Brennpunkt Arznei 4/2009

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Brennpunkt Arznei 4/2009
BRENNPUNKT ARZNEI
Jhrg. 14, Nr. 4 – Dezember 2009
Pharmakotherapie
Rationale und rationelle Pharmakotherapie in der Praxis
Betablocker für Herzinsuffiziente
Dosis oder Reduktion der Schlagzahl –
was ist für schwache Herzen wichtiger?
Bei Herzinsuffizienz dosieren Sie viele Medikamente so, wie diese in den einschlägigen Studien erprobt wurden. Aber wie sieht es bei Betablockern aus? Hier hat
eine Metaanalyse gezeigt: Die Dosis selbst spielt nur eine indirekte Rolle, entscheidend ist die Senkung der Herzfrequenz. Wer die Betablocker-Dosis anhand der
Herzfrequenz individuell justiert, der kann die Mortalität seiner herzschwachen
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Patienten beachtlich reduzieren. Patient mit Gerinnungshemmung
muss sich einem Eingriff unterziehen
Wie mache ich es richtig?
Im Praxisalltag taucht die Situation immer wieder auf: Ein Patient nimmt orale
Antikoagulanzien oder Plättchenaggregationshemmer ein, muss sich nun aber
einem diagnostischen oder therapeutischen Eingriff unterziehen. Kann die Gerinnungshemmung unterbrochen oder einfach fortgeführt werden? Kann oder
muss ein „Bridging“ mit Heparin durchgeführt werden? Zu diesen Fragen gibt es
unterschiedliche Antworten. Jetzt haben sich in einer Region Niedergelassene und
Kliniker zusammengesetzt und Verfahrensweisen ausgearbeitet, die wir Ihnen in
diesem Heft vorstellen.
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Patient misst Blutzucker selbst – ohne
Insulinbehandlung meist nutzlos
Blutzuckerselbstmessung – das Thema ist nicht gerade neu. Auch wir haben es in
KVH aktuell schon behandelt. Jetzt hat auch das Institut für Wirtschaftlichkeit und
Qualität im Gesundheitswesen (IQWiG) nach umfassender Sichtung der Literatur
ein Fazit gezogen: Wenn Diabetiker nicht mit Insulin behandelt werden, bringt es
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nichts, wenn sie die Glukose im Blut oder im Urin messen.
Demenz-Therapie mit Acetylcholinesterase-Hemmern
Geringe Wirkung, beachtliche Risiken
Die Alzheimer-Demenz lässt sich derzeit mit Medikamenten kaum aufhalten.
Gemessen an der mageren Wirkung sind allerdings die Nebenwirkungen der Acetylcholinesterasehemmer beachtlich, wie eine große Kohortenstudie zeigt: Vermehrt
stationäre Behandlungen wegen Synkopen, Notwendigkeit von Schrittmachern,
vermehrt Hüftgelenksfrakturen – wobei letzteres bei dementen Patienten nahezu
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einem Todesurteil gleichkommt. Herausgeber: Kassenärztliche Vereinigung Hessen
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KVH • aktuell
Nr. 4 / 2009
Es wird immer absurder ...
Editorial
Sehr geehrte Damen und Herren,
stell’ Dir vor, es ist November und wir haben immer noch keine Arznei- und Heilmittelvereinbarung. Mit einer Variante dieses „Sponti-Spruchs“ könnte man das
Jahr 2009 kommentieren. Denn trotz intensiver Bemühungen der KV Hamburg
haben sich die Krankenkassen nicht auf einen gemeinsamen Verhandlungsvorschlag
einigen können, geschweige denn einen verhandlungsfähigen Vertragsentwurf
vorgelegt.
Rein juristisch ist diese bundesweit einmalige Lage zunächst einmal kein Beinbruch,
denn dann gilt die alte Vereinbarung aus 2008 weiter. Politisch gefällt uns dieser
Zustand aber gar nicht, denn mit jedem Tag, an dem die alten Rahmenbedingungen
einfach fortgeschrieben werden, sind diese noch ein wenig absurder geworden. Vor
allem die Krankenkassen-bezogenen Rabattverträge machen es dem Arzt nahezu
unmöglich, den Preis des verordneten Präparates im Auge zu behalten – er kennt
ihn schlicht nicht mehr.
Deshalb hat die KVH schon vor drei Jahren gefordert, den Arzt aus der Preisverantwortung zu entlassen. Im Frühjahr konnte diese Forderung Eingang finden in
die „Wahlprüfsteine“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und nach dem (Teil-)
Regierungswechsel bestehen nun erstmals realistische Aussichten, daß dies auch
gesetzlich fixiert wird. Sollte es so kommen, verantwortet der Arzt nur noch den
sachlichen Zusammenhang von Indikation und Verordnung sowie (gemeinsam mit
dem Patienten) die Menge der verordneten Arzneimittel. Die Preise würden abschließend geklärt zwischen Krankenkasse und Pharmaindustrie. Damit gehörten
auch die Richtgrößen der Vergangenheit an.
Noch aber sind sie rechtliche Realität, und da nach der nun offiziell vorliegenden
Statistik für 2008 die Ausgabenobergrenze in Hamburg deutlich überschritten wurde, droht eine Vielzahl von Regreßverfahren. Sollten Sie in eines verwickelt werden,
bieten wir Ihnen an, den Service unserer Pharmakotherapieberatung in Anspruch
zu nehmen. Politisch gilt: Daumen drücken!
Mit freundlichen Grüßen
Walter Plassmann
Stellv. Vorsitzender KVH
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Editorial Seite 3
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Patient mit oraler Antikoagulation oder Thrombozyten­aggregationshemmung benötigt
einen diagnostischen oder therapeutischen Eingriff
Wie mache ich es richtig?
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Prof. Dr. H-J. Rupprecht, Prof. Dr. D. Flieger, Dr. Dr. L. Magó, Dr. J. Fessler, Dr. J. Witzke-Gross
Das Arzt-Handbuch für die Pharmakotherapie
9
Schrotschüsse oder gezielte Behandlung?
Prof. Dr. med. Frank P. Meyer, Groß Rodensleben
10
Die epidemiologische „Superpille“: Zweifelhafter Ansatz
Von Dr. med. Günter Hopf
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Rezept des Monats: Wie viele Blutdruckmittel sind nötig?
16
Erneut: Blutzucker-Selbstkontrolle beim Typ-2-Diabetiker
Dr. med. Klaus Ehrenthal
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Inhaltsverzeichnis
Praxis-Studie soll klären: Wie werden Multimorbide am sichersten behandelt? 19
Risiken bei der Demenzbehandlung mit Acetylcholinesterasehemmern
Dr. med. Klaus Ehrenthal
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IQWiG-Abschlussbericht: Das Aus für Memantin
Dr. med. Klaus Ehrenthal
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Betablocker-Dosis oder niedrigere Pulsfrequenz – was rettet schwache Herzen?
Dr. med. Klaus Ehrenthal, Dr. med. Jutta Witzke-Gross
Betablocker-Dosis anhand des Pulses festlegen
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Sicherer verordnen
Dr. med. Günter Hopf
Fragwürdige Testverfahren: Serum-IgG-Test bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Methotrexat: Fehler bei Dosierung und verschleierte Infekte
Risedronsäure: chronische Ösophagitis
Allopurinol: Schwere Hautreaktionen
Stimulantien: plötzliche Todesfälle bei Kindern
Exenatid: Nierenversagen
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Hausärztliche Leitlinie Geriatrie, Teil 1
Geriatrisches Assessment
Seniorengerechte Praxis
Ernährung im Alter
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37
Von Kollegen für Kollegen: Ein Buch direkt aus der Praxis
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Hausärztliche Leitlinine Psychosomatik Teil 1, Tischversion zum Ausschneiden 43
Impressum
Verlag: XtraDoc Verlag Dr. med. Bernhard Wiedemann, Pfingstbornstr. 38, 65207 Wiesbaden (www.xtradoc.de)
Herausgeber: Kassenärztliche Vereinigung Hessen, Georg-Voigt-Straße 15, 60325 Frankfurt (www.kvhessen.de)
Redaktionsstab: Dr. med. Joachim Feßler (verantw.),
Dr. med. Klaus Ehrenthal, Dr. med. Margareta Frank-Doss, Dr. med. Jan Geldmacher, Dr. med. Harald Herholz,
Klaus Hollmann, Dr. med. Günter Hopf, Dr. med. Wolfgang LangHeinrich, Dr. med. Alexander Liesenfeld,
Karl Matthias Roth, Dr. med. Michael Viapiano, Cornelia Kur, Dr. med. Jutta Witzke-Gross
Fax Redaktion: 069 / 79502 8467
Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach, Institut für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt;
Prof. Dr. med. Sebastian Harder, Institut für klinische Pharmakologie der Universität Frankfurt
Die von Mitgliedern der Redaktion oder des Beirats gekennzeichneten Berichte und Kommentare sind redaktionseigene Beiträge; darin zum Ausdruck gebrachte Meinungen entsprechen
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Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Veröffentlichung berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- oder Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Wie alle anderen Wissenschaften sind Medizin und Pharmazie ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere, was
Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in dieser Broschüre eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autor und
Herausgeber große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angaben dem Wissensstand bei Fertigstellung der Broschüre entsprechen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und
Applikationsformen kann vom Herausgeber jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers.
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Beiträge
der
Redaktion
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Patient mit oraler Antikoagulation oder Thrombozyten­
aggregationshemmung benötigt einen diagnostischen oder
therapeutischen Eingriff
Wie mache ich es richtig?
Ein Konsens zwischen Klinikern und Niedergelassenen
Blutungsrisiko muss
dem
Risiko eines
thromboembolischen
Ereignisses
gegenübergestellt
werden
Prof. Dr. H-J. Rupprecht, Prof. Dr. D. Flieger, Dr. Dr. L. Magó
Dr. J. Fessler, Dr. J. Witzke-Gross
In unserem Praxisalltag gibt es die uns allen gut bekannte Situation: Ein
Patient mit oraler Antikoagulation oder Einnahme von Plättchenaggregationshemmern muss sich einem diagnostischen oder therapeutischen
Eingriff unterziehen. Die Fragen, wann die orale Antikoagulation unterbrochen werden kann, wann und wie ein Bridging mit Heparin durchgeführt werden muss bzw. ob die Einnahme eines Thrombozytenaggregationshemmers ausgesetzt werden kann, werden zum Teil unterschiedlich
beantwortet. Um im Ärztenetz Rhein-Main ein einheitliches Vorgehen zu
ermöglichen, befasste sich der Zirkel Innere Medizin – Krankenhausärzte
Rüsselsheim genau mit dieser Problematik.
An der Zirkelsitzung nahmen niedergelassene Ärzte verschiedener Fachrichtungen
und als Referenten Herr Dr. J. Fessler, niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin,
Herr Prof. Dr. H.-J. Rupprecht, Chefarzt der kardiologischen Abteilung des GPR
(Gesundheits- und Pflegezentrum Rüsselsheim), Herr Prof. Dr. D. Flieger, Chefarzt
der gastroenterologischen Abteilung des GPR und Dr. med. Dr. med. dent. L. Magó,
niedergelassener Facharzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurg, teil. Das in dieser
Sitzung zwischen Krankenhausärzten und Niedergelassenen erarbeitete
Konsensuspapier soll hier vorgestellt werden.
Im Vorfeld sind folgende Empfehlungen zu beachten:
1 Die Steuerung der oralen Antikoagulation soll nur über den INR-Wert erfolgen, da die Quickwertbestimmungen in Abhängigkeit von der Bestimmungsmethode starke Schwankungen aufweisen und somit ein Wertevergleich nicht
möglich ist.
2 Im Patientenpass zur oralen Antikoagulation sollten, abgesehen von den Angaben zum Patienten, den ermittelten INR-Werten und der Dosis des VitaminK-Antagonisten auch die Indikation zur Antikoagulation, der Ziel-INR und die
angestrebte Therapiedauer eingetragen sein.
3 Folgende Ziel-INR-Werte sollen je nach Indikation erreicht werden:
tiefe Beinvenenthrombose: zwischen 2,0 und 2,5;
Vorhofflimmern: zwischen 2,0 und 3,0;
Zustand nach mechanischem Klappenersatz in aortaler Position: zwischen
2,0 und 3,0;
Zustand nach mechanischem Klappenersatz in mitraler Position: zwischen
2,5 und 3,5;
Zustand nach Klappenersatz mit Bioprothese: zwischen 2,0 und 3,0 für 3
Monate.
4 Zu beachten sind die unterschiedlichen Halbwertzeiten der oralen Antikoagulantien mit 96 bis 144 Stunden für Marcumar® (Phenprocoumon) gegenüber
35 bis 45 Stunden für Coumadinpräparate.
5 Das Procedere sollte interkollegial und mit dem Patienten diskutiert werden,
unter Berücksichtigung folgender Fragen:
Besteht noch eine eindeutige Indikation zur oralen Antikoagulation bzw.der
Gabe von Plättchenfunktionshemmern und wenn ja, für wie lange?
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Wie groß ist das thromboembolische Risiko für den Patienten ohne diese
entsprechende Therapie?
Wie hoch wird das Blutungsrisiko bei dem geplanten Eingriff geschätzt und
wie dringend ist der geplante Eingriff, bzw. gibt es alternative Methoden?
I. Vorgehensweise aus kardiologischer Sicht
Abschätzung des Thromboembolierisikos aus kardiologischer Sicht bei:
Patienten mit Vorhofflimmern
Hier ist der CHADS-Score hilfreich: Jeweils einen
Eine Bauchentscheidung ist nicht nötig.
Punkt gibt es beim Vorliegen einer kongestiven
Der CHADS-Score ist ausgesprochen einHerzinsuffizienz, einer arteriellen Hypertonie, einem
fach und hilft, das Schlaganfallrisiko bei
Alter über 75 Jahren und bei bestehendem DiabeVorhofflimmern einzuschätzen. Die Tabelle
tes mellitus; 2 Punkte gibt es für einen stattgehabzeigt die Punkte, die für verschiedene Fakten
ten Schlaganfall in der Anamnese.
vergeben werden, die Beurteilung der PunktDas thromboembolische Risiko wird als hoch
summe wird im nebenstehenden Text erklärt.
eingeschätzt bei einem CHADS-Score von fünf bis
Kongestive Herzinsuffizienz
1 Punkt
sechs, einem stattgehabten Schlaganfall oder einer
transitorischen ischämischen Attacke innerhalb
Hypertonie
1 Punkt
der letzten drei Monaten sowie beim Vorliegen
Alter über 75
1 Punkt
eines rheumatischen Vitiums. Von einem mittleren
Diabetes mellitus
1 Punkt
Thromboembolierisiko wird bei einem CHADS-Score
Schlaganfall oder TIA
2 Punkte
von drei bis vier und von einem niedrigen Risiko bei
einem CHADS-Score von null bis zwei ausgegangen,
Voraussetzung ist, dass es noch keine transitorisch-ischämischen Attacken oder
einen Schlaganfall gegeben hat.
Patienten mit mechanischer Herzklappe
Von einem hohen Risiko wird bei einer Klappenprothese in mitraler Position
ausgegangen, sowie bei einer alten Klappenprothese in aortaler Position. Mit
einem mittleren Thromboembolierisiko ist bei neueren 2-Flügelprothesen in aortaler Position und einem CHADS-Score von 1 und höher zu rechnen. Bei einer
2-Flügel-Klappenprothese in aortaler Position und einem CHADS-Score unter 1
ist das Thromboembolierisiko niedrig anzusetzen.
Patienten mit venöser Thrombose/Embolie
Liegt die venöse Thrombose bzw. Embolie weniger als drei Monaten zurück und/
oder besteht eine schwere Thrombophilie ist von einem hohen Thromboembolierisiko ohne Antikoagulation auszugehen. Ein mittleres Thromboembolierisiko
liegt vor bei Zustand nach venöser Thrombose bzw. Embolie in den letzten drei bis
zwölf Monaten und/oder einer mäßigen Thrombophilie bzw. bei rezidivierenden
Thrombosen/Embolien oder einem Tumorleiden. Liegt eine venöse Thrombose
bzw. Embolie über zwölf Monate zurück und bestehen sonst keine anderen Risikofaktoren, kann von einem niedrigen Thromboembolierisiko ausgegangen werden.
Aus der Abschätzung des Thromboembolierisikos bei Vorhofflimmern, mechanischen Klappenprothesen bzw. venöser Thrombose/Embolie ergeben
sich folgende Verfahrensweisen:
Hohes Thromboembolierisiko: Niedermolekulare Heparine in therapeutischer
Dosis subkutan, gegebenenfalls unfraktioniertes Heparin in therapeutischer
Dosis intravenös;
Mittleres Thromboembolierisiko: Indikation zum Bridging variabel.
Geringes Thromboembolierisiko: Kein Bridging oder niedermolekulare Heparine in low-Dose subkutan.
Zu erwartendes Blutungsrisiko bei gewissen Eingriffen
Von einem geringen Blutungsrisiko wird ausgegangen bei zahnärztlichen
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Eingriffen, dermatologischen kleineren Operationen, Gastroskopien und Koloskopien, Hand- und Fußchirurgie sowie infrainguinalen Gefäßoperationen.
Ein mäßiges Blutungsrisiko wird erwartet bei Cholesystektomie, Appendektomie,
Hernien-Operation, Knie-TEP, Hysterektomie und Mamma-Operation.
Mit einem hohen Blutungsrisiko ist zu rechnen bei neurochirurgischen Eingriffen,
Prostata-Operationen, Hüftgelenksersatz, Operationen an Herz und Aorta sowie
bei einer Tonsillektomie.
Dabei ist aber zu beachten, dass letztendlich nur der Operateur das Blutungsrisiko
des von ihm geplanten Eingriffes abschätzen kann.
Bei Zahnbehandlung
ist Bridging eher
selten erforderlich
II. Vorgehensweise aus zahnärztlicher/kieferchirurgischer Sicht:
Unter fortlaufender Antikoagulation mit einem INR im unteren Zielbereich
können folgende Eingriffe durchgeführt werden: Zahnextraktionen bis zu drei
Zähnen, Gingivachirurgie, Überkronungen, Brücken, Zahnsteinentfernung,
chirurgische Entfernung eines Zahnes oder Einsetzen eines einfachen Zahnimplantats im Unterkiefer.
Bei erhöhtem Thromboembolierisiko ist ein Bridging erforderlich bei notwendigen Erweiterungen des Knochenfaches, zum Beispiel wegen Zysten oder bei
komplexen Zahnimplantaten.
III. Vorgehensweise aus gastroenterologischer Sicht bei endoskopischen Prozeduren im Magen-Darm-Trakt:
Damit
thrombosegefährdete
Patienten nicht
durch wiederholte
Koloskopien
belastet werden:
Bridging gleich bei
Vorsorge-Koloskopie
Unter fortlaufender oraler Antikoagulation können folgende Prozeduren mit
geringem Blutungsrisiko durchgeführt werden: Diagnostische Gastroskopie mit/
ohne Biopsie, Wechsel einer PEG, diagnostische flexible Koloskopie mit/ohne
Biopsie, diagnostische ERCP, sowie ERCP mit Stent-Implantation ohne Papillotomie, sowie Endosonografien.
Bei Prozeduren mit hohem Blutungsrisiko einerseits und gleichzeitig mittlerem
bis hohem Thromoboembolierisiko andererseits ist ein Bridging notwendig. Dies
betrifft koloskopische Polypektomie, gastrale Polypektomie, Laserablation und
Laserkoagulation, endoskopische Papillotomie, PEG/PEJ, Ballondilatation oder
Bougierung von Stenosen, sowie Endosonografien mit Feinnadelpunktionen.
Bei der Vorsorge-Koloskopie sollte möglichst bei hohem Thromboembolierisiko
ein Bridging erfolgen, da bei dieser Untersuchung oft Polypen entdeckt werden,
die abgetragen werden müssen. Bei Wunsch des Patienten oder bei medizinischer
Notwendigkeit kann die Untersuchung auch unter fortlaufender Antikoagulation
durchgeführt werden. Im Falle von größeren Polypen muss dann aber eine zweite
Koloskopie mit einer erneuten unangenehmen Koloskopievorbereitung zur Polypektomie nach Bridging durchgeführt werden.
Wie soll das Bridging durchgeführt werden?:
Marcumar® soll in der Regel mehr als fünf Tage vor der Operation abgesetzt werden. Unterschreitet der INR-Wert den unteren Zielbereich, beginnt das Bridging mit
niedermolekularen Heparinen. Je nach Risiko für eine Blutung einerseits bzw. eine
Thromboembolie andererseits, sollte die letzte Dosis des niedermolekularen Heparins
zwölf bis 24 Stunden vor Operation appliziert werden. Bei Hochrisikopatienten sollte
gegebenenfalls unfraktioniertes Heparin bis vier Stunden vor der Operation appliziert
werden. Je nach individueller Risikokonstellation des Patienten kann dann in der Regel
zwölf bis 24 Stunden nach der Operation das Bridging mit niedermolekularen Heparinen wieder aufgenommen und gleichzeitig die Marcumaraufsättigung begonnen
werden.
Anmerkung der Redaktion: Keines der in Deutschland zugelassenen niedermoFortsetzung auf Seite 8
Anmerkung der Redaktion: Hier zur Erinnerung nochmals eine Seite aus Heft 1/2009. Diese Informationen über das Bridging sollte man unbedingt kennen.
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Produkthaftung der Hersteller beim Bridging
Niedermolekulare Heparine (NMHs) werden zur Überbrückung der oralen Antikoagulation eingesetzt, obwohl
sie für diese Indikation nicht zugelassen sind (Off-Label-Use). Es gibt prospektive Kohortenstudien mit insgesamt
fast 3.000 Patienten dazu. Das Bridging wird zudem in kardiologischen Leitlinien empfohlen und ist in wissenschaftlichen Fachkreisen anerkannt. Es stellt damit den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse dar.
Einzelne Firmen haben die Produkthaftung für NMHs im speziellen Fall des Bridgings eigens angezeigt. Das
ist aber nicht notwendig.
Eine Haftung des pharmazeutischen Unternehmens nach § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) besteht, wenn das
Arzneimittel bestimmungsgemäß gebraucht wird. Ein bestimmungsgemäßer Gebrauch liegt nicht nur dann
vor, wenn ein Arzneimittel in seinem zugelassenen Indikationsbereich eingesetzt wird, sondern auch dann,
wenn es entsprechend dem Stand der medizinischen Erkenntnis außerhalb seiner Zulassung angewendet wird.
Der pharmazeutische Unternehmer haftet in diesem Fall also auch für einen Off-Label-Use.
Der pharmazeutische Unternehmer würde dann nicht haften, wenn er in der Fachinformation von der Anwendung in diesem Off-Label-Bereich ausdrücklich abrät oder das Bridging als Kontraindikation aufführt. Dies ist
derzeit bei keinem auf dem Markt befindlichen NMH der Fall.
Die Kriterien für die Erstattungsfähigkeit von verordneten Arzneimitteln im Off-Label-Use wurden durch das
Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts vom 19. März 2002 festgelegt. Es muss sich
um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung handeln, für die
keine andere Therapie verfügbar ist und
auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht.
Bridging: Ganz unkompliziert!
Schematische Darstellung zum zeitlichen Vorgehen im Rahmen einer Bridging-Strategie
bei antikoagulierten Patienten vor einem operativen Eingriff (Bauersachs 2007)
Schematische DarEingriff
stellung der Überbrückung einer langfristigen Behandlung
mit Vitamin-K-Antagonisten für einen 3
Heparin-Überbrückung
geplanten Eingriff
am Tag „0“ mit un- 2
INR
fraktioniertem oder
niedermolekularem 1
Heparin. Nach Ab-8 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8
setzen des VitaminTag
K-Antagonisten (in VKA
X
Deutschland zumeist
Phenprocoumon)
Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten (VKA)
etwa eine Woche vor
X Vitamin-K-Antagonist vorübergehend abgesetzt
dem geplanten Eingriff kommt es zu einem allmählichen Absinken der INR und des antikoagulatorischen Schutzes. Wird der therapeutische
Bereich der oralen Antikoagulation verlassen, so erfolgt eine gerinnungshemmende Überbrückung
(„Bridging“) durch das unfraktionierte oder niedermolekulare Heparin (Bogen). Der Eingriff selbst
wird während einer kurzen Unterbrechung der Heparinbehandlung durchgeführt und das Heparin – je
nach Blutungsrisiko des Eingriffs und patientenindividuellen Bedingungen – nach dem Eingriff weiter
appliziert. Postoperativ wird die orale Antikoagulation wieder eingeleitet und die Überbrückung mit
Heparin so lange fortgesetzt, bis wieder ein Schutz durch die orale Antikoagulation sichergestellt ist.
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lekularen Heparine hat eine explizite Zulassung für das Bridging. Die Anwendung
erfolgt daher formal im Off-Label-Use. Dennoch geht die Produkthaftung nicht voll
auf den Arzt über, wie der Kasten auf Seite 7 im Detail erläutert.
Vorgehensweise bei Patienten unter Plättchenaggregationshemmer
Allgemeine Vorbemerkungen
Die Plättchenhemmung unter ASS und Clopidogrel ist irreversibel, d.h. die Wirkung
entspricht der Lebensdauer der Thrombozyten (rund zehn Tage). Nach Absetzen
der Therapie geht also jeden Tag durch neu gebildete Thrombozyten etwa zehn
Prozent der Wirkung verloren. Die Wirkung der GPIIb/IIIa-Inhibitoren (siehe Fußnote1)
ist reversibel. Die Halbwertszeit liegt für Abciximab (GPIIb/IIIa-Inhibitor) bei zwölf
bis 14 Stunden. Zur Aufhebung der Wirkung von ASS, Clopidogrel und Abciximab
werden Thrombozytenkonzentrate gegeben und/oder Desmopressin bei ASS/
Clopidogrel-Einnahme.
Risiko für kardiale Ischämien bei Absetzen der Thrombozytenfunktionshemmer zwecks operativer Eingriffe
Ein hohes Risiko liegt vor bei Stent-Implantation innerhalb der letzten vier
Wochen, akutem Koronar-Syndrom innerhalb der letzten vier Wochen und bei
stabiler Angina pectoris,
ein mittleres Risiko bei bare-metall-Stent-Implantation innerhalb der letzten
drei Monate, drug-eluting-Stent-Implantation innerhalb der letzten zwölf Monate und akutem Koronarsyndrom innerhalb der letzten drei Monate,
sowie ein niedriges Risiko bei chronisch-asymptomatischer koronarer Herzerkrankung.
Vorgehensweise bei operativen Eingriffen bei Patienten unter
dualer Antiplättchentherapie:
Hier ist auf der einen Seite das Blutungsrisiko im Rahmen der Operation gegenüber
der Gefahr der Stent-Thrombose abzuwägen.
Folgendes Vorgehen wurde empfohlen:
bei hohem Risiko einer Stent-Thrombose und
hohem Blutungsrisiko: Beide Plättchenhemmer 10 Tage vorher absetzen,
Überbrücken mit GP IIb/IIIa oder Antikoagulation (UFH/LMWH, Bivalirudin)
mittlerem Blutungsrisiko: Einen Plättchenhemmer fortführen, den anderen
vier bis fünf Tage vor OP absetzen, Überbrücken mit GP IIb/IIIa oder Antikoagulation (UFH/LMWH, Bivalirudin)
niedrigem Blutungsrisiko: Beide Plättchenhemmer fortführen
bei mittlerem Risiko einer Stent-Thrombose und
hohem Blutungsrisiko: Beide Plättchenhemmer zehn Tage vorher absetzen,
Überbrücken mit GP IIb/IIIa oder Antikoagulation (UFH/LMWH, Bivalirudin)
mittlerem Blutungsrisiko: Einen Plättchenhemmer fortführen, den anderen
mindestens acht bis zehn Tage vor OP absetzen
niedrigem Blutungsrisiko: Einen Plättchenhemmer fortführen, den anderen
vier bis fünf Tage vor OP absetzen bei niedrigem Risiko einer Stent-Thrombose und
hohem Blutungsrisiko: Beide Plättchenhemmer zehn Tage vorher absetzen.
mittlerem Blutungsrisiko: Einen Plättchenhemmer mindestens acht bis
1 Anmerkung: GP IIb/IIIa-Inhibitoren sind eine neue Klasse von Thrombozytenfunktionshemmer, die spezifisch den
thrombozytären Fibrinogenrezeptor hemmen. Durch die Besetzung/Blockade des GP IIb/IIIa-Rezeptors wird die
Vernetzung der Thromobozyten verhindert. Sie sind bisher die wirksamsten Substanzen gegen aktive Thrombozyten. Eine Gruppe von GP IIb/IIIa sind monoklonale Antikörper wie Abciximab (Reopro®); Abciximab wird i.v.
appliziert und ist zugelassen zur Vermeidung ischämischer Komplikationen i.R. von perkutanen Koronarinterventionen und bei instabiler Angina pectoris; die Thrombozytenfunktion normalisiert sich innerhalb von 48 Stunden.
Bivalirudin: Hirudin-Analogon und direkter, reversibler Thrombininhibitor, wird i.v. appliziert, Halbwertszeit 25
Min.; zugelassen im Rahmen von Herzkatheterinterventionen.
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zehn Tage vor OP absetzen, den anderen vier bis fünf Tage vor OP absetzen.
niedrigem Blutungsrisiko: Einen Plättchenhemmer fortführen, den anderen
mindestens acht bis zehn Tage vor OP absetzen
Vorgehensweise bei Endoskopien im Magen-Darm-Trakt
Bei diagnostischen Gastroskopien ohne oder mit Biopsien brauchen ASS, Clopidogrel und nicht-steroidale Antirheumatika in der Regel nicht abgesetzt werden.
Bei ambulanten Koloskopien empfiehlt sich ein Pausieren von Clopidogrel über
vier bis fünf Tage, ASS kann in der Regel weiter gegeben werden, nicht-steroidale
Antirheumatika sollten am Vortag abgesetzt werden.
Bei hohem zu erwartendem Blutungsrisiko wie beispielsweise bei geplanter Polyp­
ektomie sollten ASS, Clopidrogel und nicht-steroidale Antirheumatika fünf Tage vor
der Intervention unterbrochen werden.
Es bleibt jetzt abzuwarten, inwieweit diese empfohlenen Verfahrensweisen im
Ärztenetz Rhein-Main einheitlich umgesetzt werden.
Interessenkonflikte: keine
Literatur:
The perioperative management of antithrombotic therapy. American College of Chest Physicians Evidence-Based
Clinical Practice Guidelines (8th Edition). Chest Jun.2008; 133 (6Supl); 2099S-339S
Schepke M, Unkrig C, Sauerbruch T: Endoscopy in patients at risk for bleeding. Z.Gastroenterol. 1997; 35:147-53
Schmelzeisen, R: Zahnärztliche Chirurgie bei Patienten mit Antikoagulanzientherapie. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde V 2.0 Stand 7/01.
Das Arzt-Handbuch für die
Pharmakotherapie
Das Arzt Handbuch zur Rationalen Pharmakotherapie vermittelt kurz, übersichtlich
und zielorientiert die Grundlagen für ein auf die Bedürfnisse des Patienten ausgerichtetes Vorgehen in der Praxis. Gerade im hausärztlichen Bereich mit seinen vielen multimorbiden Patienten ist ein ganz individuelles Abwägen der Medikation unumgänglich,
