regierung oder aber große internationale Baufirmen überwiegend aus der Türkei, Iran, Pakistan und der VR China. Dies führt dazu, dass einige wenige Firmen sich immer besser an die Situation im Land anpassen und daher in der Lage sind, immer mehr exklusive Aufträge zu akquirieren. Aufgrund der Konzentration auf nur wenige Anbieter und der hohen Auftragsvolumina kommt es auch oft zu undurchsichtigen Vergabeverfahren im Bausektor. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass sich die Baubranche zunehmend „militarisiert“. Vor dem Hintergrund anhaltender Unruhen in vielen Teilen des Landes lassen sich viele Aufträge nur unter Einsatz bewaffneter Sicherheitskräfte durchführen. Zudem führt der Einsatz von Subunternehmern zum Teil dazu, dass Baufortschritte nur noch schwer nachzuverfolgen sind. Dies wird noch verstärkt durch die unwegsame Geographie des Landes. Auch um diesen Schwierigkeiten in der Bauwirtschaft und bei den Investitionen in die Infrastruktur zu begegnen, hat die ADB Ende 2010 den Afghanistan Infrastructure Trust Fund aufgelegt. Der Fonds soll Finanzierungen für Infrastruktur in Afghanistan bereitstellen und KoFinanzierungen durch den Privatsektor vermitteln, insbesondere in den Bereichen Straßenbau, Schienennetz, Flughäfen, Energie und Wasser. Kontaktadressen Asian Development Bank ADB Afghan Infrastructure Trust Fund Internet: www.adb.org/Afghanistan/projects.asp? Ansprechpartner: ADB: Philip Wood; E-Mail: [email protected] Afghanistan Ministry of Finance: Nasim Ihsan; E-Mail: nasim. [email protected] Internet: www.mof.gov.af Dehsabz City Development Authority E-Mail: [email protected]; Internet: www.dcda.gov.af Ministry of Energy and Water Internet: mew.gov.af Ministry of Public Works Internet: www.mopws.gov.af Öffentliche Ausschreibungen im Bausektor Internet: www.cwctenders.com/ construction_tenders_ afghanistan.htm http://ausschreibungen.dgmarket. com Anna Janus (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) Germany Trade & Invest www.gtai.de 31 Rechtliche Rahmenbedingungen Rechtliche Rahmenbedingungen Einleitung und Hintergrund Wer sich als ausländischer Investor in Afghanistan niederlassen will, sollte sich vom Rechtssystem nicht zu viel versprechen. Er muss sich innerlich von dem verabschieden, was er aus Deutschland kennt und womöglich auch in Afghanistan erwartet. Allerdings ist dies nicht notwendigerweise ein Grund, dem Land gleich den Rücken zu kehren. Wie in anderen ärmeren Ländern funktioniert hier der Verkehr auch ohne Ampeln - wer Geschäfte betreibt, muss sich eben an das Rechtssystem gewöhnen. Rechtssystem und Gerichtswesen in Afghanistan stecken noch in den Kinderschuhen. Ihr Zustand ist selbst im Vergleich mit ähnlich entwickelten Ländern sehr schlecht. Dies folgert eine Studie der Millennium Challenge Corporation (MCC), einem vom US-amerikanischen Kongress gegründeten Think Tank, der sich mit Fragen der Entwicklungszusammenarbeit befasst. Die Einschätzung der MCC dürfte auf verschiedenen Faktoren beruhen: Verschiedene Rechtssysteme überlappen sich, nämlich die islamische Scharia, das auf Traditionen und Bräuchen beruhende Stammesrecht sowie das noch neue und lückenhafte, auf der Verfassung von 2004 beruhende kodifizierte Recht. Wesentliche Gesetze für wirtschaftliche Aktivitäten fehlen, vor allem ein Vertragsrecht und ein Handelsgesetzbuch (Entwürfe hierzu existieren bereits). 32 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Es mangelt an juristisch geschulten Personen, sowohl für Richter- als auch Anwaltschaft. Es gibt erhebliche Probleme mit Korruption in Verwaltung und Gerichtswesen. Für ausländische Investoren spielt das afghanische Gerichtswesen daher eine eher untergeordnete Rolle. Streitfälle werden in der Regel durch Schieds- oder Mediationsverfahren beigelegt. Diese Formen der Streitbeilegung sind im Investitionsgesetz in Art. 30 ausdrücklich zugelassen. Dies betrifft sowohl den Ort der Streitbeilegung als auch das anwendbare Recht. Erfahrungswerten zufolge lassen sich afghanische Unternehmen durchaus auf solche vertragliche Vereinbarungen ein. Zwar lässt sich auf diese Weise die Korruption im Gerichtswesen zumindest teilweise umgehen, gleichwohl ist mit einem gewonnenen Schiedsverfahren der Anspruch längst noch nicht durchgesetzt. Außerdem riskiert der afghanische Geschäftspartner wohl eher wenig, wenn er sich auf solch ein Verfahren einlässt, sofern keine Pfändung von Eigentum des Geschäftspartners außerhalb von Afghanistan in Betracht kommt. Der Schwerpunkt muss insoweit ganz klar in der gütlichen Streitbeilegung gesucht werden. Im Umgang mit der Verwaltung lässt sich die Korruption wesentlich schwieriger umgehen. Sie reicht von der direkten Aufforderung zur Bestechung bis hin zur aktiven Behinderung von Geschäften, vor allem dann, wenn die Interessen lokaler Wirtschaftsbosse betroffen sind. Im Corruption Perception Index 2010 von Transparency International steht Afghanistan auf Rang 176 von 178 Ländern. Zwar stehen gemäß den Artikeln 260 bis 267 des Strafgesetzbuches hohe Strafen auf Bestechung und Bestechlichkeit, die Durchsetzung dieser Strafnormen ist bislang aber vollkommen ungenügend. Zudem kann sich ein strafrechtliches Problem auch in Deutschland ergeben, wie etwa der Blick auf das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung zeigt. Wer in Afghanistan tätig werden will, braucht daher vor allem Durchhaltevermögen, Kontakte und Einfallsreichtum. Handels- und Gesellschaftsrecht Hintergrund Ursprünglich waren die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen im afghanischen Handelsgesetzbuch von 1955 geregelt. Dieses Gesetz war aufgrund der Verfassung aus dem Jahr 2004 weiterhin anwendbar, bedurfte aber insbesondere im gesellschaftsrechtlichen Bereich dringend der Überarbeitung. Eine solche Überarbeitung erfolgte durch US-amerikanische Juristen nach US-Vorbild und ist seit 2007 aufgrund präsidialen Erlasses auch anwendbar. Die so entstandenen neuen Personengesellschafts- und Kapitalgesellschaftsgesetze dürften das Handelsgesetzbuch von 1955 in den entsprechenden Bereichen ersetzt haben, wobei dies aber nicht ganz klar ist. Die vorgesehenen Personengesellschaften sind die Sherkat-Tazamoni, vergleichbar mit der deutschen GbR, und die Sherkat-TazamoniMokhtalat, die mit der deutschen Kommanditgesellschaft vergleichbar ist. Allerdings spielen diese Gesellschaftsformen für Investoren kaum eine Rolle. Wesentlich größere Bedeutung kommt den Kapitalgesellschaften und dabei vor allem der Sherkate-Mahdud-ul-Massoliat zu. Dies ist eine Gesellschaft, in der die Haftung der Gesellschafter auf ihre Einlage beschränkt ist. Sie heißt im Folgenden „Limited Liability Company“ (LLC) und ist mit der deutschen GmbH vergleichbar. Die meisten Investoren in Afghanistan wählen diese Gesellschaftsform, die wegen ihrer herausgehobenen Bedeutung im Folgenden näher erläutert wird. Die andere mögliche Kapitalgesellschaft, im Folgenden als Corporation bezeichnet, entspricht im Wesentlichen der deutschen Aktiengesellschaft und wird hier nur am Rande erwähnt. Darstellung der gesetzlichen Regelung Eine LLC muss mindestens zwei und kann maximal 50 Gesellschafter haben (Art. 3 des Kapitalgesellschaftsgesetzes). Diese haften nur mit ihrer Einlage. Grundlage der LLC ist der von den Gesellschaftern unterschriebene und im afghanischen Handelsregister registrierte Gesellschaftsvertrag. Nennen muss dieser Gesellschaftsvertrag insbesondere den Namen der Gesellschaft, den Namen und die Anschrift der Gesellschafter, die Anschrift des Sitzes der Gesellschaft, die Verteilung der Gesellschaftsanteile und - sofern vorhanden - die angestrebte Dauer der Gesellschaft (Art. 21). Der Name einer LLC muss den Zusatz „limited“ oder „ltd.“ enthalten (Art. 26). Ein Mindestkapital ist nicht erforderlich. Rechtlich existiert die Gesellschaft, sobald der Gesellschaftsvertrag unter- schrieben und im Handelsregister eingetragen ist (Art. 22). Werden vor diesem Zeitpunkt bereits Geschäftstätigkeiten vorgenommen, so haften die Gesellschafter dafür grundsätzlich persönlich. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur dann, wenn dem Geschäftspartner bekannt war, dass die LLC noch nicht bestand (Art. 23). In Bezug auf die Organe einer Kapitalgesellschaft macht das Gesetz keinen Unterschied zwischen LLC und Corporation. Bei beiden Kapitalgesellschaftsformen ist neben einem Board of Directors (BoD) und der Gesellschafterversammlung auch ein Board of Supervisors (BoS) vorgesehen. Das BoD entspricht im Wesentlichen dem Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft oder der Geschäftsführung einer deutschen GmbH. Es führt die Geschäfte der Gesellschaft und kann sie rechtlich verpflichten. Die gesetzlichen Bestimmungen bieten insofern mit Blick auf die deutschen Regelungen wenig Ungewöhnliches. Die Mitglieder müssen mindestens 18 Jahre alt sein und dürfen nicht ihrer zivilen Rechte durch ein Gericht enthoben worden sein. Die Mitglieder des BoD (directors) werden durch die Gesellschafterversammlung für eine maximale Amtszeit von drei Jahren bestimmt. Eine Abberufung ist ebenfalls durch die Gesellschafterversammlung möglich. Die directors haben im Interesse des Unternehmens und der Gesellschafter zu handeln. Dabei können sie bei der Entscheidungsfindung auf Experten zurückgreifen, sind aber bei der Auswahl dieser Experten zu einer besonderen Sorgfalt verpflichtet. Verletzt ein director seine Pflichten oder schadet er der Gesellschaft in sonstiger Weise vorsätzlich, haftet er gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern persönlich. Daneben enthält das Gesetz auch einige Vorschriften zum Thema Corporate Governance. Das BoS entspricht in seinen Funktionen dem von deutschen Aktiengesellschaften und teilweise auch GmbHs bekannten Aufsichtsrat. Es besteht aus mindestens zwei Mitgliedern, die von der Gesellschafterversammlung für maximal drei Jahre bestimmt werden. Sie dürfen weder Mitglied des BoD noch sonst in die Führung der Geschäfte involviert sein, etwa als leitende Angestellte. Außerdem dürfen sie nicht mit Mitgliedern des BoD verwandt sein. Die wichtigsten Pflichten des BoS sind die Überprüfung des Jahresabschlusses, die Überprüfung der Bücher der Gesellschaft zumindest alle sechs Monate, die unangekündigte Kontrolle des Kassenbestands zumindest einmal im Quartal und generell die Überwachung der Tätigkeiten des BoD. Die Gesellschafter können im Rahmen einer ordentlichen oder einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung zusammentreten. Die ordentliche Gesellschafterversammlung soll binnen vier Monaten nach Ablauf des Veranlagungszeitraums abgehalten werden. Den genauen Ort und Zeitpunkt der Versammlung bestimmt das BoD. Notfalls kann sie auch über Fernkommunikationsmittel abgehalten werden. Eine außerordentliche Gesellschafterversammlung ist dann abzuhalten, wenn eine zur Einberufung aufgrund des Gesellschaftsvertrags befugte Person dies beantragt oder wenn eine Germany Trade & Invest www.gtai.de 33 Rechtliche Rahmenbedingungen Minderheit, die zumindest 10% der Stimmrechte verkörpert, einen schriftlichen Antrag darauf stellt. Wertung Die Reihe „Doing business in …“ der Weltbank listet Afghanistan in Bezug auf die Gesellschaftsgründung für das Jahr 2011auf einem guten 25. Rang (von 183). Demzufolge kann eine Gesellschaftsgründung binnen sieben Tagen abgeschlossen werden. Hilfe bietet dabei vor allem die Afghanistan Investment Support Agencyv (AISA). Gleichzeitig allerdings belegt Afghanistan nur Rang 167 in der Kategorie „ease of doing business“. Jedoch sollte man sich von diesem Wert nicht übermäßig negativ beeinflussen lassen. Das Maß an Korruption und bürokratischen Hindernissen ist zwar erheblich, aber darauf beruht die schlechte Platzierung allenfalls indirekt. Viel wichtiger ist, dass einige Beurteilungskriterien von „Doing business in...