ferien-hotel mit 4 sternen?
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Hotel-Test im ascovilla ascona FERIEN-HOTEL MIT 4 STERNEN? Das Ascovilla in Ascona. Mitten in einem mediterranen Park mit Palmen und Kakteen gelegen. Offiziell ein Vierstern-Haus, wo vor allem Deutschschweizer und Deutsche Urlaub machen. 49 Zimmer und sechs Suiten, ein Restaurant und eine kleine «Wellnessoase». Seit wenigen Wochen führt Margot Faucherre das im Jahr 1985 eröffnete Hotel. «Hotelier»Tester wollten wissen: Entspricht das Ascovilla nach wie vor den Vierstern-Standards? 80 06I2011 Hotel-Test Ascovilla Ascona Reservation (Homepage) Wir buchen ein Doppelzimmer mit Balkon und Klimaanlage. 486 Franken für zwei Personen pro Nacht – inklusive Frühstück und Halbpensionsmenü. Die Homepage wirkt im ersten Moment übersichtlich und bunt, doch es herrscht ein Schriftenwirrwarr auf der Auftaktseite. Warum nicht einfache, gut lesbare Schriften verwenden? Der Routenplaner funktioniert, doch wenn man auf «Meteo» (www.ticino.ch) klickt, kommt der Hinweis «Seite nicht verfügbar». Wir versuchen, das Zimmer online zu buchen. Positiv: Die Spezialangebote sind schnell ersichtlich. Das Hauptproblem: Man kann zwar problemlos ein normales Zimmer mit allem Drum und Dran reservieren, nicht aber eine Suite («Buchung nur auf Anfrage»). Fazit: Wir greifen zum Telefon und fragen nach. Und noch etwas: Die Speisekarte des Restaurants lässt sich nicht öffnen, dafür die Kinderkarte. Und was das eher kleine Wellness-Angebot betrifft: Bitte mehr Bilder! Der Gast will die Sauna, das Dampfbad und den Aussen-Pool im Garten sehen! Was fehlt im Internet: der Link zu Facebook, ein Gästebuch und «lebendige» Elemente (Videofilm, bewegte Bilder). Alles in allem ein anständiger Internetauftritt. Darf sich sehen lassen. Die Bestätigung fürs Doppelzimmer folgt übrigens in wenigen Minuten per Mail. Check-in Wir finden das Hotel auch ohne Navigation sofort, die Hotel-Beschilderung in Ascona ist gut. Das Hotel verfügt über eigene Parkplätze direkt vor dem Haus und eine Parkgarage. Der Meldezettel ist ausgefüllt, es fehlen nur noch Autokennzeichen und Unterschrift. Und die Tatsache, dass wir kurzfristig eine Nacht annulliert haben, wird wohlwollend (ohne Stornierungsgebühr) zur Kenntnis genommen. Der Check-in-Prozess an der Rezeption läuft etwas zu schnell, aber korrekt ab. Was uns fehlt (schliesslich befinden wir uns in einem Ferien-Hotel): eine gewisse Entspanntheit und Aufmerksamkeit. Der Gast hat ja Zeit, möchte unmittelbar nach der Ankunft vielleicht mal auf die Terrasse sitzen und einen Drink geniessen. «Welcome Drink» nennt man das in vie- 06I2011 len Häusern. Was wir ebenfalls vermissen: Die Frage nach unserem Wohlbefinden: Wie war denn die Reise nach Ascona? Sind Sie zum ersten Mal in Tessin? Die Dame hinter der Theke ist uns eine Spur zu kühl, zu sachlich – Stil Business-Hotel. Der Portier ist sehr hilfsbereit – und schleppt unser Gepäck durch die Tiefgarage und den Lift nach oben in die erste Etage, wo sich unser Zimmer befindet. Natürlich ist das der einfachste Weg nach oben, aber führt man den Gast unmittelbar nach der Ankunft in seinem «Ferienparadies» durch die Garage ins Zimmer? Zimmer Der Portier stellt das Gepäck in eine Ecke und auf den Gepäckständer – und verabschiedet sich. Und wo, bitte schön, befindet sich die Minibar? Wie funktioniert der Fernseher? Wie reguliert man die Klimaanlage? Gibt es Internet (WLAN) im