Historische Halle Rieckhallen Carl Andre: Sculpture as Place, 1958
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Historische Halle Rieckhallen Carl Andre: Sculpture as Place, 1958
Carl Andre: Sculpture as Place, 1958 – 2010 14 13 12 11 Rieckhallen 7–10 6 5 4 3 2 1 Historische Halle Eingang / Entrance EINFÜHRUNG Mit mehr als 300 Arbeiten ist Carl Andre: Sculpture as Place,1958 – 2010 die bis dato umfangreichste Einzelausstellung des bedeutenden US-amerikanischen Künstlers. Im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart wird sein minimalistische Werk mit Arbeiten aus über fünf Jahrzehnten vorgestellt: Rund 50 Skulpturen, über 150 Gedichte, die selten ausgestellten Assemblagen „Dada Forgeries“ ebenso wie eine Auswahl von Fotografien und Ephemera machen die historischen Veränderungen und Entwicklungen in seinem Werk erfahrbar. Dieses Begleitheft enthält einen einführenden Text zu Carl Andres Skulpturen, kurze Informationen zu einer Auswahl der ausgestellten Werke und die Grundrisse der Ausstellungsräume mit den Werkbeschriftungen. Den Auftakt bilden vier große Bodenskulpturen in der lichtdurchfluteten Historischen Halle des ehemaligen Bahnhofsgebäudes. In den Rieckhallen, die ehemals als Lager- und Speditionshallen genutzt wurden, entfaltet sich das Werk dann entlang einer losen Chronologie. Der architektonische Kontext des Hamburger Bahnhof tritt in einen Dialog mit den von Andre verwendeten Materialien und lässt überdies Bezüge zu seiner prägenden Zeit bei der Eisenbahn Anfang der 1960er Jahre zu, während der er als Bremser arbeitete. Er nannte sie seine „sculptural finishing school“. Anlässlich der Ausstellung haben Besucherinnen und Besucher die seltene Gelegenheit, alle gezeigten Bodenskulpturen aus Metallplatten zu betreten. Wir verdanken es dem überaus großen Wohlwollen der Leihgeber, dass die Werke auf diese einzigartige Weise und damit in der Form erlebt werden dürfen, die der Künstler für sie vorsah. Wir bitten Sie, dies zu respektieren und den Werken im Sinne des Künstlers zu begegnen. Wir behalten uns vor, diese Regelung bei Bedarf wieder aufzuheben. Bitte behalten Sie Ihre Schuhe an und betreten Sie die Boden skulpturen nicht mit hohen Absätzen oder nassen Schuhen. Kinderwagen und Rollstühle dürfen nicht auf die Skulpturen befördert werden. Bitte rennen Sie nicht auf den Werken. Bitte berühren Sie die Werke nicht mit ihren Händen. Nicht mehr als 3 Personen dürfen gleichzeitig eine Skulptur betreten. Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich gerne an die Aufsichten. Vielen Dank! INTRODUCTION Encompassing more than 300 works, Carl Andre: Sculpture as Place, 1958 – 2010 is the largest solo show to date of this major American artist. The Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart presents Andre’s minimalist oeuvre by exhibiting works from over five decades. Approximately 50 sculptures, more than 150 poems, a group of rarely exhibited assemblages known as “Dada Forgeries”, and a selection of photographs and ephemera allow audiences to trace the historical shifts and evolutions in his artistic production. This booklet includes an introductory text on Andre’s sculptures, short descriptions of selected individual works, and an annotated floor plan of the galleries. The exhibition opens with four large sculptures, which are located in the light-filled Historic Hall of the former train station. Following the chronology of Andre’s artistic production, the presentation then unfolds in the Rieckhallen, a row of converted storage and freight warehouses. Overall, the architectural context of the Hamburger Bahnhof enters into a dialogue with Andre’s materials echoing with allusions to the artist’s time spent working in the early 60s for the railroads as a freight brakeman. He called this period his “sculptural finishing school”. In this exhibition, visitors have the rare opportunity to access all of the presented metal floor sculptures by walking on them. We are indebted to the individuals and foundations that loaned the works that they can be experienced according to the way the artist planned them. We kindly ask you to treat the works carefully and with respect. We reserve the right to withdraw this opportunity as appropriate. Please keep your shoes on at all times. Do not access the floor sculptures if you are wearing high heels or wet shoes. Buggies and wheelchairs are not allowed on the sculptures. Please do not run. Please do not touch the works with your hands. Access to the sculptures is limited to three persons at a time. If you have any questions please do not hesitate to ask one of our guards. Thank you very much! SKULPTUR ALS ORT Carl Andre (geb. 1935 in Quincy, Massachusetts, lebt in New York City) hat den Blick auf die Skulptur grundlegend verändert. Beeinflusst von Constantin Brâncus� i und Frank Stella fand er Mitte der 1960er Jahre zu einer radikal neuen Auffassung von Skulptur, die ihn zu einer der zentralen Figuren der Minimal Art machte. Andre arbeitet mit Roh- und Industriematerialien, so etwa mit Metallen, wie Stahl, Kupfer, Aluminium und Magnesium, mit Gesteinen und Baustoffen, beispielsweise Schamotte-, Ziegel- oder Kalk steinen, aber auch mit Holz. In Rasterstrukturen, geometrischen Feldern und linearen Bahnen ordnet der Künstler Platten, Blöcke, Barren und andere Materialeinheiten zu raumgreifenden Skulpturen an. Er war einer der ersten Künstler, die primär ortsspezifisch arbeiteten: „Ich bin kein Atelierkünstler, ich bin ein Ortskünstler“, so erklärt er selbst diese Haltung. Der Umgebungs raum ist stets Teil des Werkes, die häufig begehbare Skulptur wird zum Ort („sculpture as place“) und definiert die Rolle des Publikums neu. In Abgrenzung zur klassischen Bildhauertradition begann Andre ab 1960 auf jegliche künstlerische Materialbearbeitung zu verzichten. Die vertikale Ausrichtung der Skulptur gab er zugunsten einer horizontalen Flächig keit auf. Er holte die Skulptur vom Sockel und machte sie als Bodenarbeit begehbar. Der Körpererfahrung des Publikums wurde dadurch eine zentrale Bedeutung zugesprochen. Im Zuge seiner Auseinandersetzung mit der Geschichte der Bildhauerei identifizierte Andre drei wichtige Momente, die entscheidend für das Verständnis seiner Kunst sind: Skulptur als Form, Skulptur als Struktur und Skulptur als Ort. Er beschreibt diese drei Momente folgendermaßen: „Zu Zeiten, als Form eine Rolle spielte, interessierten sich die Menschen für die Freiheitsstatue, weil Bartholdi sie modelliert hatte und wegen der Form gebung des Kupferblechs [...] Dann fingen die Leute an, sich für das Thema Konstruktivismus zu interessieren, und Bartholdis Form interessierte sie nicht mehr. Jetzt interessieren sie sich für die innere Struktur von Eiffels Gußeisen Konstruktion [...] Heute sind Bildhauer nicht einmal mehr an Eiffels Konstruktion interessiert. Also denke ich an Bedloe’s Island als Ort. Ich benutze ‚Ort’ als eine Art Aphorismus, der für mich zuzutreffen scheint, nämlich daß ich von der Form in der Skulptur zur Struktur der Skulptur gekommen und jetzt beim Ort in der Skulptur angelangt bin.“ Den vierten zentralen Eckpfeiler der Skulpturenauffassung Andres bildet die Materialität. Im Jahr 1991 stellte er fest: „Meine ersten Untersuch ungen der Skulptur bezogen sich auf die Faktoren der Form, der Struktur und des Ortes. Heute realisiere ich, dass ich dabei den für mich wichtigsten Faktor nicht berücksichtigt habe: Die Materialität. Die Eigenschaften der Materialien sind der wichtigste Bestandteil meiner Skulpturen.