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Nachbar BAHN 5 Jahre EU-Osterweiterung: Wo bleibt der Fortschritt im Reisezugverkehr Polen – Deutschland? Von Jolanta Laskowska und Florian J. Anders Am1. Mai 2009 jährt sich der Beitritt der mitteleuropäischen Staaten zur EU zum fünften Mal, im Dezember 2008 wurde schließlich der„SchengenRaum“ bis an die Grenzen zur GUS erweitert. Doch welche Auswirkungen hatte dies auf das Angebot im Eisenbahnbahnpersonenverkehr von Deutschland in Richtung der 2004 in die EU aufgenommenen Staaten? – Bislang praktisch keine! Eine Aussage, die erstaunt und nachdenklich stimmt. Muss das so sein? Nein, sicherlich nicht – ein Blick in den Fahrplan verrät, dass z. B. zwischen Österreich und seinen östlichen Nachbarn das Zugangebot in den letzten Jahren deutlich verbessert wurde. Und die Vergleichbarkeit ist durchaus gegeben: Beide Hauptstädte (Berlin und Wien) liegen nah an der jeweils östlichen Grenze und im 500 km-Umkreis findet man mehrere aufstrebende Großstädte auch im Nachbarland. Grund genug, einmal das heute existierende Angebot im Eisenbahnpersonenverkehr Deutschland – Polen zu analysieren, unter anderem im Vergleich zum Angebot Österreich – östliche Nachbarländer, und konkrete Vorschläge zur Verbesserung zu unterbreiten. Vergleich„Verkehre zum östlichen Nachbarn“ In ungefähr je 100 km Entfernung von Berlin (3,4 Mio. Einwohner1) finden sich sechs Eisenbahngrenzübergänge nach Polen: Grambow, Tantow, Küstrin-Kietz, Frankfurt (Oder), Guben und Forst. Insgesamt 242 direkt Berlin berührende Zugpaare nutzen diese Grenzübergänge. In ähnlichem Umkreis um Wien finden sich acht Eisenbahngrenzübergänge in Richtung Osten (4x Ungarn, 2x Slowakei, 2x Tschechien). Diese Übergänge werden täglich von über 110 Zugpaaren genutzt, die Wien direkt erreichen! Die dortige Zugdichte entspricht somit mehr als dem Vierfachen des Berliner Angebots, welches im Übrigen teilweise sogar hinter jenem der 1990er Jahre zurückbleibt. (Die Details zu den nachstehenden Korridorvergleichen sind jeweils den Tabellen rechts zu entnehmen.) Zunächst die Positivbeispiele Berlin – Kostrzyn und Wien – Breclav: Kostrzyn und Breclav sind von vergleichbarer Größe und vergleichbarer Entfernung zur Großstadt im Nachbarland und das Zugangebot ist vergleichbar: Im Vergleich der Relationen Berlin – Szczecin mit Wien – Brno schneidet letztere bei der Zahl der durchgehenden Verbindungen klar besser ab. Zählt man die Umsteigeverbindungen mit, besteht heute ein ähnliches Niveau. Die Entfernungen Berlin – Poznan und Wien – Budapest sind mit bahnaffinen 260 km fast identisch und die kürzeste Reisezeit ist bis auf die Minute gleich – gute Voraussetzungen für ein attraktives Angebot! Recht drastisch fällt das Ergebnis beim Vergleich Berlin – Gorzow zu Wien – Györ aus: Während Györ 20 Direktverbindungen nach Wien hat, gibt es zwischen Berlin und Gorzow lediglich derer sieben und auch davon nur einen Direktzug. Negativbeispiel schlechthin ist die Verbindung Berlin – Wroclaw, die bei indiskutabel langer Rei- Seite 16 sezeit nur 1x am Tag umsteigefrei angeboten wird! Von der Größe und Entfernung her vergleichbar ist Praha, hier gibt es acht umsteigefreie Verbindungen pro Tag (= Zweistundentakt). Wasfehlt? Zunächst fehlen Verbindungen. Und dort wo Verbindungen angeboten werden, wird das dafür verwendete Fahrzeugmaterial oft ineffizient eingesetzt. Wie das verbessert werden kann, zeigen weiter unten einige praktische Vorschläge. Doch nicht nur der zahlenmäßige Mangel an Verbindungen ist zu beklagen. Weitere Mankos im Eisenbahnverkehr Deutschland – Polen sind: land verbreitet anzutreffenden kommerziellen Fahrgemeinschaften(„Minibus“)immerumsteigefrei fahren. Ferner ist bei polnischen Bahnreisenden selbst im Fernverkehr das