um nicht in eine unübersichtliche und risikobehaftete Medikamentenzusammenstellung zu geraten. Dies erfordert Erfahrung, pharmakotherapeutische Kompetenz und
Verantwortungsgefühl. Hier will das Buch, unter dessen insgesamt 36 Autoren auch die
Autoren der hausärztlichen Leitlinien mitgewirkt haben, auf 160 Seiten Hilfestellungen
geben. Behandelt werden die 30 wichtigsten Themen aus der hausärztlichen Praxis.
Rationale Pharmakotherapie – Arzt Handbuch.
Erschienen im Verlag Urban und Vogel, München; Preis: 49,80 €; ISBN: 978-3-9809457-5-2
Ergänzung
In Heft 3/2009 hatten wir auf einige anzeigenfreie und damit industrieunabhägige Zeitschriften hingewiesen.
Die Redaktion der Zeitschrift für Allgemeinmedizin weist uns darauf hin, dass auch ihr Blatt anzeigenfrei
ist. Unsere Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, wir geben diesen Hinweis auf eine weitere
deutschsprachige anzeigenfreie Zeitschrift gerne als wertvolle Ergänzung unserer Liste weiter.
Erratum
Auf der Titelseite des Heftes 3/2009 war in der Überschrift zu lesen „Statt Antiepileptikum Gerinnungshemmer gespritzt“. Es hätte statt „gespritzt“ natürlich „gegeben“ heißen müssen, denn es ging im zugehörigen
Beitrag nicht um Heparin, sondern um Phenprocoumon. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen, auf den uns
ein aufmerksamer Leser hingewiesen hat.
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Der
Gastbeitrag
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Schrotschüsse oder gezielte Behandlung?
Individuelle Pharmakotherapien und Behandlungen mit
Kombinationen oder Polypillen müssen kein Widerspruch sein
Prof. Dr. med. Frank P. Meyer, Groß Rodensleben
Immer wieder bringen Pharmafirmen Kombinationspräparate
auf den Markt, deren Wirkung auf harte Endpunkte zumindest
fraglich ist. Seit einigen Jahren gibt es sogar Pläne für eine
so genannte Polypill, die beispielsweise einige Herz-KreislaufMedikamente enthalten und von allen Menschen über 55 eingenommen werden soll. Für das Polypill-Unternehmen sicher ein
Bombengeschäft – aber macht so etwas auch Sinn? Ist es nicht
viel besser, die Therapie stärker zu individualisieren, statt mit
der pharmakologischen Schrotflinte um sich zu schießen? Der
Pharmakologe Professor Frank P. Meyer beleuchtet im nebenstehenden Beitrag in pointierter und bisweilen auch provokativer
Weise die bisherigen Erfahrungen mit Kombinationen, Polypill
und individualisierter Therapie sowie die Entwicklungen, die sich
daraus ergeben.
Die nachfolgenden Überlegungen
wurden durch einige Publikationen
angeregt, die Anfang 2009 erschienen. Einmal erfuhren wir, dass die
Wirksamkeit von Clopidogrel genetisch determiniert ist, woraus
eine sehr individualisierte Therapie abzuleiten wäre. Zum anderen
wurde eine fixe Kombination aus
fünf Wirkstoffen – eine „Polypill“ –
vorgestellt zur Primärprävention
kardio-cerebrovaskulärer Ereignisse,
also eine „Schrotschusstherapie“
für gesunde Frauen und Männer
ab 55 Jahren. Quo vadis Pharmakotherapie?
Eine gute Pharmakotherapie war schon immer patientenorientiert
Pharmakologie und Toxikologie sind primär stofforientierte Wissenschaften. Ob
aber eine Pharmakotherapie dem Patienten eher nützt als schadet, ist – zumindest
gleichrangig – auch eine Frage der Dosis. Das wissen wir spätestens seit Paracelsus!
Und Scheler formulierte explizit: „Pharmaka sind biologisch wirksame Dosen von
Stoffen“ [1].
Seit der Einführung von Digitalis in die Therapie durch Withering (1785) versuchen gute Ärzte, ihre Therapie auch quantitativ auf den individuellen Patienten zu
beziehen: Dosierung nach dessen Körpermasse oder Körperoberfläche, nach der
Nieren-, Leber- oder Herzfunktion, nach seinem Allgemeinzustand und dem Alter.
Nachdem Dost 1953 seine umfassende Monografie „Der Blutspiegel“ publizierte,
spielten pharmakokinetische Aspekte in der Therapie eine zunehmende Rolle – bis
hin zu einer blutspiegelorientierten Pharamakotherapie (TDM, therapeutic drug
monitoring). Nicht zuletzt können auch die Applikationszeiten eine Rolle spielen:
Acetylsalicylsäure (ASS) morgens, Statine abends.
Fixe Kombinationspräparate
Fixe Kombinationspräparate haben eine relativ lange Tradition. So wurden zwischen
1945 und 1950 die so genannten Polysulfonamide entwickelt, wodurch das Risiko
toxischer Nierenschäden vermindert werden sollte. 1968 wurde Co-trimoxazol, eine
Chemokombination aus Sulfamethoxazol und Trimethoprim eingeführt. Später
wurden auch andere Sulfanilamide als Kombinationspartner eingesetzt, die sich
aber auf dem Markt nicht halten konnten. Im Laufe der Jahre wurde eine Vielzahl
mehr oder weniger sinnvoller Kombinationspräparate entwickelt, auf die hier im
Einzelnen nicht eingegangen werden kann. Besonders beliebt waren lange Zeit
„Mischanalgetika“, vor allem mit der euphorisierenden Komponente Coffein.
Eine sehr beliebte „Spielwiese“ sind derzeit Kombinationen von Antihypertonika,
wobei auch drei Bestandteile, z.B. Propranolol, Triamteren plus Hydrochlorothiazid
(HCT) keine Seltenheit sind. Gegenwärtig läuft eine Studie zur Entwicklung
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einer Dreifachkombination von Aliskiren (300 mg) plus HCT (25 mg) plus Amlodipin
(5 mg). Dass der Blutdruck durch solche Kombinationen stärker gesenkt wird als
durch eine Monotherapie, ist einleuchtend. Bisher gab es jedoch keine klinischen
Endpunktstudien auf diesem Gebiet, die den Nutzen einer solchen intensivierten
Therapie für den Patienten belegen.
Wie notwendig es ist, den Sinn einer intensiven Therapie im Vergleich zur Standardtherapie zu evaluieren, haben uns jedoch die Diabetes-Studien des letzten
Jahres gezeigt. ACCORD (Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes Study
Group) wurde nach 3,5 Jahren wegen erhöhter Mortalität in der Intensivtherapiegruppe vorzeitig abgebrochen [2]. In ADVANCE (Action in Diabetes and Vascular
disease: preterAx and diamicroN-MR Controlled Evaluation), VADT (Veterans Affairs
Diabetes Trial) and NICE-SUGAR (Normoglycemia in Intensive Care Evaluation – Survival Using Glucose Algorithm Regulation) hatten die intensiv behandelten Patienten
keinen klinisch relevanten Nutzen [3, 4, 5].
Seit 2004 ist in Deutschland der Lipidsenker INEGY®, eine Kombination aus Ezetimib
und Simvastatin im Handel. Trotz fehlender Nutzen- und Sicherheitsbelege hat das
Präparat innerhalb weniger Jahre einen „Blockbuster-Status” erreicht. Es reicht nicht
aus, dass das Lipidprofil verbessert wird. Ethisch relevant wäre es zu erfahren, ob die
kardiovaskuläre Mortalität gesenkt wird, ob weniger Herzinfarkte oder Schlaganfälle
auftreten, ob die Anzahl der Krankenhauseinweisungen wegen instabiler Angina
pectoris reduziert wird. Das alles wissen wir nach fünf Jahren noch immer nicht!
Mitte des Jahres 2003 überraschten Wald und Law [6] die Welt mit ihrer Idee der
„Polypill“, einer Art moderner Panazee. Deren Bestandteile: Ein Statin, drei Antihypertonika, Folsäure und ASS (siehe auch Beitrag auf Seite 14). Der geplanten Marketingstrategie zufolge sollte jeder Patient mit einer kardiovaskulären Erkrankung
(Sekundärprävention) und jeder Mensch ab 55 Jahre (Primärprävention) diese Pille
täglich schlucken.
In diesem Jahr nun wurde TIPS (The Indian Polycap Study) publiziert, eine Phase IIStudie über 12 Wochen, in die 2053 Personen ohne kardiovaskuläre Erkrankungen
zwischen 45 und 80 Jahren rekrutiert wurden [7]. Polycap ist eine Kombination aus
ASS (100 mg), HCT (12,5 mg), Ramipril (5 mg), Atenolol (50 mg) und Simvastatin
(20 mg). Wegen der Kürze der Beobachtungszeit konnten nur Surrogatparameter
gemessen werden: Blutdruck, Lipidprofil, Herzfrequenz und die 11-Dehydrothromboxan B2-Ausscheidung im Urin. Wie zu erwarten war, wurden diese Parameter
entsprechend verbessert. Im Rahmen einer Primärprävention wäre ASS dabei aber
nicht erforderlich gewesen.
Man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein. Jeder Unsinn ist natürlich
noch zu übertreffen. So wären verschieden gefärbte weitere Polypill-Varianten denkbar: gelb mit Zusatz von Ezetimib, grün mit einem Antidepressivum, rot mit einem
Antidementivum, blau mit Sildenafil usw. Man könnte sich auch Polypill-Varianten
für Herzinsuffizienz NYHA II/III und NYHA III/IV vorstellen. Rheumatologen denken
über einen Cocktail aus verschiedenen Biologica nach.
Die Lösung des eigentlichen Problems wäre Aufgabe der Galeniker der PharmaIndustrie, da innerhalb der Zubereitungen natürlich keine Inkompatibilitäten auftreten dürfen.
Sorgfältig ausgewählte fixe Kombinationen werden wir auch in der Zukunft benötigen. Das trifft besonders für Regionen mit ärztlicher Unterversorgung zu – nicht
nur in den Ländern der dritten Welt. Das betrifft auch Patienten mit unzureichender
Compliance. Vielleicht gewinnen solche Mischungen aber in der Zukunft Bedeutung,
wenn auch im Fach Medizin Bachelor-Studiengänge eingeführt werden sollten.
Eine individuelle Pharmakotherapie, insbesondere eine patientenorientierte
Jeder Unsinn ist
noch zu übertreffen
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Dosierung, ist dann aber nicht mehr möglich, wodurch die Arzneimittel assoziierten
Risiken für die Patienten erheblich zunehmen könnten. Im Rahmen einer Primärprävention sind fixe Kombinationen a priori nicht akzeptabel.
Pharmakotherapie ist
trotz aller Leitlinien
individuell
Individualisierte Pharmakotherapie
Individualisierte Medizin, personalized medicine [8], nutzt genetische und molekularbiologische Informationen der einzelnen Patienten mit dem Ziel, die Zahl der
Nebenwirkungen zu verringern und die Wirksamkeit der Pharmakotherapie zu
verbessern. Nachfolgend können nur einige typische Beispiele genannt werden,
um das Problem zu verdeutlichen.
1 Der Thrombozytenaggregationshemmer Clopidogrel (Iscover®, Plavix®) ist
als „Prodrug“ selbst unwirksam. Die Aktivierung wird durch verschiedenene
Cytochrom P450-Isoenzyme, z. B. CYP2C19, reguliert. Wie wir jetzt erfahren haben, sind aber etwa 30 bis 35 Prozent aller Menschen Träger eines
funktionsreduzierten CYP2C19-Allels. Die Biotransformation zum aktiven
Metaboliten 2-Oxo-Clopidogrel ist damit im Vergleich zu Nicht-Trägern des
Allels um etwa 30 Prozent vermindert [9]. Diese Erkenntnisse sind fundamental
und für Träger des funktionsreduzierten Allels bedrohlich, wie in einigen Studien an Herzinfarktpatienten gezeigt werden konnte. Unter der Behandlung
mit Clopidogrel trat bei Trägern des funktionsreduzierten Allels der zusammengesetzte Endpunkt, z. B. Gesamtmortalität, nicht tödlicher Schlaganfall
oder Herzinfarkt, häufiger auf als bei Nicht-Trägern: 12,1 Prozent versus 8,0
Prozent [9], 21,5 Prozent versus 13,3 Prozent [10] oder 20,5 Prozent versus
5,9 Prozent [11]. Auch Stentthrombosen traten bei Trägern häufiger auf (2,6
Prozent) als bei Nicht-Trägern (0,8 Prozent) [9]. Zur Zeit ist noch unklar, ob es
gute Alternativen gibt, etwa den generellen Einsatz des anderen Thrombozytenaggregationshemmers Prasugrel (Efient®) oder die genetische Testung aller
Patienten und eine individuelle Dosisanpassung oder den Wechsel zu einem
anderen Präparat [12].
2 In einer aktuellen Studie wurden Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom einer first-line-Behandlung mit Irinotecan, Fluorouracil und Leucovorin
(FOLFORI) unterzogen. Die Hälfte der Patienten erhielt zusätzlich Cetuximab
(Erbitux®) mit der Intention, eine mögliche Assoziation zwischen dem Mutationsstatus des KRAS (Kirsten-rat-sarcoma)-Gens und der Response auf Cetuximab
zu ermitteln. Der Nutzen von Cetuximab beschränkte sich auf Patienten mit
KRAS-Wildtyp-Tumoren. Das betraf sowohl das progressionsfreie Überleben
als auch die Tumor-Response [13]. Dieselbe Differenzierung wurde auch schon
für Panitumumab beschrieben. Beim metastasierten kolorektalen Karzinom ist
die Bestimmung des Mutationszustandes des KRAS-Gens also ein zwingender
Schritt.
3 Die TNF-α-Rezeptorblockade (destruktionshemmender Effekt) bei Rheumatoidarthritis durch Infliximab, Adalimumab und Etanercept ist gegenwärtig Goldstandard. Wir wissen jedoch, dass selbst bei der Kombination mit Methotrexat die
Versagerquoten bei 20 bis 40 Prozent liegen, selbst wenn nur das ACR 20-Kriterium (Verbesserung um 20 Prozent entsprechend den Kriterien des American
College of Rheumatology) zugrundegelegt wird [14]. So ist es naheliegend, dass
jetzt Studien anlaufen, in denen durch DNA-basierte Untersuchungen klinisch
relevante genetische Polymorphismen identifiziert werden sollen, um Therapie
Non-Responder frühzeitig identifizieren zu können.
4 Summarisch sollen nur noch einige Beispiele angemerkt werden, zu denen
allerdings noch größere klinische Studien fehlen:
– Die Wirkung von Cholinesterasehemmern könnte bei Apolipoprotein
E4-negativen Patienten mit M. Alzheimer intensiver sein als bei apo E4positiven [15].
– Genetische Polymorphismen scheinen auch eine Rolle zu spielen bei der
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Wirkung von Ezetimib [16], Statinen [17] und Hydrochlorothiazid [18], was
eindeutig gegen den Gebrauch einer Polypill sprechen würde.
Einer individualisierten Pharmakotherapie wird wohl auf vielen Gebieten die Zukunft gehören. Bei der Therapie des Mammakarzinoms ist sie schon Gegenwart,
z. B. Trastuzumab (Herceptin®) für die adjuvante Therapie des HER2/neu-positiven
Karzinoms. Da sich genetische Eigenschaften lebenslang nicht ändern, reicht die
einmalige Bestimmung therapierelevanter Mutationen. Wie rasch sich diese notwendige Entwicklung vollziehen wird, lässt sich schwer voraussehen: „Prediction is
very difficult, especially about the future“ (Niels Bohr).
In der ärztlichen Praxis werden sich wohl fixe Kombinationen und individualisierte therapeutische Optionen auf der Basis kontrollierter klinischer
Studien mit patientenrelevanten Endpunkten nicht ausschließen, sondern
– auch unter allokationsethischen Aspekten – sinnvoll ergänzen müssen.
Interessenkonflikte: keine
Literatur:
1 Scheler W: Grundlagen der Allgemeinen Pharmakologie. Jena: Fischer 1989; 24.
2 Action of Control Cardiovascular Risk in Diabetes Study Group: Effects of intensive glucose lowering in type 2
diabetes. N Engl J Med 2008; 358: 2545-59.
3 Advance Collaborative Group: Intensive blood glucose control and vascular outcomes in patients with type 2
diabetes. N Engl J Med 2008; 358: 2560-72.
4 Duckworth W, Abraira C, Moritz T et al.: Glucose control and vascular complications in veterans with type 2
diabetes. N Engl J Med 2009; 360: 129-39.
5 NICE-SUGAR Study Investigators: Intensive versus conventional glucose control in critically ill patients. N Engl J
Med 2009; 360: 1283-97.
6 Wald NJ, Law MR: A strategy to reduce cardiovascular disease by more than 80 %. bmj.com 2003; 326: 1419.
7 The Indian Polycap Study (TIPS): Effects of a polypill (Polycap) on risk factors in middle-aged individuals without
cardiovascular disease (TIPS): a phase II, doubleblind, randomised trial. Lancet 2009; 373: 1341-51.
8 Ingelman-Sundberg M: Pharmacogenomic biomarkers for prediction of severe adverse drug reactions. N Engl J
Med 2008; 358: 637-9.
9 Mega JL, Close SL, Wiviott SD et al.: Cytochrome P-450 polymorphisms and response to clopidogrel. N Engl J
Med 2009; 360: 354-62.
10 Simon T, Verstuyft C, Mary-Krause M et al.: Genetic determinants of response to clopidogrel and cardiovascular
events. N Engl J Med 2009; 360: 363-75.
11 Collet JP, Hulot JS, Pena A et al.: Cytochrome P450 2C19 polymorphism in young patients treated with clopidogrel after myocardial infarction: a cohort study. Lancet 2009; 373: 309-17.
12 Freedman JE, Hylek EM: Clopidogrel, genetics, and drug responsiveness. N Engl J Med 2009; 360: 411-3.
13 Cutsem EV, Köhne CH, Hitre E et al.: Cetuximab and chemotherapy as initial treatment for metastatic colorectal
cancer. N Engl J Med 2009; 360: 1408-17.
14 Smolen JS, Aletaha D, Koeller M, Weisman MH, Emery P: New therapies for treatment of rheumatoid arthritis.
Lancet 2007; 370: 1861-74.
15 Poirier J, Delisle MC, Quirion R et al.: Apolipoprotein E4 allele as a predictor of cholinergic deficits and treatment
outcome in Alzheimer disease. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 1995; 92: 12260-4.
16 Rinninger F, Greten H: Neu entschlüsselte Mechanismen der Cholesterinhomöostase. Dtsch Arztebl 2005; 102: A
516-9 [Heft 8].
17 Chasman DI, Posada D, Subrahmanyan L, Cook NR, Stanton VP, Ridker PM: Pharmacogenetic study of statin
therapy and cholesterol reduction. JAMA 2004; 291: 2821-7.
18 Cusi D, Barlassina C, Azzani T et al.: Polymorphisms of alpha-adducin and salt sensitivity in patients with essential hypertension. Lancet 1997; 349: 1353-7.
Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. Frank P. Meyer
Magdeburger Str. 29
39167 Groß Rodensleben
Seite 14
Für Sie
gelesen
KVH • aktuell
Nr. 4 / 2009
Die epidemiologische „Superpille“
Errechnete Reduktion von ischämischen Herzerkrankungen
um 88 Prozent und von Schlaganfällen um 80 Prozent
erscheint zweifelhaft
Von Dr. med. Günter Hopf
Zwei Epidemiologen schlagen im British Medical Journal (BMJ) vor, dass alle Menschen über 55 Jahre und zusätzlich alle Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen eine so genannte „Polypill“ mit sechs Inhaltsstoffen einnehmen sollten,
um schwerwiegenden Herzerkrankungen und Schlaganfällen vorzubeugen (siehe
Tabelle 1) [1]. Dies war den Herausgebern sogar ein prinzipiell zustimmendes
Editorial wert [2].
Bereits im Mittelalter wollten die Menschen länger leben, dabei aber nicht alt
werden. Findige Pharmazeuten schufen damals das Allheilmittel „Theriak“, eine
vielfältige, z.T. regional variierende Mischung gepulverter Pflanzenbestandteile mit
Wirkung unter anderem auf Herz und Kreislauf, Magen, Leber und Galle, Niere
und Dickdarm, zur Therapie und auch zur Vorbeugung.
In vielen Herstellungsvorschriften
von
Theriak war auch Opium entTabelle 1: Zielvorstellungen und Inhaltsstoffe
halten,
das bei Patienten für den
der geplanten „Superpille“:
nötigen Abstand zur jeweiligen
Cholesterinsenkung um 1,8 mmol/l (70 mg/dl)
Erkrankung bzw. bei Gesunden zu
ein Cholesterinsynthesehemmer („Statin“), angegeben
einer entspannten Grundhaltung
Atorvastatin 10 mg/d, Simvastatin 40 mg abends oder
führte. Bis in die heutige Zeit exis80 mg morgens.
tieren auf ähnlicher Basis in vie Blutdrucksenkung um 11 mmHg diastolisch
len Apotheken selbst hergestellte
Dreier-Antihypertensivakombination in halber StandardTinkturen, Elixire und arzneiliche
dosierung (Auswahl aus den Stoffgruppen Thiazide,
Weine als Eigenspezialitäten (z. B.
Betablocker, ACE-Hemmer, Angiotensin II-Rezeptor
„Elixier ad longam vitam“), wobei
Antagonisten, Kalziumkanalblocker).
heutzutage Ethylalkohol die Rolle
Homocysteinsenkung um 3 μmol/l
des Opiums übernimmt.
Folsäure 0,8 mg/d.
Nun sind mittelalterliche Mixtu Aggregationshemmung
ren nicht direkt vergleichbar mit
Acetylsalicylsäure in niedriger Dosierung 50 bis 125 mg/d.
den theoretischen Erwägungen
der beiden Epidemiologen, die
immerhin Arzneistoffe in einer
Pille zusammenmischen wollen, deren Wirksamkeit in vielen wissenschaftlichen
Studien nachgewiesen wurde (bis auf die Folsäuregabe, deren Effekt zumindest
in der Primärprävention noch kontrovers beurteilt wird). Das verbessert den gewählten Ansatz jedoch nur wenig, Polypragmasie ist beides.
Die statistischen Berechnungen der Autoren scheinen nur bedingt schlüssig, z. B.:
a Statt der angegebenen hohen relativen Risiken wäre die Angabe von absoluten
Risiken von Vorteil.
b Der Anstieg des Blutdruckes und der auftretenden Todesfälle ist nicht linear
korreliert.
c Cholesterinsenkung bei Patienten mit hohen Spiegeln ist nicht vergleichbar
mit der bei Gesunden.
d Ein additiver Effekt der verschiedenen Arzneistoffe in Kombination ist nicht
nachgewiesen.
e Interaktionen zwischen den einzelnen Arzneistoffen machen eine Addition der
in separaten Studien nachgewiesenen Risikoreduktion der Einzelsubstanzen
wenig plausibel.
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Die Präventionserwägungen bleiben Hypothesen und entsprechen nicht der Komplexität kardiovaskulärer Erkrankungen. Das Vorgehen ist vergleichbar mit dem jahrelang
behaupteten theoretischen kardiovaskulären Benefit einer langjährigen Hormontherapie nach der Menopause und wohl auch mit dem derzeit theoretisch berechneten
Benefit der Maßnahmen zur Früherkennung des Brustkrebses der Frau oder des
Prostatakarzinoms beim Mann. Erfolgsraten von 88 Prozent (bei ischämischen Herzerkrankungen) beziehungsweise 80 Prozent (bei Schlaganfällen) allein durch eine medikamentöse Therapie scheinen selbst bei Personen mit Gefäßerkrankungen übertrieben,
ganz zu schweigen von der Anwendung bei Gesunden über 55 Jahren. Erfahrungen
in der Therapie des Diabetes Typ 2 mit multiplen gleichzeitigen Behandlungsansätzen
sprechen von einer maximal möglichen Risikoreduktion um 50 Prozent [3].
Folgende allgemeine Erwägungen wurden zu wenig berücksichtigt:
1 Die berechneten Risikoreduktionen beziehen sich nur auf die jeweilige Studienpopulation, die mit der Zusammensetzung der Bevölkerung nicht identisch ist.
2 Anerkannter medizinischer Standard – zumindest in den Empfehlungen unabhängiger Sachverständiger – ist eine individuelle Arzneimitteltherapie, unter
Berücksichtigung der Ausprägung der jeweiligen individuellen Risikofaktoren
und des individuellen Ansprechens auf ein Medikament. Ärzte und Ärztinnen
behandeln Patienten und nicht die Bevölkerung.
3 Die Compliance der Patienten wurde vorausgesetzt. Bei der Therapie von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen ist das korrekte Einnahmeverhalten
ein ungelöstes Problem. Bei gesunden Menschen ohne Krankheitssymptome
wird Therapietreue noch seltener zu beobachten sein.
4 Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen (UAW) sind bei den lange bekannten Wirkstoffen zwar selten, aber nicht auszuschließen. Die angegebenen
Inzidenzen von leichten UAW wurden aus klinischen Studien hochgerechnet
und berücksichtigen erhebliche Dunkelziffern und mögliche Reaktionen von
Gesunden nicht. Als Beispiele seien der ACE-Hemmer-bedingte Husten oder
die durch Betablocker bedingte Müdigkeit erwähnt: Jeder Gesunde wird sich
bei Auftreten dieser Symptome weigern, die Superpille weiter einzunehmen.
5 Der generellen Behauptung, dass eine Dreier-Kombination niedrig dosierter
Antihypertensiva weniger UAW zur Folge hat, muss deutlich widersprochen
werden: beispielsweise Überempfindlichkeitsreaktionen sind unabhängig von
der Dosis.
6 Die Einnahmeempfehlung einer Superpille zur Prävention kardiovaskulärer
Erkrankungen fördert das unkritische Pillenschlucken in der Bevölkerung und
suggeriert, dass jeder ab einem Alter von 55 Jahren krank ist und eine Pille
einnehmen muss. Alle Empfehlungen für eine gesunde Lebensweise werden
relativiert.
7 Wann werden Forderungen nach Zusätzen zur Superpille laut? Senilen Demenzen, depressiven Verstimmungen, Diabetes, Knochenbrüchen, Knorpelschäden
sollte ebenfalls medikamentös vorgebeugt werden – nicht zuletzt den Magenverstimmungen, verursacht durch die Einnahme unzähliger Arzneistoffe.
Resümee
In einem Leserbrief zu dieser Publikation wird die Möglichkeit einer zu 100 Prozent
erfolgreichen Prävention der Mortalität erwähnt: nicht geboren zu werden.
Für einige Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen könnte die „Superpille“
jedoch von Vorteil sein. Eine Kombination einzelner Komponenten gilt bereits
heute als „State of the art“. Wenn jedoch jede Person über 55 Jahre diese Arzneistoffe einnehmen soll, so wäre ein Zusatz in der Nahrung des entsprechenden
Personenkreises wie etwa in Altenheimen praktischer.
Die Strategie erinnert an dirigistische Maßnahmen zur Erhöhung der „Volksgesundheit“, beschert den Shareholders der Hersteller ungeahnte Gewinne und
widerspricht einer medizinisch sinnvollen Anwendung wirksamer Arzneimittel.
Nur wer nicht
geboren wird, kann
nicht sterben
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Es könnte sein, dass die Herausgeber des angesehenen BMJ diese für die medizinische Praxis wenig hilfreiche und fraglich ernst zu nehmende Studie publiziert
haben, um eine Vielzahl von kritischen Leserbriefen zu provozieren. Ihre Erwartungen wurden erfüllt.
Interessenkonflikte: keine
Literatur:
1 N.J.Wald: M.R.Law, A strategy to reduce cardíovascular disease by more than 80 % Brit. Med.J. 2003; 326: 1419
2 A. Rodgers: Editorial, A cure for cardiovascular disease? Brit. med. J. 2003; 326: 1407
3 P.Gaede et al.: Multifactorial intervention and cardiovascular disease in diabetes. N.Engl.J.Med 2003; 348: 383
Rezept
des
Monats
Warum so viele Blutdruckmittel?
Medikament morgens mittags abends
HCT 25
1
0
1
Bisoprolol 5
1
0
1
Ramipril 5
1
0
1
Amlodipin 5
1
0
1
Torem® 10
1
0
0
Rasilez® 300 mg
1
0
0
Doxazosin 4 mg
1
0
1
Ebrantil® 90 ret.
1
0
0
Clonidin 250 ret. 1 zur Nacht
Metamizol 500
1
1
1
Pantozol® 20
1
0
1
Trevilor® ret. 150
75
0
1
0
1
Tavor® 0,5
Mirtazapin 30 mg
1 zur Nacht
Allopurinol 100
0
0
1
Movicol® Btl.
1
1
1
Calciumcarbonat Kautbl.
1
1
1
Magnesiumbrause
1
0
0
Patientin, 74 Jahre alt, nach Hemithyreoidektomie aus der chirurgischen Abteilung eines
hessischen Krankenhauses entlassen.
Primärer Hyperparathyreoidismus sowie
Schilddrüsenkarzinom.
Postoperative hypertensive Entgleisung bei
bekannter hypertensiver Herzerkrankung.
Chronisches HWS- und BWS-Syndrom bei
degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und Benzodiazepinabusus.
Zustand nach rezidivierenden Synkopen,
am ehesten psychogener Genese.
Zustand nach Schrittmacherimplantation
bei hypersensitivem Carotissinus.
Diabetes mellitus Typ 2.
Chronische Niereninsuffizienz bei benigner Nierensklerose.
Hyperurikämie.
Hyperlipidämie.
Zustand nach Langzeitbeatmung bei Aspirationspneumonie vor vier Jahren.
Periarthropathia humeroscapularis calcarea rechts.
Acromioclaviculargelenks-Arthrose.
Das Frühstück dieser Patientin besteht laut Entlassungsmedikation aus 15 verschiedenen Medikamenten.
Die Compliance dürfte hier ganz schnell zusammenbrechen. Solange auf der Station die Schwester für
die Zusammenstellung und Einnahme sorgt, mag die Medikamentenvielfalt noch funktionieren – obwohl man sich auch dabei fragen muss, ob die Patientin trotz einer postoperativen hypertensiven Krise
wirklich für längere Zeit derart viele Antihypertensiva braucht. Hier wäre zu überlegen und zu testen,
ob nichtmedikamentöse Maßnahmen dieses antihypertensive Spektrum deutlich reduzieren könnten.
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Seite 17
Erneut: Blutzucker-Selbstkontrolle
beim Typ-2-Diabetiker
Für Sie
gelesen
Dr. med. Klaus Ehrenthal
Nachdem 2007 und 2008 im BMJ einige Arbeiten zum Nutzen der BlutzuckerSelbstkontrolle erschienen waren [1,2,3], hatten wir dazu Stellung genommen [4],
da inzwischen auch in Deutschland die Kosten für die Teststreifen einer solchen
Blutzucker-Selbstmessung erheblich angestiegen waren.
Den medizinischen Nutzen einer Blutzucker-Selbstmessung hatten wir in Übereinstimmung mit Farmer et al. [1], O’Kane et al. [2] und Simon et al. [3] diskutiert und
die Blutzuckerselbstkontrolle in Deutschland nur für besondere Fälle als sinnvoll
angesehen:
1 bei Typ-1-Diabetikern (als GKV-Leistung)
2 bei Diabetikern, bei denen die Insulingabe von den Messwerten abhängt (als
GKV-Leistung)
3 bei Neueinstellungen von Typ-2-Diabetikern (als GKV-Leistung in einigen KVen)
4 bei ausgewählten Patienten mit Diabetes Typ 2 als eine die Compliance fördernde Maßname (keine generelle GKV-Leistung).
Verordnung
Umsatz in Apoth.-­
Verkaufspr. (2008)
Blutzucker-Teststreifen
62.240.589 €
Insuline Gesamt
90.211.154 €
A10C1 H-Insulin und Analoga, sofort wirksam
38.243.829 €
A10C3 H-Insulin u. Analoga intermed. / sofort wirksam
17.296.326 €
A10C5 Langzeit-Humaninsulin und Analoga
15.909.053 €
A10E0 Insulinzubehör
9.436.326 €
A10C2 H-Insulin und Analoga, intermediär wirksam
9.325.620 €
Bald messen wir mehr, als
wir behandeln: Die Kosten
für Glukoseteststreifen
liegen schon in der Nähe
der Kosten der gesamten
Insulinbehandlung (Tabelle links) und die Zahl der
Verordnungen steigt immer
weiter (Grafik unten). Die
Daten stammen aus Hessen,
die Relationen dürften aber
überall ähnlich sein.
25.000.000
20.000.000
15.000.000
10.000.000
5.000.000
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09
