Vorstellung des seldak

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Vorstellung des seldak
Und wie steht es um die sprachliche Bildung deutscher Kinder?
Der Beobachtungsbogen SELDAK
Artikel von Michaela Ulich / Toni Mayr (Institut für Frühpädagogik, München) in
„Kindergarten heute“, 2006
Drückt sich das Kind vielfältig und differenziert aus, kann es aktiv zuhören und eine
Geschichte erzählen, interessiert es sich für Schrift in ihren verschiedenen Formen?
Diese und andere Fragen sind bei jedem Kind im Hinblick auf seine
Sprachkompetenz zu stellen. Der Beobachtungsbogen SELDAK hilft Ihnen dabei
gezielt weiter.
„Kinder da abholen, wo sie stehen“ – was heißt das konkret, wenn es um die
Sprache des Kindes geht?. Eine systematische Beobachtung ist die Voraussetzung
für eine gezielte und differenzierte Förderung. Der vor drei Jahren von den Autoren
dieses Artikels vorgelegte Beobachtungsbogen SISMIK für die Arbeit mit
Migrantenkindern hat sich bundesweit breit durchgesetzt und als Instrument bewährt.
Vor allem deshalb, weil dieses Beobachtungsverfahren die Verbindung zur
praktischen Arbeit gewährleistet und daraus folgernde pädagogische
Handlungsweisen miteinbezieht. Viele haben gefragt: Wann gibt es ein
vergleichbares Instrument für Kinder ohne Migrationshintergrund?
Zu „SISMIK“ und „SELDAK“
Im Jahr 2003 haben Michaela Ulich und Toni Mayr „SISMIK“ entwickelt – das
Beobachtungsverfahren für die Sprachentwicklung von Migrantenkindern -, das
mittlerweile in mehreren Bundesländern weit verbreitet angewandt wird (Ulich & Mayr
2003, Verlag Herder). „SISMIK“ war der erste pädagogisch orientierte
Beobachtungsbogen, der handlungsleitend den Sprachstand erfasst und konkrete
Wege zur individuellen und gruppenbezogenen Förderung aufzeigt. SELDAK knüpft
an dieses Verfahren an.
Der SELDAK-Bogen und die beiden Teile des Begleithefts sind im Verlag Herder
erschienen (ISBN 978-3-451-29021-3). Zehn Bögen plus Begleitheft werden zum
Preis von € 8,95 vertrieben und können direkt beim Kindergarten-Fachversand
bestellt werden (Tel 0761/2717-300, Fax 0761/2717-360, E-Mail:
[email protected])
SELDAK – der Bruder von SISMIK
Seit September 2006 gibt es ihn nun, den Beobachtungsbogen für Kinder, die mit
Deutsch als Erstsprache (Muttersprache) aufwachsen. Auch bei diesen Kindern gibt
es in der Sprachkompetenz große Unterschiede. Der Bogen heißt SELDAK: Das
steht für Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden
Kindern1.
Zentral für den Bogen ist die Fragestellung: Wie verläuft die „normale“ sprachliche
Entwicklung und sprachliche Bildung eines Kindes? Häufig wird Sprache erst dann
gezielt beobachtet, wenn die Frage auftaucht: „Hat das Kind vielleicht eine
Sprachstörung?“ SELDAK wurde nicht – wie viele andere Sprachtests - für eine
Diagnostik von Sprachstörungen entwickelt; dennoch erlaubt es der Bogen,
ungünstige Sprachentwicklungen frühzeitig zu erkennen. Gleichzeitig eignet sich
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SELDAK für unterschiedliche Sprachniveaus: Er erfasst eine „durchschnittliche“
Sprachentwicklung ebenso, wie er sehr positive Entwicklungen im Bereich Sprache
und Literacy sichtbar macht. Der Bogen deckt die Altersspanne vom vierten
Lebensjahr bis zum Schuleintritt ab. PraktikerInnen können also, wenn ein Kind vier
Jahre alt wird, seine Sprachentwicklung mit SELDAK gezielt beobachten und bis zum
Übergang in die Schule systematisch begleiten. Diese langfristigen Perspektive
ermöglicht Aussagen über Lernfortschritte des Kindes sowie seine sprachbezogene
Schulfähigkeit.