Zimmer? Wir stehen einsam vor dem Bett und kommen uns ziemlich hilflos vor. Was uns sofort auffällt: das Zimmer ist klinisch sauber! Kein Stäubchen, kein Haar, nichts. Noch selten haben wir ein so sauberes, peinlichst gereinigtes (fast steriles) Hotelzimmer vorgefunden. Auch Bad und Terrasse – perfekt gereinigt, wie ein Klinikzimmer. Die Hausdame macht einen hervorragenden Job. Hut ab! Die andere Seite der «Medaille»: Zimmer und Bad erinnern uns ein wenig an ein Spital. Alles wirkt neutral, hell, wenig atmosphärisch und südlich. Grau-beige Farbtöne, weisse Wände. Sind wir in Zürich oder Hamburg? Nein, in Ascona im Süden! Wäre da nicht die Sicht in den saftig-grünen Garten, auf die hohen Palmen und die mediterranen Pflanzen … Später erfahren wir von der Hoteldirektion, dass man im Hause auch eher bunte Zimmer und Suiten in warmen Farbtönen habe. Zimmer mit südlichem Charme. Das Klima ist angenehm, gefühlte 19 Grad, auf dem Zimmer-Tischchen (gut sichtbar) der Willkommensbrief der Direktorin – von Hand und mit Tinte geschrieben! Daneben zwei Bonbons. Wir hätten eher Lust auf Früchte – ein paar Erdbeeren, Äpfel, Birnen – doch das entspricht offensichtlich nicht dem Standard des Hauses. Schade. Dafür bietet man dem Gast zwei kleine Flaschen Mineralwasser («Aufmerksamkeit des Hauses»). Wir finden das wenig charmant. Da sollte sich die neue Chefin was einfallen lassen. Warum nicht ein paar Amaretti aus dem Tessin? Wie wär ’s mit einer kleinen Panettone von der Konditorei «Al Porto»? Nebst den Nachttischlampen finden wir kleine Leselampen. Und daneben eine Steckdose fürs Handy. Leider ist der Internetzugang nach 30 Minuten gebührenpflichtig (Swisscom Hotspot). Einmal mehr plädieren wir an alle Hoteliers dieser Welt: Gratis-Internet gehört heute zum Hotelangebot wie warmes Wasser! Schafft endlich diese Online-Gebühren ab! Positiv: Das TV-Programm ist bereits geöffnet. Der Gast sieht also sofort, was am entsprechenden Tag im TV so läuft – und auf dem Programm liegt die Fernbedienung. Sehr aufmerksam. 28 TV-Sender und vier Radiokanäle stehen zur Auswahl. Und die Minibar? Alles da, von Cola Light, Weisswein (von Guido Brivio), Bier (Calanda) und Mineralwasser bis hin zum Sekt. Dazu die obligaten Erdnüsschen, Chips und Schokoladenrie- › 81 Restaurant Bar & Lounge Wohnbereich einer Suite Zimmer Aussenpool Park 82 06I2011 Hotel-Test Ascovilla Ascona gel. Zwischenfrage: Warum sieht jede Minibar in Europa in etwa gleich aus? Warum fast überall die gleichen Getränke? Die gleichen Nüsschen und Chips … Immerhin: Die Preise der Getränke sind hier äusserst human. Das Bier kostet fünf, die Cola vier Franken. Leider hängen in der Garderobe Plastik-Kleiderbügel. Und wo hängt der Bademantel? Wir entdecken den geflochtenen Korb mit dem grünen Badetuch bei der Garderobe. Darin liegt der Hinweis: Bademantel und Badeslipper für unsere Wellnessoase sind an der Rezeption erhältlich. Liebe Direktion, machen Sie dem Gast den Aufenthalt in Ihrem Hause so einfach und angenehm wie möglich! Fazit: Legen Sie dem Gast den Bademantel ins Zimmer – vielleicht hat er ja mal Lust, den Mantel im Zimmer oder auf dem Balkon zu tragen. Dafür hängt im Garderobenschrank ein Regenschirm, denn im Tessin regnet es ja fast täglich. Auch wenn uns das graue Zimmer an ein Sanatorium erinnert, an der Wand hängt ein moderner Flachbildschirm von Sony. Der Schreibtisch mit dem Höcker hingegen ist für längeres Sitzen unbequem. Was wir vermissen: ein bequemes Sofa, wo man sich hinlegen und lesen kann. Zur Erinnerung: Das Ascovilla ist ein FerienHotel, 99 Prozent der Gäste machen hier Urlaub! Fazit: Das Zimmer, von dem wir hier sprechen, entspricht nicht dem Niveau eines Vierstern-Ferien-Hotels. In Österreich findet man solche Übernachtungsräume in der Ein- und Zweistern-Hotellerie. Immerhin bietet das Haus (zum Glück!) auch andere Zimmeroptionen. Bad Auch da: Sauber, noch sauberer, am saubersten – das Bad im Hotel Ascovilla. Doch es ist zu klein. Wenn wir uns vorstellen, dass in dieser «Besenkammer» zwei Menschen duschen, Zähne putzen und andere hygienische Aktivitäten erledigen sollten … Ein Schwachpunkt, den die Direktion sofort angehen sollte – oder die Zimmer entsprechend deklarieren (mit den notwendigen Preisanpassungen). Kurz und gut: Trotz Sauberkeit und chemischer Toilettenbehandlung – so ein Bad darf man einem Vierstern-Feriengast nicht zumuten. Positiv: Toilettenbürste, Lavaboabfluss, Wasserdruck, Abfalleimer (mit Plastikbeutel), Licht und Badetücher (weich und nicht verwaschen) sind in Ordnung. Korridor und Aufzug Da gibt es nichts zu kritisieren: So wie Zimmer und Bad, sind auch die Korridore des Hotels perfekt gereinigt. Da steht kein Wäschewagen herum, auch kein gebrauchtes Geschirr vom Room Service. Der Lift funktioniert tadellos, lange Wartezeiten gibt es keine. Die Notausgänge sind nach Vorschrift bezeichnet, Feuerlöscher stehen bereit. Punkto Sicherheit entdecken wir keine Mängel. Aufenthaltsraum Im Parterre des Haus entdecken wir zufällig einen «Aufenthaltsraum für die Gäste». Da liegen Zeitungen und Zeitschriften in einer Art Bücherregal. Das Telefon steht auf einem Glastischchen, geschützt durch eine Serviette. Satte Orange-Rot-Töne im Mobiliar, an den Wänden etwas zu klassische (naive) Serigraphien (Blumenmotive). Befinden wir uns hier tatsächlich im Aufenthaltsraum einer (gehobenen) Seniorenresidenz? Liebe Direktion! Eine gewisse (gewollte) «Unordnung» führt dazu, dass man sich in einem Raum vielleicht wohler fühlt, dass der Raum lebt. Hier erleben wir das Gegenteil. Der Raum wirkt zu aufgeräumt, schon fast steril. Und vielleicht sollte man das klassisch-biedere Mobiliar wieder mal hinterfragen. Aussenbereich Das Ascovilla liegt in einem Park- und Villenquartier von Ascona, nur wenige Minuten von der Piazza am See entfernt. Eine hervorragende Lage für den, der zu Fuss ins Zentrum von Ascona spazieren will. Lido und Golfplatz befinden sich ebenfalls nur wenige Minuten vom Hotel entfernt. Und erst der Garten! Ein kleines Paradies für Blumen- und Pflanzenliebhaber. Typisch Tessin: Kakteen, Palmen, Bananensträucher – man fühlt sich in der Tat im Süden. Alles 06I2011 gepflegt und gehegt. Und mittendrin der kleine Pool, ein Teich, ein paar Liegestühle. Wer Ruhe sucht, legt sich einfach in den Garten. Bar/Terrasse Es gibt zwar im Innern des Hauses eine Bar, doch man geniesst den Aperitif in der Regel draussen auf der Terrasse. Es ist kurz nach 17.30 Uhr, Apéro-Zeit. Wir setzen uns an einen Tisch und erwarten den Service. Gute zwei Minuten später steht der Kellner am Tisch. Er nennt uns beim Namen! Nebenbei reservieren wir noch einen Tisch fürs Abendessen. Wir sind neuerdings drei Personen – und nicht nur zwei. Ein Problem? Mitnichten. Zum Aperitif serviert man uns (hervorragende) Oliven – und Erdnüsse (warum nicht ein wenig Salami oder sonst etwas Typisches aus dem Tessin?). Papierservietten und ein