Umsteigen noch „wenig geübt“. Traditionell ist der innerpolnische Verkehr von der PKP vorrangig über vielfältige umsteigefreie Direktverbindungen geprägt; es gibt kein ausgeprägtes Linienkonzept und nur wenig bewusst gestaltete Anschlussbeziehungen. Verbesserungsbedarf besteht in beiderlei Hinsicht: Schaffung weiterer Direktverbindungen und intelligente Gestaltung von Anschlussverknüpfungen – und deren aktive Vermarktung. Fehlende Verknüpfung, kaum Direktverbindungen Es besteht nur eine unzureichende Verknüpfung der Verkehrsangebote, insbesondere gibt es fast keine Direktverbindungen. Jeder Umsteigezwang ist ein Grund, die Eisenbahn nicht zu nutzen, erst recht dazu in einem fremden Land, dessen Sprache man nicht oder nur wenig spricht. Vergleichsweise harmlos ist (für den geübten Fahrgast!) da ein Umsteigen etwa in Angermünde. Doch für den Urlauber aus Berlin, der mit Gepäck und Fahrrädern nach Masuren fährt ist der Umsteigezwang in Szczecin genauso ein Ausschlusskriterium wie der Umsteigezwang in Berlin für die Tante aus Poznan auf dem Weg nach Hannover. Hinzu kommt noch, dass Fernbuslinien oder die im Verkehr Polen – Deutsch- Fehlendes Marketing Gibt es ein Marketing für den Eisenbahnverkehr Polen – Deutschland? Es gibt Fahrplanfaltblätter Berlin – Kostrzyn oder Berlin – Szczecin. Doch das ist alles. Während die DB AG mit großem Engagement bestimmte Angebote auf anderen Relationen bewirbt (Prospekte oder Plakate für den Thalys, Sonderangebote für den Nachtzug nach Paris oder in die Schweiz), wird für die Verbindungen nach Osten praktisch nichts unternommen. Die Verkehrsangebote werden praktisch nicht beworben und die preislich besonders attraktiven Tarifangebote zudem eher reduziert. Das „Europa Spezial“ für 19 EUR wird seit Dezember 2008 zwischen Berlin und Warschau nicht mehr angeboten. Lediglich das Dresden-Wroclaw-Spezial wäre hier noch zu nennen. Berlin - Kostrzyn Wien - Breclav Einwohner Entfernung (in Tsd.) (Bahn-km) 18 81 direkt 26 91 direkt Anzahl Verbindungen Richtung Richtung West-Ost Ost-West 18 18 20 22 kürzeste Reisezeit Richtung Richtung West-Ost Ost-West 01:09 01:20 00:57 01:00 von Berlin nach Szczecin von Wien nach Brno Einwohner Entfernung (in Tsd.) (Bahn-km) 407 140 direkt 1x U 370 150 direkt 1x U Anzahl Verbindungen Richtung Richtung Süd-Nord Nord-Süd 2 2 8 12 9 9 9 5 kürzeste Reisezeit Richtung Richtung Süd-Nord Nord-Süd 02:02 02:00 01:54 01:57 01:32 01:35 02:18 02:09 Einwohner Entfernung (in Tsd.) (Bahn-km) 559 256 direkt 1x U 1.702 260 direkt 1x U Anzahl Verbindungen Richtung Richtung West-Ost Ost-West 4 4 1 1 11 10 5 5 kürzeste Reisezeit Richtung Richtung West-Ost Ost-West 02:58 03:00 04:17 04:24 02:58 02:59 03:06 03:09 Einwohner Entfernung (in Tsd.) (Bahn-km) 125 123 direkt 1x U 128 120 direkt 1x U Anzahl Verbindungen Richtung Richtung West-Ost Ost-West 1 1 6 7 20 21 0 2 kürzeste Reisezeit Richtung Richtung West-Ost Ost-West 02:24 02:16 01:57 02:15 01:29 01:31 01:31 Einwohner Entfernung (in Tsd.) (Bahn-km) 633 350 direkt 445 1x U 490 NZ 1.223 370 direkt 1x U 1.223 405 direkt 1x U Anzahl Verbindungen Richtung Richtung West-Ost Ost-West 1 1 5 3 1 1 8 8 1 0 8 7 2 2 kürzeste Reisezeit Richtung Richtung West-Ost Ost-West 05:56 06:04 05:51 05:52 07:42 07:28 04:24 04:38 05:36 04:03 04:05 04:31 04:33 Berlin - PoznaĔ Wien - Budapest Berlin - Gorzów Wien - Györ Berlin - Wrocáaw Berlin - Praha Wien - Praha BAHN-REPORT 3/09 Nachbar BAHN „Zwei Bahnen, aber keine ist zuständig“ – so kann das Motto des deutsch-polnischen Grenzverkehrs beschrieben werden. Es gibt weder eine gesamthafte Verantwortung noch Produkt- oder Linienmanager bei der DB und PKP, während im grenzüberschreitenden Verkehr mit anderen Nachbarbahnen eigene Projektgesellschaften mit genau dem Ziel der optimalen Vermarktung