Das Karmeliten– ein nobler Kasten voller Geschichten
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Das Karmeliten– ein nobler Kasten voller Geschichten
SEITE 35 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● SAMSTAG, 18. / SONNTAG, 19. FEBRUAR 2012 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● REGENSBURG RE07_S ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● MITTELBAYERISCHE ZEITUNG STADTGESCHICHTE ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Der Hotelpalast am Dachauplatz macht einem Neubau Platz ● ● ● ● ● ● Das Karmeliten – ein nobler Kasten voller Geschichten Das Hotel am Dachauplatz war einst „das modernste und schönste am Platze“. Hier logierten Marlene Dietrich und Jumbo, der Orang-Utan. IMMOBILIEN ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON MARIANNE SPERB, MZ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Das Karmelitenhotel gehört zum Stadtbild wie der Bahnhof oder das Theater. Wenn alles nach Plan läuft, rücken hier im Frühjahr aber die Bagger an. Mit dem Abriss des Hotelpalasts am Dachauplatz endet auch eine rund 150jährige Familiengeschichte. Elisabeth Jung führte das Traditionshaus bis 2007, als letzte aus dem Bergmüller-Clan. Für die MZ blätterte sie in den Erinnerungen an ein Haus voller stolzer, kurioser und auch berührender Geschichten. REGENSBURG. ➤ Die Hausfeuerwehr löschte mit einer Dampfspritze aus London Elisabeth Jung sitzt in ihrem Wohnzimmer im Stadtwesten zwischen lauter rot gebundenen Büchern. Sie blättert durch die Seiten, auf denen 100 Jahre alte Briefe kleben. In Sütterlinschrift danken da Gutsverwalter, Regierungsräte oder auch ein Seifenfabrikant der Hausfeuerwehr des Karmeliten: „für rasche, erfolgreiche und opferwillige Tätigkeit beim großen Brande in Donaustauf“ etwa. Ludwig Bergmüller (1871-1930), der legendäre Großvater von Elisabeth Jung, richtete 1905 eine Hausfeuerwehr ein. „Damals“, sagt seine Enkelin, „war die Brandgefahr allgegenwärtig. Überall wurde ja mit Kanonenöfen geheizt.“ Der reisefreudige Unternehmer hatte unter anderem in Paris und New York nach dem besten technischen Gerät gesucht. Bei „Merryweather and Sons“ in London kaufte er schließlich eine hochmoderne Dampfspritze, wie sie damals in Bayern keinesgleichen hatte. Die Brauburschen, die sonst im Haus das Bier herstellten, bekamen Uniformen und eine Dienstanweisung, die penibel listete, wer Nachtwache und im Brandfall welche Aufgabe hatte. Beim Ruf „Feurio!“ rückte die Bergmüller-Wehr aus – und löschte so schnell und erfolgreich, dass es der Stadt-Feuerwehr 1909 zu bunt wurde. Regensburg legte der privaten Konkurrenz das Handwerk, Bergmüller hängte, wie eine Zeitung später schrieb, „den goldenen Helm an den Nagel“. ➤ Das Karmeliten hatte früh Lift, Telefon und eine Kita Das Karmeliten besaß die perfekten Voraussetzungen für die Feuerwehr. Anfang 1900 hatte Bergmüller eine moderne Dampfheizung einbauen lassen; während die StadtFeuerwehr für ihre Spritze erst Wasser erhitzen musste, hatte das Hotel 24 Stunden am Tag Zugriff auf Dampf. Das Karmeliten war Vorreiter. Das Haus mit 150 Betten, zu dem Brauerei, Jagd, Fischerei, Landwirtschaft und rund 100 Hotelier, Brauereichef, Jäger, Technik-Freak: Ludwig Bergmüller (1871-1930) Köpfe Personal gehörten, verfügte 1911 nicht nur über die