“ Ende der 1950er Jahre, zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn hatte Andre Holz und Plastik mit Sägen oder Bohrern bearbeitet. Aus dieser kurzen frühen Phase sind nur wenige Arbeiten erhalten. Schon bald entwickelte er ein Interesse an den Eigenschaften fabrikgefertigter Materialien, deren Form, Gewicht und Oberflächenbeschaffenheit. „Anstatt in das Material zu schneiden, benutze ich es als einen Schnitt im Raum“, so beschreibt Andre seine Abkehr von der künstlerischen Materialbearbeitung. Der „Cut“ ist dabei weniger eine Darstellung, die man betrachtet, als eine Art „Lokalität“, ein Ort, den das Publikum erleben kann. SCULPTURE AS PLACE Carl Andre (b. 1935, Quincy, Massachusetts, lives in New York City) has lastingly redefined our traditional concept of sculpture. Influenced by Constantin Brâncus� i and Frank Stella, he forged a fundamentally new understanding of sculpture in the mid-1960s, making him one of the leading figures of Minimal Art. The artist works with raw and industrial materials: metals (primarily steel, copper, aluminium, and magnesium), rocks and construction materials (such as bricks and limestone), but also wood. Using grid-like structures, geometric patterns, and straight lines, the artist sorts and arranges slabs, blocks, ingots, and other units of often factory-finished material to create large-scale sculptures on the floor. Andre was one of the first artists to create works that were primarily site- specific, declaring: “I am not a studio artist, I am a location artist”. The surrounding space is thereby integrated into the work itself, the sculpture — which often can be walked on — becomes place, radically redefining the role of the spectator in the process of reception. From 1960 onward, in order to subvert the traditions of classical sculpture, Andre abandoned any artistic treatment of his materials. He also gave up sculpture’s vertical alignment in favor of horizontal flatness. Andre took the sculpture off its pedestal and literally made it accessible to the visitor. Bodies in space, including the visitors themselves, gained a new and imminent role. In the course of his exploration of the history of sculpture Andre identified three central moments that remain crucial for understanding his art: sculpture as form; sculpture as structure; and, finally, sculpture as place. This is how he described these three moments: “In the days of form, people were interested in the Statue of Liberty because the modeling of Bartholdi and the modeling of the copper sheet that was the form of the Statue of Liberty. [...] Then people came to be interested in structure and they were not interested in Eiffel’s cast iron interior structure [...] Now sculptors aren’t even interested in Eiffel’s structure anymore. They’re interested in Bedloe’s Island and what to do with that. So I think Bedloe’s Island as a place. I use place as a kind of aphorism that seems to work for me about shifting from form in sculpture to structure in sculpture to what I wound up with as place in sculpture.” Matter is the fourth central pillar of Andre’s notion of sculpture. While always important for his work he did not realize its great significance however until later. In 1991 he stated: “My original analysis of sculpture included the factors of form, structure and place. Now I realize that I left out the one factor most important to me: matter. The properties of matter are the most important content of my sculpture.” At the beginning of his artistic career in the late 50s Andre modified wood and plastics by using saws and drills. Only a few works are preserved from this early phase. Soon, he developed an interest in the characteristics of prefabricated materials — their respective form, weight and surface structures. Andre described his shift from manipulating material artistically to exploring how the material impacted the surrounding space as follows: “Rather than cut into the material, now I use the material as the cut in space.” His idea of a sculptural “cut” is expressed in the specific contrast of the sculptures towards and within the architecture of the exhibition space. The cut is less a representation to be looked at but rather a kind of locus — a place the viewer can experience. Eingang / Entrance HISTORISCHE HALLE 6-Metal Fugue (for Mendeleev) 1995 Quadrat aus 216 Platten mit insgesamt 1296 Teilen (36 × 36) / square made of 216 plates with 1296 units (36 × 36) Private Collection Bis / until 29. August 2016 07515 Karlsplatz 1992 Rot-Zeder / Western red cedar; 84 Teile / units Friedrich Christian Flick Collection Rieckhallen Zeitlos 5 × 7 1988 Verwitterter Stahl / Weathered steel; 35 Teile / units Courtesy the artist and Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf Lament for the Children New York, 1976 (zerstört / destroyed), Wolfsburg, 1996 (erneut ausgeführt / remade) Beton / concrete; Quadrat aus 100 Teilen / 100-unit square Courtesy the artist and Paula Cooper Gallery, New York HISTORISCHE HALLE In der über zehn Meter großen Arbeit 6-Metal Fugue (for Mendeleev) von 1995 verweist Andre bereits im Titel auf das Periodensystem. Die systema tische Übersicht über die chemischen Elemente wurde 1869 von dem Chemiker Dmitri Mendelejew entwickelt, dem Andre diese Arbeit widmete. Entsprechend ihrer Anordnung im Periodensystem hat Andre 1296 Metall quadrate aus Magnesium, Aluminium, Eisen (hier: Stahl), Kupfer, Zink und Blei angeordnet. Die gesamte Fläche lässt sich auf sechs mal sechs quadratische Teilbereiche aufgliedern, die aus jeweils 36 kleinen quadratischen Platten bestehen. Innerhalb dieser Struktur werden vom ersten bis zum letzten quadratischen Teilbereich alle Materialkombinationen durchgespielt. In Anlehnung an das musikalische Kompositionsprinzip der Fuge, bei der ein Thema verschiedenartig wiederholt wird, variiert Andre den Reinheitsgrad der sechs Metalle in systematischer Weise. „Das Perioden system der Elemente ist für mich das, was für den Maler das Farbspektrum ist”, beschreibt Andre diesen Einfluss, und er nennt sich in Anlehnung an den Maler William Turner den „Turner der Materie“, der sich an dem Periodensystem wie an einer Farbpalette bedient, um seine Kunst zu schaffen. Die Bodenarbeit Zeitlos 5×7 (1988) aus Stahl wurde für genau diese Stelle in der Historischen Halle geschaffen. Sie ist benannt nach der gleichnamigen Ausstellung Zeitlos. Kunst von heute im Hamburger Bahnhof, Berlin des Schweizer Kurators Harald Szeemann. Die Ausstellung fand 1988 in dem stark sanierungsbedürftigen Bahnhofsgebäude statt, das 1996 als Museum der Gegenwart eröffnete. Die Präsentation dieser Arbeit ist eine Hommage an den Künstler, der immer ortspezifisch arbeitet und auf den jeweiligen Ausstellungsraum und -kontext reagiert. Die Präsentation in der Historischen Halle ist nur bis zum 29. August 2016 zu sehen. HISTORIC HALL The title of the work 6-Metal Fugue (for Mendeleev) (1995) refers to the periodic table of the elements. This systematic diagram was developed by the chemist Dmitri Mendeleev in 1869; Andre dedicated this work to him. Andre arranged 1296 metal squares made from magnesium, aluminum, iron (here: steel), copper, zinc, and lead according to their position in the periodic system. The entire rectangle is made up of 36 square sub-areas that each also consist of 36 smaller units. A refracted series of squares, this sculpture contains each possible material combination. Following the compositional principle of the musical fugue where a certain motif is repeated in a variation of ways Andre systematically plays with the purity grade of the six metals. “The periodic table of elements is for me what the color spectrum is for the painter,” said Andre, who, in reference to the painter William Turner, would also call himself the “Turner of matter.” The floor work Zeitlos 5×7 (1988) consists of steel and was made precisely for this location in the Historic Hall. It is named after the eponymous exhibition Zeitlos. Kunst von heute im Hamburger Bahnhof Berlin, which was curated by the Swiss curator Harald Szeemann. The exhibition took place in 1988 when the building was still in dire need of renovation before it opened as a contemporary art museum in 1996. The presentation of this work is a homage to an artist who has always been congenially inspired by the exhibiton space and context. The presentation in the Historic Hall is on view only until 29 August 2016. 