Supply Chain Risk Management in der Industrie

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Supply Chain Risk Management in der Industrie
Arbeitspapiere der FOM
Die 1993 von Verbänden der Wirtschaft gegründete staatlich anerkannte gemeinnützige
FOM Hochschule verfügt über 31 Studienorte in Deutschland.
Als praxisorientierte Hochschule fördert die FOM den Wissenstransfer zwischen Hochschule
und Unternehmen. Dabei sind alle wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge der FOM
auf die Bedürfnisse von Berufstätigen zugeschnitten. Die hohe Akzeptanz der FOM zeigt sich
nicht nur in der engen Zusammenarbeit mit staatlichen Hochschulen, sondern auch in zahlreichen Kooperationen mit regionalen mittelständischen Betrieben sowie mit internationalen
Großkonzernen. FOM-Absolventen verfügen über solide Fachkompetenzen wie auch über
Klumpp, Matthias / Marner, Torsten / Sandhaus, Gregor (Hrsg.)
ild Schriftenreihe Logistikforschung
Band 41
herausragende soziale Kompetenzen und sind deshalb von der Wirtschaft sehr begehrt.
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Supply Chain Risk Management
in der Industrie – am Beispiel
der Metall- und Elektroindustrie
Bayer, Frank / Bioly, Sascha
Das Ziel des ild Institut für Logistik- & Dienstleistungsmanagement ist der konstruktive Austausch zwischen anwendungsorientierter Forschung und Betriebspraxis. Die Wissenschaftler
des Instituts untersuchen nachhaltige und innovative Logistik- und Dienstleistungskonzepte
unterschiedlicher Bereiche, initiieren fachbezogene Managementdiskurse und sorgen zudem
für einen anwendungs- und wirtschaftsorientierten Transfer ihrer Forschungsergebnisse
in die Unternehmen. So werden die wesentlichen Erkenntnisse der verschiedenen Projekte
und Forschungen unter anderem in dieser Schriftenreihe Logistikforschung herausgegeben.
Darüber hinaus erfolgen weitergehende Veröffentlichungen bei nationalen und internationalen
Fachkonferenzen sowie in Fachpublikationen.
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ISSN 1866-0304
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berechtigt auch ohne besondere
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Oft handelt es sich um gesetzlich
geschützte eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht als
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Bayer, Frank / Bioly, Sascha
Supply Chain Risk Management in der Industrie - am Beispiel der Metall- und Elektroindustrie
FOM Hochschule für Oekonomie & Management
ild Institut für Logistik- & Dienstleistungsmanagement
Schriftenreihe Logistikforschung
Band 41, Mai 2014
ISSN 1866-0304
Essen
Der Autor dankt Dirk Krome für Korrekturhinweise zu dieser Publikation
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
II
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................ IV
Abbildungsverzeichnis .................................................................................................. V
Tabellenverzeichnis ..................................................................................................... VI
Abstract ...................................................................................................................... VII
1
Einleitung ............................................................................................................... 1
1.1 Hintergrund und Forschungsinteresse ............................................................ 1
1.2 Zielsetzung und Aufbau.................................................................................. 3
2
Definitorische Abgrenzung ..................................................................................... 5
2.1 Risikobegriff und Risikomanagement ............................................................. 5
2.2 Supply Chain und damit verbundene Risiken ................................................. 6
2.3 Supply Chain Risk Management .................................................................... 9
3
Grundlagen des Supply Chain Risk Managements .............................................. 12
3.1 Verwundbarkeitstreiber in der Supply Chain ................................................. 12
3.2 Richtlinien für ein standardisiertes Risikomanagement ................................. 14
3.3 Idealtypischer Supply Chain Risk Management Prozess .............................. 15
4
Identifizierung von Supply Chain Risiken ............................................................. 18
4.1 Ausgewählte Methoden zur Identifikation von Supply Chain Risiken ............ 19
4.1.1 Kreativ-intuitive Techniken .......................................................................... 19
4.1.2 Analytisch-strukturierte Techniken .............................................................. 21
4.1.3 Spezielle Techniken mit Supply Chain Charakter ....................................... 22
4.2 Risikoarten in der Supply Chain ................................................................... 23
4.2.1 Systematisierung ......................................................................................... 23
4.2.2 Exogene Risiken.......................................................................................... 26
4.2.3 Endogene Risiken ....................................................................................... 28
4.2.3.1 Unternehmensübergreifende Risiken ..................................... 28
4.2.3.2 Unternehmensbezogene Risiken ............................................ 30
5
Bewertung von Supply Chain Risiken .................................................................. 32
5.1 Quantitative Methoden ................................................................................. 33
5.1.1 Value at Risk................................................................................................ 33
5.1.2 Sensitivitätsanalyse ..................................................................................... 33
5.1.3 Risikosimulation ........................................................................................... 34
5.2 Semi-Quantitative Methoden ........................................................................ 35
5.2.1 Fehler- und Ereignisbaumanalyse .............................................................. 35
5.2.2 Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse .................................................... 36
5.2.3 Scoring-Modelle ........................................................................................... 39
5.3 Qualitative Methoden ................................................................................... 40
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
III
5.3.1 Risikoklassifizierung .................................................................................... 40
5.3.2 Szenarioanalyse .......................................................................................... 42
5.3.3 Risikoportfolio .............................................................................................. 42
6
Steuerung von Supply Chain Risiken ................................................................... 45
6.1 Ursachenbezogene Steuerungsmaßnahmen ............................................... 46
6.1.1 Risikovermeidung ........................................................................................ 46
6.1.2 Risikoverminderung ..................................................................................... 47
6.2 Wirkungsbezogene Steuerungsmaßnahmen ................................................ 50
6.2.1 Risikobegrenzung / Risikoübertragung ....................................................... 50
6.2.2 Risikoteilung ................................................................................................ 52
6.2.3 Selbsttragung des Risikos ........................................................................... 53
7
Supply Chain Risiken am Beispiel der Metall- und Elektroindustrie ...................... 55
7.1 Vorstellung des betrachteten Unternehmens ................................................ 55
7.2 Aluminiumbänder und damit verbundene SC Risiken ................................... 56
7.2.1 Betrachtungsgegenstand ............................................................................ 56
7.2.2 Methodische Vorgehensweise .................................................................... 57
7.2.3 Ergebnisse aus der Know-how Träger Befragung ...................................... 57
7.2.4 Gewonnene Erkenntnisse und mögliche Steuerungsmaßnahmen ............ 61
8
Fazit ..................................................................................................................... 64
Anhang und Anlagen .................................................................................................. 66
Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 71
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Abkürzungsverzeichnis
ABWL ........ Allgemeine Betriebswirtschaftslehre
Al ............... Aluminium
B2B ............ Business to Business
BCP ........... Business Continuity Plan
COSO ........ Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission
DDP ........... Delivered Duty Paid
EN ............. Europäische Norm
ERP ........... Enterprise Resource Planning
ETA ........... Event Tree Analysis
FIFO .......... First In, First Out
FMEA ........ Failure Mode Effect Analysis
FTA ............ Fault Tree Analysis
HP ............. Hewlett Packard
Incoterms ... International Commercial Terms
KMU .......... Kleine und mittlere Unternehmen
