Umbruch in der Automobil-Zuliefererindustrie

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Umbruch in der Automobil-Zuliefererindustrie
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Umbruch in der Automobilzuliefer­industrie
Standortoptimierung und Sourcing
Siegfried Frick
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Mitarbeit an dieser Studie
Martin Butz
Alexander Schmidt
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Deloitte bezieht sich auf Deloitte Touche Tohmatsu Limited („DTTL“), eine „private company limited by guarantee“ (Gesellschaft mit beschränkter
Haftung nach britischem Recht), ihr Netzwerk von Mitgliedsunternehmen und ihre verbundenen Unternehmen. DTTL und jedes ihrer Mitgliedsunternehmen sind rechtlich selbstständig und unabhängig. DTTL (auch „Deloitte Global“ genannt) erbringt selbst keine Leistungen gegenüber
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Diese Veröffentlichung enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen des Einzelfalls gerecht zu werden und ist nicht dazu bestimmt, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen zu sein. Weder die Deloitte &
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diese Veröffentlichung erlitten hat.
© 2014 Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Stand 03/2014
Umbruch in der Automobilzuliefer­industrie
Standortoptimierung und Sourcing
Inhaltsverzeichnis
5
Executive Summary
6
6
6
7
8
9
10
11
14
15
15
16
Gegenwärtiger Stand der Automobil­industrie: Boom or Bust?
Steigender Bedarf und Diversifizierung der OEMs
Entwicklung der absatzstärksten OEMs
Fahrzeugbedarf der Schwellenländer
Dynamik der Segmente – Margendruck mit inbegriffen
Weltweite Wachstumsraten der Fahrzeugsegmente
Regionale Unterschiede der Segmente
Die wachsende Bedeutung der Niedriglohnländer
Wachsender Wettbewerbsdruck durch Plattformstrategien
Darstellung der global vertretenen Fahrzeugplattformen
Entwicklung hin zur verstärkten Gleichteilestrategie
Schlussfolgerung
17
17
17
17
17
18
Erwartungen der OEMs und Tier-1 an ihre Lieferantenbasis
Lieferantenreduzierung
Dual Sourcing/Multi Sourcing
Lokalisierung/Local Sourcing beim Dual/Multi Sourcing
Globale Ausschreibungen/Global Sourcing trotz steigender Logistikkosten
Aussagen der Tier-1-Lieferanten zum Global Sourcing
23
23
23
25
26
26
27
27
28
28
31
31
32
32
Kernpunkte der Standortentscheidung in der Zulieferindustrie
Motive für die Produktionsverlagerung
Lohnkosten
Energiekosten
Marktchancen
Logistik/Lieferzeit
Wechselkurse
Gesetzliche, steuerliche bzw. staatliche Vorteile
Optionen bei der Produktionsverlagerung
Greenfield Approach
Brownfield Approach
Übernahme (M&A)
Joint Venture/Strategische Kooperation
Herausforderungen bei der Produktionsverlagerung im M&A-Kontext
Abbildungsverzeichnis
4
Abbildung 1:
Greenfield Investments 2012–2016 (indikativ)
5
Abbildung 2:
Entwicklung der absatzstärksten OEMs
6
Abbildung 3:
Entwicklung des weltweiten Fahrzeugbedarfs
7
Abbildung 4:
Segment-/Fahrzeugbeispiele
8
Abbildung 5:
Weltweite Produktionsvolumina (in Mio.) nach Segmenten
9
Abbildung 6:
Indizierte Entwicklung des weltweiten Produktionsvolumens nach Fahrzeugsegmenten
9
Abbildung 7:
Die regionale Entwicklung der Fahrzeugsegmente im Vergleich
10
Abbildung 8:
Anteil an verkauften Fahrzeugen – Niedriglohnland (NLL) vs. Hochlohnland (HLL)
11
Abbildung 9:
Regionale Produktion
12
Abbildung 10: Anteil der deutschen Fahrzeugprodution in % der jeweiligen OEMs
13
Abbildung 11: Plattform-/Fahrzeugbeispiel (2012/2013)
14
Abbildung 12: Plattform-, Modul- und Baukastenstrategien
15
Abbildung 13: Tier-1-Lieferantenbefragung zur historischen Konsolidierung
der Lieferantenbasis 2005–2012
18
Abbildung 14: Tier-1-Lieferantenbefragung zur Konsolidierung der Lieferantenbasis bis 2016
18
Abbildung 15: Tier-1-Lieferanten zur Verfolgung einer Dual-Sourcing Strategie
19
Abbildung 16: Tier-1-Lieferanten nach der Verfolgung einer globalen Sourcing-Strategie
19
Abbildung 17: Maßnahmen der Zulieferer von Tier-1-Lieferanten zur Verbesserung der Einkaufspreise
19
Abbildung 18: Ergebnis zur Umfrage der Tier-1-Lieferanten nach Anforderung ihrer Zulieferer an
lokalen Standorten für den „Preferred Supplier“-Status
20
Abbildung 19: Ergebnis zur Umfrage der Tier-1-Lieferanten nach Hauptgründen für bisherige
Standortentscheidungen
20
Abbildung 20: Durchschnittsranking der wichtigsten Standortkriterien
21
Abbildung 21: Standortranking bis 2015 der Tier-1-Zulieferer
21
Abbildung 22: Standortranking ab 2015 der Tier-1-Zulieferer
22
Abbildung 23: Arbeitskosten ausgewählter Länder im verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2012
23
Abbildung 24: Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe ausgewählter Länder im Jahr 2012
(Index: Deutschland)
24
Abbildung 25: Strompreise für Industriekunden in ausgewählten europäischen Ländern nach
Verbrauchsmenge im Jahr 2012
25
Abbildung 26: Gesamtbesteuerung selektierter Länder im Jahr 2013 auf einen Blick
27
Abbildung 27: Greenfield Investments in der Automobilindustrie ab 2014
29
Abbildung 28: Greenfield Investments – Top-5-OEMs vs. total OEMs (indikativ)
29
Abbildung 29: Greenfield Investments der Zulieferer (indikativ)
30
Abbildung 30: Top-20-Transaktionen in der Automobilindustrie 2011–2013
31
Executive Summary
Die weltweite Automobilindustrie befindet sich in
einem strukturellen Wandel, welcher insbesondere von
der dynamischen Konjunktur des asiatischen Automobilmarkts geprägt ist. Um von dieser Dynamik zu
profitieren, müssen sowohl deutsche Hersteller als auch
Zulieferer in Zeiten eines stagnierenden westlichen
europäischen Marktes ihre Internationalisierung in die
wachstumsreichen Märkte mehr denn je vorantreiben.
Diese strategische Notwendigkeit besteht in erster Linie,
um im globalen Kontext weiterhin wettbewerbsfähig
zu bleiben und auch zukünftig entscheidende Wettbewerbsvorteile generieren zu können.
So konnte schon über die vergangenen Jahre hinweg
die systematische Produktionsverlagerung deutscher und
anderer internationaler Original Equipment Manufacturers (OEMs) in Schwellenländer wie bspw. China, Brasilien
oder auch Russland beobachtet werden. Aufgrund
dessen folgten den OEMs vermehrt auch die internationalen Zulieferunternehmen, um an Aufschwung und
profitableren Standortbedingungen teilzuhaben. Diese
Verlagerung kann jedoch nicht als vollendet angesehen
werden, da zum einen nicht alle Tier-Schichten gleichermaßen daran teilnahmen und zum anderen immer
weitere Verlagerungen zu erwarten sind, um neue
Märkte zu erschließen.
Abb. 1 – Greenfield Investments 2012–2016 (indikativ)
Anzahl neuer Standorte
Von 2012 bis 2016
OEMs
Zulieferer
China
32
15
Brasilien
7
-
Thailand
6
-
Indonesien
5
1
Mexiko
4
-
Ungarn
3
1
Russland
2
3
Rumänien
1
4
Andere
2
8
62
32
Total
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Durch Änderungen der Sourcing-Strategien der OEMs zu
Global Quoting und Local Sourcing wird erwartet, dass
zunehmend mehr Zulieferer und weitere Tier-Schichten
den OEMs folgen werden. Durch den extremen Preisdruck, dem der Großteil der Zulieferer durch Preiseingeständnisse gegenüber den OEMs ausgesetzt ist, ist eine
Standortverlagerung ohnehin unausweichlich.
So sollen innerhalb der nächsten vier Jahre weltweit
rund 62 neue OEM-Produktionsstätten und 32 neue
Zulieferproduktionsstätten entstehen, worunter China
der expansivste Produktionsstandort ist, unmittelbar
gefolgt von Brasilien und Thailand (s. Abb. 1).
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
5
Gegenwärtiger Stand der Automobil­
industrie: Boom or Bust?
Steigender Bedarf und Diversifizierung der OEMs
Schon früh wurde die automobile Mobilität als Luxusgut
angesehen, welches in den Industrienationen mittlerweile zu einer Notwendigkeit avanciert ist. Insbesondere
bedingt durch demo­grafische Veränderungen und die
fortschreitende Urbanisierung kommt der Mobilität nach
wie vor eine wachsende Bedeutung zu. Ob Luxus oder
Notwendigkeit, die Automobilindustrie hatte in der
Vergangenheit einen rapiden Produktionszuwachs zu
realisieren, der zuletzt fast ausschließlich vom steigenden
Bedarf in Schwellen- und Entwicklungsländern angetrieben wurde.
Durch die zunehmende Nachfrage aus
Schwellenländern sowie neue Konkur­
renten wird der Wettbewerbsdruck in
der Automobilindustrie signifikant zu­
nehmen.
Entwicklung der absatzstärksten OEMs
Nach der Konsolidierung der Automobilhersteller in
Europa und Nordamerika der letzten Jahre findet derzeit
weltweit eine Diversifikation des OEM-Markts statt.
Die bekannten Hersteller führender Industrienationen
bleiben zunächst als Marktführer bestehen, werden
jedoch auf mittelfristige Sicht immer mehr Konkurrenz
von Anbietern aus den aufstrebenden Ländern in Asien
(insbesondere aus China) bekommen – sowohl auf
lokaler als auch auf internationaler Ebene. So weist die
Entwicklung der absatzstärksten OEMs (vgl. Abb. 2)
einen global generell positiven Absatztrend auf, wobei in
2012 ca. 140% der Absatzmenge von 2002 umgesetzt
wurden und bis 2018 ein Anstieg auf ca. 179% prognostiziert wird.
Die Verteilung dieser Absatzsteigerung ist weit gestreut.
Einerseits lagen die großen nordamerikanischen Hersteller (Fiat/Chrysler zusammengefasst) in 2012 weit
unter dem noch in 2002 erreichten Absatzvolumen
und werden dieses voraussichtlich auch erst wieder im
Zeitfenster 2016 bis 2018 erreichen. Andererseits steigerte Hyundai/Kia den Absatz bis 2012 auf bis zu 255%
des 2002er Niveaus. Es wird erwartet, dass sich dieser
Trend auch in die Zukunft mit Zuwächsen auf ca. 297%
des Indexwertes von 2002 fortsetzt. Interessant ist in
diesem Zusammenhang die Entwicklung der Kategorie
„Andere“, die sowohl die deutschen Premiumhersteller
Abb. 2 – Entwicklung der absatzstärksten OEMs
300%
250%
200%
150%
100%
50%
0%
2002
2003
2004
2005
Hyundai/Kia
Toyota
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
6
2006
2007
Volkswagen
Ford
2008
2009
2010
2011
Andere
General Motors
2012
2013
2014
Total
Fiat/Chrysler
2015
2016
2017
Renault/Nissan
2018
als auch die neu aufkommende Konkurrenz aus den
Schwellenländern berücksichtigt. Der Marktanteil dieser
Kategorie betrug im Jahr 2002 noch 32,8%, wuchs bis
2012 auf 37,7% und wird für 2018 auf 40,5% prognostiziert.
Die Marktanteile einzelner OEMs innerhalb dieser Kategorie geben Aufschluss über das sich ändernde Wettbewerbsumfeld. Die noch im Jahr 2002 acht größten
OEMs (laut Absatz) hielten ursprünglich einen Marktanteil von 67,5%, der bis 2012 kontinuierlich bis auf
54,2% sank und sich erwartungsgemäß bis 2018 auf bis
zu 51,4% verringern wird.
Dieser Trend hat seinen Ursprung bei OEMs aus Schwellenländern, die sich bis jetzt – nach Absatzzahlen zu
urteilen – schon so weit etabliert haben, dass sie die
Hälfte der Top 20 ausmachen. Die Zahl der OEMs stieg
von 2002 bis 2012 von 76 auf 86, ein Niveau, welches
auch in Zukunft als vorherrschend erwartet wird. Die
Anzahl der OEMs mit einem Jahresabsatz von mehr
als 1000 Fahrzeugen stieg von 55 in 2002 auf 68 in
2012 und wird erwartungsgemäß bis 2018 bis auf 72
wachsen.
Fahrzeugbedarf der Schwellenländer
Der regionale Wandel im weltweiten Bedarf an Fahrzeugen hat OEMs schon über die letzten Jahre beschäftigt
und wird dies auch in Zukunft in verstärktem Maße tun.