Dampfheizung, die bis heute unter leisem Klackern den ganzen Komplex warm hält, sondern auch über Lift, Kino, Zimmertelefon, elektrisches Licht, Spülmaschinen und Dampfwäscherei. Im Keller zeugt noch das imposante Schwungrad der „Lindeschen Eismaschine“ von 1898, das die Eisblöcke für die Bierkühlung lieferte, vom modernen Denken der Bergmüllers. Die großzügigen Etagenbäder mit fließend warmem Wasser nutzten früher nicht nur Hotelgäste, sondern auch die Nachbarschaft: „Sanitäre Anlagen im Haus waren ja noch eine Seltenheit. Die Leute gingen, bis in die 1960er Jahre, zum Baden in öffentliche Einrichtungen, zum Beispiel ins Karmeliten“, erzählt Elisabeth Jung. In ein paar Zimmern wie Nummer 218 und 319 stehen noch immer original Jugendstil-Waschtische. Anna Bergmüller, Jungs Großmutter, lebte auch sozial die moderne Zeit vor. Die zierliche Unternehmerin – Jung: „Sie war bloß 1,40 Meter groß, aber Power ohne Ende“ – betrieb eine Armenküche und stellte für ihren Betrieb vorzugsweise ledige Mütter ein. Um die eigenen drei Kinder und die Sprösslinge der Wäscherinnen, Köchinnen und Bedienungen zu betreuen, engagierte sie extra zwei Kindermädchen. Nach dem Mittagessen wurde angespannt: Die Kinderschar durfte aufs Land, zum Schwalbennest, zum Bergmüllerschen Bauernhof. „Die Landwirtschaft war existenziell wichtig“, erklärt Jung. „Was im Sommer nicht geerntet und eingekocht wurde, konnte man ja im Winter in der Wirtschaft nicht auf den Tisch bringen.“ 1000 Essen und mehr wurden täglich im Karmeliten serviert, dazu gab’s das hauseigene Bier. ➤ Die Brauerei brachte legendäre Umsatz und rauschende Feste Die Brauerei, zu der in Blütezeiten an die 20 Wirtshäuser wie das Dampfschiff und der Sternbräu gehörten, erreichte beeindruckende Zahlen. Für 1906 sind 23 000 Hektoliter Ausstoß verbürgt – „davon träumten andere Betriebe“, sagt Jung. Weil das Haus für die Bierproduktion zu eng wurde, bauten Bergmüllers 1895 eine Mälzerei am Galgenberg; heute ist sie Kulturzentrum. Das 11. Infanterieregiment feierte 1905 am Galgenberg ein denkwürdiges dreitägiges Jubiläumsfest: 600 Hektoliter Bier wurden gezapft, Bänke mit 18 000 (in Worten: achtzehntausend) Plätzen waren hergerichtet. ➤ Die Amerikaner brachten im Frühjahr Marlene Dietrich mit Ludwig Bergmüller starb 1930 an den Folgen einer Rettung. Sein Hund war beim Fischen unter eine Eisscholle geraten. Bergmüller sprang in die Donau, befreite ihn und war bald tot: Lungenentzündung. Seine Frau Anna überlebte ihn nicht lang. „Sie starb an gebrochenem Herzen“, sagt die Enkelin. Als ein Bergmüller junior 1941 im Krieg fiel und der zweite im Feld schwer verwundet wurde, kam die Tochter, die in Berlin Gesang studierte, nach Hause und übernahm den Betrieb. An ihrer Seite hatte sie einen feschen jungen Architekten, den sie aus Berlin kennen gelernt hatte: Emil Seidl, genannt „der schöne Emil“, Elisabeth Jungs Vater. Zu Kriegsende musste das Paar sein Hotel vorübergehend verlassen. Die Ameri- ● ● ● ● ● WIRTSCHAFT Läuft alles glatt, könnten ab 2014 im Karmeliten rund 200 Menschen wohnen. Die neuen Eigentümer halten aber auch die Option für ein Hotel offen. Beate Lederer und Jürgen Wittmann in einem der historischen Bäder: Die Pächter übernahmen das Hotel 2007. REGENSBURG. Jürgen Wittmann, mit Bea- te Lederer Pächter des Karmeliten-Komplexes, stellt