KonTraG .... Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
KPI ............. Key Performance Indicator
LCP ........... Lean, Clark and Peacock
QM ............. Qualitätsmanagement
RFID .......... Radio-frequency identification
RPZ ........... Risikoprioritätszahl
RWE .......... Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk
SAP ........... Systeme Anwendungen Produkte
SC ............. Supply Chain
SCM .......... Supply Chain Management
SCRLC ...... Supply Chain Risk Leadership Council
SCRM ........ Supply Chain Risk Management
SCRMP ..... Supply Chain Risk Management Process
TQM .......... Total Quality Management
unt. bez. ..... unternehmensbezogene
VaR ........... Value at Risk
IV
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: SCRM als Schnittstelle von SCM und Risikomanagement ....................... 9
Abbildung 2: SCRM Prozess von Interos .................................................................... 17
Abbildung 3: Kategorisierung von Supply Chain Risiken nach Entstehungsorten ....... 26
Abbildung 4: Beispiel für ein Risikoportfolio mit einer 6 x 6 Matrix ............................... 43
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Beispiel für ein FMEA Formular .................................................................. 38
Tabelle 2: Risikoklassifizierung nach Tummala und Schoenherr................................. 41
Tabelle 3: TOP 15 Supply Chain Risiken für beschichtete Al-Bänder.......................... 60
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
VII
Abstract
Today industrial enterprises are confronted with an increasing trend to focus on their
core capabilities. By outsourcing certain activities to logistics providers or suppliers a
company has the possibility to create a lean organization and decrease fixed costs. As
a result supply chains gain complexity and the dependency on third parties rises which
bears new risks for the functionality of the value network. While in the past only risks
connected to internal processes were analyzed a contemporary approach is pursuing
the theory that risks can move along supply chains and influence the operations of multiple supply chain partners. Because of that Supply Chain Risk Management was introduced as a new academic discipline that deals with the identification, evaluation and
mitigation of such risk factors. The present working paper explains the theoretical background of Supply Chain Risk Management and transfers the findings to a company belonging.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
1
Einleitung
1.1
Hintergrund und Forschungsinteresse
1
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Analyse des Forschungsfeldes Supply
Chain Risk Management, um das Verständnis für den eigenen Umgang mit Risiken
innerhalb eines Wertschöpfungsnetzwerks zu schärfen und gewonnene Erkenntnisse
später in der Praxis nutzen zu können (Verständnisinteresse). Konkret wird der Supply
Chain Risk Management Prozess thematisiert, mit dessen Hilfe potenzielle Risikofaktoren innerhalb einer Wertschöpfungskette aufgedeckt, kategorisiert und bewertet werden können, um im Anschluss Steuerungsmaßnahmen abzuleiten. Die Notwendigkeit
und Relevanz von SCRM im Wirtschaftsumfeld ist aus verschiedenen Gründen gegeben:
In der heutigen Zeit sind Lieferketten zunehmend komplexer strukturiert. Bedingt durch
den Trend zur Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen mittels Outsourcing
ganzer Unternehmensbereiche, wird die Leistungstiefe kontinuierlich reduziert, während die Bedeutung der Zulieferer wächst. Daraus resultiert eine immer feinere Aufteilung der Wertschöpfung auf mehrere unterschiedlich ausgerichtete Unternehmen.1 Als
Gründe für diese Entwicklung lassen sich insbesondere die Entwicklungen in Politik
und Weltwirtschaft seit Beginn der 80er Jahre anführen. Dazu zählen unter anderem
die Globalisierung, die Verkürzung der Produktionszyklen, die Implementierung von
Just-in-time Konzepten, aber auch die Fokussierung auf die Maximierung des Shareholder Value börsennotierter Unternehmen inklusive der daraus entstandenen betriebswirtschaftlichen Konsequenzen, wie zum Beispiel der Reduzierung von Anlagevermögen. Um diesen Umständen gerecht zu werden, sehen sich Unternehmen in der
Pflicht die eigene Lieferkette stetig zu analysieren und nach Optimierungspotenzial zu
suchen. Das Resultat ist ein hochkomplexes Wertschöpfungssystem in dem jeder Lieferant eigene Unterlieferanten unterhält, die auch ihrerseits einen individuellen Lieferantenstamm führen. Des Weiteren treibt die Übernahme von Transport-, Umschlagund Lagerprozessen durch entsprechend spezialisierte Dienstleister die Verzahnung
und Verschachtelung der Lieferkette voran.2 Die angesprochene Entwicklung lässt sich
am Beispiel der Automobilindustrie verdeutlichen: Im Rahmen einer Studie des Lehrstuhls für ABWL und Logistik der Universität Marburg zur Analyse der HerstellerZulieferer-Beziehung im Automobilsektor wurden die Einkaufs- und Logistikleiter von
28 der 38 weltweit existierenden Produktionsstätten für Oberklassefahrzeuge der Kon-
1
2
Vgl. Gausmann, O. (2008), S. 1.
Vgl. Siebrandt, M. (2010), S. 6.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
2
zerne BMW (inklusive der Marken BMW und Mini), Daimler-Chrysler (inklusive Mercedes-Benz und Smart), sowie Volkswagen (inklusive VW, Skoda, Bentley, Audi, Seat
und Lamborghini) hinsichtlich der eigenen Fertigungstiefe im Zeitablauf befragt.3 In den
Jahren 1998 bis 2003 reduzierte sich die Fertigungstiefe bei den aufgeführten Herstellern von 30,95 % auf 30,69 %. 2008 konnte eine weitere Abnahme auf 29,66 % festgestellt werden. Laut Expertenmeinung wird sich die Fertigungstiefe in diesem Segment
auf mittlere Sicht im Bereich zwischen 25 % und 30 % bewegen. Insgesamt 76,92 %
und damit eine deutliche Mehrheit der untersuchten Werke wies 2003 (verglichen mit
1998) eine niedrigere oder konstante Fertigungstiefe auf.4 Auch die Zahlen des Verbands der Automobilindustrie verdeutlichen den Trend, zumal das Verhältnis der eigenen Produktionsleistung an der insgesamt erforderlichen Wertschöpfung der gesamten
Branche Anfang der 1980er Jahre noch zwischen 35 % und 40 % lag, vor der Jahrtausendwende jedoch erstmals auf einen Wert unterhalb von 25 % sank.5 Die daraus resultierende Zunahme der Abhängigkeit von Vorlieferanten, aber auch die Verstärkung
der Internationalisierung des Wertschöpfungsnetzwerks, der Abbau von Sicherheitsbeständen zur Reduktion des Working Capitals oder auch zunehmende Outsourcingaktivitäten der Unternehmen bedingen eine steigende Anfälligkeit gegenüber Risiken innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks. Während früher die Risikobetrachtung den
Fokus auf unternehmensinterne Prozesse legte, wurde in den letzten Jahren die Erkenntnis gewonnen, dass sich Risiken entlang einer Supply Chain durch eine Kettenreaktion fortsetzen und Einfluss auf die Geschäftstätigkeit mehrerer Supply Chain
Partner haben können. Als Antwort auf diesen Lernprozess entwickelte sich in den
vergangenen Jahren das Supply Chain Risk Management als eigene Forschungsdisziplin und vereinigt Elemente des Supply Chain Management mit Elementen des Risikomanagement.6 Als Ursache für die jüngste Diskussion über SCRM und zur Verdeutlichung von dessen Relevanz können Ereignisse, wie die Erdbeben- und Tsunamikatastrophe in Japan Anfang 2011 angeführt werden. Speziell die Produktion von Elektronikteilen für die Automobilindustrie war in diesem Zusammenhang betroffen. So
meldete Opel in Deutschland vorübergehend einen Produktionsstopp, da Hitachi
Automotive Systems, ein Lieferant für Sensoren zur Luftstrommessung, aufgrund eines
Bandstillstands nicht liefern konnte.7
3
4
5
6
7
uni-marburg.de (2012), 10. Jan. 2012.
Vgl. Göpfert, I. (2009), S. 135.
Vgl. Klug, F. (2010), S. 44.
Vgl. Böger, M. (2010), S. 1.
marktundmittelstand.de (2012), 10. Jan. 2012.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
3
In zahlreichen deutschen Unternehmen wird SCRM jedoch noch nicht praktiziert. So
befragte die Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers im Rahmen der Studie
Krise. Risiko. Management circa 500 Unternehmen aus verschiedenen Branchen, wie
der Automobil- und Pharmaindustrie, hinsichtlich der Entwicklung des eigenen Risikomanagements ein Jahr nach Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise. Zwar gaben
60 % der Betriebe an eine Anpassung der Strategie zu planen oder diese bereits umgesetzt zu haben, allerdings konnte lediglich ein Drittel der Unternehmen außerhalb
der Finanzbranche überhaupt eine dokumentierte Risikostrategie vorweisen. Weiterhin
zeigte eine Umfrage der Fachzeitschrift Logistik Heute, dass von 200 Supply Chain
Verantwortlichen nur 22,8 % nach eigener Aussage einen ausreichenden Informationsstand über die vorhandenen Supply Chain Risiken haben. Nur 7 % der Befragten gaben vor die Risiken exakt, mit einem Anteil zwischen 90 % und 100 %, zu kennen.8
Die vorliegende Arbeit thematisiert die Grundlagen des SCRM und stellt den klassischen Ablauf des Supply Chain Risk Management Prozesses dar. Die Analyse zeigt,
wie Supply Chain Risiken identifiziert und kategorisiert werden, wie eine Risikobewertung aussieht und welche Möglichkeiten für eine effiziente Risikosteuerung existieren.
Am Praxisbeispiel eines Unternehmens der Metall- und Elektroindustrie werden potentielle Supply Chain Risiken für beschichtete Aluminiumbänder identifiziert und analysiert. Dazu werden die im theoretischen Teil der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse herangezogen und angewendet.
