Lyrikmappe - Carl Friedrich von Weizsäcker
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Lyrikmappe - Carl Friedrich von Weizsäcker
CARL FRIEDRICH VON WEIZSÄCKER-GYMNASIUM (RATINGEN) Lyrikmappe Projekt Deutsch: „Lyrikmappe“ Romantik/Expressionismus D GK Q2.2 Wgt Gerrit von Zedlitz-Neukirch 08.03.2015 Projekt Deutsch: „Lyrikmappe“ Romantik/Expressionismus D GK Q2.2 Wgt (Januar/Februar 2015) Inhaltsverzeichnis 1. Romantik Seite 3 1.01: Epochenüberblick Seite 3 1.02: Thema Heimat Seite 10 1.03: Farbsymbolik in der Romantik Seite 11 1.04: Heinrich Heine Seite 13 1.05: Joseph von Eichendorff Seite 16 1.06: Erster Eindruck „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff Seite 17 1.07: Innerer Monolog zu „Sehnsucht“ von Joseph von Eichendorff Seite 19 1.08: Gebrüder Grimm Seite 20 1.09: Erster Eindruck: „ Wenn die Sonne weggegangen (1803)“ von Clemens Seite 22 Brentano 1.10: Gedichtsanalyse „Sehnsucht“ von Joseph von Eichendorff Seite 23 2. Expressionismus Seite 27 2.01: Epochenüberblick Seite 27 2.02: Georg Trakl Seite 35 2.03: Erster Eindruck „Verfall“ von Georg Trakl Seite 37 2.04: Erster Eindruck „Im Winter“ von Georg Trakl Seite 39 2.05: Gedichtsanalyse: „Grodek“ von Georg Trakl Seite 40 2.06: Georg Kaiser Seite 45 2.07: Franz Kafka Seite 48 2.08: Friedrich Nietzsche Seite 51 2.09: Bildanalyse „Der Schrei“ von Edward Munch Seite 53 2.10: Erzählprosa im Expressionismus Seite 56 2.11: „Verlorene Menschheit (Eigenes Gedicht) + Analyse Seite 60 2.12: Standbilder Seite 63 Seite 1 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 3. Anhang 3.1: Literaturverzeichnis Seite 65 Seite 70 3.2: Arbeitsplan Einleitung In dieser Lyrikmappe habe ich mich sehr intensiv mit den zwei Epochen Romantik und Expressionismus beschäftigt. Ich habe grundlegende Informationen zu den Epochen herausgearbeitet. Dabei bin ich auf den historischen Kontext, die Weltanschauung und die Gesellschaft eingegangen. Dann habe ich verschiedene Werke inhaltlich analysiert, sodass ich zentrale Themen feststellen konnte. Außerdem habe ich mich intensiv mit zentralen Autoren der Epoche beschäftigt, um den Zeitgeist, die Denkweisen und den Hintergrund zu verstehen. Um diesen noch mehr zu verstehen, habe ich auch die jeweilige Prosa und auch Kunst untersucht, sodass ich nach Fertigstellung beide Epochen verstanden habe. Seite 2 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1. Romantik 1.01 Epochenüberblick „Der Begriff Romantik stammt vom altfranzösischen romanz, romant oder roman ab, welche alle Schriften bezeichneten, die in der Volkssprache verfasst wurden. Romantisch bedeutet etwas Sinnliches, Abenteuerliches, Wunderbares, Phantastisches, Schauriges, Abwendung von der Zivilisation und Hingabe zur Natur. Zeit Ca. 1795 - 18301 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Wandel feudalistisch geordneten Gesellschaft in eine bürgerliche Gesellschaft Literaturgeschichtlicher Hintergrund Merkmale2 Themen Französische Revolution 1789 und Napoleon Restauration (Wiener Kongress 1814/1815) Märzrevolution 1848/1849 Frühromantik Hochromantik Spätromantik mit „schwarzer Romantik“ Einfache, bildliche und obsolete Sprache Blaue Blume Romantische Ironie Progressive Universalpoesie Fundamentale Zeitkritik Vorliebe für das Mittelalter Sehnsucht (nach Ferne, Jugend etc.) Heimat und Patriotismus (dazu: Naturverbundenheit) Vertreter Fantastische, Wunderbare Verzauberung von Eichendorff, Bretano, von Arnim, von Hardenberg, Uhland, Heine, E.T.A. Hoffmann 1 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 288) Vgl.: Lobeck, Monika: Schulwissen Kompakt Deutsch. Nachschlagen und verstehen. Gütersloh/München: Brockhaus Scolaris Verlag, 2012 (S. 221) 2 Seite 3 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Die Romantik als Epoche zeichnete sich durch romantisches Denken und romantische Poesie aus, z. B. Kritik an der Vernunft, Aufhebung der Trennung zwischen Philosophie, Literatur und Naturwissenschaft, Naturnähe, Erleben des Unbewussten.“3 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Die Romantik zeichnet sich durch einen großen gesellschaftlichen Prozess aus, den Wandel der feudalistisch geordneten Gesellschaft in eine bürgerliche Gesellschaft.4 Ludwig der XVI. und Friedrich der I. gelten als die Vertreter der alten Ordnungen, Verfechter des Absolutismus und der feudalen Ordnung. Die Menschen waren allerdings mit diesem System unzufrieden, da es breite Bevölkerungsschichten in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens, zum Beispiel im Lebensunterhalt oder im Recht, benachteiligte. Die Folge der daraus resultierenden Hungersnöte war die Französische Revolution 1789. Die Bauern und ärmeren Teile der Gesellschaft rechneten mit der feudalistischen Ordnung ab und erhängten, guillotinierten und ermordeten ihre Unterdrücker. Die Folge war ein blutiger Bürgerkrieg, aus dem die Jakobiner unter Führung von Jaques Robbespiere als Sieger hervorgingen. Sie waren radikale Gegner der alten Ordnung und agierten in einer mehrjährigen Schreckensherrschaft mit unzähligen Toten. 1797 schaffte es – nach dem Tod bedeutender Jakobiner – Napoleon die Macht an sich zu reißen. Er versprach ein neues System und führte neue Gesetze für Bürgerliche, den Code Civil, ein. 1804 schlug er sich selbst zum Kaiser. Von 1804 an führte er mehrere Feldzüge in Europa und kontrollierte 1812 fast ganz Europa (außer Russland). 1806 kam es in Folge zur Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nationen und Napoleon gründete den Rheinbund. Dieser war sein enger Verbündeter und er führte viele Reformen durch wie zum Beispiel die Preußischen Reformen von 1807-1814 in Preußen. Diese sorgten beispielsweise für eine neue Verwaltung, Gewerbefreiheit und die Abschaffung der Lehnsherren. 1812 griff Napoleon Russland an. Er verlor den Angriff allerdings und musste sich zurückziehen. Auf dem deutschen Gebiet wuchs der Unmut über die fehlende Souveränität, 3 4 http://www.literaturwelt.com/epochen/romantik.html; 06.03.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 288) Seite 4 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch sodass es von 1813-1815 die Befreiungskriege gab, in denen Napoleon besiegt wurde und auf die Insel Elba bzw. Helena verbannt wurde. 1815 war seine letzte große Schlacht (Schlacht von Waterloo), die er gegen Preußen und Großbritannien verlor. 1814/1815 fand der Wiener Kongress statt, der eine Neuordnung Europas vorsah und die Restauration einleitete. Die reaktionären Kräfte unterdrückten die nationalliberale Bewegung mit Gesetzen wie den Karlsbader Beschlüssen 1819. Die nationalliberale Bewegung wehrte sich mit Massendemonstrationen wie dem Wartburgfest (1817) oder dem Hambacher Fest (1832). Die fortschreitende Industrialisierung und die zunehmende Bürgerbewegung sorgten für noch mehr Unmut und Massenarmut ( Pauperismus), sodass es in den 1840er- Jahren viele Aufstände gab. So protestierten die schlesischen Weber gegen den Einsatz von Maschinen, weil sie selbst gar nicht mehr gebraucht wurden und sich in Hungersnöten befanden (1844 Weberaufstand). 1848-1849 kam es zur Märzrevolution, aus der die Paulskirchenverfassung, die erste demokratische und liberale Verfassung, hervorging. Die reaktionären Kräfte hielten allerdings zusammen und konnten auf die Loyalität ihrer Armeen bauen, sodass die Revolution niedergeschlagen wurde und die Paulskirchenverfassung nie in Kraft trat. Im historischen Zusammenhang zur Romantik gab es viele Entdeckungen und Erfindungen: So wurde zum Beispiel 1804 die Dampflokomotive erfunden. Literaturgeschichtlicher Hintergrund Die Romantik wird in drei Phasen eingeteilt5: Die Frühromantik (1789-1804) hatte ihr Zentrum vor allem in Jena. Deswegen wurde sie auch Jenaer Romantik genannt.6 Als Dreh- und Angelpunkt galten die Brüder Schlegel. In Jena waren unter anderem auch F. v. Hardenberg (Novalis, 1772 - 1801), Schelling (17751854), Humboldt, Veith und Böhmer tätig.7 Deren Schwerpunkte waren vor allem die Aufbruchsstimmung, die von der französischen Revolution ausgelöst wurde.8 Außerdem 5 Vgl.: http://www.akg-schwabach.de/unterricht/faecher/deutsch/projekte/Romantik.pdf; 06.03.2015 Vgl.: Rothmann, Kurt: Kleine Geschichte der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag, 1978 (S. 135) 7 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 288) 8 Vgl.: http://www.akg-schwabach.de/unterricht/faecher/deutsch/projekte/Romantik.pdf; 06.03.2015 (letzter Zugriff) 6 Seite 5 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch stellten die Künstler erstmals kritische Überlegungen auf und vertrauten auf „die Realisierbarkeit von Idealen: Glaube an ein künftiges, humaneres, glückliches Zeitalter“9. Die zweite Phase war die Hochromantik, die überwiegend in Heidelberg stattfand. Die Schwerpunkte dieser Romantikform waren das Aufzeigen des Alltags in der Lyrik, das Interesse an der nationalen Identität und generell der Stolz auf die Heimat und das Vaterland (Patriotismus). Vertreter der Hochromantik sind Clemens Brentano (1778-1842), Joseph von Eichendorff (178-1857) oder Achim von Arnim (1781-1831). Joseph von Eichendorff schuf die bekanntesten Gedichte der romantischen Epoche von denen viele auch vertont wurden. Gemeinsam mit Achim von Arnim (1781-1831) veröffentlichte Clemens Brentano (1778-1842) die Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“, in der sie alte deutsche Volkslieder zusammentrugen und überarbeiteten.10 Die dritte Phase war die Spätromantik, die vor allem in Stuttgart und Berlin angesiedelt war. Diese Phase fand ungefähr zwischen dem Wiener Kongress 1814/1815 und dem Hambacher Fest 1832 statt. Die Schwerpunkte dieser Epoche waren die Darstellungen des Phantastischen, den Transzendalen und des Wunderbaren. Es gab allerdings auch eine „dämonisierende Darstellung des Lebens („Schwarze Romantik“)11. Vertreter der Spätromantik waren E.T.A Hoffmann (1776-1822 / „Schwarze Romantik“), Joseph von Eichendorff und Ludwig Uhland (1787-1862).12 Merkmale Die Sprache, die von Romantikern benutzt wird, ist sehr bildhaft. Außerdem ist die Sprache einfach gehalten und Fachbegriffe werden vermieden. Es werden viele Begriffe benutzt, die veraltet sind oder aus Märchen stammen. Daher sind die Wortfelder vor allem Märchen, Nacht, Nebel, Winter, Geist etc. 13. 9 http://www.akg-schwabach.de/unterricht/faecher/deutsch/projekte/Romantik.pdf; 06.03.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: Lobeck, Monika: Schulwissen Kompakt Deutsch. Nachschlagen und verstehen. Gütersloh/München: Brockhaus Scolaris Verlag, 2012 (S. 128) 11 Vgl.: http://www.akg-schwabach.de/unterricht/faecher/deutsch/projekte/Romantik.pdf; 06.03.2015 (letzter Zugriff) 12 Vgl.: Ebenda 13 Vgl.: http://www.rhetoriksturm.de/romantik.php; 06.03.2015 (letzter Zugriff) 10 Seite 6 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Die Emotionen spielen die zentrale Rolle. Sie sind wie der rote Faden, der durch das Gedicht führt. Insbesondere die Sehnsucht ist als Leitmotiv in sehr vielen romantischen Gedichten vorhanden. Symbolisch dafür steht die Blaue Blume ( Seite 11).. Ein weiteres Merkmal romantischer Lyrik ist die romantische Ironie. „Die „romantische Ironie" ist eine eigenständige literaturtheoretische Position der Ironie, die vor allem von Friedrich Schlegel geprägt wurde. Dabei sollte die Ironie nicht mehr nur ein einzelnes stilistisches Element im Kunstwerk sein, sondern das Kunstwerk insgesamt prägen. Dies zeigt sich formal darin, dass es einen unendlichen Wechsel zwischen gegensätzlichen Elementen gibt, beispielsweise Illusionierung und Desillusionierung. Auch spielte die Selbstreflexion des Kunstwerks innerhalb des Kunstwerks eine wichtige Rolle. Als Beispiel für die praktische Umsetzung dieser theoretischen Vorstellungen gilt Der gestiefelte Kater Tiecks. Das ununterbrochene Wechselspiel zwischen gegensätzlichen Elementen zeigt sich in den ständigen Unterbrechungen der Bühnenhandlung durch Zuschauer, Schauspieler oder den Dichter. Selbstreflexive Momente werden von vielen Figuren artikuliert, am deutlichsten z. B. im Dritten Akt in der Szene "Saal im Palast", in der zwei Figuren über die Qualität des Stückes Der gestiefelte Kater streiten.“14 Somit ist die romantische Ironie das Phänomen, wenn sich der Autor über sein Stück stellt und dieses kritisch beleuchtet. Ein anderes Merkmal ist die progressive Universalpoesie. Dabei geht es darum, dass die Lyrik keine Grenzen mehr zu anderen poetischen Bereichen wie der Musik oder Kunst besitzt. Alles geht miteinander über und es ist universell: „Der Künstler wird als freischaffendes Genie betrachtet. Die Universalpoesie versucht, den Traum und die Wirklichkeit, Poesie und das wahre Leben in einen Wechselbezug zu setzen. Alle Sinne sollen angesprochen werden.“15 Literarische Formen sind Bildungs- und Entwicklungsromane, Schauerromane, Volkslieder, Sagen, Märchen und Kunstmärchen.16 Themen Die Romantiker üben eine fundamentale Zeitkritik.17 Sie sehen politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen als kritisch an. Daher entwickeln sich Kunst und Gesellschaft 14 http://www.literaturwelt.com/epochen/romantik.html#romantische_ironie; 06.03.2015 (letzter Zugriff) http://www.frustfrei-lernen.de/deutsch/deutsche-literatur-epochen-romantik.html, 08.03.2015 (letzter Zugriff) 16 http://www.literaturwelt.com/epochen/romantik.html#romantische_ironie, 06.03.2015 (letzter Zugriff) 17 http://www.akg-schwabach.de/unterricht/faecher/deutsch/projekte/Romantik.pdf ; 04.03.2015 (letzter Zugriff) 15 Seite 7 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch auseinander: „Neben einer kritischen, zum Teil verzweifelten Schar von Künstlern und Intellektuellen stehen im 19. Jahrhundert schweigende Mehrheiten: die Bürger, die von Kommerzialisierung und Industrialisierung profitieren, und die stetig anwachsende Arbeiterschaft, die bei härtester Arbeit ein klägliches Leben fristet.“18 „Die Romantiker greifen Ideen des Sturm und Drangs auf, verzichten dabei aber keineswegs auf die großen Ideale des klassischen Zeitalters. Neu ist die Vorliebe für das Mittalter, für Geschichte überhaupt, für das deutsche Volkstum, für Religion, Gefühle, Träume und Musik.“19 Viele Romantiker beziehen sich häufig auf das Volkstum, da sie erreichen möchten, dass sich die Kluft zwischen den gebildeten Künstlern und die von diesen verachtete Volkspoesie verkleinert. Die Kunstdichtung soll nämlich für alle zugängig sein und alle verbinden. Aus Heidelberg geht eine Strömung aus, die versuchte genau das umzusetzen. Es waren Dichtungen, wie zum Beispiel die Volksliedsammlungen von Achim von Arnims und Clemens Brentanos oder die Märchensammlungen der Gebrüder Grimm.20 Da viele Romantiker einen besonderen Akzent auf Gefühl und Fantasie legen, wenden sich viele Romantiker zum Religiösen hin (z.B. die Schlussszene von „Die Jungfrau von Orleans“ von Friedrich von Schiller, die er selber als romantische Tragödie bezeichnet).21 In diesem Zusammenhang versuchten die Romantiker ab 1806 das Volkstum zu erweitern, indem die Romantik national wurde: „Als Preußen 1806 zusammenbricht, schrecken die Romantiker jäh aus ihrer Traumwelt“22. So zum Beispiel Friedrich von Schiller (1759-1805) in seinem Drama „Wilhelm Tell“: II. Akt, 2. Auftritt: „Rösselmann: Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüßt Von allen Völkern, die tief unter uns Schweratmend wohnen in dem Qualm der Städte, Lasst uns den Eid des neuen Bundes schwören. 18 Wackenroder/Tieck, zit. N. Frühwald, Wolfgang, Die Poesie und der poetische Mensch. Zu Eichendorffs Gedicht Sehnsucht, in Segebrecht, Wulf (Hg.), Gedichte und Interpretationen Band 3, Stuttgart 1984, S.382 19 Jägel, Wolf-Dietrich: Epochen deutscher Dichtung. Ein Lehr- und Lesebuch. Fünfte Auflage. Paderborn: SchöninghVerlag, 1964 (S. 141) 20 Ebenda (S. 146) 21 Ebenda (S. 143) 22 Ebenda (S. 149) Seite 8 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch – Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, In keiner Not uns trennen und Gefahr. Alle sprechen es nach mit erhobenen drei Fingern. – Wir wollen frei sein wie die Väter waren, Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben. Wie oben. – Wir wollen trauen auf den höchsten Gott Und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.