Anhand von Daten von IHS Automotive illustriert Abbildung 3 die verstärkte regionale Verschiebung der „Light
Vehicle“-Verkäufe (PKW und leichte Nutzfahrzeuge) hin
zu den Schwellenländern. Während der Automobil­absatz
über die letzten Jahre in Asien, Afrika/Mittlerem Osten
und in Südamerika mit CAGRs von 8,0%, 3,8% und
5,9% (2002 bis 2012) zulegte, schrumpfte der Absatz
aller anderen Regionen (mit Ausnahme der osteuropäischen Region) durchschnittlich um 1,3% pro Jahr.
Konkret bedeutet dies, dass im Jahr 2002 42,3 Mio. der
weltweit 56,6 Mio. Fahrzeuge in Westeuropa, Nordamerika und Japan verkauft wurden (74,7%), was in
den nachfolgenden Jahren bis einschließlich 2012 kontinuierlich auf 46,1% der weltweit 79,5 Mio. verkauften
Fahrzeuge in diesen Regionen zurückging. Bis 2018 wird
erwartet, dass sich der Anteil der verkauften Fahrzeuge
in diesen Regionen (mit Ausnahme von Nordamerika)
auf bis zu 39,5% verringert und dadurch die Regionen
Asien, Süd- und Zentralamerika sowie Osteuropa die
höchsten Zuwachsraten verbuchen werden.
Die historischen Wachstumstreiber des Automobilmarkts
in Asien waren China und Indien, die im Jahr 2002 rund
46,7% des asiatischen Marktes (exkl. Japan) ausmachten
und bis 2012 auf einen Anteil von 77,2% wuchsen;
dieser Anteil soll bis 2018 weiter auf 81,4% steigen,
wobei zukünftig für Indien eine höhere Wachstumsrate
als für China erwartet wird. Andere asiatische Länder
wie z.B. Indonesien und Thailand, die ebenfalls über
den betrachteten Zeitraum moderate Wachstumsraten
aufweisen, sind im Vergleich zu China und Indien (34,6
Mio. Fahrzeuge in 2018) deutlich kleinere Absatzmärkte
(3,0 Mio. Fahrzeuge in 2018).
Die Botschaft dieser Entwicklung für westeuropäische
OEMs ist somit eindeutig: Die Expansion aus den „alten
Märkten“ heraus in die „Schwellenländer“ wird auch
weiterhin ein Kernthema sein.
Abb. 3 – Entwicklung des weltweiten Fahrzeugbedarfs
100%
80%
3,1%
3,7%
4,6%
28,6%
5,3%
6,1%
7,8%
24,2%
5,1%
7,3%
6,4%
4,9%
6,9%
5,8%
5,0%
7,1%
6,5%
16,5%
15,3%
15,0%
35,6%
39,4%
41,5%
6,6%
5,2%
4,5%
19,6%
60%
14,1%
40%
10,1%
20,6%
7,5%
20%
34,4%
21,6%
21,6%
0%
1,4%
1,2%
0,9%
0,8%
0,8%
2002
2007
2012
2015
2018
Andere
Osteuropa
27,2%
Nordamerika
Südamerika
Asien
Japan
Afrika/Mittl. Osten
Westeuropa
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
7
Dynamik der Segmente – Margendruck mit inbegriffen
Mit der Verschiebung der Absatzmengen kommt auch
eine Verschiebung der von den Kunden präferierten
Produkte und somit der Fahrzeugproduktion einher.
So verlangen weiter fort­schreitende Urbanisierung und
stetig steigende Spritkosten diverse veränderte und
teils neue Fahrzeugtypen als noch vor wenigen Jahren.
Abbildung 4 illustriert die allgemein üblichen Automobiltyp- bzw. -segmentbezeichnungen anhand von Beispielfahrzeugen.
Abb. 4 – Segment/Fahrzeug Beispiele
Abb. 4 – Segment-/Fahrzeugbeispiele
Segment A
VW Lupo/Up!
Ford Ka
Renault Twingo
Smart Fortwo
Toyota Aygo
Fiat 500/Panda
Segment B
VW Polo
Ford Fiesta
Renault Clio
BMW Mini
Toyota Yaris
Fiat Punto
Segment C
VW Golf
Ford Focus
Renault Megane
BMW 1er
Toyota Corolla
Fiat Linea
Segment D
VW Passat
Ford Mondeo
BMW 3er
MB C-Klasse
Toyota Camry
Dodge Ram
Segment E
Audi A6-A8
Nissan Maxima
BMW 5er-7er
MB E-Klasse
Lexus RX
Chrysler 300
Segment F
Bentley
Ford GT
Rolls Royce
MB SLS
Lexus LF-A
Ferrari 458
Segment HVAN
VW Crafter
Ford Transit
MB Sprinter
Hino Dutro
Fiat Daily
Quelle: Deloitte-Analyse
8
Weltweite Wachstumsraten der Fahrzeugsegmente
Der generell positive Volumentrend der Vergangenheit bzw. der prognostizierte Zuwachs in der Zukunft
(ersichtlich anhand Abb. 5), ist durch sich voneinander
getrennt ent­wickelnde Fahrzeugsegmente bestimmt.
Abb. 5 – Weltweite Produktionsvolumina (in Mio.) nach Segmenten
120
Total 101,5
Total 91,8
100
Im C-Segment, wurden im Jahr 2002 noch 16,7
Mio. Fahrzeuge produziert, gefolgt von 19,4 Mio. im
D-Segment, 8,4 Mio. im B-Segment, 6,5 Mio. im E/FSegment und 5,2 Mio. im A-Segment. Die nachfolgende
Entwicklung dieser Segmente ist jedoch durchaus unterschiedlich. Während das E/F Premiumsegment zwischen
2002 und 2012 signifikant rückläufige Produktionszahlen
aufwies (CAGR: -1,5%), stieg die Produktion im Premium­
segment D lediglich um ein durchschnittliches Wachstum
von 0,1%. Alle anderen Segmente (A, B und C) hingegen
wiesen einen durchschnittlichen jährlichen Anstieg von
4,9% bis 5,5% auf. Zwar wird erwartet, dass sich alle
Segmente bis 2018 positiv entwickeln, das stärkere
Wachstum wird jedoch weiterhin den A/B/C-Segmenten
vorbehalten sein. So werden sich, wie in Abbildung 6
gezeigt, die Mengenverhältnisse der Segmente in der
Zukunft signifikant ändern.
Total 81,5
1,7
5,4
Total 70,6
80
1,5
6,2
Total 57,1
60
1,0
6,5
40
19,4
20
16,7
0
8,4
5,2
2,0
5,8
2,2
6,3
22,3
21,2
19,8
19,5
35,2
29,6
38,8
23,4
2002
A
15,1
17,3
20,5
7,2
9,9
10,4
11,4
2007
2012
2015
2018
12,6
B
C
D
E/F
HVAN
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Abb. 6 – Indizierte Entwicklung des weltweiten Produktionsvolumens nach Fahrzeugsegmenten
Produktionsvolumen indiziert 2002 = 100
250
200
150
100
50
0
2002
2003
B
2004
C
2005
2006
HVAN
2007
2008
A
2009
2010
D
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
E/F
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
9
In Abbildung 6 wird einmal mehr deutlich, dass trotz
steigender Gesamtproduktionszahlen der Premiumsegmente deren Marktanteil am Produktmix der durchschnittlichen OEMs stark abnehmen wird. Die Gewinner
dieser Umstrukturierung sind die Produkte der A/B/CSegmente, welche Produkte umfassen, die sich stärker
über den Preis differenzieren und dadurch die jeweiligen
OEMs unter Margendruck setzen können – dies gilt
insbesondere für die stark an Bedeutung zunehmenden
Segmente A und B. Zudem sind die in diesen Segmenten
angesiedelten Fahrzeuge zu einem Großteil entweder
von OEMs aus Schwellenländern oder in solchen produziert. Dieser Margendruck wird durch Preisnachlässe
an die vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette
durchgereicht und durch Standardisierung sowie Skalen­
effekte erzwungen. Das Resultat ist die steigende Notwendigkeit der Zulieferer, entweder Preise nach unten
anzupassen und Plattformzulieferer zu werden oder aber
das Risiko einzugehen, ganze Plattformgeschäfte zu
verlieren.
Regionale Unterschiede der Segmente
Der Trend zu A/B/C-Segment-Fahrzeugen ist weltweit zu
sehen, jedoch in manchen Regionen weitaus mehr ausgeprägt als in anderen (vgl. Abb. 7). So entwickelte sich
der Anteil dieser Segmente an der Gesamtproduktion in
Europa von 2002 bis 2012 von 66,0% auf 71,0% und
soll bis 2018 auf 73,6% ansteigen.
Der Anteil von A/B/C-Segmenten an der japanischen/
koreanischen Produktion entwickelte sich von 2002 bis
2012 zunächst mit 58,6% auf 70,2% steigend. Bis 2018
wird allerdings wieder mit einem leichten Rückgang auf
68,8% gerechnet.
In den USA, traditionell geprägt durch die Nachfrage
nach größeren Fahrzeugen, stieg die Produktion von
A/B/C-Segmentfahrzeugen von 26,5% in 2002 auf
35,3% in 2012. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend
bis 2018 fortsetzt und der Anteil bis dahin auf 38,7%
steigt. Den größten Zuwachs verzeichnete hier historisch
Abb. 7 – Die regionale Entwicklung der Fahrzeugsegmente im Vergleich
100%
80%
11%
12%
22%
16%
11%
15%
17%
7%
3%
6%
3%
3%
18%
18%
2%
8%
2%
6%
23%
32%
2%
6%
19%
11%
24%
27%
54%
60%
35%
40%
39%
15%
40%
20%
44%
48%
36%
16%
14%
55%
10%
25%
13%
29%
26%
14%
29%
6%
6%
6%
2002
2012
2018
2002
Europa
A
B
2012
11%
2018
China
C
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
10
36%
50%
29%
16%
0%
10%
D
E/F
HVAN
13%
16%
18%
18%
2002
2012
2018
Japan/Korea
34%
26%
1%
2002
32%
3%
1%
2012
Nordamerika
5%
2018
das B-Segment, welches auch zukünftig signifikantes
Wachstum, getrieben von der globalen Ressourcenverknappung, erleben soll.
Auf dem chinesischen Markt stieg die Produktion der
A/B/C-Segmente von 53,6% in 2002 auf 72,1% in 2012.
Am stärksten wuchs dort das B/C-Segment, welches
sich von 2002 bis 2012 mehr als verdoppelte. Zukünftig
wird auch hier ein weiterer leichter Anstieg bis 2018
erwartet.
Die wachsende Bedeutung der Niedriglohnländer
Die bereits angesprochene Verschiebung der Produktionsvolumina lässt sich auch auf Länder­ebene verdeutlichen. So verlagern OEMs Produktionsstandorte nicht nur
auf Basis der Verschiebung der jeweiligen Endmärkte,
sondern auch, um gezielt Produktionskosten zu sparen.
Diese Einsparungen werden zum größten Teil durch
geringere Löhne in den Entwicklungs- und Schwellenländern realisiert.
Als Hochlohnländer („High Cost Countries“ (HCC))
werden traditionell sowohl die entwickelte­n Indus­
trienationen Nordamerikas und Europas als auch Japan
gezählt, während die Entwicklungs- und Schwellenländer Asiens, Osteuropas und Südamerikas den Niedriglohnländern („Low Cost Countries“ (LCC)) zugeordnet
werden. Wie aus Abbildung 8 ersichtlich, verlagerten
die OEMs zwischen 2002 und 2012 ihre Produktionsvolumina signifikant in die Niedriglohnländer und planen,
dies auch in Zukunft weiter voranzutreiben.
Abb. 8 – Anteil an verkauften Fahrzeugen – Niedriglohnland (NLL) vs. Hochlohnland (HLL)
100%
27,7%
Anteil am Gesamtabsatz
80%
57,3%
62,7%
65,2%
68,1%
37,3%
34,8%
31,9%
2015
2018
2023
60%
40%
72,3%
42,7%
20%
0%
2002
HLL
2012
NLL
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
11
Diese Verschiebung der Produktionsvolumina ist im
Wesentlichen auf zwei Strategien zurückzuführen,
nämlich einerseits dem Endkunden zu folgen sowie
andererseits Kosten einzusparen. Alternativ könnte man
die einzelnen Länder in Export- und Importnationen
unterteilen, was die Komponente „Netto-Exporte“
außen vor ließe. Abbildung 9 illustriert jeweils die
Export-/Import­nationen 2012 sowie die für 2018 erwarteten Export- und Importländer.
Die drei größten Exportnationen 2012 waren Japan
(4,2 Mio.), Südkorea (3,0 Mio.) und Deutschland
(2,2 Mio.) mit kombinierten Nettoexporten von 9,5 Mio.