“ Afghanistan deutlich nach unten ziehen, weil Gesetze fehlen oder der Transport von Waren aufgrund der Sicherheitslage sehr teuer ist. Dieser Risiken wird sich indes jeder bewusst sein, der in Afghanistan tätig werden will. So gibt es in Afghanistan kein Insolvenzrecht. Das monetäre Risiko daraus mag angesichts hoher Gewinnmargen als kalkulierbar erscheinen; als entscheidend gelten die Auswahl der Geschäftspartner und das Vertrauen in sie. Investitionsrecht Darstellung des Gesetzes Für politische Grundsatzentscheidungen im Rahmen der Investitionsförderung ist die High Commission 34 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan on Investment zuständig. Mit der praktischen Ausführung der Investitionsförderung ist die afghanische Investitionsfördergesellschaft AISA betraut. Investitionen in den folgenden Bereichen sind gemäß Art. 5 (a) Investitionsgesetz nicht möglich: n Nukleartechnologie n Betrieb von Wettspielen (Kasinos und Wettbüros) n Produktion von Betäubungs mitteln (Drogen und Alkohol). Investitionen in einigen ausgewählten Bereichen erfordern zudem gemäß Art. 5 (c) und (d) Investitionsgesetz eine Sondergenehmigung. Dies kann zusätzliche Zeit und Kosten benötigen. Betroffen sind: n Produktion und Verkauf von Waffen und Sprengstoffen n Finanzgeschäfte ohne Bankbeteiligungen nVersicherungen n Rohstoffe (besonders Bergbau und Forstwirtschaft) n Infrastrukturprojekte (besonders Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung, Abfallbesei tigung, Gesundheits- und Ausbildungseinrichtungen). Bei Investitionen in den Rohstoffbereich und Infrastrukturprojekte sind Sondergenehmigungen allerdings nur dann erforderlich, wenn kein Branchengesetz erlassen wurde. Bislang existieren ein Telekommunikationsgesetz (Telecommunication Law), ein Versicherungsgesetz (Insurance Law), ein Bergbaugesetz (Minerals Law) und ein Öl- und Gasgesetz (Hydrocarbons Law). Nicht jedes in Afghanistan operierende Unternehmen ist als solches auch offiziell registriert. Von Ge- schäftsabschlüssen mit nichtregistrierten Unternehmen ist generell eher abzuraten. Registrierungsfähig ist jedes Unternehmen, das nach afghanischem Recht oder den Vorschriften eines anderen Staates gegründet wurde und mittels einer Zweigstelle in Afghanistan Geschäfte durchführen will. Der Registrierungsprozess sieht in der Regel wie folgt aus: n Antragstellung bei der AISA und Beantragung einer Steueridentifikationsnummer n Aufnahme der Investition in die Datenbank der AISA n Überprüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit afghanischen Gesetzen n Eintragung im Handelsregister (geführt von den Handels gerichten) und Veröffentlichung der Geschäftsaufnahme in einer afghanischen Zeitung. Die Registrierungslizenz (certificate of existence) wird sodann nach Zahlung der Gebühr (je nach Größe der Investition zwischen 100 und 1.000 US$) ausgestellt. An registrierten Unternehmen kann der Investor bis zu 100% der Gesellschaftsanteile halten (vgl. Artikel 10 Investitionsgesetz), es gibt also keine Beschränkung des Kapitalanteils. Registrierte Unternehmen müssen die AISA informieren, wenn sich die Gesellschafterzusammensetzung oder Kapitalstruktur ändert oder eine Kapitalerhöhung stattfindet. Das Investitionsgesetz sieht für registrierte Unternehmen einen Diskriminierungsschutz vor staatlichem Handeln und den Zugang zu afghanischen Banken vor und ermöglicht damit das Führen von Konten. Zudem sichert das Investitionsgesetz registrierten ausländischen Unternehmen die Möglichkeit zu, Grundstücke für einen Zeitraum von bis zu 50 Jahren zu pachten. Für die Repatriierung von Gewinnen gibt es laut Gesetz keine Beschränkungen, vorausgesetzt, dies kollidiert nicht mit den Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche und der Finanzierung von Terrorismus. Das Investitionsgesetz sieht in Art. 25 vor, dass der aus dem Verkauf eines Unternehmens resultierende Gewinn ebenfalls ohne weitergehende Restriktionen repatriiert werden kann. Im Fall eines übergeordneten öffentlichen Interesses kann gemäß Art. 27 Investitionsgesetz eine Enteignung Privater erfolgen. In diesem Fall sieht Art. 28 eine angemessene Entschädigung „in Übereinstimmung mit internationalem Recht“ vor. Schutz bietet hier auch das bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen Afghanistan und Deutschland vom 19/20.4.05 (in Kraft seit dem 12.10.07). Das Investitionsgesetz sieht in Art. 30 ausdrücklich Streitbeilegungsmethoden vor, die außerhalb der ordentlichen afghanischen Gerichtsbarkeit stattfinden. Sowohl ausländisches Recht als auch ein ausländisches Schiedsgericht kann gewählt werden. Entsprechende Regelungen finden sich auch im Schieds- und Mediationsgesetz von 2007. Afghanistan ist dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958 beigetreten. Auch bei einer Streitigkeit zwischen einem Investor und dem afghanischen Staat ist es laut Investitionsgesetz möglich, ein internationales Schiedsgericht anzurufen. Als Schiedsgericht vorgesehen ist das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington (International Center for Settlement of Investment Disputes, ICSID), ohne dass dafür eine weitere Zustimmung des afghanischen Staates erforderlich wäre. Voraussetzung ist, dass keine anderweitigen Vereinbarungen geschlossen wurden und der ausländische Anteil des Unternehmens zumindest 25% beträgt. Absicherung der Investition Insbesondere für kleine und mittelgroße Unternehmen besteht die Möglichkeit, die Investition bei der Afghanistan Investment Guarantee Facility (AIGF) zu versichern. Die AIGF ist an die Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA) - ein Mitglied der Weltbankgruppe - angeschlossen. Sie verfügt zur Absicherung also über Weltbank-Kapital. Im Wesentlichen bietet die AIGF die folgenden Versicherungspolicen an, die einzeln oder in Kombination vereinbart werden können: Transferrestriktion: Sichert das Unternehmen gegen Verluste ab, die daraus entstehen, dass es Kapital oder Gewinne nicht in ausländische Währung zum Transfer ins Ausland wechseln kann. Währungspreisschwankungen werden allerdings nicht abgedeckt. Enteignung: Sichert das Unternehmen gegen Enteignungen oder enteignungsgleiche Maßnahmen von staatlicher Seite ab, sofern diese ohne angemessene Entschädigung und entgegen der gesetzlichen Regelungen erfolgt. Krieg und zivile Unruhen: Sichert das Unternehmen gegen Schäden durch Kriegshandlungen, Sabotage, Terrorismus und zivile Unruhen ab. Vertragsbruch: Sichert das Unternehmen gegen Vertragsbruch durch den afghanischen Staat ab, sofern ein Streitbeilegungsverfahren existiert, dieses genutzt wurde und der Staat der aus dem Streitbeilegungsverfahren resultierende Entscheidung nicht binnen einer gewissen Frist nachkommt. Die Absicherung durch die AIGF erfolgt in der Regel für sieben Jahre. Abgesichert werden das Investitionsvorhaben bis zu einer Höhe von 90% der Investitionssumme sowie die mit der Investition direkt zusammenhängenden Gewinne von bis zu 450% der Investitionssumme. Der Teil der Investition, der von der AIGF nicht versichert wird, muss in jedem Fall vom Investor getragen werden, darf also nicht anderweitig versichert werden. Wertung Das Investitionsrecht Afghanistans wird als eines der investorenfreundlichsten des gesamten Nahen und Mittleren Ostens beschrieben. Im Unterschied zu vielen anderen Investitionsgesetzen der Region zeichnet es sich insbesondere dadurch aus, dass ausländische und inländische Investoren (fast) die gleichen Rechte haben. Eine Schlechterstellung ausländischer Investoren ergibt sich im Grunde nur daraus, dass diese kein Grundeigentum in Afghanistan erwerben können, sondern auf langjährige Pachtverträge beschränkt sind. Germany Trade & Invest www.gtai.de 35 Rechtliche Rahmenbedingungen Die afghanische Regierung bemüht sich sehr um ausländische Investoren. Um den Sicherheitsbedenken gerade auch deutscher Investoren zu begegnen, wurden in der Nähe der großen Städte sogenannte Industriezonen eingerichtet. Diese bieten neben besonderen Schutzmaßnahmen auch eine gute Infrastruktur. Zudem bieten sie Sicherheit in Bezug auf Rechte Dritter an einem Grundstück. Gelegentlich streiten sich Investoren mit Dritten, die Rechte an Grundstücken geltend machten. Hintergrund ist, dass es kein einheitliches - dem deutschen Grundbuch vergleichbares - Register für Grundstücke und Rechte an Grundstücken gibt. Außerdem waren in Kriegswirren Grundstückskonfiszierungen und die Vernichtung von Dokumenten üblich. Gleichwohl müssen sich Investoren nicht auf diese Industriezonen beschränken. Viele ausländische Unternehmen haben ganz normale Büros in den großen Städten. Allerdings sollte sich der Investor auf Mietpreise gefasst machen, die mit denen deutscher Großstädte vergleichbar sind. In Anbetracht der nach wie vor kritischen Sicherheitslage ist es auch äußerst empfehlenswert, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und dafür zusätzliche Kosten einzuplanen. Der Zugang zu Krediten ist schwierig. Dies liegt vor allem daran, dass Regelungen zum Schutz von Kreditgeber und Kreditnehmer bisher allenfalls ansatzweise existieren. Trotzdem gibt es, gerade in Kabul, eine Reihe von Banken. Sofern lediglich Waren nach Afghanistan geliefert werden sollen und nicht beabsichtigt ist, eine dauerhafte Präsenz vor Ort zu unterhalten, ist, wie im internationalen Geschäft 36 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan üblich, der L/C (Letter of Credit; Akkreditiv) das probate Mittel. Vor Ort kann sich ein Problem daraus ergeben, dass der Geschäftspartner kein Konto bei einer registrierten Bank unterhält. Nach wie vor gibt es in Afghanistan inoffizielle Finanzierungssysteme (sog. hawala), von deren Nutzung aber grundsätzlich abgeraten wird. Arbeitsrecht / Arbeitnehmerentsendung Bei einer Arbeitnehmerentsendung sind vor allem vier Dinge zu berücksichtigen: n Anpassung des Arbeitsvertrages nSozialversicherungsrecht n Einreisebestimmungen und Arbeitsvisum nSteuerrecht. Üblicherweise wird im Rahmen einer Entsendung ein sogenannter Entsendevertrag geschlossen, welcher individuell und auf den Einzelfall abgestimmt zu erstellen ist. Eine Sozialversicherung existiert in Afghanistan derzeit nicht. Zu klären bleibt die Sozialversicherungspflicht in Deutschland. Ob diese gegeben ist, hängt ebenfalls vom Einzelfall ab, insbesondere der Dauer der Auslandstätigkeit. In Deutschland sozialversicherungspflichtig bleiben Arbeitnehmer, die im Rahmen eines deutschen Arbeitsvertrags nach Afghanistan geschickt werden, wenn die Entsendung also befristet ist und in Deutschland eine Weiterbeschäftigung nach der Rückkehr geplant ist. Beschränkt sich der Arbeitsvertrag hingegen auf die Tätigkeit in Afghanistan, erlischt grundsätzlich die Versicherungspflicht in Deutschland. Allerdings hat diese Regel Ausnahmen. Zudem können sich Arbeitnehmer, für die in Deutschland keine Versicherungspflicht gilt, dort freiwillig versichern. Die Visumsbeantragung muss vor der Einreise bei der afghanischen Botschaft in Berlin erfolgen, kann also nicht an der Grenze oder am Flughafen vorgenommen werden. Einzureichen sind neben dem Antrag zwei Passbilder, ein Einzahlungsbeleg der Gebühr (keine Barzahlung oder unerledigte Überweisungsaufträge), der Reisepass samt Kopie davon, ein Schreiben des Arbeitgebers und, sofern eine postalische Zusendung erwünscht ist, ein mit fünf Euro frankierter Rückumschlag. Ein Visum kann maximal für drei Monate erteilt werden. Die Gebühr beträgt pro Monat 30 Euro. Nur die einmalige Einreise ist gestattet. Bei einem längerfristigen Aufenthalt kann vor Ort in Kabul eine Verlängerung beantragt werden. Für Arbeitnehmer interessant ist, dass der Auslandstätigkeitserlass für sie anwendbar ist. Das bedeutet, dass sie auf ihr afghanisches Einkommen nur in Afghanistan Steuern zahlen müssen, selbst wenn sie ihren Wohnsitz in Deutschland nicht aufgeben. Steuerrecht Zwischen Afghanistan und Deutschland besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen. Das bedeutet, dass allenfalls die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung anwendbar sind. In der Regel wird in Deutschland daher auf die in § 34c Abs.1 EStG beschriebene Anrechnungsmethode zurückzugreifen sein. Prinzipiell bedeutet dies, dass in Af- ghanistan gezahlte Steuern bis zur Höhe des deutschen Steuersatzes auf die deutsche Steuer angerechnet werden können, sofern aufgrund unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland die jeweiligen Gewinne auch der deutschen Steuerpflicht unterliegen. In Afghanistan ist 2009 ein neues Steuergesetz in Kraft getreten und hat das vorherige von 2005 ersetzt. Auch wenn in vielen Punkten mit dem Gesetz von 2005 vergleichbar, verfügt das neue Gesetz über einige vorher nicht vorhandene Konzepte. Es unterscheidet etwa zwischen Einkommen aus in- und ausländischer Quelle, zudem änderte es die Steuersätze. Anders als in Deutschland geht der Veranlagungszeitraum grundsätzlich vom 21.3. bis zum 20.3. des Folgejahres. Wer in Afghanistan ansässig ist, unterliegt mit seinem weltweiten Einkommen der afghanischen Steuer (sogenanntes Welteinkommensprinzip). Ansässig ist insbesondere, wer seinen Hauptwohnsitz während des Veranlagungszeitraums in Afghanistan hat oder wer sich innerhalb des Veranlagungszeitraums für mindestens 183 Tage in Afghanistan aufhält. Für Unternehmen sind der Zeitpunkt und Ort der Gründung sowie der Sitz der Verwaltung maßgeblich. Der Körperschaftsteuersatz in Afghanistan beträgt 20%. Deutsche Unternehmen können die von ihren Zweigstellen in Afghanistan bezahlten Steuern in Deutschland bis zur Höhe der deutschen Körperschaftsteuer (15%) anrechnen. Bonuszahlungen und Dienstleistungen einbehalten und innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Monats, in dem der Betrag einbehalten wurde, als Quellensteuer an das Finanzamt abführen. Außerdem müssen Unternehmen oder Privatpersonen Quellensteuern für gewerblich veranlasste Mietzahlungen einbehalten. Bei einer Monatsmiete zwischen 10.000 und 100.000 Af (Afghani; etwa 150 bis 1.500 Euro; 1 Euro = 66 Af) sind 10% zu zahlen, bei über 100.000 Af fallen 15% an. Wer an staatliche Einrichtungen liefert oder Bauaufträge für sie ausführt, muss 2% des Werts als Quellensteuer abführen (bei nicht registrierten Unternehmen 7%). Die staatliche Einrichtung behält dann den anwendbaren Prozentsatz ein. Die Quellensteuer kann, unabhängig von der Ansässigkeit, nicht auf die sonstige Steuerlast angerechnet werden. Die Lohnsteuer wird wie in Deutschland vom Arbeitgeber einbehalten. Sie richtet sich nach der Höhe des jeweils anwendbaren Einkommensteuersatzes, der progressiv gestaffelt ist. Einkommensteuer Einkommen (Af)*) Steuerstz (%) bis 5.000 0 5.001 - 12.500 2 12.501 - 100.000 10 über 100.000 20 *) w; rund 15 Euro; 1 Euro = 66 Af; Stand Ende Afghanische Kapitalgesellschaften müssen 20% der Zahlungen in Form von Zinsen, Dividenden, Lizenzgebühren, Preisen, Lotteriegewinnen, Umsatzsteuer an. Diese Business Receipts Tax beträgt grundsätzlich 2%. Für Hotels und Restaurants mit einem Quartalseinkommen von mehr als 750.000 Af, Betreiber von Veranstaltungshallen und Klubs beträgt der Steuersatz 5%; für Luxushotels und -restaurants sowie Telekom- und Luftfahrtdienstleistungen sind es 10%. Die Einkünfte von deutschen Arbeitnehmern in Afghanistan können gemäß dem Auslandstätigkeitserlass von der deutschen Steuer befreit werden. Die Arbeitnehmer unterliegen dann nur der afghanischen Steuer. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Erlasses ist, n dass es sich um einen inländi schen (also deutschen) Arbeitgeber handelt, n dass kein Doppelbesteuerungs abkommen besteht, n dass die Tätigkeit mehr als drei Monate dauert sowie n die Art der Tätigkeit: Der Arbeit nehmer muss Wirtschaftsgüter erstellen oder instandsetzen, Bodenschätze suchen oder gewinnen oder aber Entwick lungszusammenarbeit leisten. Bedeutsam ist dies besonders für die Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz in Deutschland nicht aufgeben wollen oder können. Der Auslandstätigkeitserlass gilt für den Arbeitnehmer auch dann, wenn er für eine gemeinnützige Organisation handelt, da nur diese selbst in der Regel von der Körperschaftsteuer befreit ist, nicht aber das Gehalt der Angestellten; Ausnahmen können aufgrund bilateraler Verträge bestehen. Mai 2011 Niko Sievert (Germany Trade & Invest) Für Warenlieferungen und Dienstleistungen fällt zudem eine Art Germany Trade & Invest www.gtai.de 37 Zoll und Einfuhrverfahren Zoll und Einfuhrverfahren Indien. Innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) hält Afghanistan einen Beobachterstatus. Afghanistan ist Mitglied der südasiatischen Gemeinschaft für regionale Zusammenarbeit (South Asian Association für Regional Cooperation), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Economic Cooperation Organization) sowie des zentralasiatischen Verbundes für regionale Zusammenarbeit (Central Asian Regional Economic Cooperation). Darüber hinaus besteht jeweils bilateral ein Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland und der Türkei sowie ein Abkommen über den präferenziellen Marktzugang für bestimmte Waren mit Mit Pakistan hat Afghanistan im Oktober 2010 ein neues Transitabkommen (Afghan-Pakistan Transit Trade Agreement) unterzeichnet. Umgesetzt werden sollte es nach letzten Informationen und Verschiebungen ab Mitte Juni 2011. Das Abkommen vereinfacht den Transit von Gütern aus und nach Afghanistan über Pakistan und dessen Hafen Karachi und lässt mehr Grenzübergänge zu. Erlaubt ist dann die Nutzung von zusätzlichen Häfen und Transporteuren, etwa Betreiber afghanischer Lkws. Heimische Waren sollen über Pakistan leichter nach Indien ge- langen, während Afghanistan selbst zum Durchgangsland für den Güteraustausch zwischen Pakistan und den zentralasiatischen Staaten werden soll. Einfuhrabgaben, Zolltarif Afghanistans Zölle sind relativ niedrig. Die Weltbank gab den Durchschnittstarif 2009 mit 5,6% an, was deutlich weniger ist als in den Nachbarstaten oder Ländern mit vergleichbarem Einkommen. Auf einen Großteil der Waren entfallen Importzölle von 2,5 bis 5%. Die Zölle für Industrie- und Landwirtschafts- Zollsätze laut Zolltarif 2008 HS-Kapitel / HS-Codenummer Warenbezeichnung 28, 29 Chemische Erzeugnisse 1/5 30 Pharmazeutische Erzeugnisse 2,5 31 Düngemittel 2,5 3304, 3307 Kosmetika 16 4011-4013 Reifen und Schläuche aus Kautschuk 2,5 61-63 Bekleidung 10 72,73 Eisen- und Stahlwaren 2,5/5 82 Werkzeuge und Schneidwaren 5/10 84 Maschinen und Apparate 2,5/5 85 Sonstige elektrotechnische Waren 2,5/5 .8508, 8509 Haushaltsgeräte, Alarmanlagen 5/10 8702, 8704 Busse, Lastkraftwagen 8703 Personenkraftwagen 8708 Kraftfahrzeugteile 9018-9022 Medizinische Geräte und Instrumente Quelle: Customs Tariff, Afghanistan Customs Department, www.customs.gov.af 38 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Einfuhrregelzollsatz (%) 2,5 16/25 5 2,5 güter sind laut Weltbank weitgehend identisch, wobei es wichtige Ausnahmen gibt. Höchsttarif ist 40% Die Nomenklatur des afghanischen Einfuhrzolltarifs basiert auf dem internationalen Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS 2007). Nachfolgend sind einige Produktbereiche mit den entsprechenden Zollsätzen aufgeführt. Der Einführer in Afghanistan muss eine Geschäftslizenz (Business Licence) des afghanischen Wirtschaftsministeriums (Ministry of Commerce and Industry) besitzen und bei der Handelskammer (Afghanistan Chamber of Commerce and Industry) registriert sein. Bei der Abfertigung von Waren zum zollrechtlich freien Verkehr („for free circulation“) entstehen die Einfuhrabgaben (Zoll und Nebenabgaben) zum Zeitpunkt der Abgabe der Zollanmeldung. Bemessungsgrundlage für die Festsetzung des Zolls ist der Zollwert. Das ist grundsätzlich der für die Waren gezahlte oder zu zahlende Preis auf der Basis CIF der internationalen Lieferbedingungen (Incoterms). Foto: © Pixel - Fotolia.com Als Einfuhrnebenabgaben werden erhoben: n zusätzliche Einfuhrsteuer (fixed tax): 2% vom Zollwert zuzüglich Zollbetrag n Business Receipt Tax (BRT): 2% vom Zollwert zuzüglich Zollbetrag n Abgabe an den Roten Halbmond (Red Crescent, das „islamische Rote Kreuz“): 2% vom Zollbetrag. Exportzölle in Höhe von 2,5% vom Zollwert werden erhoben für Eisenerze und ihre Konzentrate einschließlich Schwefelkiesabbrände (HS-Codes 2601.11-20). Warenbegleitpapiere Für eine ordnungsgemäße Verzollung in Afghanistan sind vom Exporteur die folgenden Warenbegleitpapiere zu erstellen: n Handelsrechnung (Commercial Invoice): in dreifacher Ausferti gung, in englischem Wortlaut mit sämtlichen handelsüblichen An gaben und Nennung des Ur sprungslandes sowie einer mit einer Unterschrift versehenen verbindlichen Erklärung am Ende der Rechnung, dass sämtli che Angaben korrekt sind. Die Handelsrechnung ist von der zu ständigen Industrie- und Han delskammer (IHK) zu beglaubigen. n Ursprungszeugnis (Certificate of Origin): Das Ursprungszeugnis ist von der IHK zu beglaubigen. n Frachtpapiere: Konnossement oder Luftfrachtbrief nPackliste. Außertarifliche Zollbefreiungen Das afghanische Zollgesetz sieht unter anderem für folgende Einfuhren eine Zollbefreiung vor: n Wareneinfuhren im Rahmen von mit Krediten finanzierten Staatsprojekten oder Waren für private ausländische oder internationale Hilfsorganisationen, die in Afghanistan registriert sind. Für die Inanspruchnahme der Zollbefreiung ist eine entsprechende Bewilligung bei der Zollverwaltung zu beantragen. n Warenmuster und Werbematerialien n Substanzen zur Verwendung für die Qualitätskontrolle von phar mazeutischen Erzeugnissen n Sendungen mit einem Wert von 1.000 Af (Afghani; rund 15 Euro; 1 Euro = 66 Af; Stand Ende Mai 2011) oder weniger n Postpakete mit einem Wert von 5.000 Af oder weniger. Für Lieferungen mit Transport über Pakistan wird nach Angaben der israelischen Logistik-Firma MultiLog eine pakistanische Transiterlaubnis verlangt. Die Anlaufstelle dafür ist das Central Board of Revenue’s Customs Division in Islamabad. Auf dem Konnossement muss demnach „In Transit to Afghanistan via Pakistan“ vermerkt sein. Germany Trade & Invest www.gtai.de 39 Zoll und Einfuhrverfahren Besondere Zollverfahren Mit Bewilligung der Zollverwaltung können Waren ohne Festsetzung und Erhebung von Abgaben in private oder öffentliche Zolllager verbracht werden. Die Höchstlagerfrist beträgt grundsätzlich zwölf Monate und kann auf Antrag des Zollanmelders von der Zollverwaltung um weitere zwölf Monate verlängert werden. Messewaren und Berufsausrüstungen können im Verfahren der vorübergehenden Einfuhr unter Leistung einer Sicherheit abgabenfrei importiert werden. Die von der Zollverwaltung für diese Waren festgesetzte Wiederausfuhrfrist ist einzuhalten. Für andere Waren der vorübergehenden Einfuhr gilt grundsätzlich eine teilweise Zollbefreiung. Erhoben werden dabei pro Monat 3% des Betrags, der bei einer endgültigen Einfuhr als Zoll anfallen würde. Die Wiederausfuhrfrist beträgt maximal zwölf Monate und kann in begründeten Fällen auf Antrag um weitere zwölf Monate verlängert werden. Einfuhrverbote und -beschränkungen Ein Einfuhrverbot gilt insbesondere für Schweinefleisch und Schweinefleischerzeugnisse, alkoholische Getränke, Baumwollsamen, Gips, Salz, Tafelsalz und Ammoniumnitrat. Für die unten genannten Waren ist eine Einfuhrgenehmigung der zuständigen afghanischen Behörde erforderlich. Bei der Einfuhr von Nahrungsmitteln führen Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums Qualitätskontrollen an den Grenzposten durch. Zwingend erforderlich ist hierfür die Vorlage eines Gesundheitszeugnisses (Sanitary Certificate), das von der zuständigen Behörde im Exportland ausgestellt wurde. Jürgen Huster (Germany Trade & Invest) Waren mit Einfuhrgenehmigung Warenbezeichnung Zuständige Genehmigungsbehörde Pharmazeutische Erzeugnisse, medizinische Geräte, Körperpflegemittel und Kosmetika Ministry of Public Health Veterinärmedizinische Erzeugnisse und Instrumente Ministry of Agriculture, Irrigation and Livestock (MAIL), General Directorate of Animal Health Pestizide und Agrarchemikalien MAIL, Directorate for Plant Quarantine Samen MAIL, Seeds Agency Bestimmte Halogenderivate (HS-Codes 2903.41-45) National Environmental Protection Agency Druckerzeugnisse und kinematographische Filme Ministry of Information and Culture Telekommunikationsausrüstungen Ministry of Communications and Information Technology Gepanzerte Fahrzeuge, Waffen, Munition, militärische Ausrüstungen Ministry of Interior, Ministry of Defence Betäubungsmittel Ministry of Counter-Narcotics Quelle: WTO 40 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Kultureller Hintergrund Kultureller Hintergrund Im Mittelpunkt der afghanischen Kultur steht die Familie. Ihr ist der Einzelne verpflichtet. Danach kommen Tradition und Religion, und erst dann spielen staatliche Regeln und Gesetze eine Rolle im Leben der Menschen. Werte Foto: © GIZ Familie, Gemeinschaft Zur Familie zählen im engeren Sinne die Eltern, die Brüder mit Ehefrauen und Kindern sowie die eigenen Ehefrauen und Kinder. Die meisten Männer haben nur eine Ehefrau. Sehr häufig wohnen alle Mitglieder der Familie zusammen. Entscheidungen trifft der Vater, dann der jeweils älteste Bruder. Weil der Einzelne hinter die Gemeinschaft zurücktritt, hat in Afghanistan der Eigentumsbegriff eine andere Bedeutung als in Deutschland. Das Rasierwasser und das Shampoo dürfen alle im Haus benutzen. Im Zweifel gehört auch das Geld auf dem Konto des Unternehmers allen. Letztendlich wird erwartet, dass jeder zur Gemeinschaft etwas beiträgt und - ohne aufzurechnen - etwas erhält. Ehre, Gastfreundschaft Eine kulturelle Besonderheit ist die Ehre, die in vielen Fällen keine rationale Entscheidung zulässt. Eine bewusste oder unbewusste Verletzung der Ehre kann den europäischen Geschäftspartner in ernste Gefahr bringen. Insbesondere in den paschtunischen Gebieten gebietet es die Tradition, dass ein Gast gut und reichlich bewirtet wird und für seine Sicherheit gesorgt wird. Arme Familien kann diese Gastfreundschaft in große Not bringen. Bei reichen Familien darf der deutsche Geschäftspartner die Gastfreundschaft auch, wenn er möchte, über Nacht und längere Zeit genießen. Bei Besuchen der afghanischen Geschäftspartner in Europa werden üppige Einladungen zum Essen erwartet. Manche Afghanen essen aber nur Halal, also Speisen, die nach islamischem Recht erlaubt oder zulässig sind. Dann sind nur Einladungen in gute konservative afghanische Restaurants möglich. Pünktlichkeit Von den deutschen Geschäftspartnern wird Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit erwartet. Auf der anderen Seite hat jeder Verständnis dafür, Die Familie im weiteren Sinne besteht aus mehreren Tausend mehrfach verwandtschaftlich verbundenen Personen. Im Normalfall wird nur innerhalb dieser Großfamilie geheiratet. Dieser Familie steht ein Familienoberhaupt vor, das in einer offiziellen Zeremonie dazu nach traditionellen Regeln ernannt wurde. Entscheidungen werden in letzter Instanz durch diese Person getroffen - weltweit. Dies kann dazu führen, dass von deutschen oder afghanischen Gerichten getroffene Entscheidungen nicht umgesetzt werden. Regelmäßig sitzen Unschuldige in Deutschland, Afghanistan und anderen Ländern klaglos Strafen ab, für Straftaten, die andere begannen haben, weil das Familienoberhaupt - nach Diskussion in der Familie - dies so bestimmt hat. Germany Trade & Invest www.gtai.de 41 Kultureller Hintergrund dass die Sicherheitslage oder auch persönliche Umstände zu einer Verspätung nicht nur von Stunden, sondern sogar von Tagen oder Wochen führen können. Eine Erklärung oder gar eine Entschuldigung wie in Deutschland ist gänzlich unüblich und wirkt lächerlich. Verhaltensweisen Entscheidungen Entscheidungen werden niemals erläutert. Eine verbindliche Entscheidung kann auch durch einen minderjährigen Sohn der Familie oder einen Angestellten getroffen werden, wenn das Familienoberhaupt ihn für fähig hält. Die Frage nach dem „Warum“ ist in Afghanistan unüblich. Der Europäer, der eine Begründung für eine Entscheidung erwartet, stößt auf Unverständnis. Die wahren Beweggründe werden ihm nicht mitgeteilt werden. Umgang mit Verträgen Schriftliche Verträge sind auch bei großen Geschäften nicht üblich. Wichtig ist, dass für beide Seiten das Geschäft gut ist. Entscheidend ist das gesprochen Wort und nicht der unterschriebene Text. Dabei ist entscheidend, was der Geschäftspartner verstanden hat. Um seinen Gegenüber nicht zu verletzen, wird der Partner es vermeiden, „Nein“ zu sagen. Alles außer einem ausdrücklichen „Ja“ bedeutet eine Ablehnung. Auch ein mit irrationalen Forderungen verknüpftes „Ja“ ist ein verklausuliertes „Nein“. Korrektes Sitzen Die wohlhabenden Unternehmerfamilien haben ein separates Haus oder zumindest ein separates Zimmer, in dem Gäste empfangen 42 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan werden. Üblicherweise sitzen die Gäste und der Gastgeber auf Kissen an einer Wand. Eventuell hat der Gastgeber für seine europäischen Gäste Tische und Stühle besorgt. Insbesondere konservative Gastgeber freuen sich über europäische Gäste, die korrekt auf den Kissen am Boden sitzen können. Dass die Räume nicht mit Schuhen betreten werden dürfen, ist selbstverständlich, gilt aber nicht unbedingt für Büros. Niemals - auch nach vielen Stunden nicht - dürfen die Fußsohlen in Richtung einer anderen Person gestreckt werden. Europäer dürfen aber um eine Decke bitten, mit der sie ihre Beine und Füße bedecken können. Seriös ist, die Füße im Schneidersitz unter dem