“23 Aber manche Themen bleiben auch nur ein paar Jahre Themen der Romantik. Hauptschwerpunkt liegt immer noch in der Heimat und in der Natur. Auch die Verzauberung ist ein wichtiges Thema. E. Th. A. Hoffmann „übersteigert sich die Romantik und wird phantastisch, grausig und grotesk“24. Anstelle der Realität flüchten die Romantiker in eine transzendale, übernatürliche und fantastische Welt, die zugleich unheimlich ist. Vertreter: - Joseph von Eichendorff (178-1857): Aus dem Leben eines Taugenichts (1826) 25 - Clemens Brentano (1778-1842): „Des Knaben Wanderhorn“ (1805)26 - Achim von Arnim (1781-1831): „Des Knaben Wanderhorn“ (1805)“27 - F. v. Hardenberg (Novalis, 1772-1801): „Heinrich von Oefterdingen“ (1802/unvollendet)28 - Ludwig Uhland (1787-1862): „Die Kapelle“29 - Heinrich Heine (1797-1856): „Deutschland. Ein Wintermärchen (1843)“30 - E.T.A Hoffmann (1776-1822): „Die Elixiere des Teufels“ (1815) 31 23 http://www.friedrich-schiller-archiv.de/wilhelm-tell/2-akt-wilhelm-tell/2-aufzug-2-szene/; 08.03.2015 (letzter Zugriff) Jägel, Wolf-Dietrich: Epochen deutscher Dichtung. Ein Lehr- und Lesebuch. Fünfte Auflage. Paderborn: SchöninghVerlag, 1964 (S. 159) 25 Vgl.:. http://gutenberg.spiegel.de/autor/joseph-freiherr-von-eichendorff-142; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 26 Vgl.:. http://gutenberg.spiegel.de/autor/clemens-brentano-75; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 27 Vgl.:. http://gutenberg.spiegel.de/autor/achim-von-arnim-20; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 28 Vgl.:. http://gutenberg.spiegel.de/autor/novalis-446; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 29 Vgl.:. http://gutenberg.spiegel.de/autor/ludwig-uhland-601; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 30 Vgl.:. http://www.dieterwunderlich.de/Heine_deutschland.htm; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 24 Seite 9 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1.02 Thema Heimat Ein weiteres wichtiges Thema der Romantik war die Heimat. Man denkt vor allem an Natur, das Wandern und diese Unbeschwertheit. Jägel sieht das Thema Heimat als „die reinste und tiefste Verkörperung deutschen Naturgefühls: einfach, natürlich, sauber, schlicht und rein“. Dazu passt das Gedicht „Die Heimat“ von Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857): Die Heimat An meinen Bruder Denkst du des Schlosses noch auf stiller Höh? Das Horn lockt nächtlich dort, als obs dich riefe, Am Abgrund grast das Reh, Es rauscht der Wald verwirrend aus der Tiefe – O stille, wecke nicht, es war als schliefe Da drunten ein unnennbar Weh. Kennst du den Garten? – Wenn sich Lenz erneut, Geht dort ein Mädchen auf den kühlen Gängen Still durch die Einsamkeit, Und weckt den leisen Strom von Zauberklängen, Als ob die Blumen und die Bäume sängen Rings von der alten schönen Zeit. Ihr Wipfel und ihr Bronnen rauscht nur zu! Wohin du auch in wilder Lust magst dringen, Du findest nirgends Ruh, Erreichen wird dich das geheime Singen, – Ach, dieses Bannes zauberischen Ringen Entfliehn wir nimmer, ich und du! Joseph Freiherr von Eichendorff Aus der Sammlung Sängerleben32 31 32 http://gutenberg.spiegel.de/autor/eta-hoffmann-154; 19.02.2015 (letzter Zugriff) http://gedichte.xbib.de/Eichendorff_gedicht_Die+Heimat.htm 19.02.2015 (letzter Zugriff) Seite 10 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1.03 Farbsymbolik in der Romantik Die Farbe Blau steht für die grenzenlosen Dinge im Leben, in der Natur und in der Gesellschaft. Es sind die Dinge, wo man nicht weiß, wo sie anfangen und wo sie aufhören, wie zum Beispiel der Himmel oder das Meer. Daher beziehen sich viele romantische Künstler auf das Wasser als ein reiner, klarer und erneuerbarer Stoff. In vielen Werken wird der Mensch auf diese Symbolik bezogen: Auch der Mensch kann sich erneuern und genauso klar und rein werden. Die Forderung der Entwicklung eines neuen Menschen wird deutlich. Ein anderer typischer Gegenstand der Romantik ist die blaue Blume ( Gemälde von Vincent van Gogh33). Die blaue Blume steht wie kein anderes Symbol für die Ideale der Romantik: die unstillbare Sehnsucht. (Das Symbol stammt aus „Heinrich von Oefterdingen“ von Novalis, der inmitten der anderen Blumen eine blaue Blume entdeckt, die er aber nicht erreichen kann.).34 Beispielhaft soll hier das Gedicht „Die blaue Blume“ von Eichendorff genannt sein: "Blaue Blume" von Vincent van Gogh Die blaue Blume35 Ich suche die blaue Blume, Ich suche und finde sie nie, Mir träumt, dass in der Blume Mein gutes Glück mir blüh. 33 https://www.planet-wissen.de/kultur_medien/literatur/literatur_der_romantik/img/wf_romantik_blume_g.jpg; 26.02.15 (letzter Zugriff) 34 Vgl.: http://www.handmann.phantasus.de/h_blaue_blume_ofterdingen.html; 26.02.15 (letzter Zugriff) 35 http://www.balladen.de/web/sites/balladen_gedichte/autoren.php?b05=1&b16=247; 26.02.15 (letzter Zugriff) Seite 11 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Ich wandre mit meiner Harfe Durch Länder, Städt und Au'n, Ob nirgends in der Runde Die blaue Blume zu schaun. Ich wandre schon seit lange, Hab lang gehofft, vertraut, Doch ach, noch nirgends hab ich Die blaue Blum geschaut. Joseph von Eichendorff (1818) Die blaue Blume steht somit für eine Sehnsucht, die man nicht stillen kann („Ich suche und finde sie nie“). Diese ist nicht rational verständlich wie beispielsweise Liebe. Es ist etwas Wunderbares und Auserlesenes, das allerdings sehr realitätsfern ist („Mein gutes Glück mir blüh.“).36 Es sorgt für neue Bewusstseins- und Erlebnishorizonte (vgl. „Wanderungen durch „Länder, Städt und Au´n“). 36 https://www.planet-wissen.de/kultur_medien/literatur/literatur_der_romantik/wissensfrage_blaue_blume.jsp Seite 12 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1.04 Heinrich Heine „Heinrich Heine37 {1797 in Düsseldorf – 1856 in Paris}gilt als romantischer Dichter und zugleich als Überwinder der Romantik. Der politisch engagierte Journalist und Schriftsteller, der eine elegante deutsche Sprache pflegte, versuchte, Kunst und Realität zur Deckung zu bringen.“38 Der gebürtige Düsseldorfer ist so berühmt, dass mehrere Institutionen, wie die HeinrichHeine-Universität, stolz seinen Namen tragen: „Seit 1988 trägt die Universität den Namen des großen Sohnes der Stadt.39 Harry Heine wurde wahrscheinlich 1797 in Düsseldorf geboren. Erst mit der Taufe 1825 erhielt er den Namen Heinrich Heine.40 Er war der älteste von vier Kindern und entstammte einer jüdischen und bürgerlich hoch angesehenen Familie.41 Seine Kindheit war vor allem durch die Herrschaft Jérome Bonaparte geprägt. Der Bruder des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte regierte die linksrheinischen Gebiete und führte Erneuerungen, wie den Code Civil, das erste Bürgerliche Gesetzbuch, und andere liberale Reformen durch. Dadurch entstanden für eine bürgerliche Gesellschaft mehr Chancen.42 Harry Heine besuchte ab 1803 eine jüdische Privatschule, bis er 1804 auf eine so genannte Normalschule wechselte. Diese war einem Franziskanerkloster angegliedert. Dort besuchte er auch das Lyzeum.43 Nach dem Schulabschluss fing er bei seinem Onkel Salamon Heine (1767-1844) eine Bankkaufmannslehre an, brach diese allerdings nach dem Bankrott des Onkels ab. Zwischenzeitlich entdeckte er für sich die Lust am Schreiben von Gedichten.44 1819/1820 versuchte er sich an einem Jurastudium in Bonn, brach allerdings auch Heinrich Heine (1797-1856) 37 http://www.lto.de/uploads/tx_ltoartikel/Heinrich_Heine_473.JPG; 15.02.2015 (letzter Zugriff) 38 http://www.dieterwunderlich.de/Heinrich_Heine.htm; 15.02.2015 (letzter Zugriff) 39 http://www.uni-duesseldorf.de/home/universitaet.html; 26.02.15 (letzter Zugriff) 40 Vgl.: Kortländer, Bernd: Heinrich Heine. Stuttgart: Reclam-Verlag 2003 (S.15) 41 Vgl.: Ebenda 42 Vgl.: Kortländer, Bernd: Heinrich Heine. Stuttgart: Reclam-Verlag 2003 (S.17ff.) 43 Vgl.: Kircher, Hartmut: Heinrich Heine. Marburg: Tectum-Verlag, 2012 (S. 17) 44 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 332) Seite 13 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch dieses ab. Er interessierte sich nicht für die Vorlesungen, ging stattdessen lieber zu Professoren wie Karl Theodor Welcker, Gustav Hugo oder Friedrich von Savigny, die Vorlesungen über Geschichte, Literatur oder Sprachwissenschaften anboten.45 Er wurde auch in studentischen Burschenschaften im Zuge der zunehmenden nationalliberalen Bewegung aktiv.46 1820 verließ er Bonn und immatrikulierte sich in Göttingen. Aufgrund eines Duells wurde er relegiert und immatrikulierte sich 1821 schließlich in Berlin.47 1825 promovierte er zum Dr. Jur. und ließ sich taufen.48 Von 1825-1831 reiste er viel und hatte Aufenthalte „auf Norderney, in Lüneburg{der Wohnsitz seiner Eltern}, Hamburg und München sowie Reisen nach England (1827) und Italien {1828: Bozen, Trient, Verona, Mailand, Genua, Lucca, Florenz, Venedig49}. {Dann} kehrte Heinrich Heine wegen des Todes seines Vaters am 2. Dezember 1828 vorübergehend nach Hamburg zurück.“50 Er schrieb Werke wie „Reisebilder“ (1826-1831) und „Buch der Lieder“ (1827). Diese „Reisebilder“ verbinden seine Aufenthalte mit gesellschaftlichen Kritiken. So übt Heine beispielsweise bei den „Nordsee“-Reisebildern scharfe Kritik am Adel.51 Aufgrund vieler Anfeindungen und auch aufgrund vorheriger Sehnsüchte emigrierte Heinrich Heine 1831 nach Paris, Frankreich.52 Bis 1841 entstanden hier zahlreiche Werke wie „Französische Zustände“ (1833, Bezüge auf die Julirevolution in Frankreich), „Die romantische Schule“ (1836), „Der Rabbi von Bacherach“ (1840) oder „Heinrich Heine über Ludwig Börne“ (1840).53 45 Vgl.: Marcuse, Ludwig: Heinrich Heine. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg: Rotwohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1960 (S.34-43) 46 Vgl.: Kortländer, Bernd: Heinrich Heine. Stuttgart: Reclam-Verlag 2003 (S.25) 47 Vgl.: http://www.dieterwunderlich.de/Heinrich_Heine.htm; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 48 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 332) 49 Vgl.: Kircher, Hartmut: Heinrich Heine. Marburg: Tectum-Verlag, 2012 (S. 19) 50 http://www.dieterwunderlich.de/Heinrich_Heine.htm; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 51 Vgl.: Kortländer, Bernd: Heinrich Heine. Stuttgart: Reclam-Verlag 2003 (S.34) 52 Vgl.: Marcuse, Ludwig: Heinrich Heine. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg: Rotwohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1960 (S.80ff.) 53 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 332) Seite 14 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1841 heiratete er Mathilde Mirat54, mit der er schon seit 1834 eine Beziehung führte.55 Es entstehen neue Werke wie „Atta Troll. Ein Sommernachtstraum.“ (1843) oder „Deutschland. Ein Wintermärchen“56 (1844), die bei Reisen durch Deutschland entstehen. Beim „jungen Deutschland“ entsteht nämlich allmählich der Zwang sich aufgrund von politischen und sozialen Umwälzungen (Märzrevolution 1848/1849) der Realität zu nähern.57 Ein Hörbuch-Cover zu "Deutschland. Ein Wintermärchen" (1844) 1846 zeigten sich Lähmungserscheinungen als Symptome eines myatrophischen Muskelschwunds. Er war für seine letzten Jahre ans Bett gefesselt, an die „Matratzengruft“ wie er sagt. Er schrieb hier seine letzten Werke (zum Beispiel: „Gedichte 1853“ (1854) oder Lutezia (1854)58). 1856 starb Heinrich Heine in Paris.59 „Henrich Heine (1897-1856) gilt als letzter großer Dichter der Romantik. Da er in seinem Werk mit der Weltabgewandtheit vieler seiner romantischen Zeitgenossen brach und politisch Stellung bezog, wird er häufig auch der Zeit des Vormärz zugerechnet.“60 54 Marcuse, Ludwig: Heinrich Heine. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg: Rotwohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1960 (S.82) 55 Kortländer, Bernd: Heinrich Heine. Stuttgart: Reclam-Verlag 2003 (S.56ff.) 56 http://img.dooyoo.de/DE_DE/orig/0/5/8/4/1/584109.jpg 57 Jägel, Wolf-Dietrich: Epochen deutscher Dichtung. Ein Lehr- und Lesebuch. Fünfte Auflage. Paderborn: SchöninghVerlag, 1964 (S. 167) 58 Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 332) 59 Kortländer, Bernd: Heinrich Heine. Stuttgart: Reclam-Verlag 2003 (S.72) 60 Lobeck, Monika: Schulwissen Kompakt Deutsch. Nachschlagen und verstehen. Gütersloh/München: Brockhaus Scolaris Verlag, 2012 (S. 128) Seite 15 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1.05 Joseph von Eichendorff „Joseph von Eichendorff war einer der bedeutendsten Dichter und Schriftsteller der Romantik.“61 Joseph von Eichendorff62 wurde am 10.3.1788 in Oberschlesien geboren. Seine Familie war eine katholische Adelsfamilie.63 Sein Vater war Offizier beim preußischen Adel. Eichendorff bekam mit seinen Brüdern zusammen vom Pfarrer zuhause Unterricht. Mit Joseph von Eichendorff (1788 - 1857) 13 Jahren besuchte er in Breslau ein katholisches Internatsgymnasium, weil seine Heimatstadt Ratibor zu weit von Breslau entfernt liegt.64 Er studierte 1805 in Halle Jura und Geisteswissenschaften und immatrikulierte sich 1812.65 Währenddessen unternahm er eine zweijährige Bildungsreise nach Paris und Wien. Seine Reisen führten ihn aber auch nach Heidelberg oder Regensburg. Er unterbrach sein Studium immer wieder, weil er seinem Vater auf dem Gut half.66 Auf seinen Reisen lernte er romantische Dichter wie Achim von Arnim oder Clemens Bretano kenne. Außerdem traf er den Philosoph Johann Gottlieb Fichte und den Schriftsteller Johann Joseph von Görres. Er besuchte sogar Vorlesungen des Dramatikers Kleist.67 1813 wurde er in Folge der Befreiungskriege gegen Napoleon Oberleutnant in der preußischen Armee.68 1815 heiratete er Luise von Larisch, die selbstverständlich auch aus einer alteingesessen en Adelsfamilie stammte. Sie bekam in den nächsten Jahren drei Kinder. In dieser Zeit entstand viel Liebeslyrik wie zum Beispiel „Echte Liebe“69. 61 http://www.inhaltsangabe.de/autoren/eichendorff/; 05.03.2015 (letzter Zugriff) http://gutenberg.spiegel.de/gutenb/autoren/bilder/eichend2.jpg; 05.03.2015 (letzter Zugriff) 63 Vgl.: http://gutenberg.spiegel.de/autor/joseph-freiherr-von-eichendorff-142; 05.03.2015 (letzter Zugriff) 64 Vgl.: http://www.die-eichendorffschule.de/Biographie%20Eichendorff.pdf; 05.03.2015 (letzter Zugriff) 65 Vgl.: http://www.rhetoriksturm.de/joseph-von-eichendorff.php; 05.03.2015 (letzter Zugriff) 66 Vgl.: http://www.die-eichendorffschule.de/Biographie%20Eichendorff.pdf; 05.03.2015 (letzter Zugriff) 67 Vgl.: http://www.deutsche-biographie.de/sfz12746.html; 05.03.2015 (letzter Zugriff) 68 Vgl.: http://www.rhetoriksturm.de/joseph-von-eichendorff.php; 05.03.2015 (letzter Zugriff) 69 Vgl.: http://www.deutsche-biographie.de/sfz12746.html; 05.03.2015 (letzter Zugriff) 62 Seite 16 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1818 starb sein Vater und er musste ansehen, wie er seinen gesamten Besitz verlor aufgrund der enormen Schulden, die sein Vater gemacht hatte. Das Einzige, was Joseph von Eichendorff noch blieb, war das Schloss Ludowitz und Gut Sedlnitz. Er trat daraufhin in den preußischen Staatsdienst ein. Der Dichter zog sogar deswegen nach Berlin und nahm dort am kulturellen Leben teil. Eichendorff lernte sogar den Komponisten F. Mendelssohn-Bartholdy kennen. Es entstanden Werke wie „Aus dem Leben eines Taugenichts“ (1826). 70 Er arbeitete für die verschiedenen Ministerien (wie zum Beispiel das Kulturministerium) und wurde 1841 zum Geheimen Regierungsrat ernannt. Drei Jahre später ging er allerdings schon in Pension und widmete sich ganz der Schriftstellerei. Er ging schon so früh in Pension, weil 1844 eine Lungenentzündung diagnostiziert wurde.71 Seine Frau starb 1855.72 Er starb schließlich 1857 an den Folgen der 1844 diagnostizierten Lungenentzündung.73 1.06 Erster Eindruck „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff Mondnacht 1 Es war, als hätt' der Himmel Die Erde still geküßt, Daß sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müßt'. 