Dezember 2010/Jänner 2011

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Dezember 2010/Jänner 2011
€ 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00
feminismus XXXL
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an.schläge
das feministische monatsmagazin. dezember 2010 l jänner 2011
Fette Zeiten brechen an:
Weihnachts- und Chanukka-Abo-Special!
Jahresabo Inland um nur 29 Eu
ro (statt 35 Euro)
Und es kommt noch
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Zum Abo-Special gibt es die beliebte an.schläge-Tasche,
die ein garantiertes Gewicht von
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Bestellungen unter: [email protected]
Fat Feminism
Size Zero den Kampf ansagen
„Sperrt mal eure Lauscherchen auf“
Sineb El Masrar: Was Muslim Girls einfordern
Leaving Las Vegas
Glücksspiele an der EU-Außengrenze
Plus: Ausschluss Basta! >> Alternatives Zukunftsbudget >> Gender Trouble in der Biologie >>
VALIE EXPORT >> Fair oder gar nicht konsumieren >> und vieles mehr
an.schläge Nr. 12/10-01/11, 24./25. Jahrgang, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1010 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M
Wiener
Lebensqualität
Damit Wien nachhaltig die lebenswerteste
Stadt der Welt bleibt
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Großer Saal
Einladung zu unseren Veranstaltungen
Sweet Anticipation.
Jahresausstellung 2010/11
09.12.2010 – 30.01.2011
im Dezember 2010:
Sa 11. Dez, 10–19 Uhr, So 12. Dez, 10–14 Uhr
Kulturgeschichte des Geldes
Seminar mit Birge Krondorfer, Philosophin
Unkostenbeitrag inkl. Kopien: 20–35,- Euro (Selbsteinschätzung)
Birgit Pleschberger.
Rapunzel
09.12.2010–30.01.2011
Großer Saal
Marzena Nowak
10.02.–24.04.2011
Künstlerhaus
Hellbrunner Strasse 3
5020 Salzburg
T +43-662/84 22 94
www.salzburgerkunstverein.at
FRAUENHETZ
Kabinett
Unsere MitarbeiterInnen sorgen jeden Tag dafür, dass das Licht angeht und die U-Bahn pünktlich kommt. Wir sind stolz
darauf, die lebenswerteste Stadt der Welt mitzugestalten. Wien erreicht seit Jahren Spitzenwerte im internationalen
Vergleich, was die Mercer-Studie mit dem 1. Platz erneut eindrucksvoll bestätigt. Die Wiener Stadtwerke haben sich
nachhaltiges Handeln zur Aufgabe gemacht, um diese Lebensqualität zu sichern. Die Infrastruktur auszubauen, das
Angebot kontinuierlich zu optimieren, mit den Umweltressourcen verantwortungsvoll umzugehen und den MitarbeiterInnen das beste Fachwissen zukommen zu lassen sind nur einige der Nachhaltigkeitsleitsätze der Wiener Stadtwerke.
Es lebe die Stadt. Mehr Infos auf www.nachhaltigkeit.wienerstadtwerke.at
10.11.10 10:48
Sa 18. Dez, 18 Uhr
Barcelona Feminista
Internationale Zusammenkunft feministischer Vereine
zu Kultur, Bildung und Politik.
Übersetzung in Englisch und Spanisch.
Moderation: Nina Hechenberger
Frauenhetz –
Feministische Bildung,
Beratung und Kultur
Die Veranstaltungen finden in der Frauenhetz statt
und sind für Frauen. Unsere Journaldienstzeiten:
Mo, Di, Do 8.30–12.30 Uhr sowie nach Vereinbarung
Die Räumlichkeiten der Frauenhetz sind
rollstuhltauglich.
Details > www.frauenhetz.at
A-1030 Wien
Untere Weißgerberstr. 41
Tel/Fax +43 1 715 98 88
Die Frauenhetz wird u.a. unterstützt von:
Politik
an.schläge
06 >>> an.riss politik
08 >>>
Ausschluss Basta!
Offener Brief gegen den rassistischen Konsens in Österreich
09 >>>
Unrecht nicht hinnehmen
Die Arbeit der Wiener Deserteurs-und Flüchtlingsberatung wird erneut ausgezeichnet
10 >>>
12 >>>
Budget mit Zukunft
Die Allianz „Wege aus der Krise” hielt ihre zivilgesellschaftliche Budgetrede 14 >>>
an.riss international
Feminismus parteilich
Interview: Stina Sundberg spricht über die Zukunft der schwedischen (Frauen-)Politik
Thema: Fat Feminism
17 >>> Dürfen wir noch Kuchen essen?
Der Körper als soziale Visitenkarte und Interventionen des Fat-Rights-Aktivismus
20 >>>
Invasion of the Chubsters
Interview: „Boss Bitch” Charlotte Cooper über den Donut-Gruß und Fat Politics
22 >>>
Zarte Füße, dicke Hintern
Klassische und neue Kinder- und Jugendbücher im Donut-Ranking
Gesellschaft
24 >>>
an.riss arbeit wissenschaft
27 >>>
Differenzforschung als Ideologie
Interview: Heinz-Jürgen Voß dekonstruiert Geschlecht aus biologischer Perspektive
30 >>>
Leaving Las Vegas
Vom Leben zwischen Grenzverkehr und Glücksspiel am Rande der EU
32 >>>
„Sperrt mal eure Lauscherchen auf“
Interview: Sineb El Masrar, Autorin von „Muslim Girls”, spricht über „deutsch-deutschen Feminismus”
Kultur
36 >>>
Die nackte Haut ist sekundär
Zwei Ausstellungen bieten einen Überblick über das Schaffen von VALIE EXPORT
an.sage: Zwischen Chips und Bier sprechblase: Sager des Monats
plusminus: Gummi-Komplott vs. Kuscheln mit Gott
an.frage: 25 Jahre Initiative Schwarze Menschen
in Deutschland
medienmix: thealit, Die Mädchen WG, WIR 2011
an.sprüche: Fair oder gar nicht
an.lesen: Eva Maria Bachinger, Claire Bretécher,
Ruth Landshoff-Yorck, Elisabeth Hartlieb u.a., Eva
Geber, Elisabeth Harvey, Andrea Ellmeier u.a.
an.klang: Kylie Minogue, Robyn, Natalie Beridze,
Greie Gut Fraktion, Plaided, Ikonika
an.sehen: Wilde Minze
an.künden: Termine & Tipps
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06
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Kolumnen
an.riss kultur
Rubriken
34 >>>
neuland
zeitausgleich
heimspiel
lebenslauf
lesbennest
bonustrack: clara luzia
katzenpost
zappho des monats
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editorial
Die Arbeit am aktuellen Themenschwerpunkt hat uns den
Mund ordentlich wässrig gemacht (siehe Coverbild!).
Seitdem lechzt das vierköpfige Team der Schlussproduktion ständig nach fetten süßen Kringeln. Empfehlungen für
die besten Donuts in town werden mit Freuden entgegengenommen!
Aufgefettet wird das Heft auch durch die neue Ausgabe
der feministischen Rezensionszeitschrift „WeiberDiwan”,
die den an.schlägen beigelegt ist.
Satt und rund gehen wir daher in die Winterpause – die
nächste Nummer erscheint wieder Ende Jänner 2011.
Wir wünschen erholsame Feiertage und einen großartigen
Start ins neue Jahr!
Die Redaktion
an.schläge werden gefördert von:
Feminist Superheroines
Judith „Jack“ Halberstam (*15. Dezember 1961), Aktivist_in,
Professor_in für Englische Literatur, Vorstand des Zentrums
für feministische Forschung an der University of Southern
California. Halberstams bekannteste Werke, „Female Masculinity“ (1998) und „In a Queer Time and Place: Transgender Bodies, Subcultural Lives“ (2005), widmen sich u.a. der
visuellen Repräsentation geschlechtlicher Ambiguität (etwa
in der Drag-King-Subkultur) und Transgender-Politiken.
„Männlichkeit und Weiblichkeit sind soziale Geschlechter, die
nicht einfach von Männern und Frauen hergestellt werden,
die jeweils ihr entsprechendes Geschlecht darstellen. Es gibt
immer Überkreuzungen: Frauen, die Männlichkeit darstellen
und Männer, die Weiblichkeit darstellen.“ 2011 erscheint
Halberstams neues Buch „The Queer Art of Failure“.
Collage: Lina Walde
posteingang Betrifft: „Rosa gestempelt”
in an.schläge 10/2010
Es ist eine absolute Fehlinterpretation unserer Aussagen, wenn ihr behauptet, dass die
grundsätzliche Kritik am österreichischen
Asylsystem, „wie sie vom Lila Tip formuliert
wird”, für „viele Lesben und Schwule mit
EU-Pass weitaus weniger selbstverständlich” sei, und dafür als Beispiel die HOSI
Wien anführt. Gegenstand unserer Medienaussendung war zum einen ein Demo-Aufruf
(und da die HOSI Wien die diesbezüglichen
gemeinsamen Forderungen vollinhaltlich un-
terschrieben hat, haben wir sehr wohl scharfe und grundsätzliche Kritik an der Asylpolitik geübt!). Zum anderen stellten wir
Falschinformationen richtig, wonach wegen
ihrer Homosexualität verfolgte Personen in
Österreich kein Asyl erhalten könnten.
Es ist auch eine tendenziöse Kommentierung,
wenn ihr wahrheitswidrig behauptet, wir
hätten „nicht ohne Stolz” betont, Österreich
sei in dieser Sache seit 1991 international
Vorreiter gewesen. Wir haben dieses Faktum
völlig neutral festgestellt – weder mit noch
ohne Stolz. Wir haben auch von keiner „Vor-
bildwirkung” der österreichischen Asylgesetzgebung gesprochen. Diese Schlussfolgerung
ist völlig unzulässig, ebenso wie eure Unterstellung, wir hätten damit das österreichische
Innenministerium gelobt. Da wir das nicht
getan haben, verkennen wir auch keineswegs,
dass Österreichs Asylgesetze immer strikter
geworden sind. Allerdings wurde der mögliche
Asylgrund „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe aufgrund von Homosexualität” seither nie infragegestellt!
Kurt Krickler, Generalsekretär,
Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien
impressum
Herausgeberinnen und Verlegerinnen: CheckArt, Verein für feministische Medien und Politik. A-1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/920 16 76, e-mail: [email protected],
[email protected], www.anschlaege.at l Koordinierende Redakteurinnen: Sylvia Köchl, [email protected], T.01/920 16 78, Vina Yun, [email protected], T. 01/920 16 76
Buchhaltung, Abos: Verena Stern, [email protected], [email protected] l Termine, Tipps: Nadine Kegele, [email protected] l Inserate: Michèle Thoma, [email protected] l
Redaktion: Bettina Enzenhofer/be, Andrea Heinz/han, Sylvia Köchl/sylk, Silke Pixner/pix, Fiona Sara Schmidt/fis, Verena Stern/vers, Lea Susemichel/les, Irmi Wutscher/trude, Vina
Yun/viyu l Praktikum: Sanja Nedeljkovic l Texte: Claire Benedikt, Gesine Claus, Karin Cudak/kc, Sonja Eismann, Denice Fredriksson, Silke Graf, Beate Hammond, Christine Hartmann,
Nina Honzik/niho, Gabi Horak/GaH, Mia Kager, Leonie Kapfer, Nadine Kegele/nad, Birge Krondorfer, Katharina Ludwig, Clara Luzia, Gabriele Migdalek, Katharina Morawek,
Sanja Nedeljkovic/sane, Vanessa Redak, Ines Voigts, Anita Weidhofer/atina l Layoutkonzept & Layout: Lisa Bolyos l Coverfoto: Mike Flippo/123rf.com l Cartoons & Illustrationen: Paula Bolyos,
Nadine Kappacher, Lisa Max, Bianca Tschaikner, Lina Walde, Zappho l Fotos: an.schläge-Archiv, Autonome Frauenhäuser Schleswig Holstein, Emli Bendixen, Günter Bieringer, Dan Brady,
Michael Dörfler, Andi Dvořak, Bettina Enzenhofer, gaelx/flickr.com, Archiv VALIE EXPORT/Hermann Hendrich, Christa Holka, Lydia Lechner, Mǎdǎlina/flickr.com, Magic Krtek/flickr.com,
marythom/flickr.com, Nachlass Birgit Jürgenssen/VBK, Reclaim Reklam, rotkraut.c.r./flickr.com, Csaba Szépfalusi, T.M./panoramio.com, The Chubsters, Amdela Wartenberg,
WAVE l Homepage: Mirjam Bromundt, www.anschlaege.at l Druck: H.R.G. Druckerei © an.schläge: Titel, Vorspann und Zwischentitel von der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete
Beiträge müssen nicht der Auffassung der Redaktion entsprechen. Kürzungen vorbehalten. l ISSN 1993-3002
04 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
an.sage
Zwischen Chips und Bier
Ein Kommentar von Silke Pixner
Es ist drei Uhr nachts. In der Ferne wummert der Bass, und ich
bin genervt. Aber nicht vom Kopfweh, das ich langsam zu spüren beginne, sondern von dem Plakat der Beratungsstelle „Es
gibt Alternativen”, das gefühlte zwei Zentimeter vor meinem
Kopf auf der Klotür des „Shooters” klebt. „Abtreibung muss
nicht sein” steht da, und wieder einmal wird Frauen mit dem
„Post-Abortion-Syndrom” Angst eingejagt, denn schließlich
hätten schon so viele ihre Entscheidung abzutreiben bald zutiefst bereut und ihr gesamtes Leben damit zerstört. Ich muss
kotzen.
Den gesamten nächsten Tag bleiben sowohl Kopfweh als auch
Ärger meine treuen Begleiter.
Denn das Plakat geht mir nicht
aus dem Kopf, und so klicke ich
mich durch die Homepage „www.
es-gibt-alternativen.at”.
Dort
wird so richtig schön Panik gemacht: „Schreckliche Albträume
quälen mich seither jede Nacht.
Darüber darf ich aber nicht sprechen. Tote Kinder – wohin ich
sehe” und „Das Trauma der Abtreibung zerstörte mein Leben”
sind nur zwei der Stimmen, die
sich dort unter der Rubrik „Ist
nach der Abtreibung alles wie
vorher?” finden. Die ganze Seite hat nur ein Ziel: Frauen durch
das Schüren von Angst davon abzubringen, ihr Recht auf Abtreibung wahrzunehmen.
Auch auf der Straße tobt der
Kampf um den Frauenbauch.
„Leider ist es immer noch so,
dass Abbruchskliniken und Informationen über Abbrüche viel einfacher zu finden sind als
Schwangerenberatungsstellen”, behauptet Martina Kronthaler, Generalsekretärin von „aktion leben österreich”, auf deren
Homepage. Doch die Realität sieht anders aus: Im Laufe eines
Tages begegnen mir unterwegs drei Poster der „aktion leben”
und zwei weitere Plakate meiner Klobekanntschaft. Ein einziges Sujet der Einrichtung „gynmed”, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt, weist aktiv auf die Entscheidungsfreiheit
der schwangeren Frau hin, das Baby zu bekommen oder eben
nicht. Ich wünsche mir mehr solche Plakate.
Derzeit läuft in England ein Spot der Organisation „Marie Stopes International”, die in eigenen Kliniken auch Abtreibungen
durchführt. Darin sind drei Frauen zu sehen, die sich offensichtlich wegen ihrer überfälligen Periode Sorgen machen, schwan-
ger zu sein. Der Begleittext: „If you’re pregnant and you don’t
know what to do – Marie Stopes International can help.” Kein
einziges Mal fällt das Wort Abtreibung. Nichtsdestotrotz liefen
„LebensschützerInnen” in Großbritannien Sturm.
Auch in Deutschland wird der Spot heftig diskutiert. Der
Privatsender RTL bezog Position und zeigte in einem Bericht über den Werbespot, was er davon hält – nämlich
nichts. Sichtlich entrüstet leitet die Moderatorin den Beitrag ein: „Stellen Sie sich vor, zwischen Chips- und BierWerbung läuft auf einmal ein Werbespot für Abtreibung.”
Es folgt eine Reportage, in der bei einer Straßenbefragung
nur Frauen zu Wort kommen, die
den Spot ablehnen. „Für Abtreibung Werbung zu machen, finde
ich schwachsinnig”, oder: „Es
wird zu leichtsinnig mit dem
Thema umgegangen. Es wirkt
so, als würde man wie mit einem Schnupfen zum Arzt gehen
und stattdessen einfach so zum
Abtreiben zum Arzt gehen.” Die
Reportage endet schließlich mit
der Geschichte einer Frau, die
es schwer bereut, abgetrieben
zu haben. Sie kritisiert, dass in
dem betreffenden TV-Spot nicht
die möglichen psychischen Folgen einer Abtreibung angesprochen werden. Abgesehen davon,
dass eine Studie der „American
Psychological Association” mittlerweile das „Post-AbortionSyndrom”, also einen Zusammenhang zwischen schweren
Depressionen und einer vorangegangenen Abtreibung, widerlegt – wer klärt über die psychischen Neben- und Nachwirkungen auf, die das Aufziehen
eines ungewollten Kindes mit sich bringt?
Ein Hauptargument der „LebensschützerInnen” – eine „kaputte” Psyche nach einem freiwillig durchgeführten Schwangerschaftsabbruch – enttarnt sich also als Angstmacherei, mit
der Frauen die Entscheidung für eine Abtreibung nicht nur aus
moralischen, sondern auch aus gesundheitlichen Überlegungen erheblich erschwert wird. Mehr Werbungen wie jene von
Marie Stopes Intl. würden dazu beitragen, dass Frauen eine
reflektierte, vernünftige und nicht von Angst geleitete Entscheidung treffen können. Ich würde heute Abend zwischen
Chips- und Bier-Werbespots gerne eine Werbung für Abtreibung sehen. l
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 05
an.riss politik
Bild: Autonome Frauenhäuser Schleswig Holstein
gewaltschutz
Gegen die Schließung von Frauenhäusern
Die Regierung von Schleswig-Holstein plant, zwei Frauenhäuser schließen zu lassen und zwei weitere zusammenzulegen, weil es angeblich ein
„Überangebot” von Gewaltschutzeinrichtungen im Kreis Pinneberg und
Lübeck gibt. Die Betreiberinnen der Autonomen Frauenhäuser wehren
sich dagegen: Von einem Überangebot könne keine Rede sein, vielmehr
seien die bestehenden Häuser überbelegt. Der Abbau der Plätze würde
bedeuten, dass jährlich 300 Kinder und Frauen keinen Platz mehr in
einem Frauenhaus fänden. In ihrer Protestnote betonen sie: „Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser brauchen eine staatlich gesicherte
Finanzierung, da es sich bei häuslicher Gewalt um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt.” trude
www.frauenhaeuser-sh.de, www.wave-network.org
„zwangsehe“-gesetz
Rassismus im Mantel von Frauenrechten

Seit Wochen werden Frauenrechte in der deutschen „Integrations”Debatte instrumentalisiert, um rassistische Vorurteile gegenüber der
migrantischen Bevölkerung zu schüren und Ausgrenzungen zu legitimieren.
Quote
ist eine
Kapitulation
„Eine
der Politik“
Familienministerin Kristina Schröder (CDU)
disst in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ den Feminismus und seine
„radikale Strömung“. Förderung von Frauen in
der Erwerbsarbeit durch Quoten? Nein, danke.
Schließlich: Wenn Frauen lieber Germanistik
studieren als Elektrotechnik (wie die Männer),
habe das „eben auch Konsequenzen beim
Gehalt“. Vielmehr möchte sich die Ministerin
der Jungen- und Männerpolitik widmen, denn
diese sei geradezu sträflich vernachlässigt
worden. Gnade, Frau Schröder! viyu
06 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht nun vor, Zwangsheirat
als eigenständigen Straftatbestand zu definieren. Nach § 240 des StGB
gilt die Nötigung zu einer Ehe allerdings längst als Straftat, die mit bis
zu fünf Jahren Haft geahndet wird. Der Zentralrat der MuslimInnen
Deutschlands äußerte Kritik an der neuen Bestimmung: Der Verband
war bei der Entwicklung des Gesetzesentwurfs nicht einbezogen worden,
gemeinsam hätten andere Schritte überlegt werden können, wie man an
Betroffene herankommt. Der Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck,
kritisierte, die deutsche Bundesregierung wolle mit diesem Gesetzesentwurf nur von eigenen Versäumnissen in der Integrationspolitik ablenken.
Denn zeitgleich mit dem Gesetz gegen die Zwangsehe werden die Gelder
für Opfer-Beratungsstellen massiv gekürzt und die „Integrations”-Anforderungen an MigrantInnen verschärft. kc
www.bmj.bund.de, www.taz.de, www.ksta.de
wagenburgen
Kampf um alternatives Wohnen
Gleichgesinnte verschiedenster Herkunft leben gemeinsam, aber doch
jede/r für sich, auf einem gemieteten Grundstück in Wohnwägen oder
umgebauten LKWs – dieses Phänomen nennt sich Wagenburg oder auch
Wagenplatz. Ziel ist es, günstig, alternativ und nachhaltig zu leben und
eine eigene Infrastruktur aufzubauen. Die Stadt Wien scheint jedoch
wenig für dieses Konzept übrig zu haben. Der ehemalige Wagenplatz in
Simmering musste im Sommer 2009 nach andauernden Streitigkeiten
mit den Behörden verlassen werden. Da die Politik auch keine legale
Alternative ermöglichte, teilte sich die Gruppe und stellte ihre Wägen
auf zwei leerstehende Flächen im zweiten und dritten Bezirk. Doch die
Behörden bzw. Grundstückseigentümer machten eine Einigung über die
Zwischennutzung dieser Flächen trotz Gesprächs- und Kompromissbereitschaft der WagenbewohnerInnen unmöglich. Der Platz im dritten Bezirk
wurde Ende Oktober im Auftrag der Grundstückseigentümerin, der Baugesellschaft Porr, ohne Vorwarnung geräumt; die Wohnfahrzeuge samt
plus
Gummi-Komplott (+)
Kuscheln mit Gott (-)
Während einer Informationskampagne zu
HIV/AIDS Ende Oktober ließ die katholische
Kirche von Luzern 3.000 Gratis-Kondome an
StraßenpassantInnen verteilen. Slogan: „Vergessen ist ansteckend. Schütze deinen Nächsten wie dich selbst.” Die Diözese in Basel gab
sich nicht „amused”, griff allerdings nicht
ein. Christliche Anti-Abtreibungs-Gruppen wie
Human Life International verdammten die
Aktion als „verantwortungslos”. Ganz cool
brachte ein Jugendlicher die katholische AntiKondom-Politik im Schweizer TV auf den
Punkt: „Ich find’s blöd vom Papst.” viyu
Der evangelische Theologe Friedrich Wilhelm
Graf hat keine gute Meinung über Frauen.
Insbesondere, wenn sie Theologie studieren.
Die Anwärterinnen auf das evangelische
Pfarramt – das sich zunehmend zu einem
„Frauenberuf” entwickle – seien eher der
„Muttityp als wirklich Intellektuelle”, so Graf
angesichts ihres mehrheitlich nicht-akademischen Backgrounds. Resultat: „Eine Form
von Religiosität, in der man Kuschelgott mit
schlechtem Geschmack verbinden kann.” Wie
formulierte es „genderblog.de” so treffend:
Panik im evangelischen Patriarchat! viyu
an.frage
Hab und Gut von der Firma Toman abgeschleppt. Der Platz im zweiten
Bezirk musste ebenfalls verlassen werden. Die Verantwortlichen der Stadtregierung wie z.B. Vizebürgermeister Michael Ludwig flüchten sich derweil
in hohle Aussagen wie „Da werd´ ma schon eine Lösung finden”. atina
http://treibstoff.wagenplatz.at, http://hafenstrasze.wagenplatz.at, http://wagenplatz.at/
25 Jahre - und noch
lange nicht genug
archive2009
gegenöffentlichkeit
Durchsuchung linker Buchläden in Berlin
Am 26. Oktober wurden mehrere linke Buchhandlungen in Berlin,
darunter die beiden „Schwarze Risse”-Buchläden, die auch die an.schläge
vertreiben, von der Polizei durchsucht. Und das nicht zum ersten,
sondern bereits zum sechsten Mal in diesem Jahr. Die Durchsuchungen
werden mit dem § 130 des deutschen Strafgesetzbuchs, „Anleiten zu
Straftaten”, begründet. Meist geht es um die Beschlagnahmung linker
Zeitschriften oder Flugblätter, die zu Demonstrationen oder Protesten
auffordern. Allerdings ging die Rechtssprechung bisher davon aus, dass
BuchhändlerInnen den Inhalt der von ihnen vertriebenen Bücher und
Zeitschriften nicht kontrollieren müssen. Nun scheint es so, als wolle die
Staatsanwaltschaft diese gängige Rechtssprechung revidieren, meint der
Anwalt der Buchhandlung „Schwarze Risse”, Sven Lindemann. Frieder
Rörtgen, Geschäftsführer von „Schwarze Risse”, vermutet in einer Presseaussendung: „Die Buchläden sollen unter Druck gesetzt werden, damit
sie als vorgeschaltete Zensurbehörde des Staates agieren.” trude
http://unzensiert-lesen.de
budget-vorschlag
Kürzungen mit einigen Härten
Am 25. Oktober präsentierte die österreichische Bundesregierung erste
Vorhaben zum Staatsbudget. Dieses wird derzeit im Nationalrat verhandelt, um in Gesetzesform konkretisiert zu werden. Insgesamt fallen bei
den Vorschlägen die Einsparungen im sozialen Bereich recht umfassend
aus (Kürzung der Kinderbeihilfe, erschwerter Zugang zum Pflegegeld),
während bei den vermögensbezogenen Steuern vergleichsweise behutsam vorgegangen wird: Vorgesehen ist eine Bankenabgabe, eine stärkere
Besteuerung von Privatstiftungen sowie eine Steuer auf Aktienspekulationen. Für die Ökonomin Gabriele Michalitsch ist das zu wenig. Sie
meinte in einem Interview mit dem Jugendradiosender „FM4”: „Die
Ansätze zur Vermögensbesteuerung sind sicher etwas, das positiv auf
Geschlechterverhältnisse wirkt. Man muss aber auch feststellen, dass
die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer oder eine
Reform der Grundsteuer nicht passiert ist. Das wäre wichtig für ausgleichende Effekte zwischen den Geschlechtern, denn Frauen verfügen sehr
viel weniger über Vermögen als Männer.”
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek verkaufte das Budget in einer
ersten Aussendung als Erfolg, denn das Frauenbudget sei im kommenden
Jahr gleich geblieben, somit könnten sämtliche Fraueneinrichtungen
weiterarbeiten wie bisher. Wenig später relativierte sie allerdings in
einem „Standard”-Interview, dass „schon Härten mitverpackt” seien
und dass man hier nachverhandeln müsse. Frauen sind vor allem von den
Sozialkürzungen oft stärker betroffen als Männer, wie z.B. aktuell beim
erschwerten Zugang zum Pflegegeld. trude
Heuer feiert die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland
(ISD) ihr 25-jähriges Bestehen. Sanja Nedeljkovic sprach mit
Hadija Haruna und Sharon Otoo über die Vergangenheit und
Zukunft des Antirassismus-Vereins.
Herzlichen Glückwunsch zum 25. Geburtstag! Wie fühlt es sich
an, so alt zu werden?
Hadija Haruna: Es fühlt sich verdammt gut an! Mich selbst hat
die Arbeit der ISD vor vielen Jahren bei meinem persönlichen
Selbstfindungs- und Empowerment-Prozess unterstützt. Zu sehen,
was mehr als zwei Jahrzehnte Selbstorganisierung, Vernetzung und
Widerstand bewirkt haben, macht stolz.
Sharon Otoo: Es ist schön, wieder 25 zu sein! Und ich sehe es
genauso wie Hadija – ich bin dankbar für die ganze Vorarbeit, die
von Schwarzen Aktivist_innen in Deutschland geleistet worden ist,
und freue mich, hier ein wenig beitragen zu dürfen.
Im Video-Clip, der anlässlich Ihres Jubiläums gedreht wurde,
werden Sie als „Stimme der Schwarzen“ bezeichnet. Was waren
die größten Erfolge dieser „Stimme“?
Haruna, Otoo: Wir organisieren selbst Kampagnen und unterstützen auch solche gegen – zum Teil tödliche – Übergriffe auf Schwarze Menschen, außerdem machen wir Öffentlichkeitsarbeit durch
den jährlichen Black History Month, der seit 1991 in verschiedenen deutschen Städten stattfindet. Dieses Jahr gab es einen ganz
besonderen Erfolg durch ISD-Mitglied Joshua Kwesi Aikins, der
an der erstmaligen Umbenennung eines kolonialen Denkmals, dem
Berliner „Gröbenufer” in „May Ayim Ufer”, mitwirkte.
Inwieweit sind Antisexismus und Gender Teil der Arbeit von ISD?
Otoo: Vieles ist der afro-amerikanischen Autorin Audre Lorde zu
verdanken. Während ihres Besuchs in Deutschland in den 1980er
Jahren hat sie die Frauen, die in ihrem Kurs waren, ermuntert,
ihre und die Geschichte Schwarzer Menschen aufzuschreiben. Die
Gründung der afro-deutschen feministischen Organisation ADEFRA
wurde zum großen Teil von Frauen betrieben, die auch in der ISD
aktiv waren, die Zusammenarbeit war von Anfang an eng mit der
Entwicklung der ISD verbunden und ist es noch immer.
Welche Ziele verfolgen Sie für die Zukunft?
Haruna: 25 Jahre und noch lange nicht genug – unter diesem Motto
feiern wir unser Jubiläum. In den nächsten Jahren wollen wir als
Gruppe noch größer und als politisch aktive Interessensvertretung
noch präsenter werden. Besonders wichtig ist uns, die Interessen
Schwarzer Jugendlicher zu wecken und sie dabei zu unterstützen,
eigene Projekte auf die Beine zu stellen.
Otoo: Ein weiteres Ziel ist auch, dass wir uns als Verein neue
Kompetenzen aneignen und z.B. irgendwann als Antidiskriminierungsverband Schwarzen Menschen in Deutschland praktischen und
effektiven Beistand anbieten.
http://derstandard.at, www.frauen.bka.gv.at, http://fm4.orf.at
www.isdonline.de
Die Langfassung des Interviews gibt es ab Dezember auf www.migrazine.at.
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 07
offener brief
Ausschluss Basta!
Das Ergebnis der Gemeinderats- und Landtagswahl in Wien vom Oktober 2010 setzt ein deutliches rassistisches
Zeichen. Ebenso alarmierend wie der Erfolg der rechtsextremen Positionen der FPÖ sind die zahlreichen populistischen Analysen von Politiker_innen, Meinungsmacher_innen und anderen Expert_innen, die unwidersprochen
verbreitet werden.
Ob Bildung, Wohnen oder Arbeitsmarkt – Migration wurde und
wird in all diesen Lebensbereichen als Problemfeld inszeniert. Es
gehört mittlerweile zum guten Ton in der öffentlichen Debatte,
über Migration und Migrant_innen als Konfliktquelle zu sprechen.
In Österreich herrscht offenbar ein breiter Konsens darüber, dass
auf gesellschaftliche und soziale Probleme rassistische Antworten
gegeben werden können. Wir stellen uns gegen diesen Konsens!
Der Anspruch, die Debatte zu versachlichen, greift zu kurz. Wir akzeptieren nicht, dass zwar ständig über Migrant_innen gesprochen
und über sie Bescheid gewusst wird, sie aber aus Entscheidungspositionen ausgeschlossen bleiben – unabhängig davon, ob sie längst
österreichische Staatsbürger_innen sind oder nicht. Ein verheerendes Missverhältnis drückt sich darin aus, dass auch diese Wahl mit
dem Thema Migration entschieden wurde, und zwar unter Ausschluss derjenigen, die in Wien leben und hier nicht wählen dürfen.
Längst ist hierzulande eine Klarstellung fällig: Migration bildet unsere Realität. Die Menschen, die hier leben, sind keine Fremden.
Die Sprachen, die hier gesprochen werden, sind keine Fremdsprachen. Alle Jugendlichen, die hier leben, sind unsere Jugendlichen. Nach den Ergebnissen der Wiener Wahl wollen wir daher
noch weniger als zuvor über Integration reden. Denn bereits das
ständige Sprechen über Integration reproduziert ein angebliches Anderssein, stellt Teile der Gesellschaft unter Generalverdacht und übersieht die Vielfältigkeit der Lebensformen. Stattdessen wollen wir soziale und politische Verhältnisse thematisieren,
die tagtäglich Ungleichheit zwischen Menschen neu herstellen.
In öffentlichen Debatten werden ökonomische und gesellschaftliche
Ausschlüsse mehrheitlich ignoriert bzw. rassistisch umgedeutet. Tatsache ist: Die gegenwärtigen Strukturen schaffen im Bildungsbereich, am
Arbeitsmarkt, hinsichtlich politischer Mitsprache oder Selbstorganisierung eine Segregation, durch die Mehrheitsösterreicher_innen bevorzugt werden. Viele Migrant_innen sind vom Wahlrecht ausgeschlossen,
es wird verschleiert, wie Migrant_innen der Zugang zu Bildung, Wohnräumen und Arbeitsplätzen, zu öffentlichen Institutionen und anderen
gesellschaftlichen Räumen erschwert wird. Islamfeindlichkeit bietet
einen wesentlichen Anknüpfungspunkt für mediale Auseinandersetzungen, denn Islamfeindlichkeit wird nicht als Rassismus anerkannt.