Verschiedene Aspekte von Sprache
Der Bogen eröffnet einen breit angelegten Zugang zum Spracherwerb, er gibt
Einblick in verschiedene Aspekte von Sprachentwicklung: Es geht um die sprachliche
Aktivität von Kindern bei Gesprächen, beim Vorlesen oder beim Erzählen, um den
Umgang mit Bilderbüchern und Schrift, um die phonologische Bewusstheit von
Kindern, um Sprachverständnis, Grammatik und Wortschatz. Wir haben versucht,
diese unterschiedlichen Bereiche, die häufig getrennt wahrgenommen werden, in
einem Beobachtungsbogen zusammenzuführen. So wird deutlich: Es gibt nicht „die“
Sprachkompetenz, sondern unterschiedliche Kompetenzen in verschiedenen
Teilbereichen. Diese Differenzierung von Sprache in verschiedene Teilbereiche ist
nicht nur theoretisch begründet, sie wurde in der Begleituntersuchung zu SELDAK
auch empirisch bestätigt.
Motivation und Interesse an sprachlichen Aktivitäten
In SELDAK wird sprachliches Lernen als Teil einer komplexen Entwicklung gesehen,
die wesentlich auch mit Motivation zu tun hat. Die Sprachlernmotivation des Kindes,
sein Interesse an Sprache und Sprachkompetenz hängen eng zusammen: So zeigen
z.B. Untersuchungen, dass Text- und Lesekompetenz eindeutig mit Lesemotivation
und Lesefreude zusammenhängen. Leitfrage in SELDAK ist hier: Wie weit ist ein
Kind bei sprachbezogenen Situationen und Angeboten aktiv beteiligt, wie sehr
engagiert es sich in solchen Situationen? Denn vor allem wenn Kinder sich für etwas
interessieren, wenn sie aktiv z.B. an Gesprächen oder Erzählungen beteiligt sind,
dann machen sie Lernerfahrungen. Umgekehrt gilt auch: Zeigen Kinder wenig
Interesse an sprachbezogenen Aktivitäten, dann kann ich überlegen: Passt hier mein
Angebot?
Literacy
Zentral für SELDAK ist das Konzept „Literacy“. Die Entwicklung von Literacy in der
frühen Kindheit (oft „early literacy“ oder „emergent literacy“ genannt) gehört ganz
wesentlich zur Sprachentwicklung. Das heißt: Förderung von Literacy ist nicht etwas
„Zusätzliches“ oder gar ein Luxus, den man sich für die Grundschule oder für das
Gymnasium aufheben kann.
Was bedeutet Literacy? Es gibt dafür leider keinen entsprechenden deutschen
Begriff (in Fachkreisen wird es gelegentlich mit „Literalität“ übersetzt). Wörtlich heißt
Literacy Lese- und Schreibkompetenz, aber der Begriff beschreibt weit mehr als die
Grundfertigkeit des Lesens und Schreibens. Er umfasst Kompetenzen wie
Textverständnis und Sinnverstehen, sprachliche Abstraktionsfähigkeit, Lesefreude,
Vertrautheit mit Büchern und mit Schriftsprache oder die Fähigkeit, sich schriftlich
auszudrücken.
Was hat das alles mit Kindern im Kindergartenalter zu tun? Sehr viel, denn die
Entwicklung dieser Kompetenzen beginnt bereits in der frühen Kindheit. Sie
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entwickeln sich in vielfältigen Begegnungen und Erfahrungen mit (Bilder-)Büchern,
Erzählungen, Reim- und Sprachspielen oder auch in Begegnungen mit Schriftkultur.
Warum sind literacy-bezogene Erfahrungen und Kompetenzen so wichtig? Diese
Erfahrungen gehören wesentlich zur sprachlichen Bildung von Kindern – auf
verschiedenen Ebenen: Sie fördern Kompetenzen, z. B. Wortschatz, Satzbau,
sprachliches Abstraktionsvermögen, Sinnverstehen; sie wirken sich positiv aus auf
leseförderliche Einstellungen und auf das Wissen um Buch- und Lesekultur,
Schriftsprache, Funktionen von Schrift.