5 Die Luft ging durch die Felder Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, so sternklar war die Nacht. 70 Vgl.: http://www.deutsche-biographie.de/sfz12746.html; 08.03.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: http://www.rhetoriksturm.de/joseph-von-eichendorff.php; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 72 Vgl.: Ebenda; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 73 Vgl.: Ebenda; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 71 Seite 17 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 9 Und meine Seele spannte Weit ihr Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus.74 Mein erster Eindruck ist, dass das Gedicht „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff die wichtigsten romantischen Merkmale beinhaltet: Sehnsucht, Naturverbundenheit, Eskapismus und das Nacht-Motiv. Das lyrische Ich zeigt insbesondere seine Naturverbundenheit. Es beschreibt wie die Umgebung war. Seine Eindrücke stammen aus der Vergangenheit. Diese Eindrücke hat er in einer Nacht erlebt. Für Romantiker steht die Nacht für eine Schwellensituation in den transzendalen Bereich. Auch hier zeigt sich der Übergang in das Fantastische, als das lyrische Ich die Bewegungen seiner Seele beschreibt. Seine Seele wünsche sich nicht weniger als nach Hause zu fliegen. Auch hier ist das Sehnsuchtsmotiv vorhanden. Das Ziel erscheint schwer erreichbar und als ob das lyrische Ich schon lange auf der Suche wäre. Der Eskapismus geschieht, weil sich das lyrische Ich nur von vergangenen Ereignissen redet und keine Jetzt-Situation anspricht. Es gibt also eine Flucht in die Vergangenheit. Die Sprache ist allerdings auch sehr romantisch. So ist die Sprache sehr einfach, aber sehr bildlich gehalten. Die Emotion „Sehnsucht“ leitet wie ein roter Faden durch das Gedicht und von Eichendorff legt einen Schwerpunkt auf die Leitmotive der Romantik. 74 http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=3328; 08.03.2015 (letzter Zugriff) Seite 18 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1.07 Innerer Monolog zu „Sehnsucht“ von Joseph von Eichendorff Ich versuche zu flüchten. Ich möchte nicht hier leben. Ich kann mich hier nicht entfalten. Ich habe eine solche Sehnsucht. Diese Sehnsüchte nach diesem fernen Land. Ach… ich glaube, dass ich von hier weg möchte. Ich möchte wie in meiner Kindheit wandern. Ich weiß noch, wo wir ganz abgeschieden in einer Hütte im Wald gelebt haben. Wir sind als Kinder immer die Berge hochgeklettert, obwohl es gefährlich war. Es war so idyllisch, wenn man an der Spitze angekommen war. Man konnte das ganze Land überblicken. Es erstreckte sich vor meinen Füßen. Und alles war so still. Man hörte nur die Bäche rauschen. Von der Bergspitze sind wir meistens weiter gewandert. Wir sind irgendwann an einen Fluss gekommen. Dessen Wasser war glasklar und so erquickend. Das war Quellwasser. Wir folgten meistens dem Bach. Dieser ruhige Fluss wurde nur an einer Stelle in seiner Innigkeit unterbrochen: An der Stelle, wo es die Berge runter stürzte. Wir kletterten dann meistens neben dem Wasserfall zurück in das Tal. Ach…ich wünsche mir wieder dort zu sein. Dort fühlte ich mich noch so frei und so unbeschwert. Ich konnte vor Glück singen. Ich konnte mich von meinen Sorgen befreien. Jetzt bin in den Normen dieser wandelnden feudalistischen Ordnung gefangen. Ich möchte von hier weg! Die ganze Wanderung bei Nacht zu machen, war natürlich am Schönsten. Denn dann kletterte man bei Sonnenaufgang wieder herab. Was für eine prächtige Sommernacht! Oh…ich will weg von hier! Ich sehne mich aber auch nach der Ferne. Freunde erzählen mir immer wieder wie schön Italien ist. Mich faszinierte Italien schon immer mit seiner antiken Geschichten und den Mythologien. Ich wollte schon immer mal diese Marmorbauten sehen. Und diese pompösen Bauten und Gärten. Ach…manchmal wünschte ich, dass ich einfach dorthin reisen könnte. So leicht wie die Vögel. Ich wünschte ich könnte alle diese Erinnerungen und Vorstellungen realisieren. Ich möchte, dass es Wirklichkeit wird. Mein Herz zerfrisst mich innerlich. Aber ich kann nicht. Rein körperlich nicht. Stattdessen stehe ich hier am Fenster und sehne mich nach all diesen Erinnerungen und Vorstellungen. Ich liebe diese Welten. Diese Welten, die über das Reale hinaus gehen. Ich bin mir trotz meiner Krankheit sicher, dass ich irgendwann genau diese Ziele erreichen werde. Das würde meine innere Zufriedenheit wiederherstellen. Seite 19 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1.08 Gebrüder Grimm Die Gebrüder Grimm75 sind Jakob Ludwig Karl Grimm und Wilhelm Karl Grimm. Jakob Grimm wurde am 04.01.1785 in Hanau geboren. Sein Bruder Wilhelm wurde am 24.02.1786 an demselben Ort geboren.76 Die Familie war eine bürgerliche Familie. Der Vater der Gebrüder Grimm war Jurist.77 Dier starb allerdings schon 1796. Die Gebrüder besuchten ab 1798 ein Lyzeum in Gebrüder Grimm (Jakob Grimm (1785 - 1863) und Wilhelm Grimm (1786 - 1859) Kassel. Danach studierten sie beide Rechtwissenschaften an der Universität Marburg. Sie unternahmen viele Reisen, wie zum Beispiel nach Paris.78 Sie veröffentlichten von 1812 bis 1815 die „Kinder- und Hausmärchen“. Diese Märchen sammelten sie drei Jahre lang, indem sie einfach die Menschen befragten. Es gab zu der Zeit noch keine wirklichen schriftlichen Quellen. In diesem ersten Werk waren bereits Märchen wie Frau Holle, Aschenputtel, Rotkäppchen, die drei Raben oder der gestiefelte Kater.79 Die Gebrüder Grimm durchliefen viele Berufe wie Bibliothekare oder Generalsekretäre. 80 Sie entschlossen sich Professoren zu werden und habilitierten sich 1839 zu Professoren an der Universität Kassel. Sie schlossen sich den Protesten der „Göttinger Sieben“ an und wurden des Landes verwiesen: Die Protestgruppe „Göttinger Sieben“ bestand aus sieben Professoren: Wilhelm Eduard Albrecht, Friedrich Christoph Dahlmann, Georg Heinrich August Ewald, Georg Gottfried Gervinus, die Gebrüder Jakob und Wilhelm Grimm und Wilhelm Weber. Sie bezichtigten den König Ernst August eines Verfassungsbruches, weil dieser 1833 die Verfassung aufgehoben 75 http://www.brueder-grimm-museum.de/p_bg1843.gif; 08.03.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: http://gutenberg.spiegel.de/autor/br-220; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 77 Vgl.: Ebenda; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 78 Vgl.: http://www.grimms.de/br%C3%BCder_grimm/daten_zeittafel?lang=de; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 79 Vgl.: http://www.grimm2013.nordhessen.de/de/entstehungsgeschichte; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 80 Vgl.: http://www.grimms.de/br%C3%BCder_grimm/daten_zeittafel?lang=de; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 76 Seite 20 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch hatte in Folge der zunehmenden nationalliberalen Bewegungen und Ereignissen wie dem Hambacher Fest (1832).81 Die Gebrüder Grimm zogen 1840 nach Berlin. Ab 1843 reiste Jacob Grimm viel nach Dänemark, Italien oder Schweden. Er nahm an vielen Germanistenversammlungen teil, in Lübeck sogar als Vorsitz.82 1848 wurde Jacob Grimm Abgeordneter im Paulskirchenparlament. Er gab dafür seine Lehrtätigkeit auf. Genauso tat es ihm Wilhelm Grimm 1852. „Jakob Grimm starb am 20.9.1863 in Berlin, sein Bruder am 16.12.1859 am gleichen Ort.“83 „Zu ihren gemeinsamen Werken zählen: - Deutsche Sagen, - Kinder- und Hausmärchen (z.B.: Rapunzel84,Hänsel und Gretel85 oder Dornrösschen86) - Deutsches Wörterbuch, - Deutsche Mythologie, - Irische Elfenmärchen.“87 Rapunzel Hänsel und Gretel Dornrösschen 81 http://www.stadtarchiv.goettingen.de/texte/goettinger_sieben.htm; 08.03.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: http://www.grimms.de/br%C3%BCder_grimm/daten_zeittafel?lang=de; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 83 Vgl.: http://gutenberg.spiegel.de/autor/br-220; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 84 http://www.maerchenapfel.de/tl_files/images/rapunzel.jpg; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 85 http://www.maerchenapfel.de/tl_files/images/haensel_gretel.jpg; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 86 http://www.maerchenapfel.de/tl_files/images/dornroeschen.jpg; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 87 Vgl.: http://www.was-war-wann.de/personen/gebrueder_grimm.html; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 82 Seite 21 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1.09 Erster Eindruck: „ Wenn die Sonne weggegangen (1803)“ von Clemens Brentano Wenn die Sonne weggegangen, Kömmt die Dunkelheit heran, Abendrot hat goldne Wangen, Und die Nacht hat Trauer an. 5 Seit die Liebe weggegangen, Bin ich nun ein Mohrenkind, Und die roten, frohen Wangen, Dunkel und verloren sind. Dunkelheit muß tief verschweigen, 10 Alles Wehe, alle Lust, Aber Mond und Sterne zeigen, Was ihr wohnet in der Brust. Wenn die Lippen dir verschweigen Meines Herzens stille Glut, 15 Müssen Blick und Tränen zeigen, Wie die Liebe nimmer ruht.88 Das lyrische Ich beschreibt den Moment, wenn die Liebe weg ist. Es sehnt sich danach, dass so etwas niemals passiert. Es beschreibt, dass dann nur noch Trauer existiere. Das lyrische Ich wäre dann hoffnungslos und zukunftspessimistisch. Auch die Leidenschaft würde dann weg sein. Brentano greift zentrale Themen der Romantik auf, nämlich Liebe und das entfesselte Ich. Brentano kommt zu dem Fazit, dass die Liebe niemals ruhen wird. Dieser Zustand, von dem er in den ersten Strophen erzählt, wird also niemals erreicht werden. 88 http://www.lyrik123.de/clemens-brentano-wenn-die-sonne-weggegangen-11655/; 08.03.2015 (letzter Zugriff) Seite 22 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1.10 Gedichtsanalyse 1.10 Joseph von Eichendorff Sehnsucht (1834) Es schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hörte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land. 5 Das Herz mir im Leibe entbrennte, Da hab ich mir heimlich gedacht: Ach, wer da mitreisen könnte In der prächtigen Sommernacht! Zwei junge Gesellen gingen 10 Vorüber am Bergeshang, Ich hörte im Wandern sie singen Die stille Gegend entlang: Von schwindelnden Felsenschlüften, Wo die Wälder rauschen so sacht, 15 Von Quellen, die von den Klüften Sich stürzen in die Waldesnacht. Sie sangen von Marmorbildern, Von Gärten, die überm Gestein In dämmernden Lauben verwildern, 20 Palästen im Mondenschein, Wo die Mädchen am Fenster lauschen, Wann der Lauten Klang erwacht, Und die Brunnen verschlafen rauschen In der prächtigen Sommernacht.-89 89 http://www.zum.de/Faecher/D/BW/gym/romantik/eichend_3.htm Seite 23 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Das romantische Gedicht „Sehnsucht“ von Joseph von Eichendorff, erschienen 1834, handelt von der Sehnsucht des lyrischen Ichs, das sich sowohl in die Ferne als auch in die Vergangenheit wünscht und sich eine fantastische Traumwelt aufbaut. Das Thema dieses Gedichts ist das Sehnsuchtsmotiv. Dieses verbindet von Eichendorff gleichzeitig mit anderen zentralen Themen der Romantik: Naturverbundenheit, die Nacht und das entfesselte Ich. Adressat dieses Gedicht sind alle Künstler, die sich in der Realität nicht wohl fühlen und flüchten möchten. Er möchte zeigen, dass das möglich ist. Das lyrische Ich beschreibt seine Wahrnehmungen aus der Ich-Perspektive. Das lyrische Ich steht am Fenster und schaut sich die Umgebung an. Es verfällt in Trance und stellt sich vor, wie er in der Ferne ein Posthorn hört. Das lyrische Ich verbindet dieses Geräusch mit früheren Zeiten und wünscht sich in dieser schönen Nacht mitzureisen. Dann stellt er sich zwei Gesellen vor, die durch die wunderschöne Landschaft wandern: Sie wandern durch Berge, Wälder und an Wasserfällen vorbei. Diese Gesellen sängen dabei über die Märchenlandschaften vergangener Zeiten: Von Palästen, Minnesängern und idyllischen Brunnen. Das lyrische Ich kann anscheinend nicht flüchten. Das Gedicht besteht aus drei Strophen. Jede Strophe besitzt acht Verse. Das Gedicht ist in einer Strophenform verfasst. Das Reimschema ist ein Kreuzreim (abab): „Es schienen so golden die Sterne, (a) Am Fenster ich einsam stand (b) Und hörte aus weiter Ferne (a) Ein Posthorn im stillen Land.“ (b) Es gibt nur einen unreinen Reim, nämlich in Vers 5 + 7. Das Metrum ist ein unregelmäßiges Metrum. An einigen Stellen ist es ein Daktylus. Dementsprechend wechseln die Kadenzen auch zufällig (z.B.: Vers 1: weibliche Kadenz). Zunächst betrachtet das lyrische Ich die Sterne. Die Farbe „Gold“ (vgl. V. 1) symbolisiert die positiven Seiten des Lebens. „Sterne“ (vgl. V. 1) sind allerdings für Menschen nahezu Seite 24 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch unerreichbar, aber sie sehnen sich nach solchen. Diese Metapher steht für die positiven Seiten des Lebens, die ein Mensch nicht erreichen kann. Deswegen steht das lyrische Ich auch „einsam“ (V.2) am Fenster. Das Fenster ist hier eine Schwellensituation für das entfesselte Ich. Das lyrische Ich ist abgegrenzt zur Außenwelt, kann aber zugleich alles beobachten, was in der Außenwelt passiert. Die Schwelle ist die Abgrenzung der Realität zur Traumwelt. Es fühlt sich einsam, weil keiner diese Werte zu teilen scheint, weil es ja sonst nicht alleine an diesem metaphorischen Fenster stehen würde. Das lyrische Ich verfällt in die Traumwelt und malt sich Szenen aus. So meint es, dass es das Posthorn hört. Das Posthorn gehört zur Postkutsche, die in der alten Zeit Reisen symbolisierte, weil sie quer durch das Land fuhr (V.3). Das lyrische Ich scheint sich in vergangene Zeiten zu wünschen und das Land erkunden zu wollen. Das „stille Land“ (V.4) impliziert die Harmonie und die Innigkeit, die in der weiten Ferne (vgl. V.3) liegen. Deswegen sehnt es sich nach dieser. Das Enjambement von Vers 3 zu 4 könnte für die aufkommende Freude stehen, die das lyrische Ich mit solchen Sehnsüchten empfindet, und für die dadurch verursachtete fehlende Strukturierung in seinem Leben stehen. Er sehnt sich so sehr nach dieser Ferne, dass das Herz dem lyrischen Ich „im Leib entbrennte“ (V. 5). Diese Metapher illustriert die großen Schmerzen, die das lyrische Ich hat. Es scheint, als wäre es extrem unzufrieden mit der Realität und als versuche es sich durch solche Traumwelten abzugrenzen. Deswegen seufzt es („Ach“ / V. 7) wehleidig, als es realisiert, dass das nicht möglich ist. Das Wort „Ach“ und der Konjunktiv („könnte“, V.7) könnte man als romantische Ironie erklären, denn der Autor gibt genau in dem Moment zu, dass alles nicht wahr ist und stellt sich somit über sein Werk. Dies lässt den Leser nachdenken und die Beschreibung kritisch hinterfragen. Das lyrische Ich überschlägt sich wieder allein bei dem Gedanken ( Enjambement Dynamisierung) und schwärmt von der „prächtigen Sommernacht“ (V.8). Die Sommernacht ist ein Leitmotiv vieler Romantiker und steht wieder für den Übergang ins Fantastische und Wunderbare. In der zweiten Strophe malt sich das lyrische Ich eine andere Szene aus ( Onomatopoesie), nämlich „zwei Gesellen“ (V. 9), die durch die malerische Landschaft wandern und singen. Mit dem Aspekt „Musik“ verbindet er dieses Gedicht, sodass die von Schlegel benannte Seite 25 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch progressive Universalpoesie entsteht. Das lyrische Ich beschreibt wieder eine „stille Gegend“ (V. 12). Dies führt die Harmonie und die Innigkeit fort. Das lyrische Ich beschreibt die Situation sehr bildlich. Die zwei Gesellen wandern nämlich durch die Berge, die übertrieben als schwindelnde Felsenschlüfte dargestellt werden (V.13). Auf der anderen Seite