Dies geschieht im Kontext einer globalen Umstrukturierung der
Wirtschaft, deren negative Effekte vor allem Arbeitnehmer_innen und Menschen mit geschwächten Rechten massiv treffen.
Es wird der Versuch unternommen, über das Thema Migration soziale Positionen gegeneinander auszuspielen und Arme
und Migrant_innen als unproduktiven Kostenfaktor darzustellen.
Stattdessen sollte gegen Verarmung, Prekarisierung und den Verlust sozialer Rechte gekämpft werden, die immer mehr Menschen betreffen.
Migration findet statt. Sie ist eine Selbstverständlichkeit in allen Lebensbereichen. Und nicht nur das: Migrant_innen fordern ihre
Rechte ein, Migration ist somit eine emanzipative Bewegung. Das
Problem sind jene Politiken, die Armut und Rassismus produzieren.
Wir lehnen entschieden jede Politik ab, die gesellschaftliche Verhältnisse nach einer Kosten/Nutzen-Logik durchrechnet und Teile der Gesellschaft zur Ausschusspopulation erklärt.
Wir fordern eine Arbeitsmarktpolitik, die keine Ausschlüsse produziert, sondern Alle in der Gesellschaft mit einbezieht und fördert.
Wir fordern eine Bildungspolitik, die von der Realität der Mehrsprachigkeit und Transkulturalität in den Kindergärten und Schulen ausgeht.
Wir wenden uns entschieden gegen eine Einteilung in gute und schlechte Migrant_innen, während die Gesetze verschärft und das Recht auf Asyl de facto abgeschafft werden.
Wir fordern, dass alle Menschen, die hier leben, die gleichen Möglichkeiten haben, an der Gesellschaft sowie an
politischen Entscheidungen mitzuwirken.
rständlich ist,
Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der es selbstve
dass alle Menschen die gleichen Rechte teilen.
Diese Stellungnahme entstand anlässlich der Ergebnisse der Wiener Gemeinderatswahl als Initiative eines Kollektivs von Kulturarbeiter_innen, politischen
Aktivist_innen und Forscher_innen. Den Text unterstützten bisher 125 Erstunterzeichner_innen. Es gibt die Möglichkeit, den Text online zu unterzeichnen:
http://auschlussbasta.wordpress.com
08 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
flüchtlingspolitik
Unrecht nicht hinnehmen
Die politische und beratende Arbeit der
Wiener Deserteurs- und Flüchtlingsberatung
wird erneut ausgezeichnet.
Von Sylvia Köchl
Als im Herbst 1991 der Krieg in Jugoslawien begann, waren unter den Menschen, die nach Österreich flohen, auch
sehr viele Kriegsdienstverweigerer.
Die antimilitaristische Gruppe „ARGE
für Wehrdienstverweigerung und
Gewaltfreiheit”, die seit den 1970ern
aktiv ist, begann, diese Deserteure zu
unterstützen. Ursprünglich als temporäres Projekt geplant, wurde rasch klar,
dass die Wehrdienstverweigerung in
Jugoslawien größere Ausmaße hatte als
zunächst angenommen: Rund ein Drittel
der für den Krieg einberufenen Männer
desertierte, und die Deserteursberatung
in der Bürogemeinschaft Schottengasse
in Wien wurde 1992 als eigene Einrichtung gegründet. Sie setzte von Anfang
an auch auf Öffentlichkeitsarbeit – ging
es doch nicht zuletzt darum, Desertion
als Fluchtgrund anzuerkennen. Obwohl
es ein Menschenrecht darstellt, wird
Desertion europaweit bis heute so gut
wie nie als Asylgrund anerkannt.
Antirassistische Beratung. Die
Expertise, die dort von mehrheitlich
unbezahlten AktivistInnen im Laufe
der Jahre sowohl bei der Beratung
von Deserteuren als auch von anderen
Flüchtlingen erworben wurde, machte
die Beratungsstelle nach dem Ende des
Kriegs in Jugoslawien 1995 keineswegs
überflüssig. Die Umbenennung in Deserteurs- und Flüchtlingsberatung 1996
trug dieser Entwicklung Rechnung. Die
Herkunftsländer und Konfliktsituationen
mögen sich verändert haben, die Grundproblematik sei aber gleich geblieben,
schreibt die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung in ihrer Selbstdarstellung: „Damals wie heute geht es darum,
dass Menschen ihr Land verlassen, weil
sie dort aus unterschiedlichsten Gründen keine Perspektive mehr sehen. Und
darum, dass sie kaum Chancen haben,
als Flüchtlinge anerkannt zu werden
oder ein Aufenthaltsrecht zu erlangen –
und darum, dies nicht hinzunehmen.”
Hamburg, Foto: T.M./panoramio.com
Diese Worte verdeutlichen bereits, in
welcher Weise sich die Deserteurs- und
Flüchtlingsberatung von anderen ähnlichen Organisationen unterscheidet. Sie
war und ist kein karitatives, sondern ein
politisches und widerständiges, ein dezidiert antirassistisches Projekt, das auch
seine eigene Position reflektiert. Beratung, so schrieben die AktivistInnen,
als sie 1998 den UNHCR-Preis für ihr
Engagement für illegalisierte Menschen
erhielten, deute eine Selbstständigkeit
der Beratenen an, die „leider nicht zu
realisieren” sei, „und das liegt nicht an
der persönlichen Unselbstständigkeit
unserer KlientInnen”. Die komplizierte Rechtsmaterie Asylgesetz, die Art,
wie die Behörden mit Asylsuchenden
umgehen, die Gefahren, die drohen,
wenn jemand den Inhalt eines Bescheids
nicht exakt versteht – das alles macht
mehr als nur Beratung nötig. „Beratung
bedeutet in unserem Zusammenhang
Schutz vor falschen Informationen und
oft genug auch vor tätlichen Übergriffen, bedeutet mitgehen und für jemanden sprechen, weil StaatsbürgerInnen
dieses Staates offenbar bessere Chancen
haben, dass sie nicht oder nur weniger
unterbrochen werden, dass man sie nicht
stundenlang warten lässt und ihnen nicht
das Wort im Mund umgedreht wird.”
Konstruktion illegal. Der UNHCRPreis versetzte die AktivistInnen damals
in Erstaunen: „Es ist neu, für unsere
Tätigkeit ausgezeichnet zu werden”,
hieß es in der Rede zur Preisverleihung.
„Der Status der KlientInnen – und
unsere KlientInnen sind nun eben zum
Großteil Illegalisierte – färbt ab auf
den Status der BeraterInnen (und auf
die Höhe der Subventionen). Jetzt sind
wir Preisträger. Normalerweise sind wir
,verfahrensverzögernd’ oder ähnliches.”
Mit dem Preisgeld werde die Arbeit für
Illegalisierte weiter ausgebaut, denn
„Illegalisierung ist keine Krankheit.
Sie wird von Menschen konstruiert. Das
heißt, der Begriff ,illegal’ muss zunächst
überhaupt geschaffen werden als Gegenkategorie zu den ,Legalen’ – auf diese
Idee muss erst einmal jemand kommen.
Und weiters auf die Idee, Chancen und
Menschenrechte anhand dieser Trennlinie zu verteilen.” 1999 startete dann
die Kampagne „Kein Mensch ist illegal
– Menschenrechte sind unteilbar”.
In der Zwischenzeit wurde die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung bereits
mehrfach ausgezeichnet, am 9. Dezember 2010 wird der nationale Menschenrechtspreis der Österreichischen Liga
für Menschenrechte an sie vergeben.
„Der Preis wertschätzt den besonderen
Einsatz des Teams für Flüchtlinge und
Deserteure”, heißt es in der Begründung, „aber auch dessen engagierte
politische Arbeit.” l
Deserteurs- und Flüchtlingsberatung
1010 Wien, Schottengasse
3a/1/59
[email protected]
www.deserteursberatung.at
ARGE für Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit
www.verweigert.at
„Kein Mensch ist illegal”
www.no-racism.net
Termin:
Verleihung der Menschenrechtspreise 2010 in Kooperation mit dem Filmfestival
„this human world” am 9.
Dezember 2010 um 19.00
im Festsaal des Bundesministeriums für Justiz.
www.liga.or.at
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 09
budget
Budget
mit Zukunft
Die Allianz „Wege aus der Krise”
wollte die Budgetrede des Finanzministers
nicht abwarten und hat ihr eigenes Budget
präsentiert. Darin stehen die Zeichen
auf Umverteilung: Besteuerung des Überflusses
und Investitionen in Zukunftssektoren.
Von Gabi Horak
Foto: rotkraut.c.r./flickr.com
Das zivilgesellschaftliche
Budget zum Download sowie
viele andere nützliche Hintergrundinformationen unter
www.wege-aus-der-krise.at
1 www.nachrichten.at,
17.9.2010
Eigentlich hätte es ÖVP-Finanzminister
Josef Pröll sein sollen, der am 18. Oktober seine Budgetrede hält. Bekanntlich
hat sich die Regierung aber mit dem
Budget für 2011 Zeit gelassen (was
taktische Gründe hatte – warten auf die
Wahlen in der Steiermark und in Wien
– und überdies auch noch verfassungswidrig ist). Stattdessen hat an diesem
Tag eine Allianz von NGOs und Gewerkschaften (darunter die Armutskonferenz, Attac, Global 2000, Katholische
ArbeitnehmerInnen-Bewegung, ÖH,
SOS Mitmensch, PRO-GE und vida)
unter dem Titel „Wege aus der Krise”
eine „zivilgesellschaftliche Budgetrede”
gehalten und das „Zukunftsbudget”
vorgestellt.
Darin plädieren die Expert_innen für
einen Paradigmenwechsel, der zwar in
manchen SPÖ-Kreisen schon angedacht wurde, aber in dieser Koalition
wohl doch unmöglich war: Vermögen
umfassend besteuern und in Soziales
und Bildung investieren. „Jetzt bei Sozialem, Pflege oder Bildung zu sparen,
ist weder notwendig noch konjunkturell
sinnvoll, sondern bedeutet, noch mehr
Menschen in Arbeitslosigkeit und Armut
zu stürzen”, so die Vertreter_innen des
„Zukunftsbudgets” in ihrer Aussendung.
Sie wollen beweisen, dass Budgetkonsolidierung und Zukunftsinvestitionen kein
Widerspruch sind.
10 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
Die oberen zehn Prozent. Eines
ist klar: Ohne Strukturreform in der
Verwaltung, beim Steuersystems etc.
wird es auf lange Sicht nicht gehen.
Die wird aber in ein Budget 2011 noch
nicht einfließen. Für das „Zukunftsbudget” 2011 braucht es Umverteilung
und frisches Geld aus jenen Teilen der
Gesellschaft, die genug davon haben.
Derzeit besitzen in Österreich geschätzte zehn Prozent der Menschen über 60
Prozent des Vermögens. Der Plan der
zivilgesellschaftlichen Allianz sieht vor,
eine Vermögenssteuer von rund einem
Prozent einzuführen – und zwar mit
einem Freibetrag von 500.000 Euro
Nettovermögen pro Haushalt. Das
bedeutet: das gesamte Geld- und Immobilienvermögen abzüglich laufender
Kredite. Dabei sollen keine zusätzlichen
Verwaltungskosten anfallen, da Steuerpflichtige wie bei anderen Steuern
selbst eine Steuererklärung abgeben.
Das Finanzamt prüft nur auf Basis von
Stichproben.
Umverteilung und Vermögensbesteuerung haben eine starke geschlechtsspezifische Dimension, so Michaela Moser
von der Armutskonferenz: „Die oberen
zehn Prozent mit den 60 Prozent Vermögensbesitz sind ziemlich wahrscheinlich mehrheitlich Männer. Da kommt die
Umverteilung nach unten mehrheitlich
Frauen zugute.”
Zusätzlich sieht das „Zukunftsbudget”
neben anderen Maßnahmen eine Bankenabgabe vor. Genau wie im Budgetvorschlag der Regierung wird dadurch
mit 500 Millionen Euro Mehreinnahmen gerechnet – einer der wenigen
Punkte, in denen sich die zivilgesellschaftliche Allianz und die Regierung
einig sind.
Ähnliches gilt für die Einführung einer
Flugticketabgabe und die Erhöhung der
Mineralölsteuer, wobei der Vorschlag im
„Zukunftsbudget” hier viel moderater
ausfällt: Nur der Preis für Diesel soll um
vier Cent steigen. Die Regierung will um
vier Cent bei Benzin und um fünf Cent
bei Diesel erhöhen, was als wenig sozial
treffsicher kritisiert wurde.
Insgesamt sieht das „Zukunftsbudget”
somit zusätzliche Einnahmen von 3,5
Milliarden Euro vor, mit denen „problemlos” die nach Vorgaben der EU notwendige Budgetkonsolidierung für 2011
finanzierbar sei – und darüber hinaus
noch Geld für Investitionen übrig bleibe.
Frauenrelevante Baustellen. „Wer
jetzt am Sozialen spart, vertieft die
schon viel zu große Kluft zwischen Arm
und Reich in diesem Land weiter. Wer
jetzt am Sozialen spart, setzt den sozialen Frieden aufs Spiel”, plädierte Judith
Pühringer von der Armutskonferenz in
ihrem Teil der „zivilgesellschaftlichen
Budgetrede”. Während die Sparpläne
der Regierung massive Einschnitte
etwa für Familien und Bildung vorsehen, wird im „Zukunftsbudget” der gegenläufige Weg eingeschlagen: Knapp
73 Milliarden Euro – aus zusätzlichen
Einnahmen und Umverteilung – sollen
investiert werden.
Frauenpolitisch relevant ist das meiste
davon. Das fängt an beim Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, die häufiger
von Frauen genutzt werden. Auch Investitionen in Bildung sind Investitionen in
Zukunftschancen von Frauen. Dabei soll
nicht nur die Betreuung für 0–6-Jährige ausgebaut und verbessert, sondern
auch die Gesamtschule für 6–14-Jährige umgesetzt werden. Außerdem ist
vorgesehen, prekäre Dienstverhältnisse
an den Universitäten – auch hier sind
mehrheitlich Frauen betroffen – in
Planstellen umzuwandeln.
Die nächste große Baustelle ist der
Bereich der Pflege. Das „Zukunftsbudget” sieht eine Qualitäts- und Qualifi-
Überfluss besteuern. Für die Vertreter_innen und Expert_innen der
Allianz „Wege aus der Krise” ist
klar:„Einsparungen im Familienbereich
und in Bildung müssten nicht sein, wenn
Vermögen konsequenter besteuert würden”, sagt Michaela Moser. Und auch die
Bevölkerung scheint die Besteuerung von
Vermögen zu befürworten, zumindest taten dies 72 Prozent der Befragten einer
Karmasin-Umfrage.
Doch die Kritiker_innen einer Vermögenssteuer bilden eine breite Front,
von der Salzburger Landeshauptfrau
Gabi Burgstaller (SPÖ) bis zur WIFOSteuerexpertin Margit Schratzenstaller.
Letztere meinte in einem Interview in
den „Oberösterreichischen Nachrichten”,
dass sie Schwierigkeiten mit der Kontrolle und Umsetzung einer Vermögenssteuer
sehe: „Das Problem ist, dass aufgrund des
Bankgeheimnisses so gut wie niemand
sein exaktes Vermögen bekannt geben
wird.”1 Sie plädiert stattdessen für eine
rasche und umfassende Steuerreform.
Derzeit besitzen in Österreich geschätzte
zehn Prozent der Menschen über 60 Prozent
des Vermögens.
zierungsoffensive vor, die Arbeitsplätze
in der stark frauendominierten Pflege
besser bezahlt und attraktiver gestalten
soll. Mobile Pflege soll massiv ausgebaut und aufgewertet werden, denn das
bestehende System fördere Schwarzarbeit und die Betreuung durch Familienmitglieder, zumeist Frauen. Zudem
soll das Pflegegeld erhöht werden – im
Gegenteil zum Vorhaben der Regierung,
die den Zugang zum Pflegegeld sogar
noch erschweren möchte.
Auch Betreuungs- und Gewaltschutzeinrichtungen sollen mehr Geld bekommen.
Allein 300 Millionen Euro braucht es,
um die „gröbsten Mängel der Mindestsicherung auszugleichen”. Und
nicht zuletzt sind Maßnahmen gegen
Arbeitslosigkeit vorgesehen. Ein zentraler Punkt der zivilgesellschaftlichen
Arbeitsmarktpolitik: eine Verkürzung
der Arbeitszeit. Dies würde auch die
faire Verteilung von Betreuungsarbeit
zwischen Frauen und Männern erleichtern. „Arbeitslosigkeit ist die dümmste
Form der Arbeitszeitverkürzung”, so
Judith Pühringer.
Ein weiteres gewichtiges Argument
gegen die „Reichensteuer”: Sie sei
standortschädigend. Denn Vermögende würden aus Österreich vertrieben,
zumal es innerhalb der EU nur mehr in
Frankreich eine klassische Vermögenssteuer gäbe – überall anders wurde sie
bereits abgeschafft. Ein Factsheet der
Allianz „Wege aus der Krise” berichtet
hingegen anderes: Ein großer Teil der
Vermögen in Österreich sei unbeweglich
(z.B. Immobilien) und nur mit erheblichem Aufwand ins Ausland zu übersiedeln. Außerdem ist die Besteuerung
von Vermögen in den Industrieländern
nur in Tschechien noch niedriger als in
Österreich.
Auch zum Thema Vermögenssteuer ist
also wohl viel Arbeit am Detail nötig,
damit sie möglich und sinnvoll ist. Doch
selbst die Regierung hat mittlerweile
eingesehen, dass Sparen bei Familien
und Bildung nicht der richtige Weg sein
kann, und hat einige geplante Maßnahmen bereits wieder relativiert. Ein
„Zukunftsbudget” wird aus dem Regierungsbudget aber wohl keines mehr. l
neuland
entdeckungen im alltag
Beate Hammond
Spitzenkunst
Dass Kleider Leute machen und Botschaften senden, ist
nichts Neues. Das Anlegen traditioneller Kleidung sendet
Stolz und Heimatverbundenheit aus und wird daher gerne
von PolitikerInnen gewählt. Das gilt für Kärnten wie für
Südafrika, wo der ehemalige Präsident Nelson Mandela
fast ausschließlich in bunten Hemden, den sogenannten
Madiba-Shirts, gesehen wurde.
Als der damalige ghanaische Präsident John Kufuor
die Feiern zur 50-jährigen Unabhängigkeit Ghanas
im dreiteiligen, dunklen westlichen Anzug absolvierte,
wurde diese Entscheidung von allen politischen Lagern
kritisiert. Hatte doch Kufuors Vorgänger im Amt, Jerry
Rawlings, ein ehemaliger Hauptmann der Luftwaffe,
vorwiegend traditionelle Kleidung in der Öffentlichkeit
getragen.
Der weltweit wohl bekannteste afrikanische Stoff ist der
gewebte Kente aus Ghana, der früher nur von KönigInnen
getragen werden durfte. Heute kann jede/r, der/die sich
die handgewebten Stücke leisten kann, in ein Gewand aus
Kente schlüpfen, das macht sich sehr gut auf Hochzeiten
und anderen Feiern. Für den Alltag gibt es Kenteschals,
die mit Vorliebe von afro-amerikanischen PolitikerInnen
getragen werden. An Barack Obama ist dieser Trend
allerdings bisher vorbeigegangen.
In Nigeria werden zu besonderen Anlässen spezielle bestickte Stoffe angelegt, sogenannte afrikanische Spitze.
Unter dem Titel „African Lace” ist im Museum für Völkerkunde in Wien noch bis Februar 2011 eine Ausstellung
zu sehen, die sich dieser Mode widmet – nicht zuletzt
deshalb, weil ein Großteil dieser traditionellen Stoffe in
Vorarlberg gefertigt wird. Die Ausstellung entstand in einer Kooperation des hiesigen Völkerkunde-Museums mit
der National Commission for Museums and Monuments
of Nigeria und beleuchtet ein faszinierendes Kapitel der
afrikanischen Modegeschichte. Außerdem thematisiert
sie einen wichtigen Bereich der Gegenwartskultur, gibt
einen Einblick in Alltagswelten in Nigeria und erzählt
von Lebensfreude, Luxus und der Lust am gemeinsamen
Feiern.
Beate Hammond macht ihre Entdeckungen in Wien.
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 11
schweden
Feminismus parteilich
Das fortschrittliche Image
Schwedens hat nach den jüngsten
Parlamentswahlen im September
Risse bekommen.
Mia Kager und Vina Yun fragten
bei Stina Sundberg,
stellvertretende Vorsitzende
der Frauenpartei „Feministiskt
Initiativ”, nach, wie es um die
schwedische Politik nach dem
Rechtsruck bestellt ist.
Lund, Schweden, Foto: Reclaim Reklam
an.schläge: Schweden gilt nach wie vor
Übersetzung aus dem
Englischen: Vina Yun
www.feministisktinitiativ.se
als europäisches Musterbeispiel,
wenn es um Geschlechterfragen und
Gleichstellungspolitiken geht. Bei
den jüngsten Wahlen verfehlte die
„Feministiskt Initiativ“ den Einzug
ins schwedische Parlament allerdings
deutlich. Ist das nicht ein Widerspruch zum „frauenfreundlichen“
Image Schwedens?
Stina Sundberg: Gerade weil Schweden so stark mit Gleichberechtigung in
Verbindung gebracht wird, denken die
SchwedInnen, dass sie auch tatsächlich
gleichgestellt sind. Sie wollen nicht
wahrhaben, was noch alles zu tun ist und
welche Probleme es noch zu lösen gilt.
Gleichzeitig stellen sie sich aber auch
nicht gegen die Forderungen, die wir von
der „Feministiskt Initiativ” – kurz: F! –
formulieren. Es heißt dann lediglich, die
Zeit sei noch nicht reif dafür. Oder man
hat Angst, als „FeministIn” gelabelt zu
werden, und hofft, dass andere Parteien unsere Forderungen aufnehmen,
allerdings ohne das Wort „Feminismus”
in den Mund zu nehmen.
Ein weiterer Grund, warum wir den
Einzug ins Parlament nicht geschafft
haben, ist, dass das oppositionelle
Linksbündnis unter der Führung der
12 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
Sozialdemokraten die Regierung mit
allen Mitteln übernehmen wollte. Gegen
Ende des Wahlkampfs herrschte eine
bittere Stimmung, als die Linken sagten, man solle nicht die Stimme an uns
verschwenden, weil sonst die konservative Regierung weiterhin an der Macht
bleiben würde.
Die „Feministikst Initiativ“ wurde
2005 gegründet. Auf welche feministischen und politischen Traditionen
bezieht sich die Partei?
In Schweden gibt es eine andere
politische Bereitschaft als anderswo,
Veränderungen in Angriff zu nehmen.
Zum Beispiel gab es über die Parteigrenzen hinweg eine Kampagne, um
Frauen über gemeinsame Listen stärker
zu repräsentieren. Die Kampagne war
erfolgreich, doch es brachte nicht die
politische Veränderung, wie wir sie
fordern. Daraus entstand das Projekt
„Nätstrumporna” und die Drohung, eine
eigene feministische Partei zu gründen,
sollte sich nicht mehr bewegen. Dieser
Druck half, dass sich die etablierten
Parteien mit den Forderungen der
Frauenbewegung auseinandersetzten.
So vergingen einige weitere Jahre, bis
sich F! als eigene Partei formierte. Uns
wurde nämlich klar, dass Feministinnen
am besten ohne Parteiloyalitäten ins
Parlament einziehen sollten. Wir haben
unsere eigene politische Agenda und
sind keiner Ideologie verpflichtet. Wir
sind weder links noch grün noch rechts.
Gibt es so etwas wie einen „schwedischen Feminismus“? Oder könnte
man sagen, dass der Feminismus in
Schweden weitgehend institutionalisiert wurde?
Der schwedische Wohlfahrtsstaat wurde
in den 1930er Jahren aufgebaut. In
diesem System herrschte Einsicht über
die Bedürfnisse von Frauen, es wurden
Arbeitsplätze und Tagesbetreuungsstätten für Kinder geschaffen. Das schwedische Gesellschaftsmodell basiert auf
Individuen, nicht auf dem Konzept der
Familie. Wir sind also Individuen. Das
hat Auswirkungen z.B. auf das Steuersystem und darauf, dass alle Individuen, inklusive der Frauen, sich selbst
erhalten können sollen. So begannen
die wirklich tiefgreifenden sozialen
Veränderungen, für die Schweden
bekannt wurde. Und ja, in diesem Sinne
ist Geschlechterpolitik in Schweden,
die die Forderungen der Frauenbewegung aufgenommen hat, institutionell
schweden
verankert. Wir von der Feministischen
Initiative sehen dies aber lediglich als
eine Form, das bestehende System zu
„reparieren”. Uns geht es darum, die
zugrunde liegenden Ursachen der Trennung und der Bewertung der Geschlechter anzugehen.
schwedische Sozialwesen sehr verändert. Dieser Wandel wurde von den
Schwedendemokraten als ein wirtschaftlicher Niedergang gedeutet, verursacht durch die Kosten der Migration.
Die Schwedendemokraten verfolgen
hier eine langfristige Strategie.
Wie hat sich die feministische Bewegung in Schweden im Vergleich
zu anderen nordischen Ländern wie
Dänemark, Norwegen oder Island
während des letzten Jahrzehnts
entwickelt?
Sowohl in Dänemark als auch in
Norwegen ist die Frauenbewegung
beinahe verschwunden. Dort haben
sich andere Themen stärker in den
Vordergrund gedrängt. In Dänemark
zum Beispiel sitzen die Rechtsradikalen und Rassisten in der Regierung
(gemeint ist die Venstre-Partei, Anm.
d. Red.). Aber ich nehme an, in Island
tut sich einiges. Für diesen Herbst
Welche Auswirkungen hat der Rechtsruck auf die Frauenpolitik im Land?
Wie stark kann ein rechter Politiker
wie Schwedendemokraten-Chef
Jimmie Åkesson die schwedische
Politik beeinflussen?
Åkesson interessiert sich nur für Migrationsthemen, über Frauen diskutiert
er höchstens, wenn es um die „Unterdrückung” von Muslimas geht und
sich das als Argument gegen Migration
verwenden lässt. Er will vor allem die
„schwedische Familie” schützen, hat
aber bislang noch keine konkreten Vorschläge eingebracht, die einem Backlash
gleichkommen würden.
„Åkesson interessiert sich nur für Migrationsthemen, über Frauen diskutiert er höchstens,
wenn es um die ‚Unterdrückung‘ von Muslimas
geht und sich das als Argument gegen
Migration verwenden lässt.“
ist ein Frauenstreik für mehr Lohngerechtigkeit geplant (siehe dazu die
Kurzmeldung auf S. 14).
Nochmals zurück zu den Parlamentswahlen im September: Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten
haben 5,7 Prozent der Stimmen
gewonnen und sind erstmals in den
schwedischen „Riksdag“ eingezogen.
Aus welchen Gesellschaftsbereichen
stammen die WählerInnen der Schwedendemokraten?
Die Stimmen für die Schwedendemokraten stammen aus der WählerInnenschicht der bürgerlich-konservativen
Partei (Moderata samlingspartiet) und
der Sozialdemokraten. Es sind konservative WählerInnen, die schon bei den
letzten Parlamentswahlen gegen Migration gewählt haben, sowie aufgebrachte
ArbeiterInnen, die um ihre sozialstaatlichen Leistungen und den Arbeitsplatz
fürchten.
Seit dem Beitritt zur EU hat sich das
Die konservative Regierung will ihre bisherige Wirtschaftspolitik fortsetzen, die
auf Steuerreduzierungen basiert – wovon
vor allem Männer profitieren. GenderAngelegenheiten stehen im Abseits.
Nyamko Sabuni von der Liberalen Volkspartei bleibt Gleichstellungsministerin,
aber ist nunmehr dem Ministerium für
Erziehung unterstellt. Ihr Wirkungsbereich ist damit eingeschränkt.
Nach unserer letzten Kampagne im
Sommer haben zwei Gewerkschaften
ihr Engagement für mehr Lohngerechtigkeit deutlich verstärkt. Ich denke, das
wird den Druck steigern. Die konservative Regierung wird von Feministinnen
generell abgelehnt, daher glaube ich,
dass die Feministinnen der Linksparteien und Grünen in dieser Frage stärker
mobilisieren werden.
Sozialdemokratie. Wie könnte hier
eine feministische Partei als Teil einer
kritischen Opposition aktiv intervenieren?
Wir verfolgen eine umfassende antirassistische Agenda, Antirassismus als
Querschnittsperspektive bildet einen
wichtigen Teil unserer Arbeit. Wir
werden die Schwedendemokraten genau
beobachten und ihren Forderungen
Gegenforderungen entgegenstellen. Die
Schwedendemokraten gewinnen ihre
Stärke aus Unzufriedenheit – das tun
wir auch, aber mit der Motivation, für
Sicherheit zu sorgen und bestimmte
Werte zu stärken, ohne dabei die Werte
anderer Menschen zu beschneiden.
Welche Ziele hat sich die F! für die
Zukunft gesteckt?
Das Ziel ist nach wie vor, in die Gemeinderäte und ins Parlament einzuziehen.
Während der Wahlkampagne kommen
immer nur wenige Themen zur Sprache,
jetzt werden wir beweisen, dass wir
zu allen Bereichen Stellung beziehen
können. Momentan sind wir in einem
Gemeinderat vertreten – dort wird
sich zeigen, was möglich ist. Und wir
werden weiterhin für grundlegende
Veränderungen eintreten. Unsere zentralen Forderungen sind die politische
Lösung der Lohndiskriminierung, eine
faire Aufteilung der Karenzzeit – der
Arbeitsmarkt muss einsehen, dass beide
Geschlechter Kinder aufziehen – und
kürzere Arbeitszeiten für alle, um mehr
Zeit für Pflegearbeit zu ermöglichen und
Frauen vom Druck zu befreien, dies freiwillig auf Teilzeitbasis zu erledigen. l
Der Aufstieg der Rechten konnte
während des letzten Jahrzehnts in
ganz Europa beobachtet werden, mit
dem gleichzeitigen Niedergang der
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 13
an.riss international
Die isländische Regierung unter der Führung von Premierministerin Jóhanna Sigurdardóttir
sieht scharf – der Genderbrille sei dank! Foto: WAVE
international
Gewalt durch die Genderbrille
Ausreichende Finanzierung von Frauenhäusern und eine gesetzlich
verankerte Mindestanzahl von Gewaltschutzeinrichtungen – so lauten
zwei der zentralen Forderungen der 12. internationalen Konferenz von
Women Against Violence Europe (WAVE) an die Regierungen der EUMitgliedsstaaten. Auf der Konferenz, die heuer vom 14.–16. Oktober in
Warschau abgehalten wurde, diskutierten 300 Teilnehmer_innen aus 24
Ländern über Strategien und Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen. 45
Prozent aller Frauen in Europa erleiden mindestens einmal im Leben
geschlechtsspezifische Gewalt. Einmal mehr betont das WAVE-Netzwerk
den Zusammenhang zwischen Gewalt und gesellschaftlicher Diskriminierung: Gewalt an Frauen umfasse sowohl physische und psychische als
auch sexuelle und ökonomische Gewalt. Vor allem Migrantinnen seien
gefährdet, da sie mit mehrfacher Diskriminierung – als Migrantinnen und
als Frauen – konfrontiert sind. WAVE fordert daher dringend einen vom
Ehepartner unabhängigen Aufenthaltstitel.
Rund eine Woche nach der WAVE-Konferenz fanden im isländischen
Reykjavik gleich zwei feministische Konferenzen zum selben Thema
statt: die Nordische sowie die Internationale Konferenz gegen Gewalt an
Frauen (bei der auch WAVE vertreten war). In Island jährte sich heuer
zudem der Generalstreik der isländischen Frauen zum 35. Mal. 1975
legten 90 Prozent aller isländischen Frauen aus Protest gegen die Lohndiskriminierung ihre Arbeit nieder – und damit die Gesellschaft lahm.
Am 25. Oktober wiederholten 50.000 Frauen in Reykjavik (von knapp
120.000 Einwohner_innen) und hunderte Frauen in anderen Städten
Islands den traditionsreichen Protest und riefen gleichzeitig zu einem
Ende der Gewalt an Frauen auf. sane
www.wave-network.org
brasilien
La Presidenta
Nach acht Jahren der Präsidentschaft durch Luiz Inácio Lula da Silva
von der Arbeiterpartei PT wird nun Parteikollegin Dilma Rousseff am
1. Jänner 2011 seine Nachfolge antreten. Sie gewann die Stichwahl am
14 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
31. Oktober gegen den Sozialdemokraten José Serra – trotz einer wahren
Schmutzkübelkampagne, die darin gipfelte, dass Serras Frau Rousseff
eine „Baby-Mörderin” nannte, da diese die Abtreibung legalisieren wolle.
Lulas Präsidentschaft war vom Kampf gegen die Armut und der Bildung
von außenpolitischen Süd-Süd-Achsen geprägt, die die Abhängigkeit Brasiliens von den reichen Industriestaaten des Nordens minderten. Doch die
Erfolge müssen auch relativiert werden, wie etwa Maria Salete Campigotto von der brasilianischen Landlosen-Bewegung betont: „Die Mittelschicht wächst überproportional, doch auch der Unterschied zwischen
Arm und Reich nimmt weiter zu.” Von Dilma Rousseff erwartet sie sich
mehr Freiraum, um politische Projekte zur Armutsbekämpfung am Land
entwickeln zu können.
