Das Karmeliten– ein nobler Kasten voller Geschichten

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Das Karmeliten– ein nobler Kasten voller Geschichten
SEITE 35
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SAMSTAG, 18. / SONNTAG, 19. FEBRUAR 2012
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REGENSBURG
RE07_S
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MITTELBAYERISCHE ZEITUNG
STADTGESCHICHTE
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Der Hotelpalast am Dachauplatz macht einem Neubau Platz
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Das Karmeliten –
ein nobler Kasten
voller Geschichten
Das Hotel am Dachauplatz war einst „das
modernste und schönste
am Platze“. Hier logierten
Marlene Dietrich und
Jumbo, der Orang-Utan.
IMMOBILIEN
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VON MARIANNE SPERB, MZ
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Das Karmelitenhotel gehört zum Stadtbild wie der Bahnhof oder
das Theater. Wenn alles nach Plan läuft,
rücken hier im Frühjahr aber die Bagger
an. Mit dem Abriss des Hotelpalasts am
Dachauplatz endet auch eine rund 150jährige Familiengeschichte. Elisabeth
Jung führte das Traditionshaus bis 2007,
als letzte aus dem Bergmüller-Clan. Für
die MZ blätterte sie in den Erinnerungen
an ein Haus voller stolzer, kurioser und
auch berührender Geschichten.
REGENSBURG.
➤
Die Hausfeuerwehr löschte mit
einer Dampfspritze aus London
Elisabeth Jung sitzt in ihrem Wohnzimmer im Stadtwesten zwischen lauter rot
gebundenen Büchern. Sie blättert durch
die Seiten, auf denen 100 Jahre alte Briefe
kleben. In Sütterlinschrift danken da
Gutsverwalter, Regierungsräte oder auch
ein Seifenfabrikant der Hausfeuerwehr
des Karmeliten: „für rasche, erfolgreiche
und opferwillige Tätigkeit beim großen
Brande in Donaustauf“ etwa.
Ludwig Bergmüller (1871-1930), der
legendäre Großvater von Elisabeth Jung,
richtete 1905 eine Hausfeuerwehr ein.
„Damals“, sagt seine Enkelin, „war die
Brandgefahr allgegenwärtig. Überall
wurde ja mit Kanonenöfen geheizt.“ Der
reisefreudige Unternehmer hatte unter
anderem in Paris und New York nach
dem besten technischen Gerät gesucht.
Bei „Merryweather and Sons“ in London
kaufte er schließlich eine hochmoderne
Dampfspritze, wie sie damals in Bayern
keinesgleichen hatte. Die Brauburschen,
die sonst im Haus das Bier herstellten,
bekamen Uniformen und eine Dienstanweisung, die penibel listete, wer Nachtwache und im Brandfall welche Aufgabe
hatte. Beim Ruf „Feurio!“ rückte die Bergmüller-Wehr aus – und löschte so
schnell und erfolgreich, dass es der
Stadt-Feuerwehr 1909 zu bunt wurde.
Regensburg legte der privaten Konkurrenz das Handwerk, Bergmüller hängte,
wie eine Zeitung später schrieb, „den goldenen Helm an den Nagel“.
➤
Das Karmeliten hatte früh
Lift, Telefon und eine Kita
Das Karmeliten besaß die perfekten Voraussetzungen für die
Feuerwehr. Anfang 1900
hatte Bergmüller eine
moderne
Dampfheizung einbauen lassen;
während die StadtFeuerwehr für ihre
Spritze erst Wasser erhitzen musste, hatte das
Hotel 24 Stunden am
Tag Zugriff auf Dampf.