wandern sie durch harmonisierende rauschende Wälder (V.15) und kommen an Wasserfällen vorbei (vgl. V. 15-16). Diese Strophe zeigt die große Naturverbundenheit. Die dritte Strophe wird immer unrealistischer, denn jetzt beschreibt das lyrische Ich den Text, den die zwei jungen Gesellen gesungen haben sollen. Die Themen sind märchenschafte und magische vergangene Zeiten, wo Paläste (vgl. V.20) und Marmorbilder (vgl. V.17) existiert haben sollen. Diese Aspekte könnten Bezüge zu Italien sein, wo von Eichendorff hinreisen wollte. Diese Situation wird noch mystischer, denn er beschreibt wie Mädchen an den Fenstern stehen und ihren Geliebten beim Spielen zuhören. Dieser Brauch war zu der Entstehungszeit des Gedichts schon lange nicht mehr üblich. Das lyrische Ich scheint sich wieder in die Vergangenheit zu wünschen. Die Idylle wird durch die personifizierten schlafenden Brunnen (V.23) ergänzt. Von Eichendorff schließt sein Gedicht mit dem Parallelismus zum Ende der ersten Strophe mit „In der prächtigen Sommernacht“ (V.24). Diese Formulierung bildet einen Rahmen zum Anfang des Gedichts. Die Sprache, die von Eichendorff verwendet, ist sehr einfach und es werden Fachbegriffe vermieden. Es gibt allerdings obsolete Begriffe wie „Posthorn“ (V.4), die den Hang zur Vergangenheit unterstreichen. Die Empfindung „Sehnsucht“ leitet durch das ganze Gedicht. In der ersten Strophe hat das lyrische Ich eine Sehnsucht in die Ferne und in die Vergangenheit. In der zweiten Strophe hat das lyrische Ich eine Sehnsucht nach der Natur und Idylle. Und in der dritten Strophe entwickelt das lyrische Ich einen Hang zur Vergangenheit und eine fantastischen und wunderbaren Welt. Das Gedicht „Sehnsucht“ von Joseph von Eichendorff ist ein typisches romantisches Gedicht, weil es sowohl inhaltliche zentrale Themen der Romantik enthält und sprachliche Kennzeichen romantischer Lyrik besitzt. Seite 26 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2. Expressionismus 2.01 Epochenüberblick Zeit ca. 1910- ca. 1925 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Veränderungen auf wissenschaftlicher, kultureller und gesellschaftlicher Basis (z.B.: Karl Marx, Charles Darwin oder Sigmund Freud) Literaturgeschichtlicher Hintergrund Industrialisierung Politische Instabilität 1. Weltkrieg Zuvor: Naturalismus Zeitgleich: Symbolismus/ Ästhetizismus, Fin de Siécle Merkmale90 Expressionismus als neue Form Radikale Kritik bestehender Missstände Apokalypse Pessimistisches Weltbild / Zukunftspessimismus Themen Simultanstil Deformation des Menschen Angst, Verwirrung und Orientierungslosigkeit Vertreter Krieg und Verfall, Ich-Zerfall Hässliche der Realität/Gesellschaft Tabuthemen Else Lasker-Schüler, Georg Heym, Georg Trakl, Franz Werfel, Franz Kafka 90 Vgl.: Lobeck, Monika: Schulwissen Kompakt Deutsch. Nachschlagen und verstehen. Gütersloh/München: Brockhaus Scolaris Verlag, 2012 (S. 222) Seite 27 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Der Begriff „Expressionismus (von lat. expressio = Ausdruck, der Begriff wurde 1911 von Kurt Hiller geprägt91) bezeichnet Literaturströmungen zwischen 1910 und 1925 und ist eine Gegenbewegung zu Naturalismus, Realismus und Impressionismus. Er strebte die Erneuerung des Menschen an und befreite die Literatur von der herkömmlichen Ästhetik.“92 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Die Zeit des Expressionismus war eine Zeit der Veränderungen und Innovationen auf wissenschaftlicher, kultureller und gesellschaftlicher Basis.93 Zu den obsoleten Denkweisen kamen moderne Veränderungen wie die Theorien von Karl Marx, Charles Darwin oder Sigmund Freud.94 Karl Marx sah den Mensch als Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse, der gleichzeitig von diesen abhängig ist und diese zu verbessern versuchen sollte. Charles Darwin sah den Mensch als ein Produkt der Evolution, sich seit Millionen von Jahren durch Mutation und Selektion verbessernder Mensch. Sigmund Freud sah den Mensch als Kontrolleur der Psyche, als ein Wesen, das in der Lage ist seine Gefühle zu steuern. Der Prozess, der die meisten Veränderungen mit sich brachte, ist in dieser Zeit die Industrialisierung. Die Industrialisierung stellte den Beginn des Wirtschaftszeitalters da. 1834 wurde der Zollverein gegründet und es entwickelten sich – intensiviert durch den deutschen Kohleabbau – Industrieimperien wie Krupp, Thyssen, Siemens und Bosch, deren Folgegesellschaften heute noch bestehen.95 Während 1870 noch 60% der Menschen in der Agrarwirtschaft tätig waren, wohnen 1914 schon mehr als zwei Drittel in großen Städten und waren dort beschäftigt. 91 Vgl.: Rötzer, Hans Gerd: Geschichte der deutschen Literatur. Bamberg: Buchner-Verlag, 1992. (S.302) Felgentreu, Simone und Dr. Langemann, Detlef: Duden. Basiswissen Schule. Deutsch. Dudenverlag: 2010 93 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 402ff.) 94 Vgl.: http://www.pearson.ch/download/media/9783894491475_2_SP.pdf; 22.02.2015 95 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 ( S.15) 92 Seite 28 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Die Bevölkerungsexpansion zeigte sich auch in der Großstädten, wie am Beispiel Berlin: Während 1850 nur 400.000 Menschen in Berlin wohnten, entwickelte sich die Bevölkerungsanzahl über 2.000.000 (1900) auf fast 4.000.000 Menschen im Jahr 1919.96 In Deutschland regierte seit 1890 Wilhelm II. (1859-1941) Wilhelm II.97 als Kaiser in einem monarchistischen System. Er verlangte einen „Platz an der Sonne“, wie Bernhard von Bülow in einer Rede 1887 die Forderung nach einer globalen Hegemonialherrschaft betitelte. Die Folge dieser Politik war das Ende der Bismarckschen Außenpolitik und der Anfang einer expansiven Aufrüstung und Kolonialpolitik. Deutschland annektierte Gebiete, um dort Kolonien zu gründen, z.B.: Deutsch-Südwestafrika, das heutige Namibia. Wilhelm II. achtete nicht auf überkommene Bündnisstrukturen. Als Folge kristallisierten sich ab 1900 klare Machtblöcke heraus, die immer mehr zu Kontrahenten wurden. Auf der einen Seite gab es den Dreibund-Vertrag (zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien) und auf der anderen Seite die Triple Entente (ein Vertrag zwischen England, Frankreich und Russland). Die Folge war eine politische und europäische Instabilität aufgrund innerer Zerrissenheit auf nationaler wie auch europäischer Ebene.98 Auf nationaler Ebene prägten sich vor allem Ideologien, wie die des Nationalismus und Chauvinismus, aus.99 „Das Pulverfass explodierte“ 100 schließlich mit der Ermordung Franz Ferdinands, Thronfolger der KuK-Monarchie Österreich/Ungarn durch einen serbischen Partisanen. 96 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 ( S.13 ff.) 97 http://www.dsm1918.de/EKTAS_DOWNLOAD/KAISER_WILHELM.jpg; 22.02.2015 (letzter Zugriff) 98 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 ( S.16) 99 Vgl.: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/17287/chauvinismus; 22.02.2015 (letzter Zugriff 100 http://www.sueddeutsche.de/politik/balkankriege-und-grausame-ouvertuere-des-ersten-weltkriegs-1.1976001-3 Seite 29 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Aufgrund der Bündnisblöcke erklärte sich eine Nation nach der anderen den Krieg und löste somit den ersten Weltkrieg (1914-1918) als ersten totalen Krieg aus.101 Totaler Krieg bedeutete eine Kriegsform, die alle „menschlichen und materiellen Ressourcen“102 benötigte und zum Vernichtungskrieg wurde. Der Vernichtungskrieg führte das erste Mal zum Einsatz von Giftgas, anderen neuen chemischen Waffen, Flugzeugen, Panzern und Maschinengewehren.103 Für viele bedeutete das die Apokalypse aufgrund der weitverbreiteten Angst und Hilflosigkeit.104 Mit der Oktoberrevolution 1917 in Russland und der Novemberrevolution in Deutschland 1918 verschwanden zwar monarchistische Systeme, es verwandelte sich die Nationen zurerst in Anarchien.105 Aufgrund von politischer und gesellschaftlicher Instabilität wurde die Etablierung der Demokratie (Weimarer Republik) nach der Novemberrevolution in Deutschland von Anfang auf unsichere Füße gestellt. Die Opposition wurde zum Beispiel vielfach in Straßenschlachten angegriffen und ermordet. Es gab viele Putschversuche und auch immense wirtschaftliche Probleme, die letztendlich in der Hyperinflation von 1923 mündeten. Literaturgeschichtlicher Hintergrund Caféhäuser galten anfangs als Treffpunkte der Künstlergeneration, wie beispielweise der Zirkel „Junges Wien“, der sich seit 1880 in solchen traf.106 Auch typische Vertreter wie Georg Trakl gründeten eigene Künstlerzirkel, wie 1906 den „Zirkel Minerva“, und trafen sich regelmäßig in Cafés wie im Café Bazar oder im Café Tomaselli. Sie rezensierten neue Dramen, neue Literatur und diskutierten über gesellschaftliche Probleme/Zustände und Weltanschauungen.107 101 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 ( S.21) 102 http://www.preussenchronik.de/begriff_jsp/key=begriff_totaler+krieg.html; 22.02.2015 (letzter Zugriff) 103 Vgl.: Schurf, Bernd und Wagener, Andrea (Hrsg.): Texte, Themen, Strukturen. Berlin: Cornelsen Verlag, 2009 (S.398ff.) 104 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 ( S.21) 105 Vgl.: http://www.fundus.org/pdf.asp?ID=6623; 25.02.2015 (letzter Zugriff) 106 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 ( S.23) 107 Vgl.: Ebenda Seite 30 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Zuvor herrschte die Epoche Naturalismus (1880-1900), die vor allem beim Bürgertum als „Klassikerpathos und Heimatliteratur“ galt und bei der Künstler die Kunst als Realität ansahen, während sie den Alltag als Elend darstellten. Zeitgleich zum Expressionismus gab es eine weniger radikale Epoche, nämlich die des Symbolismus/Ästhetizismus (1890-1920), in der die Künstler individuelle Weltanschauungen in den Fokus setzten und versuchten Imaginationen bezüglich des Weltbildes hervorzurufen. 108 Es gab allerdings auch schon Ansätze des Expressionismus, wie beispielsweise die Ästhetisierung der Morbidität und die Angst vor einer Apokalypse. Im Gegensatz zum Naturalismus und Fin de Siécle vollzogen die Künstler des Expressionismus einen „radikalen Bruch mit den bisherigen ästhetischen Darstellungsweisen“109. Die Realität, die sonst nur imitiert wurde, wurde jetzt visionär dargestellt. Viele Künstler flüchteten aus dem Alltag in eine philosophische Welt, in der sie Utopien entwickeln (Eskapismus zur Utopie).110 „Ekstase“ wurde in Folge des Zurückziehens ins Innere zum zentralen Begriff.111 Viele Werke werden durch alle diese Aspekte abstrakter, das heißt realitätsfremde Werke mit tiefgreifenden Symbolismus und Metaphern, die die Leiden der Menschen unterstreichen. Sie sind nicht offen für technische Innovationen und verweigern diese. Sie verweigerten allerdings auch Traditionen und empirische Denkweisen.112 Da der Naturalismus – Glaube an die Allmacht der Naturwissenschaft durchzogen von der Deckungsgleichheit von Realität und Abbild – grundverschieden zum Expressionismus ist, kann man auch hier Wandel und Veränderung im Einklang mit den historischen Hintergründen erkennen.113 108 Vgl.: Brunner, Horst: Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1997 (S. 98) 109 Schurf, Bernd und Wagener, Andrea (Hrsg.): Texte, Themen, Strukturen. Berlin: Cornelsen Verlag, 2009 (S.398ff. 110 Vgl.: Brunner, Horst: Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1997 (S. 97) 111 Vgl.: http://www.literaturwelt.com/epochen/express.html; 25.02.2015 (letzter Zugriff) 112 Vgl.: http://www.fundus.org/pdf.asp?ID=6623; 25.02.2015 (letzter Zugriff) 113 Vgl.: Jägel, Wolf-Dietrich: Epochen deutscher Dichtung. Ein Lehr- und Lesebuch. Fünfte Auflage. Paderborn: SchöninghVerlag, 1964 (S. 221) Seite 31 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Merkmale „Was war der Expressionismus? Es war eine Rebellion gegen die etablierte kapitalistischbürgerliche Gesellschaft in allen ihren Erscheinungsformen – und eine moralische Bewegung für die Wiederentdeckung des Menschen als eines Ich, das sich hier und jetzt verwirklichen will.“114 Expressionistische Lyrik ist vor allem durch eine radikale Kritik bestehender Missstände, der Gesellschaft und die Warnung einer bevorstehenden Apokalypse geprägt115. Expressionisten sagten, dass sie ein ausgeprägtes Krisenbewusstsein aufgrund der vielen bereits erlebten Krisen besäßen und daher ein pessimistisches Weltbild hätten.116 Natürlich sei auch ein Zukunftspessimismus angeraten, der sich auch sprachlich zeige. Dieser Zukunftspessimismus zeige sich vor allem im Simultanstil.117 Der expressionistische Simultanstil ist so aufgebaut, dass lauter kurze Hauptsätze aneinander gereiht werden, sodass es weder semantisch noch syntaktisch (Trennung durch Enjambements beispielsweise) Sinn ergeben118. Zusätzlich zu dieser Form der Auflösung syntaktischer Strukturen werden viele Neologismen, Ellipsen und manchmal sogar einzelne Wörter benutzt (Telegrammstil119). Neuartige und grammatikalische Strukturen werden häufig verwendet. Die Sprache ist an sich sehr bildlich, deskriptiv mit vielen Metaphern und Vergleichen.120 Der Mensch wird zum Objekt erklärt und für alle Probleme und Katastrophen – auch, wenn es Naturkatastrophen sind – verantwortlich gemacht (Depersonalisierung). Gegenstände werden dagegen personalisiert (Anthropomorphisierung).121 Der Mensch wird deformiert dargestellt. Trotzdem werden traditionelle Versformen benutzt, um den Kontrast zwischen dem chaotischen Inhalt und der geordneten Form zu verstärken. Das Drama im Expressionismus zeigt „keine individuellen, psychologisch motiviert handelnden Figuren, sondern exemplarische Typen in symbolisch verdichteten Situationen. Die Bühne ist ein Raum der Illusion, die Figuren handeln wie in Trance oder im Traum.122“ 114 Rötzer, Hans Gerd: Geschichte der deutschen Literatur. Bamberg: Buchner-Verlag, 1992. (S.302) Vgl.: Brunner, Horst: Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1997 (S. 97) 116 Vgl.: Dr. Müller, Friedrich: Deutsche Dichtung. Kleine Geschichten unserer Literatur- Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 1966 (S.189) 117 Vgl.: Weigandt, Tim-Julian: Arbeitsblatt „Expressionistische Kennzeichen lyrischer Literatur“ 118 Vgl.: Ebenda 119 Vgl.: Ebenda 120 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 (S.27) 121 Vgl.: Weigandt, Tim-Julian: Arbeitsblatt „Expressionistische Kennzeichen lyrischer Literatur“ 115 Seite 32 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Themen Wie schon erwähnt, war das Leben der meisten Menschen von Angst, Verwirrung und Orientierungslosigkeit durchsetzt. Sie suchten nach Halt und Orientierung. Stattdessen gelten Ereignisse, wie das Erscheinen des Halleyschen Kometen (1910) oder der Untergang der Titanic (1912), als „Vorboten einer nahenden Apokalypse“123 „Die jungen Künstler lehnen Naturalismus, Militarismus und Kapitalismus ab und fordern Kosmopolitismus, Pazifismus, Sozialismus.“124 Die Expressionisten fürchteten Krieg und Verfall125: „Georg Trakl (1887-1914) war stark vom französischen Symbolismus beeinflusst. Er verfasste viele Gedichte, in denen das Lebensgefühl einer resignierten Generation vor dem Ersten Weltkrieg in düsteren Bildern zum Ausdruck kommt“.126 Sie durchlebten die Probleme der Großstädte und kritisierten daher den Mensch in der Masse, Isolation, Alkohol und Drogen. „Es war der Versuch, die Selbstentfremdung des Menschen, seine Verdinglichung, wieder aufzuheben.“127 Es wird das Hässliche der Realität und der Gesellschaft dargestellt: „Vom Expressionismus scheint in gerader Linie die Dichtung des Absurden und Grotesken zu stammen.