kleines Gefäss für die Olivensteine stehen auf dem Tisch. Leider überlässt man uns jetzt dem Schicksal. Das Glas ausgetrunken, die Oliven verdaut – und es sind mindestens 30 Minuten seit dem ersten Service verstrichen. Wo steckt denn der gute Kellner? Plötzlich steht er da – mit der Bemerkung: «Posso?» (fertig?). Und räumt Olivengefäss und Gläser weg. Die Frage «Haben Sie noch einen Wunsch?» oder «Vielleicht noch ein Glas Ca del Bosco?» fällt ihm nicht ein. Schade. Ambiente & Stimmung Wir stellen uns plötzlich die Frage: Fühlt sich ein 40- oder 50-jähriger Gast im Ascovilla wirklich wohl? Tatsache ist: Im Hotel dominiert derzeit die Alterskategorie ab 65/70. Ältere Herrschaften aus Zürich und Bern bevölkern das Haus. Zwar ein äusserst lukratives Gästesegment (die Leute haben Zeit und Geld), doch eine gewisse Verjüngung könnte dazu führen, dass sich ein junges Paar nicht zwangsläufig in einer Kur- oder Rehabilitationsklinik fühlt. Investitionen in die Hotelinfrastruktur drängen sich in jedem Fall auf, will man weiterhin vier Sterne auf die Türe kleben. Restaurant Apropos Senioren: Um 18.30 Uhr ist das Restaurant, wo in der Regel ein Halbpensionsmenü serviert wird, voll besetzt. Die älteren Herrschaften sitzen artig an ihren Tischchen und warten – aufs Essen. Die meisten trinken offenen Wein und Wasser. Einige verlassen das Lokal bereits um 19.30 Uhr wieder (die «Tagesschau» ruft). Die Tische sind gepflegt und professionell aufgedeckt, die Kerze brennt und die Brötchen liegen bereits auf den Brottellern. Die Begrüssung ist freundlich, aber knapp. Man führt uns an den Tisch – und gefühlte fünf Sekunden später drückt man uns die Speisekarte in die Hand. Nicht nur das: In McDonald's-Manier fragt man uns ab: Mineralwasser? Mit oder ohne Kohlensäure? Wein? Rot oder weiss? Die Karte? Geht es den lieben Kellnern vielleicht darum, den Service so schnell wie möglich über die abendliche Runde zu bringen, weil neunzig Prozent der Gäste um 19.30 Uhr die Tagesschau sehen wollen? Und noch etwas fällt uns an diesem Abend auf: Keiner lächelt! Mit ernster Miene eilen die Service-Leute durch die Reihen, servieren im Eilzugstempo Speisen und Getränke. Nur selten sagt einer mehr als fünf Worte. Klar, das Restaurant ist bis auf den letzten Platz besetzt – und alle wollen essen. Die «Tagesschau» beginnt um 19.30 Uhr. Abendessen Die Butter wird im Töpfchen und nicht abgepackt serviert. Die Speisekarte ist vielfältig, eher bürgerlich-konventionell mit mediterranen «Ausflügen». Was sollen wir essen? Wir haben ja nicht Halbpension gebucht, sondern uns kurzfristig für «à la carte» entschieden. Eine Empfehlung des Kellners? Nichts. Der einzige Hinweis: Man könne das Gourmetmenü komplett, aber auch nur Teile davon haben. Gut zu wissen. Es gibt nur drei Flaschenweine im Offenausschank, darunter ein Spitzengewächs von Meinrad Perler (Merlot, Tenimento dell’Ör). Das Brötchen, das rund eine Stunde vor dem Service auf den Brotteller gelegt wurde, ist mehr oder weniger verdaut. Nachschub? Nicht weniger als drei Anläufe unternehmen wir, um dem Kellner klar zu machen, dass wir noch «etwas Brot» möchten. Was er uns dann präsentiert, darf sich sehen lassen: › 83 vier verschiedene Brote, frisch und schmackhaft. Es folgt der Wein, Bordeaux, Saint Emilion, Jahrgang 2005. Der Kellner öffnet die Flasche ordnungsgemäss am Tisch, schenkt ein und wartet. Kork? Nein, der Wein ist tadellos, nur braucht er noch Luft. Was tut ein