Das Karmeliten war
Vorreiter. Das Haus mit
150 Betten, zu dem Brauerei, Jagd, Fischerei, Landwirtschaft und rund 100
Hotelier, Brauereichef, Jäger, Technik-Freak: Ludwig
Bergmüller (1871-1930)
Köpfe Personal gehörten, verfügte 1911
nicht nur über die Dampfheizung, die
bis heute unter leisem Klackern den ganzen Komplex warm hält, sondern auch
über Lift, Kino, Zimmertelefon, elektrisches Licht, Spülmaschinen und Dampfwäscherei. Im Keller zeugt noch das imposante Schwungrad der „Lindeschen
Eismaschine“ von 1898, das die Eisblöcke für die Bierkühlung lieferte, vom
modernen Denken der Bergmüllers. Die
großzügigen Etagenbäder mit fließend
warmem Wasser nutzten früher nicht
nur Hotelgäste, sondern auch die Nachbarschaft: „Sanitäre Anlagen im Haus
waren ja noch eine Seltenheit. Die Leute
gingen, bis in die 1960er Jahre, zum Baden in öffentliche Einrichtungen, zum
Beispiel ins Karmeliten“, erzählt Elisabeth Jung. In ein paar Zimmern wie
Nummer 218 und 319 stehen noch immer original Jugendstil-Waschtische.
Anna Bergmüller, Jungs Großmutter,
lebte auch sozial die moderne Zeit vor.
Die zierliche Unternehmerin – Jung: „Sie
war bloß 1,40 Meter groß, aber Power ohne Ende“ – betrieb eine Armenküche
und stellte für ihren Betrieb vorzugsweise ledige Mütter ein. Um die eigenen drei
Kinder und die Sprösslinge der Wäscherinnen, Köchinnen und Bedienungen zu
betreuen, engagierte sie extra zwei Kindermädchen. Nach dem Mittagessen
wurde angespannt: Die Kinderschar
durfte aufs Land, zum Schwalbennest,
zum Bergmüllerschen Bauernhof. „Die
Landwirtschaft war existenziell wichtig“, erklärt Jung. „Was im Sommer nicht
geerntet und eingekocht wurde, konnte
man ja im Winter in der Wirtschaft
nicht auf den Tisch bringen.“ 1000 Essen
und mehr wurden täglich im Karmeliten
serviert, dazu gab’s das hauseigene Bier.
➤
Die Brauerei brachte legendäre
Umsatz und rauschende Feste
Die Brauerei, zu der in Blütezeiten an die
20 Wirtshäuser wie das Dampfschiff und
der Sternbräu gehörten, erreichte beeindruckende Zahlen. Für 1906 sind 23 000
Hektoliter Ausstoß verbürgt – „davon
träumten andere Betriebe“, sagt Jung.
Weil das Haus für die Bierproduktion zu
eng wurde, bauten Bergmüllers 1895
eine Mälzerei am Galgenberg; heute ist
sie Kulturzentrum. Das 11. Infanterieregiment feierte 1905 am Galgenberg ein
denkwürdiges dreitägiges Jubiläumsfest:
600 Hektoliter Bier wurden gezapft, Bänke mit 18 000 (in Worten: achtzehntausend) Plätzen waren hergerichtet.
➤
Die Amerikaner brachten im
Frühjahr Marlene Dietrich mit
Ludwig Bergmüller starb 1930 an den
Folgen einer Rettung. Sein Hund war
beim Fischen unter eine Eisscholle geraten. Bergmüller sprang in die Donau, befreite ihn und war bald tot:
Lungenentzündung. Seine Frau
Anna überlebte ihn nicht lang.
„Sie starb an gebrochenem Herzen“, sagt die Enkelin.
Als ein Bergmüller junior 1941
im Krieg fiel und der zweite im
Feld schwer verwundet wurde,
kam die Tochter, die in Berlin Gesang studierte, nach Hause und
übernahm den Betrieb. An ihrer
Seite hatte sie einen feschen jungen Architekten, den sie aus Berlin kennen gelernt hatte: Emil
Seidl, genannt „der schöne Emil“,
Elisabeth Jungs Vater. Zu Kriegsende musste das Paar sein Hotel
vorübergehend verlassen. Die Ameri-
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WIRTSCHAFT Läuft alles glatt,
könnten ab 2014 im Karmeliten rund 200 Menschen wohnen. Die neuen Eigentümer
halten aber auch die Option
für ein Hotel offen.
Beate Lederer und Jürgen Wittmann in einem
der historischen Bäder: Die Pächter übernahmen das Hotel 2007.