1 Tau and Right Threshold (Element Series) New York, 1960 (Entwurf / proposed), Minneapolis, 1971 (Ausführung / made) Holz (ohne nähere Angabe) / wood (not specified); 3 Teile / units Wexner Center for the Arts Pyramid (Square Plan) New York, 1959 (zerstört / destroyed), Orleans, Massachusetts 1970 (erneut ausgeführt / remade) Weymouth-Kiefer / Eastern pine; Stapel aus 74 Teilen / 74 unit-stack Dallas Museum of Art; General Acquisitions Fund and matching funds from The 500, Inc. Lever New York, 1966 Schamotteziegel / fire brick; 137 Teile / units National Gallery of Canada, Ottawa; erworben / purchased 1969 Herm (Element Series) New York, 1960 (Entwurf / proposed), New York, 1976 (Ausführung / made) Rot-Zeder / Western red cedar, 1 Teil / unit; Solomon R. Guggenheim Museum, New York; Geschenk Angela K. Westwater, 1986 1 DE Der erste Raum der Rieckhallen ist den frühen Arbeiten Carl Andres gewidmet. Seine dreiteilige Element Series wurde 1960 konzipiert, konnte aber aus ökonomischen Gründen erst 1970 realisiert werden: Jeweils aus einem bis drei Teilen bestehend, beginnt die Reihe mit einem einzelnen Block (Herm), wird dann zu einer Doppeleinheit und schließlich zu einer dreiteiligen Einheit (Tau and Right Threshold). Mit der Element Series begann Andre, Materialien in ihrem industriellen Rohzustand zu verwenden. Viele Werke aus dieser frühen Zeit, so auch Pyramid (Square Plan), die ursprünglich im Jahr 1959 entstand, wurden – häufig aus Platzgründen – zerstört oder gingen verloren, so dass der Künstler sie Jahre später (in diesem Fall 1970) für eine Ausstellung erneut herstellte. Die 1966 für die Ausstellung Primary Structures: Younger American and British Sculptors im Jewish Museum in New York entstandene Arbeit Lever bedeutete Andres Durchbruch als Künstler. Die Skulptur besteht aus 137 aneinandergelegten Schamottesteinen: preiswerten feuerfesten Steinen aus hart gebranntem Ton, die für Auskleidungen von Öfen und Kaminen verwendet werden. Für Lever werden die Steine in einer geraden Linie an der Wand beginnend in den Raum gelegt. Andre beschrieb diese in die Horizontale wirkende Skulptur gleichzeitig als Pfad, Schnitt und gefallene Säule. EN The first room in the Rieckhallen is dedicated to Carl Andre’s early works. While planned in 1960, for economic reasons his three-part Element Series was not realized until 1970. A progressive arrangement of blocks, the series starts with the single-unit Herm, followed by a two-unit, and a three-unit element (Tau and Right Threshold). Element Series marks the beginning of Andre’s usage of unaltered materials. Many works from this early period, including Pyramid (Square Plan) originally produced in 1959, were destroyed or lost for lack of space, and they had to be remade by the artist for later exhibitions (in this particular case in 1970). The work Lever, which Andre created in 1966 for the exhibition Primary Structures: Younger American and British Sculptors at the Jewish Museum in New York, represents his artistic breakthrough. The sculpture consists of 137 firebricks — an affordable, fire-resistant brick made from hard-fired clay that is used to outfit the interior walls of ovens and chimneys. For Lever, these bricks are arranged in a straight line jutting out of the wall into the gallery space. Andre explained this horizontal sculpture in simultaneous terms of path, cut, and fallen column. 2 D E L M C F K N B G J O A H I P 2 GEDICHTE DE „Mein bildhauerisches Interesse an Elementen oder Teilen wird von meinem Interesse an Worten als Teilen der Sprache gespiegelt.“ Während Carl Andre einige seiner Skulpturen aus ökonomischen Gründen erst Mitte der 1960er Jahre realisieren konnte, verschaffte ihm das Schreiben voll kommene künstlerische Autonomie. Frühe Experimente mit dem Medium Sprache machte er schon während seiner Zeit an der Phillips Academy, einem Eliteinternat in Andover, Massachusetts Anfang der 1950er Jahre. Zu einer ersten Reife gelangten seine Gedichte dann etwa zur Zeit seines Umzugs nach New York im Jahr 1957. Der Zeitraum von 1960 bis 1965 war Andres produktivste dichterische Phase. Die hier präsentierte Auswahl zeigt, inwiefern Andres Dichtung mit seinem materialistischen und modularen Ansatz in der Bildhauerkunst korrespondiert, ja diesen sogar vorwegnimmt. Von Anfang an illustrieren seine Gedichte sein Bestreben nach der Demontage einer traditionellen Auf fassung von Lyrik und schreiben ihre bahnbrechende Kraft sogar bis in die Grammatik fort. Andre bildet weniger Sätze als Figuren und fordert seine Rezipientinnen und Rezipienten auf, nach Linien, Säulen und Blöcken zu suchen, anstatt die Sprache allein von ihrer Bedeutung her zu entschlüsseln. Beim Verfassen seiner Schreibmaschinengedichte folgte er im Wesent lichen drei Mustern: dem Raster, der Liste und der mathematischen Sequenz. Er verwendete austauschbare Sprachpartikel als modulare Ein heiten, die er eher aufreihte als konjugierte. Sein Schreiben beläuft sich auf das Zitieren, Sortieren und Neukombinieren von Textfragmenten aus verschiedenen Quellen, vor allem Büchern und Dokumenten. Ähnlich wie Andre Industriegebiete nach Materialien für seine Skulpturen absuchte, durchforstete er als Dichter literarische Werke wie beispielsweise das Buch Indian History, Biography, and Genealogy von Ebenezer W. Peirce aus dem Jahr 1878, um daraus Teile künstlerisch zu nutzen. Dieses Buch war auchdie Hauptquelle für America Drill, eines von Andres dichterischen Hauptwerken aus dem Jahr 1963 (das als Faksimile-Version aufwendig reproduziert wurde und in Raum 13 gezeigt wird). Bis in die 1990er Jahre wurden seine Gedichte zumeist als gerahmte Arbeiten an Wände gehängt, bevor er für die Präsentation seiner Arbeiten auf Papier eigene Vitrinen entwickelte. Aus restauratorischen Gründen wechselt die Präsentation der Gedichte zur Hälfte der Ausstellungslaufzeit. 2 POETRY EN “My interest in elements or particles in sculpture is paralleled by my interest in words as particles of language”, Carl Andre said in 1975. While he could not materialize his most radical sculptural concepts until the mid-1960s, the simple format of his poetry (typewriter ink on paper) afforded him a complete autonomy from the very start of his investigations. Andre’s earlier incursions in experimental verse can be tracked to his years at Phillips Academy in Andover, Massachusetts, but his first mature poems coincide with his arrival to New York in 1957. The years between 1960 to 1965 were Andre’s most productive phase as a poet. The selection of poems presented here illustrates how far Andre’s poetry accompanied, and even foreshadowed, his materialist and modular take on the art of sculpture. Since their earliest formulations, Andre’s poems have shown his effort to dismantle any traditional notion of lyricism, extending their breaking force to grammar itself. Andre often composes figures rather than sentences, inviting the reader to look for connections between lines, columns, and blocks instead of deciphering language for its meaning. Andre’s typing methods are essentially based on three patterns: the grid, the list, and the mathematical sequence. He uses interchangeable particles of language as modular units, aligned rather than conjugated. His writing is essentially an art of quoting, sorting, and recombining verbal matter from pre-existing sources of all kinds, especially books and documents that Andre deemed relevant. Replicating the way he scavenged the margins of industrial sites in search of materials, Andre was also the poet who searched through, and extracted from, literary works such as Ebenezer W. Peirce’s Indian History, Biography, and Genealogy from 1878. This book was also the main source for America Drill, one of Andre’s major poetic works from 1963 (which is presented in Room 13 as an elaborate facsimile version). Until the 1990s Andre’s poems were generally presented as framed wall pieces when the artist devised specific vitrines for the presentation of his works on paper. For conservation reasons the poems will be rotated after 2 months. 