professioneller Sommelier? Das Zauberwort lautet: dekantieren. Leider hat unser «Kellner» noch nie davon gehört (später erfahren wir, dass der gute Mann ausgebildeter Sommelier ist). Vorspeisen und Salatbüfett Nach dem «Gruss aus der Küche» (geräucherte Forelle an Joghurtsauce) folgen ein Fischtatar (geschmacklos, neutral), Ricotta-Ravioli (es lebe die Butterküche!) und ein Kalbbries gebraten (nach was schmeckt das Fleisch?). Das Brotkörbchen ist schon wieder leer, doch keiner im Service bemerkt es. Also beginnt das Spiel unter dem Motto «Bitte noch etwas Brot!» von vorne. Wer zwischendurch etwas Salat wünscht, kann sich am Büfett bedienen. Zwar liegen da auch Fisch und Meeresfrüchte auf grossen Platten, doch alles in allem wirkt das Büfett wenig innovativ. Wenn das die Gäste so mögen … Noch ein Tipp ans Service-Personal: halb leere Salatschüsseln wirken unappetitlich, deshalb: Schüsseln und Platten regelmässig auffüllen! Zwischengang Übrigens: Was das Nachschenken des edlen Bordeaux betrifft, zeigen sich die Kellner erstaunlich aktiv. Auch der Zwischengang folgt nur wenige Minuten nach der Vorspeise: Pasta (Tagliatelle) an Safran mit Scampis. Fazit: Die Pasta al dente, die Scampis tadellos gebraten. Kompliment in die Küche! Es ist jetzt 21.10 Uhr – und im Restaurant sitzen nur noch fünf bis zehn Gäste. Im Hintergrund wird bereits das kalte Büfett abgebaut, im Vordergrund werden sich die Kellner bewusst, was eigentlich ihre Hauptaufgabe wäre: nämlich den Gast verwöhnen. Und vor allem: den Gast ab und zu mal fragen, ob er vielleicht noch einen Wunsch hat … Erstaunlich, aber wahr: Nachdem die meisten Gäste das Lokal verlassen haben, entpuppen sich die bis anhin neutralen Kellner zu aufmerksamen Gastgebern. «Eine kleine Pause vor dem Hauptgang?» fragt einer. «Noch etwas Brot?» Wir bestellen eine zweite Flasche Rotwein. Und die zentrale Frage an den «Sommelier» lautet: Was trinkt man nach einem edlen Bordeaux? Sein Tipp: «Vielleicht einen Nero d’Avola aus Sizilien?» Nein, nicht Sizilien, was anderes. Und der gute Kellner/Sommelier wirkt leicht überfordert – bis wir ihm auf die Sprünge helfen: Amarone? Warum nicht ein wirklich schwerer Amarone mit 15 Volumenprozent? Hauptgang Steinbutt auf Kartoffelpüree mit Pilzen an Pestosauce. Ein Riesenfisch! Zwar frisch, aromatisch reizvoll und auf den Punkt gegart, aber zusammen mit dem Kartoffelpüree zu schwer. Der zweite Hauptgang: ein Filet vom Rind. Beste Fleischqualität, perfekt gebraten. Kompliment in die Küche! Fazit: Die Hauptspeisen überzeugen punkto Qualität und Zubereitung, was man aller- 84 dings optimieren könnte: die Beilagen. Motto: lieber weniger, dafür etwas fantasievoller. Käse & Dessert Überraschend der Käsewagen: Italien, Tessin, Frankreich, übrige Schweiz. Schöne Auswahl an gut gereiften Käsesorten – dazu serviert man uns Trauben, Nüsse, Feigensenf, das Übliche. Der Kellner kennt die Käse erstaunlich gut und serviert diese professionell. Später, beim Dessert, haben wir einen speziellen Wunsch: Wir möchten bloss etwas Früchte, frische Beeren, Ananas, Kiwi, dazu vielleicht eine Kugel Eiscreme. Auf der Karte existiert das Dessert so nicht. «Kein Problem, machen wir», so die Antwort des Kellners. Das zweite Dessert: Sabayone mit Amaretto (statt Marsala). Hervorragend! Später, zu Espresso und Grappa, serviert man uns kleine Süssigkeiten (Friandise), schön präsentiert auf einer Platte. Wir verlassen das Restaurant kurz vor 23 