REGENSBURG. Jürgen Wittmann, mit Bea-
te Lederer Pächter des Karmeliten-Komplexes, stellt am Donnerstag in der stylischen Hotelbar „Botschaft“ einen Kaffee
vor Wolfgang Herzog auf den Tisch. Herzog ist einer der drei Geschäftsführer des
Immobilien Zentrum und damit auch
einer der neuen Eigentümer des geschichtsträchtigen Blocks. Im April sollen hier die Bagger anrücken – für ein
millionenschweres Projekt, das das Gesicht des Viertels prägen wird.
Die Karmeliten Projekt GmbH will 31
Millionen Euro in die Hand nehmen, um
am Dachauplatz eine noble neue Adresse
zu schaffen. „Gesamtinvestitionssumme“, präzisiert Herzog, „für Ankauf, Abriss und Neubau.“ Der Bauantrag liegt
aktuell im Rathaus. Wenn alles glatt
läuft, könnte der neue Block ab 2014 bewohnt sein – „so Gott will und es keine
Komplikationen gibt“.
Japanische Gäste kennen das
Karmeliten aus einem Roman
Das Karmeliten hatte viele prominente
Gäste. Ivan Rebroff wohnte hier, Luis
Trenker kam öfter, Gunther Sachs war
einer der VIPs, die zur Heirat von Fürst
Johannes und Gloria hier logierten. Ein
Buch machte das Hotel sogar in Japan berühmt. Teru Miyamoto publizierte 1985
seinen Roman über eine gewisse Masako
und ihren Verlobten, die im Karmeliten
wohnten. Das Buch verkaufte sich gut.
„Ich hab’ mich lange gewundert, warum
japanische Gäste immer Zimmer 301 haben wollten“, sagt Elisabeth Jung. „Später wusste ich dann: In 301 spielt der Roman.“ Eine andere Geschichte, die die
frühere Hotelbesitzerin aus dem Erinnerungsschatz holt, handelt von einer
schönen todtraurigen Frau Anfang 40:
„Die kam und wollte ein Zimmer im
dritten Stock zum Hof“, erzählt Jung.
Kurz nach der Ankunft legte die mysteriöse Kundin ihren Hut aufs Nachttischkästchen und sprang aus dem Fenster.
Der ungewöhnlichste Gast im Karmeliten war Jumbo, der Affe. Ludwig Bergmüller hatte den Orang-Utan 1900 von
der Krokodiljagd aus Sumatra mitgebracht. Jumbo wurde mit der Flasche
aufgezogen, bewohnte im ersten Stock
eine Zimmerflucht und war eine echte
Attraktion. Als er in die Flegeljahre kam,
gaben die Bergmüllers ihren Affen an
den Berliner Zoo. Dort wurde er als „Bimbo, der Kinderfreund“ zum Publikumsliebling. 1945 starb er, hochbetagt, bei
einem Luftangriff auf Berlin.
Die schönste Liebesgeschichte des Hotelpalasts erlebte Elisabeth Jung selbst.
Die Tochter des Hauses lehnte 1967 mit
ihrer Tante am Fenster und sah unten im
Hof einen jungen Herrn vorfahren.
„Schau’ Tante, den heirate ich“, sagte das
Fräulein. „Wer ist das?“, fragte die Tante.
„Das weiß ich noch nicht.“ – „Ein halbes
Jahr später war unsere Hochzeit“, sagt
Volker Jung 45 Jahre danach.
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Läden und
Wohnungen
sind geplant
kaner zogen im Karmeliten ein und
brachten, im Frühjahr 1945, einen Weltstar mit. Marlene Dietrich, die zur
Hebung der Truppenmoral durch
Deutschland tourte und auch vor GIs in
Regensburg auftrat, logierte für ein paar
Nächte im Hotel.
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Die Bierrutsche im Keller: ein Zeugnis aus der
Vergangenheit des Karmeliten als BrauereiStandort.
Der Innenhof als grüne Oase
Weinflaschen stauben in einem der Gewölbe vor
sich hin: Die Kellerfluchten sind immer noch für
Entdeckungen gut.