gegründet wurden. Sicherlich gibt es zarte Ansätze zur Gewinnung zusätzlicher Fahrgäste, so z. B. der auch in polnischer Sprache verfügbare Internetauftritt www.bahn.de bzw. die dort eingespielten Fahrplandaten aus Polen. Allerdings ist weiterhin keine Online-Buchung von grenzüberschreitenden Fahrkarten möglich – was im Verkehr mit anderen Nachbarländern Deutschlands längst zum Standardangebot gehört. Warum ist das Angebot so (schlecht),wie es ist? Fehlender Bedarf? – Nein. Zwar war und ist die Beziehung Deutschland – Polen auf staatlicher Ebene gelegentlich nicht einfach, doch Deutschland ist Polens größter Handelspartner und Polen ist bei der Beliebtheit als Reiseland in Deutschland auf einer guten vorderen Position. Es bestehen vielfältige familiäre Bindungen zwischen beiden Ländern. Mangelnde Infrastruktur? – Es wäre falsch, den Ausbaustandard der grenzüberschreitenden Strecken Deutschland – Polen als „optimal“ zu bezeichnen. Er ist jedoch auch keinesfalls schlecht. Auch wenn sich wichtige Infrastrukturmaßnahmen wie der Ausbau der Strecken Angermünde – Szczecin, Hoyerswerda – Horka – Neißebrücke und die Fertigstellung des Ausbaus Berlin – Erkner seit Jahren hinziehen, sind die heute möglichen Reisezeiten per Bahn auf vielen Relationen durchaus konkurrenzfähig zum Straßenverkehr. Mangelnde Interoperabilität? – Ja, es mangelt (noch) an Triebfahrzeugen, die sowohl in Deutschland als auch in Polen zugelassen sind. Doch es muss als klares „Ja, aber“ formuliert werden: Warum werden die vorhandenen Fahrzeuge nicht eingesetzt, um das Angebot zu verbessern? Warum wurde nur so wenig unternommen, die Zahl der beiderseits der Grenze zugelassenen Fahrzeuge zu vergrößern? Und schließlich: Gerade in den letzten Monaten sind einige Fahrzeuge aus Deutschland auch in Polen zugelassen worden, die zur Verbesserung des Angebots eingesetzt werden könnten. MangelndeZusammenarbeit?–Ja, leider muss – trotz klarer Verbesserungen der letzten Zeit (Umsteigebeziehungen Kostrzyn, Züge Dresden – Wroclaw) festgestellt werden, dass die Zusammenarbeit über die Grenze noch verbesserungsfähig ist. Dies betrifft sowohl die Bahnunternehmen als auch die Aufgabenträger. Zweifelsohne arbeiten auch die Besteller auf eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Verkehrs hin, so z. B. das Engagement des VBB für die Verbesserung der Anschlüsse in Kostrzyn und Angermünde. Positiv hervorzuheben ist zudem der VBB-Übergangstarif nach Szczecin und Kostrzyn, auch wenn die entsprechenden Fahrscheine nicht im gesamten VBB-Gebiet vertrieben werden. Doch auch bei den Aufgaben- BAHN-REPORT 3/09 Die „Ostbahn“ ist die bestbediente Grenzstrecke zwischen Deutschland und Polen, an Durchbindungen aber mangelt es. Auch D 88100 „Kopernik“ nach Warschau, der im Bild von I. Kühl Kostrzyn verlässt, ist ein rein polnisches Binnenprodukt, auch wenn die üppige Wendezeit der Wagengarnitur eine durchgehende Verbindung mit Berlin erlauben würde. trägern bleiben Fragen offen, z. B. ob tatsächlich Eisenhüttenstadt (33.000 Einwohner) während der ganzen Vertragslaufzeit des derzeit in der Ausschreibung stehenden Städtebahn-Loses Endpunkt der Linie RE 1 bleiben soll. Wären nicht Durchbindungen alternierend nach Poznan (559.000 Einw.) oder Zielona Gora (117.000 Einwohner) anzustreben? Die Antwort des VBB auf entsprechende Anfrage des BAHN-REPORT macht in dieser Hinsicht wenig Hoffnung: Einerseits sei die Nachfrage nicht ausreichend, andererseits habe man die Ausschreibung nicht mit dem schwierigen Thema belasten (Stichwort interoperable Fahrzeuge, erforderliche Zulassung des EVU in beiden Ländern etc.) wollen. Der VBB verwies allerdings auch darauf, dass für die Zukunft gemeinsame Ausschreibungen mit polnischen Aufgabenträgern vorgesehen seien, allerdings erst