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Blutzuckerteststreifen
Insuline
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Da einige KVen unterschiedliche Grenzen zur definierten „Unwirtschaftlichkeit“
mit dem Arzt drohenden Regressverfahren wegen der Kosten der Teststreifen bei
Typ-2-Diabetikern, die kein Insulin erhalten, formuliert haben, hatten wir versucht,
soweit möglich, hierzu einige Informationen zusammenzutragen [4].
Inzwischen hat mit Datum vom 16.06.09 das IQWiG einen Vorbericht zur „Urinund Blutzuckerselbstmessung bei Diabetes Typ 2“ veröffentlicht [5]. Nach wie vor
werden in Deutschland erhebliche Summen für eine Blutzucker-Selbstmessung für
Typ-2-Diabetiker ausgegeben, weswegen hier noch einmal die übereinstimmenden
Bewertungen unseres Berichtes zu den Untersuchungen aus Großbritannien und
denen des IQWiG-Vorberichtes hervorgehoben werden sollen.
Kein Nutzen der
Selbstmessung für
oral behandelte
Typ-2-Diabetiker
gefunden
Bedeutung
für
unsere
Praxis
Bei der systematischen Literaturrecherche des IQWiG, bei der 15 Publikationen zu
verschiedenen Studien mit teilweise unterschiedlichem Design und unterschiedlichen Patientengruppen untersucht wurden, konnten letztendlich fünf Studien
gefunden werden, die Fälle mit Blutglukose-Selbstmessung solchen Fällen, die keine
Blutglukose-Selbstmessung durchführten, gegenüberstellten.
Das nach sorgfältiger Untersuchung der Studien gefällte Endurteil des IQWiG lautet
auch hier im Fazit (S.77): „Weder für die Blutzuckerselbstmessung noch für die
Urinzuckerselbstmessung gibt es einen Beleg des Nutzens bei Patienten mit
Typ-2-Diabetes, die nicht mit Insulin behandelt werden. Es gibt auch keinen
Beleg für einen Zusatznutzen der Blutzuckerselbstmessung gegenüber der
Urinzuckerselbstmessung oder umgekehrt. …“
Zurückhaltung ist gerechtfertigt
Da somit jetzt eine offizielle Stellungnahme des IQWiG vorliegt, ist es für den behandelnden Arzt besonders wichtig, bei Typ-2-Diabetikern, die kein Insulin erhalten,
mit Verordnungen von Teststreifen zurückhaltend umzugehen, um Regressanträge
wegen „Unwirtschaftlichkeit“ zu vermeiden. Als Hilfestellung kann die eingangs
aus unserer ersten Arbeit wiederholte Übersicht verwendet werden.
Es gilt also auch weiterhin: Allen nicht mit Insulin behandelten Typ-2Diabetikern kann der Arzt guten Gewissens die Blutzuckerselbstkontrolle
erlassen.
Dies sollte auch bei den Diabetes-Schulungen berücksichtigt werden.
Interessenkonflikte: keine
Literatur:
1 Farmer A, Wade A, Goyder E, Yudkin P, French D, Craven R, Kinmonth AL, Neil A.: Impact of self monitoring of
blood glucose in the management of patients with non-insulin treated diabetes: open parallel group randomised trial. BMJ 2007;335:132-9, doi:10.1136/bmj.39247.447431.BE
2 O’Kane MJ, Bunting B, Copeland M, Coates VE on behalf of the ESMON study group. Efficacy of self monitoring
of blood glucose in patients with newly diagnosed type 2 diabetes (ESMON study): randomised controlled trial.
BMJ 2008;336:1174-7, doi:10.1136/bmj.39534.571644.BE
3 Simon J, Gray A, Clarke P, Wade A, Neil A, Farmer A on behalf of the Diabetes Glycaemic Education and Monitoring Trtial Group. BMJ 2008;336:1177-80
4 siehe auch: Ehrenthal K. Blutzucker-Selbstkontrolle beim Typ-2-Diabetes. KVH aktuell Pharmakotherapie
2008;13(Nr.4):24-27
5 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Urin- und Blutzuckerselbstmessung bei
Diabetes Typ 2. Vorbericht A05-08 vom 16.06.2009, Köln 2009: S.77
Nr. 4 / 2009
KVH • aktuell
Praxis-Studie soll klären: Wie werden
Multimorbide am sichersten behandelt?
PRIMUM – PRIorisierung von MUltimedikation bei Multimorbidität. Eine
industrieunabhängige BMBF-geförderte Studie (Fkz: 01GK0702).
In einer älter werdenden Bevölkerung tritt die
Versorgung chronisch kranker, multimorbider
Patienten* zunehmend in den Vordergrund.
Mehr als anderswo werden Patienten in der
Hausarztpraxis über einen langen Zeitraum betreut. Das erfordert langfristige Planung, Koordination und Überwachung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unter Einbeziehung verschiedener Fachspezialisten.
Gerade im Rahmen von Multimorbidität sehen sich Hausärzte* mit zusätzlichen Problemen konfrontiert: belastbare Evidenz aus klinischen Studien fehlt für diese Patienten
weitgehend, heutige Leitlinien berücksichtigen Probleme von Ko- und Multimorbidität
nicht angemessen, Fachspezialisten behandeln überwiegend krankheitsspezifisch, und
für eine Priorisierung von Therapiezielen fehlen praktikable Instrumente.
In der Folge werden Patienten häufig mit einer Vielzahl von Medikamenten therapiert, was mit relevanten Risiken verbunden ist. Wie internationale Studien belegen,
nimmt mit der Zahl der eingenommenen Medikamente die Therapietreue der Patienten ab. Gleichzeitig steigt das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen
und -interaktionen sowie dadurch verursachte Krankenhauseinweisungen.
Bisher gibt es nur wenige Studien zur Frage, wie diesen Problemen wirksam begegnet
werden kann. Danach konnten mittels elektronischer Systeme, die Warnhinweise bei
Arzneimittelinteraktionen anzeigen, die Angemessenheit medikamentöser Verordnungen und durch Vorgespräche zwischen nichtärztlichem Assistenzpersonal und
Patienten deren Therapietreue verbessert werden. Die Interventionen dieser Studien
zielten auf einzelne Phasen des Medikationsprozesses und zeigten demgemäß geringe
bis mäßige Effekte.
Um den gesamten Medikationsprozess zu verbessern, wurde von Mitarbeitern des
Instituts für Allgemeinmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main
in Kooperation mit Pharmakologen der Universität Heidelberg eine komplexe Intervention entwickelt, die verschiedene, schon als effektiv erwiesene Maßnahmen bündelt. Diese bezieht eine Medizinische Fachangestellte der Praxis sowie ein innovatives
internetbasiertes Informationssystem ein. Damit sollen Hausärzte unterstützt werden,
die Therapie bei älteren multimorbiden Patienten zu priorisieren und zu optimieren.
Diese Intervention wird gegenwärtig in einer Pilotstudie in 20 hessischen Hausarztpraxen an insgesamt 100 Patienten getestet. Ziel der zwölfmonatigen Pilotstudie ist
es, die Intervention für Hausarztpraxen so weit anzupassen, dass sie sich optimal in
bestehende Praxisstrukturen und -abläufe einfügt. Erste Zwischenergebnisse werden
derzeit ausgewertet, die Pilotstudie endet im Februar 2010. Nach deren Abschluss ist
eine 24-monatige Hauptstudie in ca. 80 Hausarztpraxen an insgesamt etwa 400 Patienten vorgesehen. Darin soll untersucht werden, in welchem Ausmaß mit dieser Intervention die Lebensqualität und Therapietreue bei multimorbiden Patienten verbessert
und Risiken durch potentiell unangemessene Verordnungen reduziert werden können.
Sind Sie als Hausarzt / Hausärztin im Raum Frankfurt/M. (Umkreis bis ca. 200 km)
tätig und fühlen sich von diesem Thema angesprochen? Können Sie sich mit Ihrem
Team eine Studienteilnahme vorstellen? Dann nehmen Sie bitte mit uns Kontakt auf:
Dr. med. Christiane Muth, MPH, Institut für Allgemeinmedizin
Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor-Stern-Kai 7, D-60590 Frankfurt
eMail: [email protected]
http://www.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de
* Aus Gründen einer besseren Lesbarkeit wurde nur die männliche Form verwendet, es werden jedoch
immer beide Geschlechter angesprochen.
Seite 19
Der
Gastbeitrag
KVH • aktuell
Seite 20
Für Sie
gelesen
Nr. 4 / 2009
Risiken bei der Demenzbehandlung mit
Acetylcholinesterasehemmern
Ergebnisse einer großen
populationsbezogenen Kohortenstudie
Dr. med. Klaus Ehrenthal
Nur befristeter
Behandlungsversuch
erlaubt
Bei Demenz vom Alzheimertyp werden derzeit besonders von Spezialisten vermehrt
Behandlungen mit Acetylcholinesterasehemmern (ACEH) empfohlen. Das hat auch
in Deutschland zu einer deutlichen Zunahme solcher Verschreibungen geführt [1].
Die Behandlung mit Antidementiva gilt als umstritten [2,3]. Für Rivastigmin,
Galantamin und Donezepil gelten die Indikationen „leichte bis mittelschwere Demenz vom Alzheimer-Typ“, deren Diagnostik fachspezifisch erfolgt ist und deren
Therapieversuch auch fachspezifisch zu überwachen ist. Für den Glutamatrezeptorhemmer (NMDA-Antagonisten) Memantin gilt derzeit trotz schlechter Datenlage [4]
die Indikation für einen Therapieversuch: „mittelschwere bis schwere Demenz vom
Alzheimer-Typ“ bei sonst gleichen diagnostischen und begrenzenden Maßnahmen
wie bei der Behandlung mit ACEH.
Die Behandlung ist in der GKV nur als befristeter Behandlungsversuch mit
dokumentiertem Erstbefund (durch psychometrische Teste) und nachgehenden
Kontrollen nach zwölf (ggf. nach 24) Wochen auf Therapieerfolg durchführbar. Bei
Erfolglosigkeit oder Verschlechterung ist der Therapieversuch abzubrechen (siehe
auch Arzneimittelrichtlinien [4, 6]).
Inzwischen wurden zwar etliche UAW und Interaktionen beschrieben (u.a. gastrointestinale, hepatotoxische und cerebrovaskuläre Ereignisse, Unruhe, Kopfschmerz).
Die Zunahme des Einsatzes von Antidementiva, die sicherlich häufig einer therapeutischen Ratlosigkeit der Behandler geschuldet ist, belegt jedoch, dass offenbar viele
Ärzte sich des Risikos eines solchen Behandlungsversuches nicht bewusst sind.
Große bevölkerungsbasierte Kohortenstudie
aus Kanada zum ACEH-Risiko
Um zu klären, wie das Risiko von Acetylcholinesterasehemmern (ACEH) sich auswirkt
bei der Behandlung von Alzheimerpatienten, die im häuslichen Umfeld betreut
werden, wurden kürzlich die Ergebnisse einer großen Kohortenstudie veröffentlicht
[7], bei der besonders auf eine symptomatische Bradycardie und Synkopen mit
deren Folgen geachtet wurde.
Es wurden die Health-Care Daten des Bundesstaates Ontario in Kanada über zwei
Jahre (vom 01.04.2002 bis zum 31.03.2004) durchgesehen. Dabei fanden sich
19.803 zuhause lebende ältere Patienten, denen wegen Demenzerkrankung Acetylcholinesterasehemmer verschrieben worden waren. Es erhielten dabei Donezepil
13.641 Fälle, Galantamin 3.448 Fälle und Rivastigmin 2.714 Fälle. Diese insgesamt
19.803 Demenz-Patienten wurden verglichen mit weiteren 61.499 älteren Demenzpatienten, die zuhause lebten ohne eine ACEH-Behandlung.
Ergebnisse
Dabei fanden sich bei den ACEH-Fällen vermehrte Krankenhausaufnahmen
wegen Synkopen (31,5 versus 18,6 Ereignisse hochgerechnet auf 1.000 Patientenjahre – Hazard Ratio (HR) 1.76; 95%-Konfidenzintervall (KI) 1.57-1,98).
Weitere im Zusammenhang mit Synkopen stehende Ereignisse waren ebenfalls
bei mit ACEH behandelten Dementen häufiger: Krankenhausaufnahmen wegen
Bradycardie (6,9 versus 4,4 per 1.000 Patientenjahre – HR 1.69; 95%-KI 1,32-2,15)
wurden vermehrt erforderlich.
Nr. 4 / 2009
KVH • aktuell
Die Notwendigkeit der Implantation eines permanenten Schrittmachers
fand sich ebenfalls bei ACEH-Patienten häufiger (4,7 versus 3,3 per 1.000 Patientenjahre – HR 1,49; 95%-KI 1,12-2,00).
Ebenso wurden bei den ACEH-Patienten vermehrte Hüftfrakturen gefunden:
(22,4 versus 19,8 per 1.000 Patientenjahre; HR 1,18; 95%-KI 1,04-1,34).
Diese Ergebnisse blieben auch robust bei weiteren rechnerischen Analysen, bei
denen die Patienten nach ihrer Komorbidität oder durch weitere Scores aufgeteilt
worden waren.
Therapie-Erfolg muss mit psychometrischem Test bewiesen werden
Als Voraussetzung für einen eventuellen Therapieversuch bei einem DemenzPatienten vom Alzheimertyp mit Antidementiva sind nach den Arzneimittelrichtlinien [4] in der GKV die ordnungsgemässe Diagnostik und die spätere
diagnostische Nachkontrolle nach zwölf (ggf. nach 24) Wochen durchzuführen
(psychometrischer Test mit Dokumentation). Absetzen bei Nichterfolg der
Therapie.
Das Risiko von UAW und Interaktionen bei Polypharmakotherapie ist für die
Therapieentscheidung besonders zu bedenken.
Speziell ist mit vermehrten Komplikationen durch Bradycardien und Synkopen
mit allen Folgemöglichkeiten (Stürzen, Hüftfrakturen usw.) zu rechnen, wie diese
große Kohortenstudie eindeutig zeigte. Das sollte vor Therapiebeginn bedacht
werden.
Schrittmacherimplantationen können häufiger erforderlich werden.
Kardial erkrankte Patienten sind dabei einem besonderen Risiko ausgeliefert.
Seite 21
Wenig Wirkung, viel
Nebenwirkungen
– bis hin zur
Hüftfraktur
Bedeutung
für
unsere
Praxis
Interessenkonflikte: keine
Literatur:
1 Schwabe U, Paffrath D. (Hrsg.). Arzneiverordnungs-Report 2009, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, S.309-320
2 Mitteilung des IQWiG:
www.gesundheitsinformation.de/alzheimer-demenz-wie-gut-helfen-cholinesterasehemmer.511.html
3 Arzneimittelinformationsdienst arznei-telegramm. AKB Arzneimittelkursbuch 2007/08 15.Aufl 2007 A.V.I.
Arzneimittel-Verlags-GmbH, Berlin S.1975
4 Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (GBA), neue Fassung vom 01.04.2009, Anlage III (Übersicht über Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse) Nr.10,
5 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Memantin bei Alzheimer Demenz.
Vorbericht A05-19C. Köln IQWiG; 2008, S.76-91
6 Siehe auch: Ehrenthal K. Was bringt die nicht-medikamentöse Behandlung bei der Alzheimer-Demenz? KVH
aktuell Pharmakotherapie 2009;14(Nr.3):4-6
7 Gill SS, Anderson GM, Fischer HD, Bell CM, Li P, Normand ST, Rochon PA. Syncope and Its Consequences in
Patients With Dementia Receiving Cholinesterase Inhibitors. A Population-Based Cohort Study. Arch Intern Med
2009;Vol 169, (Nr.9):867-73
Das Aus für Memantin
IQWiG-Abschlussbericht zur Wirksamkeit von Memantin
bei Alzheimer-Demenz erschienen
Dr. med. Klaus Ehrenthal
Zur Behandlung einer Alzheimer Demenz (AD) werden außer den Acetylcholinesterase-Hemmern immer noch vereinzelt Präparate aus Gingko-biloba-Extrakten sowie
Piracetammedikamente u.a. angewendet, wenn auch deutlich weniger als vor Jahren
[1], denn die insgesamt mangelhafte Evidenz sowohl der Gingko-Produkte [2] als
auch bei Piracetam hat enttäuscht [1,3]. Daneben geht die Suche nach robusteren
Therapiemöglichkeiten weiter. Umso intensiver wird derzeit für die Behandlung
Für Sie
gelesen
KVH • aktuell
Seite 22
Offensichtlich ist
dem Alzheimer mit
Arzneimitteln bisher
nicht beizukommen
Bedeutung
für
unsere
Praxis
Nr. 4 / 2009
der AD mit dem nicht kompetitiven NMDA-Rezeptor-Hemmer Memantin geworben
[4] unter Hinweis auf die Zulassung zur Behandlung der moderaten bis schweren AD
durch das BfArM in Deutschland und auch durch die FDA in den USA. Dazu äußerte
sich die Arzneimittelkommission 2004 [5] ebenso wie die Deutsche Gesellschaft für
Neurologie 2008 [6] positiv im Sinne einer multimodalen Behandlungsoption.
Allerdings sind durch das kürzliche Erscheinen des IQWiG-Abschlussberichtes [7]
zur Wirksamkeit von Memantin bei AD nun erneut einige Hoffnungen auf eine
verbesserte Möglichkeit der Pharmakotherapie bei AD verflogen. Hierzu sind deswegen demnächst entsprechende Neubewertungen zu erwarten. Ich zitierte [7]:
„Es gibt keinen Beleg für den Nutzen der Memantin-Therapie bei Patienten mit Alzheimer Demenz. Dies gilt für Patienten mit mittelschwerer und
schwerer Alzheimer Demenz gleichermaßen. Auch für die Behandlung als
Monotherapie sowie in Kombination mit anderen Antidementiva gibt es
keinen Beleg für einen Nutzen.“
Individuell nichtmedikamentöse Alternativen testen
Mit der älter werdenden Bevölkerung wird es zu einer Verdopplung der Patienten mit Alzheimer Demenz alle 20 Jahre kommen [8], die dann medikamentös
nicht befriedigend behandelbar sein werden.
Also sollten alle nichtmedikamentösen Therapiemöglichkeiten (Anleitung und
Unterstützung der pflegenden Familie, Fachpflege, Ergotherapie, kognitives
Training u.a.) ausgeschöpft werden – ggf. additiv zu Medikamenten, wenn diese
(in jedem Einzelfall zu überprüfen) wirksam sind.
Nach den Ergebnissen des IQWiG-Berichtes zur nichtmedikamentösen Behandlung der Alzheimer Demenz vom 13.01.09 [9] sollten also angesichts der meist
nur marginalen Erfolge einer antidementiven Pharmakotherapie bei leichten
oder mittelschweren AD-Erkrankungen individuelle nichtmedikamentöse Behandlungsbedürfnisse aufgespürt und versucht werden.
Einzelheiten dazu finden sich in unserem letzten Heft von KVH aktuell Pharmakotherapie [10]. In vielen Fällen können so Patienten mit leichter und mittelschwerer AD und ihre Pfleger und Betreuer in den Familien Unterstützung erhalten.
Es bleibt eine schwere hausärztliche Aufgabe, diese irreversibel Erkrankten mit
ihrem Los nicht alleine zu lassen.
Interessenkonflikte: keine
Literatur:
1 Schwabe U, Paffrath D. (Hrsg.). Arzneiverordnungsreport 2009, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, S.314-316
2 Gingko biloba for cognitive impairment and dementia. Cochrane Database Syst Rev. (April 2006) 18;(2):
CD003120
3 Flicker I, Grimley Evans G (2001). Piracetam for dementia or cognitive impairment. Cochrane Database Syst Rev.
2001;(2):CD001011
4 z.B. Alzheimer aufhalten – länger Freude erleben, ausführlicher Flyer in: Der Hausarzt 2009;17, Flyer-Seite 9
5 Demenz. Therapieempfehlung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft 2004; 3.Aufl, S.10-15
6 Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Georg Thieme
Verlag Stuttgart. 4.überarb. Aufl. 2008; S.654 ff.
7 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Dillenburger Str. 27, 51105 Köln.
Memantin bei Alzheimer Demenz, Abschlussbericht 08.07.2009 Nr.59, Version 1.0, S.109
8 Alzheimer´s Disease International (ADI). 2009 World Alzheimer´s Report (21.Sept.2009).
http://www.alz.co.uk/worldreport
9 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Dillenburger Str.27, 51105 Köln:
Nichtmedikamentöse Behandlung der Alzheimer Demenz. Abschlussbericht 13.01.2009 Nr.41, Version 1.0
10 Ehrenthal K. Was bringt die nichtmedikamentöse Behandlung bei der Alzheimer-Demenz? KVH aktuell Pharmakotherapie September 2009;14(3): 4-6
Nr. 4 / 2009
KVH • aktuell
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Betablocker bei Herzinsuffizienz
Dosis oder Pulsfrequenz – was ist das entscheidende Kriterium?
Dr. med. Klaus Ehrenthal, Dr. med. Jutta Witzke-Gross
Bei Herzinsuffizienz hat sich die Behandlung mit Betablockern in vielen Studien
als hilfreiche Therapie erwiesen [1, 2]. Die gelegentlich schädlichen Effekte einer
Betablockade sind dosisabhängig [3]. Um die Frage zu klären, ob die verringerte
Sterblichkeit bei Herzinsuffizienz durch Betablockade von der Senkung der Pulsfrequenz oder eher von der Dosierung des Betablockers abhängt, führten
McAlister et al. [4] eine große Metaanalyse von 23 Studien durch mit insgesamt
19 209 Patienten.
Nach gründlichen Recherchen in MEDLINE (1966-2008), EMBASE (1980-2008),
CINAHL (1982-2008), SIGLE (1980-2008), Web of Science und dem ­COCHRANE
Zentralregister nach kontrollierten Studien sowie nach weiterer Durchsicht verschiedener Bibliografien auf Studien und Metaanalysen sowie Leitlinien zu Betablockerbehandlung bei Herzinsuffizienz wurden 23 randomisierte Studien mit
verschiedenen Betablockern in die systematische Untersuchung einbezogen. In
diesen Studien war im Verumarm die Betablockertherapie mindestens für einen
Monat durchgeführt und als ein Endpunkt die Todesrate ermittelt worden; außerdem mussten mindestens 50 Patienten in die Studie eingeschlosssen worden sein.
Es wurden das Ausmaß der Pulsfrequenzsenkung und die Sterberate statistisch
zuverlässig analysiert.
Bei den untersuchten 19.209 Patienten lag die durchschnittliche linksventrikuläre
Ejektionsfraktion zwischen 0,17 und 0,36. Mehr als 95 Prozent der Patienten hatten
eine systolische Dysfunktion. Das Gesamtsterberisiko betrug 0,76 (95%-Konfidenzintervall (KI): 0,68-0,84).
Fünf Schläge pro Minute weniger:
Relatives Sterberisiko sinkt um 45 Prozent
Nach sorgfältiger statistischer Auswertung berechneten die Untersucher, dass
sich für jede Reduktion der Pulsfrequenz um fünf Schläge pro Minute das relative Sterberisiko um 45 Prozent (95%-KI: 6%-63%) verminderte. Die absolute
Risikoreduktion der Sterberate betrug bei Pulssenkung um fünf Schläge pro
Minute durchschnittlich 18 Prozent (95%-KI: 6%-29%). Dieser Zusammenhang
von Pulsfrequenzsenkung mit dem relativen Sterberisiko bestand auch, wenn die
Pulsfrequenzsenkung nur durch eine geringe Pulsabnahme vom Ausgangswert und
nicht durch einen absoluten Pulsfrequenzwechsel beobachtet wurde (Die Reduktion (RR) des Sterberisikos verbesserte sich um 15 Prozent bei Pulssenkung um fünf
Prozent (95%-KI: 5%-25%); p= 0.007).
Es konnten keine weiteren Einflüsse auf die statistischen Ergebnisse des Benefits
durch Pulssenkung mittels Betablocker bei zusätzlichen bivalenten und trivalenten
Datenanalysen nach Geschlecht, Alter, ischämischen Ereignissen, linksventrikulärer
Ejektionsfraktion, Digoxintherapie, Vorhofflimmern, NYHA-Klassikation gefunden
werden. Die Ergebnisse (Benefit durch Pulsfrequenzsenkung) blieben signifikant
(p ≤0,25).
Ebenso fanden sich bei univariablen Meta-Regressions-Berechnungen keine Veränderungen des Überlebensbenefits der Pulssenkung mittels Betablocker
Zusammenhang
zwischen
Pulsfrequenz und
Überleben war
eindeutig
KVH • aktuell
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Nr. 4 / 2009
durch Geschlecht, Alter, ischämische Ereignisse, linksventrikuläre Ejektionsfraktion,
NYHA-Klassifikation, Vorhofflimmern, Digoxintherapie, Ausgangspulsfrequenz oder
Wechsel der Pulsfrequenz.
Die Dosis allein bleibt ohne Einfluss
Carvedilol, Bisoprolol
und Metoprolol
erscheinen bei
Herzinsuffizienz
gleichwertig
Die Untersuchungen zur angewandten Dosierung des jeweiligen Betablockers erbrachten keinen Zusammenhang zur Reduktion der Gesamt-Mortalität (p=0,69).
Die RR der Mortalität betrug 0,74 in den 15 untersuchten Studien, die eine Hochdosis-Betablockade erhalten hatten (95%-KI: 0,64-0,86), das bedeutet ≥ 50% der
in Leitlinien empfohlenen Dosis, während in den sieben untersuchten Studien, in
denen die Patienten eine niedrige Betablockade erhielten, die RR der Mortalität
0,78 betrug (95%-KI: 0,63-0,96). Eine der 23 untersuchten Studien enthielt keine
Angaben zur Betablockerdosierung.
Die Behandlung mit Betablockern senkt nach den Ergebnissen dieser Metaanalyse
das Sterberisiko bei Herzinsuffizienz unabhängig von der Dosis ungefähr um ein
Viertel. Die Autoren nehmen an, dass mit großer Wahrscheinlichkeit dabei Carvedilol, Bisoprolol und Metoprolol gleichwertig sind. Die Daten für Atenolol und
Nebivolol fanden die Autoren nicht überzeugend.
Geschlecht, Alter, ischämische Ereignisse, Digoxinbehandlung und linksventrikuläre Ejektionsfraktion haben keinen Einfluss auf den Benefit der Herzfrequenzsenkung
gezeigt.
Der positive Effekt auf die Überlebensrate bei Herzinsuffizienz war nicht
durch die Dosierungen der Betablocker, sondern nur durch die erreichte
Pulssenkung erkennbar.
Dosis anhand des Pulses festlegen
Auch die kritische Zeitschrift infomed-screen hat die Metaanalyse ausgewertet und kommt
zu einem ähnlichen Ergebnis wie wir. Hier die Zusammenfassung aus infomed-screen:
Der Einsatz von Betablockern verbessert die Lebenserwartung von Herzinsuffizienzkranken, führt aber
oft zu Nebenwirkungen. Bisher ist nicht bekannt, ob die Herzfrequenzsenkung für die Verminderung
der Sterblichkeit entscheidend ist. In dieser Meta-Analyse [1] wurden die Daten von placebokontrollierten Studien, in denen der Einfluss von Betablockern auf die Mortalität bei Herzinsuffizienz
untersucht wurde, ausgewertet: Hängt der Behandlungsnutzen von der Senkung der Herzfrequenz
bzw. von der Betablockerdosis ab?
Anhand der Daten von 23 Studien mit insgesamt 19.209 Kranken konnten die Studienverantwortlichen zeigen, dass die Herzfrequenzsenkung durch die Betablockerbehandlung mit der Senkung der
Mortalität korreliert. Eine Senkung der Ruhefrequenz um 5 Schläge pro Minute war mit einer um 18
Prozent niedrigeren Sterblichkeit assoziiert. Die verwendete Dosis des Betablockers hingegen hatte –
nach Korrektur für die erreichte Frequenzreduktion – keinen Einfluss auf die Mortalität.
Die gängige klinische Praxis, die Betablockerdosen anhand der erreichten Frequenzsenkung und der
Nebenwirkungen zu titrieren, statt eine vordefinierte Dosis zu verwenden, wird durch die Ergebnisse
dieser Meta-Analyse unterstützt. Trotzdem ist deren Aussagekraft limitiert, denn ursprünglich war
keine einzige der untersuchten Studien auf diese Fragestellung hin ausgerichtet.
Zusammengefasst von Rebekka Sterchi
Literatur:
1 McAlister FA, Wiebe N, Ezekowitz JA et al. Meta-analysis: beta-blocker dose, heart rate reduction, and death in patients with heart failure.
Ann Intern Med 2009 (2. Juni); 150: 784-94
Nachdruck der Zusammenfassung mit freundlicher Genehmigung der Infomed-Verlags-AG, Bergliweg 17, CH-9500 Wil
aus infomed-screen September/Oktober 2009, Jahrgang 13, Nummer 5
Nr. 4 / 2009
KVH • aktuell
Seite 25
Zu den in den Studien beobachteten Todesfällen, die insgesamt zu mehr als 90
Prozent durch kardiovaskuläre Ereignisse ausgelöst worden waren, fanden sich
keine Subgruppenanalysen. Eine Aussage zur optimalen Pulsreduktion blieb in der
Studie offen.
Puls muss im physiologischen Bereich liegen
Herzinsuffizienz-Patienten profitieren von einer Pulsfrequenzsenkung durch
Betablocker bezüglich ihres Sterberisikos unabhängig von Geschlecht, Alter,
Zustand nach kardiovaskulären ischämischen Ereignissen, Digoxinbehandlung,
linksventrikulärer Ejektionsfraktion, NYHA-Klassifikation.
Die Dosierung des Betablockers hat darauf keinen nachweisbaren Einfluss.
Wichtig ist, dass der Puls im physiologischen Bereich gesenkt wird, also Dosierung nach Wirkung! Wir müssen uns daher keine Gedanken machen, wenn
wir wegen auftretender unerwünschter Wirkungen der Betablockertherapie
nicht die gemäß der großen Studien zur Herzinsuffizienz empfohlene Zieldosis
erreichen.
Wahrscheinlich sind für die Betablockertherapie bei Herzinsuffizienz Carvedilol, Bisoprolol und Metoprolol am besten geeignet; für Atenolol und Nebivolol
waren die Ergebnisse der Metaanalyse nicht überzeugend.
Die optimale Herzfrequenz muss für jeden Patienten individuell ermittelt
werden.
Bedeutung
für
unsere
Praxis
Interessenkonflikte: keine
Literatur:
1 Foody JM, Farrel MH, Krumholz HM. Beta-blocker therapy in heart failure: scientific view. JAMA. 2002;287:8839. (PMID: 11851582)
2 Brophy JM, Joseph L, Rouleau JL. Beta-blockers in congestive heart failure. A baysian meta-analysis. Ann Intern
Med. 2001;134:550-60. (PMID: 112811737)
3 Ko DT, Hebert PR, Coffey CS, Curtis JP, Foody JM, Sedrakyan A, et al. Adverse effects of beta-blocker therapy for
patients with heart failure: a quantitative overview of randomized trials. Arch Intern Med. 2004;164:1389-94.
(PMID: 15249347)
4 McAlister FA, Wiebe N, Ezekowitz JA, Leung AA, Armstrong PW. Meta-analysis: beta-blocker dose, heart rate
reduction, and death in patients with heart failure. Ann Intern Med. 2009;150:784-94
Methotrexat: Fehler bei Dosierung
und verschleierte Infekte
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) teilt mit, dass
eine korrekte Dosierung des Immunsuppressivums Methotrexat (MTX, viele Generika) sowohl Patienten als auch Ärzten Probleme bereitet. Bei rheumatischen und
dermatologischen Erkrankungen wird einmal wöchentlich dosiert, und Patienten
nehmen die Wochendosis versehentlich täglich ein. Auch Heilberuflern soll dieser
Fehler unterlaufen sein. Geringe Dosen von 2 mg/d können bereits nach sechs
Tagen zum Tod führen. Eine sorgfältige Aufklärung des Patienten ist dringend
erforderlich.
Eine Dauertherapie mit Methotrexat kann darüber hinaus klinische und/oder
serologische Infektzeichen vermindern. Bei jungen Patienten mit rheumatischen
Erkrankungen kam es zu einer Häufung Listeriose-bedingter septischer Gelenkentzündungen. Bei einem 68-jährigen Patienten mit schwerer Psoriasis (zusätzliche Risikokonstellationen: Splenektomie, toxische, vermutlich MTX-bedingte Leberzirrhose)
entwickelte sich drei Wochen nach einer komplikationslosen Hämorrhoidektomie
ein Hirnabzess mit Nachweis von Listeria monocytogenes.
Quellen: www.aerzteblatt.de, Dt. med. Wschr. 2009; 134: 1218
Sicherer
verordnen
Dr. med.
Günter Hopf
Seite 26
Sicherer
verordnen
Dr. med.
Günter Hopf
KVH • aktuell
Nr. 4 / 2009
Fragwürdige Testverfahren: Serum-IgG-Test
bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Fünf europäische Allergologenverbände bezeichnen den Nachweis von IgGAntikörpern zur Abklärung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten als sinnlos. Ein