eigenen Körper zu verstecken. Erlaubt ist aber auch, sich eines der Rückenkissen zu nehmen, um sich darauf seitlich halb liegend abzustützen. Körperliches Berühren Männer können sich gegenseitig auch in der Öffentlichkeit anfassen. Hand in Hand durch die Stadt zu gehen ist nicht peinlich. Männer fassen sich gegenseitig auch an die Schultern, ja selbst an die Oberschenkel, ohne dass dies als Annäherungsversuch interpretiert wird. Dabei bleiben die Männer aber bei einem höflichen und förmlichen „Sie“. Frauen dürfen durch Männer niemals berührt oder angesprochen werden. Schon das Anschauen kann gegen die guten Sitten verstoßen. Nur wenn eine Frau von sich aus die Hand entgegenstreckt, darf diese geschüttelt werden. Auch dann ist es besser, die Frau nicht anzuschauen und schon gar nicht anzusprechen. Es gibt auch selbstbewusste, gebildete und durchsetzungsstarke afghanische Geschäftsfrauen. Für einen europäischen Geschäftsmann ist es aber am sichersten, alle afghanischen Frauen bewusst zu meiden. Gespräche und Umgang mit Frauen Auch wenn sich Geschäftspartner seit vielen Jahren kennen, so bleiben sie immer förmlich im Gespräch, um den anderen nicht zu verletzen. Selbst afghanische Herrenwitze muten Europäern an wie Kinderwitze. Afghanen sind zudem sehr schnell gekränkt. Über Geschäfte kann erst dann gesprochen werden, nachdem sich die Geschäftspartner kennengelernt haben und sich vertrauen. Umgekehrt entwickelt sich der private Umgang mit Geschäftspartnern nur langsam. Der Gesprächspartner erwartet, dass sich die Partner zu Beginn eines Treffens ausgiebig nach dem Befinden erkundigen. Männer sollten aber niemals nach dem Befinden der Frauen fragen. Grundsätzlich wird niemals über die Frauen der Familien gesprochen. Sehr selten werden Frauen vorgestellt. Auch dann darf der Geschäftspartner die Frauen nicht anschauen. Ein falscher Blick kann zum Abbruch der Geschäftstätigkeiten führen. Auch nach vielen Jahren erfolgreicher geschäftlicher Kontakte dürfen die Geschäftspartner die Frauen der Geschäftsfreunde nicht kennenlernen. Über die Ehefrauen und Töchter zu sprechen ist nicht angebracht. Bei Einladungen in Privaträume ist es sicherer, den Gastraum nicht zu verlassen. Es wäre ein großes Unglück für die Frauen, aber auch für die Geschäfte, wenn der männliche Geschäftspartner eine der Frauen des Hauses zu Gesicht bekäme. Der europäische Mann lässt sich zur Toilette begleiten. Dabei darf er nicht herumschauen. Er kehrt zügig auf kürzestem Weg in den Gastraum zurück. Viele Afghanen sind aber mit europäischen Sitten mittlerweile vertraut. Fehler werden zum Teil hingenommen. Niemals wird der Europäer auf Fehler hingewiesen. Vielmehr ist der Geschäftspartner plötzlich nicht mehr zu erreichen und die Ware wird nicht geliefert. Auch hier wird keine Begründung gegeben. Regeln für Frauen Für europäische Frauen gelten grundsätzlich andere Regeln. Da Frauen als nur bedingt geschäftsfähig gelten, werden ihnen Fehler im Geschäftsgebaren schneller verziehen. Selbstverständlich dürfen Europäerinnen auch bei den Frauen sitzen. Sie werden von den Frauen sicherlich während des Gesprächs auch mal angefasst. Sichere Geschäfte können Europäerinnen dann machen, wenn der Geschäftspartner sie mit zu seinem Vermögen zählt - wie sein Auto, Haus und seine Ehefrauen. Im Gegenzug wird erwartet, dass die Europäerin die Grundregeln des (afghanischen) Anstands einhält. Kopftuch ist nicht Pflicht, aber es erleichtert die Gespräche sehr. Bei konservativen Gesprächspartnern reicht das Kopftuch beziehungsweise ein zweites Tuch bis über die Taille. Sonst reicht ein dünnes, durchscheinendes Tuch, das aber groß genug ist, um Kopf und Schulter zu bedecken. Auch müssen die Arme und Beine bis über die Knöchel bedeckt sein. Um bei geschäftlichen Gesprächen respektiert zu werden, tragen Frauen am besten einen guten europäischen Anzug, dessen Jackett den Po vollständig bedeckt. Die Bluse muss hoch geschlossen sein. Toleriert wird etwas freizügigere Kleidung bei Mitarbeiterinnen von NGOs und zum Beispiel deutschen staatlichen Einrichtungen, weil man sich hier finanzielle Zuwendungen erhofft. Bei Gesprächen gilt Lachen, selbst Lächeln, als erotisch. Es verwirrt den Geschäftspartner. Frauen zeigen bei ernsten Gesprächen keine Emotionen. Im Allgemeinen werden Wünsche, die durch deutsche, aber auch afghanische Frauen in der Öffentlichkeit geäußert werden, durch die Männer gern erfüllt. Selbstverständlich wird kein Mann einer Frau durch Berührung helfen. Beim Aussteigen aus dem Auto muss frau alleine zurechtkommen. Stolpert sie, werden alle Männer zur Seite springen oder sich wegdrehen. Alkohol darf von Frauen nicht angerührt werden, das gilt auch für Bier und Wein. Selbst wenn alle Männer um sie herum trinken und ihr Alkohol angeboten wird, wird sie ihr Gesicht verlieren. Frauen sollten in Afghanistan niemals rauchen. Geschäftsessen Eine Einladung zum Essen abzulehnen ist immer unhöflich. Es wird erwartet, dass der Gast reichlich isst. Der Gast sollte das Essen mehrfach dankend ablehnen. Der Gastgeber wird dies ignorieren und als höfli- ches Verhalten interpretieren. Er wird es sich nicht nehmen lassen, den Teller des Gastes persönlich zu füllen. Nicht von allem reichlich zu essen ist unhöflich. Der Teller muss aber nicht leer gegessen werden. Wer nichts mehr essen oder trinken möchte, hält die Hände über das Glas oder den Teller und schaut grimmig. Die Verhaltensweisen beim Essen sind entscheidend von der jeweiligen Familie abhängig. Die Hände werden vor dem Essen gründlich gewaschen. Eventuell kommt vor dem Essen einer der Jugendlichen des Hauses und reicht Wasser, Seife und Handtuch. Üblicherweise wird auf dem Boden sitzend mit der rechten Hand gegessen. Die linke Hand wird nur selten wie zum Beispiel beim Auseinanderreißen des Brotes genutzt. Der Reis wird mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger vom Rand des Tellers genommen. Der Daumen schiebt den Reis über die Finger in den Mund. Gegessen wird sehr ordentlich und sauber, zumal manchmal bis zu drei Personen von einem Teller essen. Jeder isst vom Rand zur Mitte hin. Auch der Pudding oder Milchreis wird so gegessen. Der Gast darf sich nicht am Tischdecken oder am Abräumen nach dem Essen beteiligen. In Afghanistan wird viel Alkohol getrunken, besonders von liberal eingestellten Personen in leitender Funktion. Alkohol zu trinken ist aber riskant, weil es viele strikte Gegner gibt. Im Zweifel kann jeder Alkohol ablehnen, sein Ansehen wird damit steigen. Rauchen - auch Zigaretten in Räumen oder in Anwesenheit des Gastgebers ist gesellschaftlich nicht toleriert. Auch erwachsene Söhne Germany Trade & Invest www.gtai.de 43 Kultureller Hintergrund rauchen nicht vor ihrem Vater. Rauchen in Anwesenheit von Respektpersonen ist eine Beleidigung. In allen großen Städten gibt es Restaurants, die auch in Hamburg oder München so stehen könnten. Die Preise sind dort mit denen in guten Restaurants in Deutschland vergleichbar. Die Bedienung stammt oft aus dem Ausland und ist für afghanische Verhältnisse freizügig angezogen. An dem einen Nachbartisch sitzen vielleicht Mitglieder des Königshauses, am nächsten europäisches Sicherheitspersonal und am dritten Tisch vielleicht Sympathisanten der Taliban. Alkohol trinken, rauchen, laut sprechen oder lachen ist nicht angebracht. Auch wenn der Geschäftspartner protestiert - es wird erwartet, dass bei längeren Besuchen auch der Gast Kosten übernimmt. Nur durch gute Planung kann der Europäer die Rechnung begleichen. Er darf es nicht zu einer Diskussion kommen lassen, sondern muss die Rechnung diskret rechtzeitig verlangen. Die Rechnung wie in Deutschland zu teilen ist unter keinen Umständen möglich. Original afghanische Restaurants haben häufig einen Frauenraum, den Männer nur in Begleitung von Frauen betreten dürfen. Überwiegend stehen in den Restaurants in Kabul Tische und Stühle. Außerhalb Kabuls haben viele Restaurants nur „Tische“. Auf diesen Tischen sitzt man im Schneidersitz mit dem Rücken zum Gang und isst vom Plastikläufer in der Tischmitte. 44 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Kleidungsregeln Männer und Frauen tragen zu geschäftlichen Treffen Anzüge, wie sie auch in Europa üblich sind. Afghanische Kleidung wird von Europäern nur in der Freizeit getragen. Männer können sich einen Vollbart wachsen lassen. In Privaträumen und manchen Büros wird auf Socken oder barfuß gelaufen. Umgang mit Technik Fernseher und Handys sind in Afghanistan sehr weit verbreitet. Handys werden mit Prepaidkarten betrieben. Festnetzanschlüsse sind nicht üblich. In Kabul gibt es mobiles Internet in guter Qualität. Überall gibt es Internetcafés, die einen passablen Zugang samt Skype bieten. Risiken im Umgang mit staatlichen Einrichtungen Europäische Geschäftsleute sollten jegliche illegalen Forderungen ablehnen. Für eine Problemlösung kann man seinen erfahrenen afghanischen Geschäftspartner um Hilfe bitten. In Afghanistan gibt es keine Geheimnisse, da sehr viel geredet wird. Schnell ist im ganzen Land bekannt, wer bereit ist, Bestechungsgelder zu zahlen. Insbesondere außerhalb Kabuls wird auf Basis der jeweiligen Tradition entschieden und nicht nach staatlichen Gesetzen. In ganz Afghanistan aber führen Verhaltensweisen, die der Bevölkerung schaden können, zu Gefängnisstra- fen. Beispiel: Mitarbeiter sind auf ihre Gehälter angewiesen, auch wenn sie keinen schriftlichen Arbeitsvertrag haben. Die verspätete Auszahlung von Gehältern bringt den für die Gehaltszahlung zuständigen afghanischen Mitarbeiter sofort ins Gefängnis. Besser gefeit gegen den etwaigen Verstoß gegen Gesetze ist, wer mit afghanischen Behördenmitarbeitern oder Geschäftspartnern vorsichtig freundlich und nicht ungeduldig umgeht. Sie helfen dem Ausländer dann gerne, nicht unwissentlich ein Gesetz zu übertreten. Gerichtliche Entscheidungen können häufig nicht durchgesetzt werden. Der bedrängte unterlegene Gegner vor Gericht wehrt sich oft mit Waffengewalt. Afghanische Geschäftsleute sind häufig mit einer Pistole unter dem Jackett bewaffnet. Einflussreiche Personen kommen selbst nach Kapitalverbrechen manchmal nach nur wenigen Tagen aus dem Gefängnis frei. Nicht immer werden Leistungen an den afghanischen Staat zügig bezahlt, Schwierigkeiten sind hier die Regel. Wer hier ohne seriöse, kompetente und durchsetzungsstarke afghanische Partner arbeitet, erhält sein Geld vielleicht nie. Cornelia H. Lehmann (advisa Unternehmensberatung) Auslandsfinanzierte Projekte und Ausschreibungen Auslandsfinanzierte Projekte und Ausschreibungen Bedeutung staatlicher Aufträge Etliche der in Afghanistan engagierten deutschen Unternehmen arbeiten direkt oder indirekt im Bereich des Wiederaufbaus. Er wird finanziert von ausländischen Organisationen und, zu einem kleineren, aber zunehmenden Teil, von der afghanischen Regierung. Dies spiegelt sich in den Schwerpunktsektoren der Firmen wider (Bauwirtschaft, Beratung, Gesundheitssektor, Handel). Leistungen werden sowohl bei Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) nachgefragt als auch von internationalen Streitkräften und für den Aufbau der afghanischen Polizei. Die Anzahl westlicher Unternehmen in Afghanistan ist angesichts der prekären Sicherheitslage begrenzt. Manche wundern sich über Grundstückspreise, die in den Innenstädten europäisches Niveau erreichen können. Ohne Kooperationspartner mit guten Afghanistankenntnissen ist es sehr schwierig, auf dem Markt Fuß zu fassen. Derzeit sind bei der Investitionsförderagentur AISA 45 Unternehmen als „deutsch“ oder „deutsch-afghanisch“ registriert. Im Mai 2011 waren laut Homepage des Verbands Beratender Ingenieure in Berlin 16 Branchenfirmen in Afghanistan tätig. Hinzu kommen nach Auskunft der Deutschen Botschaft in Kabul zahlreiche deutsche Firmen, die Afghanistan aus Pakistan, Indien oder anderen Ländern bedienen. Viele der in Afghanistan ansässigen Firmen sind klein und werden von Deutsch-Afghanen betrieben. Umfang der Entwicklungszusammenarbeit Afghanistan war 2009 nach Zahlen der OECD weltweit das größte Empfängerland für offizielle Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA). Die Netto-Zuflüsse stiegen von 0,4 Mrd. US$ (2001) kontinuierlich auf 6,1 Mrd. US$ (2009). Die Entwicklungszusammenarbeit erreichte damit 42% der gesamten offiziell erfassten Wirtschaftsleistung Afghanistans. Von den Entwicklungsausgaben des Landes finanzierten internationale Geber im Haushaltsjahr 2009-2010 fast drei Viertel. Für 2010, die OECD hat für 2011 noch keine Zahlen veröffentlicht, summiert das britische Department for International Development die ODA-Ausgaben der wichtigsten Geber auf 5,1 Mrd. US$. Für die USA alleine, den mit Abstand größten Geber, bewilligte der US-Kongress für das Finanzjahr 2010 zivile Afghanistan-Hilfen von 4,2 Mrd. US$ und damit die Hälfte mehr als im Vorjahr. Das afghanische Finanzministerium kommt für 2010 auf Gesamt-Zuflüsse von 10,9 Mrd. US$, was 71% der offiziellen Wirtschaftsleistung entsprochen hätte. Das Ministerium wies allerdings für die vergangenen Jahre (außer für 2009) jeweils einen etwa doppelt so hohen ODA-Wert aus wie die OECD. Die afghanische ODA-Definition umfasst mehr Offizielle Entwicklungszusammenarbeit (ODA, Mio. US$) Empfänger/Geber 2005 2007 2008 2009 2001-2009 2.818 3.965 4.865 6.070 26.272 2,6 3,7 3,8 4,8 k.A. 22.046 9.185 9.880 2.791 k.A. 1.607 2.244 1.539 2.781 k.A. 35.704 39.305 43.926 47.609 k.A. 1.318 1.514 2.112 2.987 10.974 99 217 294 338 1.360 Empfänger .Afghanistan .Anteil Afghanistans an ODA für alle Entwicklungsländer (%) Irak Pakistan Afrika Geber Afghanistans .USA .Deutschland Quellen: OECD, Statistics on Resource Flows to Developing Countries; Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestags, Dezember 2010 Germany Trade & Invest www.gtai.de 45 Auslandsfinanzierte