nach einer Gesetzesänderung in Polen, die es den dortigen Aufgabenträgern ermöglicht, direkt mit ausländischen Aufgabenträgern Verträge zu schließen. Es kann nur besser werden! Die Vorschläge zur Verbesserung des Angebots sind zweigeteilt: Zunächst wird dargestellt, auf welche Fahrzeuge (zum Teil nach Umbau oder Anpassung) bei der Angebotsverbesserung zurückgegriffen werden kann. Anschließend wird streckenbezogen dargestellt, welche Verbesserungen sinnvoll sind. Lokomotiven - SU46: Einige dieser sechsachsigen polnischen Diesellokomotiven sind für den Einsatz in Deutschland ausgerüstet, sie erreichen planmäßig Cottbus. Zur Vermeidung von Lokwechseln Diesel/Diesel wäre ihr Einsatz auch bis Berlin oder Dresden denkbar. - 232/234: Einige der Fahrzeuge (im Einsatz z. B. bei den DB-Töchtern East-West-Railways und PCC) sind für den Einsatz in Polen und Deutschland ausgerüstet. Zur Vermeidung von Lokwechseln Diesel/Diesel ist auch ihr Einsatz im Reisezugverkehr möglich. - 145/146/185/186„TRAXX“: Diese Fahrzeugreihe ist in Deutschland und Polen zugelassen. - 182/183 „Taurus“: Die Zulassung dieser Baureihe läuft in Polen derzeit. - 180/371/372: Diese Skoda-Elloks können ebenfalls im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt werden. Für einen Einsatz östlich Rzepin wären jedoch das polnische Zugsicherungs- und Funksystem nachzurüsten. - Fazit: Bei allen grenzüberschreitenden lokbespannten Zügen kann der Lokwechsel Ellok/Ellok oder Diesel/Diesel absehbar eigentlich entfallen, wenn die verfügbaren Lokomotiven tatsächlich dafür eingesetzt werden, oder bei Bedarf der Bestand entsprechend erweitert wird. Triebwagen - 605 ICE-TD: In der Presse wurde über einen Vorschlag der DB AG an die PKP berichtet, diesen Zug zwischen Berlin und Warszawa einzusetzen. Unter anderem aufgrund des Tunnelbahnhofs Warszawa Centralna ist dieser Vorschlag wenig realistisch. Auf anderen Strecken wäre der Einsatz des ICE-TD jedoch durchaus als sinnvolle Option anzusehen. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass der Laufweg nichtelektrifizierte Strecken umfasst und zumindest auf längeren Abschnitten 160 km/h oder mehr möglich sind. - Der Desiro (BR 642) ist, allerdings nur mit wenigen Exemplaren, bislang der einzige in beiden Ländern zugelassene und mit technischen Einrichtungen für beide Netze ausgerüstete Neubau-VT. - Stadler bereitet die Zulassung des RegioShuttles für Polen vor, die Elektrotriebwagen der Bauart FLIRT verkehren bereits in beiden Ländern, wenn auch noch nicht grenzüberschreitend. - Die von der NEB eingesetzten Talent-Triebwagen haben eine auf den Abschnitt Grenze – Kostrzyn beschränkte und nur befristete Zulassung in Polen, da sie nicht über das polnische Zugsicherungssystem verfügen. Seite 17 Nachbar BAHN - 614, 624, 628: Während die Baureihe 624 bereits im polnischen Binnenverkehr eingesetzt wird, gibt es für die Baureihe 614 derzeit entsprechende Überlegungen. Die 628 hingegen sind bisher nur im kleinen Grenzverkehr eingesetzt. Alle drei Triebwagenbaureihen wären jedoch für die Verbesserung des Verkehrsangebots Deutschland – Polen gut geeignet, denn im Vergleich zu vielen Neubau-VT sind sie recht geräumig. Zudem sind sie weitgehend abgeschrieben, so dass die Fahrzeugkosten bei etwaigen Neuverkehren niedriger angesetzt werden könnten. Einziger Nachteil ist die fehlende Niederflurigkeit. Konkrete Vorschläge zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Fahrplanangebots Die auf die einzelnen Routen bezogenen Vorschläge stellen zunächst den Zielzustand dar und unterbreiten dann kurzfristig realisierbare Vorschläge mit folgenden Prämissen: - Erhöhung der Zahl der Reisemöglichkeiten - Schaffung umsteigefreier Verbindungen - Integration in das bestehende Angebot - Für den ersten Schritt: Bessere Ausnutzung der vorhandenen Fahrzeuge Pasewalk – Grambow – Szczecin Der derzeitige Zweistundentakt ist akzeptabel, sollte aber perspektivisch durch Bestellungen der Aufgabenträger verdichtet werden, wenn sich zunehmend Pendlerbeziehungen mit Szczecin aus den westlich gelegenen deutschen Orten entwickeln. Dies gilt auch für den Nahverkehr Angermünde – Szczecin (s. u.). Berlin – Angermünde – Szczecin Langfristig anzustreben ist eine schnelle, umsteigefreie Verbindung Berlin – Szczecin im Stundentakt. Hierzu ist die Strecke bis Szczecin zu elektrifizieren. Die Anbindung könnte ggf. ein Flügelzugkonzept mit den Zügen Berlin – Stralsund oder Berlin – Schwedt vorsehen. Darüber hinaus besteht Bedarf für die Schaffung durchgehender Reisemöglichkeiten an die polnische Ostseeküste und nach Deutschland über Berlin hinaus. Um kurzfristig eine spürbare Verbesserung des Verkehrs mit vergleichsweise geringem Mehraufwand realisieren zu können, sollte angestrebt werden, bestehende Angebote besser zu verknüpfen. Dies könnte praktisch laufleistungsneutral erreicht werden, wenn man z. B. den bisherigen RE Potsdam – Szczecin auf einen polnischen Schnellzug Richtung Gdansk durchbindet. Es könnte sich anbieten, weitere internationale Durchläufe zu schaffen, indem Züge der IC-Linie Halle – Berlin – Stralsund in Angermünde geteilt/vereinigt werden mit Flügelzügen oder Kurswagen, die in Polen in die bestehenden etwa zweistündlichen Verkehre Szczecin – Gdansk – Bialystok eingebunden werden. Berlin – Kostrzyn – Gorzow Der Stundentakt Berlin-Lichtenberg – Kostrzyn ist heute das„Premium-Angebot“ im Polenverkehr nach Berlin. Allerdings besteht in Kostrzyn Umsteigezwang, den es schnellstmöglich zu beseitigen gilt. Das heutige Fahrplanangebot Berlin – Kostrzyn – Gorzow – Krzyz wird von sechs Triebwagen bewältigt, jeweils drei Umläufe Berlin – Kostrzyn und Kostrzyn – Krzyz zuzüglich 1-2 Trieb- Seite 18 wagen zur Verstärkung einzelner Kurse. Bei grenzüberschreitendem Fahrzeugeinsatz und Kooperation der beteiligten EVU könnte ohne zusätzliche Umläufe annähernd ein durchgehender Stundentakt Berlin – Gorzow mit weiteren Durchbindungen bis Krzyz gefahren werden. Überdies bietet die rund 20-stündige Wendezeit der Garnitur des innerpolnischen Schnellzuges „Kopernik“ in Kostrzyn Möglichkeiten zur Durchbindung bis Berlin ohne Fahrzeugmehrbedarf. Hier wären die beteiligten Bahnen gefragt, die grenzüberschreitende Fahrzeugzulassung voranzutreiben und dann einen gemeinsamen Fahrzeugeinsatz zu planen. Die Aufgabenträger müssten dies allerdings anstoßen, denn derzeit hat z. B die vom VBB beauftragte Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) unter den Bedingungen des Bruttovertrages keinen Anreiz für eigene Initiative in dieser Hinsicht. Berlin – Frankfurt (Oder) – Poznan – Warszawa Es gibt wenig so gut trassierte und so gut ausgebaute (vmax 160 km/h), Metropolen verbindende Eisenbahnmagistralen in Europa, die nur so gering genutzt werden, wie die Verbindung Berlin – Poznan – Warszawa. Ein Zweistundentakt erscheint hier eigentlich angemessen, der auf vergleichbaren Strecken längst Standard ist, siehe oben z. B. Wien – Budapest. Nachdenklich stimmt auch, dass die heute hier angebotenen drei ECZugpaare den Einsatz von vier Zuggarnituren erfordern. Bei einer anderen Verteilung über den Tag ließen sich ohne zusätzlichen Fahrzeugeinsatz bereits vier Zugpaare fahren. Dringend geboten ist somit die Aufstockung des Angebots zwischen Berlin und Poznan; im Abschnitt Poznan – Warszawa besteht hingegen ein dichteres Angebot, welches in den verbesserten Verkehr mit Berlin einbezogen werden kann. Poznan ist mit seinen über 550.000 Einwohnern nicht nur attraktive Quelle und Ziel, sondern bietet auch sternförmig Verbindungen nach weiteren Teilen