1.2
Zielsetzung und Aufbau
Ziel der Arbeit ist, die theoretischen Grundlagen von SCRM darzustellen. Neben der
definitorischen Abgrenzung des Supply Chain- und Risikobegriffs werden auch die
unterschiedlichen Ausprägungen von SCRM genauer erläutert (Kapitel 2). Basisinformationen über SCRM, wie zum Beispiel potenzielle Verwundbarkeitstreiber von Supply
Chains oder vorhandene Richtlinien und Regelwerke werden in Kapitel 3 thematisiert.
In diesem Zusammenhang wird auch der idealtypische Supply Chain Risk Management Prozess dargestellt, wie er in der Literatur vorzufinden ist. Dieser Punkt bildet
auch gleichzeitig die Grundlage für die folgenden Kapitel 4 bis 6. Hier erfolgt eine detaillierte Analyse der einzelnen Phasen des SCRM Prozesses, bestehend aus der
Identifikation von Supply Chain Risiken (Kapitel 4), deren Bewertung (Kapitel 5) und
deren Steuerung (Kapitel 6). Anhand der ausgearbeiteten Grundlagen erfolgt in Kapitel
7 ein Praxistransfer auf einen Betrieb der metallverarbeitenden Industrie. Konkret wer-
8
Vgl. Kiewitt, A. (2010), S. 50.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
4
den für die Materialart der beschichteten Aluminiumbänder typische Supply Chain Risiken ermittelt und im Hinblick auf Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung auf das
Unternehmen analysiert. Zu diesem Zweck werden ausgewählte Mitarbeiter aus entsprechenden Funktionsbereichen mittels standardisiertem Fragebogen befragt. Durch
Erstellung einer Risikomatrix werden die gewonnenen Erkenntnisse zur Einschätzung
der Supply Chain Risiken für das untersuchte Material visualisiert. Davon ausgehend
werden Handlungsempfehlungen und Steuerungsmaßnahmen für relevante Risikopositionen abgeleitet beziehungsweise auf bereits existierende Maßnahmen zur Reduzierung von Supply Chain Risiken innerhalb des Unternehmens verwiesen.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
2
Definitorische Abgrenzung
2.1
Risikobegriff und Risikomanagement
5
Die Auseinandersetzung mit Risiken ist als zentrale Aufgabe im Rahmen der unternehmerischen Geschäftstätigkeit anzusehen. Häufig erfolgt im umgangssprachlichen
Gebrauch eine Gleichsetzung mit dem Begriff Gefahr. Im weiteren Sinne kann ein Risiko, jedoch auch als Chance eingestuft werden.9 Festzuhalten ist, dass für den Risikobegriff zahlreiche verschiedene Definitionen existieren. Von einer Risikosituation kann
dann gesprochen werden, wenn vor dem Treffen einer Entscheidung subjektive oder
objektive Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten einer bestimmten Sachlage vorhanden sind. Im Gegensatz dazu ist von Unsicherheit die Rede, sofern keine Anhaltspunkte in Form von konkreten Erwartungen oder Wahrscheinlichkeiten vorliegen.10 Häufig
wird zwischen zwei Interpretationen des Risikobegriffs unterschieden, wobei diese eng
miteinander verbunden sind: Die ursachenbezogene Betrachtungsweise stellt den
Grund des Risikos und damit die Unvollkommenheit von Informationen im Rahmen
unternehmerischer Entscheidungen in den Vordergrund. Dagegen beschäftigt sich die
wirkungsbezogene Sichtweise mit der potenziellen Konsequenz eines Risikos, die eine
Abweichung vom ursprünglichen Ziel darstellt. Kombiniert man beide Interpretationen,
so lassen sich Risiken als zukünftige Entwicklungen und Geschehnisse verstehen, die
aufgrund von unvollständigen Informationen die Verfehlung von Zielen nach sich ziehen können.11 Da Risiken häufig neutral als Abweichungen von einem erwarteten Ergebnis definiert werden, sind nicht nur negative, sondern auch positive Veränderungen
der Ausgangssituation von der Interpretation eingeschlossen, auch wenn Entscheidungsträger Risiken oftmals nur mit einer negativen Ausprägung in Verbindung bringen.12 Der enge Zusammenhang zwischen ursachen- und wirkungsbezogener Ebene
kann auch anhand der mathematischen Interpretation des Risikobegriffs festgestellt
werden, welche eine Intensitäts- und eine Quantitätsdimension umfasst. Dabei stellt
die Intensitätsseite die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Verlustes dar (Ursachenbezogenheit), während die Quantitätsseite sich mit Art und Höhe des Verlustes auseinandersetzt (Wirkungsbezogenheit). Demnach basiert die Messung eines Risikos auf dessen Eintrittswahrscheinlichkeit und der Zielabweichung und wird durch Multiplikation
der beiden Komponenten konkretisiert.13
9
10
11
12
13
Vgl. Rehner, J., Neumair, S.-M. (2009), S. 27.
Vgl. Wels, A. (2008), S. 7.
Vgl. Kajüter, P. (2007), S. 13.
Vgl. Wels, A. (2008), S. 7.
Vgl. Meierbeck, R. (2010), S. 18.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
6
Unter Risikomanagement versteht man die Identifikation, Bewertung, Steuerung und
Kontrolle von Risiken, sowie die dazugehörige Kommunikation. Leitfaden für die genannten Aufgaben ist eine Risikostrategie, welche allgemeine Vorschriften zur Auseinandersetzung mit Risiken innerhalb des Unternehmens enthält. Damit Risikomanagement erfolgreich praktiziert werden kann, muss es dauerhaft in die existierenden
Planungs- und Kontrollprozesse integriert sein.14 Die Risikostrategie, welche die Basis
für alle Risikomanagementaktivitäten bildet, wird aus der Unternehmensstrategie und
den allgemeinen Unternehmenszielen abgeleitet. Eine Unterscheidung kann zwischen
Risikomanagement im engeren Sinn (spezielles Risikomanagement) und Risikomanagement im weiteren Sinn (generelles Risikomanagement) getroffen werden. Dabei
wurde die erste Sichtweise insbesondere Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA geprägt und beschäftigt sich mit dem Management von versicherbaren Risiken, wie zum
Beispiel Diebstahl oder Bränden. Ziel des speziellen Risikomanagements ist die Optimierung der Versicherungsleistungen und der in diesem Zusammenhang anfallenden
Prämien. Diese Aufgabe wurde in vielen Unternehmen von entsprechend ausgerichteten Abteilungen oder einzelnen Risk Managern übernommen. Im Gegensatz dazu versteht man unter Risikomanagement im weiteren Sinne die Einbeziehung von Risikoüberlegungen in die Unternehmensführung. Dabei werden nicht einzelne Risiken in
den Vordergrund gestellt, sondern es werden verschiedene Risiken aus allen Funktionsbereichen des Unternehmens analysiert.15
Zu den zentralen Aufgaben des Risikomanagements zählen die Etablierung eines Risikobewusstseins bzw. einer Risikokultur innerhalb der Unternehmensorganisation, die
Überwachung von Risiken und Prozessen, sowie der Risikomanagement Prozess,
welcher sich mit Identifikation, Beurteilung und Steuerung der Risiken beschäftigt.16
Aufgrund des ständigen Wandels der Umweltbedingungen besteht die Notwendigkeit,
dass auch das Risikomanagementsystem kontinuierlich weiterentwickelt wird. Die Beherrschbarkeit von gegenwärtigen, aber auch zukünftigen Risiken muss gewährleistet
sein. Dies ist nur möglich, wenn im Unternehmen Maßnahmen und Richtlinien vorhanden sind, aus denen hervorgeht, wie identifizierte Risiken zu behandeln sind.17
2.2
Supply Chain und damit verbundene Risiken
Die Schwierigkeit bei der Definition des Begriffs Supply Chain besteht darin, dass zahlreiche verschiedene Erklärungsansätze existieren, die sich zwar nicht gegenseitig aus-
14
15
16
17
Vgl. Kajüter, P. (2007), S. 15.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 13-14.