Projekte und Ausschreibungen ausländische Unterstützung für die Sicherheit. Aber auch manche Regierungen ausländischer Geber versuchen nach Meinung von Beobachtern, einige eher militärbezogene Ausgaben zivilen Zwecken zuzurechnen, weil diese der Öffentlichkeit im Heimatland besser vermittelbar seien. Aus den USA kamen 2001 bis 2009 gut zwei Fünftel der gesamten ODA. Deutschland steuerte in diesem Zeitraum 5,2% bei und wurde 2010 zum drittgrößten Geber nach den USA und Japan. Ein aktueller Bericht des US-Senats („Evaluating U.S. Foreign Assistance To Afghanistan“) beziffert die zivile US-Hilfe für Afghanistan 2002 bis 2010 auf 18,8 Mrd. US$. Etwa ein Sechstel der ODA für Afghanistan floss in den letzten Jahren über multilaterale Kanäle. Wichtige Geber sind die Weltbank, die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) und verschiedene UN-Organisationen. Es gibt eine Vielzahl von Fonds. Der Weltbank-geführte Afghanistan Reconstruction Trust Fund (ARTF) sammelte seit seiner Einrichtung 2002 etwa 3,7 Mrd. US$ ein, wozu Deutschland 203 Mio. Euro beisteuerte. Das aktive Investitionsportfolio des ARTF betrug im Juni 2010 gut 1 Mrd. US$. Deutschland hatte für 2010 rund 48 Mio. US$ zugesagt und die Hälfte davon für nationale Investitionsprogramme zweckgebunden. Sektoral flossen von 2002 bis 2008 rund 44% der gesamten ODA in soziale Dienstleistungen und Infrastruktur, vor allem Gesundheit, Bildung und Wasserversorgung. Etwa 21% gingen in den Bereich Wirtschaftsentwicklung, unter 46 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan anderem in die Energieversorgung, den Transport und das Finanzwesen, 17% in die humanitäre Hilfe. Der Großteil der ODA, nämlich 82% im Zeitraum 2002 bis 2010, umging laut afghanischem Finanzministerium den Staatshaushalt. Diese Mittel wickelten die Geber über ihre eigenen Organisationen ab. Die Verwendung der anderen 18% managte die Regierung, verwaltet überwiegend durch Fonds, die von multilateralen Agenturen geführt sind: ARTF, Law and Order Trust Fund for Afghanistan und Afghanistan Peace and Reintegration Trust Fund. Zusätzliche Hilfe leisten Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Deren finanzieller Beitrag ist allerdings schwer zu erfassen, und ein Teil ihrer Mittel stammt aus staatlichen Fonds, die wiederum zur ODA zählen. Deutschland unterstützte NGOs laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) von 2002 bis 2010 mit 170 Mio. Euro. Das war knapp ein Zehntel der gesamten Afghanistan-Hilfe Deutschlands in diesem Zeitraum. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Afghanistan sind ausländische Finanzmittel, die jenseits der Entwicklungszusammenarbeit ins Land fließen, und das in großem Umfang. Alleine das US-Verteidigungsministerium hatte im Fiskaljahr 2010 laut US Congressional Research Service seinen Vertragspartnern in Afghanistan 11,8 Mrd. US$ zu zahlen. Dies war nicht viel weniger als die gesamte offizielle Wirtschaftsleistung des Landes 2009 (14,2 Mrd. US$). Bei diesen US-Vertragspartnern standen im März 2011 etwa 90.000 Personen in Lohn und Brot, wovon die Hälfte Afghanen waren. Außer mit Sicherheitsdiensten befassten sich die Firmen vor allem mit Bau, Logistik und Transport sowie Übersetzungen. Zu nennen ist auch der Schuldenerlass seitens ausländischer Gläubiger. Das afghanische Finanzministerium beziffert den Erlass nach der 1996 beschlossenen Heavily Indebted Poor Countries Debt Initiative auf 10,5 Mrd. US$. Viele Beobachter bezweifeln Sinn und Nachhaltigkeit der ausländischen Afghanistan-Hilfe, zumindest von Teilen davon. Ausdruck findet dies in dem aktuellen Bericht des US-Senats. Der massive Zufluss von US-Mitteln fördert demnach Korruption und schafft kontraproduktive Anreize. Etliche Hilfsprogramme würden nach Beendigung der ausländischen Unterstützung wieder eingehen, weil sie zu kurzfristig angelegt oder nicht mit den Strukturen in Afghanistan vereinbar seien. Auch die Geschäfte deutscher Firmen dürften deutlich schlechter laufen, sollten Truppen und möglicherweise Unterstützung aus dem Ausland ab 2014 oder früher tatsächlich nach und nach abgezogen werden. Mit dem Austrocknen der EZ-Landschaft fiele für etliche deutsche Unternehmen die Geschäftsgrundlage weg. Die verbliebenen Firmen müssten sich auf einen Einbruch der restlichen Wirtschaft einstellen, wenn die Einschätzung der Weltbank zutrifft: Demnach basiert praktisch das gesamte afghanische Bruttoinlandsprodukt (97%) auf Zahlungen ausländischer Truppen und Helfer. Deutsche Firmen und Entwicklungszusammenarbeit Die wesentlichen staatlichen Entwicklungsorganisationen Deutschlands und damit potenzielle Partner für deutsche Firmen sind in Afghanistan die KfW Entwicklungsbank und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die KfW hilft in Zusammenarbeit mit Consultants mit günstigen Krediten und Zuschüssen, die GIZ leistet mit Fachkräften vor Ort technische Hilfe und Beratung. Die Mittel dafür stammen hauptsächlich von der Bundesregierung (BMZ und Auswärtiges Amt, AA), aber auch von internationalen Gebern. Kunden deutscher Unternehmen sind in Afghanistan auch die Bundeswehr und das Bundesinnenministerium (BMI), das für die Hilfe beim Polizeiaufbau zuständig ist. Ausländische Firmen bekommen EZ-Aufträge offensichtlich überproportional bei Vorhaben, die vom jeweiligen Heimatland finanziert werden. „An Projekte der Amerikaner ist für deutsche Unternehmen schwer heranzukommen“, meint etwa ein deutscher Beobachter. Aber auch für den umgekehrten Fall gibt es Indizien. Dies zeigt eine Zusammenstellung des BMZ zur deutsch-afghanischen Entwicklungszusammenarbeit vom April 2010. Bei 20 laufenden Verträgen mit internationalen Consultants entfielen etwa 90% des Vertragswerts von insgesamt 34 Mio. Euro auf deutsche Firmen, der Rest ganz überwiegend auf ein Schweizer Unternehmen. Andererseits wird zum Beispiel ein laufendes KfW-Vorhaben, das in der BMZ-Aufstellung nicht enthalten ist, von Thales aus Frankreich umgesetzt, ein weiteres führt eine türkische Baufirma durch. Dabei verweisen KfW und GIZ darauf, die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen den Regeln gemäß so auszuschreiben, dass sich auch ausländische Firmen bewerben können. Die GIZ etwa beschafft nur Sachgüter in „freihändiger Vergabe mit Wettbewerb“ bis zu einem Wert von 20.000 Euro. Wird diese Grenze überschritten, sind verschiedene Formen der Ausschreibung vorgesehen. Ab einem Wert von 193.000 Euro müssen die Tender für Waren und Dienstleistungen normalerweise europaweit ausgeschrieben werden. Ein typisches Afghanistan-Projekt der KfW etwa in der Wasserversorgung entsteht, nachdem die grundsätzliche Finanzierung aus Deutschland für den Bereich gesichert ist und Experten einen bestimmten Bedarf festgestellt haben. Grundlage des Vorhabens ist dann eine Machbarkeitsstudie. Übersteigen die Kosten dieser Studie einen bestimmten Betrag, wird ihre Erstellung ausgeschrieben, mit der GIZ oder einem (anderen) Consultant als Gewinner. Die Ausschreibungen für das Projekt selbst erfolgen dann auf der Grundlage der Machbarkeitsstudie. AusschreibungsPlattformen KfW und GIZ veröffentlichen auf ihren Internetseiten detaillierte Informationen zu ihrem Vorgehen bei Beschaffungen und Ausschreibungen allgemein sowie den Vorhaben in Afghanistan. KfW-Ausschreibungen werden in den „Nachrichten für Außenhandel“ (NfA) veröffentlicht. Das zentrale deutsche Internetportal für Tender im Ausland betreibt Germany Trade & Invest (gtai) unter www.gtai.de. Aufgeführt sind dort Ausschreibungen von KfW, GIZ und anderen Organisationen weltweit. Weitere Ausschreibungen veröffentlicht der Tenders Electronic Daily (http://ted.europa.eu), ein OnlineDienst der Europäischen Union. Foto: © GIZ Germany Trade & Invest www.gtai.de 47 Auslandsfinanzierte Projekte und Ausschreibungen Die gtai veröffentlichte 2010 zu Afghanistan 162 öffentliche Ausschreibungen. Knapp zwei Fünftel davon waren von der Weltbank finanziert, und bei über der Hälfte ging es um Beratungsprojekte. Darüber hinaus publizierte die gtai 2010 zu Afghanistan 25 Projekthinweise der KfW und internationaler Organisationen. Dies sind Vorab-Informationen über Vorhaben, die erst später - voraussichtlich - zur Ausschreibungshinweise internationaler Organisationen zu Afghanistan 2010 nach Finanzierung Finanzierung Anzahl Weltbank-Gruppe 63 GIZ 22 Asiatische Entwicklungsbank (ADB) 18 United Nations Office for Project Services (UNOPS) 16 KfW 12 EU-Kommission/Europäische Union 11 United Nations Development Programme (UNDP) Andere Insgesamt 9 11 162 Quelle: Germany Trade & Invest Ausschreibungshinweise internationaler Organisationen zu Afghanistan 2010 nach Branche Branche Anzahl Consulting 88 Wasser/Abwasser 12 Stromerzeugung, -verteilung 11 Fahrzeugbau 8 EDV, Telekommunikation 7 Verkehrsinfrastruktur 7 Bauwirtschaft 6 Maschinen- und Anlagenbau 5 Messtechnik, Feinmechanik 5 Andere Insgesamt Quelle: Germany Trade & Invest 48 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan 13 162 Ausschreibung gelangen. Auch bei der Mehrzahl dieser ProjektFrühinformationen (14) war eine Finanzierung durch die Weltbank geplant. Bei sechs Vorhaben ging es um Landwirtschaft oder Viehzucht, bei fünf um öffentliche Verwaltung und bei vier um Energiewirtschaft. In Afghanistan informiert der Afghanistan Reconstruction & Development Services über staatliche Ausschreibungen (www.ards.gov.af). Die Behörde ist im Wirtschaftsministerium angesiedelt. Die eigentliche Auftragsvergabe findet meist in den Ministerien unter Einbeziehung des Finanzministers statt. Umfang und Verwendung deutscher Entwicklungszusammenarbeit Deutschland leistete von 2002 bis 2009 etwa 1,5 Mrd. Euro für die Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan, mit zunehmender Tendenz. Im Jahr 2010 waren es mit 430 Mio. Euro fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Diesen Betrag will die Bundesregierung bis 2013 jährlich aufbringen. Davon stammen 250 Mio. vom BMZ und 180 Mio. vom AA. Schwerpunktmäßig förderte das BMZ von 2002 bis 2010 mit 162 Mio. Euro die „Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung“. Davon gingen 56 Mio. Euro in den Bau von Straßen und Brücken. Für die Trinkwasserversorgung gab das Ministerium im gleichen Zeitraum 83 Mio. Euro aus, für die Energieversorgung 122 Mio., für die Grund- und Berufsbildung 100 Mio. Mit einigen Millionen Euro förderte das BMZ zudem den (Wieder-) Aufbau wirtschaftspolitischer Institutionen wie der afghanischen Industrie- und Handelskammer ACCI, der Investitionsförderagentur AISA und der Exportförderagentur EPAA. Dies könnte vorteilhaft sein für deutsche Firmen, die in Kontakt mit diesen Organisationen treten. In den nördlichen Provinzen, in denen die Bundeswehr präsent ist und Deutschland besondere Verantwortung für Wiederaufbau und Entwicklung übernommen hat, fördert die Bundesregierung Infrastrukturprojekte. Hierzu gibt es für den Zeitraum 2010 bis 2013 einen regionalen Fonds zur Kapazitätsentwicklung (voraussichtlich 56 Mio. Euro) und einen regionalen Infrastrukturfonds (voraussichtlich 81 Mio. Euro). Die Auswahl der Projekte nehmen die Entwicklungsräte der Provinzen vor, so die Bundesregierung in ihrem Fortschrittsbericht Afghanistan 2010. Begleitet werden die Projekte von KfW, GIZ oder anderen Durchführungsorganisationen. Einer der größten Durchführer für kleinere Infrastrukturprojekte ist für die Deutsche Botschaft das Aga Khan Development Network. Das AA verwendet einen großen Teil seiner Mittel für den Aufbau der afghanischen Polizei durch das BMI. Dazu gehören Ausbildung und Training sowie der Aufbau von Infrastruktur (Trainingszentren, Polizeiwachen, Checkpoints) und Ausstattung. Im Jahr 2011 sollen es wie im Jahr zuvor 77 Mio. Euro sein. Die deutschen Gesamtkosten für diese Polizeihilfe stiegen zwischen 2002 und 2009 deutlich. Sie beliefen sich in dem Zeitraum auf 161 Mio. Euro, wie aus einer ausführlichen Stellungnahme der Bundesre- gierung zum Afghanistan-Einsatz vom September 2010 hervorgeht (Deutscher Bundestag, Drucksache 17/2878). Mit Beträgen in Milliardenhöhe jährlich unterstützen die USA den Aufbau der Sicherheitskräfte. Deutschland gab 2002 bis 2009 beim Polizeiaufbau 45 Mio. Euro für Baumaßnahmen und knapp 26 Mio. Euro für Ausstattung aus. Ausrüstungen wie etwa sondergeschützte Fahrzeuge erhält das BMI über das eigene Beschaffungsamt in Deutschland, meist über Rahmenverträge. Für die nächste Zeit sind laut BMI allerdings keine größeren Anschaffungen geplant. Kleine Baumaßnahmen werden nach Möglichkeit an lokale Firmen vergeben. Die Errichtung von Trainingszentren, Dienstgebäuden und Polizeiwachen erfolgt meist durch die GIZ, deren Projektimplementierungseinheit den Bau wiederum ausschreibt. Die EZ-Organisationen anderer Länder sind bei diesen Aufträgen laut BMI bisher nicht in Konkurrenz zur GIZ getreten. Im Jahr 2010 waren laut Bundesregierung 52 private Militär- und Sicherheitsdienstleister im afghanischen Innenministerium registriert. Die ausländischen Firmen stammten fast ausschließlich aus den USA und dem Vereinigten Königreich. Insgesamt waren bei ihnen 4.000 ausländische Mitarbeiter registriert. Das AA unterstützt Afghanistan außerdem beim Aufbau von Transportinfrastruktur (Zivilflughafen Mazar-e Sharif, Luftüberwachungssystem MLAT, Straßen, Brücken, Verwaltungsgebäude), beim Bau von Schulen sowie bei der Rehabilitie- rung von Gesundheitseinrichtungen (Provinz- und Distriktkrankenhäuser, Basisgesundheitszentren). Größere Maßnahmen schreiben GIZ und KfW nach den dargestellten Regeln aus. Hinzu unterstützt das AA Sekundar- und Hochschulbildung, kulturellen Wiederaufbau, Verwaltungs- und Justizaufbau und die Reintegration Aufständischer. Beschaffung von Zivilgütern Die Bundeswehr verzeichnete für ihren Einsatz in Afghanistan in den