Dabei galt die 62-jährige Ökonomin Rousseff, eine ehemalige Kämpferin
gegen die bis 1985 herrschenden Militärdiktaturen im Land, unter Feministinnen nicht unbedingt als Hoffnungsträgerin Nummer eins. Neben ihr
kandidierte nämlich noch eine weitere Frau für das PräsidentInnen-Amt,
Marina Silva von den Grünen, die allerdings im ersten Wahlgang am 3.
Oktober scheiterte. Clara Charf, eine der bedeutendsten Feministinnen
Brasiliens, sprach vor der Stichwahl in den Medien zwar von einem
historischen Moment, erwähnte jedoch nur Marina Silva als jene, die die
politische Beteilung von Frauen voranbringen würde. sylk
http://womblog.de, www.ila-web.de, www.npla.de
medien
Who makes the News?
Am 10. November 2009 wurde im Zuge des Global Media Monitoring
Projekts (GMMP) insgesamt 1.281 Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern aus 108 Ländern sowie 76 nationalen Nachrichten-Websites in 16
Ländern und acht internationalen News-Websites eine Frage gestellt: Wie
werden Frauen in diesen Medien repräsentiert?
Die Ergebnisse sind ernüchternd: Nur 24 Prozent der Menschen, über die
berichtet wurde, waren weiblich. Die interviewten ExpertInnen waren
eher Experten – Frauen waren hier nur zu 20 Prozent vertreten. In der
Nachrichtenproduktion kamen Frauen schon öfter vor: 37 Prozent der ReporterInnen waren weiblich, präsentiert wurden Nachrichten im Fernsehen zu 52 Prozent von Frauen, im Radio zu 45 Prozent. Waren Frauen für
die Nachrichtengestaltung zuständig, kamen innerhalb der Beiträge auch
mehr Frauen vor.
Was die Inhalte der Nachrichten betrifft, so zeigt die Studie, dass GenderGerechtigkeit bzw. -Ungerechtigkeit in nur sechs Prozent der Beiträge
thematisiert wurden. Gender-Stereotype wurden in 46 Prozent der Beiträge verstärkt und nur in sechs Prozent der Nachrichten infrage gestellt.
Die GMMP-Studie wird seit 1995 im Fünf-Jahres-Rhythmus durchgeführt und erschien 2010 zum vierten Mal. Die starke Unterrepräsentanz
von Frauen wurde bisher jedes Mal festgestellt. be
www.whomakesthenews.org
eu
Erweiterung des Mutterschutzes
Mütter wie Väter dürfen sich freuen: Nach kontroversen Debatten rund
um eine Verlängerung des Mutterschutzes auf 20 Wochen bei vollem
Lohnausgleich stimmte das Europäische Parlament am 20. Oktober mit
einer deutlichen Mehrheit für die vom Frauenausschuss vorgeschlagene
Ausweitung sowie für den vollbezahlten zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Mit den neuen EU-Bestimmungen, die Mindeststandards darstellen,
an.riss international
werden die innerhalb der europäischen Staaten sehr unterschiedlichen
Mutterschutzregelungen vereinheitlicht. Das überraschende Ergebnis
stieß auf viel Kritik, aber auch Zustimmung: Die Europäische Frauenlobby (EWL) zeigte sich über die Neuregelung erfreut. Die Entscheidung
sei ein „Zeichen dafür, dass die Vertreter_innen im EU-Parlament die
Umsetzung der Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ernst
nehmen”, hieß es. In Zukunft sollen auch selbstständige Unternehmerinnen von der neuen Richtlinie profitieren.
Starker Widerstand kam indes aus Deutschland. Das Bundesfamilienministerium lehnt die Verlängerung des Mutterschutzes mit der Begründung
ab, die EU-Richtlinie betreffe ein „Schutzniveau, das wir in Deutschland
schon haben”. Auch die Arbeitgeberverbände zeigen sich ablehnend: Die
Forderungen gingen angesichts der Mehrkosten für die Wirtschaft „eindeutig zu weit”. Widerstand gibt es auch aus Belgien, Großbritannien,
Schweden, Frankreich und Österreich. Österreich will bei den national
geltenden 16 Wochen bleiben. Die 27 EU-Mitgliedsstaaten haben drei
Jahre Zeit, den Beschluss in nationales Recht umsetzen. sane
http://diestandard.at, www.frauenrat.de, http://diepresse.com
asylpolitik
Abschiebestopp nach Griechenland
Zahlreiche Asylländer der EU (u.a. die Niederlande, Norwegen, Großbritannien und Dänemark) haben vor kurzem die Abschiebung von Flüchtlingen nach Griechenland eingestellt. Veranlasst wurde der Abschiebestopp
durch nationalstaatliche Gerichte und den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte (EGMR) in Straßburg sowie im Zuge der sog. Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. In Österreich
hob der Verfassungsgerichtshof Ende Oktober erstmals die Abschiebung
einer Asylwerberin nach Griechenland als verfassungswidrig auf, generell
wurde die Überstellung von Flüchtlingen nach Griechenland mit neuen
Auflagen verbunden.
Insbesondere Asylsuchende aus Afghanistan, dem Irak, Iran und Somalia
kommen über Griechenland nach Europa. Reisen diese weiter in einen
anderen EU-Staat, droht ihnen aufgrund der europäischen Asylzuständigkeitsregelung (der sog. Dublin II-Verordnung) die Rücküberstellung
nach Griechenland. 2009 wurden an die griechischen Behörden 10.083
„Rückübernahmegesuche” von anderen Dublin-Staaten gestellt, 1.211
Asylsuchende wurden tatsächlich überstellt.
Einem Bericht der Flüchtlingsorganisation ProAsyl zufolge sind in Griechenland nur rund 900 Aufnahmeplätze für Asylsuchende vorhanden. Im
letzten Jahr lag die Anerkennungsquote bei Asylwerber_innen in der ersten Instanz bei 0,04 Prozent, im Sommer 2009 wurde die zweite Instanz
abgeschafft. Im Oktober teilte die Athener Anwaltskammer mit, dass der
Zugang für Asylantragsteller_innen nicht mehr gewährleistet sei. Die
Asylbehörde habe die Arbeit völlig eingestellt und warte nunmehr auf
neue Reformen des Asylsystems. Aktuell existiert ein Rückstand von fast
50.000 anhängigen Asylverfahren. Die Folgen für die in Griechenland
gestrandeten Flüchtlinge: Rechtlosigkeit, willkürliche Inhaftierungen
und Obdachlosigkeit bei gleichzeitiger Zunahme rassistischer Übergriffe,
etwa durch Razzien in von Flüchtlingen besetzten Quartieren.
Während das ohnehin rudimentäre griechische Asylsystem vollkommen
kollabiert, hält die humanitäre Krise für die Flüchtlinge im Land weiter
an – ein Resultat fehlender Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme
innerhalb der EU, wie ProAsyl kritisiert. „Es ist zynisch, die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz den EU-Staaten an den Außengrenzen
zuzuschieben. Die Krise in Griechenland ist der dramatische Ausdruck
eines unfairen und dysfunktionalen Dublin-II-Systems.” viyu
www.proasyl.de, www.asyl.at, nachrichten.at
medienmix
Kulturlabor
Das thealit Frauen.Kultur.Labor definiert sich
als Schnittstelle zwischen Kunst und Theorie.
Mit dem Augenmerk auf Geschlechterdifferenz
fördert die feministische Initiative (entstanden
aus dem ehemaligen Frauenkulturhaus Bremen) Arbeiten von Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen und entwirft interdisziplinäre
Programme zu Medienkunst & -theorie. Die
Frauen wirken als Kuratorinnen mit eigenem
Verlag und arbeiten auch selbst aktiv in den
jährlichen „Laboratorien” mit. Aktuelles Motto:
„Was ist Verrat?”. www.thealit.de. fis
Sturmfrei
Was passiert, wenn fünf 13-jährige Mädchen
einen Sommermonat lang ohne Eltern und mit
genug Geld ausgestattet in einer Villa wohnen,
zeigt die ZDF-Dokuserie Die Mädchen WG.
Nach den etwas verstockten Jungs im letzten
Jahr sind Alina, Felicia, Hilla, Janina und My
eine charmante Besetzung. Ihr Alltag zwischen
Geschirrbergen, Einkaufen mit dem Taxi und
abenteuerlichen Ausflügen ist im Vergleich zu
anderen Reality-TV-Formaten für Teenager ein
angenehm lebensnaher Spaß. Alle Folgen sind
unter www.tivi.de abrufbar. fis
WIR 2011
Seit beinahe 20 Jahren erscheint viermal jährlich die linke Zeitschrift WIR FRAUEN. Ihr Taschenkalender 2011 gibt für knapp zehn Euro
ein prima Weihnachtsgeschenk ab, der neben
Porträts (von Lysistrata bis Patti Smith) eine
Chronik der Frauenbewegung sowie Kurioses,
Fakten und Fotografien zusammenträgt. Wieder
dabei sind Menstruationskalender und Adressenverzeichnis, neu ist das „Kleine Lexikon”
zum Thema „reisende Frauen” und ein Special
zu „100 Jahre Internationaler Frauentag”.
Bestellbar unter www.wirfrauen.de. fis
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 15
Fat Feminism
Fettleibigkeit wird in unserer Gesellschaft nicht bloß als ungesund angesehen: Immer öfter gelten
Dicke als arbeitsscheu, faul und asozial. Im „War on Fat” wird daher an Eigenverantwortung und
Leistungsbereitschaft appelliert – ideologische Muster aus der neoliberalen Arbeitswelt, in der
auch die Körper flexibel und biegsam sein sollen.
Unter dem dominierenden Schlankheitswahn regt sich aber auch zunehmend Protest:
Die Fat-Rights-Bewegung versammelt sowohl aktivistische als auch akademische Gegenstimmen
und erklärt Fat zum Politikum und „Fattism” zum Widerstand. Ausgehend von den USA und
Großbritannien bilden sich immer mehr feministische und queere Zusammenschlüsse, die „Size
Zero” den Kampf ansagen.
Foto: The Chubsters
thema: fat feminism
Dürfen wir noch Kuchen essen?
In Zeiten, in denen beruflicher und privater Erfolg an Selbstvermarktung gekoppelt ist, wird der Körper zur sozialen
Visitenkarte. Verena Stern berichtet, warum Dicksein mit Faulheit gleichgesetzt wird, und wie Fat-Rights-Aktivismus
jenseits der Klischees vom „dicken Freak” und „fetten Opfer” aussehen kann.
Es sind fitnessgestählte Körper, die die
Produkte unserer westlichen Kulturindustrie bewerben: Fit for Fun. Die Botschaft
in den Frauenillustrierten lautet unisono:
Du bist deines eigenen Glückes Schmiedin. Entweder du bist bereit, streng zu
dir zu sein, diszipliniert zu trainieren
und noch disziplinierter – also wenig –
zu essen. Oder aber du bleibst dick und
entsprechend erfolglos.
Die mediale Repräsentation dicker
Menschen pendelt in der Regel zwischen Opfer und Freak. Beispielhaft
dafür sind TV-Formate wie „Celebrity Fit Club”, wo B-Promis wie
Baywatch-Star Nicole Eggert zu ihrer
durchtrainierten Figur „zurückfinden”
der erstarkenden Fat-Rights-Bewegung,
die in den USA besonders aktiv ist. Sie
unterwandert mit der selbstbewussten
Aneignung von vormals diskriminierenden Bezeichnungen wie „Fattism” eine
Pathologisierung und Viktimisierung von
gewichtigen Körpern. Auch der subversive Aktivismus der Chubsters (siehe Interview auf S. 20) stellt ein befreiendes
Gegen-Gewicht zu einer durch gesellschaftliche Normvorstellungen erzwungenen, permanenten und anstrengenden
Auseinandersetzung mit dem eigenen
Körper und seinem Umfang dar. Das
propagierte Schönheitsbild einer „living
doll” wird durch Fat-Activists wie der
Chubsters-Gründerin Charlotte Cooper
Der flexible Markt soll sich in einem ebenso
flexiblen, dünnen, biegsamen Körper widerspiegeln. Ein dicker Körper wird hingegen
mit Faulheit, Bewegungsunfähigkeit und
mangelndem Anpassungswillen assoziiert.
sollen. Fast immer werden Dicke als
abschreckendes Beispiel in Szene
gesetzt – und nicht zufällig spielen im
Kreuzzug gegen Fettleibigkeit „Race”
und Klassenzugehörigkeit eine tragende
Rolle: In diversen Reality-TV-Formaten
muss sich die „neue fette Unterschicht”
darüber belehren lassen, wie leicht man
sich mit ein paar Euro am Tag gesund
ernähren kann. Schließlich sollen die
Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger_innen, die ja jetzt schon auf Kosten der
Gesundheitsbewussten und Anständigen
leben, die Krankenkassen nicht auch
noch durch massenhafte DickleibigkeitsFolgeerkrankungen schröpfen.
Selbstbewusste, positive Role-Models
fehlen – bis auf Beth Ditto, die jedoch
wiederholt in die Schublade „exotisch”
gesteckt wird – hingegen gänzlich.
Fetter Aktivismus. Dass es auch alternative Zugänge zum dicken Körper gibt,
die nicht die Jagd nach jeder Kalorie
zum primären Ziel erklären, zeigt sich an
oder D.I.Y.-Zines wie „Fat?So!” und
„FaT Girl: A Zine for Fat Dykes and the
Women Who Want Them” konterkariert.
Mehr noch: Dieser Aktivismus greift
störend in die herrschenden Normvorstellungen ein.
Der Diskurs um Körper und Schönheit
ist – wie jeder Diskurs – ein aktiver
und dynamischer Raum gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Darin
können Normen bestätigt und reproduziert oder aber abgelehnt, umgedeutet
und auch verändert werden. Es mag,
um mit Michel Foucault zu sprechen,
kein Außen geben – Möglichkeiten
der Dissidenz gibt es aber allemal.
Charlotte Cooper gibt dazu folgenden
Rat mit auf den Weg: Statt sich als
fette Frau unsichtbar zu machen oder
sich vorzustellen, Gewicht zu verlieren,
um ein glückliches Leben und/oder
einen Freund zu bekommen, sollten wir
uns unsere Identität als fette Person
aneignen und zu einer stolzen Person
werden.
Auch für Allyson Mitchell geht es
darum, Fettleibigkeit zu entviktimisieren. Sie ist Mitorganisatorin der Aktion
„Queen Size on Queen Street”, bei der
es fette Frauen wagten, die unverblümte
Frage „Bin ich fett?” an Straßenpassant_innen zu stellen. Mitchell beschreibt die Parodie als wichtiges Mittel für „Fat Drags” – ähnlich wie diese
zuvor bereits für eine Dekonstruktion
von Gender eingesetzt wurde, wie Judith Butler in ihrem Werk „Körper von
Gewicht” beschreibt. Darin erläutert sie,
dass Parodie und Drag einer Sichtbarmachung von zweigeschlechtlichem Heterosexismus dienen können: „Wenn es
sich beim drag um Männer als Frauen
handelt, dann haben wir die Destabilisierung des sozialen Geschlechts selbst
(…), die entnaturalisierend ist (…) und
die die Ansprüche auf Normativität und
Ursprünglichkeit (…) in Frage stellt”.1
In einer ihrer Performances verwendet
Allyson Mitchell die Zeilen: „This is
how we do fat drag. Think larger than
life. Think bigger and brighter than a
Labour Day fireworks display. Not just
in size but in color and spirit and comedy.” Dieser Zugang könnte – hinsichtlich
der Anerkennung von Vielfältigkeit –
jeder Form der Auseinandersetzung mit
Körpern dienlich sein.
Arge Weiber. 2009 begründete Patricia
Wendling in Wien die ARGE Dicke
Weiber. Seither treffen sich ca. ein
Dutzend Frauen zweiwöchentlich im
Autonomen FrauenLesbenMädchenZentrum, um ihre Erfahrungen mit einer
fett-phoben Umwelt zu teilen und sich,
im Sinne eines Self-Empowerments,
gegenseitig Mut zuzusprechen – fernab
von Diät-Tipps und selbsttherapeutischen Motiven. Die ARGE Dicke Weiber
definiert sich klar als politische Gruppe:
„Wir verstehen die Normierung von
Frauen und Frauenkörpern – sowohl
von sozialer als auch von medizinischer
Seite – als Sexismus. Schönheitsideale,
Body-Mass-Index, Diäten und Diätmittel, ,Schönheits’operationen und die Pathologisierung des dicken Körpers sind
1 Judith Butler:
Körper von Gewicht.
Suhrkamp 1997
ARGE Dicke Weiber:
http://argedickeweiber.
wordpress.com
The Chubsters:
www.chubstergang.com
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 17
thema: fat feminism
Angriffe auf die Vielfältigkeit und die
Gesundheit von Frauen. Sie dienen der
Aufrechterhaltung patriarchaler Vorstellungen von Weiblichkeit (Stichwort:
,das schwache Geschlecht’), sie entsoli-
Patricia Wendling zufolge sollte endlich
reflektiert werden, wozu (weibliche)
Körper eigentlich da sind. Denn wie sie
gebraucht werden – als Arbeitskörper,
Gebärkörper, Sexobjekt etc. – entschei-
Der gesellschaftliche Schlankheitsterror trifft
alle Frauen, nicht nur die dicken. Schlanke
leben in ständiger Angst vor Gewichtszunahme,
wodurch sich „Über“gewicht, selbst wenn
nicht vorhanden, doch immer präsent zeigt.
darisieren Frauen (Stichwort: ,Schönheitswettbewerbe’) und sind Disziplinierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen,
um Herrschaftsverhältnisse zu stützen.
Als Feministinnen wollen wir uns von
diesem Zwang befreien, denn wir sind
davon überzeugt, dass jede Frau das
Recht hat, in ihrem einzigartigen Körper in Schönheit und Unversehrtheit zu
leben!”, so die Selbstbeschreibung der
Gruppe auf ihrer Website.
Die ARGE Dicke Weiber wehrt sich
gegen den gesellschaftlichen Schlankheitsterror, der ihrer Meinung nach
The Fat of the Land 2009, Foto: Emli Bendixen
2 zitiert nach Crystal Renn:
Hungry. Heyne 2010
alle Frauen trifft, nicht nur die dicken.
Schlanke leben in ständiger Angst
vor Gewichtszunahme, wodurch sich
„Über”gewicht, selbst wenn nicht
vorhanden, doch immer präsent zeigt.
Elfie Resch von der ARGE Dicke Weiber
erzählt von Übergriffen im Alltag, z.B.
Anrempelungen auf der Straße, weil
Frauen wie sie viel Platz einnehmen –
weit mehr, als man(n) gewöhnt ist. Noch
weniger wird damit gerechnet, dass
sie sich nicht in eine passive Opferrolle
drängen lässt, sondern zum verbalen
Gegenschlag ausholt.
18 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
det über ihre Wahrnehmung und ihre
Zuschreibungen. Tatsache ist, „dass die
gesellschaftliche Diskriminierung dicker
Frauen und Mädchen unaufhaltsam
zunimmt. Ob Job-Kündigungen, Vernachlässigungsvorwürfe, Gesundheitsvorschriften, Abnehmcamps, MagenbandOperationen, Kleidergrößennorm,
Schönheitsidealpropaganda, Scham und
Hemmungen oder fehlende (Vor-)Bilder
– das Leben von und mit dicken Frauen
ist mittlerweile massiven Beeinträchtigungen ausgesetzt, und das Selbstwertgefühl aller Frauen und Mädchen wird
dadurch tiefgreifend zerstört. Das ist
strukturelle Gewalt!”
War on Fat. Der Krieg gegen fette
Menschen tobt vor allem in den USA.
Richard Carmona, ein ehemaliger Militärarzt der US-Streitkräfte, bezeichnete Fettleibigkeit gar als den „inneren
Terror”, ein Verbrechen, das „für uns
mit jedem Bissen so bedrohlich ist wie
die terroristische Bedrohung, der wir
uns heute gegenübersehen.”2
Welches politische und ökonomische
Gewicht der Körper besitzt, wird auch
an der Einführung des BMI (Body Mass
Index) deutlich. Auf Betreiben einiger
US-Versicherungsunternehmen etablierte sich in den 1980ern der BMI als
Klassifikationsmodell zur Berechnung
von Lebensversicherungsprämien, die
„Übergewicht” als Risikofaktor integrierten. Im Laufe der Zeit wurde die
BMI-Tabelle immer weiter nach unten
revidiert – ein Umstand, von dem eine
ganze Industrie mit ihren „Schlankheitsprodukten” profitierte.
Der BMI, der auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingesetzt
wird, machte somit Millionen Amerikaner_innen schlagartig zur adipositösen
Gefahr. In bester neoliberaler Tradition
wurde damit auf die Belastung, die
übergewichtige und fettleibige Menschen
angeblich auf das Gesundheitssystem
ausüben, hingewiesen. So tauchten plötzlich Studien auf, die bestätigen sollten,
welche gesundheitlichen Risiken ein
erhöhter BMI beinhaltet, Empfehlungen
wurden ausgegeben, wie jede_r in Eigenverantwortung durch Gewichtsreduktion
seinen_ihren Beitrag zum Gemeinwohl
leisten könne. Um der Sache einen
dramatischeren Charakter zu verleihen,
wurde gleich eine Pandemie der Fettleibigkeit ausgerufen: Die ganze Gesellschaft werde immer dicker.
Dass es überhaupt zu einer solchen
„Gefahr” kommen konnte, setzte eine
gute Portion Kulturpessimismus voraus:
Mit zunehmender Technologisierung
entferne sich der Mensch von der Natur,
was in weiterer Folge Bewegungsmangel und die Unfähigkeit für den „richtigen Riecher” bei Nahrungsmitteln mit
sich bringe.
Verwertbare Körper. „Fat is a feminist
Issue” betitelte Susie Orbach ihr
bekanntestes Buch bereits vor mehr als
einer Dekade. Wie Recht sie damit hat,
lässt sich auch an aktuellen populären
Beispielen wie Kate Moss und Beth
Ditto ablesen. Während Erstere gerne
betont, dass „nichts so gut schmeckt,
wie dünn zu sein”, wird Letztere vorwiegend mit den Attributen „Diskokugel” oder „dick im Geschäft” versehen.
Nur vereinzelt (wenn auch immer
öfter) werden Männer derart an ihrem
Äußeren festgemacht, Frauen hingegen
sollen sich permanent mit ihrem Aussehen beschäftigen – mit dem Effekt,
dass sie aufgrund dieser zeitraubenden
„Aufgabe” Männern weniger Konkurrenz machen.
Es finden sich immer neue (Schönheits-)Ideale, die es zu erreichen gilt –
und diese Ideale verändern sich laufend
entlang von Vorstellungen, wie die erfolgreiche, fleißige und produktive Frau
jeweils auszusehen hat. Heute spielt
eine gesellschaftliche Entwicklung,
die auch unter dem Namen neoliberal
subsumiert wird, dabei eine gewichtige
Rolle. Neoliberal bedeutet dabei nicht
nur eine (globale) Machtverschiebung
weg von staatlichen Institutionen, wie
etwa dem Sozialstaat, hin zur rein
an Profiten ausgerichteten Logik der
thema: fat feminism
kapitalistischen Wirtschaft. Diese Logik
der Verwertbarkeit wurde auch immer
stärker den Individuen aufgedrängt, die
plötzlich auch ihre „Soft Skills” mit an
den Arbeitsplatz bringen mussten – den
sie aber nur bekamen, wenn z.B. das
mittlerweile obligate Foto neben dem
Lebenslauf nicht den Verdacht erweckte, die fette Person sei bei der Arbeit
eventuell auch nicht so schnell oder
könnte auf Dauer mehr Krankenstände
haben.
Fit für den Markt. Die fitte Ökonomie
muss sich also auch auf der „Visitenkarte Körper” ablesen lassen, der eigene
Körper wird so zunehmend zum Kapital.
Unter neoliberalen Vorzeichen verändern sich sowohl Staatskörper als auch
privater Körper, denn „der kollektive
soll sich in einem ebenso flexiblen,
dünnen, biegsamen Körper widerspiegeln. Ein dicker Körper wird hingegen
mit Faulheit, Bewegungsunfähigkeit und
mangelndem Anpassungswillen assoziiert – denn eine fitte Wirtschaft will
auch in jedem einzelnen ihrer Individuen sichtbar sein.
Corpus delicti. In der Wissenschaft galt
lange Zeit das Prinzip des „körperlosen
Forschers”, der, daraus resultierend, objektive Beobachtungen durchführt. Erst
die Positionierungen der feministischen
Standpoint Theory haben eine nachhaltige Normverschiebung hervorgebracht:
Die Erkenntnis, dass ein forschendes
Subjekt sich selbst und die eigene
Situiertheit in den wissenschaftlichen
Vorgang einbringen muss, um zu einem
Die Einführung des Body Mass Index machte
Millionen Amerikaner_innen schlagartig zur
adipositösen Gefahr.
Körper hat sich im individuellen zu spiegeln – und umgekehrt”.3 Die Ökonomin
und Politologin Gabriele Michalitsch
beschreibt es so: „Neoliberalismus bedeutet einen umfassenden, auf ökonomischer Selbstregulierung durch den Markt
basierenden gesellschaftlichen Ordnungsund Entwicklungsentwurf, demgemäß
Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
gleichermaßen nach dem Marktmodell
restrukturiert werden. Das impliziert
auch einen neuen (maskulinistischen)
Subjektentwurf und manifestiert sich
in Redefinitionsprozessen von Wissen,
Denken und Emotionen.”
Dieser maskulinistische Subjektentwurf
zeigt sich deutlich in der Unterscheidung der Geschlechter beim Thema
Körperumfang. Während Männer tendenziell durch gewisse Posen und einen
idealisierten breiten, kräftigen Körper
aufgefordert sind, Raum einzunehmen
und damit zu signalisieren, dass sie
Verantwortung schultern können,
sollten Frauen am besten unsichtbar
sein. Zumindest in diesem Punkt liegt
Alice Schwarzer richtig: Frauen sollen
sich dünne machen. Dann klappt’s auch
mit der Selbstvermarktung. Die ständig
einsatzbereite „Ich-AG” stellt das neue
Arbeitskraft-Modell nicht nur der neuen
Selbstständigen dar. Der flexible Markt
differenzierten Ergebnis zu kommen,
ist ihnen und ihrer berühmten Vertreterin Donna Haraway mit deren These
des „Situated Knowledge” geschuldet.
Bereits seit den 1960er Jahren ist der
(weibliche) Körper zentral für die feministische Wissenschaft. In ihrem 1949
veröffentlichen Werk „Das andere Geschlecht” schreibt Simone de Beauvoir:
„Der Körper der Frau ist ein käufliches
Objekt. Für sie stellt er ein Kapital dar,
das sie verwerten darf.” Es gilt also,
sich bestmöglich zu verkaufen, um sich
an den Mann zu bringen.
The Fat of the Land 2009, Foto: Emli Bendixen
In einer Zeit, die gezeichnet ist von
Fitnesswahn und Ernährungsideologien,
geht es nicht, wie oft insistiert wird, um
das Wiedererlangen eines „Naturzustandes des Körpers”, sondern darum,
die nie enden sollende „Arbeit am Ich”
aufrechtzuerhalten. Nirgendwo sonst
zeigt sich der neoliberale Überlebensmodus von Flexibilität und Ausdauer so
eindeutig wie auf der Visitenkarte des
Körpers. Um nicht Gefahr zu laufen, der
faulen, fettleibigen, Fritten fressenden
Unterschicht zugeordnet zu werden,
sollen sich alle einem BMI-normierten,
uniformierten Aussehen unterwerfen
– nach dem Motto: Aktiv ist das neue
Attraktiv. Da sollten wir doch Kuchen
essen. l
Verena Stern ist Politikwissenschafterin
mit einem BMI von 37 und erfreut sich
fachärztlich bestätigt bester Gesundheit.

t
c)x
(
fabo
Fette Nachlese
Susan Bordo: Unbearable Weight: Feminism, Western Culture,
and the Body. Berkeley, University of California Press 1993
Charlotte Cooper: Fat and Proud: The Politics of Size. London,
Women’s Press 1998
Don Kulick, Anne Meneley (eds.): Fat. The Anthropology of an
Obsession. New York, Penguin 2005
Gabriele Michalitsch: Die neoliberale Domestizierung des Subjekts.Von
den Leidenschaften zum Kalkül. Frankfurt/Main, Campus 2006
Mimi Nichter: Fat Talk: What Girls and their Parents say about Dieting.
Cambridge Mass., Harvard University Press 2000
Rebecca Popenoe: Feeding Desire: Fatness and Beauty among a Saharan
People. London/New York, Routledge 2003
Henning Schmidt-Semisch, Friedrich Schorb (Hg.): Kreuzzug gegen Fette.
Sozialwissenschaftliche Aspekte des gesellschaftlichen Umgangs mit Übergewicht und Adipositas. Wiesbaden, VS-Verlag 2008, insbes. die Beiträge
von Paula-Irene Villa und Katharina Zimmermann sowie Carmen Gransee.
3 Christina von Braun und
Inge Stephan: Gender@
Wissen. Ein Handbuch der
Gender-Theorien. Böhlau
2005
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 19
thema: fat feminism
Invasion of the Chubsters
Charlotte Cooper –
Role Model, Activist
und Boss Bitch von
„The Chubsters” –
im Interview über
ihre Gang, Fat
Politics und
zukünftige Projekte.
Von Ines Voigts
und Gesine Claus
Charlotte Cooper (l.) und ihre Gang. Foto: Christa Holka
Übersetzung aus dem
Englischen: Nina Schulz
1 Das Queer Chub Festival
„The Fat of the Land” hat
einmalig 2009 stattgefunden:
www.queerchub.blogspot.com
Mehr Infos zu den Chubsters:
www.chubstergang.com,
www.charlottecooper.net,
[email protected]
Fat Blog von Charlotte
Cooper: www.obesitytimebomb.blogspot.com
Gruppen:
Nolose, www.nolose.org
Fat Femme Mafia, www.
myspace.com/fatfemmemafia
„Chubster” wird übersetzt als jemand,
der/die stolz ist, nicht den dünnen Körpernormen zu entsprechen. Charlotte
„The Beefer” Cooper ist Journalistin,
Autorin, Aktivistin und Akademikerin.
Seit Jahren arbeitet sie zu Fat Politics
und ist in mehreren Do-It-Yourself-Projekten aktiv. Ihr Buch „Fat and Proud:
The Politics of Size” erschien 1998,
außerdem betreibt sie einen Blog und
ist bei mehreren Kunst- und Aktionsgruppen, wie etwa The Chubsters, dabei.
Die Chubsters haben sich die eigentlich
negative Bezeichnung „chubby” (=
pummelig) angeeignet und sie positiv
und radikal für sich umgedeutet.
an.schläge: Hey Charlotte, erzähl uns ein
bisschen über euer Chubster-GangProject! Was für eine Gang seid ihr?
Verbreitet ihr Angst und Schrecken?
Charlotte Cooper: Die Chubsters sind
eine Girl Gang: voller Laster, fett und
queer. Aber eine_r muss nicht fett,
queer, ein Girl oder besonders lasterhaft
sein, um bei uns mitzumachen. Es geht
um die Einstellung. Ich bin Chef der
20 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
Gang. Einige von uns sind furchterregend, einige sanftmütig oder angriffslustig. Unsere Verachtung für Fettphobie
und unsere Liebe zum Freaksein eint uns
und macht uns stark. Fette Menschen
und Menschen in allen Formaten sollten
sich das zu eigen machen. Uns gibt es
seit circa fünf Jahren, und wir haben ungefähr 100 begeisterte, eingeschriebene
Mitglieder und viele Fans.
Seit kurzem sind die Chubsters eine
Art Sammelbecken für verschiedene
Projekte, zum Beispiel für das Filmprogramm des British Film Institute,
Musik und anderen Veranstaltungen,
sogar für Steinmetzarbeiten. Anfang
Oktober sind wir Mitorganisator_innen
des „The Fat of the Land”, ein queeres
Chub-Erntedankfestival in London.1 Das
wird eine perverse Punk-Parodie der
traditionellen Erntedankfestivals im Stil
der Strohpuppe, inklusive Performances
und Marmeladen-Probieren.
Eure Markenzeichen sind ja euer
Badge „das schreiende C” und der
Donut-Gruß. Worum geht es dabei?
Gut recherchiert! Die beiden Markenzeichen haben wir während eines
Chubster-Gang-Treffens in New Jersey
2004 erfunden. Jede Gang braucht ein
bedrohliches Symbol, das als Graffiti
oder Tattoo auf irgendwelche Oberflächen aufgetragen werden kann. Und
jede Gang braucht ein toughes Handzeichen. Das C steht für Chubster und
ist mit vor Blut triefenden Zähnen und
einer durchgedrehten Augenbewegung
garniert. Der Donut ist ein wichtiges
Symbol, weil Donuts lecker sind. Beide
müssen mit einem spöttischen Lächeln
aufgeführt werden. Komischerweise habe ich vor einigen Wochen das
Supermodel Kate Moss getroffen und
ihr beigebracht, wie die Donut-Hände
gehen. Sie war begeistert.
Warum habt ihr die Chubster-Gang
gegründet?
Ich habe Katrina Del Mars fantastischen
Film „Gang Girls 2000” gesehen. Das
hat mich inspiriert, meine eigene Gang
ins Leben zu rufen, nur mit mehr fetten
Menschen. Mir ging es darum, einen Hau-
thema: fat feminism
fen von angesagten, gemeinen, toughen,
humorvollen, großartigen und kriminell
gesinnten fetten Menschen zu haben, die
mich in jeder Situation unterstützen würden. Ich hatte anfänglich Fantasien, aktivistische Dinge auf die Beine zu stellen.