“128 Die Expressionisten greifen überwiegend Tabuthemen, wie Krebs, Hinrichtung und Wahnsinn, auf und konzentrieren sich auf das Elend der Gesellschaft.129 Der Ich-Zerfall im Prozess der Industrialisierung (Erich Heckel, Der Verrückte), „das Individuum in der Masse“ wird genauso versucht zu verarbeiten wie die anderen gesellschaftlichen Zustände. Georg Takl beschrieb, wie er versuchte mit Künstlerkollegen die Missstände zu verarbeiten: „Auf weiten, bis tief in die Nacht ausgedehnten Spaziergängen, einsam und zu zweit, mit Buschbeck oder Bruckbauer oder Minnich, wurde meditiert oder 122 Vgl.: Lobeck, Monika: Schulwissen Kompakt Deutsch. Nachschlagen und verstehen. Gütersloh/München: Brockhaus Scolaris Verlag, 2012 (S. 223) 123 Vgl.: Schurf, Bernd und Wagener, Andrea (Hrsg.): Texte, Themen, Strukturen. Berlin: Cornelsen Verlag, 2009 (S.398ff.) 124 http://www.fundus.org/pdf.asp?ID=6623; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 125 Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 405) 126 Vgl.: Lobeck, Monika: Schulwissen Kompakt Deutsch. Nachschlagen und verstehen. Gütersloh/München: Brockhaus Scolaris Verlag, 2012 (S. 129) 127 Rötzer, Hans Gerd: Geschichte der deutschen Literatur. Bamberg: Buchner-Verlag, 1992. (S.302) 128 Jägel, Wolf-Dietrich: Epochen deutscher Dichtung. Ein Lehr- und Lesebuch. Fünfte Auflage. Paderborn: SchöninghVerlag, 1964 (S. 225) 129 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 ( S.27) Seite 33 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch fanatisch gestritten. Über weltanschauliche Probleme, über die damals modernste Literatur.“130 Zentral steht die Forderung nach einem neuen Menschen. Die zeigt sich zum Beispiel im Schauspiel „Die Bürger von Calais“ von Georg Kaiser (1878-1945): Forderung „eines Menschen, der bereit ist, sich in grenzenlosem Sichtverschenken für andere aufzuopfern“131. Die Künstler versuchen aus der realen Welt zu flüchten (Eskapismus vgl. „Der Verrückte“ von Heckel132), indem sie ihre Probleme mit den Problemen, die sie in ihren Werken kritisieren, zu kompensieren versuchen, wie beispielsweise Alkohol und Drogen. Andere wollten nur noch auswandern, aus der Gesellschaft fliehen. Die Art der Realitätsflucht ist unterschiedlich. Erich Heckel, Der Verrückte (1914) Vertreter Else Lasker-Schüler (1869-1945): Gedichtzyklen, Schauspiel „Die Wupper“ (1909), „Weltende“ (TTS. S.399) August Stramm; (1874-1915), in Russland gefallen; Gedichte (1915)133 Georg Benn (1886-1956), in beiden Weltkriegen Militärarzt: Gedicht-Zyklen, Prosa, u. a. Gehirne, „Die Eroberung" (1915)134 Georg Heym (1887-1912), „Ophelia I“ (TTS S.407), „Die Irren“, „Die Vorstadt“, „Der Krieg I“ Georg Trakl (1887-1914), „Grodek“ (TTS S.400), „Verfall“, „Vorstadt im Föhn“ Franz Werfel (1890-1945), Beziehungen zu Kafka und Max Brod; vor allem Gedichte und Romane („Der Abituriententag", 1928)135 Franz Kafka (1887-1914), „Die Verwandlung“ 130 Basil, Otto: Georg Trakl. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch Verlag, 2010 131 Jägel, Wolf-Dietrich: Epochen deutscher Dichtung. Ein Lehr- und Lesebuch. Fünfte Auflage. Paderborn: SchöninghVerlag, 1964 (S. 215) 132 http://www.aerztezeitung.de/docs/2005/03/23/053a1901-4.jpg; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 133 Vgl.: http://www.fundus.org/pdf.asp?ID=6623; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 134 Vgl.: Ebenda; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 135 Vgl.: Ebenda; 08.03.2015 (letzter Zugriff) Seite 34 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2.02 Georg Trakl Georg Trakl (1887-1914) ist „einer der größten österreichischen Lyriker des 20. Jahrhunderts“136 und gilt als zentraler Vertreter des Expressionismus.137 Georg Trakl138 wurde am 03. Februar 1887 in Salzburg geboren.139 Seine Eltern stammten aus bürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater war ein Eisenhändler und unterhielt – direkt unter der Wohnung – einen kleinen Laden. Trakl war das vierte von insgesamt sechs Kindern. Georg Trakl (1887-1914) Wie früher bei stattlichen Familien üblich, wird er mit seinen Brüdern und seinen Schwestern von einer Gouvernante, Marie Boring, erzogen.140 1897, im Alter von 10 Jahren, ging er auf das Staatsgymnasium in Salzburg. 1901 musste er aufgrund von schlechten Noten die vierte Gymnasialklasse wiederholen. Er interessierte sich mehr für Lyrik und versuchte bekannten Vertretern des Realismus, wie Hofmannsthal oder George, nachzueifern.141 1904 gründet er sogar einen eigenen Dichterverein, den „Apollo“. Wie im Expressionismus üblich, war dieser Dichterverein ein Zirkel von Künstlern, die neue Dramen / die neue Literatur rezensieren und über Weltanschauungen diskutierten. 1905 verließ er das Gymnasium ohne sein Abitur gemacht zu haben. Ihm reicht die mittlere Reife und er begann eine Ausbildung als Apotheker. In dieser Zeit versucht er sich das erste Mal als Dramatiker. 1906 wurde der Einakter „Totentag“ uraufgeführt und sein Gedicht „Traumland“ in der Wochenzeitung „Salzburger Volksblatt“ publiziert. 1907 machte er im Rahmen seiner Ausbildung als Apotheker Experimente mit Rauschgift, also Opium, Morphium, Kokain etc.. Es wird ihm nachgesagt, dass er es selbst ab diesem 136 http://www.georgtrakl.de/index.html; 08.03.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: Dr. Müller, Friedrich: Deutsche Dichtung. Kleine Geschichten unserer Literatur- Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 1966 (S.187) 138 http://www.kulturvereinigung.com/typo3temp/pics/b3e6304c51.jpg; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 139 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 405) 140 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 ( S.8-12) 141 Vgl.: Ebenda 137 Seite 35 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Zeitpunkt konsumierte. Er trieb sich auch viel in Bordellen um, da er frustriert in der Liebe war. Keine einzige feste Beziehung ist bis zu seinem Tod überliefert. Er verfällt also schon früh den „Elenden der Gesellschaft“, die er in seiner Lyrik kritisiert und zu verarbeiten versucht. 1908 nahm er ein Pharmaziestudium auf und publizierte weitere Werke. 1910 starb sein Vater. Die Familie kam in finanzielle Schwierigkeiten. Georg Trakl konnte den Tod seines Vaters, seines Vorbilds, nicht verarbeiten und verfiel in Depressionen ( Eskapismus). Er versuchte dieses Gefühl mit Alkohol zu kompensieren, schaffte es aber weiterhin nicht, diesen Rückschlag zu verarbeiten.142 1911 trat er beim Militär als Freiwilliger an, beendete aber schon 1911 seine militärische Laufbahn. Zuvor hatte er das Pharmaziestudium abgebrochen. Er zog drei Mal mit seiner Familie hin und her: Nach Wien, nach Innsbruck und nach Salzburg. Er publizierte weiter Werke, wie das Gedicht „Traum der Bösen“, indem er seine pessimistische Lebenseinstellung und die Erwartung einer bevorstehenden Apokalypse offenbarte.143 1913 trat er erneut ins Militär ein. Er musste allerdings im selben Jahr noch einen Rückschlag einstecken, denn seine Schwester Grete wurde schwer krank und hatte eine Fehlgeburt. Die Depressionen verschlimmerten sich und er verfasste weitere Werke. 1914 traf er auf Else Lasker-Schüler144 (1869-1945), eine bedeutende / expressionistische / deutsch-jüdische Dichterin. Auch sie „trug schwer an der dunklen Zeit und beschwor, sich und vielen Freunden zum Trost, die glühende Traum- und Bilderwelt“145. Er hatte allerdings weiterhin Depressionen und Else Lasker-Schülerin (1869-1945) suchte nach Wegen diesem Leben zu entfliehen. Noch im selben Jahr entwarf er Auswanderungspläne nach Holländisch-Indien, musste diese allerdings wegen des Ausbruchs des 1. Weltkriegs verwerfen. Da er 1913 ins Militär eingetreten war, musste er als Militärapotheker mit auf die Schlachtfelder. Diese wurden für ihn zu traumatischen Erlebnissen. So zum Beispiel die Schlacht von Grodek (Ostgalizien, Ungarn), 142 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 405) Vgl.: Ebenda 144 http://images.zeit.de/kultur/literatur/2009-11/else-lasker-schueler/else-lasker-schueler-540x540.jpg; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 145 Dr. Müller, Friedrich: Deutsche Dichtung. Kleine Geschichten unserer Literatur- Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 1966 (S.187-188) 143 Seite 36 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch in der er beobachten musste, wie die rote Armee hemmungslos überlegen war und ein blutiges Gemetzel veranstaltete. Er konnte fliehen und versuchte sich nach der Schlacht umzubringen, scheiterte allerdings. Er wurde daraufhin in die psychiatrische Abteilung des Krakauer Garnisionshospitals eingewiesen und wurde bis zum Ende seines Lebens nicht mehr entlassen. Er verfasste seine letzten zwei Gedichte „Grodek“ und „Klage“ am 27.Oktober 1914 und versuchte damit, seine traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Ludwig von Ficker, ein bedeutender Schriftsteller und Verleger, besuchte ihn als einen Freund und nimmt die Gedichte an sich, um sie für Trakl zu publizieren.146 Eine Woche später, am 03. November 1914, starb Georg Trakl im Alter von 27 Jahren an einer Überdosis Kokain. Er versuchte wieder seine Probleme mit Drogen zu verarbeiten, aber es gelingt ihm nicht. Also begann er mit einer Überdosis Suizid.147 In den nächsten beiden Jahren veröffentlichte Ludwig von Ficker weitere Gedichtbände. Die Schwester von Georg Trakl, Grete, begann im Jahr 1917 ebenfalls Selbstmord, weil sie psychisch nicht mit den Rückschlägen in ihrem Leben abschließen konnte. 2.03 Erster Eindruck: „Verfall“ von Georg Trakl Verfall von Georg Trakl Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten, Folg ich der Vögel wundervollen Flügen, Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen, Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten. Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten Träum ich nach ihren helleren Geschicken Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken. So folg ich über Wolken ihren Fahrten. 146 147 Vgl.: Rothmann, Kurt: Kleine Geschichte der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag, 1978 (S.230ff.) Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 405) Seite 37 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern. Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen. Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern, Indes wie blasser Kinder Todesreigen Um dunkle Brunnenränder, die verwittern, Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.148 Das Gedicht „Verfall“ wirkt auf mich wie ein typisch expressionistisches Gedicht, weil es zentrale Themen des Expressionismus beinhaltet und auch sprachliche Kennzeichen expressionistischer Lyrik enthält. Das Gedicht beschreibt vor allem den Verfall des Menschen und der Gesellschaft. Das Lyrische Ich möchte eine Abkehr von der bürgerlichen Gesellschaft und ahnt die Apokalypse. Deswegen versucht er aus der Gesellschaft zu flüchten und wie die Vögel zu den schönen Seiten des Lebens aufzubrechen. Er geht davon aus, dass die Apokalypse nicht abwendbar ist und selbst die nächste Generation geschadet wird. Sprachliche Kennzeichen expressionistischer Lyrik ist die traditionelle Versform, nämlich ein Sonnet, das im Kontrast zum inhaltlichen Chaos steht. Außerdem ist die Sprache sehr bildlich gehalten, die gebräuchliche Grammatik wird variiert, Enjambements benutzt und Sprachverkappung wird benutzt. Für meinen ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie ein typisches expressionistisches Gedicht. 148 http://www.antikoerperchen.de/material/11/gedichtinterpretation-georg-trakl-verfall-expressionismus.html; 07.03.2015 (letzter Zugriff) Seite 38 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2.04 Erster Eindruck: „Im Winter“ von Georg Trakl Im Winter von Georg Trakl 1 Der Acker leuchtet weiß und kalt. 2 Der Himmel ist einsam und ungeheuer. 3 Dohlen kreisen über dem Weiher 4 Und Jäger steigen nieder vom Wald. 5 Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt. 6 Ein Feuerschein huscht aus den Hütten. 7 Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten 8 Und langsam steigt der graue Mond. 9 Ein Wild verblutet sanft am Rain 10 Und Raben plätschern in blutigen Gossen. 11 Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen. 12 Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.149 Mein erster Eindruck ist, dass sich das lyrische Ich in einer kalten Umgebung befindet. Diese Umgebung ist nicht sehr lebensfreundlich und wandelt sich zu einer Schreckenslandschaft. Die Grausamkeit der Natur verdrängt die Idylle. So verblutet beispielsweise ein Wild und Raben fressen das Tier auf. Der Tod ist allgegenwärtig. Das Leben an sich scheint ausgestorben zu sein, weil die Äcker und der Himmel ohne Tiere sind. Die Menschen scheinen sich zurückgezogen haben und machen in ihren Hütten Feuer. Auch die Bedrohung scheint allgegenwärtig zu sein. Ich denke, dass das Gedicht metaphorisch für die Menschheit steht, die bedroht wird und keine Zukunft hat. Diese wird bestimmt von Themen wie Tod und Grausamkeit. Dieses Gedicht enthält viele sprachliche expressionistische Kennzeichen wie den Simultanstil. In dem Gedicht bindet der Autor Hauptsatz an Hauptsatz. Die Hauptsätze haben weder einen semantischen noch einen syntaktischen Zusammenhang. Außerdem ist die Sprache verkappt und wieder sehr bildlich. 149 http://www.antikoerperchen.de/material/130/gedichtinterpretation-georg-trakl-im-winter-expressionismus.html; 07.03.2015 (letzter Zugriff) Seite 39 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2.05 Gedichtsanalyse: „Grodek“ von Georg Trakl (1914) 1 Am Abend tönen die herbstlichen Wälder 2 Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen 3 Und blauen Seen, darüber die Sonne 4 Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht 5 Sterbende Krieger, die wilde Klage 6 Ihrer zerbrochenen Münder. 7 Doch stille sammelt im Weidengrund 8 Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt 9 Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle; 10 Alle Straßen münden in schwarze Verwesung. 11 Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen 12 Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain1, 13 Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter; 14 Und leise tönen im Rohr die dunklen Flöten des Herbstes. 15 O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre 16 Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz, 17 Die ungebornen Enkel.150 Das Gedicht „Grodek“ von Georg Trakl, erschienen 1914, schildert die traumatischen Erlebnisse von Georg Trakl als Sanitäter bzw. Militärapotheker in der Schlacht von Grodek 151 (Ostgalizien, Ungarn). Die noch vorhandene Hoffnung sehnt sich nach einem Ende der Schlacht. Exkurs: Die Schlacht von Grodek war eine „Entscheidungsschlacht zwischen dem Russischen Reich und Österreich-Ungarn während der Frühphase des Ersten Weltkrieges 1914, in welcher die k.u.k. 3. Armee von der russischen 3. Armee unter General Nikolai Russki in mehreren Kämpfen empfindlich geschlagen wurde“1 Das Ergebnis waren allein 152 190.000 Tote und 130.000 in Kriegsgefangenschaft geratene Soldaten auf österreichungarischer Seite. Grodek ist eine Stadt im heutigen Ungarn. Georg Trakl musste allein 100 Schwerverletzte im Lazarett verarzten, konnte aber wegen fehlender Medikamente kaum jemanden helfen. Stattdessen musste er 2 Tage und Nächte durcharbeiten und den leidenden Soldaten beim Sterben zusehen. 150 Vgl.: http://umija.org/roxanne%3Astudium%3Aold01; 27.02.