letzten Jahren steigende Ausgaben für „sächliche Verwaltungsaufgaben“. Im Jahr 2010 waren es 217 Mio. Euro, nachdem es zuvor 107 Mio. (2007), 135 Mio. (2008) und 148 Mio. Euro (2009) waren. Für die weitere Entwicklung der Ausgaben mag das deutsche Verteidigungsministerium keine Prognose geben. Für die Bedarfsdeckung der Einsatzkräfte hat die Einsatzwehrverwaltungsstelle in Mazar-e Sharif mit Außenstellen in Kundus, Faizabad und Termez 2010 über 7.400 Verträge in Afghanistan geschlossen. Der Auftragswert lag dabei zwischen 5 und 50.000 Euro. Zu den „sächlichen Verwaltungsaufgaben“ zählt die Bundeswehr im Wesentlichen Mehrkosten für Verpflegung, Geschäftsbedarf, Frachtkosten (Luft-, See- und Landweg), Kraftstoffe und andere Betriebsstoffe sowie Kosten für den Liegenschaftsbetrieb einschließlich der Bauunterhaltung. Beschafft werden die Güter und Dienstleistungen soweit wie möglich vor Ort. „Regelmäßig“ sind dies laut Verteidigungsministerium Holz, Germany Trade & Invest www.gtai.de 49 Auslandsfinanzierte Projekte und Ausschreibungen Metall, Baumaterial, Schubkarren, Schaufeln, Klimageräte, ein Teil des Büromaterials sowie Mobilfunkkarten. Viele Güter und Dienstleistungen bezieht die Truppe allerdings über ihre zentralen Stellen in Deutschland. Gründe sind das eingeschränkte Marktangebot vor Ort sowie einzuhaltende Qualitätsstandards und Richtlinien. Dazu gehören unter anderem: Sport- und Spielgeräte, Bürobedarf, Elektromaterial, Sanitärmaterial, Material für Schlosser- und Malerbedarf, Schilder aller Art (Hinweis-, Verbotsschilder etc.), Schmutzwasserpumpen, Ersatzteile für Bohrmaschinen und Ähnliches sowie Haustechnikarbeiten und Transportdienstleistungen. In der Tendenz beschaffe Kontaktadressen Ausschreibungsplattformen Afghanistan Reconstruction & Development Services (staatliche Ausschreibungen) Internet: www.ards.gov.af Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Internet: www.giz.de/de/ausschreibungen.html Germany Trade & Invest Internet: www.gtai.de KfW Entwicklungsbank Internet: www.kfw-entwicklungsbank.de 50 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan man einen immer kleineren Anteil in Afghanistan. Bei zentralen Beschaffungen erfolgt die Vergabe in Deutschland durch die zuständigen Referate des Bundesamtes für Wehrverwaltung oder des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung. Wenn eine Bekanntmachungspflicht besteht, werden die Ausschreibungen auf der „EU-Plattform“ (ab 193.000 Euro) und der Internetplattform „bund.de“ veröffentlicht. Manchmal ist die GIZ eingebunden und mit der Beschaffung beauftragt. Veröffentlicht wird dann auch auf www.giz.de. Die GIZ erstellt im Auftrag der Bundeswehr Infrastruktur an den Standorten Kundus und Talokan. Das derzeitige Volumen aller mit der GIZ geplanten und laufenden Baumaßnahmen beträgt laut Verteidigungsministeriums 55 Mio. Euro. Den Auftrag für die Verpflegung in Afghanistan zum Beispiel hat die Bundeswehr in Deutschland vergeben. Interessierte Firmen müssen dafür nicht per se in Afghanistan ansässig sein, Erfahrungen dort oder in vergleichbaren Ländern sind aber von Vorteil. Einen Teil der Verpflegung wie haltbare Essensrationen steuert die Bundeswehr direkt aus Deutschland bei. Kommissioniert werden die Lieferungen von ihrem Verpflegungsamt in Oldenburg. Ulrich Binkert (Germany Trade & Invest) Tenders Electronic Daily, OnlineDienst der Europäischen Union für Ausschreibungen Internet: http://ted.europa.eu Afghanistan Ministry of Finance (Daten zu ausländischer Hilfe, Partnern etc.) Internet: www.mof.gov.af Weltbank Internet: www.worldbank.org Evaluating U.S. Foreign Assistance To Afghanistan Committee on Foreign Relations U.S. Senate, June 8, 2011 Internet: www.gpoaccess.gov/ congress/index.html Sonstige Informationsquellen Deutscher Bundestag, Drucksache 17/2878, Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage Internet: http://dipbt.bundestag.de Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestags, Dezember 2010 Internet: www.bundesregierung.de Development Cooperation Report 2010 Verband Beratender Ingenieure Internet: www.vbi.de Erfahrungen aus der Praxis Erfahrungen aus der Praxis Erfahrungen und Einschätzungen deutscher Firmen Seit 2001 haben sich mehr als 90 deutsche Unternehmen in Afghanistan niedergelassen. Aktuell gibt es dort 45 Firmen, die als „deutsch“ oder „deutsch-afghanisch“ registriert sind. Die Mehrheit sieht sich als Pionierunternehmen, die ungeachtet schwieriger Rahmenbedingungen in den wachsenden Markt investieren. Der Schwerpunkt liegt in den Sektoren Bau, Energie und Infrastruktur. Weiterhin bieten deutsche Unternehmen Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Consulting, Medizintechnik und Telekommunikation an. Für ausländische Firmen ist Afghanistan ein Markt mit Risiken: Die Sicherheitslage ist instabil. Korruption ist allgegenwärtig. Qualifizierte Arbeitskräfte sind schwierig zu finden. Dennoch überwiegen aus Sicht der befragten Unternehmen die Vorteile. Das internationale Engagement ermöglicht der afghanischen Regierung, Infrastrukturprojekte voranzubringen. In den Großstädten wächst die Nachfrage von Unternehmen und Haushalten nach ausländischem Know-how. Diese Investitionsanreize werden von der instabilen Sicherheitslage überdeckt. Ausländische Unternehmen sind zwar kein vorrangiges Angriffsziel, dennoch sind Mitarbeiter vermehrt von Raubüberfällen und Entführungen betroffen. Um die Geschäftsaktivitäten vor Risiken abzusichern, betreiben Unternehmen eigene Analysen der Sicherheitslage. Unter anderem übernehmen sie in stabilen Regionen direkt Aufträge, während sie in Konfliktgebieten auf lokale Subauftragnehmer zurückgreifen. Diese Vorgehensweise ist nötig, da materielle Verluste nicht von Versicherungen und Garantien abgedeckt werden. In den Unternehmen überwiegen daher kurzfristige Planungen. Das Umfeld bestärkt Firmen, sich auf Ausschreibungen internationaler Organisationen und Streitkräfte zu konzentrieren, die auch Risikozuschläge enthalten. Diese Option wird in den nächsten Jahren an Bedeutung verlieren. Das ausländische Engagement wird spätestens ab 2013 merklich zurückgehen. Ausländische Unternehmen müssen sich daher umorientieren. Die Mehrheit plant, entweder die Geschäftsaktivitäten zu reduzieren oder auf absehbare Zeit das Land zu verlassen. Neben Sicherheit ist Korruption die zweite Hürde für ausländische Investoren. Unternehmen berichten, dass Korruption in den Beziehungen zu staatlichen Stellen allgegenwärtig ist. Als Negativbeispiele werden Steuer- und Zollverwaltungen genannt. Um unter diesen Bedingungen langfristige Planungen zu ermöglichen, ist es für Unternehmen unerlässlich, einen engen Kontakt zu afghanischen Behörden zu halten. Die Firmen vertreten die Position, dass Bestechungen nur kurzfristig eine Lösung darstellen, langfristig aber höhere Kosten nach sich ziehen. Ein weiterer Kritikpunkt ist überbordende Bürokratie. So wartet zum Beispiel ein deutscher Ingenieurconsultant seit längerem auf einen guten Teil des Geldes, das ihm die Stadt Kabul schuldet. Es geht um Leistungen für eines der Projekte, die international finanziert sind, deren Bezahlung aber die afghanischen Behörden abwickeln. Nach dem Einreichen von umfangreichen, mit Originalbelegen zu versehenden Rechnungen musste den Firmenangaben zufolge jeder Vorgang in der Verwaltung unzählige Abteilungen durchlaufen. Dies benötigte immer wieder aktives Überprüfung und nachdrückliches Bitten seitens des Antragstellers. Die Auszahlung schließlich sollte über das Finanzministerium erfolgen. Auf dem Projektkonto, auf das die Weltbank als Finanzierer den Betrag zweckgebunden überwiesen hatte, waren jedoch am Ende einzelne Beträge nicht mehr auffindbar. Heute beteiligt sich der Consultant in Afghanistan nur noch an Projekten, die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit finanziert und direkt mit den Auftragnehmern abgerechnet werden. Unter den afghanischen Behörden gibt es aber auch positive Entwicklungen: Die Afghanische Industrieund Handelskammer (ACCI) organisiert regelmäßig Kooperations- und Kontaktbörsen, an denen sowohl ausländische als auch afghanische Unternehmen teilnehmen. Die Investitionsagentur Afghan Investment Support Agency (AISA) betreut ausländische Firmen über einen „One Stop Shop“ bei der Unternehmensgründung. Diese dauert nicht länger als eine Woche und erfordert Ausgaben von bis zu 1.000 US$. Der AISA-Service endet aber weitgehend mit der Firmengründung, eine langfristige Beratung für Investoren wird Germany Trade & Invest www.gtai.de 51 Erfahrungen aus der Praxis landesweit nicht angeboten. Das genannte deutsche Ingenieurbüro etwa hat es auch nach längeren Anstrengungen bisher nicht geschafft, seine Filiale in Afghanistan wieder zu schließen. Eine weitere Hürde für den Unternehmensstart stellt die Einfuhr von Gütern aus dem Ausland dar. Als Binnenland ist Afghanistan vom Transit durch seine Nachbarländer abhängig. Zahlreiche Zollstreitigkeiten verlangsamen und verteuern den Import von Waren. Der Diebstahl von Containern in pakistanischen Häfen führt zu hohen Transportverlusten. Michael Paulo (CIM-Fachkraft bei der Afghanischen Industrie- und Handelskammer) Foto: © GIZ Nach der Unternehmensgründung stehen ausländische Firmen daher vor zahlreichen Herausforderungen. Eine ist, qualifiziertes Personal zu finden. Afghanistan zeichnet sich durch einen schwierigen Arbeitsmarkt aus. Die Löhne sind im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern höher. Spezialisten insbesondere in technischen Berufen sind kaum vorhanden. Qualifizierte Afghanen in Deutschland sind schwer zu einer Arbeit in ihrem Heimatland zu bewegen, das war zumindest die Erfahrung der befragten deutschen Ingenieurfirma. Auf den Mangel an geeignetem Personal reagieren ausländische Unternehmen, indem sie zunehmend auf interne Schulungen setzen. Neben Fachwissen stehen auch soziale Kompetenzen im Mittelpunkt. Durch den jahrzehntelangen Bürgerkrieg sind afghanische Arbeitnehmer nicht auf die Anforderungen moderner Unternehmen vorbereitet. 52 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Interviews Interviews ETC Power Vor sechs Jahren gründeten vier Firmen aus Deutschland und Polen die ETC Power in Afghanistan (www. etc-power.de). Das Unternehmen baut Solar- und Windanlagen und bietet alternative Lösungen für die Energiegewinnung sowie Aufbereitung von Warmwasser. Mit mehr als 45 Mitarbeitern ist ETC Power eine der größten afghanischen Firmen im Bereich der erneuerbaren Energien. Das Unternehmen sorgt für Strom in Gebäuden und plant die Straßenbeleuchtung in Großstädten. Gesellschafter von ETC Power sind ETC Group (Ahrensburg), Lorentz (Hamburg), Telzas (Warschau, Polen) und Setaplast (Lamprecht). Interview mit Farzad Alawi, Project Manager Die Gesellschafter von ETC Power haben mehr als 1 Mio. US$ in die Gründung des Unternehmens investiert. Welche Anreize hat der afghanische Markt für Ihr Unternehmen? Für ein Solarunternehmen ist Afghanistan ein interessanter Markt. Zehn Jahre nach dem Ende des Taliban-Regimes sind nur 15% der Bevölkerung an das Stromnetz angeschlossen. Die afghanische Regierung und internationale Geber setzen daher verstärkt auf Solarund Windenergie, um ländliche Re- gionen mit Elektrizität zu versorgen. Die Weltbank finanzierte den Bau von 30.000 Solaranlagen. Weitere Organisationen wie die Asian Development Bank und USAID folgten mit langjährigen Programmen. Diese stabile Nachfrage war für die Gesellschafter von ETC Power ein starker Anreiz, in Afghanistan zu investieren. Dabei spielten auch persönliche Beziehungen zum Land eine Rolle. Der Präsident von ETC Power, Alishah Ranjbaryan, sowie weitere Partner sind in Afghanistan geboren und während des Krieges nach Deutschland emigriert. Das internationale Engagement nach 2001 bot ihnen die Möglichkeit, als Unternehmer wieder in ihr Heimatland zurückzukehren. Wie gestaltete sich die Gründung des Unternehmens? In Afghanistan ist die Afghan Investment Support Agency (AISA) der Ansprechpartner für ausländische Investoren. Für die Registrierung bietet AISA einen „One Stop Shop“ an. Im Fall von ETC Power erhielten wir die notwendigen Dokumente innerhalb einer Woche, um das Gemeinschaftsunternehmen zu gründen. Die Kosten beliefen sich auf unter 1.000 US$. Afghanistan gilt als Sinnbild eines schwachen Staates. Nach dem internationalen Korruptionsindex von Transparency International befindet sich das Land auf dem drittletzten Platz. Wie sind Ihre Erfahrungen mit anderen staatlichen Stellen? Die positiven Erfahrungen mit AISA sind leider eine Ausnahme. Insbesondere die Beziehungen zu den Finanz- und Zollbehörden gestalten sich schwierig. In diesen Bereichen zählen Gesetze wenig. Dies schafft Möglichkeiten für staatliche Beamte, verdeckt Bestechungsgelder auf Kosten der Privatwirtschaft einzunehmen. In Afghanistan ist es unter anderem gebräuchlich, dass Unternehmen keine Steuerbescheide erhalten. Dadurch können die Finanzbehörden jederzeit nachträglich Steuern für die vergangenen Geschäftsjahre erheben. Unter diesen Bedingungen ist es unerlässlich, einen engen Kontakt zu den verantwortlichen Stellen zu halten, um eine langfristige Planung zu ermöglichen. Das Gleiche gilt für die Einfuhr von Gütern. Offiziell liegt der Einfuhrzoll für Solarpanel bei 17,5%, für Batterien bei bis zu 12%. Es kommt jedoch vor, dass höhere Sätze verlangt werden und die Bearbeitung verlangsamt wird, wenn keine Zahlung erfolgt. Um diesen Prozess zu beschleunigen, hat ETC Power Dienstleister beauftragt, welche die Gütereinfuhr zu den bestehenden Zollsätzen sicherstellen. Unser Unternehmen vertritt die Position, dass Bestechungen nur kurzfristig eine Lösung für dieses Problem darstellen. Langfristig würden dadurch höhere Kosten entstehen. Wie geht das