Polens, so dass es auch denkbar ist, nicht nur die Strecke nach Warszawa in das Angebot von Direktverbindungen zu integrieren. Ein weiteres Manko dieser Strecke ist die bisher westlich Berlins fehlende Einbindung in das deutsche Fernverkehrsnetz. Es bietet sich geradezu an, hier in Zukunft Durchbindungen zu den Linien Berlin – Hannover – Amsterdam und Berlin – Hamburg zu schaffen. Eine verkehrlich besonders interessante Option wäre zudem, die Trasse der EC 341/340 Hamburg – Berlin – Krakow zwischen Berlin und Wroclaw über Poznan zu führen. Hierdurch entstünde nicht nur eine weitere Fahrmöglichkeit Berlin – Poznan, sondern durch den Stundentakt zwischen Poznan und Warszawa auch eine Umsteigeverbindung zwischen beiden Hauptstädten. Die heutige Zuglänge des „Wawel“ würde es auch ermöglichen, neben den Wagen Hamburg – Krakow eine Wagengruppe Hamburg – Berlin – Gdynia mitzuführen, wodurch Städte wie Gniezno, Bydgoszcz, Gdansk, Sopot, Gdynia umsteigefreie Verbindungen nach Deutschland erhielten. Bei geringfügiger Fahrplananpassung in Polen könnte ein bestehendes Zugpaar Gdynia – Poznan eine solche Wagengruppe befördern. Eine Reisezeitverlängerung für den „Wawel“ entstünde durch diese Umtrassierung aufgrund der geringen Reise- geschwindigkeit auf der heutigen Route nicht. Allein schon durch die Verlegung des EC Wawel und Beschleunigung des Berlin-Warszawa-Express’ mittels Verzicht auf Lokwechsel und Einsatz 160-km/h-fähiger Mehrsystemloks ließe sich ohne Aufstockung des Fahrzeugeinsatzes das Angebot zwischen der deutschen und der polnischen Hauptstadt und über den Knoten Poznan mit weiten Teilen Polens deutlich verbessern. Im Regionalverkehr wird der Grenzübergang Frankfurt (Oder) – Rzepin derzeit von drei Zugpaaren täglich befahren. Eine Verbesserung des Angebots sowohl zur Großstadt Zielona Gora (117.000 Einw.) ist ebenso erforderlich wie eine adäquate Bedienung der zwischen Frankfurt (Oder) und Poznan gelegenen acht Mittelstädte Slubice, Rzepin, Swiebodzin, Zbaszynek, Zbaszyn, Nowy Tomysl, Opalenica und Buk. Hier wäre ein Zweistundentakt eigentlich verkehrlich angemessen, indem im Zielzustand z. B. aus Richtung Berlin kommende (bislang in Frankfurt endende) RE alternierend weiter nach Zielona Gora und Poznan verkehren. Vernünftig wäre unter Kapazitätsaspekten auch eine Flügelung, denn die im Kernzuglauf auf der Berliner Stadtbahn benötigten über 500 Plätze je Zug sind spätestens zwischen Frankfurt und Eisenhüttenstadt völlig überdimensioniert, so dass die dort nicht benötigte Zughälfte auch verkehrlich sinnvoller nach Polen fahren könnte. Eine entsprechende Bestellung der Leistungen durch die deutschen und polnischen Aufgabenträger ist dafür allerdings erforderlich. Die aktuell von VBB gesteuerte Ausschreibung der RE 1-Verkehre schafft leider nicht die Voraussetzungen für solche Perspektiven. Guben – Gubin – Czerwiensk Die Wiedereröffnung dieser Strecke ist für den 1. Juni 2009 angekündigt, vorerst allerdings nur mit zwei Zugpaaren Zielona Gora – Guben, so dass z. B. die Nutzung dieser Verbindungen für einen Tagesausflug kaum möglich ist. Nach Aussage des VBB ist eine gemeinsame Ausschreibung mit dem polnischen Aufgabenträger für zwei Zugpaare Cottbus – Guben – Zielona Gora geplant, was dieser Verbindung eine Perspektive über den Erprobungsstatus hinaus eröffnet. Dies kann als erfreuliche und durchaus überraschende Verbesserung angesehen werden. Dennoch sind die geplanten zwei Zugpaare ein sehr dünnes Angebot, eine Verbesserung auf mindestens drei Fahrtenpaare (z.B.