3 Steel-Magnesium Square Düsseldorf, 1969 Stahl, Aluminium / steel, aluminium Quadrat aus 100 Teilen / 100-units square / Courtesy the artist and Konrad Fischer Galerie 64 Tin Square New York, 1976 Zinn / tin; Quadrat aus 64 Teilen / 64-unit square, Privatsammlung / Private Collection Neubrückwerk Düsseldorf, 1976 Rot-Zeder / Western red cedar; 19 Teile / units Musée d’Art Contemporain, Montreal Magnesium-Magnesium Plain New York, 1969 Magnesium; Quadrat aus 36 Teilen / 36-unit square Privatsammlung / Private Collection Sand-Lime Instar New York, 1966 (zerstört / destroyed), New York, 1995 (erneut ausgeführt / remade) Kalksandziegel / sand-lime brick; 8 rechteckige Einheiten aus 120 Teilen, 2 Teile hoch / eight 120-unit rectangular solids, 2 units high Courtesy the artist and Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf 3 DE Die Bodenskulptur Equivalents I–VIII (1966), die aus acht Einheiten zu je 120 zweireihig gelegten Kalksandsteinen besteht, wurde in ihre Einheiten zerlegt verkauft. Aus diesem Grund fertigte Andre im Jahr 1995 eine neue Arbeit, die er Sand-Lime Instar nannte. Er wählte hier den lateinischen Begriff „instar“ (= gleichwie, so groß wie, so viel wie), dessen Bedeutung mit derjenigen von „equivalent“ zusammenfällt. Die Tatsache, dass die acht Einheiten als Gesamtfläche wiederum grob ein Rechteck bilden, zeigt, dass Andre hier auch die Zwischenräume als Teil des Werkes anerkennt. Wie eine Vielzahl seiner Arbeiten verweist auch die Skulptur Neubrückwerk im Titel auf ihren ursprünglichen Entstehungskontext: Sie entstand 1976 – ebenso wie die in der Historischen Halle gezeigte Arbeit Karlsplatz – für eine Ausstellung in der Konrad Fischer Galerie in der Düsseldorfer Neubrückstrasse. Der dort ansässige Galerist Konrad Fischer eröffnete 1967 seine wegbereitende Galerie für Minimal Art mit einer Einzelausstellung Andres. EN The floor-bound work Equivalents I–VIII (1966) consists of a double row arranged from eight units of 120 sand-lime bricks. Because the original was sold in eight separate units Andre remade the work in 1995, titling it Sand-Lime Instar. Here, the Latin term “instar” (= equal to, as big as, as much as) is synonymous with the meaning of “equivalent”. The fact that the total area of units forms a rectangle proves that Andre also counts the interstices between the bricks as parts of the work. As is generally the case with Andre’s works, the title of the sculpture Neubrückwerk refers to its original context of production: It was made in 1976 (when he also made Karlsplatz that is presented in the Historic Hall) for an exhibition at the Konrad Fischer Galerie on Neubrückstrasse in Düsseldorf. By the way, it also happened to be a solo exhibition by Andre that the Düsseldorf-based gallerist Konrad Fischer presented when first opening his pioneering gallery for minimal art in 1967. “My work doesn’t mean anything, it’s just the presentation of materials in the clearest form I can make it.” — Carl Andre, 2013 „Meine Arbeit bedeutet nichts. Es geht mir bloß darum Materialien in der größtmöglichen Klarheit der Form zu präsentieren.“ 4 Passport 1960 Farbfotokopien / photocopies (1970); 88 Blätter / sheets Courtesy Paula Cooper Gallery, New York Vitrine 4 PASSPORT DE Die Arbeit Passport nimmt in Carl Andres Werk einen besonderen Stellenwert ein. Es handelt sich um ein Skizzenbuch, in dem Andre unterschiedliche Alltagsmaterialien festgehalten hat. Abbildungen historischer Kunstwerke, beispielsweise von Francisco de Goya, Constantin Brâncus� i und Arshile Gorky, mischen sich mit Porträts seiner Freunde, wie etwa Frank Stella, oder von ihm bewunderter Personen, wie Lord Byron oder Ralph Waldo Emerson. 1969 erschien Passport als Schwarz-Weiß-Kopie in der von Seth Siegelaub herausgegebenen und von Andres damaliger Galeristin Virginia Dwan publizierten Anthologie Seven Books of Poetry. Obwohl die Original version von 1960 durch traditionelle Techniken wie Collage, Tusche- und Bleistiftzeichnungen entstand, entschied sich der Künstler 1970 eine Farb-Edition zu produzieren, mit Hilfe der damals neuen und noch nicht kommerziell erhältlichen Xerox-Technologie (Kopierverfahren). Die Original version war ein gebundenes Buch; die Überarbeitung von 1970 erlaubte ihm, das Werk als Einzelseiten anzulegen, die er gerahmt ausstellen konnte. EN The work Passport occupies a place of exception in Carl Andre’s production. It is a scrapbook memorializing disparate materials from Andre’s everyday life containing reproductions of historical works of art (for instance by Francisco de Goya, Constantin Brâncus� i, and Arshile Gorky), portraits of his friends (for example Frank Stella), and figures he admired such as Lord Byron or Ralph Waldo Emerson. In 1969 a black-and-white version of Passport appeared in the anthology Seven Books of Poetry edited by Seth Siegelaub and published by Virginia Dwan (at the time Andre’s dealer). Though the original version of Passport was made using traditional techniques of collage, ink, and pencil drawing, in 1970 Andre decided to produce a color edition using then- cutting-edge Xerox technology that was not yet commercially available. While the original version was a bound book, the revision from 1970 allowed him to exhibit the work as framed single pages. 5 Gianfranco Gorgoni Auswahl aus / selections from The New Avant-Garde: Issues for the Art of the Seventies 1970 12 Gelatinesilberabzüge / gelatin silver prints; Ausstellungsexemplare / exhibition copies Gianfranco Gorgoni Collection FeLL New York, 1961 Stahl / steel; Winkel aus 2 Teilen / 2-unit ell MJS Collection, Paris Hollis Frampton Alle Arbeiten: Gelatinesilberanzüge / all works: gelatin silver prints Collection the artist; Courtesy Paula Cooper Gallery, New York Von links nach rechts / left to right Untitled (Negative Sculpture) New York, 1958 Acryl / acrylic Raymond and Patsy Nasher Collection, Nasher Sculpture Center, Dallas 1 First Ladder by Carl Andre, ca. 1958 2–4 Untitled (Negative Sculpture) by Carl Andre ca. 1958 5 Chalice by Carl Andre ca. 1959 4 Corner Slant Stack New York, 1964 Acryl / acrylic; 10 Teile / units MJS Collection, Paris Demeter New York, 1964 Alnico-Magnete (glänzend) / Alnico magnets (bright); Rechteck aus 8 Teilen / 8-unit rectangle Addison Gallery of American Art, Phillips Academy, Andover, Massachusetts; Geschenk von / gift of Maud Morgan, Addison Art Drive, 1992 Persephone New York, 1964 Alnico-Magnete (matt) / Alnico magnets (dull); Rechteck aus 20 Teilen / 20-unit rectangle Addison Gallery of American Art, Phillips Academy, Andover, Massachusetts; Geschenk von / gift of Maud Morgan, Addison Art Drive, 1992 Gordon „Diz“ Bensley Quincy 1971 (Nachdruck / reprint 2013) 48 Gelatinesilberabzüge / gelatin silver prints; Ausstellungsexemplare / exhibition copies Sammlung des Künstlers / Collection the artist; Courtesy Paula Cooper Gallery, New York Vitrine 6 Baboons by Carl Andre ca. 1959 7 Machine Cut by Carl Andre ca. 1959 8 Maple Spindle Exercise by Carl Andre ca. 1959 9–12 Untitled by Carl Andre ca. 1960 13–23 Found Steel Object Sculptures by Carl Andre ca. 1960–61 24 Untitled by Carl Andre ca. 1960 25 A Marat by Carl Andre ca. 1959 5 FOTOGRAFIE / PHOTOGRAPHY DE Abgesehen von den Fotografien von Hollis Frampton zur Dokumentation von Andres frühen Skulpturen hält die Fotografie erst spät Einzug in sein Werk und manifestiert sich hauptsächlich in Form verschiedener Kollaborationen. Die erste lässt sich auf Frühling 1970 datieren. Zu jener Zeit traf sich Andre mit dem Fotografen Gianfranco Gorgoni im New Yorker Meatpacking District, wo Andre mit Vorliebe nach Material suchte. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit wurde in dem von Grégoire Müller herausgegebenen Buch The New Avant-Garde: Issues for the Art of the Seventies publiziert. Gemeinsam mit Gordon „Diz“ Bensley – einem Fotografen, der ihn an der Phillips Academy unterrichtet hatte – gestaltete Andre ein Porträt seiner Heimatstadt Quincy. Daraus entstand die Künstlerpublikation Quincy, die 1973 seine Ausstellung in der Addison Gallery of American Art begleitete. Lediglich in der späteren Arbeit 15 Years (1977–1992): Scenes and Variations (Raum 13) fotografierte er selbst Orte seines Alltagslebens, die er sodann nummerierte, klassifizierte und durchmischte. In einer Vitrine werden frühe bildhauerische Arbeiten des Künstlers gezeigt: fünf kleinformatige Modelle aus verschiedenen gefundenen Materialien wie gegossenem Beton, Acryl oder Stahl, die sein späteres künstlerisches Vokabular vorstellen. EN Except for photographs by Hollis Frampton documenting his early sculptures, photography enters Andre’s work in rare instances, mainly in the form of collaborations. The first dates from spring 1970, when Andre and photographer Gianfranco Gorgoni strolled through New York’s Meatpacking District—one of Andre’s scavenging sites—as part of the book project The New Avant-Garde, edited by Grégoire Müller. Again trying to make a visual statement about the origins of his work, Andre set out to portray his hometown of Quincy, Massachusetts, with the help of Gordon “Diz” Bensley, a photographer who had been his teacher at Phillips Academy in Andover. The result was Quincy Book, a small publication that accom panied Andre’s exhibition at the Addison Gallery of American Art in 1973. Only in the later work 15 Years (1977–1992): Scenes and Variations did Andre himself hold the camera to capture the spaces of his everyday life, which he then numbered, classified, and shuffled. In the vitrine, Andre’s earliest sculptures are presented — five smallscale models made from various found materials such as cast concrete, acrylic, or steel, which introduce the artist’s later artistic vocabulary. 