Fahrzeugen; 2002 betrugen die Netto­exporte noch
7,1 Mio., wobei Japan 4,1 Mio. Fahrzeuge exportierte,
Südkorea 1,5 Mio. und Deutschland 1,6 Mio. Dieses
Bild soll sich bis 2018 dahingehend wandeln, dass Japan
nach Schätzung von IHS rund 3,0 Mio. Fahrzeuge,
Südkorea 3,1 Mio. und Deutschland 2,4 Mio. Fahrzeuge exportieren werden. Bemerkenswert ist in dieser
Hinsicht, dass Deutschland als drittgrößte Export­nation
voraussichtlich in 2018 erstmals von Mexiko mit 2,7
Mio. Fahrzeugen abgelöst werden soll.
Demgegenüber waren die drei größten Nettoimporteure
2012 die USA (4,4 Mio.), Australien (0,9 Mio.) und
Italien (0,9 Mio.) mit kombinierten Nettoimporten von
6,1 Mio. Fahrzeugen; 2002 betrugen die Nettoimporte
hier noch 6,4 Mio., von denen 4,8 Mio. auf die USA,
0,5 Mio. auf Australien und 1,2 Mio. auf Italien fielen.
Bis 2018 wird dies voraussichtlich auf einem ähnlichen
Level (rund 6,4 Mio. kombiniert) beibehalten werden,
sodass die USA schätzungsweise 4,3 Mio., Australien
1,0 Mio. und Italien 1,1 Mio. Fahrzeuge importieren
werden.
Die Verschiebung von OEM-Produktionsstätten in Niedriglohnländer ist anhand der hellgrün markierten Länder
ersichtlich. Während Länder wie Deutschland, Japan,
und Mexiko traditionell Nettoexporteure sind, kamen
in jüngerer Vergangenheit sowohl die osteuropäischen
Länder als auch die Türkei, Indien, Thailand, Kanada und
Argentinien dazu. In 2012 waren die größten osteuropäischen Nettoexporteure Tschechien, Slowakei, Polen
und Rumänien mit 2,8 Mio. produzierten Fahrzeugen,
wovon 2,2 Mio. exportiert wurden. Diese Entwicklung
wird sich voraussichtlich weiter fortsetzen, sodass bis
Abb. 9 – Regionale Produktion
Top-3-Importnationen 2012 und 2018
Andere Importnationen
Top-3-Exportnationen 2012 und 2018
Andere Exportnationen 2012 und 2018
Neue Exportnationen 2018
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
12
2018 jährlich 3,4 Mio. Fahrzeuge in diesen Ländern produziert werden, von denen 2,5 Mio. exportiert werden
sollen. Bis 2018 wird außerdem erwartet, dass weitere
asiatische Nationen zu Nettoexporteuren avancieren
werden. Da alle diese Länder als Niedriglohnländer
gelten, ist ersichtlich, dass OEMs nicht nur lokal produzieren wollen, sondern auch ihre Produktionsstätten
entsprechend der relativen Attraktivität ihrer jeweiligen
Produktionskosten auswählen.
Die deutsche Fertigung von BMW, Daimler und VW
betrug im Jahre 2002 noch 69%, 72% und 37% der
jeweiligen OEM-Gesamtproduktion und verringerte sich
innerhalb von zehn Jahren auf 58%, 68% bzw. 26%.
Viele Indizien sprechen dafür, dass sich diese Verlagerung von 2012 auf 2015 weiter beschleunigt, wobei
die deutsche Produktion der drei OEMs in den Jahren
vergleichbar bleiben wird und lediglich zusätzliches Produktionsvolumen in Ländern wie China, Indien, Brasilien
und den USA generiert wird.
In Anbetracht dieser Produktionsverschiebung und
der zuvor erörterten regionalen Diversifizierung wird
deutlich, dass auch die traditionell in Deutschland produzierenden und in die Welt exportierenden deutschen
OEMs ebenfalls in Richtung der Wachstumsmärkte
streben werden, um weiterhin konkurrenzfähig bleiben
zu können. Abbildung 10 vermittelt einen detaillierteren
Einblick in den deutschen Fertigungsmarkt, wonach
dieser Trend bereits vor einigen Jahren begonnen hat
und sich seitens der OEMs wohl auch in Zukunft fortsetzen wird.
Bei General Motors (GM) sind leichte Verlagerungsvorgänge aufgrund der Wachstumsentwicklung in anderen
Märkten erkennbar, für Ford soll nach Modellausläufen
zwischen 2012 und 2015 der Anteil der deutschen Produktion erneut ansteigen.
In Zukunft wird von weiteren signifikanten Produktionszuwächsen in Indien, Spanien, Russland, Mexiko und
China ausgegangen, um dem Bedürfnis der Menschen
nach lokaler Mobilität gerecht zu werden und gleichzeitig am Wachstum der Regionen zu partizipieren.
Abb. 10 – Anteil der deutschen Fahrzeugproduktion in % der jeweiligen OEMs
Produktion der OEMs in DE vs.
globale Produktion der OEMs (Linien)
70%
8%
60%
50%
6%
40%
4%
30%
20%
2%
10%
Gesamtproduktion in DE vs.
globale Gesamtproduktion (Balken)
10%
80%
0%
0%
2002
Daimler
2007
BMW
2012
VW
2015
Ford
2018
GM
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
13
Wachsender Wettbewerbsdruck durch PlattformMLB (Modularer Längsbaukasten) der absatzstärkste
strategien
Produzent ist. Die absatzstärkste Plattform in 2012 war
Viele OEMs verfolgen in ihrer Produktion eine sogeVWs PQ35 mit 3,5 Mio. Fahrzeugen, auf welcher Golf,
Abb. 11 – Segment-/Fahrzeugbeispiele
nannte Plattformstrategie, wobei VW durch Plattformen
Jetta, Passat, Touran und Tiguan bzw. deren baugleiche
wie MQB (Modularer Querbaukasten), PQ25/35 und
Modelle Skodas, Seats und Audis basieren.
Abb. 11 – Plattform-/Fahrzeugbeispiel (2012/2013)
PQ34 / PQ35 /
MQB (A/B)
VW Golf
VW Tiguan
Produktionsvolumen
VW Passat
Skoda Octavia
2002
2012
2018
PQ34
PQ35
MQB (A/B)
1.665.340 3.455.533 4.717.805
330N / MC-M /
NGA-C
Toyota Corolla
Toyota Camry
Toyota RAV4
Toyota Prius
330N
MC-M
NGA-C /
MC-M
1.212.300 2.884.913 2.997.720
J2-J3 / HD / HD2
LC / PB / PB2
Hyundai Elantra
Hyundai Accent
X64 / Plattform C / Renault Megane
CMP1
Hyundai Avante
Hyundai i20
Nissan Qashqai
Kia Sportage
Kia Rio
Renault Scenic
Hyundai i30
Kia Soul
Nissan X-Trail
J2-J3
HD
577.722
2.427.622 3.170.568
LC
PB
312.287
1.751.223 2.236.161
X64 / Pltf. C Pltf. C
825.921
CS / C-5 / C-6
Honda Civic
Honda CR-V
Acura RDX
Honda Step Wagon CS
HD /HD2
PB2
CMP1 /
Pltf C
1.675.567 2.470.750
C-5
CCA
1.091.875 1.567.454 2.070.609
GM3000 /
Chevrolet Cruze
Global Delta D2XX
SF-R
B2 / B2E
Quelle: Deloitte-Analyse
14
Wuling Sunshine
Ford Fiesta
Opel Astra
Buick Excelle
Chevrolet Equinox GM3000
Wuling Hongguang Wuling Ronggunag FAW Fushida
Ford Ka
Ford Ecosport
Ford B-Max
Gl. Delta
Gl. Delta
845.402
1.444.850 2.733.320
SF-R
SF-R
149.368
1.429.585 1.856.610
B2
B2 / B2E
605.805
1.314.306 1.772.588
SF-R
B2E
Darstellung der global vertretenen Fahrzeugplattformen
In der Automobilindustrie ist die Produktion stark
geprägt von Plattformen bzw. standardisierten Architekturen. Plattformen bieten den OEMs die Möglichkeit,
diverse Fahrzeugmodelle auf einer technischen Basis
zu fertigen. Diese gemeinsame technische Basis (Architektur) erlaubt eine effizientere und kostengünstigere
Produktion sowie die Senkung der Materialkosten durch
Bündelung von Einkaufsmengen der Gleichteile. In
Abbildung 11 sind die volumenstärksten Plattformen,
deren historische Volumina sowie deren prognostizierte
Volumina für das Jahr 2018 dargestellt. Diese Übersicht
zeigt, wie die Plattformen über die Jahre gewachsen
sind und weiterhin noch zulegen werden. Die Steigerung der Stückzahlen beinhaltet jedoch in erster Linie
die Konsoliderung von Plattformen sowie auch die
Erweiterung der Plattformen um neue und substituierte
Modelle. Am Beispiel Renault-Nissan lässt sich diese
Entwicklung verdeutlichen, denn ursprünglich war die
Plattform X64 ohne Nissan-Modelle und erst mit der Einführung der Plattform C kamen diese hinzu. Im nächsten
Schritt wird Renault-Nissan mit der Plattform CMF1
(Common Module Family 1) weitere Modelle konsolidieren bzw. erweitern. Hierbei verfolgt Renault-Nissan
eine ähnliche Strategie wie der Volkswagen-Konzern, bei
dem Plattformen zusätzlich über modulare Baukästen
konsolidiert werden.
Entwicklung hin zur verstärkten Gleichteilestrategie
Der Trend der Plattformstrategie setzt sich fort und wird
in Zukunft weiter verstärkt mittels globaler Allianzen/
Kooperationen zwischen den OEMs wie etwa im Fall
von Daimler und Renault-Nissan, BMW und PSA, Toyota
und PSA sowie zahlreicher chinesischer Autobauer
mit verschiedenen Herstellern weltweit. Der steigende
Wettbewerbsdruck, maßgeblich beeinflusst durch neue
bzw. gestärkte asiatische Hersteller sowie den rasanten
Marktzuwachs aus den BRIC-Staaten, erfordert weitere
kostensenkende Maßnahmen in der Automobilproduktion. Hierzu haben die OEMs schon in der Vergangenheit mit Entwicklungsallianzen reagiert, insbesondere bei
der Fertigung von Motoren im Kleinwagensektor.
Fahrzeugklassen
Abb. 12 – Plattform-, Modul- und Baukastenstrategien
Plattformstrategie
Modulstrategie
Baukastenstrategie
Synergien innerhalb nur
einer Fahrzeugklasse
Synergien teilweise
fahrzeugklassenübergreifend
Synergien vollständig
fahrzeugklassenübergreifend
Karosserieform
Karosserieform
Karosserieform
C
B
A
A0
A00
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
15
Diese voranschreitende Steigerung der Zusammenarbeit
und Modularisierung wirkt sich direkt auf die Zulieferer
innerhalb der Wertschöpfungskette aus. Modularisierung im Baukastenprinzip bedeutet im weiteren Sinne
eine fahrzeugklassen- sowie plattformübergreifende
Gleichteilestrategie. Es muss in diesem Kontext hervorgehoben werden, dass die Gleichteile sich auf die Teile
ohne kundenspezifischen Differenzierungscharakter konzentrieren. Ein passendes Beispiel der falschen Nutzung
eines Baukastenprinzips stellt der Jaguar X-Type (Baujahr
2001–2009) dar, der sich verstärkt des Teilespektrums
der Ford-Unterklasse bediente. Im Gegensatz hierzu
kann die Volkswagen-Gruppe mit ihrer Plattformstrategie im positiven Sinne beispielhaft erwähnt werden. Die
neuen Plattformen MQB (Modularer Querbaukasten)
und MLB (Modularer Längsbaukasten) zeigen eine Überschneidung der Plattformen bei gewissen Fahrzeugklassen aufgrund der Preisunterschiede. Zur Differenzierung
der Marken innerhalb der Fahrzeugklassen kann sich
Volkswagen durch die modulare Baukastenstrategie
aus den jeweilig angrenzenden Plattform-Baukästen
bedienen, ohne aufwendige individuelle Lösungen zu
benötigen.
Neben zahlreichen weiteren direkten Vorteilen bei
den Automobilherstellern führt diese Entwicklung zur
weiteren Bündelung von Einkaufsaktivitäten und somit
zur Erhöhung der Bestellmengen gleicher Bauteile. Aus
der Anhebung der Stückzahlen erwarten Hersteller
entsprechende Preisnachlässe bei ihren Zulieferern. Die
Zulieferer sind gezwungen, sich den gestiegenen Wettbewerbsbedingungen anzupassen. Ursprünglich führte
dieser Prozess zur Kapazitätssteigerung bei ausgewählten Zulieferern, gefördert durch die voranschreitende
Globalisierung. Die Finanzkrise 2008 erforderte dann,
mit Einbruch der Nachfrage, eine Konsolidierung, vor
allem bei dem noch stark fragmentierten Tier-2- und
3-Zulieferern, die in den nächsten Jahren diese Konsolidierung werden fortführen müssen.
Zulieferer werden anhand einer Vielzahl von Kriterien
bewertet und nominiert. Im Rahmen einer solchen
Auswahl wird nach wie vor viel Wert auf das Preisniveau als Kernkriterium gelegt, jedoch sind mittlerweile
auch andere Faktoren auf der Prioritätenliste in ihrer
Wichtigkeit nachgerückt. Trotz bester Preise können
diese neuen Anforderungen daher zu K.O.-Kriterien
werden. Außer Preis und Qualität sind zunehmend auch
Standort, finanzielle Stabilität und Entwicklungskompetenz von Bedeutung.