Hinter der Karmeliten GmbH stehen
drei Gesellschafter: ein Privatmann, das
Immobilien Zentrum und die Heimi
Wohnbau von Hermann Meier. Mit der
Vierflügelanlage an prominentem Platz
wuchtet die Gesellschaft ein Schwergewicht. Die Eigentümer planen im Erdgeschoss Läden und in den übrigen Etagen
Wohnungen. „Keine Studentenappartements“, betont Wolfgang Herzog. Das
Karmeliten soll seinen Palais-Charakter
behalten, auf der Basis des Entwurfs aus
dem Büro Auer+Weber, das 2006 die
Wettbewerbsjury begeistert hatte.
Die Ferdinand Schmack jun. Immobilien GmbH, der das Karree bis Ende 2011
ein paar Jahre lang gehört hatte, wollte
auch den Innenhof des Karrees überbauen. Im Konzept der Karmeliten GmbH
bleibt der Hof als grüne Oase bestehen.
Zum Innengarten sind Miradore geplant, großzügige Loggien mit Arkadengängen. Herzog fasst das Projekt in Zahlen: Auf 8800 Quadratmetern Gesamtfläche werden 9600 Quadratmeter Bruttogeschossfläche entstehen, davon 5600
Quadratmeter Wohnfläche.
Wolfgang Herzog von der Immobilien Zentrum GmbH, einem der neuen Eigentümer des Karmeliten-Karrees, vor einer „Lindeschen Eismaschine“ im Keller des Hotelpalasts. Der Koloss mit imposantem
Schwungrad, 1898 in Wiesbaden hergestellt, lieferte die Eisblöcke, die die Brauerei des Karmeliten für die Bierkühlung brauchte. Die Hoteliersfamilie Bergmüller war stolz auf die moderne technische
Ausstattung ihres Hauses. In ein paar Monaten rücken die Bagger an; das Karmeliten wird abgerissen und neu aufgebaut.
Fotos: altrofoto.de
Tiefgarage auf sensiblem Terrain
Die Kellergewölbe sind immer
noch für Entdeckungen gut
Die Bergmüller-Enkelin führte das Hotel
bis 2007. „Wir standen vor der Wahl:
groß investieren oder verkaufen.“ Elisabeth Jung verkaufte an Schmack Immobilien. „Am 2. Januar 2007 bin ich ein
letztes Mal durchs Haus, hab’ alle Türen
aufgemacht und die Schlüssel auf den
Tresen gelegt.“ Inzwischen ist das Karmeliten weiter verkauft an die Karmeliten Projekt GmbH, die den Block jetzt abbrechen und neu aufbauen will.
Jürgen Wittmann und Beate Lederer
(SixSigma) betreiben seit 2007 das Hotel
weiter, außerdem die „Nachtbarschaft“
und das Café „Botschaft“. Noch immer
entdecken die Pächter unbekannte Details in dem Koloss – wie beim Rundgang
mit der MZ am Donnerstag. Im Keller, in
der Nähe der zart fauchenden historischen Dampfmaschine, fällt der Lichtschein eines Handy-Displays in einen
Nebenraum. Im Halbdunkel sind Tellerstapel und Regale auszumachen, in
denen seit Jahrzehnten Flaschen mit Moselwein vor sich hin stauben. „Mensch,
schau!“, staunt Jürgen Wittmann. „In
diesem Gewölbe war ich noch nie.“
Wolfgang Herzog in einem der Hotelzimmer:
Prima Lage und viel Flair bescheren dem Haus
eine hohe „Walk-in-Rate“.
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Das technische Herzstück des Karmeliten: das Hotel ist bis heute dampfbeheizt. Das Haus war ein Vorreiter in Sachen Ausstattung und verfügte
schon früh über Lift, Telefon und Dampfmangel.
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Detail in einem der Bäder im Hotel Karmeliten: Von der Jugendstil-Ausstattung sind noch einige Zeugnisse geblieben, zum Beispiel originale
Waschtische.