am Donnerstag in der stylischen Hotelbar „Botschaft“ einen Kaffee vor Wolfgang Herzog auf den Tisch. Herzog ist einer der drei Geschäftsführer des Immobilien Zentrum und damit auch einer der neuen Eigentümer des geschichtsträchtigen Blocks. Im April sollen hier die Bagger anrücken – für ein millionenschweres Projekt, das das Gesicht des Viertels prägen wird. Die Karmeliten Projekt GmbH will 31 Millionen Euro in die Hand nehmen, um am Dachauplatz eine noble neue Adresse zu schaffen. „Gesamtinvestitionssumme“, präzisiert Herzog, „für Ankauf, Abriss und Neubau.“ Der Bauantrag liegt aktuell im Rathaus. Wenn alles glatt läuft, könnte der neue Block ab 2014 bewohnt sein – „so Gott will und es keine Komplikationen gibt“. Japanische Gäste kennen das Karmeliten aus einem Roman Das Karmeliten hatte viele prominente Gäste. Ivan Rebroff wohnte hier, Luis Trenker kam öfter, Gunther Sachs war einer der VIPs, die zur Heirat von Fürst Johannes und Gloria hier logierten. Ein Buch machte das Hotel sogar in Japan berühmt. Teru Miyamoto publizierte 1985 seinen Roman über eine gewisse Masako und ihren Verlobten, die im Karmeliten wohnten. Das Buch verkaufte sich gut. „Ich hab’ mich lange gewundert, warum japanische Gäste immer Zimmer 301 haben wollten“, sagt Elisabeth Jung. „Später wusste ich dann: In 301 spielt der Roman.“ Eine andere Geschichte, die die frühere Hotelbesitzerin aus dem Erinnerungsschatz holt, handelt von einer schönen todtraurigen Frau Anfang 40: „Die kam und wollte ein Zimmer im dritten Stock zum Hof“, erzählt Jung. Kurz nach der Ankunft legte die mysteriöse Kundin ihren Hut aufs Nachttischkästchen und sprang aus dem Fenster. Der ungewöhnlichste Gast im Karmeliten war Jumbo, der Affe. Ludwig Bergmüller hatte den Orang-Utan 1900 von der Krokodiljagd aus Sumatra mitgebracht. Jumbo wurde mit der Flasche aufgezogen, bewohnte im ersten Stock eine Zimmerflucht und war eine echte Attraktion. Als er in die Flegeljahre kam, gaben die Bergmüllers ihren Affen an den Berliner Zoo. Dort wurde er als „Bimbo, der Kinderfreund“ zum Publikumsliebling. 1945 starb er, hochbetagt, bei einem Luftangriff auf Berlin. Die schönste Liebesgeschichte des Hotelpalasts erlebte Elisabeth Jung selbst. Die Tochter des Hauses lehnte 1967 mit ihrer Tante am Fenster und sah unten im Hof einen jungen Herrn vorfahren. „Schau’ Tante, den heirate ich“, sagte das Fräulein. „Wer ist das?“, fragte die Tante. „Das weiß ich noch nicht.“ – „Ein halbes Jahr später war unsere Hochzeit“, sagt Volker Jung 45 Jahre danach. ➤ ● Läden und Wohnungen sind geplant kaner zogen im Karmeliten ein und brachten, im Frühjahr 1945, einen Weltstar mit. Marlene Dietrich, die zur Hebung der Truppenmoral durch Deutschland tourte und auch vor GIs in Regensburg auftrat, logierte für ein paar Nächte im Hotel. ➤ ● Die Bierrutsche im Keller: ein Zeugnis aus der Vergangenheit des Karmeliten als BrauereiStandort. Der Innenhof als grüne Oase Weinflaschen stauben in einem der Gewölbe vor sich hin: Die Kellerfluchten sind immer noch für Entdeckungen gut. Hinter der Karmeliten GmbH stehen drei Gesellschafter: ein Privatmann, das Immobilien Zentrum und die Heimi Wohnbau von Hermann Meier. Mit der Vierflügelanlage an prominentem Platz wuchtet die Gesellschaft ein Schwergewicht. Die Eigentümer planen im Erdgeschoss