6 Seventh Copper Cardinal Turin, 1973 Kupfer / copper; Reihe aus 7 Teilen / 7-unit line Fundación Almine y Bernard Ruiz-Picasso para el Arte, Brussels 8005 Mönchengladbach Square Mönchengladbach, 1968 Warmgewalzter Stahl / hot-rolled steel; Quadrat aus 36 Teilen / 36-unit square Collection MJS, Paris 9 × 27 Napoli Rectangle Neapel, 2010 Warmgewalzter Stahl / hot-rolled steel; Rechteck aus 243 Teilen / 243-unit rectangle Privatsammlung / Private Collection Ferox New York, 1982 Verwitterter warmgewalzter Stahl / weathered hot-rolled steel; Dreieck aus 91 Teilen / 91-unit triangle Courtesy the artist and Paula Cooper Gallery, New York 4-Segment Hexagon Brüssel / Brussels, 1974 Blaustahl / blue steel; netzartiges Sechseck aus 158 Teilen / 158-unit cellular hexagon Centre Pompidou, Paris, Musée National d’Art Moderne / Centre de Création Industrielle Eight Reserved Steel Corner New York, 1978 Verwitterter warmgewalzter Stahl / weathered hot-rolled steel; Dreieck aus 36 Teilen / 36-unit triangle Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marzona 12 Mixed Pipe & Track Run Den Haag, 1969 Stahl / steel; Reihe aus 12 Teilen / 12-unit line Collection Stella Lohaus, Antwerpen Historische Halle / Historic Hall 6 DE Von Anfang an waren Carl Andres Bodenskulpturen dazu gedacht, betreten zu werden. Damit sind sie weniger sichtbare Objekte als Plattformen zur Befragung ihrer jeweiligen Umgebung und Standorte der Betrachtung. Ihre Unscheinbarkeit ist demnach ein strategischer Aspekt. Die hier gezeigten „Squares“ (Vierecke, Quadrate) und „Plains“ (Ebenen, Flächen) aus Stahl und Kupfer verfügen über eine maximale Höhe von 0,8 Zentimetern. Sie existieren in verschiedenen Formen und Größen, sie bilden Quadrate, Rechtecke, in den Ausstellungsraum hinein ragende Geraden oder bedecken Raumecken. Dabei weisen sie diverse Materialeigenschaften und Oberflächenbeschaffenheiten auf. Wie unterschiedlich ein und dasselbe Material aussehen kann, zeigen die verschiedenen Bodenskulpturen aus Stahl. Sie führen nicht nur zu verschiedenartigen Ästhetiken bei der Betrachtung von Skulptur und Umraum, sondern auch zu unterschiedlichen Erfahrungen beim Betreten der Skulptur. Carl Andre ist heute vor allem für seine Werkgruppe der flachen geometrischen Bodenskulpturen aus Metallplatten bekannt. Er schuf sie von 1967 bis 2010. Neben dem sehr frühen Werk 8005 Mönchengladbach Square (1968), das anläßlich seiner ersten musealen Einzelausstellung im Museum Abteiberg in Mönchengladbach entstand, wird seine letzte großformatige Arbeit 9 × 27 Napoli Rectangle (2010) gezeigt. Indem der Künstler nach und nach Zugang zu größeren Materialmengen erlangte, konnte er monumentaler arbeiten. Er beschreibt die ökonomischen Bedingungen seines Kunstschaffens wie folgt: „Ich musste mit Materialien arbeiten, die überhaupt erhältlich waren – dies mag krass klingen, ist aber ziemlich materialistisch im Marxistischen Sinne, denn man kann nicht etwas machen, wenn es für einen nicht existiert. Mit anderen Worten: Wenn man keine Kontrolle über die Produktionsmittel hat, kann man nichts produzieren, also muss man die Produktionsmittel finden, die man kontrollieren kann.“ 6 EN Originally meant to be walked upon by viewers, Carl Andre’s floor sculptures are less visible objects than they are platforms for the interrogation of their surroundings. Their inconspicuousness is thus a strategic choice. The steel and copper “squares” and “plains” presented here are not higher than half a centimeter; they exist in a variety of forms and sizes, creating squares or rectangles as well as lines that jut out into the gallery or cover the corners of a space. Their individual material and surface characteristics can be very diverse and Andre’s steel floor sculptures demonstrate how different the same material can look. This however does not only produce a variegated sense of aesthetics regarding the sculptures and their environments but also produces a set of different experiences in the viewer. Today, Carl Andre is most famous for his series of flat geometric floor sculptures made from metal plates, which he created from 1967 to 2010. One early example is the piece 8005 Mönchengladbach Square (1968) which he created on the occasion of his first solo museum exhibition at the Museum Abteiberg in Mönchengladbach. His last large-scale work is 9 × 27 Napoli Rectangle (2010). Progressively gaining access to a larger number of materials the artist expanded the scope of earlier explorations, reclaiming larger surfaces. This is how he described the economic conditions of his art practice: “I had to work with materials that were available at all – this may sound crass, but it is rather materialistic in the Marxian sense that you cannot do something that does not exist for you. In other words, if you don’t have control of the means of production you cannot produce anything, so you have to find the means of production that you can control.” Scatter Piece New York, 1966 33 Kugellager, 13 Axialscheiben, 9 Teile von Aluminiumröhren, 14 rechteckige Plexiglaskörper, 7 Aluminiumbarren / 33 ball bearings, 13 pulley discs, 9 pieces of aluminum channel, 14 Plexiglas rectangular solids, 7 aluminum ingots Courtesy the artist and Paula Cooper Gallery, New York 7 Magnesium Ribbon Antwerpen, 1969 Magnesium; 1 Band / continuous strip Sammlung Jonas Lohaus, Kapellen, Belgien Tin Ribbon New York, 1969 (Entwurf / proposed) Marseille, 1997 (Ausführung / made) Zinn / tin Courtesy the artist und / and Paula Cooper Gallery, New York 8 Plumbsum Düsseldorf, 1982 Blei / Plumb, 15-teilige, gestufte Treppe mit 5 Reihen und jeweils 5, 4, 3, 2, 1 aneinander gelegten horizontalen Blöcken / 15-unit step stack, 5 tiers (5, 4, 3, 2, 1) of horizontal blocks, side by side Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie Plumbnon Düsseldorf, 1982 Blei / Plumb, 9-teiliger rechteckiger Block, 3 × 3 vertikal geschichtete Blöcke / 9-unit rectangular solid, 3 × 3 array of vertical solids Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie Plumblock Düsseldorf, 1982 Blei / Plumb, 12-teiliger rechteckiger dreigeschossiger Block mit je 4 horizontalen Blöcken / 12-unit rectangular solid, 3 tiers of 4 horizontal blocks Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie Plumbell Düsseldorf, 1982 Blei / Plumb, 18-teiliger rechteckiger viergeschossiger Block mit 4 Blöcken je Reihe um 2 vertikal aufeinander gelegte Blöcke herum / 18-unit rectangular solid, 4 horizontal tiers of 4 blocks around 2 vertical, end to end 9 Plumbond Düsseldorf, 1982 Blei / Plumb, 12-teiliger rechteckiger zweigeschossiger Block mit 6 Blöcken je Reihe / 12-unit rectangular solid, 2 horizontal tiers of 6 blocks Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie 13 Al Vein Cleveland, Ohio 1991 Aluminium; 13 aneinandergefügte Teile an einer Wand / 13 units end to end along wall Courtesy the artist und / and Paula Cooper Gallery, New York 10 Al Vein Cleveland, Ohio 1991 Aluminium; 10 aneinandergefügte Teile an einer Wand / 10 units end to end along wall Courtesy the artist und / and Paula Cooper Gallery, New York 10 15 Al Vein Cleveland, Ohio 1991 Aluminium; 15 aneinandergefügte Teile an einer Wand / 15 units end to end along wall Courtesy the artist und / and Paula Cooper Gallery, New York KABINETTE / CABINETS DE In den vier Kabinetten werden kleinformatige Skulpturen gezeigt, die aus Sicherheitsgründen in Vitrinen oder in abgesperrten Räumen präsentiert werden. EN The four cabinets contain small sculptures which, for security reasons, need to be kept in vitrines or closed-off spaces. 