„mittags,morgens,abends“) wäre wünschenswert. Cottbus – Forst – Zagan Der EC 340/341 nutzt heute diese Strecke, was allerdings für die meisten Nutzer eher Fluch als Segen ist, denn insbesondere der Abschnitt Zagan – Legnica (74 km, 1,5 h) ist in schlechtem Zustand. Das Regionalzugangebot besteht hier heute aus zwei Zugpaaren. Die Verlegung des EC 340/341 auf die Route über Poznan bietet sich daher nicht nur wegen der oben dargestellten Verknüpfungseffekte an. Verkehrlich sinnvoll scheinen auf diesem Korridor einige durchgehende Zugpaare Cottbus – Zagan – Legnica. Die Zulassung der heutigen im SPNV eingesetzten Fahrzeuge im jeweiligen Nachbarland und der gemeinsame grenzüberschreitende Einsatz der beteiligen EVU könnte dies auch BAHN-REPORT 3/09 Nachbar BAHN ohne größere Zugkilometerausweitungen ermöglichen. Voraussetzung wäre auch hier, dass die beteiligten Aufgabenträger dies initiieren, da die derzeitigen territorial begrenzten Verkehrsverträge mit den EVU keine Anreize für unternehmerische Eigeninitiative bieten. Horka – Wegliniec (– Wroclaw) Es verwundert, dass die Realisierung zeitgemäßer Angebote Berlin – Wroclaw oft mit einer – erwarteten, aber noch nicht zeitlich eingeordneten – Modernisierung der Strecke Cottbus – Zagan – Legnica zwingend in Verbindung gebracht wird. Jedoch ließe sich die Reisezeit in die Niederschlesische Metropole allein durch Fahrplananpassung um 90 Minuten (d. h. um ein Viertel!) reduzieren, denn die schnellste Route mit ca. 4 ½ h im Vergleich zu heute 6 h Reisezeit führt bereits ohne weitere Streckenausbauten über Cottbus – Horka – Wegliniec, wobei u. a. die bereits modernisierte Strecke Wegliniec – Wroclaw in voller Länge genutzt würde. Mit einem Fahrzeugmehreinsatz von lediglich zwei für Polen zugelassenen 642-Umläufen ließe sich ein Betriebskonzept realisieren, dass zwei der drei seit 01.03.09 bestehenden Zugpaare Dresden – Wroclaw (Desiro, s. u.) um einen weiteren Desiro-Flügelzug Berlin – Wegliniec ergänzt. Dresden – Görlitz – Wroclaw Nach Jahren des Niedergangs des deutsch-polnischen Reisezugverkehrs auf dieser Strecke gilt es hier einen wirklichen Lichtblick zu würdigen: Die Aufnahme des RE/D-Zugverkehrs mit drei Zugpaaren zwischen Dresden und Wroclaw am 01.03.09. Sicherlich ist der Desiro nicht das optimale Fahrzeug (wenig Sitzkomfort, keine Ausnutzung der Streckenhöchstgeschwindigkeit von 160 km/h), doch auch zwischen Magdeburg und Erfurt, in Bulgarien oder Rumänien fährt der Desiro erfolgreich auf langen Strecken. Geboten ist darüber hinaus, dass die heute noch in Zgorzelec endenden polnischen Züge ausnahmslos bis Görlitz durchfahren, dies gilt insbesondere für die Züge aus/nach Jelenia Gora. Eine Bestellung der wenigen hundert Meter über die Grenze sollte die Finanzkraft des ZVON nicht überfordern. Vision: ICE-TD Es gibt zwei Routen, auf welchen der ICE-TD seinen Möglichkeiten entsprechend eingesetzt werden kann (längere Abschnitte mit 160 km/h, nichtelektrifizierte Abschnitte): • Berlin – Wegliniec – Wroclaw (siehe oben); mit dem ICE-TD wären möglicherweise gar Reisezeiten um 4:15 h erzielbar • Wroclaw – Dresden – Hof – Nürnberg Mit zwei Triebzügen ließe sich ein beide vorstehende Relationen abdeckendes Fahrtprogramm Nürnberg – Dresden – Wroclaw – Berlin und umgekehrt realisieren. Ein positiver Mitnahmeeffekt wäre die seit langem geforderte Rückkehr eines Fernzuges auf die Strecke Dresden – Nürnberg. Eine Variante mit geringerer Laufleistung könnte auch ein Einsatz Leipzig – Dresden – Görlitz – Wroclaw – Berlin u. z. sein, da eine Direktverbindung des ICE-Knotens Leipzig mit Wroclaw heute fehlt und in diesem Korridor langjährig eine Verbindung bestand (z. B. der Nachtzug D 450/451 Warschau/Krakau – Dresden – Frank- BAHN-REPORT 3/09 Seit Dezember 2008 setzt die DB angemietete 186 vor den EC zwischen Berlin und Rzepin ein, wo weiter Lokwechsel stattfindet. Der Loktyp hat zwei Nachteile: Die vmax von 140/km nutzt die auf langen Abschnitten bereits für 160 km/h ertüchtigte Infrastruktur nicht