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Lemberg ; 27.02.2015 (letzter Zugriff, Informationen für Exkurs) 152 Rothmann, Kurt: Kleine Geschichte der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag, 1978 (S.232) 151 Seite 40 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Das Gedicht „Grodek“ von Georg Trakl, erschienen 1914, schildert die traumatischen Erlebnisse von Georg Trakl als Sanitäter bzw. Militärapotheker in der Schlacht von Grodek (Ostgalizien, Ungarn). Die noch vorhandene Hoffnung sehnt sich nach einem Ende der Schlacht. Georg Trakl versuchte mit diesem Werk seine traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten und mit diesem Lebensabschnitt abzuschließen. Zusätzlich wollte er den Leser – den Adressaten – überzeugen, dass Kriege und Verfall Gesellschaften zerstören. Das Gedicht ist in 17 unterschiedlich langen Versen aufgebaut. Es gibt keine konkrete Stropheneinteilung und kein Reimschema. Das Metrum ist ein freier Rhythmus. Das Gedicht beinhaltet in diesem formalen Kriterium kein Kennzeichen expressionistischer Lyrik: Laut dem Arbeitsblatt „Kennzeichen expressionistischer Lyrik“ soll es traditionelle Versformen wie Sonette geben, die einen Kontrast zum Chaos des Inhalts bilden. Die fehlende Struktur könnte auf eine fehlende Struktur beim Denken des lyrischen Ichs zurückgeführt werden. Es könnte die Orientierungslosigkeit und das Scheitern des systematischen Verarbeitens von Neurosen und schwerwiegenden Belastungen beim lyrischen Ich widerspiegeln. Das lyrische Ich weist auf Georg Trakl hin. Diese Hypothese zeigt sich im Versuch eines Suizids kurz nach der Schlacht von Grodek. Das Gedicht ist vor allem von bildlicher Sprache durchzogen, um den Leser die Atmosphäre besser spüren zu lassen. Das gesamte Gedicht wirkt klar strukturiert, inhaltlich ist es aber sehr chaotisch. Es entsteht ein Kontrast zum Chaos des Inhalts. Im ersten Vers „Am Abend tönen die herbstlichen Wälder“ führt Georg Trakl in das Geschehen ein und stellt sowohl die Zeit als auch den Ort dar.153 Der erste Eindruck ist der eines panoramatischen Abend. Es wirkt, als befände sich der Sprecher in der unberührten Natur. Umso stärker wirkt der folgende Vers „Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen“. Durch das Enjambement wird der Satz sinngemäß zu Ende geführt. Auffallend ist hier sie antithetische Struktur. Die unberührte Natur wird durch von Menschenhand hervorgerufene Katastrophen, hier den Krieg, gestört. Der Mensch wirkt als Störenfried. Auch die Variation 153 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 ( S.104) Seite 41 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch in der Grammatik sorgt für diesen Kontrast. […] „Die goldnen Ebenen“ (V.2) bezeichnen den Sonnenuntergang. Der Sprecher verbinde schon in den ersten beiden Versen die visuelle (Wälder, Ebenen) mit der auditiven Dimension (Tönende Waffen etc.). 154 Trotzdem bleibt ein wenig Idylle durch die „goldnen Ebenen“ aufgrund der positiven Farbsymbolik erhalten. Das führt Georg Trakl in Vers 3 weiter, indem er von „blauen Seen“ (V.3) erzählt, die sicherlich übertrieben dargestellt sind. Ein Meeresblau ist nur in exotischen Regionen, wie in der Karibik, anzutreffen. Dieser Vers bildet wieder einen Kontrast, aber diesmal zu Vers 2. Durch ein Enjambement ändert sich wieder die Satzbedeutung („Darüber die Sonne / Düster hinrollt;“), sodass die Idylle wieder von bedrohlichen und gefährlichen Zügen überschattet wird.155 Es verursacht den Eindruck, dass eine Apokalypse unmittelbar bevorstehe. Trakl benutzt wieder Verben, die im Kontext von Dynamisierung benutzt werden ( Kennzeichen expressionistischer Lyrik). Das Schema der Kontrastierung durch Enjambements wiederholt sich in den nächsten vier Versen („Umfängt die Nacht /Sterbende Krieger, die wilde Klage / Ihrer zerbrochenen Münder. / Doch stille sammelt im Weidengrund / Rotes Gewölk…“). In diesen Passagen nutzt Trakl zudem noch den Simultanstil, also die Aneinanderreihung kurzer Hauptsätze, die weder syntaktisch noch logisch miteinander verbunden sind. Dies ist ein weiteres Merkmal expressionistischer Lyrik. Der Begriff „Sterbende Krieger“ (V.5) macht klar, dass der Verwesungsprozess im Gange ist. Der Tod ist also nicht eingetreten, die Krieger haben große Schmerzen, die an Wahnsinn grenzen, „die wilde Klage ihrer zerbrochenen Münder“ (V. 5-6). Diese Darstellung von Tabuthemen, also der Todeskampf156 und das dem Tod Geweihte, ist ein weiteres Kennzeichen expressionistischer Lyrik. Die Expression „Ihrer zerbrochenen Münder“ verdeutlicht noch einmal den Wahnsinn, der hinter dem Todeskampf steckt. Der Mensch wird deformiert dargestellt, er wird entmenschlicht, also zum Objekt (Depersonalisierung). Die Bezeichnung „Rotes Gewölk“ (V. 8) bezieht sich auf das Blut, das sich langsam auf dem Boden sammelt. Georg Trakl stellt bewusst die hässlichen Seiten des Lebens dar: Verwesung, Verfall, Krieg usw. In dem Blut wohne ein wütender Gott, fährt Trakl fort und bezieht sich auf den Kriegsgott Mars, der allerdings auch gleichzeitig der Gott der Toten und der Unterwelt ist.157 (Oder: ein der Welt immanenter Gott, der Zerstörung bringt) Diese 154 Vgl.: Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2010 ( S.105) 155 Vgl.: http://www.antikoerperchen.de/material/18/gedichtinterpretation-georg-trakl-grodek-expressionismus.html 156 Vgl.: Ebenda; 27.02.2015 (letzter Zugriff) 157 Vgl.: Ebenda; 27.02.2015 (letzter Zugriff) Seite 42 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Übertreibung soll die nahende Apokalypse realistischer gestalten. Um diesen Vers besonders hervorzuheben, benutzt Trakl ein Hyperbaton, indem er den Vers einfach einschiebt. In Vers 9 stellt Trakl einen erneuten Bezug zur Umgebung dar. Inzwischen ist die Sonne untergegangen und es herrscht „mondne Kühle“ (V. 9). An dieser Stelle lässt sich diese Beschreibung mit Elend, emotionaler Kälte und Wahnsinn gleichsetzen. Der folgende Vers „Alle Straßen münden in schwarze Verwesung“ ist die Hauptaussage des Gedichts. Trakl erklärt, dass es keinen Ausweg gibt, die Menschen bereits dem Tode geweiht seien und jegliche Hoffnung aufgeben können. Gegensätzlich dazu beschreibt er in Vers 11 wieder die Idylle der Nacht, indem er erneut per Farbsymbolik die Farbe „Gold“ nennt, die als Rückbezug zu Vers 2 mit positiven Ereignissen, nämlich der harmlos dargestellten Natur, verbunden wird. Im darauffolgenden Vers benutzt Georg Trakl das erste Mal einen transzendalen Hintergrund. Er erzeugt das Bild von Untoten („der Schwester Schatten“), die als nicht mehr funktionierende Menschen (Deformation) nicht mehr normal gehen können, sondern nur noch schwanken. Die Natur ist zum ersten Mal bedächtig still ( schweigender Hain). Die Alliteration („schwankt“, „Schwester“, „Schatten“, „schweigendenen“) verleiht diesem Vers eine besondere Bedeutung. Dieser Vers ist wahrscheinlich auf Trakls Zeit im Lazarett bezogen, wo er aufgrund mangelnder Materialien nur mit ansehen konnte, wie sich seine Patienten deformieren und anfangen zu sterben ( „Sterbende Krieger“ (V.5) als Prozess der Verwesung). Er führt das Bild einer Totenwelt (aufgrund des Bezugs auf Mars vermutlich an die römische Mythologie angelehnt) weiter und beschreibt, wie die Untoten begrüßt werden. Dies soll den Respekt vor und die Achtung für gefallener Kameraden ausdrücken. Georg Trakl könnte es allerdings auch ironisch gemeint haben, weil er sich selbst – autobiografisch belegt – gegen den Krieg ausgesprochen hat und eine solche Zeremonie vielleicht als lächerlich empfunden hätte. Das Totenreich selbst wirkt als Erlösung für die gefallenen Kameraden Zu der Stille setzt eine Flöte ein, ein traditionelles Instrument in kulturell-religiösen Bezügen als Symbol für Magisches und Märchenhaftes. Dazu noch ist die Flöte eine des Herbstes, also im Einklang mit der Natur. Der Verwesungsprozess scheint abgeschlossen zu sein. Seite 43 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch In den letzten drei Versen bezieht sich Trakl auf die nachkommende Generation, die es eventuell aufgrund der Apokalypse (könnte man auch als Abschluss des Verwesungsprozesses sehen) nicht gibt. Im Telegramstil ruft er „O stolzere Trauer! Ihr ehernen Altäre“ aus. Mit dieser Metapher „wird eine bildliche Darstellung der Gräber der "für die Ehre des Vaterlands" Gestorbenen gezeichnet“.158 In Vers 16 fasst er noch einmal zusammen, welches zerstörerische Ausmaß diese Schlacht auf die Menschen hatte, sowohl im Diesseits („Heute“) als auch im Jenseits („Die ungeborenen Enkel“). Wie eben schon angedeutet, sieht er Folgen für die nächste Generation: Entweder hat er die Vision, dass die ganze Menschheit untergehen wird, weil keine Enkel mehr geboren werden können, oder die Überlebenden aus dem Krieg wieder zurückkehren, aber ihre traumatischen Erlebnisse nie verarbeiten werden können und daher nie richtig in die Gesellschaft integriert werden können, sodass diese nie Enkel haben werden. Wie mehrmals beschrieben ist das Gedicht von Kennzeichen expressionistischer Lyrik durchsetzt. dynamisierte Es gibt einen Simultanstil, Sprache, Variation der gebräuchlichen Grammatik, einen Telegrammstil, Sprachverkappung, Ironie, der Mensch wird zum Objekt, das Hässliche und Tabuthemen werden dargestellt, es überwiegt ein inhaltliches Chaos, menschliche Gewalten werden personifiziert (Der Krieg), Enjambements benutzt und deformierte Menschen gezeigt.. Das Gedicht „Grodek“ ist demnach ein Exempel expressionistischer Lyrik, denn Georg Trakl benutzt hierfür dafür typische sprachliche und inhaltliche Elemente. Wie bereits am Anfang vermutet, will Georg Trakl den Leser davon überzeugen, dass ein Krieg schändlich für das Individuum, die Gesellschaft und auch die Natur ist. Dieser bewirkt nur Elend, Verwesung, Chaos, Tod und die Apokalypse. 158 Vgl.: http://umija.org/roxanne%3Astudium%3Aold01; 27.02.2015 (letzter Zugriff) Seite 44 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2.06 Georg Kaiser „Er gilt als meistgespielter Dramatiker des Expressionismus.“159 Georg Kaiser (1878-1945) wurde am 25.11.1878 in Magdeburg geboren. Er war der fünfte von sechs Söhnen einer angesehenen Kaufmannsfamilie. Seine mittlere Reife schloss er auf dem Kloster „Unser Lieben Georg Kaiser (1878-1945) Frauen“ ab. Nach einer abgebrochenen Lehre arbeitete er als Buchhändler in einem Ex- und Importgeschäft. 1895 versuchte er sich das erste Mal literarisch und gründete den Leseverein „Sappho“, der naturalistisch gesinnt war. Er fand allerdings, dass der Naturalismus die Wirklichkeit kaschiere. So wandte er sich ab und arbeitete für die nächsten Jahre als Kohlentrimmer auf einem Frachtschiff nach Argentinien. Auch diese Arbeit erfüllte ihn nicht und ließ ihn nicht die „Wirklichkeit“ spüren. So fing er in Buenos Aires in einem Büro der AEG (ein deutsches Unternehmen, Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft160) an und arbeitete dort von 1898-1901.161 Er erkrankte an Malaria und musste nach Deutschland zurückkehren. „1906 begann er mit der literarischen Arbeit.“162 Mit seinem Werk „Die Heirat“ (1908) hatte er sogar auf finanzieller Ebene Erfolg.163 1908 heiratete er Margarethe Habenicht, die beiden kauften ein Haus und Georg Kaiser konzentrierte sich voll und ganz auf seine Dramen, Prosawerke und Gedichte. Doch der Erfolg in der Öffentlichkeit blieb aus. Aus der Ehe mit Margarethe Habe ging ein Kind hervor. Georg Kaiser distanzierte sich aber im Laufe der Jahre immer mehr von seiner Familie und fing jede Menge Affären an. 1912 entstand das erste gesellschaftskritische Werk: „Von morgens bis mitternachts“: Es handelt von einem Kassierer, der daran scheitert, gesellschaftliche Konventionen zu brechen und sich selbst zu verwirklichen. Zum ersten Mal stehen die Sehnsucht nach einem „neuen 159 http://www.literaturkritik.de/buch/buchh/neu/themen/expressionismus/autor_kaiser.php; 24.02.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: www.aeg-haustechnik.de/unternehmen/ueber-uns/geschichte/geschichte/; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 161 Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 406) 162 http://www.literaturkritik.de/buch/buchh/neu/themen/expressionismus/autor_kaiser.php; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 163 Vgl.: http://oregonstate.edu/instruct/ger342/kaiser.htm; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 160 Seite 45 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Menschen“ und der Ich-Zerfall im Vordergrund. Als Kritik fasst er die „Entpersönlichung der Industriearbeiter“164 und erklärt seine Abneigung gegen Krieg und Verfall165. Er kritisiert somit radikal die Missstände in der Gesellschaft. Um Gerechtigkeit zu schaffen lege, auch in diesem Werk „das Gerechtigkeitsgefühl zugrunde, schreibt er 1926 („Wie ein Theaterstück entsteht“)“166 Schon ab diesem Zeitpunkt sind viele expressionistischen Denkweisen vertreten. 1917 gelingt ihm mit dem in Frankfurt am Main aufgeführten Drama „Die Bürger von Calais“ (1912/1913) den Durchbruch. Auch dieses Werk ist gesellschaftskritisch zu sehen und konzentriert sich wieder auf die Forderung nach einem neuen Menschen.167 Der Mensch soll „Opferbereitschaft und Selbstaufgabe des einzelnen zum Wohl einer größeren Einheit“168 vor Eigennutz und Egozentrismus stellen. Dieses abstrakte Werk wird von vielen Kritikern als eines der Klassiker des Expressionismus deklariert.169 Georg Kaiser liebte die hedonistische Gesellschaft und den Luxus. Er kaufte sich Eigentum, bis er 1918 insolvent ging. Aus der Zahlungsunfähigkeit und dem anschließenden Unterschlagen von Geld resultierte eine Verhaftung und schließlich 1921 die Verurteilung. Sein Verleger Kiepenheuer musste für ihn bürgen. Die Zeit von 1921-1933 waren seine erfolgreichsten Jahre170: „Er unterhielt Kontakte zu Ernst Toller, Kurt Weill, Lotte Lenya und Bertolt Brecht. Kaiser war zwischen 1921 und 1933 der meistgespielte Dramatiker in Deutschland. Seine Stücke wurden darüber hinaus unter anderem auch in New York, London und Rom aufgeführt.“171 Das Ende seines Erfolges war der Nationalsozialismus 1933. Als Georg Kaiser am 18. Februar 1933 sein Stück „Der Silbersee“ in Erfurt, Magdeburg und Leipzig aufführen wollte, wurden die Aufführungen von der SA boykottiert. Georg Kaiser, ein Systemkritiker und Gesellschaftskritiker, als problematischer Künstler. Seine Werke landeten auf dem Index und wurden mit den Bücherverbrennungen 1933-38 mit verbrannt. 164 http://www.deutsche-biographie.de/sfz39533.html; 24.02.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: http://das-blaettchen.de/2011/10/dramatiker-von-rang-und-lebemann-8271.html; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 166 http://www.deutsche-biographie.de/sfz39533.html; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 167 Vgl.: Rothmann, Kurt: Kleine Geschichte der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag, 1978 (S.237) 168 http://www.deutsche-biographie.de/sfz39533.html; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 169 Vgl.: Ebenda; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 170 Vgl.: https://www.munzinger.de/search/portrait/Georg+Kaiser/0/1006.html; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 171 http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Kaiser; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 165 Seite 46 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Kaiser ging für kurze Zeit in den Widerstand und schrieb an Flugblättern mit. Als die GESTAPO ihm 1938 auf die Schliche kam, ging er über Antwerpen in die Schweiz ins Exil. Er ließ seine Familie zuhause. In der Schweiz führte er ein Leben mit Maria von Mühlfeld. Er zeugte eine uneheliche Tochter, namens Olivia. In der Schweiz lebte er nicht in Emigrantenlagern aufgrund seiner reichen Kontakte. Um 1940 wurde das Stück „Der Soldat Tanaka“, Gesellschaftskritik am japanischen Militarismus (unter Kaiser Hirohito), in Zürich uraufgeführt, wurde aber schon nach zwei Aufführungen abgesetzt, weil sich eine japanische Delegation öffentlich beschwert hatte. Georg Kaiser starb am 4. Juni 1945 in Ascona an einer Embolie.172 Sein Freund Julius Marx veröffentlichte noch weitere Dramen und sicherte dem verstorbenen Kaiser die Rechte an all seinen Stücken.173 Insgesamt schrieb er ca. 70 Dramen, 140 Gedichte und einige Prosawerke.174 172 Vgl.: https://www.munzinger.de/search/portrait/Georg+Kaiser/0/1006.html; 24.02.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Kaiser; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 174 Vgl.: http://www.deutsche-biographie.de/sfz39533.html; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 173 Seite 47 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2.07 Franz Kafka Franz Kafka (03.07.1883 – 03.06. 