7 DE In diesem Raum werden zwei Beispiele aus der Werkgruppe der Ribbons gezeigt. Hier bestimmen Material und Raumsituation die Form und Größe der Skulpturen. EN This room presents examples from the series Ribbons. The form and size of this work is determined by the material and the respective space given. 8 DE In dem Ausstellungskatalog des Den Haager Gemeentemuseums von 1969 beschreibt der Kurator Enno Develing die Arbeit Scatter Piece wie folgt: „Da die Teile zu klein waren, um aufgereiht oder in einer anderen Art von Struktur arrangiert zu werden, drehte Andre einfach die Tasche um und ließ das Muster durch den zufälligen Akt des Schüttens entstehen. Die kleine Größe der Teile machte es unmöglich, ein Verhältnis zur Umgebung zu erhalten. Statt eines ‚Ortes‘ wäre die Arbeit zu einem Objekt geworden, also wurde, damit sie als Determinante der Umgebung fungieren konnte, ein zufälliges Schema notwendig.“ EN In an exhibition catalog from the Gemeentemuseum in The Hague the curator, Enno Develing, provides the following description of the work Scatter Piece: “The particles being too small to be lined up or joined in another coherent pattern, Andre just turned the bag over and let the random spill make the pattern. The small size made it impossible to maintain a relationship with the environment when put into some order of pattern. Instead of ‘place’ the piece would have become an object, so in order to function as a determinant for the environment a random pattern was necessary.” “I don’t want to make works that hit you over the head or smash you in the eye. I like works that you can be in the room with and ignore when you want to ignore them.” — Carl Andre, 1974 „Ich wünsche nicht Kunst zu machen, die Dich zerdrückt, oder Dir ins Auge schießt. Ich habe Arbeiten gerne, mit denen man in einem Raum ist, und die man jederzeit ignorieren kann.” 11 46 Roaring Forties Madrid, 1988 Verwitterter Stahl / weathered steel; Rechteck aus 46 Teilen / 46-unit rectangle Courtesy the artist und Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf 44 Carbon Copper Triads Basel, 2005 Grafit, Kupfer; 44 Grafitblöcke, 44 Grafitziegel, 44 Kupferplatten / graphite, copper; 44 graphite blocks, 44 graphite bricks, 44 copper plates Courtesy the artist, Galerie Tschudi, Zuoz, und / and Sadie Coles HQ, London Redan New York, 1964 (zerstört / destroyed), New York, 1970 (erneut ausgeführt / remade) Kiefernbalken / fir timber; 27 Teile / units Art Gallery of Ontario, Toronto; erworben mit Unterstützung durch den / purchased with assistance from the Women’s Committee Fund, 1971 Pyramus and Thisbe Düsseldorf, 1990 Rot-Zeder; 20 Teile in 2 Einheiten auf 2 Seiten einer Wand / 20 units in 2 parts on 2 sides of a wall Courtesy the artist and Paula Cooper Gallery, New York Breda Den Haag, 1986 Belgischer Blaustein / Belgian blue limestone; 97 Teile / units Courtesy the artist and Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf 11 DE In Carl Andres Oeuvre finden sich zwei Arten von Werktiteln: Die deskriptiven Titel beschreiben in sachlicher Form die Art und Anzahl der verwendeten Materialeinheiten. Meist ist neben dem Datum auch der Ausstellungsort im Titel genannt. So verweist 64 Tin Square, New York, 1976 auf die Tatsache, dass die Arbeit aus 64 quadratischen Zinnplatten besteht und im Jahr 1976 in New York entstand. 44 Carbon Copper Triads, Basel, 2005 konfiguriert sich aus drei verschiedenen Einheiten: je 44 Grafitwürfeln, Grafitkuben und Kupferquadraten, die in zufälliger Form angeordnet werden. Die zweite Art der Betitelung ist weniger sachlich und beschreibend, sondern lyrisch und assoziativ. Ein Beispiel hierfür ist die Arbeit Breda (1986), die ursprünglich für den Außenraum entstanden ist. Der Titel deutet an, dass die Reihe der Kreuze aus belgischem Blaustein auf die gleich namige niederländische Stadt und deren historische Belagerungen Bezug nimmt. Ebenso assoziativ verweist Pyramus und Thisbe (1990) auf das babylonische Liebespaar in den „Metamorphosen“ des römischen Dichters Ovids, das – wie die zweiteilige Holzskulptur – durch eine Wand voneinander getrennt leben musste. EN Carl Andre’s oeuvre is characterized by two methods of titling: On the one hand he uses descriptive titles giving the type and number of employed material units while often also stating the year and location of a respective production. One example is 64 Tin Square, New York, 1976, another is 44 Carbon Copper Triads, Basel, 2005, which consists of three kinds of units: 44 copper tiles, 44 graphite bricks and 44 graphite cubes randomly arranged on the floor. On the other hand Andre uses lyrical and associative titles. The work Breda (1986) was originally created for an exterior space and consists of a row of crosses made from Belgian blue limestone; its title contains a reference to the historical siege of the fortified Dutch city. Similarly, Pyramus and Thisbe (1990) conjures the Babylonian lovers from Ovid’s Metamorphoses who were separated by a wall – like the two-piece sculpture is. 6-Metal Fugue (for Mendeleev), Wolfsburg, 1996 07515 Karlsplatz, Düsseldorf, 1992 Zeitlos 5 × 7, Berlin, 1988 Lament for the Children, Wolfsburg, 1996 Lever, New York, 1966 Pyramid (Square Plan), Orleans, Massachusetts 1970 Herm (Element Series), New York, 1976 Tau and Right Threshold (Element Series), Minneapolis, 1971 Steel-Aluminum Square, Düsseldorf, 1969 64 Tin Square, New York, 1976 Magnesium-Magnesium Plain, New York, 1969 Neubrückwerk, Düsseldorf, 1976 Sand-Lime Instar, New York, 1995 Untitled (Negative Sculpture), New York, 1958 FeLL, New York, 1961 4 Corner Slant Stack, New York, 1964 Demeter, New York, 1964 Persephone, New York, 1964 8005 Mönchengladbach Square, Mönchengladbach, 1968 Ferox, New York, 1982 Seventh Copper Cardinal, Turin, 1973 12 Mixed Pipe & Track Run, Den Haag, 1969 4-Segment Hexagon, Brussels, 1974 Eight Reserved Steel Corner, New York, 1978 9 × 27 Napoli Rectangle, Napels, 2010 Magnesium Ribbon, Antwerpen, 1969 Tin Ribbon, Marseille, 1997 Scatter Piece, New York, 1966 Plumbsum, Düsseldorf, 1982 Plumblock, Düsseldorf, 1982 Plumbnon, Düsseldorf, 1982 Plumbond, Düsseldorf, 1982 Plumbell, Düsseldorf, 1982 10 Al Vein, Cleveland, Ohio 1991 13 Al Vein, Cleveland, Ohio 1991 15 Al Vein, Cleveland, Ohio 1991 44 Carbon Copper Triads, Basel, 2005 Redan, New York, 1970 Breda, Den Haag, 1986 46 Roaring Forties, Madrid, 1988 Pyramus and Thisbe, Düsseldorf, 1990 ALTOZANO, New York, 2002 25 Cedar Scatter / 25 Cedar Solid, Düsseldorf, 1992 Uncarved Blocks, Vancouver, 1975 12 TRIER 1987 Dolomit / Dolomite; 144 Teile / units Courtesy the artist und Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf 25 Cedar Scatter / 25 Cedar Solid Düsseldorf 1992 Rot-Zeder / Western red cedar Courtesy the artist and Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf ALTOZANO New York, 2002 Aluminium; Einheit aus 101 Teilen, zweigeschossige Reihe an einer Wand / 101-unit, two-tiered row along base of wall Courtesy the artist und Paula Cooper Gallery, New York 12 DE 25 Cedar Scatter / 25 Cedar Solid (1992) zeigt zwei unterschiedliche Arten, wie eine Skulptur in den Raum eingreifen und wie sie sich zu diesem in ein Verhältnis setzen kann. Lose und scheinbar ohne System liegen 25 hölzerne Balken ohne kompositionelles Zentrum im Raum verteilt. Daneben behauptet sich die geschlossene Einheit von 25 aneinandergerückten, aufrecht stehenden Blöcken als einheitliches Volumen im Raum. Die Anordnung dieser Skulptur variiert von Ausstellungsort zu Ausstellungsort. EN 25 Cedar Scatter / 25 Cedar Solid (1992) demonstrates two ways in which a scupture can intervene in a space. Seemingly lacking a compositional center, 25 wooden beams are losely scattered around the space. Next to it, 25 other, upright blocks are arranged as a unified, closed volume in space. The way this sculpture is arranged varies from exhibition space to exhibition space. “As to truth to materials, I just like matter a great deal and the different properties of matter, the different forms of matter, different elements, different materials. […] I don’t want to make something else out of it. I want wood as wood and steel as steel, aluminium as aluminium, a bale of hay as a bale of hay. […] It’s that I want to submit to the properties of my materials.” — Carl Andre, 1970 „Was die Materialgerechtigkeit betrifft: Ich mag einfach Materie sehr, ihre verschiedenen Eigenschaften, verschiedenen Formen, verschiedenen Elemente, verschiedenen Materialien. […] Ich möchte nichts anderes aus ihr machen. Ich möchte Holz als Holz und Stahl als Stahl, Aluminium als Aluminium und einen Heuballen als Heuballen. […] Ich möchte mich ganz einfach den Eigenschaften meiner Materialien unterwerfen.