Vgl. Gladen, W. (2011), S. 308.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 14.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
7
schließen, aber jeweils unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Eine allgemeine
Definition stammt von Martin Christopher, Professor für Marketing und Logistik an der
Cranfield School of Management,18 und beschreibt Supply Chains als Netzwerk von
Organisationen, die an den verschiedenen Wertschöpfungsprozessen zur Erstellung
von Produkten und Dienstleistungen im Sinne des Endkunden beteiligt sind und stromauf- (über Beschaffungskanäle) beziehungsweise stromabwärts (über Absatzkanäle)
miteinander interagieren. Aktuelle Studien empfehlen aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Kommunikations- und Informationstechnologie neben Materialflüssen
auch Informations- und Finanzflüsse mit in die Supply Chain Definition aufzunehmen.19
Das Supply Chain Council, eine international operierende Nonprofit-Organisation, die
sich mit der Entwicklung von Industrienormen und Empfehlungen zur Verbesserung
der Lieferketteneffizienz in der Praxis beschäftigt,20 definiert den Begriff Supply Chain
in leicht unterschiedlicher Weise wie folgt: Die Supply Chain umfasst sämtliche Leistungen, die im Zusammenhang mit der Erstellung und Lieferung eines fertigen Produkts oder einer Dienstleistung anfallen, und zwar vom Vorlieferanten des Lieferanten
bis zum Kunden des Kunden.21 Die mit den Waren-, Informations- und Geldflüssen
verbundene prozessorientierte Planung und Steuerung entlang der Wertschöpfungskette wird als Supply Chain Management bezeichnet. Damit verbunden sind Ziele, wie
die Reduzierung von Lagerbeständen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette, die
Fokussierung auf den Kunden, die Realisierung einer bedarfsgerechten und anpassungsfähigen Fertigung, sowie die Abstimmung von Bedarfs- und Versorgungssituation.22
SCM ist eine komplexe Disziplin, die von einer Vielzahl verschiedener Risiken begleitet
wird. Diese reichen von marginalen Verzögerungen bis zur vollkommenen Zerstörung
der Lieferkette. Selbst geringfügige Probleme eines einzelnen Mitglieds der Lieferkette
können erhebliche Konsequenzen für alle anderen Beteiligten nach sich ziehen. Auch
wenn ein Risiko von den verschiedenen Mitgliedern einer Supply Chain als irrelevant
erachtet wird, kann sich der kumulative Effekt über die Vielzahl an Stationen der Lieferkette deutlich bemerkbar machen.23 Für den Begriff des Supply Chain Risikos existieren wenige konkrete Definitionen. Einem Erklärungsansatz der Autoren Jüttner, Peck
und Christopher zufolge fallen unter den Terminus sämtliche Risiken mit Bezug auf den
Materialfluss vom Originalteilezulieferer bis hin zur Auslieferung des Endprodukts an
18
19
20
21
22
23
martin-christopher.info (2012), 23. Apr. 2012.
Vgl. Brindley, C., Ritchie, B. (2004), S. 5.
Vgl. Hoffmann, A. (2006), S. 133.
Vgl. Ziegenbein, A. (2007), S. 8.
Vgl. Kuhn, A., Hellingrath, H. (2002), S. 10.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 49.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
8
den Endkunden. Supply Chain Risiken verkörpern laut dieser Sichtweise die Möglichkeit des Eintritts von Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage und deren Auswirkungen. Deren Quelle wird in umweltbedingten, organisatorischen und lieferkettenbezogenen Variablen gesehen, die nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden können
und einen Einfluss auf die Ergebnisvariable der Supply Chain haben. Als mögliche Ergebnisvariablen und somit Risikokonsequenzen kommen zum Beispiel anfallende Kosten oder Beeinträchtigungen der Produktqualität in Frage.24 Norrman und Lindroth verbinden Supply Chain Risiken mit den Logistikaktivitäten, die im Zusammenhang mit
dem Material- und Informationsfluss eines Unternehmens anfallen. Somit sind Supply
Chain Risiken nur als Teilmenge der existierenden Unternehmensrisiken anzusehen.
Die Autoren betonen in ihrem Erklärungsansatz, dass sich die Betrachtung von Supply
Chain Risiken nicht auf das eigene Unternehmen erstreckt, sondern auch auf den
Kunden, die Lieferanten und deren Vorlieferanten.25 Beide Definitionen haben gemein,
dass sie die unternehmensübergreifende Perspektive von Supply Chain Risiken betonen und diese explizit auf den Wertschöpfungsprozess in Form von Material- und Informationsfluss beziehen. Eine klare Abgrenzung muss zum Begriff des Beschaffungsrisikos erfolgen, dass lediglich Risiken im Hinblick auf die Einkaufsaktivitäten eines
Unternehmens betrachtet und nicht die Gesamtheit der Lieferkette thematisiert.26 Supply Chain Risiken lassen sich zum einen in ihre Ursache und zum anderen in ihre Auswirkung untergliedern: Abhängig davon, ob die Risikoursache innerhalb des Unternehmens selbst oder in dessen Umwelt identifiziert wird, unterscheidet man traditionell
zwischen innerbetrieblichen oder systeminhärenten (endogenen) und außerbetrieblichen (exogenen) Risiken.27 Negative Folgen, die aus Störungen der Supply Chain resultieren, bezeichnet man als Risikowirkungen. Diese machen sich durch Abweichungen bei der Verfolgung von SCM Zielen wie Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Flexibilität
und Kosten bemerkbar. Eine zusammenfassende Definition für Supply Chain Risiken
unter Berücksichtigung der aufgeführten Aspekte liefert Ziegenbein: „Supply Chain
Risiken sind potenzielle Störungen in der unternehmensübergreifenden Logistik (hervorgerufen durch systeminhärente oder externe Ursachen), die eine negative Abweichung von den Zielen des Logistiknetzwerks zur Folge haben.“28
24
25
26
27
28
Vgl. Ziegenbein, A. (2007), S. 22.
Vgl. Norrman, A., Lindroth, R. (2004), S. 20.
Vgl. Ziegenbein, A. (2007), S. 22.
Vgl. Götze, U., Mikus, B. (2007), S. 35.
Ziegenbein, A. (2007), S. 22.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
2.3
9
Supply Chain Risk Management
Supply Chain Risk Management erweist sich als ein eher junges Forschungsfeld. So
wurden im Rahmen einer Studie insgesamt 80 wissenschaftliche Artikel aus Fachzeitschriften zum Thema SCRM ausgewertet, wobei festgestellt werden konnte, dass die
ältesten beiden Artikel auf die Jahre 1983 und 1987 datiert waren. Alle anderen untersuchten Texte entstammten dem Zeitraum 1995 bis 2003, wobei eine signifikante Zunahme der Anzahl an Fachpublikationen pro Jahr erst ab 1999 festgestellt werden
konnte. Weiterhin fällt auf, dass SCRM eine stark von britischen und amerikanischen
Autoren geprägte Forschungsdisziplin ist. So lagen den 80 untersuchten Fachartikeln
insgesamt 150 Beiträge aus verschiedenen Ländern zugrunde, wobei circa 63 % der
Beiträge aus den USA oder Großbritannien stammten.29
Im Grundsatz versteht sich SCRM als proaktiver Ansatz für das Management von Risiken mit Bezug auf die Lieferkette, um das Potenzial von unerwünschten Konsequenzen vorausschauend zu minimieren.30 Es kann als Schnittstelle der beiden Disziplinen
Risikomanagement und Supply Chain Management verstanden werden.31
Abbildung 1: SCRM als Schnittstelle von SCM und Risikomanagement
Supply Chain
RisikoSCRM
Management
management
Quelle: In Anlehnung an: Paulsson, U. (2004), S. 80.
Generell existieren nur wenige klare Definitionen des Begriffs Supply Chain Risk Management. Ein Ansatz von Martin Christopher sieht in SCRM das Management von
29
30
31
Vgl. Paulsson, U. (2004), S. 81 – 87.
Vgl. Ritchie, B., Brindley, C. (2009), S. 16.
Vgl. Paulsson, U. (2004), S. 80.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
10
externen und Supply Chain Risiken mittels eines koordinierten Ansatzes zwischen den
Beteiligten der Supply Chain, um die Verletzlichkeit der Supply Chain als Ganzes zu
reduzieren. Norrman und Lindroth verstehen unter SCRM die gemeinschaftliche Anwendung von Risikomanagementpraktiken von allen Mitgliedern der Supply Chain, um
Risiken und Ungewissheiten zu begegnen, die durch Aktivitäten oder Ressourcen aus
dem Logistikbereich verursacht werden oder einen Einfluss auf diese haben.32 Paulsson erweitert diesen Erklärungsansatz um den Aspekt, dass von SCRM auch dann
gesprochen wird, sofern bereits ein einziges Unternehmen oder ein Mitglied der Supply
Chain entsprechendes Risikomanagement mit Bezug auf die Lieferkette betreibt.