Aber in meinen Überlegungen, was gehen
könnte, war ich relativ beschränkt. Was
wir jetzt machen, ist ein viel größerer
Spaß. Fette Menschen müssen oft mit Belästigungen auf der Straße und Anstarren
fertig werden. Aggressiv zurückzustarren
und zu zeigen, dass wir tough sind und
uns wehren können, gefällt mir. Außerdem mag ich die Idee, das Vorurteil der
vergnügten, fetten Person zu unterlaufen.
Wir sind natürlich auch witzig, aber wir
verwenden einen Humor, der verunsichernd und unbequem sein kann – für die
Menschen, die fettphobisch sind.
Und dann gibt meine Freundin Kira
Jolliffe ein Magazin heraus, das „Cheap
Date” (Billiges Date) heißt. Sie sagte,
Fetten. Diese Menschen haben mir als
junger, fetter, queerer Person das Leben
gerettet. Jetzt, wo ich älter werde, inspirieren sie mich weiterhin. Aber ich bin
keine Separatistin. Die Chubsters sind
für alle offen, egal wie queer oder eben
nicht queer du bist.
Welche Fett-Aktivist_innen haben
dich am meisten beeindruckt?
„The Fat Underground”, eine Gruppe
Frauen, inklusive einiger Lesben, die in
den USA seit Mitte der 1970er Jahre
für zehn Jahre aktiv waren. Sie waren
die ersten, die „politics of fat” etabliert
haben. Außerdem liebe ich Lew Louderback, der 1970 das aufwieglerische
Buch „Fat Power” veröffentlicht hat.
Das ist zwar veraltet, aber immer noch
extrem relevant. Vor kurzem habe ich
ihn in New York getroffen. Die Lesben,
die Mitte der 1990er das „FaT GiRL”Zine in San Francisco produziert haben,
„Der Donut ist ein wichtiges Symbol, weil
Donuts lecker sind.“
wenn ich eine Gang ins Leben riefe,
würde sie eine Fotogeschichte drucken.
Wie hätte ich da Nein sagen können?
Ich habe einige Freund_innen überzeugt
mitzumachen, wir haben uns unmögliche
Namen und Biografien ausgedacht, ich
habe eine Website entworfen, später
haben meine Freundin und ich einige
Workshops angeboten, Leute animiert,
und so fing das Ganze an.
Ist es euch wichtig, euer Projekt auch
als Teil queerer Kultur und Politik zu
sehen?
Das ist sehr wichtig. Queere Kultur, Politik, Geschichte und Theorie haben mir
die Möglichkeit eröffnet, mich selbst
und meine verschiedenen Communities
zu verstehen, in einer Art, die komplett
relevant für fette Themen ist. Das beinhaltet Ideen der Normüberschreitung,
der Erschaffung eigener kultureller
Artefakte, der Wiederaneignung unterdrückerischer Sprache, der bewussten
Community, von Sex, eines subversiven
und humorvollen Aktivismus, von Punk
und Do-it-yourself (DIY). Ich respektiere radikale queere und trans Wegbereiter_innen. Von denen sind einige auch
Teil der Bewegung für die Rechte von
sind Freundinnen und Heldinnen für
mich. Sie waren so wild und gesetzlos,
so kreativ und organisiert.
Ich liebe die Arbeit, die heute einige
leisten, wie Corinna Tomrley. Sie hat
gerade ein Buch mit dem Titel „Fat
Studies in the UK” mit herausgegeben.
Sondra Solovay leistet beeindruckende
juristische Arbeit in den USA und ist
dort maßgeblich an der Entwicklung
der Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung beteiligt. Substantia Jones hat
eine brilliante Fotoserie namens „The
Adipositivity Project” entwickelt. Kelli
Dunham ist diese großartige Butch, die
im Bereich der medizinischen Selbsthilfe arbeitet. Das sind nur einige.
Mit welchen anderen Gruppen und
Aktivistinnen steht ihr in Kontakt,
und mit wem würdet ihr gerne mal
zusammenarbeiten?
Nolose, die US-basierte Organisation
für fette Lesben und Queers, hat sich
wirklich für die Chubsters eingesetzt,
uns Plattformen für Workshops geboten
und uns gefördert. In London existiert
eine unterstützende queere/trans
Community, die daran interessiert zu
sein scheint, Überschneidungen und
Intersektionen zwischen fetten und
trans Identitäten und Verkörperungen
zu entwickeln. Entfesselt es, sag’ ich
nur! Außerdem entsteht eine „Health
At Every Size”-Community in Großbritannien, die im Gegensatz zu einigen
Anti-Diät-Initiativen der Vergangenheit
daran interessiert ist, Verbindungen
mit einem Fett-Aktivismus zu schaffen,
inklusive der Chubsters.
Mein Traum für eine Zusammenarbeit
wäre, Chubster-Dinge mit älteren, radikalen Fetten auf die Beine zu stellen.
Vielleicht denen, die in den Anfängen
der Fett-Befreiungsbewegung aktiv
waren. Ein Tanz-Projekt wäre auch toll.
Oder etwas, das wirklich transkulturell
ist und fette Anliegen aus seiner weißen,
westlichen Zwangsjacke herausholt.
Du beschäftigst dich ja auch mit der
Darstellung von Chubsters im Film.
Hast du einen Lieblings-Charakter?
Was die komplexe Darstellung einer
fetten Identität angeht, ist Percy Adlons
Zusammenarbeit mit Marianne Sägebrecht in den 1980ern wirklich schwer
zu schlagen. Diese Filme scheinen in
Vergessenheit geraten zu sein, zumindest in Großbritannien, was furchtbar
schade ist. Ich würde gerne noch mal
„Zuckerbaby” sehen. Eine Erwähnung
verdient haben John Waters Arbeiten
mit Divine und Edie Massey, die alle
wundervolle Freaks sind. Darlene Cates
als Mutter in „What’s Eating Gilbert
Grape?” ist schon eine tragische Figur.
Nichtsdestotrotz freut es mich immer
wieder, wenn ich eine_n superfette_n
Schauspieler_in auf dem Bildschirm
sehe. Das ist ein seltener Anblick. l
Ines Voigts ist Filmvorführerin und Sexualpädagogin in Hamburg.
Gesine Claus war jahrelang im Organisationsteam der Lesbisch-Schwulen Filmtage
Hamburg, arbeitet jetzt im Comic-Buchladen Strips&Stories in Hamburg.
Ines Voigts und Gesine Claus haben in Zusammenarbeit mit Bildwechsel e.V. Hamburg bei den Lesbisch-Schwulen Filmtagen
2009 einen Workshop- und Kurzfilmabend
zum Thema Fat Activism/Fat Politics mit
den Chubsters veranstaltet und im Rahmen dessen dieses Interview geführt.
Erstmals erschienen in „Hugs and Kisses –
tender to all gender”, Nr. 5, Oktober 2009.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung
der Redaktion.
www.hugsandkissesonline.de
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 21
thema: fat feminism
Zarte Füße,
dicke Hintern
Zwischen Diätplan und Rebellion: Vina Yun hat sich durch einen Stapel klassischer und neuer
Kinder- und Jugendbücher gelesen und vergibt Donut-Punkte für widerständiges Potenzial.
Name: Wanda
Statur: Rund wie eine Christbaumkugel
Wird verspottet als: „Wanda Walfisch dick und rund,
Wanda Walfisch hundert Pfund!” (Chor der dünnen
Mädchen)
Fühlt sich am unwohlsten: Im Schwimmbad
Markenzeichen: Macht Riesenfontänen, wenn sie ins Wasser springt. Nicht minder aufsehenerregend: Wandas grünorangefarbener Oma-Badeanzug mit den weißen Punkten.
Diäten: Null
Romantische Verwicklungen: Ein rothaariger Knirps namens Arthur. Wer nach einer rührseligen KleinmädchenLove-Story sucht: Vergessen Sie’s!
Message: Die Kraft der Gedanken machen Kilos zählen
überflüssig. Wenn du leicht sein willst, denke Feder. Wenn
du aber eine coole Riesensupermegafontäne hinlegen
willst – denk Superwal!
Donut-Faktor: Q Q Q Q Q
Davide Calì, Sonja Bougaeva: Wanda Walfisch, Atlantis 2010, ab 5 Jahren
Name: Hermine aka Prinzessin Zartfuß, 12 Jahre alt
Figur: Besonders groß und „schwer wie zwei Prinzessinnen”. Hätte das Zeug zur Gewichtheberin.
Wird gescholten als: Fräulein Trampel, Fräulein Übergröße, das dicke Monsterkind, das fette Kind
Besonderes Talent: Die mit den Elefanten tanzt (und
dabei Berge versetzt).
Diäten: Wenn man auf einem Vulkangebirge festsitzt
(noch dazu mit lauter verrückten Erwachsenen), hat man
wahrlich andere Sorgen.
Beziehungsstatus: Nur Tiere sind deine wahren Freunde.
Botschaft: Riesen dürfen niemals aussterben. Und an
alle „wunderschweren” Mädchen: Tanzt euch ins Glück!
Donut-Faktor: Q Q Q Q Q
Albert Wendt, Maria Blazejovsky: Prinzessin Zartfuß und die sieben Elefanten, Jungbrunnen 2007, ab 7 Jahren
Name: Didi
Gewicht: So schwer, dass sich auf der Wippschaukel fünf
(schlanke) Kinder ans andere Ende setzen müssen, um sie
hochzubringen.
Auch bekannt als: Elefantenbaby, „die Blade”, Schwabbelkugel
Ist dick, weil: Die Oma sagt, es sind die Drüsen.
Fühlt sich am unwohlsten: Am Schulwandertag
Kompetenzbereiche: Mathematik (Genie-Status). HardRock-Musik.
Diäten: Ein großer langer Wutlauf („Anpassen, dünn
werden, was sonst noch! Scheiße!”), gefolgt von einer
manischen Sportphase (Schwimmen, Hunde ausführen,
Rollerbladen, Unkraut jäten) während der Sommerferien.
Lustobjekt: Der fette Felix. Als ihr geliebter Freund
dünn wird (Mumps sei Dank), will Didi nicht mehr dick
sein. Das nennt man wohl „maßlose Liebe”.
Motto: Abnehmen ist gut, Solidarität mit Dicken ist besser.
Fat Rights für die Siedlung Eintracht am Wiener Stadtrand!
Donut-Faktor: Q Q Q Q Q
Christine Nöstlinger: Dicke Didi, fetter Felix, Dachs Verlag 1998, ab 10 Jahren
Name: Gretchen Sackmeier, 14 Jahre alt
Fühlt sich: „Fetter als ein Kübel voll Gänseschmalz” bei
1,60 Meter Größe und 64 Kilo Gewicht
Ist dick, weil: Vererbung, sagt die Großmutter. Nicht
umsonst regiert bei den Sackmeiers der Hüftspeck.
Kriegt Stress: Im Turnsaal
Wird schwach bei: Billigen Heftchenromanen über
Schicksale aus dem Hochadel
Diäten: Keine. Verliert aber ein paar Pfunde, als sich die
Eltern trennen.
Beziehungsstatus: Zum allerersten Mal verliebt. In den
Florian Kalb, dessen „Tapsch-Grapsch-Sitzungen mit
Küsschen” aber bald öde werden. Der Hinzel hat schreckliche Zähne, ist dafür intellektuell interessanter.
Resümee: Erwachsenwerden ist furchtbar kompliziert.
Wenn sich erwachsene Frauen von ihren Ehemännern
emanzipieren, steht am Anfang eine Diät (siehe Gretchens Mama).
Besonderheiten: Während auf dem Buchcover der
Originalausgabe ein dickes Mädchen mit Schaumrolle
und Groschenroman zu sehen ist, gleicht Gretchen bei
der Neuauflage von 2005 einer Beauty-Prinzessin. Rosa
Herzchenheft inklusive.
Donut-Faktor: Q Q Q Q Q
Christine Nöstlinger: Gretchen Sackmeier, Verlag Friedrich Oetinger 1981, ab 12 Jahren
22 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
thema: fat feminism
Name: Isabella
Selbstwahrnehmung: Wie ein „preisgekrönter Mops”
Kriegt Namen wie: Fetti, dicke Nudel, Dickmadam,
Tönnchen
Größter Albtraum: Seilklettern im Turnunterricht
Ist dick, weil: Im Grießbrei ein extra Stück Butter
schwimmt und Schokolade auf’s Butterbrot geraspelt
wird. Von wem? Der Oma natürlich.
Markenzeichen: Eindeutig: Aus dem Mädchen spricht die
Pädagogin (= Autorin).
Diäten: Eine. „Zufälligerweise” ist der Vater der neuen
besten Freundin Arzt und erstellt einen Diätplan.
Romantik-Level: Hansi Eisenstein ist zum Reden gut.
Aber sonst: zu hässlich.
Motto: „Gefüllte Kühlschränke sind der Tod aller Dicken.”
Donut-Faktor: Was sind Donuts?
Sibylle Mews: Du bist zu dick, Isabella, Jugend & Volk 1982, ab 12 Jahren
Name: Paulina Seemann, Maturantin
Kleidergröße: 52, bei ca. 120 kg
Fühlt sich wie: „Austria’s next Speckschwarte”
Leidenschaften: Liebt Bollywood-Filme. Hängt in
Galerien und Museen rum. Angehende Kunststudentin in
Barcelona. Tanzt super. Ihre Schildkröten hat sie Demi
und Ashton getauft.
Diäten: Vor Beginn der Geschichte hat „Paulchen”
bereits mehrere Hungerkuren hinter sich gebracht, das
erste Mal mit 13. Jetzt ein Mix aus ärztlichem Diätplan,
TCM, Weight Watchers. Gewichtsverlust: insgesamt ca.
50 Kilo in neun Monaten.
Objekt der Begierde: Mit Marcus Mepié purzeln die
Kilos fast wie von selbst. Die verliebte Paulina will aber
richtig abspecken, um es zu tun.
Was bleibt: Dickes Mädchen findet (schwarzen) Traumprinzen. Und: „Ich werde wohl mein Leben lang aufpassen müssen.” Fette Mädchen sind sich selbst der größte
Feind.
Donut-Faktor: Q Q Q Q Q
Chantal Schreiber: Dick angezogen,Planet Girl/Thienemann 2010, ab 13 Jahren
Name: Eva, 15 Jahre alt
Statur: 67 Kilo, „nicht besonders groß”
Ist dick, weil: Der heimliche Hering-Mayonnaise-Salat
im Park, Fressattacken in der Nacht. Plus: Wird von der
Mutter gefüttert.
Kommt sich vor wie: Ein „Elefantenkörper”
Fühlt sich am unwohlsten: Im Badeanzug in der Umkleidekabine, ganz dicht vor dem Spiegel
Talente: Super Tänzerin. Ansonsten deutet Leonard Co-
hen auf die üblichen Teenager-Depressionen hin.
Diäten: Ja – heimlicher Kauf eines Diätbuchs, mit anschließendem Outing vor der Mutter (die sich begeistert
zeigt, was „Leichtes” für die ganze Familie zu kochen).
Beziehungsstatus: Ein romantischer Sommer mit Michel, der
immer pleite ist. Und er will mehr, trotz „Wabbelschicht”.
Erkenntnis: Wenn man den Geist scharf stellt, gibt es
überall schöne Dicke.
Donut-Faktor: Q Q Q Q Q
Mirjam Pressler: Bitterschokolade, Beltz & Gelberg 1980, ab 13 Jahren
Name: Virgina Shreves
Fühlt sich: Nicht schwabbelig dick. Eher pummelig
dick. Trägt Größe XXL. „Wenn sie noch einen Film wie
,Schweinchen Babe in der großen Stadt’ drehen würden,
bekäme ich die Hauptrolle.”
Fühlt sich am unwohlsten: Im Schwimmbad
Attitüde: Mit Ani DiFranco und Virginia Woolf fängt die
feministische Laufbahn an. Und beim Kickboxen kann
man die Wut so richtig rauslassen.
Diät: Ja, zusammen mit Dr. Love, dem netten Jugendarzt.
Romantische Verwicklungen: Froggy Welsh der Vierte
küsst und fummelt eindeutig besser als sein Name.
Botschaft: Fitness-besessene Mütter sind die Hölle, Väter
sollten überhaupt die Klappe halten, wenn es um „Figurprobleme” geht. Der Hintern ist zwar noch immer dick, aber beim
Grooven „macht es viel mehr Spaß, mit dem Allerwertesten
zu wackeln.” Und: „Jetzt und für alle Zeiten: Ich hasse Salat.”
Donut-Faktor: Q Q Q Q Q
Carolyn Mackler: Die Erde, mein Hintern und andere dicke runde Sachen, Carlsen 2004, ab 13 Jahren
Name: Crystal Renn
Bekannt als: Amerikas Plus-Size-Model Nr. 1
Motto: „Ich bin nicht die beste Freundin aus den Filmen.
Ich bin das scharfe Mädel.”
Sagt Ja zu: Erdnussbutter. Statt der typischen Model-Ernährung aus „Blattsalat an Fliegenschiss” gibt’s drei volle
Mahlzeiten am Tag. „Das Klischee besagt, dass Models
hirntot sind, aber einige von uns sind bloß am Verhungern.”
Diet or Riot?: Um als „Straight Size”-Model arbeiten zu
können, hungerte sie sich als Teenager innerhalb eines Jah-
res fast die Hälfte ihres Körpergewichts vom Leib, auf unter
50 Kilo. Seitdem hat Crystal Renn nie wieder Diät gemacht.
Romantik: Auch im wirklichen Leben gibt es ihn, den
Traummann für das dicke Mädchen. Ein amerikanisches
Happy-End.
Message: Im heutigen Nordamerika als Mädchen heranzuwachsen bedeutet zumeist, „sich gegen den eigenen
Körper zu richten”. Und: „Das Problem ist nicht das
Gewicht – es ist die Gewichtsbesessenheit.”
Donut-Faktor: Q Q Q Q Q
Crystal Renn: Hungry, Heyne 2009, ab 13 Jahren
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 23
zeitausgleich
arbeitsfragen in allen
lebenslagen
Text: Irmi Wutscher, Illustration: Nadine Kappacher
Weihnachtsfeier
Ich war mal als PR-Mädchen-für-alles für eine Medizindienstleisterfirma
tätig. Ein dunkles Kapitel in meiner Arbeitsgeschichte. Das Dunkelste an
diesem dunklen Kapitel ist die dazugehörige Weihnachtsfeier.
Nach dem Essen nämlich hatten Chef und Personalchef die großartige
Idee, es sollten sich doch alle reihum bedanken. Für das vergangene
Jahr. Mich befiel eine leise Panik, denn ich hatte einfach nichts zu danken. Mein Job war im Grunde ein Zehn-Stunden-Sekretärinnenposten,
für den es den tollen Namen PR-Assistenz, aber keine Job-Description
gab. Hauptaufgabe war es, Sitzungsprotokolle von PR-Meetings zu
verfassen, die alle gleich abliefen. Der Chef erzählte dem jeweiligen
Gegenüber (beide Old-Boys wie aus dem Buche): „Frau Wutscher ist
ja Feministin”, und es folgte ein frauenfeindlicher Witz. Mitreden bei
der Sitzung: Fehlanzeige. Auch sonst gab es eigentlich nichts Verantwortungsvolles zu tun. Nicht einmal ein Weihnachtsgeschenk hatte ich
bekommen.
Gottseidank meldete sich die Sekretärin gleich zu Wort (sie war kurz
nach mir eingestellt worden) und bedankte sich für das ihr entgegengebrachte Vertrauen. Danach waren alle Augen erwartungsvoll auf mich
gerichtet. Mir war noch immer kein Grund für Dankbarkeit eingefallen,
und ich versuchte irgendwie die Kurve zu kratzen: „Ähm, ja, ich weiß,
ich komm aus einem ganz anderen Bereich als ihr (alles Wirtschaftsmenschen), trotzdem glaube ich, dass ich mit meiner Sichtweise vielleicht Aspekte in die Arbeit einbringen kann, die vorher noch nicht so
da waren.” Unverständnis in den Gesichtern rundherum. „Ja, und dafür
bedanke ich mich irgendwie.” Okay, das D-Wort war gefallen, meine
Wortmeldung akzeptiert. Dann wurde der Reihe nach noch sehr viel und
sehr herzlich gedankt. Höhepunkt: die Chefansprache, bei der alle noch
einmal genannt wurden. „Und wir danken der Irmi, dass sie bei uns ist.”
Vier Wochen später wurde ich durch einen Praktikanten ersetzt, „weil
wir nicht zueinander passen”. Ich selbst arbeitete mittlerweile für den
cholerischsten Zeitungsmacher des Landes. Und es kam mir dort vor
wie im Himmel.
Irmi Wutscher war noch nie Chefwitzlacherin und hält es nicht für notwendig,
sich für den Austausch von Arbeitskraft gegen Geld zu bedanken.
Nadine Kappacher gibt es da www.salon-nadine.at und dort
http://meerweh.tumblr.com
24 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
studie
(K)Ein Gender-Gap in Mathematik
In manchen Ländern unterscheiden sich die Geschlechter in ihren mathematischen Fähigkeiten, in anderen nicht. Warum das so ist, analysierten
nun Forscherinnen der University of Wisconsin in einer Meta-Studie. Ergebnis: Der Gender-Gap lässt sich v.a. darauf zurückführen, wie der soziale
Status von Frauen in den jeweiligen Ländenr aussieht. Ebenso wirken
sich die Art und Weise, wie mathematische Fähigkeiten geprüft werden,
teilweise auf den Grad der unterschiedlichen Leistungen aus.
Zugleich wurde in der großangelegten Untersuchung auch gezeigt, dass
Mädchen nicht per se untalentierter in Mathematik sind als Jungen.
Jedoch können sich falsche Erwartungen bei Eltern und LehrerInnen
negativ auf die Leistungen der Mädchen in den Naturwissenschaften
auswirken: „Vermittelt man Frauen vor einer mathematischen Aufgabe,
man erwarte ein besseres Abschneiden der Männer, so wirkt das wie eine
sich selbst erfüllende Prophezeihung”, so die Studien-Autorinnen.
Der Unterschied zwischen Burschen und Mädchen liegt u.a. auch in der
(falschen) Selbsteinschätzung und dem Willen zum Wettbewerb. Jungen
geben sich kompetitiver und überschätzen sich oft bei mathematischen
Aufgaben. Matthias Sutter von der Universität Innsbruck schlägt vor,
dass SchülerInnen im Unterricht regelmäßig Feedbacks zu ihren Leistungen erhalten sollen: „Dadurch erkennen Mädchen, dass sie gleichauf
liegen, und es hilft ihnen, den Wettbewerb nicht zu scheuen.” niho/be
http://diestandard.at, www.apa.org/pubs/journals/releases/bul-136-1-103.pdf
internetportal
Exzellenz fördern
Eine Suchmaschine der anderen Art ist „academia-net.de” – ein Internetportal, das Profile „exzellenter Wissenschaftlerinnen” enthält. In
den höchst dotierten Positionen in der deutschen Forschung sind Frauen
nur zu zwölf Prozent vertreten – dieser mangelhaften Repräsentation
wollen die InitiatorInnen des Projekts, die Robert Bosch Stiftung und
das Magazin „Spektrum der Wissenschaft”, entgegenwirken. Von nun an
können jene, die eine Konferenz ausrichten, ExpertInnen suchen oder
wissenschaftliche Gremien besetzen, über das Portal direkt nach einer
passenden Wissenschaftlerin suchen. Ob die Suchmaschine auch wirklich
genutzt werden wird, bleibt freilich abzuwarten. be
www.academia-net.de
budget
Aus für freie Forschung?
Die österreichische Regierung will sparen – u.a. 28 Millionen Euro bei
der außeruniversitären Forschung in den nächsten vier Jahren. Nach der
Budgetklausur der Regierung Ende Oktober sind nun Details bekannt
geworden: Wissenschaftliche Institute und Forschungseinrichtungen, die
nicht im Eigentum von Bund oder Ländern stehen, sollen ab 2011/12
weder Grundfinanzierung noch Projektförderungen mehr erhalten.
Damit würde die Finanzierung der freien Wissenschaft – und damit auch
ein wichtiger Teil feministischer Forschung – quasi vollständig eliminiert.
Betroffen ist eine ganze Reihe renommierter Institute, wie etwa das
Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), das Zentrum für
soziale Innovation (ZSI), das Kreisky/Dohnal-Archiv, die Forschungsund Beratungsstelle Arbeitswelt (Forba) oder auch das Internationale
Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK).
an.riss arbeit wissenschaft
„Hier geht es nicht um einen anteiligen Beitrag zum Sparen, sondern um
eine Auslöschung von geistigem Kapital Österreichs und einer intellektuellen Infrastruktur, die über mehrere Jahrzehnte aufgebaut wurde”,
kritisiert die Plattform „Wissenschaft Österreich”, ein Zusammenschluss
extra-universitärer wissenschaftlicher Einrichtungen, die auch eine
Online-Petition gegen die Sparpläne initiiert hat. viyu
http://derstandard.at, Petition der Plattform „Wissenschaft Österreich“ unter
http://wissenschaft.research.at
auszeichnung
Käthe-Leichter-Staatspreis für Luzenir Caixeta
Luzenir Caixeta, Mitgründerin von maiz (Autonomes Zentrum von & für
Migrantinnen, Linz) und Mitarbeiterin der dortigen Beratung „Sex &
Work”, wurde für ihre Arbeit und Forschungstätigkeit mit dem renommierten Käthe-Leichter-Staatspreis für Frauen-, Geschlechterforschung
und Gleichstellung in der Arbeitswelt ausgezeichnet. Caixeta setzt sich
bei maiz für die soziale und rechtliche Besserstellung von Migrantinnen,
insbesondere von Migrantinnen in der Sexarbeit, ein.
Ob sie den Staatspreis überhaupt entgegennehmen sollte, war für Caixeta
eine schwierige Frage. Die Leistungen der sozialistischen Gewerkschafterin und Autorin Käthe Leichter (1895–1942) waren aber letztlich für
sie ausschlaggebend, den Preis doch anzunehmen. Ihr Unbehagen brachte
die Preisträgerin in einer politischen Dankesrede zum Ausdruck: „Einen
Staatspreis in diesen für Migranten so harten Zeiten zu bekommen, sorgt
für ambivalente Gefühle. Die Verleihung eines Staatspreises an eine
Migrantin richtet den Scheinwerfer auf einen sehr wichtigen Brennpunkt
dieser Gesellschaft. Und gleichzeitig ist es derselbe Staat, der seit Jahren
die Migrations- und Asylpolitik und -gesetze laufend verschärft und zu den
restriktivsten in Europa gemacht hat. Meine Angst, für Legitimationszwecke instrumentalisiert zu werden, mischt sich mit der Hoffnung, dass dieser
Akt als eine Zeichnung von einem dringend notwendigen Paradigmenwechsel (im epistemologischen und politischen Sinn) gesehen werden kann.” be
www.maiz.at
publikationswettbewerb
And the winner is …
Stencil: Banksy, Foto: Dan Brady
kollektivvertrag
Mindestlohn für Reinigungskräfte
In den Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst wurde für Beschäftigte in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung in Österreich ein
Mindestlohn von 1.300 Euro bei Vollbeschäftigung festgelegt. Damit sind
sie eine der ersten Gruppen im Dienstleistungsbereich, für die ein solcher
Mindestlohn gesichert wurde.
BeamtInnen- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hatte bereits
vor den Herbstlohnrunden 1.300 Euro Mindestlohn als generelle Untergrenze gefordert. Dieses erste Ergebnis wertet sie als Erfolg, da in dieser
Branche besonders viele Frauen arbeiten: Mit einem weiblichen Anteil
von durchschnittlich 78 Prozent gilt die Reinigungsbranche noch immer
als typische Frauendomäne, rund jede elfte weibliche Erwerbstätige
arbeitet in diesem Bereich. Und die Statistik verrät noch mehr: Innerhalb
der Branche gibt es eine stark geschlechtsspezifische Verteilung, je nach
Beruf. Bei HaushälterInnen, HausgehilfInnen und BüglerInnen beträgt der
Frauenanteil über 90 Prozent; in der Schädlingsbekämpfung, der Müllabfuhr oder in den Bereichen Kanal- und Straßenreinigung überwiegen die
Männer. Das AMS weist außerdem darauf hin, dass viele MigrantInnen,
die eigentlich höher qualifiziert wären, in der Reinigungsbranche arbeiten
müssen, weil sie aufgrund von Anrechnungsbestimmungen oft keine ihren
Qualifikationen entsprechende Beschäftigung ausüben können. trude/be
http://diestandard.at, http://bis.ams.or.at
Kritique, der Verein zur Förderung queer-feministischer Literatur, Wissenschaft und Kultur, nominierte im Zuge des Publikationswettbewerbs
„kritique_jeune” fünf queere Diplom- bzw. Masterarbeiten aus Wien.
Die Jury (Andrea B. Braidt, Susanne Hochreiter, Elisabeth Holzleithner,
Gundula Ludwig, Veronika Wöhrer) wählte nun eine Gewinnerin: an.schlägeAutorin Silke Graf. Ihre Diplomarbeit „Verhandlungen von Geschlecht
nach der Dekonstruktion am Beispiel Ladyfest Wien 2004” wird im
Zaglossus-Verlag publiziert und voraussichtlich im Jänner 2011 erscheinen. Wir gratulieren! be
www.kritique.at
verhütung
Kontrazeptives Gel zeigt erste Erfolge
Als mögliche Alternative zur heuer 50 Jahre alt gewordenen Antibabypille
und neuer Hoffnungsträger in Sachen Verhütung gilt aktuell ein kontrazeptives hormonelles Gel. Das von der internationalen NPO/NGO „Population
Council” und „Antares Pharma” entwickelte Gel wurde zwar bisher nur
an 18 Frauen getestet, doch die Ergebnisse dieser Studie sind vielversprechend: Die Studienteilnehmerinnen äußerten sich sehr positiv zum Gebrauch
des Gels, die gemeldeten Nebenwirkungen waren mild. Zusätzliche Studien
sollen nun in größeren Bevölkerungsgruppen durchgeführt werden.
Das Gel enthält das Progestin Nestoron und Östradiol, ein Östrogen. Es
wird täglich einmal auf den Unterleib aufgetragen und verhindert so den
Eisprung. Anders als von englischsprachigen Zeitungen gemeldet, kann
die Studie jedoch keine Aussagen darüber machen, welchen Effekt das
Gel auf stillende Mütter hat. be
www.popcouncil.org, www.guardian.co.uk
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 25
an.sprüche
Fair oder gar nicht
Wie geht das, immer nur fair
hergestellte und gehandelte Waren
zu kaufen? Und was bringt ein ganzer
Tag ohne jeglichen Konsum?
Vanessa Redak bemüht sich nach
Kräften, die fairen Kinderstiefel
doch noch zu ergattern,
und Leonie Kapfer kennt die Tücken
des „Kauf-Nix-Tages”.
Illustration: Bianca Tschaikner
Der perfekte Kinderstiefel – endlich gefunden: aus Naturmaterial, mit
Lammfell gefüttert, regenundurchlässig und gemäß Prospekt fair produziert. Aber das Beste: Er sieht gut aus und es gibt ihn nicht in der Farbe
Rosa. Der Stiefel ist in zwei Läden in Wien erhältlich.
16.57 Uhr: Ich hetze in den Kindergarten. Um 18 Uhr schließt der Laden
mit dem Stiefel. Als Vollzeit berufstätige Frau mit Kind habe ich zwar Geld,
aber nie Zeit. 17.26 Uhr: Wir stecken mit dem Bus im Innenstadtstau.
17.41 Uhr: Wir erreichen das Geschäft. Schlechtes Gewissen, dass ich jetzt
erst komme, denn die Angestellten wollen sicher pünktlich schließen. 17.44
Uhr: „Ich möchte diesen Stiefel hier aus dem Prospekt in Größe 26 und
meine Tochter möchte sich die Farbe aussuchen. Es gibt ihn ja in vier Farben.” Es gibt den Stiefel nur in grau und braun. Die Angestellte bietet mir
noch Stiefel anderer Firmen an, aber irgendwie schaffe ich es nicht, mein
ästhetisches Bedürfnis ökologischen Interessen zu opfern. Noch dazu, wo
es ihn ja gäbe, den Stiefel, der auf wundersame Weise beiden Ansprüchen
gerecht wird. 17.56 Uhr: Die Angestellte ruft in der anderen Filiale an, und
tatsächlich gibt es ihn dort in Rot. Hervorragend. Da der Laden in der Nähe
der Mariahilfer Straße ist, hat er auch bis 18.30 Uhr offen. 17.59 Uhr: Auf
der Straße überlege ich kurz, das Ganze doch abzubrechen. Vielleicht doch
lieber online italienische Designer-Kinderstiefel bestellen, die mit Sicherheit von chinesischen Sweatshop-ArbeiterInnen im Textilring um Florenz
produziert wurden? Nein, es muss den Versuch wert sein.
18.03 Uhr: Wir sitzen im Taxi. Kein Hybrid-Auto. Aber sind Hybrid-Autos
überhaupt korrekt? Ich habe keine Ahnung. 18.14 Uhr: Wir erreichen das
Geschäft. Die Angestellte ist informiert und bringt sofort den Stiefel 26 in
Rot. Das entzückendste Kind der Welt zieht ohne Murren Schuhe aus und
setzt sich ohne zu zappeln auf die Bank. Sie rückt mit dem Fuß ein Stück
rein, wir zerren und pressen und drücken, dann meint die Angestellte:
„Dieser Stiefel ist für Ihre Tochter nicht geeignet. Ihr Rist ist zu hoch.”