Kinder mit reichhaltigen Literacy-Erfahrungen in der frühen Kindheit haben auch
längerfristig Entwicklungsvorteile, sowohl im Bereich der Sprachkompetenz als auch
beim Lesen und Schreiben. Sprach-, Lese- und Schreibkompetenz gehören
nachweislich zu den wichtigsten Grundlagen für den Schulerfolg und für die
Bildungslaufbahn von Kindern.
Kinder unterscheiden sich sehr in ihren Literacy-Erfahrungen und entsprechend in
ihren Kompetenzen. Je nach Situation in der Familie, sozio-kulturellem Umfeld und
Betreuungssituation können Literacy-Erfahrungen für manche Kinder von frühester
Kindheit an sehr intensiv und vielfältig sein, während andere in diesem Bereich kaum
Lernchancen erhalten. Es gibt hier eine große Schere zwischen privilegierten Kindern
und weniger privilegierten Kindern, eine große Chancenungleichheit bezogen auf
unser Bildungssystem. Eine differenzierte Beobachtung und eine reichhaltige
Literacy-Erziehung in Kindertageseinrichtungen ist also nicht nur wesentlicher
Bestandteil von Sprachförderung, sie ist gleichzeitig eine langfristige Investition mit
Blick auf die Bildungschancen von Kindern in Schule und Beruf.
Sprachkompetenz im engeren Sinne
In SELDAK geht es ganz wesentlich auch um sprachliche Kompetenzen im engeren
Sinne. Ein Thema ist die phonologische Bewusstheit: Hat ein Kind ein Bewusstsein
für Sprachrhythmus und für den lautlichen Aufbau der Sprache? Kann es z.B. Reime
erkennen und bilden, kann es Wörter in Silben zerlegen?
Der Wortschatz spielt in vielen Abschnitten und Fragen von SELDAK eine Rolle, z. B.
wenn es um Gesprächsbeiträge geht oder um das Nacherzählen einer Geschichte.
Darüber hinaus gibt es einige Fragen speziell zum Wortschatz. Sie nähern sich dem
Thema von unterschiedlichen Seiten, z. B. Begriffsbildung, Reichhaltigkeit,
Platzhalter. Beim Sprachverständnis geht es nicht nur um die Fähigkeit, sprachlich
vermittelte Handlungsanweisungen (ohne zusätzliche Gestik und Mimik) zu erfassen
und zu befolgen. SELDAK fragt auch nach der Fähigkeit des aktiven Zuhörens und
Sinnverstehens und zwar bei längeren und komplexeren Texten, z. B. bei einer
Erzählung oder einer längeren Diskussion. Der Teil Grammatik zielt auf
grammatikalische Fertigkeiten. In der Forschung besteht hier eine relativ hohe
Übereinstimmung, was gute Indikatoren für den Sprachstand eines Kindes sind. Bei
den einzelnen Fragen geht es unter anderem um Verbbeugung,
Vergangenheitsbildung, Pluralbildung, Komplexität des Satzbaus.
Sprachstandserfassung
Das Thema „Sprachstandserfassung“ ist zurzeit sehr aktuell und wird oft mit Tests
assoziiert. SELDAK ist ein empirisch abgesichertes Verfahren (es wurden ca. 2500
Kinder beobachtet) und eignet sich auch für diese Zielsetzung. Manchmal ist es z.B.
notwendig, relativ kurzfristig zu bestimmen, bei welchen Kindern in der Einrichtung
besonderer Förderbedarf besteht. Dafür brauchen Fachkräfte nicht den gesamten
Bogen zu bearbeiten; sie können sich in diesem Fall auf einzelne Teilbereiche
beschränken, etwa den Bereich Grammatik. So kann man relativ schnell und ohne
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großen Aufwand Einblick in den Sprachstand gewinnen – auf Grundlage der
entsprechenden Altersnormen. Man kann ungünstige Sprachentwicklungen
erkennen, aber ebenso gut eine durchschnittliche oder sehr positive Entwicklung. Die
verschiedenen sprachlichen Kompetenzen werden mit äußerst hoher Zuverlässigkeit
bzw. Genauigkeit erfasst.