16
Schlussfolgerung
Bedingt durch die prognostizierte Volumenentwicklung
bei der Fahrzeugherstellung, die regionale Verschiebung
der Produktions- und Absatzmengen, den steigenden
Margendruck durch Mix-Verschiebungen der Segmente
als auch durch immer weiter vorangetriebene Gleichteilestrategien werden Zulieferer der OEMs auch weiterhin
einem enormen Preisdruck ausgesetzt sein. Die Erwartung der OEMs gegenüber ihren Zulieferern wird auch
in Zukunft die der Kooperation sein, welches ggf. eine
Produktionsverlagerung gemeinsam mit dem jeweiligen
OEM bedeutet. Während die meisten Tier-1-Zulieferer
diesen Pfad bereits mehrfach beschritten haben, werden
zukünftig möglicherweise auch weitere Tiers mit einbezogen werden.
Erwartungen der OEMs und Tier-1 an ihre
Lieferantenbasis
Tier-1- und Tier-2-Lieferanten werden maßgeblich von
den OEM-Strategien beeinflusst. Dabei haben verschiedene Maßnahmen einen immensen Einfluss auf die Ausrichtung der Produk­tions­­standortstrategie.
Lieferantenreduzierung
In den letzten Jahren hat der strategische Einkauf der
OEMs primär eine Reduzierung der Zulieferbasis verfolgt
bzw. sich auf den Einkauf von einbaufertigen Funktionsgruppen konzentriert. Dadurch konnten die Anzahl
der Zulieferteile verringert und die Anzahl der Direktlieferanten (Tier-1-Lieferanten) deutlich reduziert werden.
Dieser Wandel hatte zur Folge, dass nun diese System-/
Modullieferanten für die Entwicklung, Koordination und
Disposi­tion der Produktion bzw. der Vormontage sowie
die Qualitätssicherung in der Wertschöpfung mitverantwortlich gemacht wurden. Durch die Verlagerung der
Wertschöpfung von den OEMs zu den Tier-1-Lieferanten
werden Produktionskostenreduzierungen bei den Systemlieferanten erreicht, da diese mehrere OEMs mit den
gleichen oder bauähnlichen Systemen beliefern können
und aufgrund von Skaleneffekten über Produktionskostenvorteile gegenüber den Abnehmern verfügen.
Durch die Spezialisierung auf ein Modul bzw. System
verfügen sie über ein besseres Produkt-Know-how und
sind daher in der Lage, Produktivitätssteigerungen direkt
umzusetzen. Allerdings steigt dadurch das Risiko für die
Tier-1-Lieferanten bei der Übernahme der Entwicklungs-,
Gewährleistungs- und Investitionsrisiken, weshalb diese
eine gewisse Kapitalstärke und einen globalen Footprint
benötigen. Diese Reduzierung der Tier-1-Lieferanten
schürt natürlich die Übernahmekämpfe zwischen diesen.
Dabei werden nicht allein um des Umsatzes willen
Unternehmen hinzugekauft, sondern auch, um durch
die Zukäufe Kernkompetenzen zu stärken oder so zu
erweitern, dass sich daraus für die OEMs ein Mehrnutzen generieren lässt. Ford Europa bedient sich dieses
Trends, um bereits während der Planungsphase die
Anzahl der benötigten Zulieferer von 1.500 auf ca. 800
zu reduzieren.
Lokalisierung/Local Sourcing beim Dual/Multi
Sourcing
Durch steigende Logistikkosten, Kundenanforderungen
und lokale Regularien wird an einigen Standorten, z.B.
in Brasilien, Russland, Indien und Malaysia, das Local
Sourcing wieder ein wichtiger Bestandteil in der Beschaffungsstrategie von OEMs. Dadurch verlagern Tier-1- und
-2-Lieferanten Fertigungsstandorte in die Lieferantenparks von OEMs bzw. in unmittelbare Nähe dieser. Allerdings werden dabei die Tier-1- und -2-Lieferanten mit
einer sehr begrenzten Lieferantenbasis, eingeschränkten
Möglichkeiten der Preisverhandlung durch geringen
Wettbewerb und geringer technischer Expertise der
Belegschaft konfrontiert. Die Belegschaft weist oftmals
keine ausreichende Erfahrung in der Automobilindustrie
und den damit verbundenen Prozessen auf. Dadurch ist
für die Tier-1- und -2-Lieferanten eine lokale Lieferantenentwicklung unvermeidbar. Sie sichert dem Supplier
u.a. eine flexible Lieferantenbeziehung und durch die
lokale Nähe kann die Beschaffungslogistik produktionssynchron gestaltet werden. Des Weiteren ist ein lokaler
Produktionsstandort bei diversen Auftragsvergaben an
eine lokale Fertigung geknüpft.
OEM und Tier-1 erwarten bei ihren
A-Lieferanten eine globale Stand­
ortstrategie bei gleichbleibender
Qualität.
Globale Ausschreibungen/Global Sourcing trotz
steigender Logistikkosten
Beim Global Sourcing werden in erster Linie die Kostenvorteile von Ländern mit günstigen Arbeitslöhnen
genutzt. Allerdings bietet diese Vorgehensweise keine
kurzen Reaktionszeiten, um die Produktion an kurzfristige Engpässe oder Überkapazitäten anzupassen.
Dual Sourcing/Multi Sourcing
Beim Dual/Multi Sourcing wird ein Beschaffungsobjekt
von zwei oder mehreren Lieferanten bezogen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Dabei erhalten die
Lieferanten mit den günstigeren Konditionen oftmals
eine höhere Belieferungsrate, wodurch die Versorgungssicherheit des Unternehmens sichergestellt sowie
der Wettbewerb zwischen den Lieferanten gefördert
werden.
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
17
Aussagen der Tier-1-Lieferanten zum Global
Sourcing
Bei einer Datenerhebung aus einer Umfrage bei Tier-1und -2-Lieferanten verfolgte mit ca. 62% die Mehrheit
der Befragten eine Konsolidierung der Lieferantenbasis;
jedoch zeigt sich diese Konsolidierung auf einem verhältnismäßig niedrigen Niveau. Nur 38% der befragten
Unternehmen verzeichneten in den vergangenen Jahren
eine Erhöhung der Lieferantenbasis.
Abb. 13 – Tier-1-Lieferantenbefragung zur historischen
Konsolidierung der Lieferantenbasis 2005–2012
19,0%
38,1%
Die Erhöhungen der Lieferantenbasis in der Vergangenheit (2005–2012) wurden mit folgenden Entwicklungen
begründet:
•
•
•
•
•
•
Neue Produkte
Wachstum in neuen Regionen
Fehlende lokale Lieferanten
Lieferantenaufbau an Fertigungsstandorten
Aufbau der Lieferantenbasis in den Schwellenländern
Wachstum in Asien und USA
Die meisten dieser Gründe lassen sich unter einer
lokalen Lieferantenstruktur mit entsprechend erforderlichem Qualitätsniveau zusammenfassen. Diese Anforderung der OEMs an Tier-1-Lieferanten sowie auch der
Tier-1-Lieferanten an Tier-2- und -3-Zulieferer ist ein
Kernthema innerhalb der Automobilindustrie.
28,6%
14,3%
Verringerung bis 10%
Verringerung bis 20%
Verringerung bis 30%
Erhöhung
Quelle: Deloitte-Analyse
Abb. 14 – Tier-1-Lieferantenbefragung zur Konsolidierung
der Lieferantenbasis bis 2016
Die Mehrheit (ca. 85,7%) der befragten Tier-1-Lieferanten erwartet eine weitere generelle Konsolidierung der
Tier-2- und -3-Lieferanten (s. Abb. 14). Diese Entwicklung wird auch im Zusammenhang mit der verstärkten
Gleichteilestrategie der OEMs in Verbindung gebracht,
die OEM-spezifische Lieferanten benachteiligt. Der
Großteil der Befragten (ca. 52,4%) prognostiziert jedoch
eine eher beschränkte Konsolidierung basierend auf
dieser Strategie.
14,3%
33,3%
52,4%
In diesem Zusammenhang sind auch die UmfrageErgebnisse zur Verfolgung einer Dual-Sourcing-Strategie
zu sehen, da 71,4% der Befragten für die größten Aufwandskategorien eine Dual-Sourcing-Strategie ansetzen
sowie weitere 19% für alle Aufwandskategorien. Dieses
Ergebnis erklärt zum Teil die beschränkte Konsolidierungserwartung (s. Abb. 15).
18
Ja, erhebliche
Ja, aber beschränkte
Nein
Quelle: Deloitte-Analyse
Abb. 15 – Tier-1-Lieferanten zum Thema der Verfolgung
einer Dual-Sourcing-Strategie
4,8%
19,0%
Abb. 16 – Tier-1-Lieferanten befragt zu ihrer Verfolgung
einer globalen Sourcing-Strategie
4,8%
4,8%
4,8%
38,0%
52,4%
71,4%
Nein, nicht geplant
Nein, nicht geplant
Nein, geplant
Nein, zukünftig geplant
Ja, für die größten Aufwandskategorien
Ja, für die größten Programme/Aufwandskategorien
Ja, für fast alle Aufwandskategorien
Ja, für alle Programme/Aufwandskategorien
Quelle: Deloitte-Analyse
Zusätzlich geben 52,4% der Befragten an, dass sie für
große Projekte bzw. Programme eine Global-SourcingStrategie verfolgen, in der global für benötigte Materialien und Dienstleistungen angefragt wird. Weitere
38% der Befragten verfolgen diese Strategie für alle
Projekte bzw. Programme. Hinzu kann man auch 4,8%
der Befragten zählen, welche diese Strategie in naher
Zukunft umsetzen wollen (s. Abb. 16).
Die Mehrheit der Befragten gibt an, dass die Maßnahmen zur Verbesserung der Einkaufspreise ihrer Zulieferer
hauptsächlich aus Low-Cost-Country-Standortverlagerungen (27,6% der Befragten) sowie einer Steigerung der Produktionseffizienz (25,9% der Befragten)
stammen. Die Zuliefererthematik „Rohstoffkosten“ spielt
in diesem Zusammenhang auch eine große Rolle im
Hinblick auf die Absorbierung der Rohkostenanstiege
bzw. das Hedging zur Absicherung gegen Rohstoffpreisanstiege. Insgesamt deuten die Daten auf einen Fokus
der Maßnahmen im Bereich der stärker kontrollierbaren
Fertigungskosten hin (s. Abb. 17).
Quelle: Deloitte-Analyse
Abb. 17 – Maßnahmen der Zulieferer von Tier-1-Lieferanten
zur Verbesserung der Einkaufspreise
12,1%
25,9%
12,1%
8,6%
27,6%
13,7%
Produktionseffizienzen
Verhandlungen des Einkaufs
Standardisierung & Value Engineering
LCC-Standortverschiebungen
Rohstoffkostenanstiege teilweise absorbiert
Hedging
Quelle: Deloitte-Analyse
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
19
Laut der Umfrage der Tier-1-Zulieferer deutet eine
Mehrheit der Befragten mit ca. 52,4% an, dass zur
Bewahrung des „Preferred Supplier“-Status ihre direkten
Zulieferer aufgefordert sind, einen Standort in unmittelbarer Nähe der lokalen Fertigung aufzubauen oder sich
alternativ in nahegelegenen Zuliefererparks lokal anzusiedeln. Die übrigen 47,6% sehen keine Notwendigkeit
in der lokalen Standorterschließung ihrer Zulieferer zur
Bewahrung des „Preferred Supplier“-Status (s. Abb. 18).
Abb. 18 – Ergebnis zur Umfrage der Tier-1-Lieferanten nach
Anforderungen ihrer Zulieferer an lokalen Standorten für
den „Preferred Supplier”-Status
4,8%
47,6%
Die Erwartungen der Tier-1-Zulieferer an ihre Lieferanten
für lokale Standorte deckt sich in gewisser Weise mit
einem der Hauptgründe der bisherigen Standortentscheidung der Tier-1-Lieferanten, der „Erwartung dem
Kunden zu folgen“. Die Themen Preisdruck und Margenverbesserung sowie Zugang zu Rohstoffen und Logistik
mit Just In Sequence (JIS) sind unmittelbar mit Maßnahmen zur Kostensenkung in Verbindung zu setzen
(s. Abb. 19).
Im Durchschnitt bewerteten die befragten Tier-1- Einkaufsmanager die Betriebskosten als wichtigstes Standortkriterium, gefolgt vom Zugang zu Kunden. Infrastruktur
und Verfügbarkeit von erfahrenem/qualifiziertem Personal
sind maßgebliche Faktoren bei der Standortentscheidung.
Indirekte Vorteile aus steuerlichen Gründen und Subventionen sowie weitere länderspezifische Risiken spielen laut
Umfrage eine eher untergeordnete Rolle bei der Standortfrage (s. Abb. 20).