Wenn man beim Gang durch die Konsumtempel unserer Zivilisation wieder
auf Lichterketten, Christbäume und übertrieben gut gelaunte Weihnachtsmänner stößt, weiß man, es ist Vorweihnachtszeit. Der Konsum-Höhepunkt
des Jahres. „Shop ’til you drop” lautet von nun an die Devise, und das alles
nur, um die Liebsten glücklich zu machen.
Wem sich bei der Vorstellung an diese Jahreszeit schon die Nackenhaare
aufstellen, für die oder den ist der „Kauf-Nix-Tag” genau das Richtige.
1992 vom kanadischen Künstler Ted Dave ins Leben gerufen, erfreut sich
dieser Tag seither in der linksalternativen Szene großer Beliebtheit. Mit
dem 24-stündigen Kaufverzicht soll das eigene Konsumverhalten reflektiert
und gegen die ausbeuterischen Produktions- und Handelsstrategien der
internationalen Konzerne protestiert werden. Dabei wurde das Datum des
„Kauf-Nix-Tages” bewusst auf die konsumintensivste Jahreszeit gelegt. In
den USA und Kanada findet der „Buy Nothing Day” immer am Freitag nach
Thanksgiving statt, in Europa zu Beginn des Weihnachtsgeschäftes.
Jetzt kann man sich über die Effektivität eines solchen Tages sicher
streiten, und Sinn der Sache ist es natürlich nicht, das ganze Jahr über wie
verrückt zu konsumieren und sich dann mit einem eintägigen Kaufverzicht
reinzuwaschen. Aber wenn wir uns der unschönen Wahrheit bewusst werden, dass wir unseren Planeten kaputt konsumieren, wird ein nachhaltiges
Konsumverhalten unabdingbar. Momentan verbrauchen 20 Prozent der
Erdbevölkerung 80 Prozent aller Ressourcen! Ein solcher Tag kann also
sicher zum Nachdenken anregen, und einmal bewusst etwas nicht zu kaufen, was sonst zum alltäglichen Überleben angeblich unabdingbar ist, kann
eine sehr erleichternde Erfahrung sein – man merkt, dass man doch gar
nicht so abhängig von Dingen ist, wie man dachte.
Zumindest von manchen: Die leere Packung Zigaretten an meinem „KaufNix-Tag” hat mich doch kurz verzweifeln lassen, und ich hab begonnen
mich zu fragen, ob „Kauf-Nix” auch „Schnorr-Nix” bedeutet?
Vanessa Redak ist Bankangestellte und lebt in Wien.
Leonie Kapfer lebt in Wien und shoppt am liebsten Second-Hand.
26 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
forum wissenschaft
Differenzforschung
als Ideologie
Fotos: Bettina Enzenhofer
Heinz-Jürgen Voß stellte vor kurzem in Wien sein Buch „Making Sex Revisited” vor,
in dem er aus biologisch-medizinischer Perspektive Geschlecht dekonstruiert.
Bettina Enzenhofer traf den Biologen zum Gespräch.
an.schläge: Eine deiner zentralen Thesen
ist, dass das biologische Geschlecht
gesellschaftlich hergestellt ist. Wie
lässt sich das aus Sicht der Biologie
argumentieren?
Das ist eine komplexe Frage. In der
Biologie gibt es zwei widerstreitende
Prinzipien: deterministisch geprägte und
solche, die einen Entwicklungsgedanken
im Blick haben. Bei deterministischen
Theorien ist man der Meinung, dass
schon im embryonalen Anfangsstadium
viele Körpermerkmale vorhanden sind
und sich diese nur mehr ausbilden müssen – das gilt auch für das Geschlecht.
Die gesellschaftliche Vorannahme, dass
es nur zwei Geschlechter mit bestimmten Merkmalen gäbe, kann man mit
solchen Theorien sehr schnell begründen
und in dieser widerspiegeln.
Entwicklungstheorien wurden zu Beginn
des 18. Jahrhunderts sehr stark diskutiert. Man geht nicht mehr von einem
vorgebildeten Individuum aus, sondern
von ungeformter Materie, die sich erst
durch Entwicklungs- und Differenzierungsprozesse zu einem komplexen
Organismus ausbildet. Hier nimmt man
an, dass sehr viele Einflüsse wirken
können und so ein offener Prozess nicht
nur bei männlich oder weiblich enden
muss. Das kann man z.B. in aktuellen
biologischen Theorien zu Hormonen
oder Chromosomen gut zeigen. Nicht
ein Chromosom gibt einer Zelle vor, was
sie tun soll, sondern umgekehrt: In der
Zelle sind komplexe Prozesse daran
beteiligt, dass aus einer DNA-Sequenz
erst eine konkrete Information hergestellt wird. Dabei wirken von Beginn an
bereits Einflüsse aus der Mutter und aus
der übrigen Umwelt.
Entwicklungstheorien gibt es also
schon seit drei Jahrhunderten, aber
bis heute wird gelehrt: Es gibt die
Männer und die Frauen.
Genau. Das ist ja auch das Absurde: Gerade in den Biologie-Lehrbüchern werden Prozesse sehr stark thematisiert,
z.B. in der Biochemie. Hormone werden
immer als ein gemeinsamer Biosyntheseweg von Östrogenen und Testosteron
dargestellt, aber bei den Schlussfolgerungen kommt das nicht an. Man hat
sozusagen das diffizile und differenzierte Bild von Genen, Chromosomen,
Hormonen etc. und schafft es trotzdem
immer wieder, das dann ganz einfach
binär-geschlechtlich einzuordnen.
Warum gibt es angesichts widersprüchlicher Befunde trotzdem eine
solche Zuordnung?
Literaturtipp
Heinz Jürgen Voß: Making
Sex Revisited. Dekonstruktion des Geschlechts aus
biologisch-medizinischer
Perspektive. Transcript
2010. Siehe auch Rezension
in an.schläge 6/2010.
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 27
forum wissenschaft
Das würde ich gesellschaftlich erklären:
Von früh auf lernt man, dass es nur zwei
Geschlechter gibt. Man lernt, sich eindeutig als Mädchen oder Junge, Frau oder
Mann zu verorten. Das bildet einen sozialen Hintergrund, der gar nicht hinterfragt
wird. Man kommt dann in der Biologie
zwar durchaus bei vielen Faktoren an, die
miteinander wechselwirken, und merkt
dass sich das alles gar nicht so einfach
darstellt. Aber die zweigeschlechtliche
Hintergrundfolie ist immer da, die Befunde müssen dort reinpassen.
Differenzforschung ist auch wesentlich einfacher zu begründen. Es ist
einfacher, dafür Forschungsgelder zu
bekommen und solche Ergebnisse zu
publizieren. Man muss immer möglichst
„signifikante” Unterschiede feststellen
können – wobei „Signifikanz” selbst
Wie anerkannt sind Entwicklungstheorien innerhalb der Biologie?
Alle Forschungen landen im Moment
eigentlich bei Entwicklungsprozessen
und stellen fest, dass die Theorien der
letzten Jahrzehnte zu einfach waren.
Auf genetischer Ebene kommt man bei
komplexen Netzwerken an, bei denen
viele Faktoren beteiligt sind. Bei Hormonen stellt sich heraus – das weiß man
schon seit den 1920er Jahren –, dass
es keinesfalls so einfach mit diesem
Entgegenstellen von Östrogenen und
Androgenen ist.
Mittlerweile gelingt es der Biologie und
Medizin immer weniger, ihre Beobachtungen in so einfache Konzepte von
weiblich und männlich zu pressen. Sie
sind außerdem subjektiv: In dem, was
gefunden und gesehen werden kann,
„Mir ist es wichtig, Gewaltverhältnisse
abzuschaffen. Das ist bei Intersexualität sehr
wichtig und muss auch der Hintergrund sein,
warum man gegen Zweigeschlechtlichkeit
argumentiert.“
schon ein sehr schwammiger Begriff
ist: Er bedeutet, dass ein Ergebnis nicht
vollständig auf Zufall zurückzuführen ist.
Derartige Ergebnisse von Differenzforschung lassen sich in wissenschaftlichen
Zeitschriften gut publizieren. Wenn man
aber feststellt, dass es eigentlich gar keine Unterschiede gibt, ist das ja auch ein
Ergebnis von Forschung, das wird aber
nicht veröffentlicht bzw. lässt sich eben
wesentlich schlechter publizieren.
Gerade in populären Darstellungen wird
sehr viel vereinfacht: Eierstöcke würden
Östrogene ausschütten, Hoden würden
Testosteron ausschütten. Oder auch auf
chromosomaler Ebene: X- und Y-Chromosomen seien die entscheidenden Faktoren
von Geschlecht bzw. einzelne wenige
Gene würden das Geschlecht vorgeben.
Wenn man in populären Medien oder
auch in Schulbüchern immer so simpel
argumentiert, dann wird auch Nachwuchswissenschaftler_innen ein simples
Verständnis angelernt. Damit holt man
dieses Denken immer wieder in die Biologie zurück und kommt da auch nicht raus.
Das ist eine deterministische Annahme:
Wir müssen unsere einfache Welt, die wir
haben, auch biologisch finden …
28 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
spiegelt sich auch Gesellschaft wider.
Die Biologie und die Medizin landen
also bei sehr komplexen Modellen, aber
die Ideologie des Zweigeschlechtersystems ist so stark, dass dann wieder
gesagt wird: Wir müssen das aber in
weiblich oder männlich einordnen.
Wie reagieren andere Biolog_innen
auf deine These vom gesellschaftlich
hergestellten biologischen Geschlecht?
Durchaus wechselhaft: Mit einigen kann
man sehr gut diskutieren, die sind auch
kritisch, bei denen stellen sich auch die
Ergebnisse durchaus widersprüchlich
dar. Sie befinden sich aber in einer
Situation, in der sie ihre Ergebnisse
entsprechend eindeutig weiblich und
männlich zurichten müssen, um sie
publizieren zu können.
Bei älteren, in der Wissenschaft etablierten Biolog_innen – die z.B. Theorien
vertreten haben, mit denen sie auch
eine Professur erlangen konnten, was
ja gerade in der Biologie bei kritisch
Denkenden schwieriger ist – ist das
komplizierter. Ich kann darlegen, wie
vielschichtig und differenziert alles ist,
aber dann kommt der Satz: „Aber es
gibt doch das Y- und das X-Chromosom.”
Das ist die Antwort auf die komplexen
Ausführungen, die deutlich gemacht
haben, dass Chromosomen gar nicht die
ihnen zugeschriebene Bedeutung haben
oder auch nicht als Geschlechtschromosomen bezeichnet werden sollten. Mit so
einer einfachen Antwort haben sie sich
dieses Problems wieder entledigt, aber
eigentlich auch selbst disqualifiziert.
Das kommt mir bekannt vor! Ich höre
oft: „Geschlecht mag sich komplex
ausbilden, aber im Alltag sehe ich
doch, dass es Männer und Frauen gibt.
Sie unterscheiden sich z.B. in der Körpergröße oder in der Muskelmasse.”
Im Alltag sieht man das, was mit
„biologischem Geschlecht” oft verbunden wird, wie etwa Genitalien, gerade
nicht: Menschen laufen ja nicht nackt
herum, die Genitalien sind nicht sichtbar. Hier wird also schon die kulturelle
Wirkung deutlich. Wie betonen wir
Geschlecht, welche Zeichen lesen wir
als geschlechtlich, wo ist es notwendig,
Behaarung stehen zu lassen, wo nimmt
man sie besser weg, um als eindeutig
durchzugehen? Immer wieder werden
biologische Faktoren herangezogen, um
zu behaupten, dass alles so eindeutig
sei, aber meine Argumentation ist:
Nein, das ist es nicht.
Heute leben Menschen als Männer oder
Frauen sozialisiert. Damit verknüpfen
sich gewisse Erwartungshaltungen. Das
Problem, dass Frauen diskriminiert
werden, dass an Männer bestimmte
Anforderungen gestellt werden, dass
Intersexuelle schwer misshandelt
werden, um ein eindeutiges Geschlecht
herzustellen – das ist ein gesellschaftliches Problem, das gesellschaftlich und
politisch beantwortet werden muss. Das
ist für mich das vorrangige Ziel.
Aber wenn jemand mit dem biologischen Substrat, das sich bei den
Geschlechtern unterscheiden würde,
argumentiert?
Das hängt trotzdem ganz stark mit der
Sozialisation zusammen. Soziologische
Studien haben schon in den 1980ern
gezeigt, dass Erwachsene auf ein Baby,
das ihnen als weiblich vorgestellt wurde,
mit „Ach, ist das zart und hübsch”
reagierten, wenn aber dasselbe Baby
als männlich vorgestellt wurde, die
heim
spiel
leben mit kindern
Zuschreibung „Ach, ist das kräftig und
stark” verwendeten.
Relevant sind also die frühe unterschiedliche Behandlung und unterschiedliche
Trainingsmöglichkeiten, die sich für
Buben und Mädchen schon in der Kindheit
ergeben. Sport war lange Zeit bei Frauen
nicht so angesehen wie bei Männern, das
prägt sich dann auch in physischen Merkmalen ein. Zum Beispiel wurde behauptet, dass Schwimmen nicht für Frauen
geeignet wäre. Gertrude Ederle überraschte dann 1926 als erste Frau, die den
Ärmelkanal durchschwamm, und das noch
zwei Stunden schneller als der bisherige
Weltrekordler. Damit wird deutlich: Was
gesellschaftlich erwartet wird, prägt die
Wahrnehmung – etwa, dass bestimmte
Leute etwas nicht können sollen. Ederle
schwamm seit ihrem achten Lebensjahr,
da spielte die Sozialisation also eine große Rolle. Ähnlich ist das auch beim Marathon: Frauen können seit den 1960er
Jahren regulär an Marathon-Wettkämpfen teilnehmen. Der Unterschied zu den
Männern lag früher bei etwa 1,5 Stunden,
heute liegen die Unterschiede bei zehn
Minuten. Wenn sich die Trainings- und Lebensbedingungen angleichen, ebnen sich
also jene Unterschiede ein, die vorher als
„natürlich” angenommen wurden.
Theorien ändern sich ja immer wieder.
Was ist deine Prognose: Werden wir
noch die Abkehr vom Zweigeschlechterdenken erleben?
Es kommt darauf an, wie wir die Gesellschaft gestalten. Ein grundsätzliches
Problem ist, dass viele Menschen die
Welt als gegeben erleben. Heute werden in der Gesellschaft zwei Geschlechter gelebt, und man denkt, dass ein
Mensch an die Gesellschaft angepasst
werden muss – aber nicht andersrum,
was ja eigentlich das emanzipatorische
Potenzial wäre.
Gerade bei Kindern ist das Vorurteil von
nur zwei Geschlechtern nicht so stark
gegeben, z.B. nehmen Kinder auch ein
Kind an, das nicht eindeutig „Mädchen”
oder „Junge” ist – wenn etwa beim
Spielen nach „Jungen” und „Mädchen”
gefragt wird und ein Kind sich bei
beidem meldet. Stigmatisierung findet
wenn, dann erst später statt, nämlich
sobald Kinder älter werden und Stück
für Stück in einer ZweigeschlechterGesellschaft sozialisiert werden. Ich
denke, dass eine Abkehr vom Zweige-
schlechterdenken möglich ist, und ich
streite auch dafür, dass das passiert.
Vielleicht wird diese Änderung nicht in
50 Jahren erfolgt sein, aber vielleicht
haben wir es in 200 Jahren geschafft.
Das wäre ja auch gesellschaftspolitisch relevant. Wenn wir von vielen
Geschlechtern ausgehen, müssen wir
nicht alles, das nicht in ein binäres
Schema passt, pathologisieren, wie
bspw. Transgender, Intersexualität etc.
Eine Gesellschaft muss derart gestaltet werden, dass sie für alle Menschen
gerecht ist. Mir ist es wichtig, Gewaltverhältnisse abzuschaffen. Das ist bei
Intersexualität sehr wichtig und muss
auch der Hintergrund sein, warum man
gegen Zweigeschlechtlichkeit argumentiert.
Operationen bei Intersexuellen müssen
gestoppt werden, Geschlecht soll im
Personenstand entweder nicht mehr
auftauchen, oder es muss zumindest
eine dritte Kategorie eingeführt werden – damit würde sich schon einiges
ändern. Menschen, die weiblich oder
männlich aufgewachsen sind, wissen oft
gar nicht, welche Gewalterfahrungen intersexuelle Menschen dadurch machen.
Dieses Zweigeschlechtersystem bringt
ja allen Menschen Nachteile – man
muss sich immer anpassen, um in einer
Gruppe anerkannt zu sein. Das Interesse von Menschen aneinander würde
dazu führen, dass Geschlecht gar nicht
mehr diese Bedeutung hat. Das heißt,
es würde sich etwas über die gesellschaftliche Ebene verändern – und
nicht über die Biologie. Als kritische_r
Biolog_in kann ich höchstens zeigen,
dass in diesen herrschenden Theorien
von nur zwei Geschlechtern sehr viel
Ideologie mitschwingt, obwohl man
eigentlich, wenn man die biologische
Fachdiskussion nüchtern betrachtet, bei
vielen Geschlechtern ankommen müsste. Die Ideologie kommt aber ganz breit
aus der Gesellschaft, und deshalb ist
es eine politische und gesellschaftliche
Entscheidung, vom Zweigeschlechtermodell abzugehen. Biologie ist nur ein
Bestandteil der Gesellschaft. l
Heinz-Jürgen Voß ist Biologe mit Lehraufträgen an verschiedenen deutschen Universitäten. 2011 erscheint sein neues Buch
„Geschlecht: Wider die Natürlichkeit”.
Voß bloggt auch:
http://dasendedessex.blogsport.de
Sonja Eismann
Das perfekte Kind
Da liegt sie wieder, die beliebte kleine Tyrannin, quer ausgestreckt zwischen den Eltern, und denkt gar nicht daran, endlich
mal im eigenen Bett zu schlafen. Nachts wird gedreht, gewendet, gekrabbelt, auf die Eltern geklettert, die Häschenstellung
eingenommen und gerne auch mal geboxt. Die Eltern wachen
jeden Morgen gerädert auf, während das Töchterchen sie –
meist – fröhlich angluckst und ungeduldig auf Fläschchen und
Action wartet. Hätte man mir früher ein solches Szenario erzählt, ich hätte mir innerlich an die Stirn getippt und gedacht:
Selbst schuld, wer sich von seinem Kind so dominieren lässt.
Genau wie ich nicht verstehen konnte, dass Eltern untätig zusehen, wie ihre Brut lärmend komplette Regale ausräumt oder
kilometerweise Klopapier abrollt, am liebsten noch zu Besuch
bei entsetzten kinderlosen FreundInnen.
Mittlerweile weiß ich, dass man vielem einfach nur mit unglaublicher Geduld, Langmut und etwas Fatalismus begegnen
kann. Kinder lassen sich nicht so einfach regulieren – was ja
auch das Tolle an ihnen ist. Trotzdem frage ich mich immer
wieder: Wo fängt Erziehung an, und was kann das überhaupt
sein? Ab wann „verstehen” Kinder, ab wann hat man’s verbockt? Möchte ich wirklich einen komplett von mir abhängigen Menschen „formen”? Bzw. möchte ich riskieren, dass
mein Kind mir und anderen ständig auf der Nase herumtanzt?
Ich hätte jedenfalls nie gedacht, wie entsetzlich schwierig es
ist, „hart” zu bleiben, wenn ein kleines Kind vor einem steht
und in hellster Verzweiflung weint. All die Erziehungsratgeber
mit ihrem höchst widersprüchlichen Geschwafel von Konsequenz, Urvertrauen und Perfektion tragen dabei nur zu einem
bei: dem schlechten Gewissen und der Angst, alles mal wieder
falsch gemacht zu haben. Da hilft wohl nur eins: versuchen,
trotz der Bombardierung mit unerfüllbaren Vorgaben so etwas
wie Common Sense aus sich selbst herauszukitzeln – und mit
dem Mangel zu leben. Denn wie gruselig wäre eigentlich das
„geglückte Produkt” einer perfekten Erziehung – das perfekte
Kind? Na eben.
Sonja Eismann und ihr Freund Pascal freuen sich (meistens), dass
ihre 15 Monate alte Tochter Hannah wild durch die Gegend rennt,
und hoffen absurderweise, dass sie bald so verständig ist, dass man
ihr alle pädagogischen Entscheidungen rational verklickern kann.
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 29
borders
Leaving Las Vegas
Die kleine Stadt Svilengrad an der
bulgarisch-türkischen Grenze lebt
von Glücksspiel und Grenzverkehr.
Jedes Wochenende kommen
TouristInnen aus der Türkei über die
neue EU-Außengrenze in die Casinos.
Von Katharina Ludwig
„Heute habe ich kein Glück”, sagt
Nilgün Duman* und drückt wieder die
Play-Taste des Automaten. Die 47jährige ehemalige Wirtschaftsassistentin und Hausfrau ist mit ihrem Mann
Mustafa aus der türkischen Grenzstadt
Edirne ins 34 Kilometer entfernte
bulgarische Svilengrad gekommen, um
sich zu amüsieren. Die 19.000-EinwohnerInnen-Stadt gilt als das „Las Vegas”
Bulgariens, mit seinen Spielhallen lockt
es die Menschen aus den angrenzenden
Ländern Griechenland und Türkei, wo
das Glücksspiel verboten ist. An einem
der 59 Glücksspielautomaten im Casino
„Montecarlo” will Nilgün Duman den
Alltag hinter sich lassen. Wenn sie die
Grenze von der Türkei nach Bulgarien
überschreitet, sagt sie, dann vergisst sie
alles. Die zweifache Mutter kommt heute als Touristin in die EU, vor 44 Jahren
als Tochter eines sogenannten Gastarbeiters. Und wieder ziehen am Monitor
vor ihr in fünf Bahnen Goldmünzen,
Kelche und Zeus vorbei. Es ist vorerst
Nilgüns letzter Abend in Svilengrad. Ihr
Visum läuft schon wieder aus.
* Name von der Redaktion
geändert
Europäische Grenzen. Von dem Haus
am Stadtrand von Edirne, wo Nilgün
und Mustafa Duman mit ihren beiden
30 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
Kindern leben, können sie die Berge
sehen, zwischen denen die Türkei,
Bulgarien und Griechenland liegen.
Mit dem Handy kann man hier sieben
Mobilfunkanbieter empfangen, zwei
türkische, zwei griechische und drei
bulgarische. An den Grenzen zwischen
den Staaten hat sich einiges getan. Seit
2007 ist Bulgarien Mitglied der Europäischen Union und arbeit auf einen
Beitritt 2011 zum Schengen-Raum hin.
Der bulgarische Grenzübergang Richtung Türkei, Kapitaan Andreevo, hat sich
zum „Focal Point” der europäischen
Grenzschutzagentur Frontex entwickelt,
also einem Hotspot für Grenzschutz,
wo auch GastbeamtInnen aus anderen
Ländern tätig sind. Von der Modernisierung der Grenzgebäude merkt man auf
der bulgarischen Seite eher wenig, im
Gegensatz zum türkischen Gegenpart
Kapıkule, wo sich auf einem Areal von
330.000 Quadratmetern zwölf Fahrspuren mit 23 Abfertigungsschaltern
erstrecken.
„Das Grenzgebäude ist sehr schön, sehr
europäisch geworden”, findet Nilgün
Duman. Egal, ob von bulgarischer oder
von türkischer Seite – die Übergänge
auf dieser Haupttransitroute zwischen
Asien und Europa sind chronisch über-
lastet. Wenn sich das Ehepaar Duman
alle ein, zwei Wochen am Freitag Abend
oder Samstag Nachmittag nach Svilengrad aufmacht, nimmt es deswegen am
liebsten zuerst den türkischen Bus und
dann ein bulgarisches Grenztaxi. So
sparen sie Zeit und Geld. Das weitläufige Grenzareal selbst passieren sie zu
Fuß. Je nach Tageszeit haben sie beim
Weg über den Asphalt vorbei an der
Grenzmoschee zu ihrer Linken den Ruf
des Muezzins im Rücken. Egal wann
sie unterwegs sind, ist zur Rechten ein
Stau. Bis zu 20 Kilometer reihen sich
LKWs aneinander und warten darauf, in
die Röntgenanlage zu fahren.
Unterwegs nach „zu Hause”. Die E-80
liegt an einer der ältesten Handelsrouten der Welt, der Name „Svilengrad”
(„Seiden-Stadt”) verweist darauf.
Heute riecht es permanent nach Diesel.
Die PKW-Spur ist diesmal eher ruhig,
aber besonders in den Urlaubsmonaten
Juli und August wollen hier bis zu zwei
Millionen Autos durch. In vielen sitzen
MigrantInnen und ihre Kinder aus
Österreich, Deutschland, Frankreich,
den Niederlanden oder Belgien, die ihre
Familien besuchen oder vom Besuch
zurückkehren. Manche sitzen 24 Stunden
borders
und länger im Auto. Das Rote Kreuz und
der Rote Halbmond haben diesen Sommer deshalb erstmals an der Straße eine
Sanitätsstation eingerichtet.
Lange Autofahrten kennt Nilgün
Duman aus eigener Erfahrung. 1967,
als sie vier Jahre alt ist, holt der Vater
sie und ihre Mutter nach Bremen, wo
er Schiffskräne führt. Nilgün wächst
in Bremen auf. Auch zu Hause wird
Deutsch gesprochen, und der Vater rät
der Mutter davon ab, auf der Straße
ein Kopftuch zu tragen. Nach dem Abschluss der Realschule beginnt Nilgün
Duman als Assistentin in einer Zahnarztpraxis. Anfang der 1980er Jahre
kann der Vater aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr arbeiten, und als
Deutschland 1983 Rückkehrprämien
an die sogenannten Gastarbeiter zahlt,
nimmt er das Geld an. Auch Nilgün
geht mit ihrer Familie „zurück”. Zu
diesem Zeitpunkt spricht sie kaum
Türkisch, doch nach zwei Monaten
arbeitet sie bereits an der Grenze im
Seite eher wie Bausteine aus einer
Geisterstadt.
Wenn Nilgün Duman nach Svilengrad
will, muss sie immer die gleichen Fragen
beantworten, und ihre Antworten reichen
nie aus. Wieso will sie nach Svilengrad?
Wieso will sie dort essen? Wieso will
sie sich amüsieren? „Und dann?”, fragt
der Beamte. „Dann gehen wir zurück
nach Hause”, lacht Nilgün. „Immer das
Gleiche, jede Woche, jede Woche.” Bei
einem türkischen Pass würde nicht mehr
geschaut, was für ein Beruf oder was
für ein Leben dahintersteckt. „Wenn
du einen türkischen Pass hast, bist du
gleich gestempelt. Asylant. Aus, Schluss,
vorbei.” Wer sich ihren Pass nämlich
genauer ansehen würde, meint sie, könne
sehen, dass sie ein, zwei Nächte bleibt
und dann wieder fährt. „Ich mache
das für mich.” Sie sind jetzt in der EU.
Kleine Hütten verkaufen Autobahnvignetten und Proviant. Nilgün und Mustafa
Duman nehmen ein Grenztaxi, los geht’s.
Wenn Nilgün Duman nach Svilengrad will, muss
sie immer die gleichen Fragen beantworten:
Wieso will sie dorthin? Wieso will sie dort
essen? Wieso will sie sich amüsieren?
Abfertigungsbüro des Unternehmens
Youngtürk Ltd. Sie lernt schnell dazu,
beantragt Genehmigungen, schickt
Telex nach Istanbul und übersetzt zwischen Deutsch und Englisch. Und sie
lernt Mustafa kennen, der zu diesem
Zeitpunkt von der Grenze aus Möbeltransporte für Familien organisiert.
In Edirne beginnt sie, sich ein neues
Leben aufzubauen.
Wieso amüsieren? Und dennoch,
mit ihrem türkischen Pass fühlt sich
Nilgün Duman heute an den Grenzposten unter Generalverdacht. Sie geht
vorbei an den leerstehenden bulgarischen Duty-Free-Shops, die 2008 auf
Drängen der EU schließen mussten.
Ist man zuerst im türkisch betriebenen
Niemandsland am „Setur Duty FreeCenter” vorbeigekommen, das bis in
die Nacht aktiv ist und von Architektur
und Ausmaß an das deutsche Bundeskanzleramt erinnert, wirken die
kleinen geschlossenen Alkohol- und
Zigaretten-Läden auf bulgarischer
Wenn Nilgün nach Svilengrad kommt,
dann will sie den Alltag vergessen. Am
Markt kauft sie günstiger als in ihrer
Heimatstadt Parfüm, Camembert und
frische Pilze, im Restaurant genießt
sie es, dass sie zum Abendessen ein
Glas Wein bestellen kann. Svilengrad
leuchtet und blinkt nicht wie das USamerikanische Las Vegas. In den zwei
„Prestige-Casinos”, die geräumiger und
eleganter sind als die Automatenhallen,
legen junge Frauen im kleinen Schwarzen die Karten. Sie haben Ringe unter
den Augen. TouristInnen aus Deutschland oder Österreich verschlägt es eher
an die Schwarzmeerküste als hierher.
Gerade die kleineren Geschäfte und
Gastwirtschaften in Svilengrad merken
also Einbußen, wenn es für Reisende
aus der Türkei schwieriger wird, über
die Grenze zu fahren.
Glückspiel Visum. Wenn Nilgün Duman
z.B. in die EU einreisen möchte, muss
sie jedes Mal von neuem beim griechischen oder bulgarischen Konsulat
in Edirne ein Visum beantragen. Dort
vollzieht sich für sie eine eigene Art
von Glücksspiel: Sie zieht eine Nummer,
bringt wie jedes Mal drei Passfotos,
ihre Heiratsurkunde, Kontoauszüge,
Dokumente zu ihrem Arbeitsstatus und
ihrem Haus und eine Reiseversicherung.
Sie zahlt ca. 60 Euro, auch wenn sie nur
über das Wochenende bleibt. Ungefähr
fünf Tage später erfährt sie, ob sie
ein Visum für drei, sechs oder zwölf
Monate erhält, oder wie letztes Mal nur
für zwei. Wie die Entscheidung gefällt
wird, wieso das Visum mal kürzer, mal
länger gilt, erfährt sie nicht. „Die sind
so lustig”, meint Nilgün.
Ein deutsches Visum zu bekommen sei
für sie noch schwieriger. In Edirne gibt
es kein deutsches Konsulat, also muss
sie dafür über zwei Stunden nach Istanbul fahren. Das hat die Familie einmal
gemacht. Um sechs Uhr morgens waren
sie dort, warteten mehrere Stunden.
Als sie an der Reihe waren, wollte der
Beamte ein zusätzliches Dokument. „Da
kannst du dir die Haare ausreißen”,
sagt sie. „Da kannst du wieder zurückfahren, die Unterlagen besorgen und es
noch einmal probieren.”
Vor dem Automaten sieht Nilgün den
Zahlen und Figuren zu. „Es dreht sich,
und du wirst lustig”, meint sie. Nach einer bestimmten Zeit, vielleicht ein, zwei
Stunden, hört sie dann auf zu spielen.
Sie bleibt auf dem Hocker vor einer der
Maschinen sitzen und sieht sich nur um,
sieht zu, wie die anderen spielen. Das
gefällt ihr auch, sagt sie, das reiche ihr
schon aus.
Für die nächste Zeit werden sie und
Mustafa kein Visum beantragen, sie
müssen sparen. „Außer wir gewinnen
in der Lotterie oder von irgendwoher
kommt Geld, dann beantragen wir es
doch.” Nilgün Duman wäre auch gerne
wieder berufstätig, aber mit 47 Jahren
ist es schwer, in der Region Arbeit zu
finden. Ihre Bewerbungen bei deutschen
Firmen wurden bislang abgelehnt. Man
nehme lieber jemanden aus Deutschland. Sie werden also in Edirne bleiben.
Am Abend werden sie Nachrichten
schauen und dann Karten spielen bis
Mitternacht oder ein Uhr früh. So wie
sonst auch. l
Katharina Ludwig schreibt als freie Journalistin in Berlin.
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 31
muslimas 2.0
„Sperrt mal eure
Lauscherchen auf“
Mit ihrem Buch „Muslim Girls” stellt Sineb El Masrar
dem klischeehaften Opfer-Diskurs über
deutsche Muslimas ein differenziertes Bild von deren
Lebensrealität entgegen.
Im Interview mit Sylvia Köchl und Vina Yun spricht sie
über die Legitimität der aktuellen Integrationsdebatte
und den Klassenkampf im „deutsch-deutschen”
Feminismus.
Foto: Amdela Wartenberg
Unterdrückt, zwangsverheiratet und gegen ihren Willen verhüllt – mit solchen
und anderen hartnäckigen Stereotypen von Muslimas, die die derzeitige
deutschsprachige Debatte über „Integration” beherrschen, räumt Sineb El
Masrar in „Muslim Girls” gründlich auf.
Ihre Kritik verbindet die Berliner Journalistin, die auch das Frauenmagazin
„Gazelle” herausgibt und Teilnehmerin
der „Deutschen Islam Konferenz” ist,
mit Hard-Facts der jüngeren politischen
Geschichte, Medienanalyse und persönlichen Erfahrungen. Was junge muslimische Frauen behindere, ihr Leben ebenso selbstbewusst und selbstbestimmt zu
gestalten wie „deutsch-deutsche” Girls,
sei eben nicht „das Kopftuch” oder „die
Tradition”, sondern die diskriminierenden Ausgangsbedingungen, mit denen
insbesondere Muslimas der Zweiten
und Dritten Generation noch immer
konfrontiert sind.
an.schläge: Was war für dich der Anlass,
Sineb El Masrar: Muslim Girls.