Unternehmen mit dem Thema Sicherheit um? ETC Power steht vor der Herausforderung, im ganzen Land tätig zu sein. Hierzu gehören friedliche Regionen wie der Westen und der Norden Afghanistans. Aber auch in den Konfliktgebieten Helmand und Kandahar baut das Unternehmen Solaranlagen. Gerade in diesen Provinzen sind Raubüberfälle auf der Tagesordnung. In den vergan- Germany Trade & Invest www.gtai.de 53 Interviews genen Jahren gab es drei Vorfälle, in denen jeweils Solarpanel im Wert von über 50.000 US$ gestohlen wurde. Schwerer als der materielle Verlust wiegt jedoch die Gefahr für unsere Mitarbeiter. Bisher gab es noch keinen Todesfall, jedoch mussten wir mehrmals Fahrer und Techniker gegen Lösegeld freikaufen, die von den Taliban entführt wurden. Von der Polizei kann man in solchen Fällen keine Unterstützung erfahren. Der Kontakt zu lokalen Mittelsmännern ist entscheidend. Welche Maßnahmen trifft ETC Power, um auch in unsicheren Regionen arbeiten zu können? Das Sicherheitsrisiko in Afghanistan kann von keiner Versicherung gedeckt werden. ETC Power setzt daher in gefährlichen Regionen auf Subauftragnehmer, welche die Lage vor Ort kennen. Um die Qualitätsstandards einzuhalten, führen wir kontinuierlich Fortbildungen in Kabul durch. Unter diesen Bedingungen müssen die Projektmanager nur zwei Mal in die Konfliktregionen reisen, um Vorhaben zu planen und abzunehmen. Was ist für ETC Power die größte Herausforderung in den nächsten Jahren? Mehr noch als Korruption und Unsicherheit setzt dem Unternehmen die Billigkonkurrenz aus China, Indien und Malaysia zu. Seit 2005 haben sich Solarfirmen aus diesen Ländern in Afghanistan niedergelassen und drücken die Preise. Als deutsches Unternehmen setzt ETC Power auf Qualität. Gegenüber privaten, staatlichen und internationalen Kunden müssen wir verstärkt kommunizieren, dass nachhaltige Energielösungen einen Preis haben. Hierfür planen wir auch eine Zusammenarbeit mit nationalen Medien. ETC Power ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Derzeit beträgt der jährliche Umsatz mehr als 2 Mio. US$. In den nächsten Jahren wird sich das Geschäftsumfeld für das Unternehmen verändern. Internationale Geber werden auch ihre Programme im Bereich der erneuerbaren Energien zurückfahren. ETC Power muss daher stärker auf Unternehmen im Privatsektor zugehen, um Aufträge zu akquirieren. Insbesondere in der dezentralen Stromversorgung von Wohnungen, Verwaltungen und Gewerben in der Landwirtschaft sehen wir erhebliche Wachstumschancen. 54 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Foto: © Daniel Schoenen - Fotolia.com Das internationale Engagement wird in den nächsten Jahren in Afghanistan reduziert. Welche Auswirkungen wird dies für ETC Power haben? Afghanyar Construction Company Limited (ACCL International) Für ACCL International ist Gewinn nach eigenem Bekunden nicht das Maß aller Dinge. Das afghanischamerikanische Bauunternehmen will über soziales Engagement einen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes leisten. Das damit geschaffene Image hilft, um in Afghanistan voranzukommen. Seit 2003 hat das Unternehmen sein Portfolio stetig erweitert. Neben Dienstleistungen im Bausektor bietet ACCL International auch einen Service in den Bereichen Catering, IT und Energieversorgung an. Damit kommt das Unternehmen einer Nachfrage entgegen: Sowohl internationale als auch nationale Organisationen bevorzugen aufgrund der instabilen Sicherheitslage Gebäude, die autark von ihrer Umgebung sind. Interview mit Michael J. Scott, Chief Operating Officer Derzeit arbeitet ACCL International an acht Bauaufträgen, die jeweils ein Volumen von über 1 Mio. US$ haben. Welche Formen der Akquise nutzen Sie in Afghanistan? Unser Unternehmen konzentriert sich auf öffentliche Ausschreibungen der afghanischen Regierung und internationaler Organisationen. Dabei spielen die US-amerikanischen Streitkräfte sowie Durchfüh- rungsorganisationen eine besondere Rolle. In den Ausschreibungen konkurrieren wir gewöhnlich mit mehr als zehn Bauunternehmen. Als eine der wenigen kann ACCL International aber seine Dienstleistungen im ganzen Land anbieten. Also auch in unsicheren Regionen wie Kandahar, Helmand und Nangarhar. Dies ist ein klarer Wettbewerbsvorteil. ACCL International wirbt mit dem Slogan „Afghans build Afghanistan“ und will einen nachhaltigen Wiederaufbau unterstützen. Wie passen diese Ziele mit unternehmerischem Handeln zusammen? 2003 haben die derzeitigen Vorstandsvorsitzenden Habibullah Peerzada und Sargon Heinrich ACCL International gegründet. Sie folgten einem Aufruf der US-Regierung an amerikanische Unternehmen, in Afghanistan zu investieren. Für die Führung stand von vornherein fest, dass Gewinn nicht das oberste Ziel ist. ACCL International will mit seiner Geschäftstätigkeit einen Beitrag für den Wiederaufbau des Landes leisten. Je nach Projektlage beschäftigt das Unternehmen bis zu 3.000 Mitarbeiter und stellt damit die Versorgung von bis zu 12.000 Familien sicher. Darunter sind auch viele ungelernte Arbeitskräfte, die bei uns eine Ausbildung in technischen Berufen erhalten. Dies ist ein gutes Beispiel, wie auch Unternehmen nachhaltig Entwicklung in Afghanistan fördern können. Durch die Qualifizierungsmaßnahmen sind die Mitarbeiter im Unternehmen besser einsetzbar. Gleichzeitig können sie diese Fähigkeiten auch bei zukünftigen Arbeitgebern einsetzen. Welche Erfahrungen hat ACCL International mit afghanischen Arbeitnehmern? In unserem Unternehmen sind 80% der Mitarbeiter Afghanen. Die Geschäftsführung verfolgt die Strategie, Mitarbeiter langfristig zu binden und keine Entlassungen vorzunehmen. Dies gilt auch bei einem Fehlverhalten von Angestellten. Durch den jahrzehntelangen Bürgerkrieg sind afghanische Arbeitnehmer nicht auf die Anforderungen in einem modernen Bau- und Dienstleistungsunternehmen vorbereitet. Gerade bei sozialen Kompetenzen gibt es Nachholbedarf. Daher haben wir bei ACCL International ein Mentorenprogramm eingeführt, in dem internationale Fachkräfte ihre afghanischen Kollegen in der täglichen Arbeit betreuen. Das Image als Entwicklungshelfer nutzt ACCL International auch in der Außendarstellung. Die Mehrzahl der ausländischen Unternehmen verzichtet hingegen auf eine Öffentlichkeitsarbeit, um nicht als Anschlagsziel wahrgenommen zu werden. Warum verfolgt ihr Unternehmen diese Strategie? ACCL International macht keine breitenwirksame Öffentlichkeitsarbeit. Dem Unternehmen ist es aber wichtig, bestimmte Zielgruppen anzusprechen. Zu ihnen gehören neben den internationalen Organisationen auch die afghanische Regierung samt Ministerien sowie Provinzverwaltungen. Ein persönlicher Kontakt zu diesen Akteuren ist für Unternehmen in Konfliktländern überlebenswichtig. ACCL International sucht insbesondere zu Projekt- Germany Trade & Invest www.gtai.de 55 Interviews beginn den Kontakt zu relevanten afghanischen Organisationen und stellt den Mehrwert in Form von neuen Arbeitsplätzen und Infrastruktur dar. Mit dieser Strategie fährt unser Unternehmen sehr gut. In Afghanistan ist unser Unternehmen anerkannt. Dies schafft nicht nur die Grundlage für zukünftige Aufträge, sondern gewährleistet auch die Sicherheit unserer Mitarbeiter. Seit der Firmengründung haben wir keine Todesopfer zu beklagen. Dies ist erstaunlich, da wir auch Risikoprojekte an der afghanisch-pakistanischen Grenze übernehmen. Welche Sicherheitsrisiken bestehen dann für Ihr Unternehmen? ACCL International bietet nicht nur Dienstleistungen in Afghanistan an. Das Unternehmen vertreibt auch Baustoffe. Im Sortiment befinden sich unter anderem die Produkte der Knauf Gips KG. Welche Absatzchancen haben Baustoffe aus Deutschland in Afghanistan? Der Bausektor wächst derzeit jährlich mit einem zweistelligen Prozentsatz in Afghanistan. Vor allem der Wohnungsmarkt boomt. Von diesen Rahmenbedingungen profitiert ACCL International enorm. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen mehr als 300.000 Quadratmeter Gipswände verkauft. Damit ist ACCL International der bedeutendste Vertriebspartner der Knauf Gips KG. Die Baustoffe stammen aus Fabriken, die außer in Deutschland auch in den Nachbarländern Afghanistans angesiedelt sind. Trotz der geographischen Nähe liegen die Kosten für den Import nach Afghanistan um 30% höher als in anderen Märkten. Dies ist auf den schwierigen Transport über den Landweg zurückzuführen. Gleichzeitig erschweren Zollstreitigkeiten zwischen Afghanistan und seinen Nachbarländern die Einfuhr. Es dauert daher nicht Tage, sondern Wochen, um Güter zu importieren. Foto: © GI Z Auch wenn wir keine Todesopfer zu beklagen haben, ist und bleibt Afghanistan ein Konfliktland. Raub- überfälle gehören landesweit zur Tagesordnung. Den Verlust decken keine Versicherungen ab. Zwar gibt es bei Verträgen mit der US-Regierung Risikozuschläge, jedoch haften wir mit eigenem Geld für Fehlschläge. Daher berücksichtigen wir das Risiko schon bei der Projektakquise. Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können wir erfolgreich arbeiten und uns für Folgeaufträge qualifizieren. 56 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Siemens Afghanistan Seit 1936 ist Siemens mit Unterbrechungen in Afghanistan tätig. Das Unternehmen gehört zu den wenigen „Global Player“, die in Afghanistan mit einer Niederlassung vertreten sind. In den Geschäftsbereichen Energie und Medizintechnik hat sich das Unternehmen in den vergangenen neun Jahren Marktanteile gesichert. Die Kunden von Siemens Afghanistan sind vorrangig Unternehmen und Haushalte. Damit unterscheidet sich Siemens Afghanistan von der Mehrzahl der ausländischen Investoren, die sich auf Ausschreibungen von internationalen Entwicklungsorganisationen und Streitkräften konzentrieren. Interview mit Raaz Hassan, Präsident Siemens Afghanistan Siemens gehört zu den bekannten deutschen Marken in Afghanistan. Was sind die Gründe für die Popularität Ihres Unternehmens? Siemens hat eine jahrzehntelange Tradition in Afghanistan. 1928 besuchte König Amanullah Khan die Siemensstadt in Berlin und war begeistert von der technologischen Entwicklung in Deutschland. Aufgrund dieser hochrangigen Kontakte eröffnete Siemens acht Jahre später seine Niederlassung in Kabul und war maßgeblich daran beteiligt, landesweit die Infrastruktur in den Bereichen Energie und Telekommunikation aufzubauen. Mit dem Einmarsch der Sowjetunion stellte das Unternehmen seine Geschäfts- aktivitäten in Afghanistan ein und kehrte nach über 20 Jahren Unterbrechung 2002 wieder zurück. Wie in der Anfangsphase gehört Energieerzeugung zum Kerngeschäft von Siemens Afghanistan. Weiterhin ist das Unternehmen Marktführer im Bereich der Medizintechnik. Welche Marktchancen eröffnen sich für Unternehmen aus Deutschland in Afghanistan? Afghanistan ist in jeglicher Hinsicht Neuland für Unternehmen aus Industriestaaten. Durch die instabile Sicherheitslage sind Weltmarktunternehmen kaum vertreten. Die Anzahl der Wettbewerber ist gering. Dies eröffnet neben den bekannten Risiken auch Chancen für Markteinsteiger. Dabei muss beachtet werden, dass in Industriestaaten gängige Produkte und Dienstleistungen neu für afghanische Kunden sind. Westliche Firmen müssen daher erst einmal über den Nutzen ihrer Angebote aufklären. In Verkaufsgesprächen steht daher Information an erster Stelle. Siemens Afghanistan ist besonders im Bereich der Energieerzeugung aktiv. Welche Marktchancen bestehen in diesem Sektor für deutsche Unternehmen? In Afghanistan werden von den erforderlichen 5.000 Megawatt nur 600 bereitgestellt. Diese stammen zu 60% aus Importen. Im Bereich der Energieerzeugung gibt es daher einen hohen Investitionsbedarf. Das nationale Energieunternehmen Da Afghanistan Breshna Sherkat (DABS) ist derzeit mit seinen elf regionalen Ablegern für die Energiegewinnung und -weiterleitung zuständig. Der Sektor ist grundsätzlich offen für private Investitionen, allerdings zögern Unternehmen mit dem Markteinstieg, da mangelnde Regulierung und Korruption als Hindernisse angesehen werden. Die afghanische Regierung plant daher in den nächsten Jahren, über DABS vier Großprojekte zu realisieren, um die Lücke zwischen Angebot und Bedarf zu schließen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Bau von Wasser- und Thermalkraftwerken zu. Weiterhin soll die Netzinfrastruktur ausgebaut werden. Seit 2002 hat sich Siemens Afghanistan zum Marktführer im Bereich der Medizintechnik entwickelt. Welche Wachstumschancen bietet der Sektor? In Afghanistan wächst die Mittelschicht. Damit steigt die Nachfrage nach Dienstleistungen im Gesundheitswesen rapide. Dies gilt vor allem für große Städte wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat. Aus meiner Sicht gibt es eine hohe Nachfrage in medizinischen Spezialbereichen wie der Radiologie. Dies gilt für Produkte wie auch für die Schulung von Mitarbeitern. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass afghanische Kliniken ohne die Unterstützung von Entwicklungsorganisationen nur geringe finanzielle Mittel haben. Der schlechte Zugang zu Krediten erschwert Investitionen im Gesundheitsbereich enorm. Siemens sucht daher mit seinen Germany Trade & Invest www.gtai.de 57 Interviews Kunden gemeinsam Finanzierungsmöglichkeiten. Siemens hat sich in Afghanistan auch einen Namen als Anbieter von Technologie im Mobilfunk gemacht. Der Sektor zeigt kontinuierlich hohe Wachstumsraten. In welchen Bereichen erwarten Sie zukünftig Investitionen? Afghanistan gehört zu den am schnellsten wachsenden Telekommunikationsmärkten der Welt. Derzeit verfügen vier Anbieter über Lizenzen, um landesweit Mobilfunkdienste anbieten zu können. Diese haben seit 2001 über 1 Mrd. US$ in den Netzausbau investiert. 