Bei der Standortfrage bewerteten die befragten Einkaufsmanager der Tier-1-Lieferanten die vorgegebenen
Standorte nach der Attraktivität bis 2015 und gaben
hierbei China als klaren Favoriten an. In Asien wurden
Thailand und Russland stark bewertet sowie in Europa
Rumänien. Diese Ergebnisse decken sich auch weitestgehend mit den Entwicklungen bei den Greenfield Investments (Neuaufbau eines Standortes), welche als eine der
Optionen bei Produktionsverlagerungen nachfolgend in
Kapitel 4 erläutert werden (s. Abb. 21).
47,6%
Ja, alle Lieferanten
Ja, nur direkte Lieferanten
Nein
Quelle: Deloitte-Analyse
Abb. 19 – Ergebnis der Umfrage der Tier-1-Lieferanten nach
Hauptgründen für bisherige Standortentscheidungen
4,7% 2,3%
18,6%
37,2%
37,2%
Preisdruck der OEMs/höheren Tiers
Erwartung, dem Kunden zu folgen
Margenverbesserung
Zugang zu Rohstoffen
Andere
Quelle: Deloitte-Analyse
20
Abb. 20 – Durchschnittsranking der wichtigsten Standortkriterien
1,7
Betriebskosten
2,2
Zugang zu Kunden
3,5
Infrastruktur
3,6
Verfügbarkeit von erfahrenem Personal
4,3
Bestehende Lieferantenbasis
4,7
Steuerliche Vorteile
Subventionen
5,4
Länderspezifische Risiken
6,4
0
1
2
3
4
6
5
7
Durchschnittsranking
(Skala von 1 bis 7 mit 1 als wichtigstes Kriterium und 7 als unwichtigstes Kriterium)
Quelle: Deloitte-Analyse
Abb. 21 – Standortranking bis 2015 der Tier-1-Zulieferer
84
China
60
Thailand
53
Russland
50
Indien
31
Rumänien
24
Mexiko
15
Vietnam
12
Andere
Marokko
10
Indonesien
10
6
Türkei
Serbien
5
Philippinen
5
4
Moldavien
0
20
40
60
80
100
80
100
Punkte
(Punkterechnung = 10 Punkte für Rang 1 je Befragtem, 5 Punkte für Rang 2 je Befragtem und 2 Punkte für Rang 3 je Befragtem)
Quelle: Deloitte-Analyse
0
20
40
60
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
21
Mit Blick in die Zukunft ab 2015 sahen die befragten
Tier-1-Manager Russland als attraktivsten Standort,
gefolgt von Südafrika und Indien. China wird ebenfalls
weiterhin als ein attraktiver Standort gesehen. In Europa
erwartet ein großer Teil der Tier-1-Manager eine positive
Entwicklung bei der Ukraine sowie in Asien bei Indonesien. Insgesamt sind die BRIC-Staaten mit der Ausnahme
von Brasilien mittelfristig sowie langfristig die attraktivsten Standorte aus Sicht der befragten Tier-1-Lieferanten
(s. Abb. 22).
Abb. 22 – Standortranking ab 2015 der Tier-1-Zulieferer
45
Russland
40
Südafrika
30
Indien
22
China
Mexiko
20
Ukraine
20
Indonesien
20
19
Rumänien
18
Mazedonien
15
Philippinen
Andere
14
Vietnam
14
12
Serbien
10
Ägypten
5
Marokko
0
10
20
30
40
50
80
100
Punkte
(Punkterechnung = 10 Punkte für Rang 1 je Befragtem, 5 Punkte für Rang 2 je Befragtem und 2 Punkte für Rang 3 je Befragtem)
Quelle: Deloitte-Analyse
0
22
20
40
60
Kernpunkte der Standortentscheidung
in der Zulieferindustrie
Motive für die Produktionsverlagerung
Es gibt eine Vielzahl von Motiven für eine Produktionsverlagerung (auch als „Offshoring“ bezeichnet),
die meist von immer schärferem Wettbewerb und den
daher voranzutreibenden Kosteneinsparungen geprägt
ist. Diese Einsparungen beziehen sich auf alle ökonomischen Aspekte eines Betriebes wie z.B. auf Arbeitskosten, infrastrukturelle Fragen (u.a. Transport- und
Beschaffungskosten), Energiekosten etc. Jedoch ist zu
beachten, dass die Motive aktuell und in Zukunft immer
stärker mit neuen Chancen einhergehen, wie z.B. der
direkten Nähe zum Kunden in aufstrebenden Märkten,
um vom dortigen Wachstum zu profitieren.
Maßgebliche Kriterien zur Standortentscheidung wie z.B. die Kunden­
nähe, das Lohnkostenniveau, aber auch
die Energiekosten sind anhand weiterer
Kernpunkte wie Qualifikation und
Produktivität im Gesamtüberblick zu
betrachten.
Lohnkosten
Der Faktor Lohnkosten wird auch branchenübergreifend
oft als ausschlaggebendes Argument zur Produktionsverlagerung angegeben. In der Vergangenheit hat eine
große Welle an Verlagerungen aufgrund des Lohnkostenfaktors stattgefunden. Die Datenerhebungen von 43
Ländern zu Arbeitskosten je Arbeitnehmerstunde vom
Institut der Deutschen Wirtschaftsforschung (IW) in Köln
zeigt die teilweise gravierenden Unterschiede zwischen
den internationalen Arbeitskosten (s. Abb. 23).
Abb. 23 – Arbeitskosten ausgewählter Länder im verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2012
57,85
Norwegen
46,55
Schweiz
41,91
Belgien
36,98
Deutschland
36,77
Frankreich
29,56
Japan
27,48
Italien
25,87
USA
25,14
GB
22,41
Spanien
17,11
Südkorea
10,15
Tschech. Rep.
8,73
Brasilien
7,65
Ungarn
6,65
Polen
5,87
Russland
5,17
Türkei
3,97
China
Bulgarien
2,86
1,82
Philippinen
0
20
10
30
40
50
60
Arbeitskosten je geleistete Stunde in EUR
Quelle: IW Köln (IW-Trends 2012)
0
20
40
100
60
80
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
23
In 2012 sind demnach die Norweger mit 57,85 EUR/h
Spitzenreiter bei den Arbeitskosten, während die
Philippinen mit 1,82 EUR/h die niedrigsten Arbeitskosten aufweisen. Zum Vergleich: Deutschland gehört
mit 36,98 EUR/h zum oberen Spitzenfeld, die USA mit
25,87 EUR/h bewegt sich im Mittelfeld und China mit
3,97 EUR/h schließt sich dem Bereich der niedrigsten
Arbeitskosten an.
qualifizierten Personals, die Infrastruktur oder die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes, sodass Entscheidungen nicht zwangsläufig
zugunsten dieser Länder führen.
Ferner gibt es weitere Kriterien, welche in diesem
Zusammenhang ebenfalls hinzugezogen werden
müssen. Im Hinblick auf weitere Lohnkosten-Kriterien
muss die Produktivität analysiert werden, welche im
direkten Verhältnis zu den jeweiligen Lohnkosten zu
sehen ist. Hierzu werden allgemein Lohnstückkosten
in Betracht gezogen. Auf Ebene der Volkswirtschaften
verschiedener Standorte werden die Arbeitskosten pro
Kopf (verarbeitendes Gewerbe) zur Brutto­wertschöpfung
pro Erwerbstätigem (verarbeitendes Gewerbe) ins Verhältnis gesetzt. Diese Kennzahlen sind durch nicht völlig
einheitliche Strukturen (Erwerbstätige beinhalten etwa
auch Selbstständige und Schwarzarbeit ist per Definition
statistisch nicht erfasst) leicht verzerrt, werden jedoch
zur näherungsweisen Bewertung herangezogen.
Für die Aussagekraft dieser Daten müssen auch
Wechselkurseffekte und Personalzusatzkosten (z.B.
Bonuszahlungen) berücksichtigt werden. Des Weiteren
kann dieser kostenbasierte Standortvergleich ohne
weitere Zusammenhänge zu falschen Schlussfolgerungen führen. Länder am Ende des Rankings wie die
Philippinnen, Moldawien, Georgien und die Ukraine
müssten theoretisch mit den niedrigsten Arbeitskosten
je Arbeitnehmerstunde hinsichtlich der Produktionsverlagerung somit eine Spitzenposition einnehmen. In der
Praxis stehen diesen aber noch andere entscheidende
Einflussfaktoren gegenüber wie z.B. die Verfügbarkeit
Abb. 24 – Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe ausgewählter Länder im Jahr 2012 (Index: Deutschland)
120%
118%
115%
114%
111%
108%
107%
102%
100%
UK
Italien
Frankreich
Belgien
Dänemark
Finnland
Norwegen
Slowenien
Deutschland
Durchschnitt
Österreich
Niederlande
Kanada
Japan
Schweden
Estland
Tschechische Rep.
Portugal
Spanien
USA
Griechenland
Slowakische Rep.
Ungarn
Polen
Litauen
Lettland
92%
92%
91%
91%
90%
90%
90%
88%
86%
85%
81%
75%
74%
74%
73%
66%
53%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
120%
Lohnstückkosten: Verhältnis von Arbeitskosten je Beschäftigtenstunde in Euro zur Produktivität;
Produktivität: Bruttowertschöpfung je geleistete Stunde
Quelle: IW Köln (IW-Trends 2013)
24
0
20
40
60
80
100
So verdeutlicht Abbildung 24, dass Deutschland im Jahr
2012 mit seinem Lohnstückkostenniveau 8% über dem
Durchschnitt gegenüber den Konkurrenzländern lag und
insgesamt unter allen betrachteten Ländern den neuntschlechtesten Platz belegt. Lediglich EU-Länder wie UK,
Frankreich, Belgien, Dänemark und Italien schnitten
noch schlechter ab, wobei UK die mit Abstand höchsten
Lohnstückkosten verzeichnete. Überraschenderweise
haben die USA (mit 19% weniger) und Japan (mit 10%
weniger) im direkten Vergleich mit Deutschland deutlich
niedrigere Lohnstückkosten.
Energiekosten
Energie ist ein wesentlicher Bestandteil für die Standortbestimmung und nach dem Personal der zweitgrößte
Kostenfaktor in der Automobilindustrie. Viele Autokomponenten benötigen u.a. Teile aus der Gussfertigung,
der Umformtechnik, dem Kunststoff-Spritzguss, der
Beschichtungstechnik sowie der Zerspanungstechnik.
Trotz weitreichender Fortschritte gehören diese Prozesse
insbesondere im Eisen- und Nichteisenmetallerzeugnis
zu den energieintensivsten Fertigungsprozessen. Laut
Datenerhebung des Statistischen Bundesamts ergeben
sich im Durchschnitt ca. 6–7% der Energiekosten vom
Bruttoproduktionswert dieses Industriezweigs. Aktuell
werden energieintensive Industrien (ab 10 GW) in
Deutschland zwar preislich entlastet, jedoch reichen
diese Entlastungen im Schnitt nicht aus, um das Energiekostenniveau vieler anderer Länder zu erreichen, wie in
Abbildung 25 illustriert.
Sollten sich zukünftig die Lohnforderungen der Gewerkschaften höher gestalten als der eigentliche Produktionszuwachs, so würde dies zwangsläufig zu höheren Lohnstückkosten führen und somit die Wettbewerbsfähigkeit
des Standorts Deutschland negativ beeinflussen.
Abb. 25 – Strompreise für Industriekunden in ausgewählten europäischen Ländern nach Verbrauchsmenge im Jahr 2012
12,39
Italien
11,09
10,60
10,93
Ungarn
Slowakei
10,40
Deutschland
10,00
Vereinigtes Königreich
9,44
Tschechische Republik
12,77
11,47
11,44
8,76
Spanien
12,11
8,03
Belgien
7,75
Slowenien
7,74
Polen
7,25
Frankreich
6,75
Rumänien
6,27
Schweden
5,84
Finnland
5,64
Bulgarien
0
5
500 MW–2.000 MW
13,16
10,39
9,36
Portugal
17,90
10,76
9,48
9,17
9,66
8,33
8,09
7,55
€-Cent pro Kilowattstunde
6,94
10
15
20
20.000 MW–70.000 MW
Notiz: Die Statistik zeigt die Höhe der Strompreise für Industriekunden in ausgewählten europäischen Ländern nach Verbrauchsmenge im Jahr 2012. Im Jahr 2012
bezahlten italienische Industriekunden mit einem jährlichen Stromverbrauch zwischen 20.000 bis 70.000 Megawattstunden rund 12,4 Cent pro kWh Strom.
Quelle: Statista, Eurostat
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
25
So gehörten im Jahr 2012 die Energiekosten in Deutschland mit zu den höchsten Europas. Berücksichtigt man
zudem die Daten der International Energy Agency (IEA)
und des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., Berlin (BDEW), bildeten die Industriestrom­
kosten 2012 in Deutschland sogar die dritthöchsten auf
globaler Ebene.
Dieser wirtschaftliche Nachteil hängt im Wesentlichen
von mehreren Faktoren ab: Zum einen fließen die im
Vergleich zu anderen Ländern hohen staatlichen Belastungen in die Stromkosten mit ein und zum anderen
sind es allgemeine Kosten für die Stromerzeugung (u.a.
durch gesetzliche Auflagen).