Wer wir sind, wie wir leben.
Eichborn 2010, 15,40 Euro
„Gazelle – Das multikulturelle Frauenmagazin” im Web:
www.gazelle-magazin.de
dieses Buch zu schreiben?
Sineb El Masrar: Wie bei meinem Frauenmagazin „Gazelle” gingen dem jahrelange Beobachtungen darüber voran, dass
die mediale Darstellung von MigrantInnen – und im Besonderen von Frauen
– nicht die tatsächliche Lebensrealität
wiedergibt. Bei „Muslim Girls” habe ich
jene Frauen in den Fokus genommen, die
32 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
auch in den Leitmedien tagtäglich für
Schlagzeilen und hohe Auflagen sorgen
dürfen. Wer Frauen begegnet, die Aische
oder Fatma heißen, der hat meistens
schon eine Meinung über sie. Nämlich,
dass sie kein freies Leben leben können.
Damit muss endlich Schluss sein.
Dein Buch erscheint wohl nicht
zufällig zu einem Zeitpunkt, als die
deutschsprachige „Integrationsdebatte“ eine Renaissance erfährt.
Willst du es als Gegengewicht zu den
Positionen von Thilo Sarazzin, Alice
Schwarzer & Co. verstanden wissen?
Mein Buch zeigt vor allem, wie nötig
es nach wie vor ist, die Realitäten, in
denen MuslimInnen leben, darzustellen. MuslimInnen – gläubig oder nicht
– müssen mehr denn je ihren selbstverständlichen Platz in dieser Gesellschaft
einfordern. Diese Debatte und auch die
Bücher von Sarazzin und Schwarzer
zeigen, wie wenig Ahnung die nichtmuslimische Bevölkerung – besonders
das Bildungsbürgertum – von unseren
Werten, Wünschen und Bedürfnissen
hat. Wie sehr wir mit diesem Land
schon verbunden sind und es eigentlich
schätzen, wissen noch zu wenige. Und
die Debatte zeigt vor allem auch, wie
sich das Bildungsbürgertum seiner Ressourcen beraubt und bedroht fühlt. Und
das ist erschreckend.
Du betonst, dass es nicht das Muslim
Girl gibt, sondern beschreibst viele
unterschiedliche Typen von Muslim
Girls. Gibt es in diesem heterogenen
Entwurf auch das feministische Muslim Girl?
Na klar! Und sie sind womöglich oftmals viel feministischer als es einigen
von ihnen bewusst sein dürfte. Wer
mein Buch liest, wird feststellen, wie
die Mädchen und jungen Frauen Schritt
für Schritt nicht nur ihre persönlichen
Freiheiten erlangen, sondern auch, wie
sie dabei ihre Elterngeneration und
die Jungen- und Männergenerationen
durch ihr neues Selbstbewusstsein
langfristig verändern. Nur die Frauen
selbst können verkrustete und patriarchalische Traditionen aufbrechen.
Leider gibt es unter ihnen – jung wie
alt – noch zu viele, die diese nicht nur
weiterleben, sondern sogar entschieden
einfordern.
Wie stehst du zu Äußerungen konservativer „deutsch-deutscher“ Feministinnen à la Alice Schwarzer oder auch
Feministinnen mit Migrationshintergrund wie Necla Kelek, die „die muslimische Frau“ vom Kopftuch und
von der Burka „befreien“ wollen?
Ich kann, ehrlich gesagt, keine aufrichtigen Bemühungen seitens der beiden
Damen feststellen. Und da geht es
muslimas 2.0
Millionen Frauen so, die in irgendeiner Form der islamischen Kultur oder
dem Glauben angehören, und selbst
Frauen, die nicht mal gläubig sind.
Denn die Probleme der Frauen liegen
woanders. Das Kopftuch behindert
weder beim eigenständigen Denken
und Lernen noch beim Handeln. Statt
zu befreien, stigmatisieren Feministinnen wie Schwarzer oder Kelek
ausschließlich. All diese Frauen, die
sie „befreien” wollen, können sehr
gut für sich selbst sprechen. Vielleicht
sollten sie einfach mal ihre Lauscherchen für sie aufsperren. Vorausgesetzt,
es interessiert sie überhaupt, was sie
zu sagen haben.
Wie attraktiv sind der „deutsch-deutsche“ Feminismus und die Frauenbewegung für Muslim Girls?
Wenn es um gleichberechtigte Teilhabe
auf dem Berufsmarkt oder Bildung
geht sowie um gesetzliche Rechte für
Allerorts ist von „Integration“ die
Rede – auch du sprichst von den
erfolgreich integrierten Muslim Girls,
die allerdings nur verzerrt wahrgenommen würden. Lässt sich der viel
strapazierte und vor allem von rechts
besetzte Begriff „Integration“ tatsächlich noch mit neuer Bedeutung
füllen?
Vor allem wäre es mal gut zu wissen,
was Integration denn für diese Herrschaften bedeutet. Die Mehrheit und
nicht die Minderheit der hier lebenden
EinwandererInnen und ihre Nachkommen lebt nämlich wie die deutschdeutsche Ur-Bevölkerung. Und trotzdem
reicht das anscheinend nicht aus. Da
muss man sich mal fragen, ob diese
Debatte überhaupt legitim ist und was
eigentlich das wirkliche Problem dieser
Akteure ist. Ich denke, das wäre viel
interessanter und würde uns einige neue
Erkenntnisse bringen, wenngleich auch
einige erschreckende. Aber dann wüsste
„Wir wollen uns nicht vorschreiben lassen,
wie wir unsere Rechte einfordern, und auch
nicht, wie wir unsere Religion zu ,reformieren‘
haben.“ (Sineb El Masrar, „Muslim Girls“)
Frauen – dann wird man sich hier gerne einreihen. Doch vieles, was hierzulande Frauen erst mühsam durchsetzen
mussten, stand ihnen gesetzlich schon
in ihren Herkunftsländern oder gar
nach dem islamischen Recht zu, wie
Erb- und Sorgerecht, Lohnarbeit etc.,
wenn auch noch nicht für die heutige Zeit optimiert. Doch dies ändert
sich auch in den Herkunftsländern
und wirkt sich auch auf hier lebende
Muslimas aus. Statt sich mit anderen
Feministinnen zusammentun zu können,
müssen sich Migrantinnen zuerst
gegen Stigmatisierungen durchsetzen.
Und zwar im Alltag. Im Bildungs- und
Berufsleben. Also hinken wir wegen einseitiger Debatten eher dem
gemeinsamen Kampf hinterher. Man
könnte sagen, dass es aufgrund dieser
unsäglichen Ehrenmord-, Zwangsheirat- und Genitalverstümmlungs-Debatte
einen Klassenkampf im deutschen
Feminismus gibt. Die einen müssen
sich zunächst Grundrechte sichern und
verteidigen, die anderen wollen weiter
hinaus.
man endlich, woran man ist in diesem
Land, statt hier weiter Zeit in unsinnigen Debatten zu verlieren.
Mit „Muslim Girls“ bedienst du
dich einer Sprache, die sich stark an
Pop- und Alltagsdiskursen anlehnt.
Interessanterweise sprichst du aber
nie von „Rassismus“ gegen Muslimas.
Warum?
MuslimInnen und besonders Frauen,
die mit dieser Religion in Zusammenhang gebracht werden, begegnet in
ihrem Leben sehr oft Rassismus. Die
Mehrheit hat gelernt, die Wut darüber in Produktivität und Kreativität
umzuwandeln. Das möchte ich in erster
Linie im Buch transportieren. Wer das
Buch aufmerksam liest, wird feststellen,
wie viel Rassismus im Leben dieser
Frauen stattfindet. Ich wollte aber
auch unterhalten, weil man damit die
meisten Menschen eher erreicht als
mit erhobenem Zeigefinger. Das schafft
auch eher Eingeständnisse bei einigen
Menschen. Nichtsdestotrotz kommt man
natürlich im allgemeinen Diskurs nicht
umhin, die Missstände, die durch sehr
gezielten Rassismus stattfinden, auch
anzusprechen.
Vor kurzem wurde das 20-jährige
Jubiläum der „Wiedervereinigung“
Deutschlands gefeiert. Welche Bedeutung hat deiner Meinung nach die
„deutsche Einheit“ aus der Perspektive
deutscher Muslimas?
Sie zeigt vor allem, dass auch 20 Jahre
nach dem Mauerfall noch einige Gräben
innerhalb der deutschen Bevölkerung
existieren. Da wundert es manchmal
nicht, dass man mit Menschen anderer
Herkunft noch größere Schwierigkeiten
hat, wenn schon innerhalb der deutschdeutschen Bevölkerung solche Ressentiments vorherrschen. Da sollten sich
mal einige in diesem Land Gedanken
darüber machen, warum das wohl so ist.
Du hast das „multikulturelle
Frauenmagazin“ namens „Gazelle“
gegründet, u.a. um die vorwiegend
negativen Repräsentationen von
Muslimas in den deutschen Medien
zurechtzurücken. Wie wird „Gazelle“
angenommen?
Bei „Gazelle” geht es vor allem darum,
die deutsche Normalität abzubilden.
Die Menschen in diesem Land sind nicht
ausschließlich Ur-Deutsche. Medien,
die für und von Nachkommen von
EinwandererInnen gemacht werden,
sind keine verträumten Multikulti- oder
Nischenhefte. Sie sind die Zukunft
auf dem Medienmarkt, auch wenn das
hierzulande so mancher Marketing- und
Verlagsfachmann noch nicht begriffen
hat. Die künftigen MedienkonsumentInnen werden jene sein, die sich mehr
Vielfalt bei AutorInnen und Themen erwarten als das, was jetzt geboten wird.
Mit abgrenzenden und hetzerischen
Kampagnen und Artikeln verscheucht
man stattdessen zukünftige LeserInnen
und AbonnentInnen. l
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 33
an.riss kultur
nen in die Kinos. 2010 steht „this human world” unter dem Schwerpunkt
„Kinder und Jugendliche dieser Welt” und befasst sich mit Kinderrechten
weltweit. Unter dem Motto „Women in Justice” kommen auch zahlreiche
Spiel-, Doku- und Kurzfilme zur internationalen Situation von Frauenrechten auf die Leinwand: In „A Blooming Business” geht es bspw. um
die Ausbeutung weiblicher Arbeitskräfte in einer kenianischen Gemeinde,
die für die globale Blumenindustrie produziert.
Am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, vergibt
die Österreichische Liga für Menschenrechte im Rahmen des Festivals
den internationalen und den nationalen Menschenrechtspreis: Diese
gehen heuer an die bulgarische Menschenrechtsaktivistin und Anwältin
Margarita Ilieva für ihr Engagement für von Gewalt betroffene Kinder
mit Behinderung in Kinderheimen sowie an die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung Wien (siehe auch Porträt auf S. 9). atina
this human world – Internationales Filmfestival der Menschenrechte, Infos und Programm unter www.thishumanworld.at
marlene streeruwitz
Feministin werden ist nicht schwer …
Ari Up, Frontfrau von The Slits, Foto: marythom/flickr.com
nachruf
Ari Up (1962–2010)
Ariane Forster aka Ari Up war 14 Jahre alt, als sie 1976 mit
Drummerin Paloma Romero alias Palmolive die legendäre englische
Frauen-Punkband The Slits gründete. Am 20. Oktober verstarb die
Frontsängerin der Band im Alter von 48 Jahren nach „schwerer Krankheit”, wie ihr Stiefvater John Lydon (Sex Pistols) verlautbaren ließ.
Mit ihren Alben „Cut” (1979) und „Return of the Giant Slits” (1981)
wurden The Slits, deren Sound Punk, Dub und Reggae miteinander verband, zu einer der wichtigsten Post-Punk-Referenzen für spätere Bands,
als feministische Role-Models inspirierten sie nachfolgende Musikerinnen-Generationen wie die Riot Grrrls. 1981 löste sich das Quartett auf
und wurde 2005 von Ari Up, zu deren Markenzeichen ihre meterlangen
Dreads gehörten, wiederbelebt. Auf ihren persönlichen Wunsch hin wurde
der Videoclip zum Song „Lazy Slam” posthum veröffentlicht. sane/viyu
www.spex.de, www.laut.de, www.br-online.de/bayern2/zuendfunk
filmfestival
Human Rights on Film
Zum dritten Mal findet das erfolgreiche Internationale Filmfestival
der Menschenrechte „this human world” in Wien statt. Von 2. bis 10.
Dezember werden rund 70 Filme im Gartenbaukino, Top Kino, Schikaneder, Burgkino und Cinemagic gezeigt, daneben umfasst das Programm
Podiumsdiskussionen, Ausstellungen und Vorträge. Das Festival wurde
2008 ins Leben gerufen und lockte im Vorjahr rund 12.000 BesucherIn34 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
… Feministin bleiben dagegen sehr. Feministin zu sein ist eine Entscheidung, an der immer wieder von außen gerüttelt wird. Genau darüber hat
nun die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz ein Buch geschrieben: über die Umstände, die es erschweren, den eigenen feministischen Überzeugungen treu zu bleiben. „Das wird mir alles nicht passieren
… Wie bleibe ich FeministIn”, so der Buchtitel. Klingt wie Selbsthilfe
– ist es auch. Und zwar von der literarischen Sorte.
Elf Erzählungen über Frauen und Männer, die an einem Punkt des Lebens
stehen, wo eine Entscheidung fällig ist: „Anpassung oder Autonomie?”
Die Wissenschaftlerin Andrea S., die in Gedanken ihren sich mehr und
mehr exponierenden Mann stürzt. Christian F., der gelernte Tischler, jetzige Hausmann, der an Scheidung denkt und die Folgen fürchtet. Felicity
P., die junge Liebhaberin, die für den verheirateten Mann nie mehr sein
wird. Oder Renate S., die weiß, dass Männern Macht zuzugestehen für
die (unfeministische) Frau Schonung bedeutet. Schonung, das ist das, wogegen sich Feministinnen bewusst entscheiden, und Feministen vielleicht
auch ein wenig. Mit ihrem neuen Erzählband geht Streeruwitz auch einen
neuen Weg, den des Cross-Media-Experiments. Auf der begleitenden
Internetseite gibt es theoretisches und bildliches Material, und Leser_innen können die knapp vor der Entscheidung abbrechenden Erzählungen
weiterdenken. So wird die Literatur aus den Leben gespeist. nad
Marlene Streeruwitz: Das wird mir alles nicht passieren … Wie bleibe ich FeministIn.
Fischer 2010, 10,30 Euro. http://wie.bleibe.ich.feministin.org, www.marlenestreeruwitz.at
erinnerungsarbeit
„Es geht mir gut”
„Ich bin gesund, es geht mir gut” steht mit blauer Tinte auf Ansichtskarten geschrieben, deren Vorderseiten recht idyllische See-, Wald- oder
Wiesenmotive zieren. 2011 werden 20.000 EinwohnerInnen von St.
Pölten eine solche Karte erhalten. Wenn sie dann die Beschreibungen der
Motive lesen – „Zwangsarbeitslager für ungarische Jüdinnen und Juden,
St. Pölten Viehofen”, „Zwangsarbeitslager der Glanzstoff-Fabrik, St. Pölten” und „Massengrab, Gruppe VI, Hauptfriedhof St. Pölten” –, werden
sie wahrscheinlich erkennen, dass die Postkarten Teil eines neuen Mahnmals sind. „Ich bin gesund, es geht mir gut” lautete der Standardsatz, der
auf jeder Karte von InsassInnen der NS-Lager stehen musste.
Tatiana Lecomte ist eine der beiden Gewinnerinnen der Ausschreibung
für das „Mahnmal Viehofen”, die von der Stadt St. Pölten und „Kunst
im öffentlichen Raum Niederösterreich” initiiert wurde. Sie wird ein
Jahr lang täglich etwa 50 Ansichtskarten beschriften, die zeigen, wie die
beiden Zwangsarbeitslager und das Massengrab aus der Zeit des Nationalsozialismus heute aussehen.
Das zweite Siegerprojekt, das Mitte November eröffnet wurde, zeigt
„Orientierungstafeln” von Catrin Bolt rund um das beliebte Freizeitareal des Viehofner Sees. Im ersten Moment sehen die Tafeln mit ihren
Standort-Pfeilen auf Luftaufnahmen ganz üblich aus – tatsächlich weisen
sie jedoch auf die beiden Zwangsarbeitslager hin, die hier von 1944 bis
1945 existierten. sylk
lebenslauf
auch feministinnen altern
www.mahnmal-viehofen.at
auszeichnung
Kompositionspreis für Joanna Wozny
Es ist laut Selbstbeschreibung das „Spiel mit einem vorweg definierten
Reservoir von Klängen”, das das Schaffen der 1973 geborenen Komponistin Joanna Wozny bestimmt und ihr den diesjährigen Kompositionsauftrag der Erste Bank verschafft hat. Für die gebürtige Polin, die Philosophie in Katowice und Komposition bei Gerd Kühr und Beat Furrer in
Graz studierte, bedeutet dies eine nachhaltige Förderung ihres künstlerischen Schaffens: Neben der Uraufführung ihres Ensemblewerks „as in a
mirror, darkly” im Rahmen des diesjährigen Festivals „Wien Modern” im
November sind weitere Aufführungen durch das Klangforum Wien sowie
eine CD-Veröffentlichung beim Label Kairos gesichert.
Neben dem Erste-Bank-Preis, der seit 1989 jährlich an junge KomponistInnen verliehen wird, ist Joanna Wozny auch Trägerin des „SKE Publicity Preises” 2010 und „young composer in residence” 2010/11. sane
www.wienmodern.at, www.musicaustria.at, www.editionjulianeklein.de/wozny.htm
comic
Burka vs. Evil
Allianzen dieser Art gibt es wohl nur im Comic: Wonder Woman, die
Superheldin mit dem goldenen Zauberlasso und dem ebenso knappen
wie ultrapatriotischen Outfit in den Farben und Mustern der US-Flagge,
und ihre Kollegin Batina the Hidden, Mitglied der Superhero-Crew „The
99” und Burka-Trägerin, vereinen ihre Kräfte, um gegen das Böse zu
kämpfen. Dieses außergewöhnliche Bündnis entspringt einer Kooperation
zwischen dem US-Branchengiganten DC Comics und dem kuwaitischen
Comic-Verlag Teshkeel, die seit Oktober eine gemeinsame Comic-Serie
in sechs Teilen herausbringen: Darin machen die „Justice League of
America” (JLA), zu der u.a. Superman, Batman, Wonder Woman, Green
Lantern und Aquaman gehören, und „The 99” den Bösewichten dieser
Welt das Leben so richtig schwer.
„The 99” (basierend auf den 99 Namen und Eigenschaften, die laut dem
Koran Allah zugeschrieben werden) wurde 2007 vom kuwaitisch-amerikanischen Psychologen Naif Al-Mutawa zum Leben erweckt, mit dem
Ziel, ein „multikulturelles und tolerantes” Bild des Islam zu propagieren.
Allerdings: Die HeldInnen von „The 99” seien mehr vom Islam inspiriert
als islamisch, meinte Mutawa in den Medien. Bislang wurde etwa ein
Dutzend der 99 SuperheldInnen vorgestellt. Für 2011 steht bereits eine
Animationsserie zu „The 99” im US-amerikanischen Kinderkanal „Hub”
in den Startlöchern. viyu
www.dccomics.com, www.the99.org, www.guardian.co.uk, http://derstandard.at
Christine Hartmann
Erfolgsmodell
Dummheit
In einer Wirtschaftszeitung lese ich über den sehr reichlichen wirtschaftlichen Erfolg von Frau Hilton und darüber, dass ihre Selbstpräsentation über ihre Intelligenz drübertäuscht und das von Frau
Hilton beabsichtigt ist und von ihr mit bewundernswertem schauspielerischem Können – speziell auch hinsichtlich der Tonlage ihrer
Statements – performt wird. Wow! Ich denke auch an Frau Pooth, die
mir erst gestern völlig unerwartet aus einem Buch (!) mit dem Titel
„Je älter, desto besser” entgegenstrahlte, in dem sie ihre erfahrungsgesättigten Aussagen zum Gutaussehen weitergibt. Nur zum besseren
Verständnis: In eben diesem Buch geht’s um „überraschende Ergebnisse” aus der Hirnforschung.
Aber zurück zu den beiden Ikonen des wirtschaftlichen Erfolgs: Ich
dachte doch tatsächlich, das Vortäuschen von Dummheit als Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg habe mit der Entwicklung von
Kurtisane, Mätresse oder Ehefrau hin zur Wirtschaftsehe als Berufswunsch an Bedeutung verloren? Jetzt aber auf dieses Phänomen der
Koppelung von täuschdumm und erfolgreich aufmerksam geworden,
schaue ich um mich und sehe da noch einige Frauen, die, würden sie
sich dümmer stellen als sie sind, vermutlich weniger Behinderung im
Arbeitsalltag erfahren könnten. Was hat das zu bedeuten? Was soll
ich dazu sagen, was dazu denken?
Und muss „Frau ist gleich jung präsentiert ...” auch noch in diese
Gleichung eingebracht werden? Weil: Trotz der „überraschenden
Ergebnisse” aus der Hirnforschung, die eben ein „Je älter, desto
besser” begründen, werden Frauen, je älter, desto mehr für dumm
gehalten und für dumm verkauft. Frauen werden – siehe oben – mit
der Zeit nicht nur älter, sondern auch g’scheiter, manchmal sogar
weise, werden dennoch als dumm eingeschätzt und haben damit null
wirtschaftlichen Erfolg. Erstaunlich! Was soll ich daraus ableiten?
Was dazu denken?
Fragen über Fragen, für die ich keine Antworten finde. Vielleicht bin
ich doch dümmer als bislang hergezeigt. Ja, da weiß ich jetzt auch
nicht weiter. Hilft mir vielleicht mal jemand?
Christine Hartmann, Jg. ’53, lebt und arbeitet hauptsächlich in Bregenz
und wundert sich je länger, umso mehr. www.prozesswissen.at
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 35
medienkunst
Die nackte Haut ist sekundär
Gleich in zwei österreichischen Museen – im Wiener Belvedere
und im Lentos in Linz – wird derzeit ein umfassender Überblick über
das Schaffen der großen feministischen Medien- und PerformanceKünstlerin VALIE EXPORT geboten.
Andrea Heinz hat sich umgesehen.
Lebenspartner. 1967 wird aus Waltraud
Lehner schließlich VALIE EXPORT, die
umgestaltete Smart-Export-Zigarettenpackung zu ihrem ersten Kunst-Objekt.
Um den Schock-Effekt, den die Wiener
Aktionisten mit ihren aufgeregten
Körperaktionen erzielten, ging es der
Künstlerin VALIE EXPORT jedoch nie.
Ihre Arbeiten sollten gesellschaftliche
Zustände abbilden und dadurch besser
sichtbar machen. Der weibliche Körper
und seine sexualisierte Wahrnehmung
ist so ein Zustand. Aber bei weitem
nicht der einzige. Existenzielle Fragestellungen nach Zeit und Raum werden
ebenso thematisiert wie Politik, Macht,
Gewalt oder die Medien.
EXPORT_Hyperbulie_© Archiv VALIE EXPORT, Foto: Hermann Hendrich
VALIE EXPORTs Arbeiten wollen
etwas über den Menschen erzählen.
Folgerichtig ist der menschliche Körper
das Material der Wahl. Bevorzugt jener
der Künstlerin selbst: „Wenn ich etwas
erklären möchte, dann möchte ich das
auch darstellen. Wenn ich selbst das Material sein kann, dann werde ich es auch
sein.” Oft und gerne wird das auch heute
noch missverstanden. Körper ist gleich
Sex, erst recht, wenn es sich um einen
weiblichen Körper handelt. Auch nach
Jahrzehnten sind das „Tapp- und Tastkino” oder die „Aktionshose Genitalpanik” noch höchst beliebte InterviewSujets. Genitalpanik allerorten.
1940 in Linz geboren, ging Waltraud
Lehner 1960 nach Wien. Bereits mit 18
hatte sie eine Tochter bekommen, ihre
Ehe mit dem Kindesvater wurde sehr
früh wieder geschieden. „Ich wusste, ich
wollte nicht Hausfrau sein.” Waltraud
Lehner gerät in den Kreis der Wiener
Aktionisten, Peter Weibel wird ihr
36 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
Anklage: Pornografie. In der Doppelausstellung im Wiener Belvedere und
im Linzer Lentos treffen nun Arbeiten
der Avantgarde-Künstlerin aus mehreren Jahrzehnten und Themenfeldern
aufeinander. Die Ausstellungen lassen
sich unabhängig voneinander besuchen,
aber auch wer beide sieht, wird sich
nicht langweilen, denn die ausgestellten
Bilder, Videos und Installationen geben
zusammen einen umfassenden Überblick über EXPORTs Schaffen. „Sie
berühren sich”, wie die Künstlerin sagt.
Natürlich finden sich darunter Arbeiten
mit stark feministischem Gestus: Im
Belvedere etwa die berühmte „Body
Sign Action” aus dem Jahr 1970, bei
der sich VALIE EXPORT ein Strumpfband auf den Oberschenkel tätowieren
ließ. Das Strumpfband als „Symbol
der Versklavung”. Oder „Aktionshose
Genitalpanik”: EXPORT posiert mit
Maschinengewehr, wildem Punk-Haar
und bloßfüßig. Sie trägt eine JeansHose, aus der im Schritt ein großes
Loch geschnitten ist. 1969 ging sie
mit dieser Hose bekleidet durch die
Sitzreihen eines Münchner Kinos und
sagte: „Was Sie möglicherweise auf
der Leinwand sehen, sehen Sie jetzt in
Wirklichkeit.” Um Exhibitionismus ging
es hier nicht – vielmehr um das Aufzeigen von Voyeurismus. In den 1970er
Jahren wurde EXPORT dennoch der
Pornografie angeklagt: Sie hatte 1970
mit Peter Weibel das Buch „Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film”
herausgebracht. Das Sorgerecht für ihre
Tochter wurde ihr in der Folge entzogen. Für sie war das „in Ordnung” so,
sie habe schließlich immer Kontakt zu
ihrer Tochter gehabt.
Eine andere Arbeit, die gerne (und zu
Unrecht) als Pornografie verstanden
wird, ist nicht zu sehen: das „Tapp- und
Tastkino” aus dem Jahr 1968. Stattdessen finden sich in beiden Museen
Arbeiten, die an die marxistisch-materialistische Weltsicht der 1970er Jahre
erinnern: „Nadel” (1996/97) im Lentos,
„Die un-endliche/-ähnliche Melodie
der Stränge” (1998) im Belvedere. In
Linz beherrschen drei überdimensionale, motorbetriebene Stahlnadeln die
ganze Ausstellung – vor allem durch den
Lärm, den sie verursachen. Sie bewegen
sich auf und ab, unter ihnen ist ein rotes
Kinderkleid. Hier steht die Nadel nicht
mehr nur für weibliche Handarbeit,
sondern zunehmend auch für industriell
und im großen Ausmaß produzierte
Billigkleidung. Noch stärker drängt sich
diese Parallele in Wien auf: Auf 45 Monitoren arbeiten Nähmaschinennadeln
in leicht verschobenem, laut hörbarem
Rhythmus. Die BetrachterInnen können
der hektischen Atmosphäre in dieser
„Werkhalle” nicht ausweichen. Ebenso
wenig kann sich der Mensch den ihn
umgebenden Produktionsbedingungen
entziehen.
Zwänge der Gesellschaft. „Der Mensch,
den Zwängen der Gesellschaft unterworfen”: Diese Überschrift könnte über
den meisten Arbeiten stehen. Mit dem
Fokus auf die Frau ergibt sich die feministische Kritik bei VALIE EXPORT fast
wie von selbst. In einer patriarchalen
Gesellschaft sind es eben besonders die
Frauen, die unter Zwängen leiden. Auch
hier wird der Körper wieder zum Anschauungsfeld. „Zwangsvorstellungen”
(1972/1977/2010) zum Beispiel fragt
nach den ganz konkreten Auswirkungen körperlicher Zwangslagen auf die
psychische Verfassung. Mit Schlittschuhen bekleidet begibt sich die Künstlerin
zur Nachtruhe – und findet natürlich
keine Ruhe. Dem Foto der schlafenden,
beschlittschuhten EXPORT steht in
Wien das Bild einer unter dem Bett
liegenden Frau gegenüber, verbunden
ren Ölgeruch – mit voller Wucht: Ein an
sich ungeheuerliches Ereignis wird durch
die nüchtern beobachtenden Filmaufnahmen zu einem Ereignis unter vielen.
the fabulous life of a queer femme in action
Material Sprache. Noch subtiler
beschäftigt sich eine andere Arbeit
mit dem Thema Macht: „glottis”
(2007/2010) zeigt, durch ein medizinisches Instrument aufgenommen, die
menschliche Stimmritze (die Glottis)
während dem Sprechen. Das „Material Sprache”, wie VALIE EXPORT
es nennt, wird zurückgeführt auf eine
Körperfunktion wie jede andere. Was
Um den Schock-Effekt ging es der Künstlerin
VALIE EXPORT jedoch nie. Ihre Arbeiten
sollten gesellschaftliche Zustände abbilden
und dadurch besser sichtbar machen.
werden die beiden Bilder durch eine
Tür. Auf dieser schräg liegenden Tür
sind Glassplitter verstreut, daneben
steht ein Ölkanister. Eine bedrohliche
Atmosphäre von Gewalt umweht die
Installation – ist es Gewalt, die eine/r
angetan wird, oder solche, die er/sie
sich selbst antut?
Besonders deutlich werden die Zwänge,
unter denen sich der Mensch verbiegt,
in dem Film „HYPERBULIE ” (1973).
„Ein Korridor aus Drähten, durch die
elektrischer Strom fließt. Der Mensch
tritt hinein und bewegt sich durch den
Korridor hindurch, wobei er ständig in
schmerzhafte Berührung mit dem elektrischen Draht kommt und so langsam zu
Boden sinkt”, beschreibt die Künstlerin ihre Arbeit, in der „der Mensch”
natürlich von ihr selbst verkörpert
wird. Subtiler zeigen sich gesellschaftliche (Zwangs-)Strukturen in VALIE
EXPORTs neueren Arbeiten. „Kalashnikov” aus dem Jahr 2007 widmet sich
der Waffengewalt, der Ausbeutung von
Rohstoffmärkten und den konkreten
Machtverhältnissen in totalitären Staaten. In einer mit Altöl gefüllten Wanne
stapeln sich 109 Kalaschnikow-Sturmgewehre zu einem vier Meter hohen
Turm. Daneben laufen in Dauerschleife
zwei Videos von Militär-Angriffen im
Irak und Erschießungen in China. Vor allem Letztere treffen die BetrachterInnen
– in Kombination mit dem unentrinnba-
lesbennest
im täglichen Leben als Kommunikationsmittel dient, was Macht ausdrücken
und herstellen kann, was Frauen und
Männer scheinbar grundlegend unterscheidet, ist hier nur mehr ein kleiner
Teil des Körpers, der bei allen gleich
aussieht. „Die Macht der Sprache zeigt
ihre Spur noch lange nach dem Schweigen”, klingt es zeitversetzt von den
Monitoren mit Aufnahmen der Glottis.
In Verbindung lassen sich Ton und Bild
nur schwer bringen.
Die Verbindung zwischen dem Körper
und Innen- ebenso wie Außenwelt zu
erkennen, dazu fordert VALIE EXPORT
die BetrachterInnen heraus. Wer sich
dieser Herausforderung stellt, erlangt
Einsicht in gesellschaftliche Strukturen
ebenso wie in sein eigenes Inneres. Nur,
wer diese Herausforderung scheut, sieht
nichts mehr als blanke Busen, Pornografie und Provokation. l
denice
Guilt-Trip
to Bobo-Land
”I’ve got survivor’s guilt, I’ve got punk guilt,” Beth Ditto said in
an article that was mainly about how she is the new darling of
the catwalks in Paris. This simple sentence finally puts a name
to the weird feelings I so very often experience when I am ”out
of context”. When I spend too much money on make-up. When I
dream about designer’s clothes. When I don’t want to go to the
queer party in the only squat in Vienna because it’s too far away
and I think it has a funny smell. When I want to diet instead of
rioting and embracing my beautiful fat self. When I’m tired of all
DIY bands and just miss some damn professionalism. When I stay
home and watch heteronormative American TV-shows instead of
going to the really important demonstration. When I want to buy
food in ”Spar Gourmet” only because it looks prettier. When I
choose the romantic comedy starring Hugh Grant over the queer
indie-movie. Et cetera. I could go on forever, but you get the
picture, right?
Just writing these sentences makes me want to press delete and
look over my shoulder, hoping that nobody will ever know about my
guilty pleasures and horrible politically incorrect thoughts. And I
make myself sick. Less than five years ago I only wore second hand
clothes, didn’t shave my legs, shook my big belly with no shame,
took to the streets to change the world, had seen every damn dyke
film ever made, hitch-hiked instead of buying a plane-ticket. WTF?!
Have I in some weird way become this icky bourgeois grown-up
that I promised myself that I would never ever be? I try to calm
down and tell myself that I just got tired and comfortable. That
I have payed my dues on the radical battleground. That I haven’t
lost my ideals. And yeah, sure I haven’t. But it is really easy to be
a couch-revolutionary in my own living room, eating vegetarian
snacks while screaming that the patriarchy needs to get smashed
now! It kind of makes me look like a cartoon character. And nowadays I guess more like Betty Boop than Hothead Paisan.