“ 13 Vitrine The Sigh of Immortality (auch / a.k.a. Platonic Love) 1963 Eisenstab, Zigarettenpackung / iron rod, cigarette pack Judd Foundation EC. HO. 1988 Stahl, Karton / steel, cardboard Privatsammlung / Private Collection A B C D E Vitrine 13 DADA FORGERIES UND EPHEMERA Carl Andres Werk beschränkte sich nicht nur auf die Produktion von Skulpturen und Gedichten, sondern entwickelte sich vielfältig in Reaktion auf verschiedene räumliche, politische und soziale Bedingungen. Er nahm aktiv an den Debatten seiner Zeit teil, so beispielsweise zum Vietnamkrieg oder der Frage nach Rechten für Kunstschaffende gegenüber Museen und dem Kunstmarkt. Er schickte zahlreiche Statements an Kunstzeit schriften oder beteiligte sich an politischen Publikationen. Ebenso trug er dazu bei, den Fotokopierer als neues alltägliches Medium für KünstlerbuchEditionen zu etablieren. Seine Leidenschaft für Diskussionen und intellek tuellen Austausch spiegelt sich auch in seiner breiten Korrespondenz mit Künstlerkollegen, Kritikern, Kuratoren und Galeristen wider, die insbesondere in Form von Postkarten stattfand. Diese Postkarten sind teils mit Nachrichten in konventioneller Prosa versehen, teils als für die 1970er Jahre typische serielle Mail Art gestaltet. Sie sind Zeugnisse seiner zahlreichen Reisen und seinem Bedürfnis, seine Ideen mit Freunden und Bekannten zu teilen. Andre ließ sich nicht einmal von Marcel Duchamps Meilenstein der Kunstgeschichte, dem Readymade, beeindrucken. Dies wird in den skulpturalen Assemblagen, die er als „Dada Forgeries“ (forgery = Fälschung) bezeichnete, deutlich. Er fabrizierte die Dada Forgeries als spielerische Abwandlungen seiner eigenen Künstleridentität, wobei er stilistisch Duchamps Readymades folgte. Sie lesen sich als listige visuelle Ideenspiele. Oft in französischer Sprache betitelt, enthalten sie Verweise auf Themen der Kunst geschichte, Sex und Religion. Cask of Meats (1959) besteht aus einem literaturwissenschaftlichen Buch mit drei durch die Mitte gebohrten Löchern: ein humorvolles Spiel sowohl mit dem als auch gegen das Buch. Ebenfalls zu dieser Reihe gehören zwei freistehende Arbeiten, die sich indirekt auf die Figur des Jesus von Nazareth beziehen: Sigh of Immortality (1963) evoziert das berühmte Gleichnis vom Kamel (hier eine Zigarettenschachtel der Firma Camel) und vom Nadelöhr (hier ein Eisenstab), während EC. HO. (1988) die Wörter Pontius Pilatus („ecce homo“) auf einer Pappe zeigt. Margit Endor und Balzac enthalten kunsthistorische Verweise (ersteres evoziert Constantin Brâncus� is berühmte Schlafende Muse und letzteres besteht aus einer gefundenen „Replik“ von Auguste Rodins Statue). Beide stammen aus dem Jahr 1989, in dem Andre zum zweiten Mal die Dada Forgeries ausstellte. A Cask of Meats 1959 Modifiziertes Buch / modified book Collection Eileen and Michael Cohen, New York Balzac 1989 Glasglocke, Brot mit Beschriftung in Tinte / bell jar, bread with ink inscription Collection L. Brandon Krall C Memorial to the Silver Certificate 1963 Holz, Papier-Collage, Münze / wood, paper collage, coin Estate of Reno Odlin; Courtesy Galerie Arnaud Lefebvre, Paris Margit Endormie 1989 Tennisball mit Beschriftungen in Tinte, verbogene Metallfeder / tennis ball with ink inscription, bent metal spring Collection L. Brandon Krall Ma Melon 1983 Kautschuk, Plastik / rubber, plastic Collection Jenny van Driessche, Belgium D Lion of Judah 1990 Gefundene Eisenobjekte / iron found objects Collection Francis Mistiaen, Brüssel / Brussels Monument to Contraception 1989 Holz, Aluminium / wood, aluminium Privatsammlung, New York Sculpture Incorporating Three Red Discs 1988 Gefundener Draht, Bakelit mit Aufschrift in Grafit / found wire, Bakelite with graphite inscription Collection Julian Lethbridge STOP THE GAME WHOSE ONLY RULE IS ITS NAME 1989 Kiefernschichtholz mit Beschriftung in Grafit, Kupfernägel / laminated pine with graphite inscription, copper nails Collection L. Brandon Krall The Rim of Apostasy (for JP) 1989 Holz, Metall / wood, metal Addison Gallery of American Art, Phillips Academy, Andover, Massachusetts; Geschenk von / donation by Werner Kramarsky, 2006 B The Birth of Knowledge 1994 Hölzerner Tennisschlägerrahmen, ledergebundenes Buch / wood tennis-racket frame, leatherbound book Courtesy the artist und Paula Cooper Gallery, New York La Terre Dupee 1988 Holz / Wood Yale University Art Gallery, New Haven, Connecticut; Richard Brown Baker, B.A. 1935, Collection Objet d’Arte 1989 Fundholz, Eisen / found wood, iron Collection Yvon Lambert, France Dark Twist 1986 Tabak, Papier, Plastikröhre, Blechdose / tobacco, paper, plastic tube, tin box Collection Jenny Van Driessche, Belgium E Foot Candle 2002 Schuh aus Leder und schwarzem Stoff, Kerzenhalter aus Pressglas, Kerze / leather and black cloth shoe, pressed glass candlestick holder, candle Collection L. Brandon Krall L’oeuvre incommencee 2003 Leinwand, Ton / canvas, clay Courtesy Galerie Arnaud Lefebvre, ParisW The Young Person’s Rectangular History of Music 1991 Bemaltes Buch / painted book Collection L. Brandon Krall The Golfing Party of Brancusi, Satie, & John Quinn 1990 Nickelstahl mit Gewinde / threaded nickel-steel; 4 Teile / 4 units Collection Jenny Van Driessche, Belgium 13 DADA FORGERIES AND EPHEMERA Carl Andre’s oeuvre was never limited to the production of sculptures and poetry, but rather developed in different ways as a reaction to various spatial, political, and social environments and conditions. Intensely present in the debates of his time (the Vietnam War, the rights of art workers against museum, and art market policies), Andre sent numerous statements and letters to editors of art magazines and contributed to the production of political publications. He also helped pioneer the use of the photocopy as a common medium for artist book editions. His passion for debate and intellectual exchange is also manifested in the numerous correspondences he maintained with fellow artists and other peers like critics, curators and art dealers, especially in the form of postcards. At times conveying messages in conventional prose, and at times serialized in the manner of 1970s mail art, these card collections speak of Andre’s numerous travels and his constant need to share ideas with friends and acquaintances. Andre also would not let himself be too impressed even by Marcel Duchamp’s milestone of art history, the Readymade. This can be seen in the assemblage sculptures, which Andre named Dada Forgeries. Following the style of Duchamp’s readymades, Andre fabricated the Dada Forgeries as playful aberrations of his own identity as an artist. They can be read as sly visual puns, in many cases titled in French, and often conveying references to art history, sex, and religion. Cask of Meats (1959) consists of a book of literary criticism with a three-inch hole drilled through its center, and is one among several jests executed with and against books. Also from this series, two free-standing works obliquely reference the figure of Jesus of Nazareth: Sigh of Immortality (1963) evokes the famous parable of the camel (here a pack of cigarettes of the same name) and the eye of the needle (represented by an iron rod), while EC. HO. (1988) reproduces the words of Pontius Pilate (“ecce homo”) on a piece of cardboard. Margit Endor and Balzac contain art-historical references (the former evoking Constantin Brâncus� i’s famous “sleeping muse”; the latter is a found “replica” of Auguste Rodin’s statue). They are both from 1989, the year of Carl Andre’s second exhibition of Dada Forgeries. “I have an imaginary graph or map upon which there are three vectors or three lines of force which create a point where the three converge. The first vector is my subjective condition, myself, my own history, needs, talents. The second, or space vector is the physical objective condition wherein I work, the kind of location where the sculpture will be and whether it is inside or outside. The economic condition is the third vector, the economics of traveling to the site and the materials.” — Carl Andre, 1970 „Ich stelle mir einen Graphen oder eine Karte vor, auf dem oder der sich drei Vektoren oder drei Fluchtlinien in einem Schnittpunkt treffen. Der erste Vektor ist dabei meine subjektive Situation, ich selbst, meine eigene Geschichte, Bedürfnisse, Begabungen. Der zweite, auch Raumvektor, ist die angetroffene räumliche Situation, in der ich zur Arbeit schreite – eine Art Ort, an dem sich die Skulptur befinden wird und je nach dem, ob es sich um ein Innen oder Außen handelt. Die ökonomische Situation ist der dritte Vektor: die Ökonomie der Reise an den jeweiligen Ort und der Materialien.