hoher IgG-Spiegel zeige nur den Konsum des entsprechenden Nahrungsmittels an.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten als vermutliche Ursache chronischer Krankheiten oder Beschwerden können nur durch sorgfältige Analysen von Allergologen
diagnostiziert werden. Chronische Erkrankungen wie Reizdarmsyndrome haben in
der Regel vielfältige Ursachen, sogar eine wissenschaftlich belegte IgE-vermittelte
Nahrungsmittelallergie ist selten. Bis heute mangele es an Studien, die einen Nutzen
des Nachweises von Serum-IgG- oder IgG-Antikörpern gegen Nahrungsmittel bei
entzündlichen Krankheiten nachweisen.
Quelle: Pharm. Ztg. 2009; 154: 2328
Risedronsäure: chronische Ösophagitis
Trotz korrekter Einnahme von Risedronsäure, Actonel® (mindestens 250 ml
Wasser, aufrechte Körperposition, 30 min vor einer Mahlzeit) über zwei Jahre
wegen manifester Osteoporose entwickelte sich bei einer 50-jährigen Patientin
eine medikamentös induzierte Ösophagusläsion, die drei Tage nach Einnahme von Clindamycin (Sobelin®, viele Generika) wegen eines Nasenfurunkels
exazerbierte. Im Unterschied zu einer zuvor diagnostizierten Refluxösophagitis
waren distale Anteile des Ösophagus nicht beteiligt, und es konnte kristallines
Material im entzündlichen Exsudat nachgewiesen werden. Bei protrahierten therapieresistenten Verläufen sollte an eine medikamentös induzierte Schädigung
des Ösophagus gedacht werden, insbesondere bei Kombination mit anderen
potentiell ulzerogenen Arzneistoffen (hier: Clindamycin). Alle Bisphosphonate
können zu Schädigungen der Ösophagusschleimhaut führen, auch wenn Risedronat nach einer industriell unterstützten Metaanalyse im Vergleich zu Placebo
keine signifikanten Unterschiede aufweisen soll. Trotz zusätzlicher Gabe eines
Protonenpumpenhemmers konnten die Läsionen aufgrund der regelmäßigen
Bisphosphonatexposition nicht ausheilen.
Quelle: Dt. med. Wschr. 2009; 134: 1517
Allopurinol: Schwere Hautreaktionen
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) informiert über
Ergebnisse einer multinationalen Fall-Kontrollstudie zu schweren Arzneimittelreaktionen an der Haut (Stevens-Johnson-Syndrom = SJS, und toxische epidermale
Nekrolyse = TEN). Am häufigsten wurde Allopurinol (Zyloric®, viele Generika) mit
diesen, mit einer hohen Letalität verbundenen, unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) in Zusammenhang gebracht (66 Fälle). Danach folgten Carbamazepin
(Tegretal®, viele Generika), Cotrimoxazol (Eusaprim®, viele Generika), Nevirapin
(Viramune®), Phenobarbital (Luminal®), Phenytoin (Phenhydan®, Generika) und
Lamotrigin (Lamictal® viele Generika).
Die Autoren und die AkdÄ leiten aus erhöhten Verordnungszahlen eine Tendenz
zu unkritischer Behandlung mit diesem Arzneistoff ab. Sofern eine Diät nicht ausreicht, wird derzeit eine medikamentöse Therapie bei asymptomatischer Hyperurikämie ab Serum-Harnsäurewerten von 9 mg/dl empfohlen sowie möglichst
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Nr. 4 / 2009
Seite 27
niedrige Dosierungen von Allopurinol (SJS/TEN treten dosisabhängig auf). Patienten
sollten über mögliche Symptome einer beginnenden schweren Hautreaktion
aufgeklärt werden (Fieber, Augenbrennen, Schluckbeschwerden, Hautläsionen am Stamm).
Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass sich unter den am häufigsten genannten
Arzneistoffen mit diesen Nebenwirkungen drei derzeit eingesetzte Antiepileptika
(und ein nur noch selten angewandtes) befinden.
Sicherer
verordnen
Dr. med.
Günter Hopf
Quelle: Dt. Ärztebl. 2009; 106 (36): C 1477
Stimulantien:
plötzliche Todesfälle bei Kindern
Quelle: Dt.Apo.Ztg. 2009;
149 (26): 2930
Methylphenidat-haltige Arzneimittel
bei ADHS: Zulassung wurde eingeschränkt
Mit Wirkung zum 01.09.2009 hat das BfArM die Zulassung von
Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Methylphenidat (beispielsweise
Ritalin®) eingeschränkt.
Methylphenidat setzt zum einen die gesicherte, kriterienorientierte Diagnostik eines Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) und eine entsprechende Schwere und Dauer
der Erkrankung voraus. Die Diagnose darf sich nicht alleine auf
das Vorhandensein eines oder mehrerer Symptome stützen. Zum
anderen müssen erfolglose Behandlungsversuche mit anderen
Therapieverfahren, wie Psychotherapie vorangegangen sein.
Eine Behandlung mit Methylphenidat muss zudem im Rahmen
einer therapeutischen Gesamtstrategie erfolgen.
LH
Quelle: KBV-Kompakt vom 29.07.2009
70.000
60.000
93.427
80.000
93.090
90.000
87.632
100.000
J 2007
J 2008
50.000
55.329
Anzahl
Aufgrund einer
retrospektiven
Fallkontrollstudie
will die amerikanische Überwachungsbehörde
FDA nicht ausschließen, dass
es unter einer
Therapie mit fünf
Stimulantien (vor
allem Methylphenidat, z.B. Medikinet®, Ritalin®
und andere) zu
plötzlichen unerklärlichen Todesfällen bei Kindern
kommen könnte.
Derzeit geht eine
große Studie dieser Frage weiter
nach. In Hinblick
auf die stark steigende Zahl an
Verordnungen
(z.B. Methylphenidat: fünf Mio
Tagesdosen 1998,
46 Mio Tagesdosen 2007) scheint
eine Indikationsausweitung für
diese Arzneistoffe
vorzuliegen, die
deren mögliches
Risiko zu wenig
beachtet.
40.000
30.000
20.000
10.000
0
J 2006
Zeitraum
Verordnungen von Methylphenidat am Beispiel
Hessen: Die Substanz wird immer öfter verschrieben. Angesichts der Probleme,
die dieses Mittel mit sich bringt, eine bedenkliche Entwicklung.
Jan.- Jul.
2009
Seite 28
Sicherer
verordnen
Dr. med.
Günter Hopf
KVH • aktuell
Nr. 4 / 2009
Exenatid: Nierenversagen
Die europäische Arzneimittelagentur EMEA hat auf Anfrage einer unabhängigen
pharmakritischen Zeitschrift eine Liste unerwünschter Wirkungen des Inkretin-Mimetikums Exenatid (Byetta®) auf die Nierenfunktion erstellt. In einem Zeitraum von
einem halben Jahr wurden 86 Verdachtsfälle über Nierenversagen oder Erhöhungen
der Kreatininwerte unter der Gabe dieses neuen Therapieprinzips des Typ-2-Diabetes
berichtet (Exenatid ist in Deutschland nur in Kombination mit Metformin oder einem
Sulfonylharnstoff zugelassen, wenn mit maximalen Dosen beider Arzneistoffe eine
angemessene Blutzuckerkontrolle nicht erreicht werden kann). Es bestanden jedoch,
wie bei Berichten aus der Praxis üblich, bei 65 Patienten ein oder mehr zusätzliche
Faktoren, die sich negativ auf die Nierenfunktion auswirken können (Diuretika,
ACE-Hemmer, nicht-steroidale Antiphlogistika, Hypovolämie). Trotzdem sind die
Autoren der Ansicht, dass sich das Risiko unerwünschter Wirkungen von Exenatid
vergrößert und sein therapeutischer Stellenwert verringert. Zur Erinnerung: Neben
häufigen Magen-Darm-Symptomen können unter Exenatid auch selten anaphylaktische Reaktionen und eine akute Panktreatitis auftreten, über deren Symptome die
Patienten aufgeklärt werden sollten.
Quelle: Prescrire internat. 2009; 18: 108
Exenatid: Empfehlungen zur Verordnung
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich in Kooperation mit der
Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft mit Exenatid beschäftigt
und Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise herausgegeben:
Zu Exenatid fehlen Endpunktstudien zur Prävention diabetischer Komplikation
ebenso wie Studien zu Effekten auf kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Angaben zur Letalität. Aus diesen Gründen können zum jetzigen Zeitpunkt noch
keine genauen Kriterien, für welche Patienten Exenatid geeignet sein könnte,
angegeben werden. Vorstellbar wären Einzelfälle von Patienten mit starkem
Übergewicht, deutlicher Gewichtszunahme nach Beginn einer Insulintherapie
oder schwerer postprandialer Hyperglykämie.
Bis heute fehlen Daten zur Langzeitsicherheit von Exenatid.
Exenatid senkt die Nüchternglukose und die postprandialen Glukosewerte. Die
Zusatztherapie mit Exenatid senkt das HbA1c bei oral behandelten Diabetikern
um durchschnittlich 0,5 bis 1,5 Prozent ähnlich stark wie die Zusatztherapie mit
Insulin. Auch nach mehrmonatiger Behandlung weisen mehr als die Hälfte der
behandelten Patienten einen HbA1c von über sieben Prozent auf.
Exenatid kann das Körpergewicht senken. Die Vorteile einer Gewichtsreduktion
sind gegen die Mehrkosten der Therapie sorgfältig abzuwägen.
In Kombination mit Sulfonylharnstoffen kann Exenatid bei der Behandlung
des Typ-2-Diabetes zu schweren Hypoglykämien führen. Diese sind auf die
Sulfonylharnstoffwirkung zurückzuführen und nehmen dementsprechend bei
Niereninsuffizienz zu. Bei Kombination mit Metformin ist die Hypoglykämieinzidenz nicht erhöht.
Die erhöhte Inzidenz von Übelkeit (50 vs. 27 Prozent bei Placebo) und Erbrechen
(19 Prozent vs. 13 Prozent bei Plazebo) schränkt die Anwendung von Exenatid ein.
Im Vergleich zu Insulin war die Therapieabbruchrate etwa doppelt so hoch.
In drei placebokontrollierten Studien wurden bei 38 Prozent der Patienten
niedrige Titer von Antikörpern gegen Exenatid nachgewiesen, bei sechs Prozent
hohe Titer. Bei der Hälfte der Patienten mit hohen Titern zeigte Exenatid keine
offensichtliche Verbesserung der glykämischen Stoffwechselkontrolle. Bei anhaltend schlechter Blutzuckereinstellung kann deshalb ein Wechsel auf einen
anderen Wirkstoff notwendig werden.
Quelle: KBV Wirkstoff aktuell, Ausgabe 06/2007
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KVH • aktuell
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Hausärztliche Leitlinie
Geriatrie – Teil 1
Allgemeine Geriatrie
Konsentierung Version 1.00
05. November 2008
Revision bis spätestens
November 2011
Version 1.00 vom 17.11.2008
Hausärztliche Leitlinie
Geriatrie – Teil 1
Allgemeine Geriatrie
F. W. Bergert
M. Braun
H. Clarius
K. Ehrenthal
J. Feßler
J. Gross
K. Gundermann
H. Hesse
J. Hintze
U. Hüttner
B. Kluthe
W. LangHeinrich
A. Liesenfeld
E. Luther
R. Pchalek
A. Schütz
J. Seffrin
G. Vetter
H.-J. Wolfring
U. Zimmermann
Konsentierung Version 1.00
Anmerkung:
05. November 2008
Die Leitlinie Geriatrie, Teil 1, umfasst insgesamt 74 Seiten.
Revision bisangesichts
spätestens
Wir veröffentlichen
des Umfangs nur die wichNovember 2011
tigsten Aspekte.
Die gesamte Leitlinie einschließlich der im Text erwähnten Anhänge und Literaturstellen (Ziffern in Klammern),
die hier nicht abgedruckt sind, finden Sie im Internet
Version 1.00 vom 17.11.2008 Auf dieser Webunter www.pmvforschungsgruppe.de.
seite bitte den Cursor in der Menü-Leiste im oberen
Teil der Seite auf Publikationen positionieren und im
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können Sie die gesamte Leitlinie einsehen bzw. als PDFDatei auf Ihren Computer herunterladen. Eine weitere
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F. W. Bergert
M. Braun
H. Clarius
K. Ehrenthal
J. Feßler
J. Gross
K. Gundermann
H. Hesse
J. Hintze
U. Hüttner
B. Kluthe
W. LangHeinrich
A. Liesenfeld
E. Luther
R. Pchalek
A. Schütz
J. Seffrin
G. Vetter
H.-J. Wolfring
U. Zimmermann
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03 Kontext und Kooperation
04 Verantwortlichkeit
05
06
07
08
Allgemeine Geriatrie
Gesundes Altern, Vorsorgeuntersuchungen
Hausärztliche geriatrische Versorgung
Ziele der Leitlinie
Hausärztliche Schlüsselfragen
Kooperation
09
10
11
Geriatrisches Assessment
Bewertung zur Funktionalität
Barthel-Index
Sturzrisikoassessment
Timed up and go Test
Aufsteh-Test (chair rising
Verfahren zur Beurteilung der Hirnleistung
Psychometrische Tests
Test zur Früherkennung von Demenz und
Depressionsabgrenzung
Arzneimittelanamnese
12
13 Seniorengerechte Praxis
Maßnahmen in der Praxis
Sozialmedizinische Hilfen
14
15
16
17
18
20
21
Ernährung im Alter
Ernährungsprobleme im Alter
Organveränderungen, Übergewicht, Untergewicht
Empfohlene Zusammenstellung der Nahrung
Definition Untergewicht nach WHO, Diagnostik
Folgen und Behandlung der Mangelernährung
Sondenernährung (PEG)
Applikationstechnik, Medikamentengabe
Probleme bei Sondenernährung
Auswahl der Sondennahrung
23
24
25
26
Bewegung im Alter
Körperliche Aktivität im Alter, Krafttraining
Ausdauertraining
Belastungstest
Einsatz von körperlichem Bewegungstraining bei
definierten Krankheitsbildern
Risiken des körperlichen Trainings
Zusammenfassende Empfehlungen
27
28
29
30
31
Sturz, Fraktur
Sturz, Sturzfolgen
Frakturen
Risikoassessment
Maßnahmen zur Sturzprävention,
Risikofaktoren für Stürze
Risiken und Präventionsmaßnahmen
Geriatrische Rehabilitation
32 Soziale Isolation und Selbstwert-Verlust
Soziale Isolation, Einsamkeit
KVH • aktuell
33
34
35
Nr. 4 / 2009
Angst und Schlafstörungen
Alter und Angst
Alter und Schlafstörungen
Maßnahmen
Schlaf beeinträchtigende Faktoren
36 Literatur
44
45
46
Anhang 1
Geriatrisches Basisassessment
Beispiel: Barthelindex
PGBA, Selbständigkeits- und Funktionsprofil
47 Anhang 2
Ernährungstabellen
49 Anhang 3
Anamnesebogen zur Bestimmung des
Ernährungszustandes älterer Menschen (MNA)
51 Anhang 4
Ratschläge zur regelmäßigen körperlichen Aktivität
53 Anhang 5
Medikamente, die im Alter zu akuter Verwirrtheit führen
können
54 Anhang 6
Medikamente, die im Alter orthostatische Dysregulation,
Blutdruckabfall, Schwindel und Synkopen verursachen
können
55 Anhang 7
Medikamente, die zu einem gesteigerten Sturzrisiko im
Alter führen können
56 Anhang 8
Schlafstörungen durch Medikamente
57 Anhang 9
Regeln der Schlafhygiene
58
59
60
63
Anhang 10 Patientenverfügung
Grundsätze
Betreuungsverfügung
Patientenverfügung
Ergänzung im Fall schwerer Krankheit
67 Anhang 11: Soziale Dienste in Hessen
68 Evidenzkategorien
69 Informationen zur Leitliniengruppe Hessen
71 Internetadressen
Weiterführende Informationen
Adressen
72 Disclaimer und Internetadressen
Patienteninformationen, Disclaimer, Leitlinie im Internet
Anmerkung: Die hier angegebenen Seitennummern beziehen sich auf die Seiten der Original-Leitlinie. Dieses Inhaltsverzeichnis soll hier zeigen, welchen Umfang die Leitlinie insgesamt hat und welche Details Sie darin erwarten können.
Auf den folgenden Seiten finden Sie lediglich Auszüge aus der Leitlinie (siehe auch vorhergehende Seite).
Nr. 4 / 2009
KVH • aktuell
Seite 31
Allgemeine Geriatrie
Gesundes Altern,
Vorsorgeuntersuchungen
Physiologische Veränderungen im Alter bedeuten
nicht Krankheit; allerdings gibt es altersassoziierte
Erkrankungen (z. B. Arteriosklerotische Erkrankungen, Malignome). Zu berücksichtigen sind:
Verlust von Muskelmasse und Zunahme der
Fettmasse
Verringerte Knochendichte
Nachlassende Gefäßelastizität – Atherosklerose
Abnahme von Hautdicke und Hautelastizität
Verminderte Hormonbildung
Nachlassen der Gedächtnisleistung
Reaktionsträges Vegetativum
Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen:
Regelmäßige Bewegung und Kraftraining (s.
Abschnitt Bewegung).
Sturzprophylaxe mit Training und Balanceübungen; Calcium, Vitamin D zur Osteoporoseprophylaxe.
Ernährung mit hoher Nährstoffdichte und ausreichender Flüssigkeitszufuhr (s. Abschnitt Ernährung). Auf Mangelernährung sollte insbesondere bei Hochbetagten geachtet werden.
Mentales Training und soziale Aktivitäten.
Unterstützend sind Musik, Tanzen, Spiele.
Abrechenbare regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen bei geriatrischen Patienten
Gesundheitsuntersuchung-Check: alle zwei
Jahre
Krebsfrüherkennung (gynäkologisch und Hämokult) bei Frauen: jährlich
Krebsfrüherkennung von Männern (rektal-digitale Untersuchung und Hämokult): jährlich
Präventive Koloskopie ab vollendetem 55. Lebensjahr, die zweite frühestens zehn Jahre nach
Durchführung der ersten.
Hautkrebsscreening: alle zwei Jahre
Geriatrisches Assessment zur Untersuchung
von allgemeinen Funktionen und Fähigkeiten,
Mobilität und Sturzgefahr (z. B. timed-up & goTest sowie Demenztest): bis zu zweimal jährlich
Demenztests: bis dreimal im Quartal, allerdings
nicht neben dem Geriatrischen Assessment
Hausärztliche geriatrische Versorgung
Wodurch unterscheidet sich nun diese spezielle »Altersmedizin« von anderen Fachgebieten
der Medizin?
Bei der Versorgung älterer erkrankter Menschen
sind zunächst die altersphysiologischen Veränderungen und deren Auswirkungen zu beachten. Im Alter kommt es häufig zu unspezifischen
Symptomen (Nahrungsverweigerung, Schwäche,
Abgeschlagenheit und Somnolenz) und einen atypischen Verlauf von Erkrankungen, die eine Diagnose erschweren (z. B. kein Fieber bei Pneumonie).
Weitere Besonderheiten im Alter sind geringere
physiologische Reservekapazität der Organe (z. B.
Herz-Kreislaufversagen bei Pneumonie) und Schwächung des Immunsystems (z. B. keine Leukozytose
bei Pneumonie [13]).
Zugleich geht es bei der geriatrischen Versorgung
um Hilfeleistungen in oftmals bedrängenden Lebenslagen und komplexen Situationen, die auch
psychosoziale Kenntnisse erfordern [33].
Geriatrische Patienten können in ihrer Willensbildung gestört sein; sie bedürfen unseres besonderen Schutzes.
Ein weiteres Kennzeichen geriatrischer Arbeit
ist die Todesnähe. Der Patient wird in seinem
irreversiblen Leiden fürsorglich begleitet, was
die aktive Behandung weiterer auftretender
Erkrankungen keineswegs auschließt (s. Leitlinie
Palliativversorgung).
Geriatrische Patienten sind multimorbid. Die
damit verbundenen Funktionsstörungen können zumindest teilweise in ihrer Schwere mit
Hilfe eines Risikoassessments eingeordnet
werden. Multimorbidität erfordert ein Gewichten von Maßnahmen; die Einzelerkrankungen
erhalten einen anderen Stellenwert (Hierarchisierung) [13].
Geriatrische Versorgung bedeutet immer auch
Kooperation mit anderen Berufsgruppen und Koordination der verschiedenen Hilfsangebote. Idealiter
erfolgt die Betreuung in einem multiprofessionellen
geriatrischen Team [124].
Als langjährig betreuende Hausärzte kennen wir
nicht nur die aktuellen Diagnosen und Behandlungen, sondern auch Teile der Biographie und
des sozialen Umfeldes der Patienten. Geriatrische
Versorgung sieht den Patienten in seiner individuellen Lebenssituation. Integraler Bestandteil ist
deshalb möglichst die Zusammenarbeit mit den
Angehörigen.
Geriatrie ist immer ressourcenorientiert und
Seite 32
KVH • aktuell
beinhaltet auch die Wiederherstellung, Verbesserung und Erhaltung von Funktionen. Es besteht bei
den Patienten meist eine beträchtliche »stille Reserve«, dennoch sind mit dem Alter mehr Verluste als
Gewinne verbunden [7].
Bei der Betreuung geriatrischer Patienten gibt es
Überschneidungen zur Betreuung chronisch Kranker. Hierfür wurde das Konzept des »Chronic Care
Modells« entwickelt [38], das die fragmentarische
Versorgung des Patienten überwinden will. Im
Unterschied zum geriatrischen, in der Regel eingeschränkten, Patienten geht dieses Konzept von
einem informierten, aktiven und mit dem Arzt
gemeinsam entscheidenden Patienten aus. Das
Chronic Care Modell zielt darauf ab, das Selbstmanagement des Patienten zu unterstützen und
zu einer besseren Bewältigung der chronischen
Er-krankung beizutragen.
Hausärztliche Schlüsselfragen
Wie koordiniere ich als Hausarzt zusammen mit
den Angehörigen die Versorgung eines Patienten, der für sich selbst nicht mehr sorgen kann?
Wann sehe ich den Zeitpunkt für gekommen,
sozialmedizinische Maßnahmen anzuregen und
ggf. einzuleiten?
Ist meine Praxis auf den geriatrischen Patienten
vorbereitet?
Wie schätze ich die Leistungsfähigkeit der Patienten ein? Welche Assessment-Tests stehen
zur Verfügung, wann setze ich sie ein? Wie
belastbar sind die Ergebnisse?
Welche Hilfsmittel stehen zur Verfügung, um
Nr. 4 / 2009
dem Patienten die Selbständigkeit zu erhalten
und bei Wunsch einen Verbleib im häuslichen
Umfeld zu ermöglichen?
Wie erkenne ich eine vorliegende Mangelernährung? Welche Ernährungsempfehlungen
kann ich geben?
Welche Empfehlungen zur Bewegung kann ich
dem alten/geriatrischen Patienten geben?
Wie vermeide und/oder reduziere ich Polypragmasie? Wie kontrolliere und reduziere ich die
Selbstmedikation?
Welche Medikamente sind im Alter mit erhöhtem Risiko behaftet?
Wie erreiche ich eine effektive Sturzprävention?
Wie kann ich ältere Patienten aktivieren und
sozialer Isolation vorbeugen?
Kooperationen/Schnittstellen
Der Hausarzt übernimmt in der Regel das Management der Therapie. Schnittstellen bei der Versorgung der Patienten ergeben sich vor allem bei
neu auftretender Pflegebedürftigkeit, der Medizin
im Alten-Pflegeheim und am Lebensende mit intensiver medizinisch-pflegerischer Versorgung. Zu
nennen sind u.a.
Weitere niedergelassene Fachärzte
Physiotherapeuten
MDK
Pflegedienste, Altenheime und Tageskliniken
Krankenhaus/Rehabilitation
Palliativversorgung
Soziale Hilfsdienste
Angehörige, Betreuer
Geriatrisches Assessment
Das geriatrische Basisassessement dient der
Untersuchung und Dokumentation von Funktionsund Fähigkeitsstörungen mit Quantifizierung der
Störung mittels standardisierter Testverfahren.
Beurteilt werden:
Fähigkeit zur selbstständigen Erfüllung der
Kriterien der Aktivitäten des täglichen Lebens
(ATL) unter Berücksichtigung des kardiopulmonalen und neuromuskulären Globaleindrucks
sowie der Kognition und Affekte, inkl. Sehen
und Hören und der Abklärung von Ernährungszustand, Kontinenz und ggf. Depression.
Sturzgefahr
Hirnleistung (Demenz)
Durch wiederholte Durchführung der jeweiligen
Testverfahren lassen sich Verläufe dokumentieren
sowie der Rehabilitationsbedarf begründen. Es
lassen sich Risiken abschätzen und der Bedarf
an Fremdhilfe quantifizieren (wichtig z. B. zur
Feststellung der Pflegebedürftigkeit). Es stehen
verschiedene Testverfahren je nach Schwerpunkt
der Störung zur Verfügung, sie können einzeln
und auch kombiniert eingesetzt werden.
Hausärztliches geriatrisches
Basisassessment
Verfahren zur Funktions- und Fähigkeitseinschätzung:
Barthel Index (von Leitliniengruppe empfohlen)
Nürnberger Altersinventar (NAI)
Pflegegesetzadaptiertes Basisassessment
(PGBA)
Nr. 4 / 2009
KVH • aktuell
Barthel-Index
erfüllt Testgütekriterien, hoher nationaler und
internationaler Verbreitungsgrad
wissenschaftlich oft untersucht/eingesetzt
einfache, zuverlässige Applikation
Verlaufskontrolle durch Summenscore
Vorsicht! Summenscore beschreibt bei gleichem
Wert sehr unterschiedliche Patienten.
Verfahren zur Beurteilung
der Sturzgefahr
Timed up & go Test
Der Timed up & go Test besteht darin, dass ein
Patient aus einem Stuhl mit Lehne aufsteht, drei
Meter geht, sich umdreht, zurück zum Stuhl geht
und sich wieder hinsetzt. Der Zeitbedarf dieser lokomotorischen Leistung ist in Sekunden zu messen
(z. B. 10,4 Sek.). Durchführung in selbstgewählter,
üblicher Gehgeschwindigkeit, ggf. mit üblichem
Gehhilfsmittel. Aufstützen mit Armen beim Aufstehen erlaubt.
Erhöhte Sturzgefahr bei mehr als zehn bis zwölf
Sekunden.
Aufsteh-Test (chair rising)
Der Test besteht darin, dass eine Versuchsperson so
schnell wie möglich fünfmal ohne Einsatz der Arme
aus einem Stuhl üblicher Höhe aufsteht. Gemessen
wird die Zeit in Sekunden. (z. B. 9,3 Sek.). Erhöhte
Sturzgefahr bei mehr als zehn bis zwölf Sekunden.
Link Assessment: http://www.afgib.de
Link Sturzprophylaxe: http://www.betanet.de/
Verfahren zur Beurteilung der
Hirnleistung
Strukturierte Interviews und psychometrische Tests
zur Quantifizierung kognitiver Defizite dienen zur
Verifizierung des Demenzverdachts im Rahmen
der Erstuntersuchung und der Schweregradbestimmung; sie sind zur Dokumentation des Verlaufs
geeignet und obligat vor der Verordnung und zur
Verlaufskontrolle antidementiver Pharmakotherapie.
Die aufgeführten Verfahren sind seit vielen Jahren in
der Anwendung und explizit in spezifischen Leitlinien der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften enthalten; sie können auch von geschultem
Praxispersonal durchgeführt werden [5, 22, 86]:
Basisteste sind
Mini-Mental-Status-Test
DemTect®
Seite 33
Ergänzend können durchgeführt werden:
Uhren-Test
Test zur Früherkennung von Demenz und Depressionsabgrenzung (TFDD)
Zahlenverbindungstest ZVT
Hinweise zu weiterführenden Informationen zum
Thema Geriatrie, Sammlung von Vordrucken oder
Beispielen zu Assessment und Sturzprophylaxe:
Ärztliche Arbeitsgemeinschaft zur Förderung
der Geriatrie in Bayern e.V. (AFGiB) [1]: http://
www.afgib.de/Service_Downloads/service_
downloads.html
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI [23, 81]: http://
www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/
icd10/htmlgm2008/fr-icd.htm
Medizinisches Wissensnetzwerk, Universität
Witten/Herdecke evidence.de; Diagnose, Therapie und Versorgung bei Demenz [87] http://
www.evidence.de/Leitlinien/leitlinien-intern/
Demenz_Start/DemenzHintergruende/demenzhidemenzhintergruende1.html
Mentale Leistungstests [86]: http://www.evidence.de/Leitlinien/leitlinien-intern/Demenz_
Start/DemenzText/demenztext.html
http://www.betanet.de/
http://www.assessment-info.de
http://www.testzentrale.de (kostenpflichtig)
Mini-Mental-Status-Test (MMST)
Mit dem MMST bestehen international breite Erfahrungen. Normwerte aus verschiedenen Altersgruppen sind vorhanden [5].
Der MMST dient als Screening-Instrument zur Erfassung von Patienten mit kognitiven Störungen.
Die Interviewfragen und Handlungsaufgaben prüfen Orientierung, Aufnahmefähigkeit, Aufmerksamkeit, Sprache, Lesen, Rechnen, Schreiben,
Gedächtnis, Ausführung einer Anweisung. Für die
Antworten und Lösungen werden Punkte vergeben, die zur Auswertung addiert werden. Kognitiv
beeinträchtigte Personen können die Aufgabenstellungen meist nicht vollständig beantworten und
erreichen nur einen Teil der 30 maximal möglichen
Punkte. Der MMST ist zur Verlaufskontrolle einer
Demenzerkrankung geeignet. Bei leichter Störung
eher wenig geeignet [5]. Testdauer etwa zehn
Minuten.
Demenz-Detections-Test (DemTect®)
Einfach durchzuführender Test, der fünf Leistungsbereiche abbildet, die schon im Frühstadium einer
Demenz beeinträchtigt sein können: Neuge-
KVH • aktuell
Seite 34
dächtnisbildung, mentale Flexibilität, Sprachproduktion, Aufmerksamkeit, Gedächtnisabruf. Auch
bei leichter Störung geeignet. Durchführungsdauer
zehn Minuten [5].
Uhrzeit-Zeichnen-Test (UZT, CCT=Clock Completion Test, CDT=Clock Drawing Test)
Der Proband wird aufgefordert, das Zifferblatt
einer Uhr mit Zahlen, Stunden- und Minutenzeiger
laut einer vorgegebenen Uhrzeit, z. B. »zwanzig
Minuten nach acht«, korrekt einzuzeichnen. Alltagspraktischer Test, der sich besonders gut zur
Erfassung visuell-räumlicher und konstruktiver Defizite eignet. Durchführungsdauer: fünf Minuten.
Ergänzend bei allen Schweregraden geeignet [5].
Test zur Früherkennung von Demenz und Depressionsabgrenzung (TFDD) [57]
Kurztest zur Demenzdiagnostik und zur Abgrenzung von depressiven Syndromen.
Fähigkeiten beim jeweiligen Aspekt des Alltags
Essen
Baden
Waschen
Ankleiden
Stuhlkontrolle
Urinkontrolle
Toilettengang
Nr. 4 / 2009
Unabhängig, benutzt Geschirr und Besteck
Punkte
10
Braucht Hilfe, z.B. beim Schneiden
5
Völlig hilfsbedürftig
0
Badet oder duscht ohne jede Hilfe
5
Braucht Hilfe
0
Wäscht Gesicht, kämmt, rasiert, schminkt sich
5
Braucht Hilfe
0
Unabhängig, inkl. Schuhe anziehen
10
Hilfsbedürftig, kleidet sich teilweise selbst
5
Völlig hilfsbedürftig
0
Kontinent
10
Teilweise inkontinent (maximal einmal pro Woche)
5
Inkontinent (häufiger als einmal pro 24 Stunden)
0
Kontinent
10
Teilweise inkontinent (maximal einmal pro Woche)
5
Inkontinent (häufiger als einmal pro 24 Stunden)
0
Unabhängig inkl. Analreinigung
10
Braucht Hilfe, z.B. bei Kleidung, Reinigung
5
Kann Toilette/Nachtstuhl nicht benutzen
0
Bett-Stuhl-Transfer Völlig unabhängig hin und zurück
Minimale Assistenz oder Supervision
15
10
Aufsetzen im Bett möglich, für Transfer jedoch Hilfe nötig
5
Bettlägerig (kann sich nicht alleine aufsetzen)
0
Gehen auf Ebene
50 m unabhängiges Gehen möglich (eventuell mit Gehhilfe)
15
oder
50 m gehen mit personeller Hilfe
10
Rollstuhlfahren
(wenn nicht 10 oder
15 codiert)
Treppensteigen
50 m Rollstuhl fahren inklusive Ecken und Türen
5
Kann sich nicht 50 m fortbewegen
0
Unabhängig (kann ggf. Gehhilfen benutzen
10
Braucht Hilfe oder Supervision
5
Kann nicht Treppen steigen
0
Der Barthel-Index bewertet die Basis-Aktivitäten des täglichen Lebens [98, 158, 159] und dient zur Verlaufskontrolle durch Bildung eines Summenscores. Doch Vorsicht! Der Summenscore kann bei gleichem Wert
sehr unterschiedliche Patienten beschreiben. Die Höchstpunktzahl beträgt 100. Bei einer Punktzahl von
95-80 muss man bereits von einem erheblichen Hilfsbedarf bei den alltäglichen Verrichtungen ausgehen.