58 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Siemens Afghanistan war bis 2007 selbst in diesem Sektor aktiv und lieferte Übertragungstechnik an Mobilfunkanbieter wie die Afghan Wireless Communication Company (AWCC). Mittlerweile haben wir diese Geschäftsaktivitäten an das Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Network abgegeben. Der Sektor steht vor der Herausforderung, neue Technologien zu implementieren. Dies gilt vor allem für den Festnetzbereich. Die afghanischen Großstädte benötigen Glasfaserkabel, um schnelle Internet- und Datendienste nutzen zu können. Davon ungeachtet, muss der Ausbau der Netzinfrastruktur vorangetrieben werden. Zum Kundenkreis von Siemens Afghanistan gehören vorrangig Unternehmen und Haushalte. Wie organisieren Sie die Kundenbetreuung? Für afghanische Kunden ist der persönliche Kontakt entscheidend. Daher stellen wir eine feste Kommunikation von der Angebotserstellung bis zur Rechnungslegung sicher. Für unsere Mitarbeiter ist es entscheidend, den Erwartungen der Kunden zu entsprechen. Dies fördert auch die Zahlungsbereitschaft. In Afghanistan reicht es nicht, einfach eine Rechnung zu stellen. Mit diesem Ansatz haben wir nur geringe Ausfälle zu beklagen. Die Interviews führte Michael Paulo (CIM-Fachkraft bei der Afghanischen Industrie- und Handelskammer). Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA) Interview mit BGA-Präsident Anton F. Börner Herr Börner, warum ist das Thema Ausbildung in Afghanistan ein wichtiges Thema für Sie? Wenn wir über die Stabilisierung in Afghanistan sprechen, ist die Schaffung von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten das zentrale Thema. Wir benötigen über die bereits vorhandenen Ansätze hinaus dringend mehr Ausbildungswerkstätten und Berufsschulen, die das deutsche Modell der dualen Berufsbildung aufgreifen. Eine ganze Generation an Handwerkern, Facharbeitern und Ingenieuren fehlt für den Wiederaufbau des Landes, da zu Zeiten des Bürgerkrieges viele Strukturen zerstört wurden. Aber auch für ehemalige Kämpfer der Mudschahedin oder der Taliban ist dies wichtig: Diese können sich durch den Erwerb beruflicher Fertigkeiten wieder in die Zivilgesellschaft integrieren. Damit schaffen wir über die berufliche Bildung Alternativen zu Gewalt und Radikalisierung. Über Ausbildung und Investitionen geben wir zudem der Jugend eine Perspektive und bringen Menschen in Lohn und Brot, die dann wiederum ganze Großfamilien mit ihrer Hände Arbeit versorgen können. hier zunächst der Nachholbedarf am dringendsten ist. Die Montage, Wartung und Reparatur von Maschinen, insbesondere Textil- und Landwirtschaftsmaschinen, aber auch Tätigkeiten in Kfz-Werkstätten, Bergbau und Lebensmittelverarbeitung sind sicherlich Ansatzpunkte. Ich denke auch daran, dass sich rund um deutsche Pionierunternehmen, die sich in Industrieparks ansiedeln, Ausbildungszentren etablieren, wo gemäß dem Bedarf der Firmen praxisnah ausgebildet werden kann. Wer sollte sich engagieren? Wir reden hier über einen gemeinsamen Ansatz mit größtmöglicher Vernetzung aller Beteiligten. Neben der deutschen und der afghanischen Regierung sehe ich insbesondere bei den nationalen und internationalen Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit die Rolle, Maßnahmen vor Ort zu koordinieren. Die deutsche Wirtschaft aus allen Bereichen, Ingenieure, Handel, Industrie und Handwerk, kann ihren Teil zur Verbesserung der Aus- und Weiterbildungssituation beitragen - insbesondere, wenn es ganz konkret um die Bereitstellung von praxisnahen Ausbildungsplätzen und -konzepten geht. Wie beurteilen Sie die Sicherheitslage? Ist diese nicht hinderlich für ein Engagement von Ausbildern, gerade aus Deutschland? Nicht im ganzen Land ist die Sicherheitslage schlecht. Es ist auch nicht unbedingt notwendig, dass bereits heute in großem Umfang deutsche Ausbilder vor Ort tätig sind. Solange die Situation in einigen Landesteilen angespannt ist, können auch Trainthe-Trainer-Maßnahmen sinnvoll sein, bei denen einheimische Ausbilder dann die Rolle von Multiplikatoren übernehmen. Gleichzeitig kann zum Beispiel über das Internet eine Verbindung hergestellt und ein Austausch organisiert werden. Wir dürfen den Afghanen einfach nicht das Gefühl geben, dass wir sie allein lassen. Foto: © GIZ Welche Berufe sollten im Vordergrund der Ausbildungsmaßnahmen stehen? Im Vordergrund steht natürlich der gewerblich-technische Bereich, da Germany Trade & Invest www.gtai.de 59 Kontaktadressen und Informationsquellen Kontaktadressen und Informationsquellen Kontaktadressen in Afghanistan Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Afghanistan Ansprechpartnerin: Kristin Augsburg Counsellor - Economy, Development, Civil-military Cooperation Tel.: 030/50 00-71 75-115 E-Mail: [email protected]; Internet: www.kabul.diplo.de Die Europäisch-Afghanische Handelskammer war Mitte 2011 in Vorgründungsphase. Afghanistan Investment Support Agency Internet: www.aisa.org.af Relativ viele deutsche Firmen in Afghanistan bewegen sich im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Daraus ergeben sich normalerweise Kontakte mit den deutschen EZ-Durchführungsorganisationen KfW und GIZ, die in Afghanistan große Organisationen unterhalten: GIZ Afghanistan Leiter: Andreas Clausing GIZ Office Kabul, ISAF-AFG-Feldpost, 64298 Darmstadt E-Mail: [email protected] KfW Afghanistan Leiter: Gunnar Wälzholz German House, Charah-e Sadarat 33/2, Kabul Tel.: 0093 700/27 44 56 E-Mail: [email protected] 60 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Die Industrie- und Handelskammer ACCI ist mit mehr als 7.000 Mitgliedsunternehmen die Spitzenorganisation der afghanischen Privatwirtschaft. Als Sprachrohr der Unternehmen setzt sich die Kammer für die Verbesserung der ökonomischen Rahmenbedingungen in Afghanistan ein. Gleichzeitig unterstützt die ACCI einheimische Firmen, ihre Struktur zu professionalisieren, Mitarbeiter auszubilden und Netzwerke im In- und Ausland zu entwickeln. Für deutsche Unternehmen ist die Kammer Anlaufstelle, um Marktinformationen aus erster Hand zu erhalten und Kontakte zur afghanischen Wirtschaft aufzubauen. Mohammad Qurban Haqjo ist seit mehreren Jahren Geschäftsführer der ACCI und spricht Deutsch. Afghan Chamber of Commerce and Industries Geschäftsführung: Mohammad Qurban Haqjo Chman-e-Huzuri, Next to Kabul Nendari, Kabul Ansprechpartner in Afghanistan bis voraussichtlich Anfang 2013: Michael Paulo Tel.: 0093 78/4 26 58 94; Fax.: 0093 77/6 10 01 66 E-Mail: [email protected]. af; Internet: www.acci.org.af Geschäftsführung: E-Mail: [email protected] Informationsplattform für staatliche Ausschreibungen: Afghanistan Reconstruction & Development Services Internet: www.ards.gov.af Asian Development Bank ADB Afghan Infrastructure Trust Fund Internet: www.adb.org/Afghanistan/projects.asp? Ansprechpartner: ADB: Philip Wood; E-Mail: [email protected] Afghanistan Ministry of Finance: Nasim Ihsan; E-Mail: nasim. [email protected] Dehsabz City Development Authority E-Mail: [email protected]; Internet: www.dcda.gov.af Enterprise Development Program (AREDP) Internet: www.aredp.org Export Promotion Agency of Afghanistan Internet: www.epaa.org.af Ministry of Agriculture Irrigation and Livestock Internet: www.mail.gov.af Ministry of Energy and Water Internet: mew.gov.af Ministry of Mines Veröffentlichung von aktuellen Ausschreibungen: Internet: www.mom.gov. af/?page=tenders&lang=en Investment Promotion Department (IPD) of the Afghan Ministry of Mines (Unterstützung der Investoren) Internet: www.mom.gov. af/?page=InvestmentPromotion&lang=en Ministry of Public Works Internet: www.mopws.gov.af/ Ministry of Rural Rehabilitation and Development Internet: www.mrrd.gov.af Öffentliche Ausschreibungen im Bausektor Internet: www.cwctenders.com/ construction_tenders_ afghanistan.htm Internetadressen vieler Organisationen The Afghanistan Directory Internet: www.theafghanistandirectory.com Kontaktadressen in Deutschland Auswärtiges Amt (Reise- und Sicherheitshinweise) Tel.: 030/18 17 20 00; Fax: -18 17 51 10 00 E-Mail: [email protected]; Internet: www.auswaertiges-amt.de advisa Unternehmensberatung Cornelia H. Lehmann (Vertreterin der Afghan Chamber of Commerce and Industries in Deutschland seit 2007) Rothenhauschaussee 28, 21029 Hamburg-Bergedorf Tel.: 040/72 97 79 77 E-Mail: [email protected]; Internet: www.advisa-hamburg.de Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan Handelsattaché der Afghanischen Botschaft: Diplom-Kaufmann Ghulam Taunusstr. 3, 14193 Berlin Tel.: 030/20 67 35 0; Fax: -20 67 35 25 E-Mail: handelsattache@yahoo. com; Internet: www.botschaftafghanistan.de Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Tel. 030/18 615 0; Fax: -18 615 7010 E-Mail: [email protected]; Internet: www.bmwi.de Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ansprechpartnerin: Traudel Köhler Tel.: 030/25 03 28 59 E-Mail: traudel.koehler@bmz. bund.de; Internet: www.bmz.bund. de Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) Tel.: 030/20 28 0; Fax: -20 28 24 50 E-Mail: [email protected]; Internet: www.bdi.eu Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. Tel.: 030/59 00 99 50; Fax: -59 00 99 5 19 E-Mail: [email protected]; Internet: www.bga-online.de Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) Tel.: 069/71 91 21-0; Fax: -71 91 21-19 E-Mail: [email protected]; Internet: www. cimonline.de Commerzbank Ansprechpartner: Stephan Mondovits Tel.: 069/136 2 44 24; Fax: -136 2 28 37 E-Mail: Stephan.Mondovits@ commerzbank.com; Internet: www. commerzbank.com Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Ansprechpartner: Marcel Schwickert Tel.: 06196/79-24 04 E-Mail: [email protected]; Internet: www.giz.de Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V (DIHK) Tel. 030/203 08 – 0; Fax: -203 081000 E-Mail: [email protected]; Internet: www.dihk.de KfW Bankengruppe Ansprechpartner: Martin Jenner Tel.: 069/74 31-82 32 E-Mail: [email protected]; Internet: http://kfw.de Nah- und Mittelostverein e.V. (NUMOV) Jägerstraße 63 D, 10117 Berlin Tel: 030/20 64 10-0; Fax: -10 E-Mail: [email protected]; Internet: www.numov.de Stiftung Wissenschaft und Politik Ansprechpartnerin: Citha D. Maaß Tel.: 030-88 00 70-0 E-Mail: citha.maass@swp-berlin. org; Internet: www.swp-berlin. org.de Germany Trade & Invest www.gtai.de 61 Verband Beratender Ingenieure (VBI) Tel.: 030/260 62 0; Fax: -260 62 100 E-Mail: [email protected]; Internet: www.vbi.de Informationsquellen Afghanistan Economic Update, The World Bank, Dec. 2010 Afghanistan Geological Survey Internet: www.bgs.ac.uk/ afghanminerals/ Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Deutsche Rohstoffagentur Internet: www.bgr.bund.de, www. deutsche-rohstoffagentur.de Central Statistics Organization Internet: http://cso.afghanistan. af 62 Wirtschaftsleitfaden – Afghanistan Deutscher Bundestag, Drucksache 17/2878, Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage Internet: http://dipbt.bundestag. de Development Cooperation Report 2010 Afghanistan Ministry of Finance (Daten zu ausländischer Hilfe, Partnern etc.) Internet: www.mof.gov.af Doing Business in Afghanistan: 2011 Country Commercial Guide for U.S. Companies Internet: http://trade.gov/ static/2011CCG_Afghan.pdf Evaluating U.S. Foreign Assistance To Afghanistan Committee on Foreign Relations U.S. Senate, June 8, 2011 Internet: www.gpoaccess.gov/ congress/index.html Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestags, Dezember 2010 Internet: www.bundesregierung. de Main Investment Opportunities in Afghanistan Afghanistan Investment Support Agency Ministry of Mines, The Islamic Republic of Afghanistan Business Plan 2010 - 2015, Synopsis Kontakt Impressum Herausgeber Germany Trade and Invest Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH Villemombler Straße 76 53123 Bonn T. +49(0)228 24993-0 F. +49(0)228 24993-212 E-Mail: [email protected] Internet: www.gtai.de Autoren: Samira Akrach (Nah- und Mittelost-Verein); Cornelia H. Lehmann (advisa Unternehmensberatung); Michael Paulo (Centrum für internationale Migration und Entwicklung, CIM); Steffen Arnold, Hermann van Boemmel, Liane Hryca, Anna Janus, Elisaveta Kostova, Birgit Seibel (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit); Ulrich Binkert, Jürgen Huster, Niko Sievert (Germany Trade & Invest) Redaktion: Ulrich Binkert, Tel. +49(0)228 249 93-267, E-Mail: [email protected] Manfred Tilz, Tel. +49(0)228 249 93-234, E-Mail: [email protected] Ansprechpartner: Manfred Tilz, Tel. +49(0)228 249 93-234, E-Mail: [email protected] Redaktionsschluss: 10.06.2011 Bestell-Nr.: 16186 Preis: 30,- Euro Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck - auch teilweise - nur mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung. Trotz größtmöglicher Sorgfalt keine Haftung für den Inhalt. Hauptsitz der Gesellschaft: Friedrichstraße 60, 10117 Berlin Geschäftsführer: Dr. Jürgen Friedrich, Michael Pfeiffer Vorsitzender des Aufsichtsrates: Dr. Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Registergericht: Amtsgericht Charlottenburg · Registernummer: HRB 107541 B Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und vom Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Germany Trade & Invest www.gtai.de 63 Wirtschaft Wirtschaftsleitfaden - Afghanistan - Perspektiven der Zusammenarbeit - Über uns Foto: © karssar - iStockphoto.com Germany Trade & Invest ist die Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik Deutschland. Sie unterstützt deutsche Unternehmen, die ausländische Märkte erschließen wollen, mit Außenwirtschaftsinformationen. Germany Trade & Invest wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und vom Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Germany Trade and Invest Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH Villemombler Straße 76 53123 Bonn T. +49 (0)228 24993-0 F. +49 (0)228 24993-212 [email protected] www.gtai.de