Die staatlichen Belastungen, die sich aus der Stromsteuer, der Konzessionsabgabe, der EEG-Umlage, der
KWK-Umlage und den Netznutzungsentgeltgebühren
zusammensetzen, haben sich insbesondere im Zuge
des von der deutschen Bundesregierung beschlossenen
Atomausstieges im Jahre 2011 signifikant erhöht. Eine
wesentliche Belastung stellt dabei die EEG-Umlage dar,
die etwa vor der Energiewende in 2010 noch bei 2,047
ct/kWh lag und sich nach der Energiewende im Jahr
2012 bei 3,592 ct/kWh befand. Somit machte die EEGUmlage 2012 nahezu ein Drittel der gesamten Stromkosten für energieintensive Industrieunternehmen aus.
Aktuell wurde die EEG-Umlage 2013 um fast 50% auf
5,28 ct/kWh erhöht – Tendenz steigend. Um im Kontext
des globalen Wettbewerbs die Industrieunternehmen
von steigenden EEG-Umlagen zu entlasten, wurden
bestimmte Kriterien für die Befreiung erlassen, sodass
mögliche Zusatzkosten hieraus kaum anfallen. Jedoch
mahnte VDA-Präsident Matthias Wissmann vor Kurzem,
dass „die meisten Unternehmen aus der Autoindustrie
nicht von der EEG-Umlage befreit sind und somit den
vollen Satz entrichten müssen“.
Allgemeine Energiekosten wie die Beschaffung der
benötigten Brennstoffe (z.B. Gas, Öl, Kohle) für die
Stromerzeugung werden auch aufgrund gesetzlicher
CO2-Auflagen der EU zusätzlich erhöht.
Deshalb überrascht es wenig, dass Länder wie bspw. die
USA oder die BRIC-Staaten mit ihren teils hohen staatlichen Subventionen, weniger strengen Auflagen, ausreichend vorhandenen Rohstoffen und der großen Zahl an
betriebenen Atomkraftwerken das Strompreis­niveau in
Deutschland und Europa insgesamt deutlich unterbieten.
Bedingt durch die neue Sonderrolle im Atomausstieg
26
kommt auf Deutschland noch die Erschwernis hinzu, die
Versorgungssicherheit und die Stromqualität auf dem
bisherigen Niveau aufrechterhalten zu müssen, um die
reibungslose Industrieproduktion zu gewährleisten.
Neben dem Strompreis sind viele Industriebetriebe aber
auch von der Gaspreisentwicklung abhängig, insbesondere in der Produktion der Automobilindustrie. So
verteuerten sich 2012 nach Daten von Eurostat/VIK die
Industriegaspreise europaweit zum Vorjahr um
0,27 ct/kWh, d.h. mit einer europaweiten Preissteigerungsrate von durchschnittlich 9,8%. Die deutsche
Industrie, die ebenfalls von der Gaspreissteigerung
betroffen ist, nahm dabei den siebtteuersten Platz
mit 3,43 ct/kWh im europaweiten Vergleich ein. Den
höchsten Industriegaspreis hielt Schweden mit 4,67 ct/
kWh, Großbritannien mit 2,46 ct/kWh den niedrigsten.
Es wird zukünftig von einem weiter steigenden Industriegaspreis ausgegangen, der am Industriestandort
Deutschland eine gravierende Herausforderung neben
der Strompreisentwicklung darstellt. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den internationalen Standortwettbewerb, da z.B. die USA durch eine innovative
Fördermethode Gas im eigenen Land günstiger beziehen
können, sodass dort ein Preisverfall zu beobachten und
weiter zu erwarten ist.
Marktchancen
Nach Lohn-/Energiekosten werden Produktionsverlagerungen häufig auch mit der Chance der strategischen
Erweiterung der Zielmärkte gesehen. Hauptsächlich
werden hierbei die Länder mit einem großen Bevölkerungsanteil betrachtet wie etwa die BRIC-Staaten,
Mexiko, die Türkei, Thailand und Polen.
Logistik/Lieferzeit
Aufgrund der Produktionsverlagerung sowohl von OEMs
als auch der großen Tier-1-Lieferanten nach Osteuropa
und Asien ergeben sich im direkten Vergleich bei vielen
kleineren Tier-1- und den meisten Tier-2- und -3-Lieferanten ohne entsprechende Standortverlagerung eine relativ
längere Lieferzeit sowie höhere Logistikkosten. Gerade
bei A- und B-Komponenten mit hohem Gewicht bzw.
großen Dimensionen erscheinen diese Nachteile offensichtlich. In diesem Zusammenhang muss man aber auch
die externe Lohnbearbeitung berücksichtigen. Hierzu
zählen etwa die Lackierung, Beschichtung, Zerspanung
und das Härten von schweren Guss- bzw. Schmiedeteilen
durch externe Dienstleister mit entfernteren Standorten.
Wechselkurse
Der Wechselkurs einer Währung ist beeinflusst durch
die Produktivität und das relative Preisniveau eines
Währungsraums und spiegelt somit u.a. die Wettbewerbsfähigkeit einer Nation wider. So wertet normalerweise bei einem produktiven und nicht inflationären
Land die inländische Währung auf, ausgelöst durch eine
verstärkte Nachfrage ausländischer Investoren. Dieser
Mechanismus bewirkt u.a., dass eine höhere Kaufkraft
im Ausland entsteht. Umgekehrt wertet die inländische
Währung bei einem unproduktiven/inflationären Land
ab, um hierdurch das Defizit der geringen Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen und somit die verstärkte
Nachfrage ausländischer Investoren anzuregen. Dies
bewirkt etwa, dass ein Standort über den Wechselkurs
attraktiver wird und somit zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit verhelfen kann.
In Bezug etwa auf ein europäisches Zulieferunternehmen bedeutet dies, dass seitens eines europäischen
Exporteurs ein Interesse an einem niedrigen EUR/USDWechselkurs besteht, um somit für einen US-Importeur
(d.h. zum Beispiel ein OEM-Bezieher eines bestimmten
Produkts) vergleichsweise preisgünstige Produkte und
Dienstleistungen anbieten zu können. Mit anderen
Worten begünstigt der starke US-Dollar den europäischen Export gegenüber einem schwachen Euro,
während ein starker Euro gegenüber einem schwachen
US-Dollar den europäischen Export schwächt. Gleiches
gilt auch für Exporte nach China, da der chinesische
Yuan an den US-Dollar gekoppelt ist.
Diese Interdependenzen spielen eine entscheidende
Rolle, zumal für Exporteure angesichts ungünstiger
Wechselkurse grundsätzlich die Gefahr besteht, Wettbewerbsvorteile durch sinkende Marktanteile oder
Gewinnmargen zu verlieren.
Profitabler gestaltet sich die Situation, wenn eine
Produktionsverlagerung bspw. eines deutschen Zulieferunternehmens in ein Land mit einer relativ niedrig
bewerteten Währung erfolgt (Aktuelle Beispiele: USA,
China, Japan). Hierbei können die deutschen Zulieferunternehmen vom niedrigen Wechselkurs und somit von
der stärkeren Inlandsnachfrage profitieren.
Gesetzliche, steuerliche bzw. staatliche Vorteile
In den zwei vergangenen Jahrzehnten haben öffentliche
Förderungsmaßnahmen für die Wirtschaft in den strategischen Standortplanungsüberlegungen von Unternehmen einen immer höheren Stellenwert eingenommen.
Durch das Globalisierungsphänomen, welches seit den
1990ern kontinuierlich bis heute fortgeschritten ist,
wird zunehmend wegen des steigenden internationalen
Wettbewerbsdrucks ein Kostenvorteil darin gesehen,
steuerliche Vorteile in Verbindung mit besseren gesetzlichen Rahmenbedingungen und staatlichen Förderungen
weltweit wahrzunehmen.
Laut Daten der Weltbank (s. Abb. 26) gehörten Deutschland und die USA im Jahr 2013 mit einer Gesamtbesteuerung von 49,4% und 46,3% weltweit zum oberen
Drittel. Obwohl die BRIC-Staaten zum Teil eine deutlich
Abb. 26 – Gesamtbesteuerung selektierter Länder im Jahr 2013 auf einen Blick
2013
Gesamtbesteuerung
Unternehmensbesteuerung
Lohnbesteuerung
Sonstige
Besteuerungen
Weltranking
Brasilien
68,3%
24,9%
39,6%
3,8%
159
Russland
50,7%
8,0%
36,7%
6,1%
56
Indien
62,8%
24,4%
20,7%
17,8%
158
China
63,7%
6,2%
49,6%
7,9%
120
Südafrika
30,1%
21,9%
4,1%
4,2%
24
UK
34,0%
21,6%
10,6%
1,7%
14
Deutschland
49,4%
23,0%
21,8%
4,6%
89
USA
46,3%
27,9%
9,9%
8,4%
64
Mexiko
53,7%
24,1%
28,2%
1,4%
118
Japan
49,7%
27,2%
17,9%
4,5%
140
Land
Quelle: World Bank Group
Weitere Quellen: http://www.bem-ev.de/forderungen-im-europaischen-vergleich/
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
27
höhere Gesamtquote auswiesen, verzeichnen Russland
und China die geringsten Unternehmensgewinnbesteuerungen.
Einflüsse auf die allgemeine Besteuerung sind in Form
staatlicher Förderprogramme und sonstiger Subventionen/Vergünstigungen zu berücksichtigen. Nur so können
zusätzliche Anreize geschaffen werden, um eine solide
Wettbewerbsform aufrechtzuerhalten bzw. ein Land
wettbewerbsfähig zu gestalten.
Die Elektromobilität ist einer der staatlich geförderten
Trends, dem sowohl in Forschung und Entwicklung als
auch in der Nachfragestimulierung der Automobilindustrie Chinas, Japans und der USA eine große Bedeutung
zukommt. So erhält nach Angaben des Bundesverbandes eMobilität e.V. zum Bespiel ein Käufer eines Elektromobils in den USA eine direkte staatliche finanzielle
Förderung in Höhe von ca. 4.500 EUR, in China von ca.
7.000 EUR sowie in Japan von ca. 10.000 EUR. Deutschland hingegen hat bisher kaum monetäre Anreize zum
Kauf eines Elektromobils geschaffen, sondern lediglich
den Förderungsfokus auf die entsprechende Forschung
und Entwicklung gesetzt. Nachteilig kommt für Deutschland noch hinzu, dass mit der Dienst- und Firmenwagenbesteuerung kein wesentlicher Anreiz zur Anschaffung
eines Elektrofahrzeugs existiert.
Ähnlich wie in China, Japan und den USA sieht es bei
den europäischen Nachbarstaaten Deutschlands wie
z.B. Frankreich, Großbritannien oder Dänemark aus, bei
denen zusätzlich zur F&E-Förderung ein Nachfrageanreiz
nach Elektromobilität entweder durch eine Prämienzahlung oder durch einen Steuernachlass geschaffen wird.
Allgemein muss festgehalten werden, dass staatliche
Förderprogramme mit Sonderwirtschaftszonen und
sonstigen Vergünstigungen zwar einen zusätzlichen
Anreiz bieten, jedoch letztendlich keinen ausschlaggebenden Faktor für eine Standortentscheidung darstellen,
da sie oft an wirtschaftlich unvorteilhafte Konditionen
gebunden sind.
Optionen bei der Produktionsverlagerung
Nachdem bisher die Motive einer Produktionsverlagerung betrachtet wurden, soll im Folgenden der Schwerpunkt auf deren strategischen Umsetzungsmöglichkeiten
liegen. Hierunter ist in erster Linie zu verstehen, dass
das Management eines Unternehmens Überlegungen
anstellt, inwiefern eine Produktionsverlagerung durch
die Errichtung einer komplett neuen Produktions­stätte
im Ausland geschehen soll, ob man sich einer vorhandenen Infrastruktur bedient oder sich über eine klassische
M&A-Transaktion in einen bestehenden Produktionsprozess integriert.
Greenfield Approach
Bei diesem Investitionsansatz sind zunächst keinerlei
bauliche Anlagen vorhanden. Diese und ggf. benötigte
Infrastruktur wie etwa Straßenanbindung, Parkplätze,
Energiezuleitung etc. müssen zunächst errichtet bzw.
erschlossen werden. Dadurch kann bei der Projektplanung sehr flexibel auf die notwendigen Gebäudeanforderungen eingegangen werden und es kann
bereits in der Planungsphase eine mögliche Erweiterung
berücksichtigt werden. Allerdings müssen je nach vorhandener Infrastruktur hohe Investitionen in selbige
getätigt werden, wodurch Risiken insbesondere in
der Investitionsplanung und der zeitlichen Projektplanung (z.B. durch Baugenehmigungen etc.) entstehen.
Weitere Vorteile bei einem Greenfield Investment sind
ein optimiertes Produktions-Layout sowie ein moderner
Effizienzgrad von Gebäudestruktur und -technik. Ein
prominentes Beispiel für Greenfield Investments ist das
Daimler-Kecskemet-Werk in Ungarn mit über 1 Mrd. EUR
Investitionswert.