Leitfaden zur Sprachförderung
Zur Grundkonzeption von SELDAK gehört eine unmittelbare Beziehung zwischen
Beobachtung und pädagogischer Arbeit. Der Bogen ist auch eine Art pädagogischer
Leitfaden zur Sprachförderung. Dies gilt für die Arbeit mit einzelnen Kindern, aber
auch darüber hinaus: SELDAK regt an, sich grundsätzlicher mit dem pädagogischen
Angebot der Einrichtung im Bereich „Sprache“ auseinanderzusetzen und es
weiterzuentwickeln.
Bereits in der Auswahl der Beobachtungssituationen spiegelt sich ein bestimmtes
Konzept von Sprachförderung wider. Die Beobachtungen im ersten Teil beziehen
sich auf spezifische pädagogische Situationen, die für sprachliche Bildungsprozesse
von zentraler Bedeutung sind, z. B. Gesprächsrunden, Bilderbuchbetrachtungen,
Vorlesen und Erzählen, Lausch- und Sprachspiele, Reime. Auch die einzelnen
Fragen beziehen sich auf ganz konkrete Bildungsziele im Bereich Sprache, z. B.
 Greift ein Kind bei Gruppendiskussionen Gesprächsbeiträge anderer auf, geht
es darauf ein?
 Erzählt es so, dass es für andere Kinder interessant ist?
 Wenn das Kind von Dingen erzählt, die der Gesprächspartner nicht kennt oder
sieht (etwa vom Urlaub), versucht es dann, das Erlebte in einen
Zusammenhang zu stellen und so zu erzählen, dass es für den
Gesprächspartner gut nachvollziehbar ist? Beherrscht es also „nicht-situativ
gebundene“ Sprache?
 Kann es sich in Tonfall und Lautstärke auf verschiedene Situationen und
Gesprächspartner einstellen, z.B. jüngere Kinder, Besucher?
 Interessiert sich ein Kind für Bücher?
All dies sind wichtige Bildungsziele im Bereich Sprache.
Zum Teil werden mit den Beobachtungsfragen auch Formen von Sprachförderung
thematisiert, die bislang nicht in allen Einrichtungen selbstverständlich sind, die aber
wesentlich zur Entwicklung von Sprache und Literacy beitragen, z. B.
 Mitbringen von Lieblingsbüchern,
 Diktieren von Geschichten oder eigenen Erlebnisse,
 Entdecken von Buchstaben oder Wörtern in der Umwelt (Straßenschild,
Plakat, Zeitung)
Das Begleitheft
Zu dem Beobachtungsbogen gibt es ein Begleitheft bestehend aus zwei Teilen. Im
ersten Teil geht es um die Konzeption des Bogens – mit relativ ausführlicher
Beschreibung der verschiedenen Sprachbereiche. Das Heft enthält auch Hinweise
zur qualitativen und quantitativen Auswertung. Für die quantitative Auswertung gibt
es nicht nur einen praktischen Leitfaden, sondern auch Normtabellen und
Kopiervorlagen.
In Teil 2 des Begleithefts „Literacy - pädagogische Anregungen“ finden sich
zahlreiche konkrete Hinweise und Ideen zur Unterstützung von Literacy. Dabei
werden Beobachtungssituationen aus SELDAK aufgegriffen und mit praktischen
Anregungen weitergeführt. Folgende Themen werden näher erläutert:
dialogorientierte Bilderbuchbetrachtung, Bedeutung von Literatur und Schriftsprache,
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Erzählen von Fernem, Kinderdiktat, Förderung von Buch- und Schriftkultur,
Phonologie, Umgang mit Dialekt.
Anmerkungen
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Wir bedanken uns bei allen pädagogischen Fachkräften, die in der Entwicklungsphase den
Beobachtungsbogen ausprobiert haben. Das große Interesse von Praktikerinnen – aus den
verschiedensten Bundesländern – an der Erprobung (und Fertigstellung) des Bogens hat uns immer
wieder gefreut und bei der Arbeit „beflügelt“. Ebenso danken wir den zahlreichen Trägern,
Verbänden und FachberaterInnen, die uns bei der Erprobung unterstützt haben.