Werte < 80 zeigen eine schwere Pflegebedürftigkeit an.
KVH • aktuell
Nr. 4 / 2009
Zweigeteilter Test: Neun Items des Früherkennungstestteils von Demenzen erfassen direktes
und verzögertes Erinnern, Orientierung zum Datum und zur Jahreszeit, eine Anweisungsaufgabe,
den Uhrentest und die Wortflüssigkeit. Die Items
resultieren aus Voruntersuchungen zu besonders
früh auftretenden Symptomen der Demenz. Dieser Teil umfasst 50 Punkte. Zwei Depressionsitems
(Fremd- und Selbstbeurteilung, 20 Punkte) sollen
die Abgrenzung von depressiven Syndromen er-
Assessmentvariable
Funktion
Stufe 1
Normale Funktion
Selbständigkeit
Selbständig
Seite 35
Anhang 1
möglichen. Der spezialisierte Test erreicht bei kurzer
 Geriatrisches Basisassessment
Durchführungsdauer
eine Sensitivität und Spezifi PGBA,
SelbständigkeitsFunktionsprofil
tät,
die der
umfassendererund
Testbatterien
wie der
ADAS-K und der CERAD vergleichbar ist.
Diagnosekriterium: Eine Punktzahl von 35 und
weniger Punkten im Demenzteil weist auf eine
Demenz hin. Punktzahlen von mehr als acht
im Depressionsteil sprechen für ein depressives
Syndrom.
Durchführungsdauer zehn Minuten. Nur
Stufe 2
Funktion mäßig
eingeschränkt
Stufe 3
Funktion schwer
eingeschränkt
Bedingt selbständig Teilweise
unselbständig
Keine Hilfsmittel
Bereitstellung von
Teilweise
notwendig
Hilfsmitteln,
unselbständig,
ärztliche
aktive
Supervision,
handgreifliche Hilfe
Medikamente
notwendig
Wichtig: Jede Funktion wird mit benutzten Hilfsmitteln bewertet.
Stufe 4
Schwerstgestörte
Funktion, Verlust
der Funktion
unselbständig
Benötigt
überwiegend
professionelle Hilfe
Arbeitsgemeinschaft Geriatrisches Basisassessment e.V. (AGBA); R. Tausche Solingen, B. Höltmann,
Grevenbroich. Alle Rechte vorbehalten. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autoren.
Im Pflegegesetzadaptierten Basisassessment sind die jeweiligen Punktwerte (Stufen 1-4) mit Hilfe der
vierstufigen Assessmentskala zu ermitteln (s. Tabelle unter Schaubild) und in das Schema einzufügen. Nach
Verbinden der Punkte durch eine Linie ergibt die Darstellung ein Profil, das zur Visualisierung der Schwerpunkte der Defizite und zur Dokumentation des zeitlichen Verlaufs dient.
46
Hausärztliche Leitlinie
»Geriatrie Teil 1: Allgemeine Geriatrie«
Version 1.00
I
17. November 2008
Seite 36
KVH • aktuell
begrenzte Erfahrung über Breite der Anwendbarkeit [5].
Durchzuführen durch: Geschultes medizinisches
Hilfspersonal. Depressionsitems durch den Arzt.
Für den hausärztlichen Bereich ist der TFDD Test
zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung nach Ansicht der Leitliniengruppe
besonders geeignet und praktikabel.
Zahlen-Verbindungs-Test (ZVT) aus dem Nürnberger Alters Inventar (NAI)
Der ZVT dient der Erfassung der basalen, allen Intelligenzleistungen zugrunde liegenden, weitgehend
milieuunabhängigen und genetisch bedingten kognitiven Leistungsgeschwindigkeit. Der ZVT ist ein
spezifischer Intelligenztest, der zur Messung der
»kognitiven Leistungsgeschwindigkeit« (speed-Test)
dient. Er erhebt den Anspruch, durch die Messung
kognitiver Leistungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit ein »spezifischer« Intelligenztest zu sein, wobei
Intelligenz als Informationsverarbeitung definiert
wird und die »kognitive Leistungsgeschwindigkeit«
hoch mit der »allgemeinen Intelligenz« korreliert.
Der Test weist einen breiten Anwendungsbereich
auf (ab acht Jahre alle Altersstufen; vom Sonderschüler bis zum Hochschüler alle Bildungsbereiche).
Durchführungsdauer zehn Minuten. Relativ spezifische Testanforderung [5].
[http://www.testzentrale.de/?mod=detail&id=200].
Arzneimittelanamnese
Zum geriatrischen Assessment gehört neben der
Durchführung standardisierter Testverfahren auch
die umfassende Arzneimittelanamnese mit Erfassung aller Verordnungen und der Selbstmedikation.
Multimedikation ist ein möglicher Indikator für Multimorbidität, und gleichzeitig der wichtigste Risikofaktor für unerwünschte Arzneimittelwirkungen,
vor allem für Stürze und Verwirrtheitszustände im
Alter [114]. Arzneimittelbezogene Probleme sind
u.a. insbesondere zu erwarten [96]
bei regelmäßiger Einnahme von fünf und mehr
Medikamenten
bei Einnahme von mehr als zwölf Tagesdosen
bei Arzneimitteln mit enger therapeutischer
Breite oder erforderlichem Monitoring
bei Problemen in der praktischen Durchführung
der Therapie (Sicherheitsverschlüsse, Tropfflaschen, Spritzen, Aerosole)
bei kognitiver Überforderung in der Einhaltung
des Therapieregimes durch die Patienten
bei Patienten mit gleichzeitiger Konsultation
verschiedener Ärzte/Verordner
bei fehlendem Verständnis für die Therapie.
Nr. 4 / 2009
Der Anhang enthält ergänzende tabellarische
Übersichten zu Medikamentennebenwirkungen im
Alter (Zur Pharmakotherapie siehe Teil 2: Spezielle
Geriatrie):
Problematische Arzneimittel bzw. Kombinationen im Alter (s. Geriatrie Teil 2)
Anticholinerges Syndrom (s. Geriatrie Teil 2)
Akute Verwirrtheit (Anhang 5)
Orthostatische Dysregulation, Blutdruckabfall,
Schwindel und Synkopen (Anhang 6)
Gesteigertes Sturzrisiko (Anhang 7)
Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft arbeitet gegenwärtig an einer Liste von
Arzneimitteln, die in der Therapie älterer Patienten
als nicht geeignet angesehen werden. Handlungsleitend sind hierbei u.a. UAWs, die zu einer Krankenhausaufnahme geführt haben.
Priorisierung der Arzneitherapie
Bei der Pharmakotherapie des alten und insbesondere des geriatrischen Patienten stellt sich aufgrund
der physiologischen Veränderungen wie auch der
mit der Multimedikation einhergehenden Gefahr
von Interaktionen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen die Anforderung einer Priorisierung.
Erste Voraussetzung hierzu ist eine vollständige
Übersicht über alle Medikamente, die der Patient
(inkl. Selbstmedikation) einnimmt.
Leitfragen für eine individuelle Priorisierung der
Therapie bzw. ein regelmäßiges Review der Verordnungen sind beispielsweise:
Welche Erkrankung steht im Vordergrund?
Welche Arzneimittelverordnung erfolgte aufgrund einer unerwünschten Wirkung eines
anderen Mittels? (Cave: Verordnungskaskade)
Sind neu auftretende Symptome möglicherweise Folgen einer bestehenden Therapie?
Sind alle Arzneimittel aktuell noch indiziert?
Auf welches Medikament kann ggf. verzichtet
werden?
Fehlen notwendige Arzneimittel? (Cave: Unterversorgung)
Die Entscheidung für einen Verzicht auf eine
Arzneimittelverordnung ist zusammen mit dem Patienten unter Berücksichtigung seiner individuellen
Situation abzuwägen. Die indikationsbezogenen
hausärztlichen Leitlinien geben mit den im Konsens der Gruppe getroffenen Hinweisen: »unverzichtbar«, »abwägen«, »verzichtbar« hierzu erste
Anregungen.
Nr. 4 / 2009
KVH • aktuell
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Seniorengerechte Praxis
Maßnahmen in der Praxis
Im Hinblick auf die demographische Entwicklung
sollten die räumlichen/organisatorischen Anforderungen an eine Praxis die Betreuung geriatrischer
und behinderter Patienten erfüllen Zu nennen sind
hier folgende Möglichkeiten:
Eine gute, barrierefreie Zugänglichkeit (auch für
Rollstuhlfahrer geeignet.
Ein gut ausgeleuchteter Praxiseingangsbereich,
die möglichst blendfreie und gleichmäßige Beleuchtung der Praxisräume.
Gute Kennzeichnung und Beschriftung der
einzelnen Räume, insbesondere für WC (das
ausreichend groß und auch für Rollstuhlfahrer
geeignet sein sollte).
Sessel und Stühle mit einer hohen Sitzfläche, die
das Aufstehen erleichtern, sind ein absolutes
Muss. Garderobe und Ablagen sollten ebenfalls
bequem erreichbar sein.
Erinnerung an den nächsten Arzttermin durch
ein Recall-System.
Patienteninformationen, müssen in einem etwas größeren Schriftbild gehalten sein – möglichst auf einfarbigem, hell abgetönten Papier
mit kontrastreicher Schrift.
Dem reduzierten Hörvermögen älterer Patienten wird man durch langsames und lauteres
Sprechen mit Blickkontakt gerecht. Schnelle
und hohe Töne werden im Alter schlechter
wahrgenommen.
Medizinische Erklärungen sind einfacher zu
verstehen, wenn man sie in möglichst bildhafter Sprache formuliert. Im Beratungsgespräch
erleichtert anschauliches Material – Vorlagen,
Modelle, Bilder – das Verständnis. Informationsblätter für Patienten und Angehörige
bereithalten.
Informationen zu lokalen Präventionsangeboten über Ernährung und Sport bereithalten.
Adressen von (Tages-)Pflegeeinrichtungen,
hauswirtschaftliche Unterstützung, Sozialstationen bereithalten.
Umfassende Informationen zum sozialen Dienst
in Hessen sind über den Informationsdienst »Sozialnetz Hessen« unter http://www.sozialnetz. de
verfügbar. Pflegebedürftige Menschen und ihre
Angehörigen können eine Vielzahl von ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen
in Anspruch nehmen. Das Informationsangebot
hilft pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen bei der Auswahl einer geeigneten Pflegeeinrichtung in ihrer Region. Informationen zur
Pflegestufe: http://www.mdk-hessen.de/
Hinsichtlich der Verordnung von Hilfsmitteln zu
Lasten der GKV oder Pflegeversicherung sind die
Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
(G-BA) [36, 37], das Hilfsmittelverzeichnis der GKV
nach § 139 SGB V [42] (Link: http://db1.rehadat.de/
gkv2/Gkv.KHS) und ggf. der Abgrenzungskatalog
der Spitzenverbände der Krankenkassen/ Pflegekassen zur Hilfsmittelversorgung in stationären
Pflegeeinrichtungen [133] zu beachten.
Ernährung im Alter
Ernährungsprobleme im Alter
Empfehlungen auf Basis des kalendarischen Alters
sind nicht sinnvoll, da sich das biologische Alter
und damit die körperliche Fitness und Aktivität
interindividuell sehr stark unterscheiden können.
Bei Patienten bis 75 Jahre entsprechen im allgemeinen Nährstoffbedarf und Nährstoffzufuhr
dem jüngerer Menschen. In dieser Altersgruppe
ist eher Übergewicht das Problem.
Bei Patienten über 75 Jahre kommt es häufiger
zu Fehl- und Mangelernährung, die oft nicht erkannt wird. Ursachenabklärung ist notwendig.
Die im Alter häufiger vorkommende Mobilitätsbeeinträchtigung durch Arthrose, Inkontinenz,
kognitive Einschränkung erschwert Einkaufen,
Zubereitung und Aufnahme der Nahrung.
Psychosoziale Veränderungen im Alter (Verlust
des Partners, Einengung des Freundeskreises)
lassen die emotionale und soziale Befriedigung,
die in jungen Jahren mit dem Essen verbunden
war, nicht aufkommen [112].
Mangelernährung kann der Auslöser einer
Dekompensation chronischer Krankheiten sein
und zum Verlust der Selbständigkeit und zur
Pflegebedürftigkeit führen.
Im Alter verringert sich der Kalorienbedarf bei
gleichbleibendem Bedarf an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen (hohe Nährstoffdichte).
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KVH • aktuell
Physiologische Veränderungen
im Alter
Abnahme der Muskelmasse (reduzierter Grundumsatz, geringerer Kalorienbedarf) [95]
Zunahme des Fettanteils
abnehmender Wassergehalt
Abbau von Knochenmasse
Nachlassen der Immunfunktion
mangelndes Durstempfinden [107]
Grundumsatz
Für Personen mit ausschließlich sitzender bzw.
liegender Lebensweise und für alte, gebrechliche Menschen wird das 1,2fache des Grundumsatzes als Gesamtenergieverbrauch veranschlagt.
Ernährung für den 65-jährigen Mann: ca. 1400
bis 1500 Kcal/Tag + zusätzlicher Energiebedarf
entsprechend der körperlichen Aktivitäten:
insgesamt 1750 bis 2300 Kcal/Tag;
für die 65-jährige Frau: ca. 1150 bis 1200 Kcal/
Tag – bei evtl. entsprechender Aktivität: insgesamt ca. 1400 bis 1800 Kcal/Tag [145].
Trinkmenge überwachen: ca. 1,5 bis 2 l/Tag
werden empfohlen
Ausreichende Kalzium- und Vitamin-D-Zufuhr: ca. 1 g Kalzum/Tag
Ausreichende Zufuhr von Vitaminen und Mineralien, evtl. auch als Supplemente [41]
Organveränderungen
Nachlassen der Nierenfunktion [62] (deswegen
ausreichende Flüssigkeitszufuhr und keine
übermäßige Eiweißzufuhr, ca. 0,8 g Protein/kg
KG am Tag)
verzögerte Magenentleerung, vorzeitiges Sättigungsgefühl
verminderte Sekretion von Verdauungsenzymen
Zahnverlust und Kaubeschwerden
Abnahme des Seh-, Geschmacks- und Geruchsvermögens [125].
Fazit: Das Sättigungsgefühl stellt sich schneller
ein, das Durstgefühl lässt nach. Eine Unterversorgung mit Flüssigkeit und Nährstoffen
ist somit vorprogrammiert [54].
Übergewicht
Übergewicht und höherer BMI haben im Alter (>
75 J.) einen geringen Stellenwert. Erhöhtes Mortalitätsrisiko besteht erst bei erheblichem Übergewicht
(BMI> 30); daher keine drastische Gewichtsreduktion (Cave: Mangelernährung) anstreben.
Nr. 4 / 2009
Untergewicht, Mangelernährung
Entwickelt sich oft schleichend, wird daher häufig
nicht rechtzeitig diagnostiziert. Bei ca. 10 bis 20
Prozent aller über 80-Jährigen finden sich Zeichen
einer manifesten Malnutrition. Deutlich höher ist
die Inzidenz der Mangelernährung bei Hospitalisierten (Alten-, Pflegeheim, Krankenhaus) mit 40
bis 60 Prozent [80].
Alarmzeichen ist ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von mehr als fünf Prozent in drei Monaten
bzw. mehr als zehn Prozent in sechs Monaten.
Viele ältere Patienten bevorzugen zwar energiereiche, aber relativ eiweiß-, vitamin- und mineralstoffarme Nahrungsmittel, so genannte »Puddingvegetarier« [147] Sie ernähren sich vorzugsweise mit
Apfelmus, Weißbrot, in Kaffee oder Tee getunkten
Keksen und Zwieback, sowie weichen Brötchen mit
Konfitüre (niedrige Nährstoffdichte). Es kann auch
bei einem normalen BMI bereits eine Fehlernährung
vorliegen (z. B. bei Ödemen, Aszites).
Empfohlene Zusammenstellung
der Nahrung
(angelehnt an Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung):
Keine rigiden Ge- oder Verbote, Freude und
Zufriedenheit an Essen und Trinken sollen erhalten bleiben! [27, 149].
Die Ernährung älterer Menschen sollte eine
hohe Nährstoffdichte haben [12], d. h. bei
niedriger Kalorienzufuhr sollten alle essentiellen
Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und
Spurenelemente enthalten sein.
Bei einem Gesamtkaloriengehalt von < 1500
Kcal/Tag ist dies nicht mehr gewährleistet.
Energiezufuhr sollte dem Energiebedarf angepasst und durch regelmäßiges Wiegen (mindestens einmal pro Monat) kontrolliert werden.
Ausreichend Obst und Gemüse (ca. fünf »handvolle« Portionen am Tag, Obst und Gemüse
auch als Saft).
Wenig zuckerhaltige Produkte wie Kuchen,
Süßigkeiten; mehr Vollkornbrot (bei Kau­
schwierigkeiten evtl. als Grahambrot).
Fettarme Milch und Milchprodukte (¼ Liter
fettarme Milch, Buttermilch, Kefir oder Joghurt
und zwei Scheiben mageren Käses sorgen für
ausreichende Kalziumversorgung).
Gelegentlich Fisch (zweimal pro Woche) und
mageres Fleisch (zwei bis dreimal pro Woche,
vor allem als Geflügel)
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Ca. 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit (am besten als
Mineralwasser, Saftschorle oder ungesüßte
Kräuter- und Früchtetees, Milch, wenig Alkohol
d. h. < 10 g Alkohol für Frauen, < 20 g Alkohol
für Männer).
Suppen zählen zur Flüssigkeitsmenge [54].
Reichlich Kräuter und Gewürze benutzen (appetitanregend), wenig Kochsalz, kein Pökelfleisch.
Sparsam mit Koch- und Streichfett umgehen.
Bei Kau- und Schluckproblemen: evtl. Nahrung
in wenig Wasser kurz garen und dann fein zerkleinern oder pürieren.
Definition: Untergewicht
Der von der WHO zur Definition von Untergewicht
für Erwachsene weltweit empfohlene Grenzwert ist
bei Älteren (> 65 J.) BMI < 20 [115].
Ursachen für Mangelernährung [138]
chronische Krankheiten [122]
Malignome [139]
Medikamente (z. B. Analgetika, Serotoninantagonisten, Digitalis, Chemotherapeutika,
Anticholinergika) [152]
Kaubeschwerden (nicht passender Zahnersatz)
[144]
Schluckbeschwerden [135], nachlassender Appetit
Soziale (inadäquates Essen auf Rädern) und
psychische Probleme (Einsamkeit und Depression) [92]
Heimaufenthalt mit häufiger Mißachtung individuellen Eßverhaltens [34] und fehlender Umgebungsgestaltung
Insbesondere bei Alzheimer-Kranken ist oft ein
Gewichtsverlust feststellbar als Folge des gestörten Essverhaltens (u. U. Nahrungsverweigerung)
und oraler Dyspraxie (Kaustörung) [49, 91]
Stufenweises Vorgehen bei Mangelernährung,
modifiziert nach [79]
Stufe
Vorgehen
Stufe 1
Evaluation und konsequente Therapie der individuellen Ursachen
Stufe 2
Ernährungsmodifikation, -beratung, intensive
Betreuung, individuelle Wunschkost, etablierte
Algemeinmaßnahmen, Einsatz von Hilfsmitteln
Stufe 3
Anreicherung der Nahrung (Maltodextrin. Eiweißkonzentrate)
Stufe 4
Trink- und Zusatznahrung (Getränke, Suppen,
Joghurt)
Stufe 5
Supportive künstliche Ernährung (z.B. PEG-Sonde)
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Diagnostik
MNA-Fragebogen (Mini-Nutrional-Assessment)
Neben dem Ernährungszustand sollten Nahrungsmenge und mögliche Ursachen von Nahrungsverweigerung systematisch eruiert werden, z. B. durch
einfache Fragebögen [45, 46, 97] (s. Anhang 3).
Laborchemische Parameter
Als Parameter zur Abschätzung des Ernährungszustandes wird die Serum-Albuminkonzentration
herangezogen:
Norm: Albumin 45 bis 35 g/l; Transferrin 3,0 bis
2,5 g/l (kann ergänzend bestimmt werden).
Die jährliche Sterberate von Heimbewohnern mit
Serumalbumin > 40 g/l liegt bei elf Prozent und
steigt bei Werten < 35 g/l auf 50 Prozent [126,
127, 128].
Eine niedrige Serumalbuminkonzentration geht
sowohl mit einem schlechten Ernährungsstatus
(Verlust von Körperzellmasse) als auch mit einem
hohen Krankheitsrisiko einher.
Folgen der Mangelernährung
Erhöhtes Infektionsrisiko, häufig auch begüns­
tigt durch Mangel an Spurenelementen, beispielsweise Zink [41]
Erhöhtes Sturz- und Frakturrisiko durch Mangel an Muskelmasse und gleichzeitig erhöhter
Knochenbrüchigkeit (Osteoporose) [20]
Dekubitusgefahr: Ein kausaler Zusammenhang zwischen Entstehung eines Dekubitus
und Mangelernährung ist nicht belegt, jedoch
wahrscheinlich; durch Gabe einer proteinreichen Zusatznahrung (oder Sondenkost) ist eine
beschleunigte Wundheilung bei mangelernährten Patienten belegt [68]
Anämie [99]
Dekompensation chronischer Krankheiten (beispielsweise Herzinsuffizienz).
Stufenweises Vorgehen bei
Mangelernährung (siehe auch Kasten)
Zunächst diätetische Beratung – beispielsweise
bei Kauproblemen
Schlucktraining (Ergotherapie oder Logopädie)
Lässt sich die Mangelernährung nicht beheben, sollten energiereiche Nahrungszusätze
dem Essen beigemischt oder als Trinknahrung
gegeben werden [69, 141], z. B. Gemüse- und
Obstkonzentrate sowie Proteinkonzentrate
Bei Schluckstörungen gilt die grobe Regel, Flüssiges einzudicken und Festes zu verflüssigen;
ein etwas festerer Brei schluckt sich leichter
KVH • aktuell
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Der Kopf sollte beim Schlucken in Geradeaushaltung leicht nach vorn gebeugt werden
Erst wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen,
kann ggf. auf eine Ernährung mit Magen- oder
Darmsonden umgestellt werden.
Nasensonden eignen sich nur kurzfristig für eine
Ernährung, die akzeptable zeitliche Obergrenze
liegt bei maximal 14 Tagen. Auf eine korrekte Plazierung der Sonde in den Magen ist zu achten. Die
Gefahr von Druckulzera und Refluxösophagitiden
ist gegeben.
Exsikkose / Dehydratation
Ab dem 60. Lebensjahr besteht in der Regel ein
Flüssigkeitsdefizit von ca. 1 bis 1,5 l. Verschärft
wird dieses Defizit im Alter durch Multimorbidität
und Medikation, sowie Krankheiten (z. B. Diabetes,
Fieber, Erbrechen, Durchfälle).
Ältere Menschen reagieren auf Störungen im
Wasserhaushalt heftiger als jüngere Menschen,
wobei die Symptome nicht immer eindeutig sind
(stehende Hautfalten helfen bei geriatrischen Patienten nicht weiter). Unruhe, Desorientiertheit,
Obstipation, Sturzgefahr können darauf hinweisen, sind jedoch unspezifisch. Eine manifeste Dehydratation kann u.U. im Alter schnell auftreten,
oft auch mit der Folge von Stürzen und Unfällen.
Wichtig ist daher die Vorbeugung. Da das Durstempfinden bei älteren Menschen herabgesetzt ist,
sollte man mit dem Trinken nicht auf das Durstgefühl warten. Hilfreich kann ein Trinkplan sein [2].
Empfohlen wird eine tägliche Flüssigkeitsmenge
von 1500 ml, bei heißem Wetter besser von 2000
ml am Tag (Deutsche Gesellschaft für Ernährung).
Evtl. kann man die Getränke auch schon am
Morgen für den Tag bereitstellen. Es sollte auch
So kann ein Trinkplan für einen Tag aussehen [2]
nach dem Aufstehen:
1 Tasse warmer Tee mit Zitrone
zum Frühstück:
Eine zweite Tasse Tee
zur Zwischenmahlzeit:
1 Glas Mineralwasser (mit wenig
oder ohne Kohlensäure)
zum Mittagessen:
1 Apfelsaftschorle (mit 1/3 Saft und
2/3 Wasser)
zum Nachmittags­
kaffee:
2 Tassen Milchkaffee
zum Abendessen:
2 Tassen Kräutertee
am Abend:
1 weiteres Glas Mineralwasser
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zu den Mahlzeiten regelmäßig getrunken werden.
Zu bedenken ist, dass urininkontinente Patienten
häufig versuchen, dieses Problem durch verminderte Flüssigkeitsaufnahme zu lösen.
Subkutane Flüssigkeitsapplikation
Bei reinem Flüssigkeitsmangel hat sich in manchen Pflegeheimen die subkutane Flüssigkeitsapplikation als wenig patientenbelastend bewährt
(Butterfly-Nadel, bis zu 1000 ml pro Tag, z.B.
physiologische Kochsalzlösung über acht bis zwölf
Stunden) [129]. Eine Nährstoffgabe ist subkutan
nicht zulässig; weitere Hinweise zur Subkutaninfusion, siehe auch Hausärztliche Leitlinie Palliativversorgung [72].
Perkutane endoskopische
Gastrostomie (PEG)
Therapieziele:
Überbrückung akuter Krankheitszustände
Verringerung der Mortalität und Morbidität
chronischer Erkrankungen, wenn die erzielbare
Lebensqualität dem Patientenwillen entspricht.
Sondenernährung kann indiziert sein bei
Neurogenen Schluckstörungen (z. B. bei einem
nicht komatösen Apoplexpatienten wäre es
sinnvoll zur Überbrückung, bis ein Schlucktraining erfolgreich ist, eine PEG zu legen;
eine naso­enterale Sonde würde den Schluckvorgang stören) [101]
Mechanischen Behinderungen des Schluckens
im oberen Gastrointestinaltrakt durch Tumore,
Traumen, Operationen, Bestrahlungen, schwere Verbrennungen
Konsumierenden Erkrankungen.
Die Indikationsstellung zur Anlage einer PEGSonde muss – möglichst in Kenntnis des Patientenwillens – in der Hand des behandelnden
Hausarztes bleiben (für einen ärztlichen Entscheidungsalgorithmus s. de Ridder [116])
Kontraindikationen für Sondenernährung (PEG)
Fortgeschrittene Demenzerkrankung (laut
Literatur keine Belege für eine Lebensverlängerung oder Verbesserung der Lebensqualität
[31, 39, 77, 78]
Schwere Gerinnungsstörung
Peritonitis
Ausgedehnte Peritonealkarzinose
Massiver Aszites
Schwere Psychosen
Deutlich eingeschränkte Lebenserwartung
Nr. 4 / 2009
KVH • aktuell
Generelle Kontraindikationen für eine enterale
Ernährung (z. B. Ileus).
Nicht indiziert ist eine PEG-Sonde in der Regel am
Lebensende in der Terminalphase. Hier empfindet
der Patient meist kein Durst- oder Hungergefühl.
Sinnvoll ist die häufige Befeuchtung des Mundraums und evtl. die orale Gabe von kleinen Mengen
Flüssigkeit und Nahrung, s. auch Hausärztliche
Leitlinie Palliativversorgung [71].
Nachbetreuung nach Anlegen der PEG
Duschen nach ein bis zwei Tagen möglich
Täglicher steriler Verbandwechsel in der ersten
Woche nach PEG-Sonden-Anlage
Später Verbandwechsel ein- bis zweimal pro
Woche, in der Regel trockener Verband ausreichend, ggf. Abdecken der Wundränder mit
Pasta zinci; PVP-Jod (Polyvinylpyrrolidon-Jod)
vermeiden wegen Korrosionsgefahr des Sondenmaterials
Sonde täglich kurz um 2-3 cm hineinschieben,
um ein Verwachsen der inneren Halteplatte mit
der Magenwand zu verhindern.
Applikationstechnik
Möglichst keine Pumpensysteme (teuer und
meist nicht notwendig). Ausnahme: jejunale
Sonde (begrenzte Darmkapazität).
Bolusernährung ist nur bedingt geeignet.
Cave: zu schnelle Zufuhr. Bei Erbrechen Reduktion auf ca. 100 ml pro halbe Stunde.
Austausch der Sonde
In der Regel kann die Sonde über Jahre verbleiben; ein routinemäßiger Austausch ist nicht notwendig [80].
Medikamentengabe über PEG-Sonde
Flüssige Arzneimittel sind zu bevorzugen sowie
Medikamente in Mikropellets (z. B. Morphin),
anschließend Sonde durchspülen.
Einfache Tabletten ohne Überzug können
gemörsert werden, nicht jedoch magensaftresistente Tabletten.
Probleme bei Sondenernährung
Diarrhoen: Je nach Literaturquelle wird eine
Diarrhoe in bis zu 25 Prozent der Fälle beobachtet. Breiige Stühle bis zu sechsmal/Tag sind
unter Sondenkost häufig:
1 zunächst probatorisch Zufuhrgeschwindigkeit reduzieren
2 Portionsvolumina begrenzen
Nahrungstemperatur auf Zimmertemperatur
Seite 41
anheben
Aspiration: Bei laufender Nahrung Oberkörper
leicht erhöhen, wenn möglich ca. 45 Grad
Wundinfektion am perkutanen Zugang:
Granulationsgewebe am perkutanen Zugang
(ggf. mit »Höllensteinstift« (=Silbernitrat) ätzen,
Kontakt mit der Sonde vermeiden
Verstopfung der Sonde: Auf regelmäßigen
Wechsel zwischen breiiger und flüssiger Nahrung achten.
Auswahl der Sondennahrung (in der Regel industriell gefertige Nahrung). Man unterscheidet:
hochmolekulare Sondennahrung (ballaststoffreich oder ballaststoffrei und hochkalorisch)
kann verabreicht werden, wenn die Nahrungsstoffe noch aufgespalten werden können.
niedermolekulare Sondennahrung (nur mit
Pumpe zu verabreichen) ist notwendig, wenn
das Verdauungssystem gestört ist, z. B. beim
Kurzdarmsyndrom und M. Crohn.
Übliche Mengen: ca. 1500 bis 2000 ml Sondenernährung und 1000 ml Wasser/Tag. Ausreichender Energiegehalt bei Standardnahrung: 1 kcal/ml
(4,18 kJ/ml) [26]
Höchstens zwei evtl. drei Sondenkostformen sind
sinnvoll: Normaldiät, ballaststoffreich und hochkalorisch (der Sinn anderer Diätformen, wie z. B.
für Diabetiker ist fragwürdig und nach Kenntnis
der Leitlinien-Gruppe nicht belegt).
Verordnungsfähigkeit
Seit Oktober 2005 werden die Kosten für enterale Ernährung ( Sondenkost und hochkalorische
Trink-und Zusatznahrung) bei entsprechender
Indikation von den Krankenkassen übernommen.
Nicht übernommen werden die Kosten für krankheitsadaptierte Spezialprodukte, z. B. für Diabetes
oder Dekubitusbehandlung.
Arzneimittelrichtlinie zur enteralen Ernährung
Absatz 15.3 Medizinisch notwendige Fälle (Auszug):
Enterale Ernährung ist bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung verordnungsfähig, wenn eine Modifizierung
der normalen Ernährung oder sonstige ärztliche,
pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation
nicht ausreichen. Enterale Ernährung und sonstige
Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation schließen einander nicht aus, sondern sind erforderlichenfalls miteinander zu kombinieren [15].
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KVH • aktuell
Absatz 15.4.4 Nicht verordnungsfähige Spezialprodukte (Auszug) [15]:
Die Verordnung von krankheitsadaptierten Spezialprodukten ist ausgeschlossen, soweit es sich um
Produkte handelt, die speziell für die Indikationen
angeboten werden:
chronische Herz-Kreislauf- oder Ateminsuffizienz
Dekubitusprophylaxe oder -behandlung
Diabetes mellitus
Geriatrie
Stützung des Immunsystems
Tumorpatienten.
Schnittstelle
Der Hausarzt sollte sich hier das Heft nicht aus
der Hand nehmen lassen! Häufig werden schon
im Krankenhaus die Weichen für eine Sondenernährung mittels PEG gestellt. Firmenabhängige
ErnährungsberaterInnen besuchen die Patienten zu
Hause und bestimmen die Art der Ernährung und
Nr. 4 / 2009
des Versorgungsmaterials. Der Hausarzt sollte bei
der Entscheidung über eine eventuell notwendige
Sondenernährung mit einbezogen werden, zumal
er für den häuslichen Bereich Indikation und Verordnungen zu verantworten hat.
Jährlich erhalten ca. 140.000 Menschen in Deutschland eine PEG-Sonde.
Die Entscheidung zur PEG-Sonde ist folgenschwer
und sollte kritisch hinterfragt werden. Keinesfalls sollte sie getroffen werden aufgrund des
Mangels an Pflegekräften oder auf Wunsch der
Pflegenden. Entscheidend ist der (mutmaßliche)
Patientenwille (z. B. durch Patientenverfügung)
bzw. die Abstimmung der Indikation mit dem
gesetzlichen Betreuer, der über die Tragweite der
Entscheidung ausführlich zu informieren ist.
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Tischversion
Seite 3
Psychosomatische Medizin
KVH • aktuell
Verdacht auf:
Psychosomatische Erkrankung
Erhebung des psychischen
Befundes
Auffällig?
nein
Kein Hinweis auf
psychische Erkrankung
nein
Kein Hinweis auf
psychische Erkrankung
ja
Gesundheitsfragebogen für
Patienten (PHQ-D)
Auffällig?
ja