SCRM kann also auch in Eigenregie betrieben werden und ist nicht abhängig von der
Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen.33
Abhängig von der Betrachtungsebene lassen sich verschiedene Typen des Risikomanagements in der Supply Chain unterscheiden. So können Supply Chain Risiken zum
einen auf der Ebene eines einzelnen Unternehmens auftreten und zum anderen im
unternehmensübergreifenden Kontext.34 Im ersten Fall spricht man von Risikomanagement mit Supply Chain Orientierung, im zweiten Fall lässt sich eine erneute Differenzierung in dyadisches35 und netzwerkweites SCRM vornehmen.
Risikomanagement mit Supply Chain Orientierung ist Bestandteil der allgemeinen Risikomanagementaktivitäten eines Unternehmens. Im Fokus stehen zwar auch Supply
Chain relevante Risiken, jedoch nur bezogen auf ein einzelnes Unternehmen, was dazu führt, dass die Kooperationsintensität mit anderen Partnern als gering anzusehen
ist. Weder erfolgt ein Austausch über Risikoinformationen mit den Supply Chain Partnern, noch spielen gemeinsame Ziele und Planungsprozesse eine Rolle. Das dyadische SCRM ist dagegen ein kooperativer Ansatz bei denen eine Zusammenarbeit mit
einzelnen vor- und nachgelagerten Mitgliedern der Supply Chain erfolgt. Dennoch stehen in erster Linie die Risikokonsequenzen für das eigene Unternehmen im Vordergrund. Es erfolgt ein Informationsaustausch zwischen den Partnern, was ein Indiz für
eine von Vertrauen geprägte Beziehungsebene ist. Das dyadische SCRM hat geringe
Praxisrelevanz, da Unternehmen in den meisten Fällen nur einseitige Vorschriften verwenden, um ihren Lieferanten aufzuzeigen welche Kriterien deren Risikomanagement
erfüllen muss, damit eine Zusammenarbeit stattfinden kann. Netzwerkweites SCRM ist
nicht auf einzelne Beziehungen zu Mitgliedern der Supply Chain beschränkt, sondern
fokussiert die gesamte Lieferkette. Es erfolgt eine Kooperation sämtlicher Unterneh32
33
34
35
Vgl. Norrman, A., Lindroth, R. (2004), S. 14.
Vgl. Paulsson, U. (2004), S. 80.
Vgl. Steven, M., Pollmeier, I. (2007), S. 275.
Dyadisch: Paarweise, sich auf ein Paar beziehend.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
11
men, die an der Wertschöpfungskette beteiligt sind. Da ein regelmäßiger Transfer von
Informationen und die Verfolgung einer gemeinsamen Zielsetzung notwendig sind, um
den Erfolg dieses Ansatzes zu gewährleisten, macht es Sinn ein unternehmensübergreifendes Gremium, bestehend aus Delegierten aller Supply Chain Unternehmen zu
bilden, um die Koordination der Vorgehensweise zu vereinfachen. Die Entscheidung
für einen der drei aufgeführten Ansätze richtet sich nach der Kooperationsintensität der
Partner und dem Stellenwert des eigenen Unternehmens in der Supply Chain.36
36
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 28 – 29.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
3
Grundlagen des Supply Chain Risk Managements
3.1
Verwundbarkeitstreiber in der Supply Chain
12
Die negativen Konsequenzen, mit denen ein Unternehmen im Zuge eines eintreffenden
Supply Chain Risikos konfrontiert wird, hängen zum einen von den Merkmalen des
Risikoereignisses und zum anderen vom Design der Supply Chain ab. Beide Parameter haben einen wesentlichen Einfluss auf die sogenannte Verwundbarkeit der Wertschöpfungskette.37 Dieses Phänomen wird von Christopher und Peck als „exposure to
serious disturbance, arising from risks within the supply chain as well as risks external
to the supply chain“38 beschrieben und setzt Verwundbarkeit mit der Gefährdung einer
Supply Chain gegenüber ernsthaften Störungen gleich. Svensson unterscheidet dagegen zwischen atomistischer Verwundbarkeit (atomistic vulnerability), die sich auf
einen Teil der Supply Chain beschränkt und ganzheitlicher Verwundbarkeit (holistic
vulnerability), die für das Gesamtkonstrukt der Supply Chain gilt.39
Das folgende Beispiel verdeutlicht die Verwundbarkeit von Supply Chains in der Praxis:
Bedingt durch ein Unwetter im März 2000 wurde ein Brand in der Fabrik des Chip Herstellers Philips am Standort Albuquerque (New Mexico) ausgelöst. Zwar wurde das
Feuer innerhalb kurzer Zeit durch die automatische Sprinkleranlage gelöscht, dennoch
wurden tausende Chips aus der laufenden Fertigung zerstört. Neben massiven Wasserschäden durch die Sprinkleranlage wurden außerdem Millionen von Chips aus dem
Lagerbestand mit Rauchpartikeln verunreinigt. Die schwedische Firma Ericsson, die
bereits seit Jahren an der Steigerung der Effizienz ihrer Supply Chain gearbeitet hatte,
setzte zur damaligen Zeit massiv auf Single Sourcing, als Schlüsselelement der Beschaffungsstrategie. Daher war der Philips Standort in Albuquerque alleiniger Lieferant
für verschiedene RFID Chips. Aufgrund von Andeutungen seitens Philips, dass die
Produktionskapazität innerhalb weniger Wochen wieder auf das normale Level zurückgebracht werden könnte, wurden von Ericsson keine weiteren Maßnahmen eingeleitet.
In der Folge stellte sich heraus, dass Philips die Produktion für drei Wochen komplett
schließen musste und sechs Monate benötigte, um den Ausstoß auf die Hälfte des
ursprünglichen Levels zurückzubringen. Mangels alternativer Beschaffungsquellen
fehlten bei einer boomenden Verkaufsphase im Mobiltelefonsektor Millionen von Chips,
was bei Ericsson zu Verlusten von mehr als 400 Millionen US $ führte. Nach Bekanntmachung dieser Zahl fiel der Aktienwert des Unternehmens innerhalb weniger Stunden
37
38
39
Vgl. Wagner, S., Bode, C. (2007), S. 66.
Christopher, M. (2005), S. 234.
Vgl. Wagner, S., Bode, C. (2009), S. 278.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
13
um 14 %. Das Konkurrenzunternehmen Nokia, welches ebenfalls Chips über Philips in
New Mexico bezog, reagierte auf die Ereignisse wesentlich schneller. Aufgrund von
negativen Erfahrungen mit Supply Chain Unterbrechungen in den 1990 er Jahren,
wurde als Konsequenz ein Supply Chain Troubleshooter ernannt, der sich intensiv mit
Supply Chain Risiken beschäftigte und sich speziell mit der Vermeidung von Single
Sourcing Situationen auseinandersetzte. So wurde bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden des Brandes ein Spezialistenteam gebildet, dass Druck auf Philips ausübte, mit dem Ziel die Produktion der eigens benötigten Chips an andere Standorte
auszulagern. Auch wurde ein Redesign verschiedener Chips durchgeführt, so dass
andere Hersteller in der Lage waren, die Komponenten für Nokia herzustellen. Dies
resultierte darin, dass Nokia im Vergleich zu Ericsson kaum spürbar durch den Brand
in Albuquerque betroffen war.40
Die Verwundbarkeit einer Supply Chain hängt von zahlreichen Faktoren ab. In der Vergangenheit waren Unternehmen verstärkt gezwungen ihre Geschäftsmodelle anzupassen, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Supply Chain aufrecht zu erhalten. Um die
Kundenbedürfnisse erfüllen zu können, musste eine immer breitere Produkt- und Variantenvielfalt angeboten werden, was die Komplexität in der Produktion und damit die
Verletzlichkeit der Supply Chain erhöhte. Weiterhin können sich Unternehmen nicht
mehr nur auf lokale Märkte beschränken, sondern müssen sowohl absatz- als auch
beschaffungsseitig auf globaler Ebene operieren, wodurch die Wege innerhalb der
Supply Chain länger und intransparenter werden.41 Einen größeren Koordinationsaufwand und Probleme aufgrund von kulturellen Differenzen bringt auch der Trend zur
Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer mit sich, der hauptsächlich dem zunehmenden Kostendruck geschuldet ist. Auch betriebswirtschaftliche Ansätze, wie die
Etablierung einer schlanken Produktion (Lean Management) oder von Just-in-time
Konzepten, die das Ziel haben Verschwendungen innerhalb der Supply Chain zu vermeiden, gehen mit der Eliminierung von Zeit-, Kapazitäts- und Lagerpuffern einher, die
vorher als Polster bei Lieferkettenunterbrechungen dienten. Weitere potenzielle Verwundbarkeitstreiber sind eine geringere Wertschöpfungstiefe als Folge zunehmender
Outsourcingaktivitäten und der Konzentration auf die Kernkompetenzen, die Zentralisierung von Produktions- und Distributionsstandorten, die Verkürzung der Produktlebenszyklen, bedingt durch den technologischen Fortschritt, sowie die zunehmende IT
Unterstützung von Material-, Finanz- und Informationsströmen.42
40
41
42
Vgl. Waters, D. (2007), S. 2 – 4.