Abbildung 27 stellt die geplanten „Greenfield Investitionen“ (GI) nach IHS-Automotive-Daten ab 2014 dar
und zeigt deutlich, dass die OEMs sich weiterhin stark in
BRIC-Staaten engagieren, gleichzeitig jedoch ihr Augenmerk ebenfalls auf Mexiko, Ungarn, Indonesien und
Thailand richten.
Um einen Einblick in die Verteilung der einzelnen OEMs
auf bestimmte GI-Länder zu erhalten, wurden in Abbildung 28 die fünf größten OEMs ausgewählt und nach
einzelnen Länder­in­ves­titionen aufgegliedert.
Die Weltkarte verdeutlicht Chinas Schlüsselposition als
eines der Länder, in denen bisherige und zukünftige
Standortinvestitionen getätigt werden. So sind 32 von
insgesamt 62 im Bau befindlichen/geplanten Standor-
28
ten in China. Mit anderen Worten, mehr als 50% der
Produktionsverlagerung aller OEMs gehen nach China.
Die größte Verlagerung stellt dabei der Volkswagenkonzern mit insgesamt acht Produktionsstätten, gefolgt von
dessen OEM-Hauptwettbewerbern Toyota und Daimler
mit jeweils einer Produktionsstätte dar. Zweitgrößtes
GI-Land ist Brasilien mit insgesamt sieben neuen Produktionsstandorten, von denen rund 43% den Top-5-
OEMs (Toyota, Renault/Nissan) entstammen. Insgesamt
stammen 24 aller 62 GI-Standorte von den Top-5-OEMs,
womit diese einen Anteil von 39% der Gesamtinvestments ausmachen. Die Botschaft hieraus ist klar – die
Verlagerung der Produktionsstätten in BRIC- und Next11-Staaten wird stärker vorangetrieben, um an deren
wirtschaftlichem Aufschwung teilzuhaben.
Abb. 27 – Greenfield Investments in der Automobilindustrie ab 2014
Länder der OEM-Standorte
Standorte der OEMs
Quelle: IHS Automotive
Abb. 28 – Greenfield Investments – Top-5-OEMs vs. total OEMs (indikativ)
Anzahl neuer Standorte
Von 2012 bis
2016
VW
Toyota
GM Renault/Nissan
Daimler
Top-5-OEMs
Total OEMs
32
China
8
1
-
-
1
10
Brasilien
-
2
-
1
-
3
7
Thailand
-
1
-
1
-
2
6
Indonesien
-
2
-
-
-
2
5
Mexiko
1
-
-
1
-
2
4
Ungarn
1
-
1
-
1
3
3
Russland
1
-
-
-
-
1
2
Rumänien
-
-
-
-
-
-
1
Andere
-
-
-
1
-
1
2
11
6
1
4
2
24
62
Total
Quelle: IHS Automotive; Deloitte-Analyse
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
29
Abb. 29 – Greenfield Investments der Zulieferer (indikativ)
Projekt
Unternehmen
(Mutter)
Standort
Denso Mexiko Silao
Denso
Silao
Mexiko
Denso Santa Barbara
Denso
Sao Paulo
Brasilien
Denso Indonesia Fajar Plant
Denso
Fajar
Indonesien
Land
SOP
Okt 2013
n/a
Feb 2014
Investition Produkt/Fertigung
Mitarbeiter
$57m Heizung, Ventilation, Klimaanlage (AVAC)
400
$50m Klimaanlagensysteme, Kühlmodule, Starter und Scheibenwischer
342
$110m ECU (Steuergeräte), VCT- Systeme(Var. Cam Timing),
Starter, Lichtmaschinen
Denso India Jhaljar Plant
Denso
Jhaljar
Indien
n/a
Denso Korea
Denso
n/a
Korea
n/a
Bosch Werk Cluj
Robert Bosch GmbH
Cluj
Rumänien
Bosch Werk Blaj
Robert Bosch GmbH
Blaj
Rumänien
Bosch Werk Qingdao
Robert Bosch GmbH
Qingdao
China
Aug 2013
€195m Diesel-Einspritzsysteme
Bosch Werk Chengdu
Robert Bosch GmbH
Chengdu
China
Aug 2013
€100m ABS (Chassis Systems Control)
Bosch Werk Changsha
Robert Bosch GmbH
Changsha
China
Okt 2012
€100m Starter, Generator, Thermo-Systeme, Wischer-Systeme
5.000
Bosch Werk Nanjing
Robert Bosch GmbH
Nanjing
China
Juli 2013
€220m Aftermarket-Bremsbeläge
2.000
Bosch Werk Pecinci
Robert Bosch GmbH
Pecinci/Belgrad
Serbien
Juli 2013
Bosch Werk Samara (Avtovaz)
Robert Bosch GmbH
Samara
Russland
Conti Werk Changchun
Continental AG
Changchun
China
ContiTech Werk Subotica
Continental AG
Subotica
Serbien
Conti Werk Kaluga
Continental AG
Kaluga
Schaeffler Werk Uljanowsk
Schaeffler AG
Uljanowsk
Nov 2013
Juli 2013
$52m Scheibenwischermotoren, Kühlmodule
1.300
n/a n/a
€77m Steuergeräte (Automotive Electronics)
€50m Drehzahlfühler (Chassis Systems Control)
450
n/a
340
n/a
n/a
n/a
€70m Electrical Drives
620
Mär 2015
€40m ABS, Starter und Generatoren
500
Mär 2013
€35m Sicherheitsysteme (ABS etc.)
Juli 2013
€10m Schlauchleitungen Antriebsstrang
Russland
Juli 2014
€20m Motorsteuerungen
Russland
Mär 2014
€49m Radnabenlager für Kupplungen, Motorkomponenten
n/a
250
n/a
450
Magna China (Powertrain) Tianjin
Magna
Tianjin
China
Aug 2013
n/a Hinterachsen und powertake off VW
400
Magna Romania (Exterior/Interior)
Magna
Craiova
Rumänien
Okt 2012
n/a Vorder- und Rückstoßstangen
100
Delphi Werk Yantai
Delphi Automotive
Yantai
China
Mär 2013
$100m Diesel-Einspritzsysteme
500
Delphi Werk Lasi
Delphi Automotive
Lasi
Rumänien
Dez 2011
€155m Diesel-Einspritzsysteme
n/a
JCI Werk Chongqing
Johnson Controls,
Inc.
Chongqing
China
Jan 2012
$118m Batterieproduktion
n/a
JCI Werk Tianjin
Johnson Controls,
Inc.
Tianjin
China
Mär 2014
$200m Batterieproduktion
n/a
JCI Werk Changsha
Johnson Controls,
Inc.
Changsha
China
Juni 2012
n/a Interior Systems
700
JCI Werk Kecskemét
Johnson Controls,
Inc.
Kecskemét
Ungarn
Mär 2012
n/a Sitzsysteme Mercedes
200
JCI Werk Kragujerac
Johnson Controls,
Inc.
Kragujerac
Serbien
Feb 2012
€26m Sitzsysteme Fiat 500L
380
ZF Getriebewerk Gray Court
ZF Friedrichshafen
GmbH
Gray Court, SC
USA
Juli 2013
Freudenberg Chengdu Werk
Freudenberg SE
Chengdu
China
Mär 2013
€5m Filterproduktion
Carcoustics Novaky Werk
Carcoustics AG
Novaky
Slowakei
Okt 2013
€5m Hitzeschilde
€450m 8HP- und 9HP-Automatgetriebe
n/a Akustiksysteme, Versteifungselemente
1.650
60
200
Carcoustics Langfang Werk
Carcoustics AG
Langfang
China
Mär 2012
Eberspächer Werk Shanghai
Eberspächer AG
Shanghai
China
Juli 2013
Dräxlmaier Werk Kavadarci
Dräxlmaier
Kavadarci
Mazedonien
Juli 2012
€35m Bordnetze
Craiova Werk (Ford Supplier Park)
Kirchhoff Automotive GmbH
Craiova
Rumänien
Mai 2012
€12m Karosseriestrukturteile
IAC Werk Bals
IAC
Bals
Rumänien
Mai 2012
Aisin China Yuntu City
Aisin
Yuntu City
China
Dez 2013
Aisin AW China Tianjin
Aisin
Tianjin
China
Ende 2014
Aisin Seiki Foshan China
Aisin
Foshan
China
Dez 2012
JPY3,4bn Steuergeräte (ABS), Sonnendächer, Sensoren
190
Aisin Wuxi Body
Aisin
Wuxi
China
Mär 2012
JPY300m Sonnendächer (Dachsysteme)
132
Aisin Itu/Sao Paulo Brasil
Aisin
Itu/Sao Paulo
Brasilien
Aug 2012
Toyota Boshoku Shengyang China
Toyota Boshoku
Shengyang
China
Juli 2016
n/a Systeme/Komponenten Abgasnachbehandlung
FastKast Innenraumoberflächen
CNY100m Bremskraftverstärker, Scheibenbremsen
$100m Automatikgetriebe
BRL65m Stanzteile für Sitzsysteme
n/a n/a
n/a
90
1.000
200
n/a
350
750
30
n/a
Toyota Boshoku Changchun China
Toyota Boshoku
Changchun
China
Mai 2012
n/a n/a
n/a
Toyota Boshoku Guangzhou China
Toyota Boshoku
Guangzhou
China
Sep 2013
$4m n/a
230
Toyota Boshoku Pilsen
Toyota Boshoku
Pilsen
Tschechien
Juli 2013
€3m n/a
n/a
Karawang Werk JTEKT
JTEKT
Karawang
Indonesien
Jan 2012
n/a n/a
n/a
Gurgaon Werk
JTEKT
Gurggaon Bawal
Indien
n/a Wälzlager
n/a
Quelle: IHS Automotive, Deloitte-Analyse
30
Nov 2012
Brownfield Approach
Ein „Brownfield Approach“ bezeichnet eine Investition auf einem Grundstück mit oder ohne Gebäude,
welches ehemals wirtschaftlich genutzt wurde und zur
Neunutzung bereitsteht. Umbau-/Neubaumaßnahmen
oder Sanierungen können hierfür notwendig sein. Es
bietet somit gegenüber dem „Greenfield Approach“
den Vorteil, dass Projekte aufgrund einer bereits vorhandenen Infrastruktur oftmals schneller realisiert werden
können. Nachteilig ist allerdings, dass man das Produktions-Layout nur eingeschränkt umgestalten kann.
Ein Praxisbeispiel lässt sich anhand der Fiat Group Automobiles (FGA) illustrieren. 2008 hatte das Unternehmen mit der serbischen Regierung einen Vertrag über
die Akquisition der Zastava‘s Kragujevac-Fabrikanlage
geschlossen. Der italienische Konzern plante in dieser
Anlage die Produktion zweier neuer Fiat-Modelle. Der
Akquisitionswert belief sich auf insgesamt 700 Mio. EUR
und wurde durch die serbische Regierung mit 200 Mio.
EUR mit der Bedingung subventioniert, dass die Anlage
weiterhin zu 30% in staatlichem Besitz verbleibe.
Übernahme (M&A)
Aus der Übernahme eines bestehenden Unternehmens
ergeben sich diverse Vorteile gegenüber dem kompletten Neuaufbau eines Standortes. So sind die Hauptargumente u.a. das bereits etablierte Unternehmen, der
schnelle Marktzugang, das vorhandene qualifizierte
Personal oder aber auch die vorhandene Technologie.
Jedoch können gerade bei grenzüberschreitenden Transaktionen gewisse Schwierigkeiten auftreten, die sich
z.B. in den kulturellen Unterschieden, welche zu Missverständnissen in der Kommunikation führen können,
widerspiegeln.
Abb. 30 – Top-20-Transaktionen in der Automobilindustrie 2011–2013
Datum
Bieter
Zielunternehmen
Transaktionswert
Stand vom
Name
Business
Land
Name
Business
Land
1
12/06/2013
Apollo Tyres Ltd.
Zulieferer
Indien
Cooper Tire & Rubber Company
Zulieferer
USA
2
15/04/2013
Renault SA; Nissan Motor Co., Ltd.
OEM
Frankreich
Avtovaz OAO
OEM
Russland
3
26/10/2012
Delphi Automotive Plc
Zulieferer
USA
FCI SA (Motorized Vehicles Division)
Zulieferer
Frankreich
4
05/07/2012
Visteon Corporation
Zulieferer
USA
Halla Climate Control Corporation
Zulieferer
Südkorea
5
01/02/2012
Iochpe-Maxion S.A.
Zulieferer
Brasilien
Hayes Lemmerz International, Inc.
Zulieferer
USA
Anteil von
in Mio. EUR
100%
1.747
25%
887
100%
765
30%
583
100%
543
6
30/11/2011
Nisshinbo Holdings Inc.
Zulieferer
Japan
TMD Friction Holdings GmbH
Zulieferer
Deutschland
100%
440
7
11/01/2013
Halla Climate Control Corporation
Zulieferer
Südkorea
Visteon Corporation (Automotive Climate
Business)
Zulieferer
USA
100%
321
8
30/06/2011
Valeo SA
Zulieferer
Frankreich
Niles Co., Ltd.