DAS NEUE KARMELITEN, ENTWORFEN VON AUER+WEBER: EIN PALAIS OHNE MÄTZCHEN
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Das Karmeliten am Dachauplatz heute (links) und in einer Animation von Auer+Weber (rechts)
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Fotos: MZ-Archiv/Auer+Weber
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➤ Das Karmeliten am Dachauplatz: Ein
Umbau des Riesen, der sich zwischen
Speichergasse, Drei-Kronen-Gasse und
D.-Martin-Luther-Straße erstreckt, ist unrentabel. Der Block soll weitgehend abgerissen und neu errichtet werden. Die Ferdinand Schmack jun. Immobilien GmbH, von
2006 bis Ende 2011 Eigentümer des Komplexes, lobte deshalb 2006 einen Architektenwettbewerb aus.
➤ Der Entwurf, den die Jury einstimmig als
Favoriten empfahl, stammt vom Büro Auer+Weber (München/Stuttgart). Die
Arbeit war glasklarer Favorit; das Preisgericht verzichtete auf einen zweiten Platz
und nominierte zwei dritte Preisträger.
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Eine römische Säule im Kellerlokal des Karmeliten, das heute nur noch ab und zu für Veranstaltungen genutzt wird
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➤ Die Architekten von Auer+Weber schlugen für die – damals vorgesehene – Nutzung als Hotel ein nobles Palais ohne Verfälschung und Anbiederung vor. Sie verzichteten auf jedes Mätzchen und übten
sich in Disziplin, ohne vor der Tradition auf
die Knie zu fallen. Die Planer ließen das
markante Sockelgeschoss stehen und
platzierten vier Etagen plus Dachgeschoss
darauf. Sie setzten auf Eleganz, auf eine
gewisse gezügelte, zeitlose Größe und
kühlen Charme. Das Neue an Stelle des Alten wird – wenn es bis ins Detail einer Sockelfuge mit gleicher Disziplin und Noblesse gebaut wird – „ein Gewinn für Regensburg“, so die Überzeugung der Jury.
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➤ Auer+Weber platzierten im Parterre ein
Entrée bzw. eine Lobby und ein Café und
ließen die Sudhaus-Fenster der früheren
Brauerei als Aussichtsplatz wieder zu Ehren kommen. Der Clou: Für Passanten
zeichneten sie eine elegante Trasse vom
Dachau- zum Schwanenplatz ein, mit
einem Gehweg durchs Sockelgeschoss.
➤ An dem Entwurf von Auer+Weber will
auch die Karmeliten Projekt GmbH festhalten, die die Anlage Ende 2011 erworben
hat. Die Fassade soll dem Vorschlag der
Wettbewerbssieger folgen. Mit der Planung des Projekts insgesamt hat die Karmeliten GmbH das Regensburger Büro
Wittmann beauftragt.
Unter Umständen bleibt das Karmeliten,
was es 150 Jahre lang war: ein Hotel.
„Kein anderes Haus in Regensburg“, sagt
Pächter Jürgen Wittmann, „dürfte eine
höhere Walk-in-Rate haben“, heißt: so
viele unangemeldete Gäste. An manchen
Tagen, erzählt der Hotelier, sind morgens 20 Zimmer reserviert und abends
ist das Haus voll belegt. „Perfekte Lage,
perfekte Sichtbarkeit, perfekte Anfahrbarkeit“, nennt Wittmann als Trümpfe,
außerdem großzügige Zimmer, picobello
und mit viel Flair, und moderate Preise
zwischen 39 und 79 Euro. „Die Hotelnutzung“, sagt Wolfgang Herzog, „ist immer
noch eine Option, an der wir festhalten.“
Der Bau der geplanten Tiefgarage
wird spannend: Das Karmeliten steht auf
Boden von historisch allererstem Rang.
Die Fragmente einer römischen Torinschrift (der Porta Principalis Dextra), die
hier im 19. Jahrhundert zu Tage kamen,
präsentiert das Historische Museum
heute stolz als Regensburgs Gründungsurkunde, und im Kellerlokal des Karmeliten, heute nur noch ab und zu für
Events genutzt, zeugt eine Römersäule
von den tiefen Wurzeln des Karmeliten.
Wolfgang Herzog ist zuversichtlich: „Die
Tiefgarage ist ja über der historischen
Ebene geplant; würden wir tiefer gehen,
wäre das Risiko archäologischer Funde
unkalkulierbar.“
(el)