Vgl. Thun, J.-H., Hoenig, D. (2011), S. 244.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 24 – 25.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
14
Die Frage, ob kleine und mittlere Unternehmen stärker von der zunehmenden Komplexität und Effizienz von Supply Chain Strukturen betroffen sind als Großunternehmen,
wurde im Rahmen einer Studie untersucht, die sich mit der Befragung von Automobilzulieferern und – herstellern zu diesem Thema beschäftigte. So wurden speziell Personen mit logistiknahen Tätigkeitsbereichen in den jeweiligen Unternehmen hinsichtlich
ihrer generellen Einschätzung zur Ausprägung der Supply Chain Verletzlichkeit in
ihrem Betrieb befragt und mussten diese auf einer Skala von 1 (= sehr niedrig) bis 5 (=
sehr hoch) bewerten. Bei insgesamt 67 Rückmeldungen ergab sich für KMU ein
Durchschnittswert von 3,47 und für Großunternehmen ein Durchschnittswert von 3,10.
Bei KMU konnte somit eine leicht höhere Einschätzung der Supply Chain Verwundbarkeit festgestellt werden, die aber nicht als signifikant zu bezeichnen ist.43
3.2
Richtlinien für ein standardisiertes Risikomanagement
Seit dem 1. Mai 1998 bildet das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) für Vorstände von Aktiengesellschaften die gesetzliche Basis
hinsichtlich der Identifikation, Kommunikation und Überwachung von Risiken.44 Mit diesem Schritt verfolgte der Gesetzgeber das Ziel der Früherkennung von Unternehmensrisiken zu größerer Bedeutung zu verhelfen. Aus diesem Grund sind Unternehmen
verpflichtet ein Früherkennungs- und Überwachungssystem für die Erfassung und das
Reporting von Risiken zu installieren. Dadurch sollen Bedrohungen für den Unternehmensfortbestand abgewehrt und Anteilseignern eine bessere Informationsbasis über
Risiken, die Auswirkungen auf den Unternehmenswert haben und somit potenzielle
Vermögensschäden verursachen könnten, zur Verfügung gestellt werden. Genaue
Angaben, wie das geforderte Früherkennungs- und Überwachungssystem zu gestalten
ist, macht das KonTraG nicht.45 In diesem Zusammenhang kann auf verschiedene
rechtlich unverbindliche Standards und Empfehlungen zum Thema Risikomanagement
zurückgegriffen werden, die Hilfestellungen bei der Umsetzung der gesetzlichen Erfordernisse leisten. Als Beispiel für einen solchen Standard ist der COSO Internal Control
– Integrated Framework anzuführen.46 Dieser ist als Basiskonzept für den Aufbau eines
internen Kontrollsystems zu verstehen und wurde im September 1992 veröffentlicht.
Hintergrund für die Erstellung des Standards waren die verschiedenen Interpretationen
hinsichtlich des Begriffs der internen Kontrolle. So gab es bis zur Etablierung des auch
als COSO Report bekannten Regelwerks keinen gemeinsamen Rahmen bei der Dis-
43
44
45
46
Vgl. Thun, J.-H., Drüke, M., Hoenig, D. (2011), S. 5514 – 5517.
Vgl. Lasch, R., Janker, C. (2007), S. 113.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 16.
Vgl. Kajüter, P. (2007), S. 20.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
15
kussion über diesen Aspekt des Risikomanagements zwischen dem Management und
der internen, wie externen Revision.47 Global gesehen existieren mehr als 80 Standardwerke, die sich sowohl mit allgemeinen als auch mit speziellen (zum Beispiel produktspezifischen) Richtlinien zum Thema Risikomanagement befassen.48 Diesen ist
gemein, dass sie keine Aussagen über das Risikomanagement von Supply Chains
treffen. Die Regelwerke beziehen sich stets auf die Betrachtungsebene eines einzelnen Unternehmens. Dementsprechend besteht auch keine gesetzliche Verpflichtung
das Risikomanagement von der Unternehmensebene auf die Ebene der Supply Chain
zu erweitern. Trotzdem lässt sich die Identifizierung und Steuerung von Netzwerkrisiken zu den Sorgfaltspflichten der Unternehmensführung zählen. Die Organisation
eines unternehmensübergreifenden Risikomanagements kann erschwert werden,
wenn sich die Supply Chain über mehrere Länder erstreckt, in denen jeweils unterschiedliche Normen hinsichtlich der Behandlung von Risikopositionen existieren.49 Um
sich eine Orientierung bei der Gestaltung eines Supply Chain Risikomanagementsystems zu verschaffen bietet sich das SCRM Best Practices Document des Supply Chain
Risk Leadership Council (SCRLC) an, das bewährte Methoden auf branchenübergreifender Ebene darstellt. Das SCRLC wurde 2006 gegründet und versteht sich als Zusammenschluss führender Industrieunternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen, die alle das Ziel haben gemeinsam Prozesse, Systeme und Werkzeuge zu entwickeln, mit denen der steigenden Bedrohung durch Supply Chain Risiken in einem
zunehmend globalisierten Umfeld begegnet werden kann.50 Zu den aktuellen Mitgliedsunternehmen zählen unter anderem Boeing, Cisco, Coca Cola, General Electric,
Merck sowie Procter & Gamble, die sich zu folgender Vision bekennen: „Create a
cross-industry council comprised of world class manufacturing and services supply
chain firms that will work together to develop and share supply chain risk management
best practices.”51
3.3
Idealtypischer Supply Chain Risk Management Prozess
Um Supply Chain Risiken managen zu können, wird ein konzeptioneller Ansatz benötigt, mit dem es gelingt die Risiken aufzuzählen, ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und
Auswirkung zu beurteilen und Risikominderungspläne zu entwickeln und umzusetzen.
47
48
49
50
51
Vgl. Burke, F., Guy, D., Tatum, K. (2008), S. 11.02.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 18.
Vgl. Kajüter, P. (2007), S. 21.
scrlc.com (2012a), 07. Mai. 2012.
scrlc.com (2012b), 07. Mai. 2012.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
16
Diesen Anforderungen wird der Supply Chain Risk Management Prozess gerecht.52 Er
lässt sich als Weiterentwicklung des allgemeinen, internen Risikomanagement Prozesses verstehen, welcher drei Hauptphasen umfasst. Dazu zählen die Risikoidentifikation
(Erfassung von Risiken), die Risikobewertung (qualitative oder quantitative Einschätzung der Risiken) und die Risikosteuerung (Maßnahmen zur Risikobewältigung). Den
drei Hauptphasen geht die Festlegung einer Risikostrategie auf Basis der Unternehmensvision als vorbereitende Tätigkeit voraus. Nachdem alle Stufen durchlaufen sind,
ist weiterhin eine fortlaufende Risikokontrolle notwendig. Die aufgeführten Schritte des
allgemeinen Risikomanagement Prozesses können auch für die Supply Chain verwendet werden, wobei eine Anpassung an die netzwerkorientierte Sichtweise notwendig
ist. So schlägt Pfohl vor, eine interne Risikoidentifikation in jedem Unternehmen der
Supply Chain durchzuführen und die gewonnenen Erkenntnisse in einer von allen
Supply Chain Mitgliedern einsehbaren Datenbank zu dokumentieren. Im Anschluss
erfolgt neben einer Analyse und Strukturierung der Risiken auch eine gemeinsame
Risikobewertung, sowie die Planung von Steuerungsmaßnahmen. Auf dieser Grundlage werden Verantwortlichkeiten verteilt und die Aktionspläne innerhalb der einzelnen
Unternehmen individuell umgesetzt. Die Erfolgskontrolle wird erneut gemeinsam auf
unternehmensübergreifender Ebene durchgeführt.53 Am Beispiel der Firma Interos
lässt sich demonstrieren, dass der Supply Chain Risk Management Prozess auch in
der Praxis Relevanz hat. Das Unternehmen tritt als Berater in SCRM Angelegenheiten
für verschiedene Behörden der amerikanischen Regierung auf und unterstützt seine
Kunden bei der Optimierung der internen und externen Supply Chain Prozesse.54 Um
die gewünschten Prozessveränderungen zu erreichen wird von Interos ein Fünf Phasen Modell herangezogen, dass dem beschriebenen SCRM Prozess stark ähnelt. Zu
den einzelnen Schritten zählen:

Phase 1: Identify and Scope (vgl. Risikoidentifikation)

Phase 2: Evaluate and Prioritize (vgl. Risikobewertung)

Phase 3: Preempt and Mitigate (vgl. Risikosteuerung)

Phase 4: Monitor and Measure (vgl. Risikokontrolle)

Phase 5: Refine and Align
Mit Ausnahme der Festlegung einer Risikostrategie als vorbereitende Tätigkeit, sind im
Konzept von Interos demnach alle Phasen des idealtypischen SCRM Prozesses vor-
52
53
54
Vgl. Tummala, R., Schoenherr, T. (2011), S. 474 – 475.