Uhr – als die letzten Gäste an diesem Abend. Kurz vor d en rag t Mitternacht schauen wir uns die or r gu t v r h He Se Gu Spätausgabe der Tagesschau an. bewertung Frühstück Reservierung: Check-in: Zimmer: Bad: Mitteilungen: Sicherheit: Aussenbereich: Lobby & Bar: Restaurant: Frühstück: Mitarbeiter/Freundlichkeit: Check-out: Um es vorwegzunehmen: ein schweizerisches Durchschnitts büfett. Zwar ist alles da – diverse ✓ Brote, Marmelade (zum Teil abge✓ packt), Käse, Fleisch (Salami, Aufschnitt), Joghurt, Körner, Früchte. Aber solche Büfetts finden wir auch in Hotels in Zürich, München oder St. Gallen. Doch wir weilen im Tes✓ sin! Und da gibt es viele Spezialitäten, die man dem Gast am Morgen anbieten und ihn damit überra- Gesamteindruck: schen könnte. Natürlich entdecken wir auf dem Büfett etwas Salami und eine Panettone. Aber das Tessin bietet mehr! Hervorragend schmeckt das frisch und mit Milch zubereitete «Birchermüesli». Draussen scheint die Sonne und es ist mild – aber die Gäste sitzen drinnen im Frühstücksraum. Warum deckt man die Tische auf der Terrasse nicht auf? Wir setzen uns auf die Terrasse, an einen nicht gedeckten Tisch. Und wie reagiert das Service-Personal? Kein Problem! In weniger als zwei Minuten ist der Tisch bereit. Leider überlässt man uns hier dem Schicksal, denn auch nach 40 Minuten kümmert sich niemand um unseren Tisch. Noch ein Wort zu den Eierspeisen: Warum bereitet man diese nicht frisch in der Küche zu? Auf Wunsch des Gastes? Das Rührei in der Wärmebox wirkt nicht sehr appetitlich, eher etwas abgestanden. Und der Orangensaft? Muss es denn wirklich ein Convenience-Produkt aus dem Beutel sein? ✓ B ie efr d d e n af t e n di g g e lh e nü g n g Ma Un ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ Lobby & Empfangsbereich Ja, die Lobby wirkt kühl, wenn nicht unterkühlt. Der weisse Marmor an der Theke, die hellen Wände, das Licht – für unseren Geschmack nicht die wohnlichste (sprich südlichste) Atmosphäre. Erinnerungen an ein deutsches Mittelklasshotel im Ruhrgebiet werden wach. Bitte mehr Blumen! Mehr Farben! Wir sind im Tessin – nicht in Dortmund! Ein anderes Detail in der Lobby, das uns ins Auge springt: der grosse Ständer mit all den Prospekten und Reisekatalogen. Befinden wir uns in einem Hotel oder in einem Reisebüro? Der eigentliche «Höhepunkt» im Lobby-Bereich: die «Telefonkabine» mit einem Geldautomaten. Mag im Zeitalter von Internet und mobiler Kommunikation ja irgendwie nostalgisch wirken – aber in einem Vierstern-Ferien-Hotel im Tessin? 06I2011 Hotel-Test Ascovilla Ascona Wellness Sauna, Dampfbad, Whirlpool, Ruhe- und Massageraum. Jedes österreichische Dreistern-Hotel bietet mehr. Sprechen wir also nicht von Wellness – oder gar von einer «Wellnessoase» (Hotelprospekt). Wer einen Spa auf Top-Niveau erwartet, ist im Ascovilla am falschen Ort. Check-out Da gibt es grundsätzlich nichts zu bemängeln. Die Rechnung ist korrekt, die Dame an der Rezeption vielleicht etwas hilflos, aber nett. Wäre da nicht die Direktorin des Hauses, die sich als engagierte Gastgeberin persönlich und intensiv um jeden einzelnen Gast kümmert … Fazit «Hotelier» Das Ascovilla, wie es sich heute präsentiert, ist aus unserer Sicht ein Dreistern-Superior-Hotel. Die Führung des Hauses täte gut daran, auf einen Stern zu verzichten. Die Gründe liegen auf der Hand: einige der Zimmer entsprechen nicht (mehr) dem First-Class-Standard, wenn es um Komfort, Ausstattung und Design