Contrary to general belief, Denice is actually not as shallow as it may seem.
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 37
an.lesen
Ganz oben
Eva Maria Bachinger, Journalistin
und selbst Hobby-Bergsteigerin,
hat über die „besten Bergsteigerinnen”
ein Buch geschrieben:
Von der Sucht, immer höher zu steigen,
bis zum aufreibenden Alltag
mit Sponsoring und Medien.
Von Gabi Horak
Eva Maria Bachinger beim Como See, Italien. Foto: Csaba Szépfalusi
Auf Berge steigen, über Hänge klettern ist ein
befreiendes Gefühl, es reduziert das Sein auf das
Wesentliche. Nach wochenlangem Kampf mit dem
Berg dann endlich am Gipfel zu stehen, ist wohl
ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Wie bei jedem
anderen Sport hängt aber beim Bergsteigen in der
Profi-Liga vieles letztlich davon ab, ob genug Geld
da ist, wer es organisiert und was dafür verlangt
wird. „Es ist Realität, dass Sponsoren Druck
ausüben – nur wird man keinen aktiven Profibergsteiger finden, der das laut ausspricht.” Eva Maria
Bachinger widmet sich diesem Thema ausführlich
– aber nicht um die Leistung der Spitzensportlerinnen infrage zu stellen. Im Gegenteil beschreibt
sie die professionellen Bergsteigerinnen endlich
in ihrer Ganzheit und widmet sich Aspekten wie
Geld, Macht, Neid und Kinderlosigkeit, die für
Hochglanz-Magazine nicht sexy genug sind. Die
Menschen hinter den „besten Bergsteigerinnen”
kommen zu Wort, und es gibt tolle Bilder: keine
sich räkelnden Kletterinnen in der Wand oder
gequälte Gesichter kurz vor dem Gipfel, sondern
Porträts in alltäglichen Situationen. Bachinger:
„Ich will mit diesem Buch zwar Frauen im
Alpinismus würdigen, aber auch einen kritischen
Blick auf das Bergsteigen, auf das Wettrennen um
die 14 Achttausender, auf die Berichterstattung,
auf die Übertreibungen und auf Abhängigkeit von
Sponsoren richten.”
Der Titel, die erste Frau auf allen 14 Achttausendern zu sein, ist viel wert: für Sponsoren und
Medien. Deshalb wurde dieses „Wettrennen” in
den vergangenen Monaten und Jahren auch aus38 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
giebig zelebriert, manche Bergsteigerin nahm
sich bewusst selbst aus dem Rennen, andere
verdrängten, dass es dieses Rennen überhaupt
gibt. Tatsache ist: Als die Koreanerin Eun-sun
Oh am 27. April 2010 auf ihren 14. Achttausender stieg, war das südkoreanische Fernsehen
live dabei, Medien in aller Welt berichteten
darüber – ein riesiger Wert für Sponsoren. Als
ihre spanische Kollegin Edurne Pasaban knapp
einen Monat später ihren letzten Achttausender
geschafft hatte, war das vielen Medien nicht
einmal mehr eine Kurzmeldung wert. Der Sieg
der Koreanerin wird allerdings angezweifelt,
weil die Besteigung einer der Achttausender
nicht eindeutig bewiesen sei. Das obligatorische
Beweisfoto auf dem Gipfel ist verschwommen,
und das reicht schon, um die ganze Expedition
infrage zu stellen.
Noch schwerer wiegt die „Kritik” an Ohs Stil:
Bergsteiger_innen unterscheiden detailliert,
wie sie den Gipfel erreichen. Der sog. Alpinstil –
ohne Sauerstoff, Fixseile und Hochträger_innen
– ist die ursprünglichste und auch gefährlichste
Methode. In mehr als 7.000 Metern Höhe, in der
Todeszone, in der Menschen nur mehr wenige
Tage überleben können, ist heutzutage aber wohl
kaum mehr ein Mensch ganz ohne Sauerstoff
unterwegs. Die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner ist dabei eine Ausnahme. Nicht zuletzt
deshalb gilt sie – auch wenn sie das Wettrennen
um die erste Frau auf allen 14 Achttausendern
knapp verloren hat – als „beste Bergsteigerin
der Welt”. Und sie kann immer noch in die
Geschichtsbücher eingehen: Als erste Frau,
die ohne Sauerstoff sämtliche Achttausender
bestiegen hat.
Die Zeiten, als Frauen mit Rock auf die Berge
stiegen und Mediziner davor warnten, dass sie
bei der Ausübung dieses Sports „vermännlichen”
würden, sind zwar vorbei. Von Gleichberechtigung am Berg sind wir aber noch weit entfernt.
Selbst Profi-Bergsteigerinnen und -kletterinnen
können sich heute noch blöde Stammtischsprüche anhören. Hat eine Frauenexpedition eine
schwierige Route geschafft, wird diese schnell
als „Frauenroute” dequalifiziert.
In Interviews werden Bergsteigerinnen mit
Kindern immer wieder mit Fragen konfrontiert,
wie es denn zu vereinbaren sei, sich bei jeder
Tour in Lebensgefahr zu begeben, wo doch
daheim die Kinder warten. Kaum ein Bergsteiger und Familienvater muss sich solche Fragen
gefallen lassen. Andere Sportlerinnen wählen
hingegen bewusst die Kinderlosigkeit. Gerlinde
Kaltenbrunner: „Ich mag Kinder, aber ich kann
Extrembergsteigen und eigene Kinder nicht
vereinbaren.” Das schönste Gefühl ist es für sie,
auf dem Gipfel zu stehen, über ihr dann nur noch
der Himmel. Dort oben sind auch die Sponsoren
nur als Logos auf der Jacke präsent – einmal gut
ins Bild gerückt fürs Gipfelfoto. l
Eva Maria Bachinger: Die besten Bergsteigerinnen der Welt. Gerlinde Kaltenbrunner, Nives
Meroi, Edurne Pasabán und Oh Eun-sun
Milena 2010, 19,80 Euro
an.lesen
Freche Allergien l Claire
Bretéchers Cartoons sind für
mich untrennbar mit dem
Französisch-Unterricht in
der Schule verbunden – in
meinem Fall eine nicht
unbedingt angenehme Assoziation. Damals wirkten ihre
schrillen Figuren nicht sehr sympathisch auf
mich, was auch am furchtbar altbackenen Französisch-Lehrbuch gelegen haben mag – heute
hingegen finde ich etwas mehr Gefallen an
ihrem Stil, oder sagen wir: Respekt. Immerhin
zeichnet diese Frau schon länger Comics, als
ich auf der Welt bin (wie ungewöhnlich das für
eine Frau ist, war mir in der Schule noch nicht
ganz klar), und ihre momentane Titelheldin,
Agrippina, ist voller ungebremster Vitalität und
Frechheit. „Allergien” ist im Original bereits
2004 erschienen, nun hat sich der Berliner
Reprodukt-Verlag um eine Übersetzung ins
Deutsche gekümmert.
Der Band behandelt ein Phänomen unserer
Zeit: Hausstaubmilben, Erdbeeren, Nickel,
Pollen, Katzen, die Sonne oder der neue Lipgloss von Billique stecken voller Gefahren. Sie
verwandeln unsere Körper in verschwollene, rot
gepunktete Zombies. Doch so eine Allergie ist
auch chic, immerhin ermöglicht sie ausführliche
Gespräche über die eigene Unvollkommenheit
oder kann dabei behilflich sein, die ungeliebte Rivalin (Katzenallergie!) auszuschalten.
Allergien gegen Religionen, gegen das 21.
Jahrhundert oder die Arbeit gelten aber genau
so. Der Humor ist dabei oft schwarz und albern,
die Kleidungsstile der Figuren eine unterhaltsame Storyline für sich. Bretécher (wieder-)
entdecken ist angesagt! Silke Graf
Claire Bretécher: Agrippina: Allergien
Reprodukt 2009, 15,50 Euro
Böses tun l Im Paris der
1950er-Jahre werden drei
Frauenleichen mit durchgeschnittenen Kehlen aufgefunden. Die Polizei bittet den
Kriminalpsychologen Dr. Lorme
um Mithilfe bei der Aufklärung.
Die Suche nach dem Mörder
bzw. der Mörderin führt ihn (wie uns) in die
Abgründe der menschlichen Seele: Hier – in
den Tiefen der Hölle – geht es (ganz im Sinne
von Dostojewskijs Raskolnikow) um die Frage
nach der Freiheit des Menschen, Böses zu tun,
und was passiert, wenn er/sie von dieser Freiheit Gebrauch macht.
Die Autorin dieses um 1960 geschriebenen
und bisher unveröffentlichten Buches, Ruth
Landshoff-Yorck, galt als Liebling der Berliner
Edel-Bohème, deren Repräsentantinnen sich
gerne als „Neue Frauen” der 1920er Jahre
inszenierten: ob mit Bubikopf und Smoking
im Rauch geschwängerten Jazz-Ambiente,
schneidig auf schnellem Motorrad, selbstbewusst hinter dem Steuer eines luxuriösen Autos
oder fortschrittlich an ihrer (damals) hochmodernen Schreibmaschine. Landshoff-Yorck
selbst entsprach damit dem Typus der unabhängigen, emanzipierten und modernen Frau, der
literarisch in Elianne, der Sekretärin Lormes,
seinen Ausdruck findet. Elianne ist es auch, die
entscheidend dazu beiträgt, die Serienmorde
aufzuklären. Gabriele Migdalek
Ruth Landshoff-Yorck: In den Tiefen der Hölle
Aviva 2010, 20,10 Euro
Überzeugung und Überzug l
Im Kommunikationssystem
Religion ist Bekleidung ein
Code, der im Alltag Zugehörigkeit und bestimmte
Moralitäten identifiziert.
Die Autorinnen (zumeist mit
theologischem Background)
beschäftigen sich quer durch (Kirchen-)
Geschichte und Moderne mit Textilien als Be/
Deutungsträger. Im Teil „Frauen in geistlicher
Kleidung” wird in verschiedenen Aufsätzen (zu
Nonnen, Diakonissinnen, Pfarrerinnen) u.a. die
Frage behandelt, wie bestimmte Kleiderordnungen und ihre Neuerfindung identitätspolitischen
Charakter bekommen. Weiters geht es auch
um vergeschlechtlichte Machtsymbolisierungen
durchs Tuch. In evangelischen Kontexten z.B.
ging es um die Problematik, „ob Frauen der
Repräsentanz von geistlicher Macht, die dem
Talar anhaftet, teilhaftig werden sollen”. Umgekehrt haben Frauen im Frühchristentum ihre
Weiblichkeit abgelegt, da nur der „vollkommene Mann” den neuen Menschen repräsentierte. Aufschlussreich sind auch die Texte über
Kleiderordnungen für religiöse JüdInnen sowie
zur Identitätskonstruktion junger, Kopftuch
tragender Musliminnen. Insgesamt eine differenzierte Lektüre für theologisch Interessierte
– das Verhältnis zum weltlichen Textil kommt
aber zu kurz. Birge Krondorfer
Elisabeth Hartlieb, Jutta Koslowski, Ulrike
Wagner-Rau (Hginnen): Das neue Kleid.
Feministisch-theologische Perspektiven auf
geistliche und weltliche Gewänder
Ulrike Helmer 2010, 32,90 Euro
Germaninnen l Elizabeth
Harvey, Professorin für
Geschichte an der renommierten Universität in
Nottingham, bearbeitet im
vorliegenden Werk ihre
zentralen Forschungsgebiete:
Deutschland im 20. Jahrhundert, osteuropäische Geschichte und Gender
History. Der Schwerpunkt ihrer bereits 2003
im Original und nun auf Deutsch erschienenen
Studie „Der Osten braucht dich!” liegt auf
der „Germanisierungspolitik zum Schutz des
Deutschtums” sogenannter Grenzlandaktivistinnen. Darin untersucht sie mit Hilfe qualitativer Interviews, Briefen und Tagebüchern den
Einsatz von Frauen und deren vermeintliche
„weibliche Kräfte” namens Tradition, Disziplin,
Ordnung und Hygiene im neuen „deutschen
Osten”, der nach dem Überfall auf Polen
„volksdeutsch” indoktriniert werden sollte.
Das Buch ist ein zusätzlicher und aufbauender
Beitrag zum Wissenschaftsdiskurs um Themen
des Nationalsozialismus. Ein geschichtliches
Grundwissen wird jedoch vorausgesetzt, um
diesem 480 Seiten starken Werk auch folgen zu
können. Sehr empfehlenswert, aber eben von
der Fachfrau für die Kennerin. Verena Stern
Elizabeth Harvey: „Der Osten braucht dich!“
Frauen und nationalsozialistische Germanisierungspolitik
Hamburger Edition 2010, 36 Euro
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 39
an.lesen
Visionäre Theoretikerin l
„Ja, so schwankend, so
unbestimmt ist in Wahrheit
der Begriff der Weiblichkeit,
dass über die fundamentalsten Eigenschaften, die er
bezeichnen soll, durchaus
keine Übereinstimmung
herrscht.” Wir schreiben das Jahr 1905, Rosa
Mayreder bringt ihren Essay-Band „Zur
Kritik der Weiblichkeit” heraus und ist damit
ihrer Zeit weit voraus. In gewisser Weise sind
wir selbst heute noch nicht da angekommen,
wo die „visionäre Theoretikerin des Feminismus” (Eva Geber) damals schon war. Ihre
schriftstellerische Arbeit umfasste Geschichten, Dramen, Kunstkritiken. Aber gerade in
ihren philosophischen Essays widmete sie
sich Fragen der Soziologie der Geschlechter,
die teilweise erst 150 Jahre später von der
Neuen Frauenbewegung aufgegriffen wurden.
Und schon damals war sie radikaler als 1949
Simone de Beauvoir in „Das andere Geschlecht”.
Deshalb ist das von Eva Geber herausgebrachte Lesebuch mit Originaltexten von
Rosa Mayreder ein echtes Geschenk – und
auch für Einsteiger_innen in feministische
Philosophie geeignet. Mayreders Analysen
sind erstaunlich nüchterne Betrachtungen
zeitgenössischer Zustände und Theorien, als
hätte sie „ihre” Zeit aus einem Jahrhundert
Abstand betrachtet. Gabi Horak
Eva Geber (Hgin): Rosa Mayreder:
Zivilisation und Geschlecht. Ein Lesebuch
AUFedition im Mandelbaum Verlag 2010,
19,90 Euro
Gender Performances l
„Screenings” ist das
Ergebnis der im Sommersemester 2010 in Wien
stattgefundenen, interdisziplinären Ringvorlesung
der Universität für Musik
und darstellende Kunst. Im
Rahmen der Ringvorlesung wurden „Gender
Performances” unterschiedlich thematisiert,
wie z.B. in der Musik, im Rahmen der Performance Studies als feministische Methodik
oder auch als Geschichte von Performances und
Gender im Film. Im vorliegenden Sammelband
finden sich die Beiträge von einigen, wenn auch
nicht allen Vortragenden der Vorlesungsreihe:
So beschäftigt sich Anette Baldauf mit Feminismus und Popkultur, Cornelia Szabó-Knotik mit
Musikwissenschaft als Feld der Reproduktion
sozialen Geschlechts und Rainer Winter mit
dem Verhältnis von Cultural Studies und Gender
Studies. „Screenings” ist der erste Teil der
geplanten Buchreihe „mdw gender Wissen”,
die laufend erweitert und eine Dokumentation
der Genderforschung an der Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien werden soll.
Ein interessanter erster Band, in dem versucht
wird, Kunst, Wissenschaft und Gender zusammenzudenken. Claire Benedikt
Andrea Ellmeier, Doris Ingrisch, Claudia
Walkensteiner-Preschl (Hg.innen): Screenings. Wissen und Geschlecht in Musik,
Theater, Film
Boehlau Verlag, 25,60 Euro
Queen of the Sows
bonustrack: Clara Luzia
Im September reiste ich ja mit den Luzis durch
deutsche Lande, um Konzerte zu spielen, und
hatte dabei u.a. einen Auftritt am Schacherbauerhof in Bayern auf dem Programm. Nun
lässt der Name schon recht untrüglich darauf
schließen, dass es sich vermutlich um einen
Bauernhof handelt, diese Tatsache mit all ihren
Implikationen erfasst hatte ich aber im Vorfeld
nicht. Wichtigste Implikation: Tiere! Echte, lebende!
So rollen wir also am Tag des Konzerts relativ
nichtsahnend dem Schacherbauerhof entgegen,
als ich eine alle Dimensionen sprengende Sau
vor den Gemäuern des Vierkanthofs stehen
sehe. Ich denke zuerst an einen gusseisernen
Werbeträger, wie man ihn von Straßenrändern kennt, da dreht sich plötzlich das Ringelschwänzchen, und mir wird klar: Es lebt!
Schreiend und quietschend springen Ines und
ich der Sau aus dem Bus entgegen. Als ob wir
noch nie lebende Tiere gesehen hätten, knipsen
wir zig Porträts – Sau alleine, Sau mit Ines,
Sau mit Clara, Clara und Ines mit Sau. Wir ju-
bilieren! Doch das riesige Schwein sollte nicht
der einzige Freudenanlass dieses denkwürdigen Tourstopps bleiben: Der Schacherbauerhof
bot zudem noch liebenswürdige GastgeberInnen, individuell gestaltete, selbst gemalte Festpässe (!), ein Rudel 8- bis 13-jähriger Mädels,
das beim Konzert zu „Queen of the Wolves” in
einen Wolfschor ausbrach und weitere Tiere,
Tiere, Tiere!
Die Bühne war aufgebaut im Stadl, der mittels Strohballen schall- und wärmegeschützt
wurde. Im großen Hof des Anwesens waren
ebenfalls Strohballen aufgebaut, die den Kindern als Spielburg dienten. Bandkollege Max
erwies sich dort als so erfolgreicher KinderAnimateur, dass mich begeisterte Eltern fragten, ob sie ihn nicht mieten könnten. Ich war
unterdessen von zahlreichen Katzen des Hofes
als Schlafunterlage auserkoren worden, die
sich nun Schicht für Schicht auf mir drapierten.
So lässt sich’s leben! Ich lasse jeden noch so
hippen Club sofort stehen, wenn ich dafür noch
einmal in solchem Rahmen spielen dürfte!
Clara Humpel betreibt seit 2006 ihr Plattenlabel Asinella Records (Marilies Jagsch, Luise Pop, Bettina Koester, Clara Luzia, Mika Vember) und macht selbst
unter ihren Vornamen Clara Luzia Musik.
Illustration: Lina Walde, http://evaundeva.blogspot.com
40 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
an.klang
Von der
Baustelle
zum
Göttinnentempel
Silke Graf und Vina Yun hörten sich durch aktuelle
Releases von local Indie-Heroines und global Pop-Stars.
Plaided, Foto: Andi Dvořak
Schon früh musste sich Kylie Minogue
in ihrer Karriere mit dem Image als kleine Ausgabe von Madonna arrangieren.
Immerhin kann der Popstar aus Down
Under heute auf eine über 20-jährige
Laufbahn zurückblicken, in der sie sich
vor allem einer gay Camp-Ästhetik verpflichtete. Ihr elftes Studioalbum Aphrodite (Parlophone/EMI) bietet rundum
Kylie-Feeling: blubbender, Saccharin
gesüßter, faltenfreier Dance-Pop mit
Disco-Anleihen, makellos produziert von
Stuart Price (Zoot Woman). Der Grundton ist optimistisch, es geht – angesichts
des unbescheidenen Albumtitels wenig
überraschend – um das Schöne, das Gute,
das Freudvolle. Auf einer solch glatten
Oberfläche sucht man vergeblich Halt.
Ihren Wunsch, einmal mit Kylie Minogue
zusammenzuarbeiten, konnte Schwedens
Pop-Export Robin Miriam Carlsson alias
Robyn noch nicht verwirklichen. Macht
nichts, denn ihre als Trilogie anlegte
Mini-Album-Serie, deren zweiter Teil
Body Talk Pt. 2 (Konichiwa/Ministry of
Sound/Edel) vorliegt, glänzt auch ohne
das Zutun internationaler Megastars.
Bei Robyn fließen Pop-/Dance-Einflüsse
der letzten zwei Jahrzehnte zusammen
– ganz ironiefrei. Dabei schlägt die
Sängerin tolle melodiöse Bögen und
legt erstaunlich sehnsuchtsvolle und
gleichzeitig kraftvolle Momente frei.
Wir warten mit Freude auf den dritten
Teil dieses sprechenden Albumprojekts!
Romantisch mutet auch der verträumte
Electronic-Pop von Natalie oder Tusia
Beridze (auch TBA genannt) aus Georgien an, die mit What About Things
Like Bullets (Monika/Hoanzl) einen
5-Track-Teaser auf das in Kürze erscheinende Album „ForgetFulness” vorgelegt
hat. Ihren Deal beim Berliner Label Monika Enterprises hat sie einem früheren
Release zu verdanken, der auf der ersten
der insgesamt vier „Four Women No
Cry”-Compilations erschienen ist.
Monika-Labelchefin Gudrun Gut hat sich
indes mit Antye Greie aka AGF zusammengeschlossen und unter dem Namen
Greie Gut Fraktion das gemeinsame
Album Baustelle (Monika/Hoanzl)
aufgenommen. Auch wenn es ordentlich
rauscht und hämmert, klopft und zischt –
nach „under construction” klingt dieses
Projekt nicht. Die Geräusche haben
die beiden Elektronik-Musikerinnen
in stundenlangen Field Recordings auf
Baustellen gesammelt und als Ausgangsmaterial eingesetzt: Das Ergebnis
ist packend und direkt, wie aus einem
Guss, möchte man da beinahe sagen.
„Gibst du mir Waser, rühr ich den Kalk”,
singen Greie Gut in ihrer Coverversion
des 80er-Klassikers „Wir bauen eine
neue Stadt” von Palais Schaumburg.
Tiefschürfender Baustellen-Groove, der
Arbeiterinnen-Sound der Stunde!
Der Wiener Labelschatz Fettkakao hat
eine neue Platte veröffentlicht. Da liegen die Leute in karierten Hemden im
Dreck herum und huldigen Toni Soprano
und kleinen frechen Hunden: People
Lying Around In Dirt Every Day von
Plaided (Veronika Eberhart und Julia
Mitterbauer bildeten einst zwei Drittel
der Band Ilsebill) rockt wie sonst nur
Veröffentlichungen von Kill Rock Stars.
Die vier Nummern machen extrem Lust
auf mehr. Vor allem „It is over Toni” ist
ein wunderbares Stück Musik, das mit
einfachsten Mitteln schlicht und ergreifend fetzt. Zeilen wie „And we love,
love, love to the other side” bringen eine
gut durch den Tag. Die 7”-Inch gibt’s
mit feschem Artwork inklusive CD bzw.
Download-Code, und auch live sollte
man sich die Zwei nicht entgehen lassen.
Sara Abdel-Hamid – besser bekannt
unter dem Namen Ikonika – produziert
ihre Tracks zwar immer noch in ihrem
Jugendzimmer zuhause bei den Eltern in
West London, dafür klingen ihre Sounds
aber schon ziemlich erwachsen. „One
small dubstep for man, one giant leap for
experimental UK club music”, meinte das
britische Musikmagazin „NME” zu ihrem
ersten Album Contact, Love, Want, Have
erschienen beim gediegenen HyperdubLabel (wo u.a. Burial und die noch
wenig bekannte, aber großartige Cooly G
veröffentlicht haben). Ikonikas Sounduniversum besticht durch stilistische Vielfalt,
von alten Sega-Spielen inspirierte Bleeps
treffen auf West Coast-HipHop und SocaRhythmen. Die frühere Drummerin in
einer Post-Hardcore-Band weiß die Bässe
zu platzieren, komplexe Melodien aufzubauen und neue Formen, Flächen und Farben im Kopfkino entstehen zu lassen, ohne
dabei in den 14 Tracks den roten Faden zu
verlieren. „Continue?” Yes! l
Links:
Kylie Minogue: www.kylie.com
Robyn: www.robyn.com
Plaided: www.myspace.com/
plaidedmusic
Natalie Beridze/TBA: www.
myspace.com/tusiaberidze
Greie Gut Fraktion:
http://greiegutfraktion.com
Ikonika:
www.myspace.com/ikonika
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 41
an.sehen
Allgegenwärtige Erinnerungen
Der Dokumentarfilm „Wilde Minze”
über die Tochter einer hingerichteten
Widerstandskämpferin zeigt,
wie lebendiges Erinnern aussehen kann.
Von Katharina Morawek
Helga Emperger in „Wilde Minze”. Foto: Michael Dörfler
Jenny Gands und Lisa Rettls
Dokumentarfilm beginnt mit einer
Autofahrt zum Flughafen – Reisen
gehört zu den wiederkehrenden
Motiven im Film. Für Helga Emperger hat dabei eine Zugstrecke
– jene von Villach nach Klagenfurt
– eine ganz besondere Bedeutung.
Es ist dies der letzte Weg, den sie
als 15-Jährige gemeinsam mit der
Mutter zurücklegte, bevor diese von
den Nazis ermordet wurde. Helga
Empergers Mutter, die kommunistische Aktivistin Maria Peskoller,
organisierte sich in den 1940ern im
Raum Villach gemeinsam mit anderen Frauen und Männern gegen
die Nazis. In Zusammenarbeit mit
der Partisan_innengruppe LeobenDonauwitz gehörte es zu Peskollers
zentralen Aufgaben, Informationen
weiterzugeben und Fluchthilfe
und Verpflegung zu organisieren.
Gemeinsam mit Rosa Eberhard
und Margarethe Jessernig wurde
sie vom Volksgerichtshof angeklagt und am 23. Dezember 1944
hingerichtet. Die Erinnerungen an
die Mutter sind allgegenwärtig. Bei
der Zugfahrt, beim Seespaziergang,
beim Aufbrühen von Pfefferminztee. Helga Emperger wird aber
nicht als passives Opfer gezeichnet
– ganz im Gegenteil.
42 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
Filmische Fallstricke. Allzu oft
wird bei der (filmischen) Darstellung von Überlebenden und Opfern
des Nationalsozialismus einer
doppelten Viktimisierung Vorschub
geleistet: Durch die Reduzierung
auf jenen Teil ihrer Biografie,
der für die filmische Erzählung
notwendig ist, werden sie nochmals
zu Opfern gemacht, ihre Person und
ihr Leben „danach” ausgeblendet.
Die Protagonist_innen immer auch
als Subjekte einer gegenwärtigen
gesellschaftlichen Situation zu
porträtieren und sie nicht als reine
Vehikel für einen retrospektiven
Blick zu benutzen, ist dabei eine
der verantwortungsvollen Aufgaben
von Filmemacher_innen oder auch
Wissenschaftler_innen.
Jenny Gand und Lisa Rettl finden
eine selbstbewusste, sympathische und starke Darstellung ihrer
Protagonistin in allen Lebenslagen.
Dennoch: Die Erzählung über die
Zeit der Inhaftierung von Mutter
und Tochter, aber auch über die
Zeit nach der Befreiung verharrt
in der Perspektive der Tochter, des
jungen Mädchens. Die erzählte
Biografie der jungen Frau verläuft
parallel zur Befreiung von der
Nazi-Herrschaft, sie erlebt die
Nachkriegszeit, lebt in Kärnten.
Gesellschaftliche Fragen nach der
Einbettung ihres heutigen Lebens in
politische Verhältnisse, die von den
Filmemacher_innen gestellt hätten
werden können, bleiben allerdings
außen vor.
Schwieriges Erzählen. Und trotzdem, gerade in den persönlichen
Erzählungen Helga Empergers tauchen sehr politische Fragestellungen auf. Ihr Vater, Josef Peskoller,
war nach dem Krieg viele Jahre als
Gemeinderat der KPÖ im Villacher
Stadtparlament tätig. Dennoch hat
sie mit ihm nie über die Ermordung
der Mutter gesprochen: „Er konnte
es vielleicht nicht.” Sie erzählt, wie
sie darunter gelitten hat, sich nicht
„genügend politisch betätigt” zu
haben, über das Weihnachtsfest und
ihre kleinen Kinder, die fiebrig auf
das Christkind warten und die Niedergeschlagenheit der Mutter am
Todestag der Oma nicht nachvollziehen können. Sie will ihnen auch
„die Stimmung nicht vermiesen”.
Maria und Josef Peskoller erhielten
posthum Auszeichnungen der Republik Österreich. Ihre überlebende
Tochter Helga beschreibt, wie sie
„lieber die Mutter gehabt hätte
als die Auszeichnungen”. Minuten
danach ist im Abspann des Films zu
lesen: „In Österreich warteten die
Opfer der NS-Unrechtsjustiz und
deren Angehörige 64 Jahre auf ihre
Rehabilitierung.” Noch immer ist
die These, sich als „erstes Opfer des
Nationalsozialismus” zu betrachten,
in Österreich vielfacher Konsens.
Zwar wird der Widerstand einiger
weniger geehrt, der größenordnungsmäßig bedeutendste Widerstand, jener der sich als Partisan_innen organisierten Kärntner
Slowen_innen, wird aber immer
noch ignoriert, geschweige denn gewürdigt oder rehabilitiert. Erst am
7. Oktober 2009 wurden alle Urteile des sogenannten Volkgerichtshofs, der Sonder- und Standgerichte
sowie der „Erbgesundheitsgerichte” pauschal aufgehoben. l
„Wilde Minze“ (A 2009, 85 min),
Vorführtermine: 21.11. im
ProgrammKINO Wels,
www.servus.at/programmkino;
bis 2.12. im Wiener Top Kino,
www.topkino.at; bis 2.12. im Kino
Ebensee, www.kino-ebensee.at;
3.12–16.12. im Filmzentrum im
Rechbauerkino, Graz,
www.filmzentrum.com
an.künden
Redaktionsschluss Termine 02/11:
11.01.2011 [email protected]
fest
musik
3.12., 22.00, Wien
Club Quote
fluc, 1020 Wien, Praterstern 5,
www.fluc.at,
www.myspace.com/quote_wien
4.12., 20.30, Wien
MAD’elles, Bühne: ab 20.30, DJane:
ab 22.00, Eintritt: freie Spende
Das Gugg (HOSI Wien), 1040 Wien,
Heumühlg. 14, www.madelles.at
7.12., 20.00, Dornbirn
Mieze Medusa & Tenderboy
Conrad Sohm, 6850 Dornbirn, Boden
1, VVK: 10/AK: 12 Euro,
www.conradsohm.com
11.12., 21.00, Salzburg
30 Jahre HOSI – Homosexuelle
Initiative Salzburg, Live-Act: Sabina
Hank „Focus on Infinity” Intimate,
Happy Hour: 21–22.00, VVK: 4/AK:
8 Euro
ARGEkultur, Saal, 5020 Salzburg,
Ulrike-Gschwandtner-Str. 5,
www.argekultur.at, www.hosi.or.at
18.12., 22.00, Wien
FMqueer
brut Künstlerhaus, 1010 Wien,
Karlsplatz 5, www.brut-wien.at
film
5.12., 18–23.00, Wien
Golden Girls – Lachen in den
Achtzigern: Long live Dorothy, Rose,
Blanche and Sophia, im Rahmen der
Reihe „Das Patriarchat auslachen:
Humor als feministische Strategie”,
für Frauen_Lesben_Transpersonen_
Intersexpersonen
Frauencafé, 1080 Wien, Langeg. 11,
www.frauencafe.com
bühne
3. u. 4.12., 20.00, Wien
„Worst case”, von Kathrin Röggla,
Regie: Lukas Bangerter, mit Veronika
Glatzner, Nicola Kirsch u.a.
Schauspielhaus, 1090 Wien, Porzellang. 19, T. 01/317 01 01-11,
www.schauspielhaus.at
8.–16.12., 20.00, Wien
„Vampires of the 21st Century oder
was also tun?”, Österreich-Premiere,
Konzept/Regie: Claudia Bosse, von/
mit Frédéric Leidgens, Nora Steinig,
Caroline Decker, Yoshie Marouka
Kartographisches Institut, 1080
Wien, Krotenthallerg. 3, Karten unter
0681/10 64 92 64, Infos: 01/522 25 09
od. [email protected],
www.theatercombinat.com
17. u. 18.12., 20.30, Wien
„Pictographic Events”, von Saskia
Hölbling, Uraufführung
Tanzquartier Wien, Museumsquartier,
Halle G, 1070 Wien, Museumsplatz 1,
T. 01/581 35 91, www.tqw.at
26.1.–9.2., Wien
„Banalität der Liebe”, von Savyon
Liebrecht, mit Juliane Gruner, Hans
Diel, u.a., über Hannah Arendt u.
Martin Heidegger, österreichische
Erstaufführung, Premiere: 25.1.,
20.00, weitere Termine: 26.–29.1.,
15.–19.2., 20.00,
Theater Nestroyhof Hamakom, 1020
Wien, Nestroyplatz 1, T. 01/8900 314,
www.hamakom.at
seminar
workshop
11. u. 12.12., Wien
Kulturgeschichte des Geldes. Mit
Birge Krondorfer, Termine: 11.12.,
10–19.00, 12.12., 10–14.00, UKB
nach Selbsteinschätzung: 20–35
Euro, Anm. bis 4.12.
Frauenhetz – Feministische Bildung,
Kultur und Politik, 1030 Wien,
Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/715
98 88, www.frauenhetz.at
18. u. 19.12., 11–17.00, Wien
Wissenschaftliche Schreibwerkstatt
für Frauen*. Trainerin: Gudrun Perko,
Selbstbehalt: 15 Euro, Kontakt,
Infos u. Anm. mit Matr.Nr., Name u.