Störungsspezifische Checkliste(n)
Störungsspezifische Tests:
• Depression: BDI-2
• Andere
Diagnose(n):
Psychische Störung(en)
Betreuung durch Hausarzt mit
psychosomatischem Engagement
oder Überweisung zum
Erhebung psychosozialer
Belastungsfaktoren
Diagnose:
Psychosoziale Ursachen
• Facharzt für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie
• Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie
• Psychologischer
Psychotherapeuten
• Arzt mit psychotherapeutischem
Schwerpunkt
(Zusatzbezeichnung)
Behandlungsplan
Allgemeine Behandlung
Die Behandlung erfolgt umfassend in Kooperation mit
den psychosomatisch-psychotherapeutischen Fachdisziplinen unter Berücksichtigung folgender Aspekte:
Regelmäßiger Ausdauersport zur Regulation der
Stressreaktion und zur Senkung der erhöhten
Grundspannung
Regelmäßige aktive Entspannung inklusive Erlernen und Durchführen eines speziellen Entspannungstrainings und einer generellen Veränderung
der Lebensführung zur Senkung der erhöhten
Grundspannung
Verändern äußerer Stressoren (wenn möglich)
Verändern des Umganges mit äußeren Situationen
und inneren Phänomenen, um psychisches Leid zu
minimieren
Medikamentöse Behandlung, wenn indiziert
Aufklärung
Training der Einsichtsfähigkeit in Zusammenhänge