geht. Die Badezimmer sind zu klein. Die Küche dürfte – trotz hoher Qualität der Produkte – innovativer, südlicher und regionaler sein. Und der Service? Da vermissen wir eine gewisse Konstanz. Es darf nicht sein, dass die Kellner erst nach 21 Uhr (wenn die meisten Gäste das Lokal verlassen haben) ihren Job richtig und mit der nötigen Aufmerksamkeit und Herzlichkeit machen. Und die Hardware (sprich Infrastruktur)? Auch da drängen sich Investitionen auf. Schön, dass man dem Gast eine Sauna und ein Dampfbad anbieten kann, aber das ist – wenn überhaupt – Dreistern-Standard. Was uns positiv aufgefallen ist: Margot Faucherre, die neue Direktorin. Mit viel Herzblut und Engagement versucht sie, ihr Team auf Touren zu bringen. Hoffen wir, dass ihr der Durchbruch gelingt – ob mit drei oder vier Sternen, sei dahingestellt. Tatsache ist: Auch als Vierstern-Hotel mit Handicaps ist das Ascovilla eines der fühH renden First-Class-Häuser am Platz. Was sagt DER HotelIER ? Obwohl ich erst seit wenigen Wochen im Hotel Ascovilla arbeite, stehe ich voll und ganz hinter den vier Sternen unseres Hauses, den Mitarbeitern und der Philosophie des Hotels. Wäre die Grösse der Zimmer für die Klassifizierung der Schweizer Hotels ausschlaggebend, müsste man wohl manchem Hause einen Stern absprechen. Sicherlich kann, muss und wird man am Ambiente unserer acht in diesem Winter renovierten Zimmer einiges verbessern. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass die Besitzerfamilie jeden Winter beträchtliche Summen in Renovationen steckt. Die Platzverhältnisse erlauben es uns leider nicht, unseren Gästen einen grösseren Wellness-Bereich zur Verfügung zu stellen. Wir sind aber auch nirgends als «Wellnesshotel» aufgelistet; da unser Betrieb nur von März bis Oktober geöffnet ist, hält sich die Nachfrage nach Wellness in Grenzen. Betreffend Seniorenresidenz; wir sind sehr stolz, dass wir unseren Stammgästen im Mai ein spezielles Package anbieten können, welches auch rege genutzt wird. Die jüngeren Gäste beehren uns jeweils am Wochenende, während des Jazz-Festivals und im Sommer. Bei Ihrem Restaurantbesuch handelt es sich definitiv um eine Augenblicksanalyse, die in keiner Weise die Freundlichkeit unserer langjährigen Mitarbeitenden widerspiegelt. Dies bezeugen unsere zahlreichen Stammgäste (viele von ihnen 40- bis 50-jährig) und die schriftlichen Gästebefragungen. Als wirklich konstruktive Kritik haben wir jedoch Ihre Anregungen bezüglich Gratis-Internet, Bademantel, Frühstücksbüfett, Eingangsbereich und Webseite verstanden. Wir danken Ihnen für Ihren Besuch. Margot Faucherre, Direktorin Hotel Ascovilla Klassifizierung: Vier Sterne Eröffnung: 1985 Inhaber: Familie E. und M. Dreier Direktion: Margot Faucherre Direktorin Margot Faucherre 06I2011 Zimmer: 49 und 6 Suiten Zimmergrösse: 21 bis 25 m2 Grösse Suiten: 31 bis 90 m2 Betten: 100 bis 110 Mitarbeitende total: 36 Davon Lernende: 3 Mindest-Zimmerpreis: 360 Franken Max. Zimmerpreis: 420 Franken Herkunft der Gäste: 65 % Schweiz, 30 % Deutschland, 5 % andere Länder Anteil Feriengäste: 99 % Wellness-Angebote: Kleiner Wellness-Bereich mit Sauna, Solarium, Dampfbad, Whirlpool und Ruheraum Parkplätze/Parkhaus: 26 Garagenplätze, 23 Aussenparkplätze Restaurants: 60 Plätze Sitzplätze Bar: 28 Terrasse / Gartenrestaurant: 60 Sitzplätze Adresse Via Albarelle 37/Via Lido 20, 6612 Ascona Durchschnittlicher Zimmerpreis (DZ): 390 Franken www.ascovilla.ch [email protected] 85