Vgl. Böger, M. (2010), S. 50 – 51.
interos.net (2012a), 18. Mai. 2012.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
17
handen.55 Die folgende Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang der einzelnen Teilschritte:
Abbildung 2: SCRM Prozess von Interos
I.
Identifizieren
und Umfang
bestimmen
II.
Bewerten und
Priorisieren
SCRM
III.
Risiken
zuvorkommen
und mindern
V.
Weiterentwickeln
und Ausrichten
IV.
Überwachen
und Messen
Quelle: in Anlehnung an interos.net (2012b), 18. Mai. 2012.
Festzuhalten bleibt, dass der Supply Chain Risk Management Prozess als Werkzeug
zu verstehen ist, der das Management mit nützlichen strategischen Informationen hinsichtlich des Supply Chain Risikoprofils versorgt. Dadurch werden strategische Entscheidungen zur Verbesserung der Supply Chain Performance ermöglicht.56 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden ausschließlich die drei Hauptphasen des SCRM
Prozesses, nämlich die Risikoidentifikation (Kapitel 4), die Risikobewertung (Kapitel 5)
und die Risikosteuerung (Kapitel 6) behandelt.
55
56
interos.net (2012b), 18. Mai. 2012.
Vgl. Tummala, R., Schoenherr, T. (2011), S. 481.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
4
18
Identifizierung von Supply Chain Risiken
Die Risikoidentifikation gilt als grundlegende Phase innerhalb des SCRM Prozesses.
Das Unternehmen muss nicht nur die direkten Risiken für die eigenen Arbeitsprozesse
ermitteln, sondern auch die potenziellen Gründe und Quellen für diese Risiken an jeder
bedeutsamen Schnittstelle entlang der Supply Chain.57 Sofern Supply Chain Risikomanagement auf unternehmensübergreifender Ebene praktiziert werden soll, besteht eine
Grundvoraussetzung für den Prozess der Risikoidentifikation darin, dass eine einheitliche Systematik mit Gültigkeit für alle Kooperationspartner existiert. Dadurch soll allen
Beteiligten die Möglichkeit gegeben werden, Supply Chain Risiken in der Wertschöpfungskette zu ermitteln.58 Die Identifikationsphase wird durch den gemeinsamen Zugriff
auf Informationen mit Relevanz für die Supply Chain wesentlich erleichtert. Wenn zukünftige Bedürfnisse und Ziele mit den Kooperationspartnern geteilt werden, erhöht
sich die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Risikomanagement davon profitiert.59 Das
Ziel der Identifikationsphase besteht in der „rechtzeitigen, regelmäßigen, vollständigen
und wirtschaftlichen Erfassung aller unternehmensinternen und –externen Risiken, die
Einfluss auf wesentliche Unternehmensziele haben“.60 Das Ergebnis dieser Erfassungstätigkeit ist eine Liste mit den wichtigsten Supply Chain Risiken. Dieses Dokument wird häufig auch als Risikoregister oder Risikokatalog bezeichnet und enthält als
Mindestangaben das Datum der Identifikation, den Risikoverantwortlichen (Risk Owner), eine Beschreibung des Risikos, die potenzielle Auswirkung des Risikos, sowie die
Eintrittswahrscheinlichkeit.61 Aufgrund der häufig sehr komplexen Ereignisketten und
Abhängigkeiten von anderen Unternehmen lassen sich nicht alle Risiken leicht identifizieren.62 Eine weitere Problematik besteht darin, dass die Supply Chain Risiken rechtzeitig erfasst werden müssen. Je später die Identifikation erfolgt, desto eingeschränkter
sind die möglichen Handlungsalternativen. So müssen auch schwache Signale im Hinblick auf ökonomische, technologische und politische Diskontinuitäten erkannt werden,
um entsprechende Vorkehrungen treffen zu können.63 Festzuhalten bleibt, dass die
Risikoidentifikation nicht auf Basis von losen Absprachen erfolgen darf, sondern mit
Hilfe der besten verfügbaren Methoden sauber organisiert werden muss. Wird dies
nicht berücksichtigt, besteht die Gefahr, dass wesentliche Risiken übersehen werden
oder triviale Risiken unberechtigt in den Fokus geraten. Die Frage wie viele Supply
57
58
59
60
61
62
63
Vgl. Norrman, A., Lindroth, R. (2004), S. 21.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 36.
Vgl. Hallikas, J., Virolainen, V.-M. (2004), S. 58.
Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008b), S. 119.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 101.
Vgl. Hallikas, J., Virolainen, V.-M. (2004), S. 57.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008b), S. 120.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
19
Chain Risiken betrachtet werden sollen, lässt sich nicht abschließend beantworten, da
jede Supply Chain eigene Besonderheiten aufweist. Letztendlich ist der Detaillierungsgrad der Analyse eine Managemententscheidung.64
4.1
Ausgewählte Methoden zur Identifikation von Supply Chain Risiken
Für die systematische Identifikation von Supply Chain Risiken existieren zahlreiche
Methoden, wobei die Kombination mehrerer Techniken notwendig ist, um ein genaues
und aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen.65 Die Methoden lassen sich grundsätzlich
in kreativ-intuitive und analytisch-strukturierte Techniken untergliedern. Der Unterschied besteht darin, dass die kreativ-intuitiven Verfahren keine bestimmte Ordnung
der Gedankenführung verlangen, während bei der analytisch-strukturierten Vorgehensweise ein systematisches, rationales Denken vorausgesetzt wird.66 Beiden ist gemein, dass sich mit ihnen alle Risikoarten, also nicht nur Supply Chain Risiken, identifizieren lassen. Als Sonderform existieren daneben spezielle Techniken mit Supply
Chain Charakter. Diese dienen ausschließlich der Ermittlung von Supply Chain Risiken.67
4.1.1
Kreativ-intuitive Techniken
Eine praxisnahe Methode, die von den Autoren Elkins, Kulkarni und Tew beschrieben
wird, setzt die Bildung eines organisations- und funktionsübergreifenden Expertenteams zu Beginn des Identifikationsprozesses voraus. Die Mitglieder des Ausschusses
rekrutieren sich dabei aus Risiko- und Logistikmanagern, Analysten, Prozessingenieuren, Einkäufern, IT Experten und Mitarbeitern der Ablauf- und Planungsforschung.
Zwar ist das Risikomanagement in vielen großen Unternehmen im Bereich des Versicherungs- und Finanzwesens angesiedelt, jedoch befinden sich die wahren Risikoverantwortlichen in betriebsnahen Funktionsbereichen, weshalb deren Expertise im Umgang mit Produktions- und Supply Chain Unterbrechungen besonders wertvoll während
des Identifikationsprozesses ist. Das Team führt im Anschluss ein Brainstorming zur
Sammlung potentieller Supply Chain Risiken durch.68 Dabei müssen laut Waters folgende Voraussetzungen erfüllt sein: An der Sitzung sollten nicht mehr als 10 Personen
teilnehmen. Weiterhin sollte ein striktes Zeitlimit vorgegeben sein, dass sich typischerweise auf zwei bis drei Stunden erstreckt. Da eine Vielzahl an bereits bekannten und
neuen Supply Chain Risiken ermittelt werden soll, muss gewährleistet sein, dass keine
64
65
66
67
68
Vgl. Waters, D. (2007), S. 102.