Therapeutisch sind spannungslösende Gesprächsinterventionen, Entspannungsübungen, somatische Trainingsmaßnahmen und begleitende, stützende Gesprächstherapien sowie verschiedene Formen der
Psychotherapie (psychoanalytische Psychotherapie,
tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie durch den konsultierten Psychotherapeuten) sinnvoll und hilfreich. Dabei ist die Kommunikation mit den zusätzlichen ambulanten oder stationären Therapeuten ein wichtiges Bindeglied des therapeutischen Netzes für den Patienten, zu dem er seine
Zustimmung geben muss.
Einen psychologischen Psychotherapeuten kann
der Patient direkt (Praxisgebühr) oder mit ärztlicher
Überweisung aufsuchen. Für die Beantragung einer
Richtlinienpsychotherapie benötigt er eine Bescheinigung (Konsiliarbericht), dass keine organische
Erkrankung vorliegt.
Ein ärztlicher Psychotherapeut kann ebenfalls
direkt oder mit Überweisung aufgesucht werden.
Hier ist ein Konsiliarbericht für die Beantragung
einer Richtlinienpsychotherapie nicht erforderlich.

Der Hausarzt sollte sich vor Fehlern und Gefahren
durch eigene Fehleinschätzungen, Gegenübertragungen und Vorurteile schützen, beispielsweise mittels
Supervision, Balintgruppenarbeit, interkollegialem Austausch und selbstkritischem Hinterfragen seines Vorgehens. Schnittstellen zu Spezialisten (z. B. zu Psychiatern, ärztlichen und nichtärztlichen Psychotherapeuten, Kliniken) müssen von jedem Hausarzt aufgebaut und gepflegt werden.
Medikamentöse Behandlung
Die psychopharmakologische Behandlung sollte in
enger Zusammenarbeit mit einem Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie erfolgen.
Kooperation
Häufig und besonders bei ausgeprägten psychosomatischen Krankheitsbildern sind Spezialisten heranzuziehen: Psychiater, ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten. Mitunter hilft auch die interdisziplinäre
Fallkonferenz weiter, um Klarheit über die Zusammenhänge zu gewinnen. Weitere Kooperationspartner sind
Psychosomatiker, psychiatrische Institutsambulanzen,
sozialpsychiatrische Dienste und Selbsthilfegruppen.
Korrespondenzadresse
Ausführliche Leitlinie im Internet
Hausärztliche Leitlinie
PMV forschungsgruppe
Fax: 0221-478-6766
Email: [email protected]
http:\\www.pmvforschungsgruppe.de
www.pmvforschungsgruppe.de
> publikationen > leitlinien
www.leitlinien.de/leitlinienanbieter/deutsch/pdf/
hessenpsychosomatik
»Psychosomatische Medizin«
Tischversion 1.0 August 2009
XtraDoc Verlag Dr. Wiedemann, Pfingstbornstr. 38, 65207 Wiesbaden
PVSt Deutsche Post AG,
Entgelt bezahlt,
68689
Tischversion
Tischversion
Epidemiologische Studien zeigen einen Zusammenhang
zwischen dem Auftreten von Herz-Kreislauferkrankungen
und hohen Serumcholesterinwerten. Diese bzw. die Höhe
Psychosomatische
Medizin
heißt nicht
etwa von
dem
der
HDL- und LDL-Werte
stellen jedoch
nur einen
Körper weniger,
sonderndar.
dem
Seelischen
mehrsich
Beachmehreren
Risikofaktoren
Deshalb
empfiehlt
für
tung
schenken!
(Viktor v.einer
Weizsäcker)
den
Hausarzt
bei Vorliegen
Dyslipidämie die Einteilung
in Ziel
eineder
Risikogruppe
von systematischen
Leitlinie istanhand
die Sensibilisierung
des AlgoHausrythmen
arztes,oder
... Scores (NCEP, PROCAM). Somit erfolgt eine