Läden und in den übrigen Etagen Wohnungen. „Keine Studentenappartements“, betont Wolfgang Herzog. Das Karmeliten soll seinen Palais-Charakter behalten, auf der Basis des Entwurfs aus dem Büro Auer+Weber, das 2006 die Wettbewerbsjury begeistert hatte. Die Ferdinand Schmack jun. Immobilien GmbH, der das Karree bis Ende 2011 ein paar Jahre lang gehört hatte, wollte auch den Innenhof des Karrees überbauen. Im Konzept der Karmeliten GmbH bleibt der Hof als grüne Oase bestehen. Zum Innengarten sind Miradore geplant, großzügige Loggien mit Arkadengängen. Herzog fasst das Projekt in Zahlen: Auf 8800 Quadratmetern Gesamtfläche werden 9600 Quadratmeter Bruttogeschossfläche entstehen, davon 5600 Quadratmeter Wohnfläche. Wolfgang Herzog von der Immobilien Zentrum GmbH, einem der neuen Eigentümer des Karmeliten-Karrees, vor einer „Lindeschen Eismaschine“ im Keller des Hotelpalasts. Der Koloss mit imposantem Schwungrad, 1898 in Wiesbaden hergestellt, lieferte die Eisblöcke, die die Brauerei des Karmeliten für die Bierkühlung brauchte. Die Hoteliersfamilie Bergmüller war stolz auf die moderne technische Ausstattung ihres Hauses. In ein paar Monaten rücken die Bagger an; das Karmeliten wird abgerissen und neu aufgebaut. Fotos: altrofoto.de Tiefgarage auf sensiblem Terrain Die Kellergewölbe sind immer noch für Entdeckungen gut Die Bergmüller-Enkelin führte das Hotel bis 2007. „Wir standen vor der Wahl: groß investieren oder verkaufen.“ Elisabeth Jung verkaufte an Schmack Immobilien. „Am 2. Januar 2007 bin ich ein letztes Mal durchs Haus, hab’ alle Türen aufgemacht und die Schlüssel auf den Tresen gelegt.“ Inzwischen ist das Karmeliten weiter verkauft an die Karmeliten Projekt GmbH, die den Block jetzt abbrechen und neu aufbauen will. Jürgen Wittmann und Beate Lederer (SixSigma) betreiben seit 2007 das Hotel weiter, außerdem die „Nachtbarschaft“ und das Café „Botschaft“. Noch immer entdecken die Pächter unbekannte Details in dem Koloss – wie beim Rundgang mit der MZ am Donnerstag. Im Keller, in der Nähe der zart fauchenden historischen Dampfmaschine, fällt der Lichtschein eines Handy-Displays in einen Nebenraum. Im Halbdunkel sind Tellerstapel und Regale auszumachen, in denen seit Jahrzehnten Flaschen mit Moselwein vor sich hin stauben. „Mensch, schau!“, staunt Jürgen Wittmann. „In diesem Gewölbe war ich noch nie.“ Wolfgang Herzog in einem der Hotelzimmer: Prima Lage und viel Flair bescheren dem Haus eine hohe „Walk-in-Rate“. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Das technische Herzstück des Karmeliten: das Hotel ist bis heute dampfbeheizt. Das Haus war ein Vorreiter in Sachen Ausstattung und verfügte schon früh über Lift, Telefon und Dampfmangel. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Detail in einem der Bäder im Hotel Karmeliten: Von der Jugendstil-Ausstattung sind noch einige Zeugnisse geblieben, zum Beispiel originale Waschtische. DAS NEUE KARMELITEN, ENTWORFEN VON AUER+WEBER: EIN PALAIS OHNE MÄTZCHEN ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Das Karmeliten am Dachauplatz heute (links) und in einer Animation von Auer+Weber (rechts) ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Fotos: MZ-Archiv/Auer+Weber ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➤ Das Karmeliten am Dachauplatz: Ein Umbau des Riesen, der sich zwischen Speichergasse, Drei-Kronen-Gasse und D.