“ 14 Uncarved Blocks Vancouver, 1975 Rot-Zeder / Western red cedar; 47 Teile / units Kunstmuseum Wolfsburg 14 DE Wie auch bei der Element Series, die im ersten Raum der Rieckhallen gezeigt wird, handelt es sich bei Uncarved Blocks (1975) um ein ansteigendes Ensemble aus Sets mit zunächst zwei und dann fünf Einheiten. Sie unterscheiden sich durch ihre Ausrichtung nach Nord, Süd, Ost und West. Jedes Set weist auf einen oder zwei imaginäre Wege oder Pfade, ähnlich wie ein Wegweiser. Die Kombinationen ermitteln sich aus der sich wieder holenden Form eines Holzblocks, der jeweils auf seinen unterschiedlichen Seiten lagert. Im Titel weist diese Arbeit („uncarved“ = nicht geschnitzt, behauen) gleichsam als Quintessenz der Ausstellung auf den Kern seines bildhauerischen Schaffens, das von dem Prinzip des Unbearbeiteten getragen wird. EN Like the Element Series, which is presented in the first gallery of the Rieckhallen, Uncarved Blocks 1975 is a progressive ensemble, evolving from two- to five-unit sets. Sets of identical size are differentiated by their orientation — north, south, east, and west. Each set points toward one or more imaginary “ways” or paths, not unlike a direction pole. The combinations are determined, and limited, by the repeated shape of a single timber block resting on each of its sides. By emphasizing the principle of the “unaltered”, this work’s title ultimately summarizes the core of Andre’s sculptural practice that is also the essence of this exhibition. BIOGRAFIE Carl Andre wurde 1935 in Quincy, Massachusetts geboren. Nach seinem Studium an der Phillips Academy in Andover, Massachusetts, diente er in der Armee und bereiste Europa, bevor er 1957 nach New York zog. Während er sich gleichzeitig mit der bildenden Kunst und Dichtung beschäftigte, arbeitete er von 1960 bis 1964 für die Bahn (Pennsylvania Railroad), was seine bildhauerische Tätigkeit beeinflusste. Seinen Durchbruch erlebte er mit der Ausstellung in der Tibor de Nagy Gallery in New York 1965. Des Weiteren nahm er an zahlreichen bedeutenden Ausstellungen dieses Jahrzehnts teil, darunter Primary Structures: Younger American and British Sculptors, Jewish Museum, New York (1966), Documenta 4, Kassel (1968) und Live in Your Head: When Attitudes Become Form – Works / Concepts / Processes / Situations / Information, Kunsthalle Bern (1969). 1970 zeigte das Solomon R. Guggenheim Museum in New York eine erste Retrospektive seines Werkes. Neben vielen öffentlichen Aufträgen und Einzelausstellungen umfasst Andres 50-jährige Laufbahn große Überblicksausstellungen wie die vom Laguna Gloria Art Museum organisierte internationale Wanderausstellung (1978 bis 1980) sowie Ausstellungen im Krefeld Haus Lange / Haus Esters und dem Kunstmuseum Wolfsburg (1996), Musée Cantini, Marseille (1997) und Museum Kurhaus Kleve (2011). Carl Andre zog sich 2010 als Künstler in den Ruhestand zurück und lebt in New York City. BIOGRAPHY Carl Andre was born in Quincy, Massachusetts, in 1935. After his studies at the Phillips Academy in Andover, Massachusetts, he served in the army and traveled to Europe, then relocated to New York City in 1957. While carrying out simultaneous investigations in art and poetry, Andre worked for the Pennsylvania Railroad between 1960 and 1964, an inseparable experience from his evolution as a sculptor. Immediate acclaim followed his first solo exhibition at the Tibor de Nagy Gallery, New York, in 1965, and he participated in several landmark exhibitions of that decade, such as Primary Structures: Younger American and British Sculptors, Jewish Museum, New York (1966), Documenta 4, Kassel, Germany (1968), and Live in Your Head: When Attitudes Become Form – Works /Concepts / Processes / Situations / Information, Kunsthalle Bern (1969). In 1970 the Solomon R. Guggenheim Museum, New York, presented the first retrospective of his work. Alongside numerous public commissions and solo exhibitions, Andre’s five-decade career includes large-scale surveys organized by the Laguna Gloria Art Museum, Austin (1978, touring internationally through 1980), Krefeld Haus Lange/Haus Esters and Kunstmuseum, Wolfsburg, Germany (1996), Musée Cantini, Marseille (1997), and Museum Kurhaus Kleve, Germany (2011). Retired from his art practice since 2010, Andre lives in New York City. BIBLIOGRAPHIE (AUSWAHL) / SELECTED BIBLIOGRAPHY About Carl Andre: Critical Texts Since 1965. Herausgegeben von / Edited by Paula Feldman, Alistair Rider, and Karsten Schubert. London, 2006. Andre, Carl and Hollis Frampton. Twelve Dialogues, 1962–1963. Herausgegeben von / Edited by Benjamin H. D. Buchloh. Halifax, 1980. Carl Andre: Extraneous Roots. Herausgegeben von / Edited by Rolf Lauter and Susanne Lange. Frankfurt am Main: Museum für Moderne Kunst, 1991. Carl Andre Sculptor 1996: Krefeld at Home, Wolfsburg at Large. Stuttgart / Krefeld: Hause Lange and Haus Esters; Wolfsburg: Kunstmuseum, 1996. Carl Andre: Sculptor 1997. Marseille: Musée Cantini, 1997. Carl Andre: Sculpture 1959 –1977. New York: Jaap Reitman; Austin: Laguna Gloria Art Museum, 1978. Carl Andre: Sculpture as Place, 1958 – 2010. New York: Dia Art Foundation, 2014. Cuts: Texts 1959 – 2004. Edited by James Meyer. Cambridge, MA: MIT Press, 2005. Rider, Alistair. Carl Andre: Things in Their Elements. London: Phaidon Press, 2011. IMPRESSUM / IMPRINT Dieses Heft erscheint anlässlich der Ausstellung / This booklet is published on the occassion of the exhibition Carl Andre: Sculpture as Place, 1958 – 2010 im / at Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, 5. Mai –18. September 2016. Carl Andre: Sculpture as Place, 1958 – 2010 ist organisiert von der / is organized by Dia Art Foundation in Zusammenarbeit mit der / in partnership with the Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, Staatliche Museen zu Berlin. Die internationale Ausstellungstournee wird ermöglicht durch die / The international tour of the exhibition is made possible by lead support from Henry Luce Foundation und / and Terra Foundation for Amercian Art. Weitere Unterstützung der Ausstellungstournee erfolgt durch die / Additional tour support is provided by the Fundación Almine y Bernard Ruiz-Picasso para el Arte; The Brown Foundation, inc. of Houston; the National Endowment for the Arts; und / and Sotheby’s. Der vorliegende Text basiert auf dem von Yasmil Raymond und Manuel Cirauqui zur Retrospektive in der Dia:Beacon verfassten Begleitheft und wurde gemäß der im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin gezeigten Ausstellung umgearbeitet bzw. ergänzt. This text is based on the exhibition guide published by Dia Art Foundation and written by Yasmil Raymond and Manuel Cirauqui. It was edited for the exhibition at Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin. Design Studio Laurenz Brunner (Laurenz Brunner, Malin Gewinner, Julia Novitch) Übersetzung / Translation Anna-Sophie Springer Druck / Printing DZA Druckerei zu Altenburg GmbH AUSSTELLUNG / EXHIBITION Kuratorin / Curator Lisa Marei Schmidt Wissenschaftliche Museumsassistentin / Assistant Curator Veronika Riesenberg Praktikanten / Curatorial interns Viktor Hömpler, Charlotte Sarrazin Kunstvermittlung / Education and outreach programme Daniela Bystron, Anne Fäser Restauratorische Betreuung / Conservation Carolin Bohlmann, Eva Riess Registrarin / Registrar Ulrike Gast Depotverwalter / Storage manager Tommy Seewald Sekretariat / Office Hamburger Bahnhof Katherine Israel Koedel Art Handling Lutz Bertram Art Handling und Objektbetreuung Licht / Light Victor Kegli