Tel.nr. unter frauenprojekte@oeh.
univie.ac.at, nächster Termin: 29. u.
30.1.2011
UFO – Uni Frauen Ort, 1090 Wien,
Bergg. 5/24, www.oeh.ac.at/referate/
referat_fuer_feministische_politik/
ufo_unifrauenort
20.–22.1., Graz
Der sozialen Ungleichheit auf der
Spur: Gender Analyse Kompetenz
für die Praxis. ReferentInnen:
Elli Scambor, Christian Scambor,
Kosten: 350 Euro inkl. Skripten u.
Materialien, exkl. Nächtigung u.
Verpflegung, Förderungsmöglichkeiten/Erm. auf Rückfrage, Infos: Sigrid
Fischer, [email protected], T.
0316/716 022-29, Anmeldeformular
unter www.genderwerkstaette.at,
Anm. bis 20.12.
Frauenservice Graz, 8020 Graz,
Idlhofg. 20, www.frauenservice.at
22. u. 23.1., 10–17.00, Neunkirchen
Selbstverteidigung/Selbstbehauptung
für Mädchen. Trainerin: Melanie
Zeller, mitzubringen: bequeme
Kleidung u. Jause, keine körperlichen
Voraussetzungen nötig, Kosten: 20
bis 40 Euro nach Selbsteinschätzung,
Anm. bis 14.1. unter T. 02635/611 25
od. [email protected]
Sporthaus Neunkirchen, 2620 Neunkirchen, Fabriksg. 34,
www.frauenberatung-freiraum.at
3. u. 4.2., Graz
Muslimisch – weiblich – emanzipiert:
Ein interkultureller Dialog, mit
Amani Abuzahra, 3.2. 12–18.00,
4.2., 9–15.00, Kosten: 140 Euro inkl.
Verpflegung, Anmeldeformular unter
www.genderwerkstaette.at, Anm.
bis 10.1.
Frauenservice Graz, 8020 Graz,
Idlhofg. 20, T. 0316/71 60 228,
www.frauenservice.at,
www.genderwerkstaette.at,
www.jmoe.at
vortrag
diskussion
1.12., 18.30, Wien
Geschlecht, Reproduktion und die
Entstehung des Sozialstaats: Die
USA und Österreich. Vortragende:
Maria Mesner
Institut für Wissenschaft und Kunst,
1090 Wien, Bergg. 17, T. 01/317 43
42, www.univie.ac.at/iwk
1.12., 18.30, Wien
Sparen und Anlegen. Im Rahmen der
Vortragsreihe „Frauen und Geld”,
Vortragende: Daniela Orlik, UKB: 7
Euro, Anm. bis 2 Tage vor Vortragstermin bei elke.spitzer@prokonzept.
at od. T. 01/817 41 44
Institut Frauensache, 1030 Wien,
Obere Viaduktg. 24, T. 01/89 58 440,
www.frauensache.at
2.12., 19.00, Wien
Gouvernementale Prekarisierung,
existentielle Verletzbarkeit. Vortrag von
Isabell Lorey, Veranstaltung des Gender
Initiativkollegs der Universität Wien
Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien, T.
01/522 76 13, www.depot.or.at
3.12., 18.00, Berlin
G(enuss)-Fläche und weibliche
Ejakulation: Impulsgebung u. Erfahrungsaustausch. Vortragende: Laura
Méritt, Kosten: 3 Euro
Exklusivitäten, 10961 Berlin, Fürbringerstr. 2, www.weiblichequelle.de
5.12., 20.00, Wien
Wilde Wi(e)nerinnen. Im Rahmen
von „Frauen Arbeit Film: Eine
Veranstaltungsreihe in 10 Modulen”,
von Brigitte Mayr u. Sabine Perthold
für Synema Gesellschaft für Film und
Medien, mit Cornelia Köndgen, Eva
Spreitzhofer, Gabriele Kranzelbinder,
Petra Zöpnek, Anita Prammer, Eva
Langheiter, Eintritt frei, Reservierung
unter [email protected]
Theater Dracheng., 1010 Wien,
Fleischmarkt 22,
www.frauenarbeitfilm.at
7.12., 18.30, Wien
Roma in Europa. Podiumsdiskussion
mit Marika Schmiedt, Eva Twaroch u.
Rudolf Sarközi, Moderation: Corinna
Milborn
Jüdisches Museum der Stadt Wien
am Judenplatz, 1010 Wien,
Dorotheerg. 11, www.jmw.at
8.12., 17.00, Zürich
Body Work, Care Theory and the
Home. Öffentlicher Gastvortrag von
Kim England
Geografisches Institut der Universität
Zürich Irchel, Hörsaal 03 G 85,
8057 Zürich, Winterthurerstr. 190, T.
044/635 11 11,
www.genderstudies.uzh.ch
9.12., 18.15–21.00, Basel
Ökonomie und Geschlecht. Öffentlicher Doppelvortrag von Katharina
Pühl u. Antke Engel, Workshop für
Graduierte: 10. u. 11.12., Anm. u.
Infos: andreamaria.zimmermann@
unibas.ch
Universität Basel, Alte Universität,
4003 Basel, Rheinsprung 9/11,
http://genderstudies.unibas.ch
KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterng. 42, T. 01/523 12 26,
www.kosmostheater.at
15.12, 17–19.00, Zürich
Globalisation, Gender and Social
Justice: After the Crisis. Öffentlicher
Gastvortrag von Diane Perrons
Geografisches Institut der Universität
Zürich Irchel, Hörsaal 03 G 85, 8057
Zürich, Winterthurerstr. 190,
T. 044/635 11 11,
www.genderstudies.uzh.ch
18.12., 18.00, Wien
Barcelona Feminista. Besuch des
Vereins „Ca la Dona”, in Englisch u.
Spanisch, mit deutscher Übersetzung,
Moderation: Nina Hechenbeger
Frauenhetz – Feministische Bildung,
Kultur und Politik, 1030 Wien,
Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/715
98 88, www.frauenhetz.at
9.1., ab 17.00, Wien
Humor als Aktion u. Aktionsform. Im
Rahmen der Reihe „Das Patriarchat
auslachen Humor als feministische
Strategie”, Input u. Diskussion, für
Frauen_Lesben_Transpersonen_Intersexpersonen
Frauencafé, 1080 Wien, Langeg. 11,
www.frauencafe.com
11.1., 19.00, Wien
Es ist Zeit, klassische Geschlechtertheorien im 20. Jahrhundert einer
Neulektüre zu unterziehen! Gespräch
u. Buchpräsentation („Existenz – Differenz – Konstruktion. Phänomenologie
der Geschlechtlichkeit bei Beauvoir,
Irigaray und Butler”), mit Silvia Stoller, Christina Schües u. Arno Böhler
Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien,
T. 01/522 76 13, www.depot.or.at
12.1, 18.30, Wien
Queering the Family!? Vortragende:
Sushila Mesquita
Institut für Wissenschaft und Kunst,
1090 Wien, Bergg. 17, T. 01/317 43 42,
www.univie.ac.at/iwk
13.12., 19.00, Wien
Kultur, Ökonomie und Veränderung: Fragen nach der Rolle des
geeigneten „Mediums”. Mit Marlene
Streeruwitz u. Stephan Schulmeister,
Moderation: Radovan Grahovic u.
Peter Kreisky, anschließend Buffet
Fleischerei Experimentaltheater,
1070 Wien, Kircheng. 44, T. 01/524
07 38, www.experimentaltheater.com
12.1., 18.30, Wien
Absicherung und Vorsorge. Im Rahmen der Vortragsreihe „Frauen und
Geld”, mit Daniela Orlik, UKB:
7 Euro, Anm. bis 2 Tage vor Vortragstermin bei [email protected],
T. 01/817 41 44
Institut Frauensache, 1030 Wien,
Obere Viaduktg. 24, T. 01/89 58 440,
www.frauensache.at
13.12., 19.00, Wien
Sag’ mir, wo die Frauenbewegung ist.
Expertinnengespräch im Rahmen der
Reihe „Nachdrücklich vorbildlich.
Auf den Spuren von Pionierinnen und
Zukunftsfrauen”
14.1., 19.00, Wien
Gender- und Alter(n)skontruktionen.
Vortragende: Helga Eberherr
Institut für Wissenschaft und Kunst,
1090 Wien, Bergg. 17, T. 01/317 43 42,
www.univie.ac.at/iwk
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 43
an.künden
Jürgenssen
retrospektiv
Kahlo gibt Jürgenssen die Klinke in die Hand:
Nach der mexikanischen Künstlerin widmet
das Kunstforum der Wienerin Birgit Jürgenssen
(1949–2003) eine umfangreiche Retrospektive.
250 Werke – darunter auch bislang unbekannte –
blättern das Oeuvre einer der wichtigsten Vertreterinnen der feministischen Avantgarde neu auf.
Birgit Jürgenssen: Ohne Titel (Selbst mit Fellchen), Foto: Nachlass Birgit Jürgenssen/VBK
16.12.–6.3. Birgit Jürgenssen – Retrospektive,
Bank Austria Kunstforum, 1010 Wien, Freyung
8, tgl. 10–19.00, Fr 10–21.00, T. 01/537 33 26,
www.bankaustria-kunstforum.at
Jagsch singt wieder
Zwei Jahre nach ihrem Debüt „Obituary for a
lost Mind” legt die in Wien lebende Musikerin
Marilies Jagsch ihr Nachfolgewerk „From Ice
to Water to Nothing” vor. Live zu hören und
zu erleben ist die aufstrebende Songwriterin
demnächst in Salzburg.
Marilies Jagsch, Foto: Lydia Lechner
27.1., 18.00, Linz
Frauen, Männer: Gender Studien in
Musik, Darstellender und Bildender
Kunst. Roundtable-Gespräch, Eröffnung: Doris Hummer, Moderation:
Christine Haiden, Begrüßung:
Marianne Betz
Anton Bruckner Privatuniversität,
Kleiner Saal, 4040 Linz, Wildbergstr.
18, T. 0732/70 1000,
www.bruckneruni.at
27.1., 19.00, Wien
Queere Familien in der Schweiz:
Nicht hegemoniale Beziehungsformen
und Reproduktionstechnologien.
Vortragende: Evelyn Yve_s Nay,
Moderation: Sushila Mesquita, UKB:
2,90 Euro
Stichwort – Archiv der Frauen- und
Lesbenbewegung, 1040 Wien,
Gusshausstraße 20/1A+B,
www.stichwort.or.at
ausstellung
bis 5.12., Wien
Living Across: Spaces of Migration.
Ausstellung im Rahmen des Projektes
„Viel Glück! Migration Heute. Wien,
Belgrad, Zagreb, Istanbul”, KünstlerInnen: Hurvin Anderson, Anna
Jermolaewa, Nada Prlja u.a.
Akademie der bildenden Künste Wien,
xhibit, 1010 Wien, Schillerplatz 3,
Di–So 10–18.00, www.akbild.ac.at,
www.initiative.minderheiten.at
bis 5.12., Wien
Retrospektive Frida Kahlo
Bank Austria Kunstforum, 1010 Wien,
44 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
10.12., 21.00, ARGEkultur Salzburg, 5020
Salzburg, Ulrike-Gschwandtner-Str. 5,
Karten: 11 Euro, www.argekultur.at,
www.myspace.com/marilies
Freyung 8, Mo–So 10–19.00, Fr
10–21.00, T. 01/537 33 26,
www.bankaustria-kunstforum.at
bis 7.12., Wien
Display – von Schönheitsdiktaten u.
Schönheitsidealen. Künstlerinnen:
Käthe Hager von Strobele, Maria
Hahnenkamp, Ulrike Lienbacher, Margret Wibmer, Eröffnung: 8.11., 19.00
Fotogalerie Wien, 1090 Wien, Währingerstr. 59/WUK, Di–Fr 14–19.00,
Sa 10–14.00, T. 01/408 54 62,
www.fotogalerie-wien.at
bis 12.12., Wien
Ana Torf: Album/Tracks B
Generali Foundation, 1040 Wien,
Wiedner Haupstr. 15, Di–So, feiertags 11–18.00, Do 11–20.00, Vortrag
Mieke Bal 2.12., 19.00, T. 01/504 98 80,
http://foundation.generali.at
bis 13.12., Wien
Das Theater mit dem Gender – 10
Jahre KosmosTheater
Jubiläumsausstellung, Konzept und
Ausführung: Bettina Frenzel, geöffnet
an Spieltagen, ab 90min. vor Vorstellungsbeginn, Eintritt frei
KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterng. 42, T. 01/523 12 26,
www.kosmostheater.at
14.12.–31.1., Wien
Identität III: Verortung. Internationale Gruppenausstellung, Eröffnung:
13.12., 19.00, Gespräch u. Filmvorführung: 14.1., 19.00, Finissage u.
Katalogpräsentation: 31.1., 19.00
Fotogalerie Wien, WUK, 1090 Wien,
Währinger Str. 59, Di–Fr 14–19.00,
Sa 10–14.00, an Feiertagen geschlos-
sen, T. 01/40 85 462,
www.fotogalerie-wien.at
sitätsstr. 5, Mo–Fr 14–18.00,
www.kulturkontakt.or.at
bis 16.1., Hittisau
Ich bin Ich: Susi Weigel – Trickfilmzeichnerin und Illustratorin
(1914–1990)
Frauenmuseum, 6952 Hittisau, Platz
501, Do 15–20.00, Fr 14–17.00,
Sa u. So 10–12.00, 14–17.00, T.
05513/620 930,
www.frauenmuseum.at
bis 16.1., Köln
Paris bezauberte mich: Käthe Kollwitz und die französische Moderne
Käthe Kollwitz Museum Köln,
50667 Köln, Neumarkt 18–24,
Di–Fr 10–18.00, Sa, So, Feiertag
11–18.00, T. 0221/227 2899-2602,
www.kollwitz.de
bis 30.1., Wien
Valie Export: Zeit und Gegenzeit.
Diskussion „Wegbereiterin und Leitfigur”: 1.12., 19–20.00; Themenführung „Das schmierige Geschäft mit
dem Krieg” mit Ina Mertens: 19.1.,
19–20.00; Themenführung „Feministische Performance” mit Roswitha
Bittner, 26.1., 19–20.00, Teilnahme
kostenlos (exkl. Eintritt), Anm. unter
[email protected]
Unteres Belvedere, Orangerie, 1030
Wien, Rennweg 6, tgl. 10–18.00,
Mi 10–21.00, T. 01/79 55 70,
www.belvedere.at
bis 31.1., Wien
Sofia Goscinski: Disorders
Kunsthalle Wien, photo wall & video
wall, 1070 Wien, Museumsplatz 1,
tgl. 10–19.00, Do 10–21.00,
T. 01/521 89-0, www.kunsthallewien.at
bis 6.2., München
Tronies – Marlene Dumas und die
Alten Meister
Haus der Kunst, 80538 München,
Prinzregentenstr. 1, Mo–So
10–20.00, Do 10–22.00, T. 089/211
27-115, www.hausderkunst.de
bis 13.2., Speyer
Amazonen – Geheimnisvolle
Kriegerinnen
Historisches Museum der Pfalz Speyer,
67346 Speyer, Domplatz 4,
T. 06232/13 25 0,
www.museum-speyer.de
bis 20.2., Wien
Power Up: Female Pop Art. Künstlerinnen: Sister Corita, Kiki Kogelnik,
Niki de Saint Phalle u.a.,
Kunsthalle Wien, Halle 1, 1070 Wien,
Museumsquartier, Museumsplatz 1,
tgl. 10–19.00, Do 10–21.00,
T. 01/521 89 33,
www.kunsthallewien.at
bis 13.3., Wien
Susan Hefuna: 7xANA. Installationsserie im Rahmen des Projekts
„MAPPING WIEN”
Sigmund Freud Museum, 1090 Wien,
Bergg. 19, tgl. 9–17.00, T. 01/319 15
96, www.freud-museum.at
lesung
3.12., 19–24.00, Berlin
frauen.erlesen: Die lange SLOW
Book Nacht der edition ebersbach,
zu Annemarie Schwarzenbach, Else
Ury, Adrienne Monnier, Coco Chanel
u. Edith Piaf
Literaturhaus Berlin, Großer Saal,
10719 Berlin, Fasanenstr. 23,
T. 030/887 286-0,
www.literaturhaus-berlin.de
6.12., 19.00, Wien
Von der Liebe der Frauen: Drei
Autorinnen stellen drei Romane vor,
mit: Karin Rick, Eva Jancak, Gabri
Kreslehner, Moderation: Renata
bis 17.12., Wien
Wiederentdeckte Fotos von Elly
Niebuhr – Die 1950er Jahre in Wien.
Eine Ausstellung der Universität für
angewandte Kunst Wien
Ausstellungszentrum Heiligenkreuzer
Hof, Sala Terrena, 1010 Wien, Schönlaterng. 5, Di–Sa 14–19.00,
www.dieangewandte.at
bis 17.12., Wien
In the Name of. Über die Unterordnung unter Normen u. Ideale durch
den Dresscode bei orthodoxen jüdischen Männern, westlichen Frauen
u. Männern u. islamischen Frauen.
KünstlerIinnen: Borjana Ventzislavova
u. Mladen Penev, Eintritt frei
Thomas K. Lang Gallery at Webster
University, 1220 Wien, Berchtoldg. 1,
Mo–Fr 10–18, T. 01/269 92 93-13,
www.tklang-gallery.com
bis 19.12., Wien
Kritische Komplizenschaft. Kuratiert
von Lisa Mazza u. Julia Moritz, mit
Sabine Bitter & Helmut Weber, Hans
Haacke, Tanja Ostojic u.a., Diskussion:
18.12., 17.00
Kunsthalle Exnergasse, WUK, 1090 Wien,
Währinger Str. 59/2/1, Di–Fr 13–18.00,
Sa 11–14.00, T. 01/40 121-41,
www.kunsthalleexnergasse.wuk.at
3.12.–23.12., Wien
Artists in Residence: Werkpräsentation von Violeta Tanova, Bojana
Luki, Dalibor Trencevski, Eröffnung:
2.12., 19.00
Galerie ArtPoint, 1010 Wien, Univer-
Anna Böger in „Denken und Vögeln. Teil 2”, Foto: Gunter Bieringer
Der kalte Schmuck des
Lebens
„Was ich wirklich will: Sexy und schlau sein. Denken und
Vögeln”, sagt Protagonistin Bunny in Barbara Balseis
Stück über Trieb und Begehren. Ein Abend zwischen Theater, Installation, Choreografie, Hörspiel, Freud, Lacan,
Barthes und Žižek.
Denken und Vögeln, Teil 2, von Barbara Balsei, Regie:
Jessica Glause, mit Anna Böger, Termine: 10., 11., 17.,
18.12., Kosten: 15/erm. 10 Euro, PATHOS transport
theater, Ateliers, 80636 München, Dachauer Str. 112,
www.pathostransporttheater.de
an.künden
aktivitäten
jeden Do u. Fr, 18–24.00, Wien
Feministische Kneipe, für Frauen_
Lesben_Transpersonen_Intersexpersonen
Frauencafé, 1080 Wien, Langeg. 11,
www.frauencafe
Do, 18.00, Wien
Intuitives Bogenschießen für Frauen,
mit Andrea Bibl
Zentrum Exist, 1150 Wien,
Sechshauserstr. 36–38,
T. 0699/10 83 49 27
Lydia Lunch, Foto: Mǎdǎlina/flickr.com
Musik von Frauen,
jetzt sofort!
Das Geschlecht der Popkultur ist nach wie vor männlich.
Wie diese Strukturen aufgebrochen werden können, dem
gehen der Workshop und die Podiumsdiskussion „Können
wir jetzt endlich mal über Musik sprechen…??!!!” in Linz
nach. Die Musik danach kommt, programmatisch, von der
New Yorker No-Wave-Ikone Lydia Lunch.
15.12., 12–18.00 Workshop, danach Podiumsdiskussion
u. Konzert von Lydia Lunch, Anm. unter [email protected],
Stadtwerkstatt Linz, 4040 Linz, Kirchengasse 4,
http://fiftitu.at
Zuniga
Alte Schmiede, 1010 Wien, Schönlaterng. 9, T. 01/512 83 29,
www.alte-schmiede.at
15.12., 20.00, Wien
Lesung der Exil-LiteraturpreisträgerInnen 2010 „Schreiben zwischen
den Kulturen”, mit Susanna Gregor,
Daniela Elena Trummer, Ekaterina
Heider u.a., Musik: Mansur Bildik
Amerlinghaus, 1070 Wien, Stiftg. 8,
www.editionexil.at
29.12., 20.15, Wien
textstrom poetry slam. Moderation:
Mieze Medusa, Anm. ab 19.30, für eigene Teilnahme mitzubringen: 2 selbst
verfasste Texte zu jew. max. 5 min
rhiz, 1080 Wien, Gürtelbogen 37,
http://rhiz.org, www.miezemedusa.com
Do, 16.30–18.30, Hamburg
Das LesbenTreff-Café, für Lesben
jeden Alters
20357 Hamburg, Glashüttenstr. 2,
T. 040/24 50 02,
www.lesbenverein-intervention.de
10.12. u. 14.1., 19–24.00, Wien
Orientalischer Badeabend für Frauen,
Kosten: 12,90/erm. 8,60 Euro, Anm.
u. Infos: T. 01/988 98-120 od.
[email protected]
Sargfabrik, Badehaus, 1140 Wien,
Goldschlagstr. 169, T. 01/988 98-111,
www.sargfabrik.at
14.12., 15–18.00, Wien
Jobwerkstatt für Mädchen: Deine
Chance auf dem Weg zur Lehrstelle
Sprungbrett für Mädchen, 1150 Wien,
Pilgerimg. 22–24/1/1, T. 01/789 45
45, www.sprungbrett.or.at
beratung
jeden 2. u. 4. Sa, 14–18.00, Wien
Frauen-Lesben-Theatergruppe, für
Frauen und Mädchen jeden Alters, Infos: Regina Stierschneider, T. 0664/186
06 13, [email protected]
FZ – Autonomes FrauenLesbenMädchenZentrum, 1090 Wien, Währinger
Str. 59/Stiege 6
Dick ist schick
Gegen die gesellschaftliche Diskriminierung dicker
Frauen und Mädchen geht die ARGE Dicke Weiber vor,
eine feministische Initiative dicker Frauen gegen den
Schlankheitsterror, für Vielfalt und positive Selbstbilder.
Mal was anderes als Haut und Knochen.
jeden 2. u. 4. Fr, 17.00, FZ-Bar, 1090 Wien, Währinger
Straße 59, [email protected],
http://argedickeweiber.wordpress.com
Mo 18–19.00, Kärnten
Frauenstimmen – Glas žena
Radio Agora 105.5 MHz (Dobrac), Live Stream: www.agora.at,
wöchentlich
Mo 21–22.00, Schweiz
K-Punkt Kalila – Feminine und
feministische Themen
Kanal K 94.9 MHz (Aargau), Live
Stream: http://kanalk.ch, wöchentlich
Di, 13–14.00, Wien
Globale Dialoge – Women on Air
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, wöchentlich
Di, 18–19.00, Wien
Weibertalk – Sendung des Autonomen
FrauenLesbenZentrums Innsbruck
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, jeden 2. Di
Di, 20–21.00, Deutschland
Mrs. Pepsteins Welt – FeminismusAllüren, und Musik, Musik, Musik
Radio Blau 99.2 MHz (Leipzig),
www.mrspepstein.de, alle 4 Wochen
Di, 21–22.00, Wien
female:pressure – Feministisches
Magazin zu Musik- und Clubkultur
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, jeden 2. Di
Mi 18–18.30, Salzburg
Frauenzimmer – Plattform für eine
frauenspezifische Information
Radiofabrik 107.5 MHz (Salzburg
Stadt), Live Stream:
www.radiofabrik.at, wöchentlich
Mi 18–19.00, Wien
Bauch, Bein, Po – Die Sendung für
die ganze Frau
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, jeden 2. Mi
Fr 18–19.00, Wien
Radio UFF – Sendung des Unabhängigen FrauenForums
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, jeden 1. Fr
Fr 19–20.00, Oberösterreich
SPACEfemFM Frauenradio
Radio FRO 105.0 MHz (Linz), Live
Stream: http://fro.at,
jeden 1., 3. u. 4. Fr
Sa 18–19.00, Deutschland
Rainbow City – Radio für Lesben und
Schwule
97.2 MHz (Berlin), Live Stream:
www.radiorainbowcity.de,
wöchentlich
Sa 19–20.00, Steiermark
Bertas Bücherstunde – Das feministische Literaturmagazin
Radio Helsinki 92.6 MHz (Graz),
Live Stream: www.helsinki.at,
jeden 4. Sa
So, 17–18.00, Steiermark
Genderfrequenz – Sozialpolitisch,
feministisch, unbeugsam
Radio Helsinki, 92.6 MHz (Graz),
Live Stream: www.helsinki.at,
jeden 2. So
So, 19–20.00, Tirol
Weibertalk – Sendung des Autonomen FrauenLesbenZentrums
Innsbruck
FREIRAD 105.9 MHz (Innsbruck),
Live Stream: www.freirad.at,
jeden 1. So
Do, 17.30–20.45, Wien
SAPPHO – Psychotherapeutische
Gruppe für lesbische und bisexuelle
Frauen: Das zufriedene les-bi-sche
Ich bin Ich, 14-tägig jeweils Do,
Kosten: 48 Euro pro Abend,
Anm.: T. 01/585 69 66
Beratungsstelle COURAGE, 1060
Wien, Windmühlg. 15/1/7,
www.courage-beratung.at
jeden 1. Do, ab 18.30, Wien
FrauenLesbenMädchenZentrum, 1090
Wien, Währinger Str. 59/Stiege 6, T.
01/408 50 57,
http://fz-bar.wolfsmutter.com
Foto: gaelx/flickr.com
Mo 19–20.00, Oberösterreich
52 Radiominuten – Sendung von FIFTITU%, Vernetzungsstelle für Frauen
in Kunst und Kultur in OÖ
Radio FRO, 105.0 MHz (Linz), Live
Stream: http://fro.at, jeden 4. Mo
lfd., an verschiedenen Orten in
Vorarlberg
FEMAIL-Sprechtage, kostenlose u.
vertrauliche Information u. Beratung
zu Themen wie Beihilfen, Karenz,
Wiedereinstieg, Bildung, Gesundheit,
Trennung u. Pension, Sprechtage in
allen Regionen mit Claudia Bernard
u. Sevinç Kapaklı – Termine unter T.
05522/31002, www.femail.at
radio
fixtermine
Mo 18–19.00, Wien
Khorschid Khanum – Die persischsprachige Frauensendung
Orange 94.0 MHz, Live Stream:
http://o94.at, jeden 1. Mo
Foto: Magic Krtek/flickr.com
Sex? Aber gerne!
Internetsex und sexuelle Autonomie, Sexualität in Kindheit, mit Behinderung oder Sex als Dienstleistung – die
Fachtagung „Sexuelle Welten – Vielfalt leben!”, organisiert von der LGBT-Beratungsstelle Courage und der
Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung, untersucht den gesellschaftlichen Wandel von Sexualität in
den unterschiedlichsten Facetten.
3. u. 4.12., Programm u. Kosten unter www.courageberatung.at u. www.oegs.or.at,, Veranstaltungsort:
Adolf-Czettel-Bildungszentrum der AK Wien, 1040
Wien, Theresianumgasse 16–18; 4.12. ab 22.00 Courage-Benefiz-Geburtstagsparty im OST-Klub, 1040
Wien, Schwarzenbergplatz 10
Dezember 2010 l Jänner 2011 an.schläge l 45
Vorschau auf die Dezember/Jänner-Ausgabe:
Queer Hebrew
zappho des monats
Interview mit Anat Nir vom Lethal Lesbian Filmfestival
Bevor es an dieser Stelle im neuen Jahr mit neuen Zeichnungen von
Zappho weitergeht, möchten wir die Künstlerin kurz vorstellen. Aus
verarmtem böhmischem Landadel stammend, verließ sie schon früh
ihr Zuhause, um in Wien als Gesellschafterin und Privatlehrerin zu
arbeiten. Als Mann verkleidet nahm sie Aktzeichen- und Anatomieunterricht an der Akademie. Von ihrer Geliebten ermutigt, zeichnete
und publizierte sie regelmäßig ihr Heft „Zappho“. Seit eine Erbschaft
die lange Reihe ihrer Dienstverhältnisse beendete, kann sie sich ganz
ihrer Kunst widmen.
an.schläge gibt’s in folgenden Buchhandlungen:
Fachbuchhandlung ÖGB
1010
Kuppitsch
1010
Morawa 1010
Winter
1010
Frick International
1010
tiempo
1010
Facultas
1010
Lhotzkys Literaturbuffet 1020
Buchhandlung polycollege 1050
phil
1060
Südwind
1070
Tabak Trafik Brosenbauch 1070
Riedl
1080
Löwenherz
1090
Südwind
1090
Infoladen Infomaden
1110
Infoladen Treibsand
4040
Kulturverein Waschaecht 4600
Rupertusbuchhandlung
5020
Wagnersche Buchhdlg.
6020
Amazone-Zentrum
6900
Berta – Bücher & Produkte 8020
Hacek-Bücherei
9020
KBuch
9020
Rathausstr. 21
Schottengasse 4
Wollzeile 11
Rathausstr. 18
Schulerstr. 1-3
Johannesgasse 16
Universitätsstr. 7
Taborstraße 28
Reinprechtsdorferstr. 38
Gumpendorferstr. 10-12
Mariahilferstr. 8
Kaiserstr. 96
Alser Str. 39
Berggasse 8
Schwarzspanierstr. 15
Wielandgasse 2-4
Rudolfstr. 17
Dragonenstr. 22
Dreifaltigkeitsgasse 12
Museumstr. 4
Brockmanngasse 15
Siebenundvierzigerg.27
Paulitschgasse 5/7
Universitätsstr. 90
an.schläge-Abopreise:
Schnupperabo (3 Hefte): 10/12* Euro
Jahresabo (10 Hefte): 35/ermäßigt 29/45* Euro
Unterstützungsabo (10 Hefte): 43/53* Euro
* Gültig für Europa, weitere Auslandspreise auf Anfrage.
Weitere Infos unter [email protected] oder auf
www.anschlaege.at.
Feministische Handwerkerinnen
Tischlerinnen in Wien von Jänner bis März 2011
frei für neue Aufträge.
Kontakt: Anja 0049-15773923346 oder 0664-2802929
46 l an.schläge Dezember 2010 l Jänner 2011
und auch in vielen Städten in Deutschland.
Vollständige Liste der Verkaufsstellen auf:
www.anschlaege.at
www.myspace.com/an.schlaege
www.facebook.com/anschlaege
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Brandenburgische Str. 18, 10707 Berlin, T 0049 -30 8738905
[email protected],
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Stadt der Welt bleibt
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Jahresausstellung 2010/11
09.12.2010 – 30.01.2011
im Dezember 2010:
Sa 11. Dez, 10–19 Uhr, So 12. Dez, 10–14 Uhr
Kulturgeschichte des Geldes
Seminar mit Birge Krondorfer, Philosophin
Unkostenbeitrag inkl. Kopien: 20–35,- Euro (Selbsteinschätzung)
Birgit Pleschberger.
Rapunzel
09.12.2010–30.01.2011
Großer Saal
Marzena Nowak
10.02.–24.04.2011
Künstlerhaus
Hellbrunner Strasse 3
5020 Salzburg
T +43-662/84 22 94
www.salzburgerkunstverein.at
FRAUENHETZ
Kabinett
Unsere MitarbeiterInnen sorgen jeden Tag dafür, dass das Licht angeht und die U-Bahn pünktlich kommt. Wir sind stolz
darauf, die lebenswerteste Stadt der Welt mitzugestalten. Wien erreicht seit Jahren Spitzenwerte im internationalen
Vergleich, was die Mercer-Studie mit dem 1. Platz erneut eindrucksvoll bestätigt. Die Wiener Stadtwerke haben sich
nachhaltiges Handeln zur Aufgabe gemacht, um diese Lebensqualität zu sichern. Die Infrastruktur auszubauen, das
Angebot kontinuierlich zu optimieren, mit den Umweltressourcen verantwortungsvoll umzugehen und den MitarbeiterInnen das beste Fachwissen zukommen zu lassen sind nur einige der Nachhaltigkeitsleitsätze der Wiener Stadtwerke.
Es lebe die Stadt. Mehr Infos auf www.nachhaltigkeit.wienerstadtwerke.at
10.11.10 10:48
Sa 18. Dez, 18 Uhr
Barcelona Feminista
Internationale Zusammenkunft feministischer Vereine
zu Kultur, Bildung und Politik.
Übersetzung in Englisch und Spanisch.
Moderation: Nina Hechenberger
Frauenhetz –
Feministische Bildung,
Beratung und Kultur
Die Veranstaltungen finden in der Frauenhetz statt
und sind für Frauen. Unsere Journaldienstzeiten:
Mo, Di, Do 8.30–12.30 Uhr sowie nach Vereinbarung
Die Räumlichkeiten der Frauenhetz sind
rollstuhltauglich.
Details > www.frauenhetz.at
A-1030 Wien
Untere Weißgerberstr. 41
Tel/Fax +43 1 715 98 88
Die Frauenhetz wird u.a. unterstützt von:
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an.schläge Nr. 12/10-01/11, 24./25. Jahrgang, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1010 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M