1924) gilt als einer der bekanntesten Schriftsteller des Expressionismus und schrieb Werke, wie „Der Prozess“, „Das Urteil“ (1913) oder „Die Verwandlung“ (1915). Franz Kafka175 wurde am 03. Juli 1883 in Prag geboren. Seine Eltern waren Herrmann und Julie Kafka. Herrmann Kafka war ein jüdischer Geschäftsmann, der in Prag mit seiner Familie lebte. Er war das älteste Kind von sechs Franz Kafka (1883-1924) Kindern. Seine beiden Brüder starben schon im Säuglingsalter. Kafka wuchs deswegen nur mit seinen drei jüngeren Schwestern auf: Elli (ähnliche Persönlichkeit), Valli (ähnlich zur Persönlichkeit seiner Mutter) und Ottla, die als einzige gegen die „elterliche Bevormundung rebellierte“.176 Seine Kindheit wurde durch Dienstmädchen bestimmt, da die Eltern keine Zeit für ihren Sohn, den Erstgeborenen, fanden. Er empfand seinen Vater als einen autoritären Choleriker, der auch vor Gewalt nicht zurückschreckte.177 Sein Verhalten – durchzogen von jähzorniger Rechthaberei, Ironie, Drohungen und Selbstbeklagungen – „hätten als Vergewaltigung des Kindes gewirkt, das besser ermuntert und bestätigt worden wäre“.178 Er erlebt traumatische Kindheitserlebnisse, die er in späteren Romanen und dem 1919 entstandenen „Brief an den Vater“ verarbeiten zu versucht. Er wurde beispielsweise einmal grundlos die ganze Nacht auf dem Balkon ausgesperrt. Dieser Erfahrungen, die Isolation, kommt in späteren Werken, wie „Die Verwandlung“, zum Ausdruck.179 Franz Kafka wird auf Deutsch erzogen und besucht deshalb von 1889 bis 1993 die „Deutsche Knabenschule am Fleischmarkt“ und danach von 1893 bis 1901 das Altstädter Staatsgymnasium. In humanistischen Fächern soll er sehr gut gewesen sein. In diesen Jahren sah er sich selbst als Darwinist und distanzierte sich vom jüdischen Glauben. Von 1901-1906 studierte er Germanistik für zwei Semester, brach dieses Studium allerdings 175 http://de.academic.ru/pictures/dewiki/75/Kafka1906_cropped.jpg; 03.02.2015 (letzter Zugriff) http://www.deutsche-biographie.de/register_pnd118559230.html; 03.02.2015 (letzter Zugriff) 177 Vgl.: Diekhans, Johannes (Hrsg.): Die Verwandlung. Brief an den Vater und weitere Werke von Franz Kafka. Paderborn: Schöningh Verlag, 2013 (S.61ff.) 178 http://www.deutsche-biographie.de/register_pnd118559230.html; 03.02.2015 (letzter Zugriff) 179 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 415) 176 Seite 48 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch ab, fing dafür Jura an und beendete dieses schließlich 1906 mit einem juristischen Doktorgrad.180 1908 arbeitete Franz Kafka – nach einem vorgeschriebenen Gerichtspraktikum – kurz für die Versicherungsgesellschaft Assicuazioni Generali in Prag. Danach arbeitete er bei der halbverstaatlichen Prager Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt Böhmen. Die in den folgenden Jahren mit dem Freund Max Brod (1884-1968) erlebten Urlaube zeigen sich in seinen literarischen Werken. In „Die erste lange Eisenbahnfahrt“ schildert er Erlebnisse.181 Im Jahr 1913 veröffentlichte er in einer Zeitschrift „Hyperion“ (1908), das Fragmente aus „Betrachtung“, „Das Urteil“ und „Der Heizer“ enthält. Kafka selbst sagte, dass er den Roman „das Urteil“ in der Nacht vom 22. Zum 23. September 1912 „von zehn Uhr abends bis sechs Uhr früh in einem Zug geschrieben“182 habe. Im Jahr 1914 wurde er nicht zum Militärdienst im Zuge des Ausbruchs des ersten Weltkriegs eingezogen, weil seine berufliche Tätigkeit essentiell für die Administration Böhmens war. Er verlobte sich mit Felice Bauer, mit der er schon seit Jahren einen intensiven Briefwechsel pflegt. Diese Beziehung stellte den Anfang von Kafkas komplizierten Frauenbeziehungen dar. Franz Kafka hatte Angst sich einem anderen Menschen zu öffnen und befürchtete dadurch sein eigenes Ich zu verlieren, das seit seiner Kindheit – so reflektierte er in seinen Tagebüchern – eine Entwicklung durchgemacht hat.183 Er flüchtete mehrmals in Sanatorien und beendete die Beziehung aufgrund seiner bestehenden Angst vor einer Vereinigung. 1917 kam es zwar zu einer erneuten Verlobung, wird aber wieder von Kafka gebrochen. 1916 veröffentlichte Kafka „Die Verwandlung“. Es thematisiert die Rebellion „gegen Familie und Beruf und zugleich der Entlarvung der Unmenschlichkeit, die sich hinter der kleinbürgerlichen Fassade versteckt“184. In den Folgenden drei Jahren folgen die Werke „In der Strafkolonie“, „ein Landarzt“ und „kleine Erzählungen“. 180 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 414) Ebenda 182 Ebenda 183 Diekhans, Johannes (Hrsg.): Die Verwandlung. Brief an den Vater und weitere Werke von Franz Kafka. Paderborn: Schöningh Verlag, 2013 (S.142ff.) 184 Ebenda 181 Seite 49 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 1922 wurde er wegen einer 1917 ausgebrochenen und nun immer weiter fortschreitenden Tuberkulose pensioniert.185 Er lebte bis März 1924 bei Dora Diamant, mit der er 1923 eine Beziehung einging, in Berlin. Am 3. Juni 1924 starb Kafka in Keiling bei Klosterneuburg während eines Sanatoriumsaufenthalts. Kurz zuvor veröffentlichte er sein letztes von ihm publiziertes Werk: „Ein Hungerkünstler. Vier Geschichten“.186 Ab 1925 beginnt Max Brod187 mit den Veröffentlichungen aus seinem Nachlass. Dazu zählen drei unvollendete Romane, die Kafka für missglückt hält, aber als Meilensteine der Literaturgeschichte gelten: „Der Prozess“ (1925), „Das Schloss“ (1926) und „Amerika“ (Max Brods Bezeichnung) bzw. „Der Verschollene“ (1927).188 Max Brod (1884-1968) Kafka erlangte in den 30er und 40er Jahren internationale Bekanntheit aufgrund seiner Werke aus dem Nachlass. Er gilt neben Thomas Mann als bekanntester Vertreter der deutschsprachigen Literatur im 20. Jahrhundert. Es gibt sogar eine nach ihm benannte Wortneuschöpfung: „Kafkaesk“. Es steht für „bizarr-schockierende und alogisch-makabre Gestaltungen und Situationen“189. 185 Vgl.: Diekhans, Johannes (Hrsg.): Die Verwandlung. Brief an den Vater und weitere Werke von Franz Kafka. Paderborn: Schöningh Verlag, 2013 (S.148ff.) 186 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 414) 187 http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2007/81000086/original/Bild.jpg; 03.02.2015 (letzter Zugriff) 188 Vgl.: Diekhans, Johannes (Hrsg.): Die Verwandlung. Brief an den Vater und weitere Werke von Franz Kafka. Paderborn: Schöningh Verlag, 2013 (S.150) 189 Vgl.: http://www.deutsche-biographie.de/register_pnd118559230.html; 03.02.2015 (letzter Zugriff) Seite 50 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2.08 Friedrich Nietzsche Friedrich Nietzsche (1844-1900) „gehört zu den einflussreichsten Autoren des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das gilt für die Geschichte der Philosophie ebenso wie für die Literatur.“190 Er wurde 1844 in Röcken (Sachsen) geboren und machte 1864 sein Abitur in Naumburg. Daraufhin studierte er Theologie und Philosophie in Bonn und Leipzig (1864-1869) und habilitierte 1869 zum Professor für Altphilosophie in Basel.191 Friedrich Nietzsche (1844-1900) Friedrich Nietzsche veröffentlicht Werke wie „Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik“, „Unzeitgemäße Betrachtungen“, „Menschliches, Allzumenschliches“ und „Parsifal“, allesamt Gesellschaftskritiken.192 1879 wird er aus Gesundheitsgründen frühzeitig pensioniert und lebt weiter als freier Schriftsteller. Er verfasst weitere Werke, wie „Also sprach Zarathustra“, „Jenseits von Gut und Böse“ oder „Der Fall Wagner“. 1890 Friedrich Nietzsche bricht zusammen und muss in eine Irrenanstalt in Basel. Die Diagnose lautet progressive Paralyse. Er wird aber entlassen und zeiht erst zu seiner Mutter nach Naumburg und dann, als die Mutter stirbt, 1897 nach Weimar zu seiner Schwester.193 Er stirbt schließlich am 25. August 1900 in Weimar. Friedrich Nietzsche vertrat wie viele expressionistische Künstler die Ansicht, dass das Individuum von der Masse getrennt werden müsse. Er befürchtete einen Ich-Zerfall. Nietzsche sprach Tabuthemen an und zerstörte beispielsweise die „Tabus der Vätermoral“.194 Nietzsche war der Meinung, dass der individuelle Wille die Gestaltungskraft einer Gesellschaft sein solle.195 Dazu wollte er einen Menschen, der frei seine eigene „Welt und 190 Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 380) Vgl.: Ebenda 192 Vgl.: https://www.dhm.de/lemo/biografie/friedrich-nietzsche; 03.03.2015 (letzter Zugriff) 193 Vgl.: Ebenda; 03.03.2015 (letzter Zugriff) 194 Vgl.: Rötzer, Hans Gerd: Geschichte der deutschen Literatur. Bamberg: Buchner-Verlag, 1992. S.304 195 Vgl.: Ebenda 191 Seite 51 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch seine Weltordnung schaffen“ solle.196 Er wollte überhaupt eine Umwertung aller Werte. Mit den alten Werten könne nur die Apokalypse kommen (Forderung eines neuen Menschen).197 Sprachlich gesehen benutzte er auch die ekstatische Sprache der Künstler. Wie bereits beschrieben, galt bei den Expressionisten Ekstase als zentraler Begriff. Dagegen kritisierte er die „Bildungsphilister“ und kritisierte genauso die Sprache an sich (Sprachskepsis).198 Insgesamt kann man sehen, dass Friedrich Nietzsche199 wie viele Expressionisten dachte. Friedrich Nietsche in Naumberg/Saale 196 Vgl.: Rötzer, Hans Gerd: Geschichte der deutschen Literatur. Bamberg: Buchner-Verlag, 1992. S.304 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 381) 198 Vgl.: Ebenda 199 http://2.bp.blogspot.com/_swEy8a1Mcw8/TRxbJzVl3CI/AAAAAAAADzI/oc9EmEmr6ts/s1600/image003.jpg; 03.03.2015 (letzter Zugriff) 197 Seite 52 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2.09 Edward Munch: Der Schrei (1893)200 „Edvard Munch [1863-1944]gilt als einer der berühmtesten Maler der Kunstgeschichte der Moderne. Vor allem wird er dafür bekannt, als Wegbereiter des Expressionismus zu wirken.“201 Er war ein norwegischer Grafiker und Maler, der unter einem labilen Gemütszustand und Phobien litt. Sehr berühmte Gemälde sind: "Sommernacht", "Der Kuss", "Der Schrei", "Angst", "Vampyr", "Madonna", "Der Tod im Krankenzimmer" sowie "Lebenstanz"202 Edward Munch (1863-1944) 200 http://grenzgaenge.files.wordpress.com/2010/08/skrik.jpg; 27.01.2015 (letzter Zugriff) http://www.kunst-zeiten.de/Edward_Munch-Leben; 27.01.2015 (letzter Zugriff) 202 Vgl.: http://www.munch-edvard.de/; 27.01.2015 (letzter Zugriff) 201 Seite 53 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Bildanalyse zu „Der Schrei“ (1893) von Edward Munch Das Gemälde „Der Schrei“ von Edward Munch wurde 1893 veröffentlicht, also in der Zeit zwischen den literarischen Epochen Symbolismus und Expressionismus. Es gilt als Wegbereiter des deutschen literarischen Expressionismus. Für das Werk hat er Pastellfarbe benutzt und das Gemälde hat eine Größe von 75cm x 57cm.203 Mein erster Eindruck ist, dass das Bild abstrakt und sehr furchteinflößend ist. Insbesondere die verwirrte Frau mit ihrem offenen Mund wirkt angsterfüllt. Der Hintergrund ist sehr verschwommen. Beim zweiten Eindruck fallen mir die Farben auf, die im Gemälde verwendet wurden: Helle und positiv besetzte Farben. Außerdem allen die zwei Personen im Hintergrund auf dem Steg auf. Es deutet nichts mehr auf etwas Übernatürliches hin, sondern vielleicht sogar eine alltägliche Situation. Es wirkt nun nicht mehr so furchteinflößend. Die Betonung liegt auf der dunkel gekleideten Person im Vordergrund. Sie wird nur bis zur Hüfte dargestellt.204 Die Augen sind weitaufgerissen und die Person hält die Hände an den Kopf. Der Mund ist o-förmig aufgerissen. Die Person hat eine Glatze und keine Augenbrauen. Das Gesicht ist wie der Körper sehr schmal und wellenförmig dargestellt. Die Person steht auf einer Brücke, die etwas Blaues überbrückt. Hinter der Person verläuft die Brücke – per Fluchtperspektive – quer in die linke obere Ecke des Bildes. Etwas weiter weg sind zwei weitere Personen angedeutet. Man sieht keine konkreten Personen, sondern nur Silhouetten. Sie sind antiproportional zur im Vordergrund stehenden Person dargestellt. Die Brücke scheint auf ein weißes Areal zu führen, das gleich an das Blaue anschließt. Das weiße Areal könnte ein Strand sein und das blaue Areal könnte ein Fluss oder Meer sein. Auf dem Fluss oder Meer befinden sich zwei Boote. Über dem Areal erstreckt sich ein rot-orange gefärbter Himmel, wie ein Sonnenaufgang bzw. Sonnenuntergang. Sowohl Strand, Fluss/Meer und Himmel sind wellenförmig und miteinander verschlungen dargestellt: „Das Bild wurde in angehend runder Form gezeichnet, die erkennt man an den 203 204 Vgl.: http://www.lerntippsammlung.de/Bildanalyse-_-2-.-Version.html/; 27.01.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: http://www.tagesthemen24.de/bildanalyse-der-schrei-teil-2//; 27.01.2015 (letzter Zugriff) Seite 54 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch vielen Wellen Formen die Edvard Munch in 3/4 des Bildes verwendet“205. Es scheint, als wolle der Künstler die Aufmerksamkeit auf die im Vordergrund stehende Person lenken. Das Gemälde ist recht abstrakt gehalten und lässt nicht viele Details zu. „Im Großen und Ganzen sind zwei größere Farbtrennungen zu beobachten, wobei die warmen Farben etwas überwiegen. Es werden fast ausschließlich die Farben Rot, Blau, Grün und Gelb genutzt.“206 Die dunklen Farben, wie Blau und Schwarz, verwendet er bei der Darstellung der Personen und des Meers. Das Gemälde „Der Schrei“ zeigt im Vordergrund eine angsterfüllte und schreiende Person. Sie ist entsetzt von einem Ereignis, das vor ihr passiert. Sie ist sehr abstrakt ( Expressionismus) dargestellt und verliert ihre menschlichen Eigenschaften Sie ähnelt fast schon einem Totenkopf.207 Die Person scheint seelisch labil ( Expressionismus) zu sein und scheint auf Hilfe zu hoffen. Der Auslöser für diesen Schrei könnte eine bevorstehende Katastrophe, ja sogar Apokalypse ( Expressionismus) sein, oder etwas Banales, wie dass ein Mensch von der Brücke ins Wasser gefallen ist. Die Apokalypse scheint sich zu nähern, weil der Himmel sich blutrot – wie Feuer – färbt. Diese Situation könnte man auf die Gesellschaft beziehen. Dieses Gemälde könnte man als Kritik an der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft ( Expressionismus) sehen. Es könnte der Verfall (Ich-Verfall), die Orientierungslosigkeit, die Verwirrtheit und die Angst der Menschen darstellen ( Expressionismus). Diese Person könnte eine isolierte Person in der Gesellschaft darstellen, die nicht wieder akzeptiert wird, weil sie sich nicht der Umgebung anpasst. Die Umgebung ist nämlich ruhig und unberührt dargestellt. Dazu passen auch die beiden Silhouetten hinter der Person, die der Person nicht helfen, sondern einfach weiterlaufen. Sie könnten als Kritik für die Menschen stehen, die nichts gegen Missstände sagen und – nach Meinung des Autors – alles über sich ergehen lassen. „Auf jeden steht der Schrei aber für die seelische Not des verzweifelten Menschens.“208 Ich habe „Der Schrei“ ausgewählt, weil es als bekanntestes expressionistisches Gemälde gilt. 205 http://www.lerntippsammlung.de/Bildanalyse-_-2-.-Version.html/; 27.01.2015 (letzter Zugriff) http://www.tagesthemen24.de/bildanalyse-der-schrei-teil-2//; 27.01.2015 (letzter Zugriff) 207 Vgl.: http://www.lerntippsammlung.de/Bildanalyse-_-2-.-Version.html/; 27.01.2015 (letzter Zugriff) 208 http://www.lerntippsammlung.de/Bildanalyse-_-2-.-Version.html/; 27.01.2015 (letzter Zugriff) 206 Seite 55 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2.10 Erzählprosa im Expressionismus Alfred Döblin209 als Autor „Zu den wichtigsten Prosaautoren gehörte Alfred Döblin“210 (1878-1957). Alfred Döblin studierte von 1900-1905 Medizin. Alfred Döblin (1878-1957) Während des Studiums spezialisierte er sich auf Neurologie und Psychiatrie. 1911 eröffnete er nach mehreren Anstellungen seine eigene Kassenarztpraxis in Berlin.211 In den Folgejahren entstanden Werke, wie „Wallenstein“ (1920) oder „Berlin Alexanderplatz“ (1929). 