Abschätzung
des Risikos
für kardiovaskuläre
Ereignisse
den Patienten
nicht nur
körperlich, sondern
ganz(10-Jahresrisiko)
und darauf die Festlegung der Behandheitlich zu betrachten,

lungsstrategie
mit dem Patienten.
Für die Risikoeinstufung
bei der Abklärung
der Beschwerden
nicht sequen-
orientiert
die Leitliniengruppe
Hessen
anPsyche
der folgenden
tiell sich
vorzugehen,
sondern Soma
und
Einteilung
der zu
NCEP
(National Cholesterol Education
»parallel«
beachten,

Program
National
Heart, Lung,
and Experten
Blood Institute,
den des
Patienten
rechtzeitig
an einen
weiterhttp://www.nhlbi.nih.gov/guidelines/cholesterol/index.htm):
zuleiten, um eine weitere Somatisierung und Chro-
ƒ
„Herzgesunde Ernährung“
Nur mäßiger Konsum von Alkohol und Vermeidung von
Nikotin
lebensgeschichtliche
Belastungen) des jeweils betrof-
fenen Menschen in seiner Behandlung sind.
Indikationsstellung für eine medikamentöse Therapie
Umfassende, unmittelbare
medikamentöse
Orientierende
diagnostische
Fragen Behandlung
aller
Patienten
mit hohemBereich
Risiko (Gruppe
10-JahresFür
den
hausärztlichen
werden1:Fragen
vorgerisiko
>20%)
und
Anstreben
eines
LDL
von
100
mg/dl.
schlagen, die bei Verdacht auf Depression, Ängste
Medikamentöse
Therapie
bei Patienten
der Gruppe
2 könoder
somatoforme
Störungen
eingesetzt
werden
und 3 nach individueller Entscheidung unter Berücknen und zur Ermittlung des Bedarfs an psychotherasichtigung der Lipidwerte und nach Erprobung lebensstilpeutischer Beratung bestimmt sind.
ändernder Maßnahmen.
Gibt es etwas, was sich in den letzten Monaten in
Für Patienten der Risikogruppe 4 (0-1 Risikofaktor) sind
Ihrem Leben gegenüber
früher verändert
hat?
lebensstilmodifizierende
Maßnahmen
im Allgemeinen
Gibt es Belastungen am Arbeitsplatz oder in der
ausreichend.
ƒ
ƒ
ƒ

Familie?

Je nach Risikogruppe wird ein LDL von 100 mg/dL (Gruppe
Gab es ein besonderes Ereignis in Ihrem Leben in
1), 130 mg/dL (Gruppe 2+3) bzw. 160 mg/dL (Gruppe 4)
den letzten Monaten?
angestrebt.

Arzneimittelauswahl:
Es
tigt?
nifizierung
zu verhindern, über 20%): a) Bestehende
1. Hohes
Risiko (10-Jahresrisiko
psychische
Aspekte
beib)chronischen
Erkrankungen
koronare
Herzkrankheit
(KHK),
KHK-Äquivalente,
c)
zu erkennen,
Diabetes
mellitus, d) 2 oder mehr Risikofaktoren**:
Überund Risiko
Unterdiagnostik
zu vermeiden.
2. Mäßig
hohes
(10-Jahresrisiko
10-20%): ≥2 Risikofaktoren*
bei errechnetem
Vier Gruppen
von Risiko**.
Krankheiten werden unter3. Moderates Risiko (10-Jahresrisiko < 10%): ≥2 Risikoschieden:
aktoren* bei errechnetem Risiko**.
Psychische Erkrankungen, wie etwa Angsterkran4. Niedriges Risiko: 0-1 Risikofaktor*
kungen, Belastungs- und Anpassungsstörungen,
*Risikofaktoren: Zigaretten rauchen, Hypertonie, niedriges
depressive
Syndrome, Psychosen,
HDL-Cholesterin unter 40mg/dl, familiäre Belastung mit
Funktionelle
Störungen,
die45
somatoforme
Erkranvorzeitiger
KHK, Alter
(Männer über
Jahre, Frauen
über
kungen,
also
körperliche
Beschwerden
ohne
orga55 Jahre); **errechnetes Risiko: Bsp. mit PROCAM Score
nischen oder
Befund
darstellen, NCEP-Risikokalkulator
(s. Rückseite)
elektronischem
Psychosomatische
Krankheiten
als diejenigen
Anmerkung:
Diabetiker ohne
KHK oder KHK-Äquivalente
und ohne
zusätzliche
Risikofaktoren
bei einem
körperlichen
Erkrankungen,
beiprofitieren
deren Entstehung
LDL<115
- laut
der jetzigen Faktoren
Studienlage
- nicht von
odermg/dL
Verlauf
psychosoziale
wesentlich
einer beteiligt
Therapie sind,
mit einem CSE-Hemmer.




Somatopsychische
Störungen, die
vorlieTherapieschritte
nach “International
Taskdann
Force
for
gen, wenn
schwere
somatische
Prevention
of Coronary
Heart
Disease”: Erkrankungen
Probleme auslösen.
Basispsychische
sind nichtmedikamentöse
Maßnahmen, die auf eine
Veränderung
des Lebensstils
zielen: und vorurteilsfreies
Der Arzt sollte
durch sorgfältiges
Erhalten desund
normalen
Körpergewichtes
ƒBeobachten
Untersuchen
einschließlichoder
psychia-
ƒ
PH863453V
Fettstoffwechselstörung Dyslipidämie
Psychosomatische
von diätetischen EmpfehlungenMedizin
für eine
ƒ Einhaltung
Gewichtsreduktion
bei Übergewicht
trischer
Untersuchungsverfahren
versuchen herauszuSteigerung der körperlichen Aktivität
finden, welches die besonderen »krankmachenden«
Ursachen (z. B. fehllaufende Bewältigungsstrategien,


Gibt es irgendetwas, was Sie besonders beschäfsollten Wirkstoffe
eingesetzt

werden,
für dieIhnen
Endpunktstudien
günstiger
NNT
und NNH
Machen
bestimmtemit
Themen
oder
Menschen
vorliegen
Für Simvastatin (20 mg
Ihrer(Simvastatin,
Umgebung Pravastatin).
Sorgen?

und 40
und Pravastatin
(40wachen
mg) ist eine
Senkung sowohl
Mitmg)
welcher
Stimmung
Sie morgens
auf?
der Gesamtmortalität
als sich
auchim
derLaufe
kardiovaskulären
Wie entwickelt sie
des Tages?Morta-


lität belegt.
BeiSie
Multimorbidität
Multimedikation sollte die
Können
gut ein- undund
durchschlafen?
Indikation
für eine
medikamentöse
Therapie
Würden
Sie sagen,
dass Sie lipidsenkende
mit Ihrer Sexualität
besonders
strengsind?
gestellt werden.
zufrieden

Merke:
Gibt es noch irgendetwas Wichtiges, von dem Sie
Bei
medikamentöser
kontrollieren!
meinen,
dass ich Therapie:
es wissenCK
sollte,
um Ihnen helfen
(Rhabdomyolyse
möglich!)
zu können?
Keine Kombinationstherapie
CSE-Hemmer
+ Fibrate/
Patienten
mit Angststörungen
(Generalized
Anxiety
Makrolide/Azol-Antimykotika.
Disorder, GAD) lassen sich nach Literaturangabe mit
Wechselwirkungen auch mit anderen Medikamenten
zwei Fragen (sog. GAD-2) erkennen:
möglich!
Haben Sie sich in den vergangenen zwei Wochen
Bei Makrolidtherapie CSE-Hemmer pausieren!
häufigvor
nervös,
ängstlich
oder gereizt
Statine
chirurgischen
Eingriffen
und beigefühlt?
akut auftreKonnten
Sie
Ihre
Sorgen
oft
nicht
kontrollieren?
tenden schweren Erkrankungen vorübergehend
abBei
Verdacht
auf Depression:
setzen!
Auf Compliance
achten, auf abendliche EinnahHaben
Sie sich im vergangenen
Monat oft niederme
des CSE-Hemmers
hinweisen.
geschlagen oder
hoffnungslos gefühlt?
Evidenzbasierte
Patienteninformationen
sind unter
www.gesundheitsinformation.de
Hatten Sie im letzten Monatabrufbar.
häufig wenig Freude
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ

ƒ



bei den Dingen, die Sie tun?
Benötigen Sie deswegen Hilfe?