aus, weshalb auch ein Durchlauf bis Warszawa nicht in Frage kommt. Zudem müssen die Loks im Bahnhof Oderbrücke einen mehrminütigen Betriebshalt einlegen, damit die Loksteuerung auf das Zugsicherungssystem umgestellt werden kann. Foto: 186 241 mit EC 41 in Rzepin: I. Kühl furt/M.), die seit einigen Jahren nicht mehr angeboten wird. Ein positiver Nebeneffekt könnte je nach gewählter Zeitlage auch die Verwendung einer nachfragegerechteren Gefäßgröße im Abschnitt Leipzig – Dresden sein, wo die aus Frankfurt durchgebundenen Kurse in einigen Zeitlagen überdimensioniert sind. Der ICE-TD würde hier in der Zeitlage eines „langen“ elektrischen ICEs fahren und bei diesem ggf. zu einer Umlaufoptimierung führen. Fazit Die zuvor aufgeführten Denkanstöße sind nicht abschließend betrieblich geprüft; einige lassen sich leichter, andere schwieriger umsetzen. Sie zeigen aber alle, dass es einiges an Verbesserungspotenzial gibt, und dass oft schon durch organisatorische Maßnahmen Fortschritte erzielt werden können, um die Grenze für den Eisenbahnpersonenverkehr durchlässiger zu machen. Den Autoren ist bewusst, dass Eisenbahnunternehmen wirtschaftlich arbeiten müssen. Einige Verbesserungen ließen sich indes schon mit mehr gutem Willen und Kooperationsgeist beiderseits der Grenze umsetzen. Gerade die beiden Staatsbahnen sowie die jeweiligen Zulassungsbehörden haben hier noch enormen Nachholbedarf. Wechselseitige Nichtzuständigkeiten und verbreitete Kooperationsunwilligkeit, gefördert durch Mentalitätsunterschiede und Sprachbarrieren, müssen überwunden werden. Hier ist auch die Politik gefordert, die zuständigen Akteure zu treiben und zu moderieren. Im gemeinwirtschaftlichen SPNV sind die Aufgabenträger in der Pflicht. Die beauftragen EVU haben in den heutigen Vertragskonstellationen keine Anreize, sich um Verbesserungen im grenzüberschreitenden Verkehr zu kümmern; sie tun nur das, was die Verkehrsverträge von ihnen verlangen. Die Initiative muss also von den Bestellern kommen. Hier liegen Licht und Schatten eng beieinander, denn wo einerseits die Kontakte intensiviert und gemeinsame Ausschreibungen initiiert werden, kommt es andererseits zu neuen langjährigen Verkehrsverträgen, die die grenzüberschreitenden Perspektiven ausblenden. Dies mag für die Handhabbarkeit der aktuell anstehenden Vergaben in Brandenburg ein unvermeidlicher Pragmatismus sein, darf die Verantwortlichen nun aber nicht in eine mehrjährige Lethargie verfallen lassen. Wenn sich durch organisatorische Reformen in Polen oder fahrzeugseitige technische Innovationen Chancen zur besseren Überwindung der Grenze bieten, müssen diese auch innerhalb laufender Verkehrsverträge durch entsprechende Anpassungen der Leistungsgegenstände umgesetzt werden. Vielfach sind Investitionen nötig, um die Interoperabilität der Fahrzeuge herzustellen, mit denen dann fallweise sogar weitgehend leistungsneutral der grenzüberschreitende Verkehr verbessert werden könnte. Hierfür muss es Anschubfinanzierungen durch die öffentliche Hand geben. Allerdings müssen sich EVU und Aufgabenträger auch darum kümmern, vorhandene EUFördermittel zu erschließen oder, wo diese fehlen, solche Finanzierungsinstrumente politisch zu fordern und zu schaffen. Technische Restriktionen, fehlende Streckenausbauten und dergleichen dürfen aber nicht als Argumente für Untätigkeit oder das Verweisen auf Zuständigkeit anderer Akteure vorgeschoben werden. Bei gutem Willen aller Beteiligten und der nötigen Kreativität lässt sich der Eisenbahnpersonenverkehr über die deutschpolnische Grenze auch schon kurzfristig verbessern und so dem Standard annähern, wie er zwischen anderen EU-Nachbarstaaten längst existiert. 1 2 Einwohnerzahlen ermittelt aus www.wikipedia.org Nachtzüge Deutschland – GUS unberücksichtigt. Seite 19