1933 emigrierte er nach Frankreich wegen der gefährlich werdenden Verhältnisse in Deutschland durch die Machtergreifung Hitlers 1933. Er bekam noch im selben Jahr die französische Staatsbürgerschaft. Von 1939-1940 arbeitete er für das französische Informationsministerium. In dieser Zeit entstanden Werke, wie „Pardon wird nicht gegeben“ (1935) oder „Das Land ohne Tod“ (1937).212 Aufgrund des deutschen Einmarschs im Zuge des zweiten Weltkrieg (01.09.1939-08.05.1945) flüchtete er über Spanien und Portugal in die Vereinigten Staaten. Dort ließ er sich im künstlerreichen Hollywood nieder.213 1945 kehrte er nach Deutschland zurück, zog aber schon 8 Jahre später (1953) nach Frankreich, weil er 1. zutiefst von der deutschen Nachkriegsentwicklung enttäuscht war und 2. seine Werke nicht die gewünschte Beachtung finden.214 Er starb 1957 in Emmendingen an Altersschwäche. 215 209 https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/ba009833; 22.02.2015 (letzter Zugriff) http://www.literaturwelt.com/epochen/express.html/; 22.02.2015 (letzter Zugriff) 211 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 420) 212 Vgl.: https://www.dhm.de/lemo/biografie/alfred-doeblin; 22.02.2015 (letzter Zugriff) 213 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 421) 214 Vgl.: https://www.dhm.de/lemo/biografie/alfred-doeblin; 22.02.2015 (letzter Zugriff) 215 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 421) 210 Seite 56 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Die Ermordung einer Butterblume (1904) Die Ermordung einer Butterblume ist eine von Alfred Döblin 1904 veröffentlichte Erzählung, die aufgrund des modernen Stils und surreale Einfälle als „Expressionisten-Klassiker“216 gilt. Die Erzählung handelt von einem Kaufmann, Michael Fischer, der eines Tages spazieren geht und mit seinem Spazierstock durch Herumgefuchtel einer Butterblume den Kopf abschlägt. Er kümmert sich in der Folgezeit um die Butterblume. Er richtet ihr ein Konto ein und pflegt andere Butterblumen. Er betrügt sie trotzdem immer wieder durch kaufmännische Tricks, wie beispielsweise Kontoabrechnungen zu Gunsten Fischers. Irgendwann fühlt er sich, dass er alles wieder gut gemacht hat bis die Putzfrau die Blume komplett wieder zerschlägt.217 Themen Die Erzählung thematisiert vor allem das Schuldgefühl des Menschen, das der Mensch versucht zu kompensieren. Dabei ist die Natur gar nicht abwendbar oder zu besänftigen. Der Mensch ist dagegen ein untergeordnetes Glied (expressionistischer Gedanke Mensch als Objekt). Der Mensch versucht alles, um die Apokalypse, das schlimmstmögliche Ereignis, abzuwenden. Es thematisiert auch den Realitätsverlust beim Menschen. Anstatt sich auf sozialeinterhumane – Beziehungen einzulassen, werden Pflanzen – Dinge – vermenschlicht (Anthropomorphisierung). Bürokratie und Rechnungswesen wurden beispielsweise auf Dinge angewandt. Durch den Namen „Michael Fischer“, ein Allerweltsname, zeigt Döblin schon, dass er generelle Veränderungen der Gesellschaft möchte und sich nicht auf ein konkretes Individuum beziehen möchte. Alfred Döblin impliziert, dass er einen neuen Menschen fordert. Er möchte einen realitätsnahen und schuldbewussten Menschen. Die Abstraktheit dieser Erzählung lässt sich auf die Illusion der Realisierung der Forderung zurückzuführen. 216 217 http://www.leixoletti.de/interpretationen/dieermordungeinerbutterblume.htm; 22.02.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: Rothmann, Kurt: Kleine Geschichte der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag, 1978 (S.241ff.) Seite 57 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Berlin Alexanderplatz (1929)218 Der Roman „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin, erschienen 1929, handelt von Franz Biberkopfs Problemen im Großstadtleben Berlins. Berlin gelte als realer mythischer Moloch und ein apokalyptisches Pandämonium.219 Der Roman ist eine Mischung aus Elementen des Expressionismus und der Großstadtlyrik.220 Franz Biberkopf ist vier Jahre lang im Gefängnis gewesen. Als er entlassen wird, verbündet er sich wieder an einen Kriminellen, namens Reinhold. Er hat zuvor neue Vorsätze gefasst, um sein Leben zu verändert. Doch bald wird ihm klar, dass er Berlin Alexanderplatz (1929) diese nicht einhält. Kurz darauf wird Biberkopf wegen angeblichen Mordes an seiner Geliebte Mieze wieder verhaftet. In Wirklichkeit ist es allerdings Reinhold gewesen. Vom Gericht wird Biberkopf freigesprochen. Nun verspricht sich Biberkopf ein neuer Mensch zu werden. Franz Biberkopf nimmt wenig später eine Stelle als Hilfsportier an und beginnt ein neues Leben. Themen: Expressionismus oder Großstadtlyrik? Der Roman thematisiert den Ich-Zerfall und die Forderung nach einem neuen Menschen. Es wird ein Mensch ohne Verderben, ohne ein pessimistisches Weltbild und ohne Deformation gefordert. Der Mensch soll seine Vernunft benutzen gemäß der Parole: „Dem Mensch ist gegeben die Vernunft, die Ochsen bilden stattdessen die Zunft“.221 Der Roman sei eine „radikale Abkehr vom bürgerlich-psychologischen Roman. Hier wurde kein Einzelschicksal analysiert.“222 Der Autor fügt zudem noch regelmäßig seine eigene Gesellschaftskritik ein: 218 http://www.lbi.org/wp-content/uploads/2011/02/salter-alexanderplatz.jpg; 22.02.2015 (letzter Zugriff) Vgl.: http://www.buceriuskunstforum.de/veranstaltungen/alfred-doeblin-berlin-alexanderplatz/; 22.02.2015 (letzter Zugriff) 220 Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 420) 221 Ebenda 222 http://www.dtv.de/_pdf/blickinsbuch/295.pdf; 22.02.2015 (letzter Zugriff) 219 Seite 58 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch „Franz ist ein Mann von Format, er weiß, was er sich schuldig ist.“223 Döblin appelliert an seine moralischen Werte und Normen, von denen er geprägt ist. Er weist noch einmal darauf hin. Er fürchtet, wie in „Die Ermordung einer Butterblume“, dass viele ihr Schuldgefühl vernachlässigen. „Franz Biberkopf geht auf die Suche, man muss Geld verdienen, ohne Geld kann der Mensch nicht leben.“224 An dieser Stelle kritisiert er die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft, die von Geld kontrolliert wird. Frühere Statussymbole spielen nur noch eine untergeordnete Rolle, genauso wie der Mensch. Der Mensch ist nur noch das Objekt. Sprachlich benutzt Döblin den Telegrammstil (z.B. S.388), wie er häufig in expressionistischen Werken zu finden ist. Diese Deformation, die Kritik und die kritisierte Desillusion sind ebenfalls in der simultan stattfindenden Großstadtlyrik zu finden.225 Das Besondere Der Roman besteht aus eindrucksvollen Sequenzen, die vor allem durch die bildliche Sprache geschaffen werden. Alfred Döblin benutzt viele Zitatmontagen, wie sie erst später in der Nachkriegszeit wieder aufgegriffen werden. „Berlin Alexanderplatz“ zeichnet sich durch seine Beispiellosigkeit aus. Kaum ein deutscher Roman wurde noch 50 Jahre später wieder verfilmt.226 223 Döblin, Alfred: Berlin Alexanderplatz. DTV. 1929 (i.d. Fassung 2000), S. 88 Döblin, Alfred: Berlin Alexanderplatz. DTV. 1929 (i.d. Fassung 2000), S. 59 225 Vgl.: Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag 2004 (S. 420) 226 Vgl.: Ebenda (S. 421) 224 Seite 59 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2.11 „Verlorene Menschheit“ (Eigenes Gedicht) Verlorene Menschheit (2015) von Gerrit von Zedlitz 1 Verlorene Menschheit auf dem Weg zum jüngsten Gericht, 2 Verlorene Menschen, entstellte Körper ohne Gesicht: 3 Das Blut spritzt aus dem explodierten Pulverfass, 4 Gemüte entbrennen voller Groll, Extreme und Hass, 5 Angst spiegelt sich wider in herausquellenden Augen, 6 Mensch beginnt zu verfaulen und 7 Natur jedes Leben auszusaugen. 8 Das Pulver in den Gewehren rettet Menschen und schützt 9 nicht vor nahendem Ende der Welt, 10 Wahnsinn ist Natur, Natur der klare Held. 11 Hinrichtung geht weiter. 12 Gevatter wird heiter. 13 Eiserne Reiter. 14 Und DER KRIEG macht sich zum Leiter. 15 Charon fährt die Toten durch enge Gassen, 16 deformierte Menschen, die Apokalypse hinter sich lassen. 17 Tartaros, die Welt der Schatten, 18 eine schlitternde Gesellschaft, 19 wie im Mittelalter – voller stinkender Ratten. 20 Krieg reguliert Mensch! 21 Mensch reguliert nicht Krieg! 22 Denn es ist sinnlos 23 herausquellende Augen sehn kein‘ Sieg. Seite 60 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Analyse: V1: Einleitung, Wiederholung der Überschrift, Anapher „Verlorene Mensch..“, Sprachverkappung („Verlorene Menschheit“), „Jüngstes Gericht“ als allerletzter Ausweg (eher ironisch gemeint), Dynamisierung V2: Einleitung, Anapher „Verlorene Mensch..“, Sprachverkappung („Verlorene Menschheit“), deformierte Menschen V3: deformierte Menschen, Ich-Zerfall (Thema), „Pulverfass“ als Metapher für den menschlichen Körper und den Ausbruch des ersten Weltkriegs, „Blut“ als Symbol für Tod & Verwesung V4: Sprachverkappung „Gemüte“, Numeration („Groll, Extreme und Hass“), Anthropomorphisierung, Tabuthemen V5: Angst (Thema), Sprachverkappung, deformierte Menschen, Ich-Zerfall (Thema), V6: Enjambement zu V. 7, Sprachverkappung, deformierte Menschen, Tabuthemen, Darstellung eines Paradoxon V7: Enjambement von V. 6, Sprachverkappung, deformierte Menschen, Tabuthemen, Natur als Katastrophe V8: Enjambement zu V. 9 (Kontrastierung), Versuch Menschheit zu retten V9: Enjambement von V. 8, Darstellung des Hässlichen, Apokalypse (Thema), Versuch Menschheit zu retten scheitert V10: Sprachverkappung, Ich-Zerfall (Thema), Darstellung des Hässlichen, Tabuthemen, V11: Simultanstil (V. 11-14), Telegrammstil, Tabuthemen, Darstellung des Hässlichen, Dynamisierung V12: Simultanstil (V. 11-14), Telegrammstil, Tabuthemen, Darstellung des Hässlichen, Allgegenwärtigkeit des Tods in Form des Sensenmanns (Gevatter) V13: Simultanstil (V. 11-14), Telegrammstil, Metapher für Panzer und schwere Geschütze V14: Simultanstil (V. 11-14), Telegrammstil, Anthropomorphisierung, Personifizierung von Naturgewalten, Ich-Zerfall (Thema) V15: Tabuthemen, Apokalypse (Thema), Anlehnung an griechische Mythologie, Dynamisierung V16: deformierte Menschen, Apokalypse (Thema) V17: Tabuthemen, Apokalypse (Thema), Anlehnung an griechische Mythologie, Pessimistisches Weltbild / Zukunftspessimismus (Thema) V18: Simultanstil, Darstellung des Hässlichen, Apokalypse (Thema), Wir-Zerfall (Thema), Seite 61 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Dynamisierung V19: deformierte Menschen, Tabuthemen, Darstellung des Hässlichen V20: Sprachverkappung, Anthropomorphisierung, Variation zu V.21 V21: Simultanstil (V. 21-22), Telegrammstil, Sprachverkappung, Ich-Zerfall (Thema), Variation zu V.20 V22: Schluss, Simultanstil (V. 21-22), Telegrammstil, Enjambement zu V.23, Pessimistisches Weltbild / Zukunftspessimismus / Aufgeben als Thema V23: Schluss, Enjambement von V.22, Sprachverkappung, deformierte Menschen, Darstellung des Hässlichen, Apokalypse (Thema), Ich-Zerfall (Thema), Pessimistisches Weltbild / Zukunftspessimismus (Thema) Seite 62 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 2.12 Standbilder Svenja Kochwatsch und ich haben Standbilder zu den Themen des Expressionismus gemacht (siehe: Epochenüberblick Expressionismus Themen): Alkohol als Eskapismus Apokalypse als einziger Ausweg Angst Drogen als Eskapismus Wahnsinn Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Seite 63 Orientierungslosigkeit Pessimistisches Weltbild / Hoffnungslosigkeit und Isolation Krieg Deformation des Menschen und der Mensch, der Katastrophen auslöst Hinrichtung als Tabuthema und Deformation des Menschen Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch Seite 64 3. Anhang 3.1 Literaturverzeichnis Monographien: 1. Basil, Otto: Georg Trakl. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch Verlag, 2010 2. Brunner, Horst: Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1997 3. Diekhans, Johannes (Hrsg.): Die Verwandlung. Brief an den Vater und weitere Werke von Franz Kafka. Paderborn: Schöningh Verlag, 2013 4. Döblin, Alfred: Berlin Alexanderplatz. DTV. 1929 (i.d. Fassung 2000) 5. Dr. Müller, Friedrich: Deutsche Dichtung. Kleine Geschichten unserer LiteraturPaderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 1966 6. Felgentreu, Simone und Dr. Langemann, Detlef: Duden. Basiswissen Schule. Deutsch. Dudenverlag, 2010 7. Jägel, Wolf-Dietrich: Epochen deutscher Dichtung. Ein Lehr- und Lesebuch. Fünfte Auflage. Paderborn: Schöningh-Verlag, 1964 8. Kircher, Hartmut: Heinrich Heine. Marburg: Tectum-Verlag, 2012 9. Kortländer, Bernd: Heinrich Heine. Stuttgart: Reclam-Verlag, 2003 10. Lobeck, Monika: Schulwissen Kompakt Deutsch. Nachschlagen und verstehen. Gütersloh/München: Brockhaus Scolaris Verlag, 2012 11. Marcuse, Ludwig: Heinrich Heine. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg: Rotwohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1960 12. Matzokowski, Bernd: Das lyrische Schaffen. Georg Trakl. Königs Erläuterungen Spezial. Hollfeld: Bange Verlag, 2007 13. Meid, Volker: Das Reclam Buch der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag, 2004 14. Rothmann, Kurt: Kleine Geschichte der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam-Verlag, 1978 15. Rötzer, Hans Gerd: Geschichte der deutschen Literatur. Bamberg: Buchner-Verlag, 1992 Seite 65 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch 16. Schurf, Bernd und Wagener, Andrea (Hrsg.): Texte, Themen, Strukturen. Berlin: Cornelsen Verlag, 2009 17. Wackenroder/Tieck, zit. N. Frühwald, Wolfgang, Die Poesie und der poetische Mensch. Zu Eichendorffs Gedicht Sehnsucht, in Segebrecht, Wulf (Hg.), Gedichte und Interpretationen Band 3, Stuttgart 1984 18. Weigandt, Tim-Julian: Arbeitsblatt „Expressionistische Kennzeichen lyrischer Literatur“ Internetquellen: 1. http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Kaiser; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 2. http://das-blaettchen.de/2011/10/dramatiker-von-rang-und-lebemann-8271.html; 24.02.2015 (letzter Zugriff) 3. http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Lemberg ; 27.02.2015 (letzter Zugriff) 4. http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2007/81000086/original/Bild.jpg; 03.02.2015 (letzter Zugriff) 5. http://gedichte.xbib.de/Eichendorff_gedicht_Die+Heimat.htm; 27.02.2015 (letzter Zugriff) 6. http://gutenberg.spiegel.de/autor/br-220; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 7. http://gutenberg.spiegel.de/autor/eta-hoffmann-154; 27.02.2015 (letzter Zugriff) 8. http://gutenberg.spiegel.de/autor/joseph-freiherr-von-eichendorff-142; 05.03.2015 (letzter Zugriff) 9. http://gutenberg.spiegel.de/autor/ludwig-uhland-601; 08.03.2015 (letzter Zugriff) 10. http://images.zeit.de/kultur/literatur/2009-11/else-lasker-schueler/else-lasker-schueler540x540.jpg; 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Ausleihen von Büchern in der Stadtbibliothek 1. Quellensuche im Internet und Mindmap Expressionismus Epochenüberblick Expressionismus Epochenüberblick Expressionismus Georg Trakl Paket mit Büchern von Großeltern Erster Eindruck "Im Winter" von Georg Trakl + Gedichtsanalyse "Grodek" 2. Quellensuche im Internet Georg Kaiser und Franz Kafka Gedichtsanalyse "Grodek" 3. Quellensuche im Internet Franz Kafka Friedrich Nietzsche und Bildanalyse "Der Schrei" Erste Zwischenkorrektur bei Eltern Bildanalyse "Der Schrei" Erzählprosa im Expressionismus + eigenes Gedicht Eigenes Gedicht und Analyse + Ausleihen von Büchern in der Stadtbibliothek Zweite Zwischenkorrektur bei Großeltern Standbilder Epochenüberblick Romantik, Farbsymbolik in der Romantik Erster Eindruck "Mondnacht" + Erster Eindruck "Wenn die Sonne weggegangen" Epochenüberblick Romantik + Thema Heimat 4. Quellensuche im Internet Gebrüder Grimm, innerer Monolog zu "Sehnsucht" Heinrich Heine, Joseph von Eichendorff Bildersuche im Internet Erster Eindruck "Verfall" von Georg Trakl + Gedichtsanalyse "Sehnsucht" Erstellen des Literaturverzeichnisses Inhaltliche Überarbeitung Formale Überarbeitung Kleine Änderungen und Erstellen des Arbeitsplans Seite 70 Lyrikmappe D GK Q2.2: Expressionismus und Romantik Gerrit von Zedlitz-Neukirch