Zulieferer
Japan
100%
313
9
20/07/2011
Gestamp Automocion, S.L.
Zulieferer
Spanien
ThyssenKrupp AS (Metal Forming Group)
Zulieferer
Deutschland
100%
300
10
07/01/2013
Mitsui & Co Ltd.
Zulieferer
Japan
Gestamp Automocion Americas Companies Zulieferer
Spanien
30%
300
11
18/12/2012
Liaoyuan Joyson Electronic Corp.
Zulieferer
China
Preh GmbH
Zulieferer
Deutschland
100%
291
12
30/08/2011
Beijing Hainachuan Automotive Parts
Co. Ltd.
Zulieferer
China
Inalfa Roof Systems Group B.V.
Zulieferer
Niederlande
100%
252
13
24/05/2013
U-Shin Ltd.
Zulieferer
Japan
Valeo SA (Access Mechanisms Business)
Zulieferer
Frankreich
100%
203
14
28/06/2012
Tenedora Nemak, SA de CV
Zulieferer
Mexiko
JL French Automotive Castings, Inc.
Zulieferer
USA
100%
163
15
23/01/2012
Iochpe-Maxion S.A.
Zulieferer
Brasilien
Grupo Galaz S.A. de C.V.
Zulieferer
Mexiko
100%
142
16
29/05/2013
Tokai Rubber Industries
Zulieferer
Japan
Anvis Group AG
Zulieferer
Deutschland
100%
132
17
01/08/2011
Martinrea International Inc. Anchorage
Capital Group, L.L.C.
Zulieferer
USA
Honsel AG
Zulieferer
Kanada,
Deutschland
100%
130
18
01/08/2012
Varroc Group
Zulieferer
Indien
Visteon Corporation (Lighting Division)
Zulieferer
USA
100%
55
19
01/06/2012
Faurecia SA
Zulieferer
Frankreich
Automotive Components Holdings
(automotive interior trim components)
Zulieferer
USA
100%
43
20
24/04/2013
Denso Corporation
Zulieferer
Japan
Pricol Components Limited
Zulieferer
Indien
51%
7
Quelle: Mergermarket, Bloomberg
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
31
Die Tabelle (Abb. 30) zeigt die 20 größten Cross-BorderTransaktionen der Automobilindustrie der vergangenen
zwei Jahre. Auffällig scheint hierbei, dass nicht nur
Unternehmen aus den etablierten Wirtschaftsnationen
im Ausland zukaufen, sondern sich zunehmend auch
Zulieferer der sogenannten BRIC-Staaten auf der Käuferseite wiederfinden. So haben beispielsweise brasilianische, chinesische und indische Unternehmen mit einem
Transaktionsvolumen von ca. 3 Mrd. EUR alleine in
Zulieferunternehmen in den USA, Mexiko, Deutschland
und den Niederlanden investiert. Auch Japan verzeichnet mit einem Transaktionsvolumen von ca. 1 Mrd. EUR
wesentliche Zukäufe, welche mit Ausnahme von Indien
hauptsächlich in Europa getätigt wurden (Deutschland,
Spanien und Frankreich). Dieser Trend lässt sich am
Beispiel von China und Japan folgendermaßen erklären:
Im chinesischen Markt konkurrieren sehr viele kleine
chinesische Automobilzulieferer mit deutlich größeren
internationalen Anbietern (u.a. Bosch, Denso, Delphi
oder Johnson Controls), deren Vorsprung es durch
Know-how und Technik einzuholen gilt. So sind zunehmend Akquisitionen z.B. von Inalfa Roof System oder
Preh durch chinesische Zulieferunternehmen auf dem
europäischen Markt zu beobachten, mit dem Ziel, Technologien und Zugänge zu Premium-OEMs zu erhalten.
Dies gilt auch in Bezug auf Japan. Japanische Zulieferer
haben sich angesichts der heimischen Marktlage und im
Zuge der angestrebten Unabhängigkeit von japanischen
Tier-1-OEMs zunehmend außerhalb Japans engagiert. So
fanden alleine in den letzten beiden Jahren viele strategische Übernahmen im europäischen Raum statt (TMD
Friction, Anvis Group), insbesondere in Deutschland. Im
Gegensatz zu chinesischen Käufern sind diese Übernahmen primär davon getrieben, den Zugang zu Kunden im
Premium-OEM-Segment zu erhalten.
Angesichts dieser Bedrohung für bereits etablierte
Zulieferer etwa in Deutschland ergibt sich andererseits
wiederum die große Chance, durch eine Akquisition
auf dem asiatischen Markt einen schnellen Zugang zu
den dortigen OEMs zu erhalten und gleichzeitig von der
„Umorientierung“ einheimischer Zuliefererunternehmen ins Ausland durch aggressiven Auftritt und mittels
neuester Technologie zu profitieren. Nichtsdestotrotz
können auch Kooperationen mit chinesischen oder japanischen Automobilherstellern eine sinnvolle Alternative
zur Akquisition darstellen.
32
Joint Venture/Strategische Kooperation
Die Entwicklungen in der Automobilindustrie sind
geprägt von strategischen Kooperationen und Joint
Ventures zur Realisation von Synergiepotenzialen ohne
die Risiken assoziiert mit Fusionen und Übernahmen.
Insbesondere die Segmente A, B und LCV der Klein-/
Kompaktfahrzeuge sowie der leichten Nutzfahrzeuge
erfordern große Anstrengungen bei den OEMs und
der Zuliefererkette, um den Endkunden Innovationen
auf Kostenniveau der Vorgängermodelle zu liefern.
In diesem Zusammenhang ist das Joint Venture TPCA
(Toyota Peugeot Citroën Automobile) zwischen Toyota
und PSA erwähnenswert, welches Toyota Aygo, Citroën
C1 und Peugeot 106 in der Tschechischen Republik produziert. Ein weiteres Beispiel findet sich bei Fiat und PSA
mit ihrer langjährigen Kooperation (seit 1978) im Bereich
der leichten Nutzfahrzeuge bzw. der Produktion von Fiat
Ducato, Peugeot Boxer und Citroën Jumper bei Fiat in
Süditalien sowie der Fertigung von Fiat Scudo, Peugeot
Expert und Citroën Jumpy bei PSA in Frankreich. In allen
Fällen nutzen die Kooperationspartner die Synergien
aus der gemeinsamen Forschung/Entwicklung, Einkauf
und Fertigung. Natürlich gibt es auch Beispiele gescheiterter Kooperationen wie im Falle von Volkswagen/
Suzuki und BMW/PSA, jedoch sind diese Entwicklungen
weniger dramatisch als etwa die Auflösung einer Fusion
wie im Falle von Daimler und Chrysler. Zukünftig sind
weitere Kooperationen wie Daimler und Renault-Nissan
sowie GM und PSA von Bedeutung, da auf diese Weise
Einkäufe gebündelt werden und so die Zuliefererbasis zu
stärkeren Preisnachlässen gezwungen werden wird.
Eine weitere Entwicklung in der Automobilbranche
unterstützt den Trend zur Kooperation: die Entwicklung
effizienterer, Ressourcen-schonender Antriebe mit der
Tendenz zur Verkleinerung von Motoren, der Elektrifizierung sowie der Vernetzung von Fahrzeugen. In diesem
Zusammenhang sind bspw. Kooperationen im Bereich
der Stromversorgung bzw. Batterien stark verbreitet.
Herausforderungen bei der Produktionsverlagerung im M&A-Kontext
In der Vergangenheit wurden viele Transaktionen vollzogen, bei denen operative Fragestellungen stark vernachlässigt wurden. Im Zusammenhang mit operativen
Inhalten sollten in jedem Fall auch organisatorische,
standortspezifische sowie F&E-Themen berücksichtigt
werden.
Nach der Konsolidierungsphase von OEMs und Tier-1
Zulieferern setzt sich diese Entwicklung wettbewerbsbedingt nun auf der nächsten Stufe der Tier-2- und
-3-Zulieferer fort. Die betroffenen Unternehmen sind
meist in der Metallverarbeitung mit Fertigungsverfahren
wie dem Urformen (Gießen), Umformen (Schmieden,
Stanzen), der mechanischen Bearbeitung (Zerspanen),
der Oberflächenbehandlung (Beschichten, Lackieren)
und der Komponentenmontage angesiedelt.
Bei der Betrachtung der Fertigung als Kernpunkt der
kontrollierbaren Kosten sind Themenstellungen wie
Maschinenparkalter, Maschinenhersteller, Maschinenanlagennutzungsgrad (OEE), Umrüstungszeiten,
Werkzeugkosten, Anteil an Verschrottung/Nacharbeit
(Scrap/Rework), Berücksichtigung von TPM-Instandhaltungsmaßnahmen, Flexibilität des Layouts (Maschinenversorgung Kühlmittel, Druckluft etc.), interne Logistik
(Supermarkt, FIFO), externe Logistik (externes Warenlager, Vendor Managed Inventory), Schichtmodelle
(10-,15-,18-Schichtsysteme), Gewerkschaftsvereinbarungen, Integration und Performance von externen Dienstleistern von Bedeutung.
Bei der optimalen Ergänzung von Maschinen können bei
gleichem Maschinentyp Einsparungen bei Ersatzteilen
sowie teilweise bei benötigten Werkzeugen stattfinden. Beispielhaft ist etwa bei Bearbeitungszentren die
Spindel, welche zur Sicherung der Fertigung je Maschinentyp üblicherweise im Ersatzteilelager verweilt. Bei
großer Anzahl an verschiedenen Maschinentypen findet
sich eine Vielzahl an teuren Spindeln im Lager. Diese
Situation bindet viel Geld und ist platzintensiv. Zusätzlich
müssen die Mitarbeiter auf verschiedene Maschinen
geschult werden und der Einkauf und die Buchhaltung
haben mehr Koordinationsaufgaben.
Erzeugnisklassen-Erfolgsrechnungen ermöglichen eine
erste Einschätzung der Zusammensetzung des Produktportfolios eines Zielunternehmens. Vorsicht ist geboten
bei der Interpretation aufgrund der häufig notwendigen
Gemeinkostenallokationen. Deckungsbeitragsrechnungen unter Berücksichtigung von direkten Einzelkosten
sowie klar zuordenbaren Gemeinkosten sollten zur
Analyse hinzugezogen werden. Aus den Allokationen
lassen sich auch Themen erschließen wie Kostenstellengliederung und zentrale Umlagen für Shared Services.
In gewissen Fällen können hier auch die Informationen
die Realität verzerren. Steuerliche Aspekte können zu
höheren bzw. niedrigeren Umlagen führen. Bei Carve-
outs können integrierte Werke mit großen internen Lieferbeziehungen wegen der vorhandenen Spielräume in
der Transferpreisgestaltung nicht auf gegebener Umsatzbasis bewertet werden.
Ein wichtiger Aspekt in der Untersuchung eines Zielunternehmens sind die Entwicklungskompetenzen
sowie die Fähigkeit, diese Innovationen und Designs
kosteneffizient zu fertigen. In der Praxis finden sich viele
Beispiele, bei denen Design und Fertigung suboptimal
abgestimmt sind und infolgedessen zu Kostenineffizienzen führen. In einigen Fällen sind es Kundenvorgaben,
oft jedoch auch mangelnde Kommunikation der Entwicklungsingenieure, Fertigungsingenieure und Projekteinkäufer. Diese Bedingungen müssen kein K.O.-Kriterium bei der Auswahl eines Zielunternehmens sein. Es ist
aber notwendig, die entsprechende Kenntnis dieser Herausforderungen vorab zu erwerben. Aus diesem Wissen
kann im Zusammenhang mit einem 100-Tage-Plan auf
die jeweiligen Schwerpunkte einer Übernahme und
Synergiehebung eingegangen werden. Eine Übersicht
der Kundenprojekte mit Status innerhalb des ProduktLebenszyklus besitzt Aussagekraft hinsichtlich zahlreicher
operativer Themenstellungen. Hieraus können neue
Projekte entsprechend besser abgestimmt werden und
OEM-Auslaufprojekte entsprechend effizienter für den
Aftermarket-Lebenszyklus vorbereitet werden. Laufende
und angefangene Projekte (Nach C-Muster-Phase) haben
schon die Investitionen und Kostenstruktur weitestgehend
festgelegt und sind nur bedingt verbesserungsfähig.
Zur richtigen Einschätzung von potenziellen Zielunternehmen sind operative Themen grundlegend in
der Erschließung von Synergie-Potenzialen. Bei vielen
Transaktionen lag in der Vergangenheit der Fokus auf
der Analyse der Finanzkennzahlen im Rahmen von DueDiligence-Berichten. Diese Vorgehensweise hat sich in
gewissen Fällen als nicht ausreichend erwiesen. Im Zuge
dieser Erkenntnis werden öfter Berater mit entsprechender Industrie- und Branchenerfahrung bei einer Due Diligence hinzugezogen. Diese Fachleute können aufgrund
ihrer Erfahrungswerte die operativen Kennzahlen identifizieren und durchleuchten.
Umbruch in der Automobilzulieferindustrie: Standortoptimierung und Sourcing
33
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Stand 03/2014