-Martin-Luther-Straße erstreckt, ist unrentabel. Der Block soll weitgehend abgerissen und neu errichtet werden. Die Ferdinand Schmack jun. Immobilien GmbH, von 2006 bis Ende 2011 Eigentümer des Komplexes, lobte deshalb 2006 einen Architektenwettbewerb aus. ➤ Der Entwurf, den die Jury einstimmig als Favoriten empfahl, stammt vom Büro Auer+Weber (München/Stuttgart). Die Arbeit war glasklarer Favorit; das Preisgericht verzichtete auf einen zweiten Platz und nominierte zwei dritte Preisträger. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Eine römische Säule im Kellerlokal des Karmeliten, das heute nur noch ab und zu für Veranstaltungen genutzt wird ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➤ Die Architekten von Auer+Weber schlugen für die – damals vorgesehene – Nutzung als Hotel ein nobles Palais ohne Verfälschung und Anbiederung vor. Sie verzichteten auf jedes Mätzchen und übten sich in Disziplin, ohne vor der Tradition auf die Knie zu fallen. Die Planer ließen das markante Sockelgeschoss stehen und platzierten vier Etagen plus Dachgeschoss darauf. Sie setzten auf Eleganz, auf eine gewisse gezügelte, zeitlose Größe und kühlen Charme. Das Neue an Stelle des Alten wird – wenn es bis ins Detail einer Sockelfuge mit gleicher Disziplin und Noblesse gebaut wird – „ein Gewinn für Regensburg“, so die Überzeugung der Jury. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➤ Auer+Weber platzierten im Parterre ein Entrée bzw. eine Lobby und ein Café und ließen die Sudhaus-Fenster der früheren Brauerei als Aussichtsplatz wieder zu Ehren kommen. Der Clou: Für Passanten zeichneten sie eine elegante Trasse vom Dachau- zum Schwanenplatz ein, mit einem Gehweg durchs Sockelgeschoss. ➤ An dem Entwurf von Auer+Weber will auch die Karmeliten Projekt GmbH festhalten, die die Anlage Ende 2011 erworben hat. Die Fassade soll dem Vorschlag der Wettbewerbssieger folgen. Mit der Planung des Projekts insgesamt hat die Karmeliten GmbH das Regensburger Büro Wittmann beauftragt. Unter Umständen bleibt das Karmeliten, was es 150 Jahre lang war: ein Hotel. „Kein anderes Haus in Regensburg“, sagt Pächter Jürgen Wittmann, „dürfte eine höhere Walk-in-Rate haben“, heißt: so viele unangemeldete Gäste. An manchen Tagen, erzählt der Hotelier, sind morgens 20 Zimmer reserviert und abends ist das Haus voll belegt. „Perfekte Lage, perfekte Sichtbarkeit, perfekte Anfahrbarkeit“, nennt Wittmann als Trümpfe, außerdem großzügige Zimmer, picobello und mit viel Flair, und moderate Preise zwischen 39 und 79 Euro. „Die Hotelnutzung“, sagt Wolfgang Herzog, „ist immer noch eine Option, an der wir festhalten.“ Der Bau der geplanten Tiefgarage wird spannend: Das Karmeliten steht auf Boden von historisch allererstem Rang. Die Fragmente einer römischen Torinschrift (der Porta Principalis Dextra), die hier im 19. Jahrhundert zu Tage kamen, präsentiert das Historische Museum heute stolz als Regensburgs Gründungsurkunde, und im Kellerlokal des Karmeliten, heute nur noch ab und zu für Events genutzt, zeugt eine Römersäule von den tiefen Wurzeln des Karmeliten. Wolfgang Herzog ist zuversichtlich: „Die Tiefgarage ist ja über der historischen Ebene geplant; würden wir tiefer gehen, wäre das Risiko archäologischer Funde unkalkulierbar.“ (el)