Vgl. Etterer, W. (2008), S. 198.
Vgl. Ziegenbein, A. (2007), S. 50.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 106.
Vgl. Elkins, D., Kulkarni, D., Tew, J. (2008), S. 52.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
20
Idee bereits im Ansatz verurteilt wird. Weiterhin ist es zweckmäßig, dass die Ideen von
einem Moderator festgehalten werden, so dass die brauchbarsten Ideen in einem Folgemeeting weiterentwickelt werden können.69
Eine weitere Technik, um schnell und ohne großen Aufwand an Informationen über
potenzielle Supply Chain Risiken zu gelangen, stellen Experteninterviews dar. Durch
die gezielte Auswahl sachkundiger Mitarbeiter kann sichergestellt werden, dass die im
Rahmen der Befragung erhobenen Informationen von Personen stammen, die mit den
spezifischen Risiken vertraut sind. Dennoch haben individuelle Sichtweisen den Nachteil, dass sie von Ignoranz, Vorurteilen, Widersprüchen oder der Inkompetenz des Befragten geprägt sein können, weshalb die richtige Auswahl des Interviewpartners von
enormer Bedeutung ist.70
Eine Mischung aus Befragung und Brain Storming stellt die Delphi-Methode dar. Dabei
handelt es sich um eine schriftliche Befragung von mehreren Sachverständigen, die
der Supply Chain angehören. Der Moderator stellt jedem Mitglied der Expertenrunde
einen Fragebogen zur Verfügung mit dem die individuellen Sichtweisen hinsichtlich
vorhandener Supply Chain Risiken gesammelt werden. Anschließend erfolgt eine Zusammentragung und Analyse der Aussagen durch den Moderator. Begleitet von einer
Kurzfassung der gesammelten Beiträge wird der Fragebogen erneut an die Teilnehmer
verschickt, wobei die Möglichkeit eingeräumt wird, die bisherige Einschätzung anzupassen. Dieser Prozess wird im Rahmen der Delphi-Methode zwecks Konsensfindung
mehrfach wiederholt.71 Da es sich bei dieser Identifikationstechnik um eine anonyme,
getrennte und schriftliche Befragung handelt, können verzerrende Effekte, wie zum
Beispiel Gruppendruck, ausgeschlossen werden. Von Vorteil ist auch, dass es im Vergleich zum Expertenteammeeting nicht notwendig ist, einen gemeinsamen Termin für
alle Teilnehmer zu ermitteln. Aufgrund der Vielzahl an Befragungsrunden, ist der Aufwand bei dieser Methode als hoch einzuschätzen.72 Waters empfiehlt die Teilnehmerzahl auf circa 15 Personen zu beschränken und drei bis sechs Interviewrunden durchzuführen. Die Tatsache, dass durch den standardisierten Fragebogen ein Abschweifen
vom Thema verhindert wird und sich die Meinung des Vorgesetzten nicht zwangsläufig
durchsetzen muss, sieht er als Vorteil der Methode an.73
69
70
71
72
73
Vgl. Waters, D. (2007), S. 113.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 112.
Vgl. Waters, D. (2007). 113.
Vgl. Ziegenbein, A. (2007), S. 51.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 113 – 114.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
4.1.2
21
Analytisch-strukturierte Techniken
Als einfach anzuwendende Technik zur Überprüfung einer Lieferkette auf bereits bekannte Supply Chain Risiken bietet sich die Nutzung von Risikochecklisten an. Im ersten Schritt wird eine bereits existierende und für den Anwendungsfall geeignete Liste
mit potenziellen Risiken ausgewählt. Daraufhin wird die eigene Supply Chain auf die
darin genannten Positionen untersucht und es erfolgt eine Dokumentation der gewonnenen Erkenntnisse.74 Mögliche Quellen für Risikochecklisten sind andere Unternehmen, spezielle Industrieforen im Internet, Forschungsinstitute, Beratungsgesellschaften
oder bereits existierende Dokumentationen für andere Supply Chains im eigenen
Unternehmen.75 Ein ausführliches Beispiel findet sich in einer Studie der University of
Bath, die sich mit der Untersuchung typischer Risikofaktoren in Supply Chains beschäftigte. In diesem Zusammenhang wurde jeweils ein Panel mit chinesischen und britischen Managern gebeten ein Brainstorming zur Ermittlung von Supply Chain Risiken
durchzuführen. Bei insgesamt 56 Rückmeldungen aus beiden Gruppen wurden mehr
als 300 individuelle Risikofaktoren identifiziert. Nach Streichung von Dopplungen und
Zusammenfassung ähnlicher Positionen blieben 109 übrig, die anschließend erneut
durch die Studienteilnehmer validiert wurden.76 Die vollständige Studie inklusive der
finalen Risikocheckliste ist auch als kostenloser Download77 im Internet verfügbar und
lässt sich als leicht zugängliches Tool für den eigenen Risikoidentifizierungsprozess
nutzen.
Auch Key Performance Indicator lassen sich zur Identifikation von Supply Chain Risiken heranziehen. Dabei handelt es sich um Kennzahlen mit denen die Leistung von
Supply Chain Partnern, wie Lieferanten und Logistikdienstleistern, gemessen werden
kann. Typische KPI`s zur Ermittlung von ungewöhnlichen Situationen, die potenzielle
Risiken beinhalten, sind der Produktionsausstoß, realisierte Lieferzeiten, die Kapazitätsauslastung und die Lagerverfügbarkeit. Die Werte der KPI`s werden über einen
bestimmten Zeitraum beobachtet und mit vordefinierten Werten, die innerhalb einer
Vereinbarung zwischen den Supply Chain Partnern festgelegt wurden, verglichen. Per
Soll-Ist Abgleich lassen sich signifikante Abweichungen zwischen den gemessenen
und vordefinierten Werten identifizieren. Sobald ein bestimmtes Level unterschritten ist,
wird ein Alarm durch den überwachenden Mitarbeiter ausgelöst.78 Mit diesem Frühaufklärungssystem können latente Gefahren für das Unternehmen anhand von Frühwarn-
74
75
76
77
78
Vgl. Grundmann, T. (2008), S. 22.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 111.
Vgl. Squire, B., Chu, Y. (2011), S. 1 ff.
supplychainrisk.org (2012), 30. Mai. 2012.
Vgl. Giannakis, M., Louis, M. (2010), S. 26.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
22
indikatoren rechtzeitig erkannt werden. Es berücksichtigt nicht nur potenzielle Risiken,
sondern auch Chancen.79 Daneben existieren auch Frühwarnsysteme, die aber nur auf
die Identifizierung von Bedrohungen ausgerichtet sind und mögliche Chancen vernachlässigen.80
4.1.3
Spezielle Techniken mit Supply Chain Charakter
Ein strukturierter Ansatz, um Risikoquellen abzubilden und dadurch ihre potenziellen
Konsequenzen zu verstehen, ist die Supply Chain Risiko-Map.81 Zunächst muss eine
Supply Chain ausgewählt werden, die in der Folge genauer untersucht werden soll.
Dies kann anhand der Parameter strategische Bedeutung und Verwundbarkeit der einzelnen Lieferketten erfolgen. So sind Supply Chains mit einem hohen Ertrag (strategische Bedeutung) und mit zahlreichen Unterbrechungen in der Vergangenheit (Verwundbarkeit) bevorzugt zu analysieren. Die ausgewählte Supply Chain muss im Anschluss beschrieben und visualisiert werden, um die zugehörigen Organisationen und
Prozesse transparent zu machen. Dabei sind sowohl Down- als auch Upstream Prozesse zu berücksichtigen. Für jedes Glied der Lieferkette werden außerdem die wichtigsten Informationen festgehalten. Dazu zählen bezogene Produkte und Materialien,
Preise und Kosten, bezogene Mengen, Wiederbeschaffungszeiten und die Beschaffungsstrategie (zum Beispiel Single Sourcing) respektive die Positionierung des Kunden (Beispiel: Schlüsselkunde). Das Risiko-Mapping startet vorzugsweise in interdisziplinären Workshops, in denen dann Aufgaben zur weiteren Bearbeitung an einzelne
Verantwortungsträger delegiert werden, da die benötigten Informationen teils schwer
zugänglich sind und detaillierte Recherchearbeiten verlangen.82 Durch die grafische
Darstellung der Supply Chain können kritische Lieferkettenpartner und Prozesse mit
schwachen Sicherheitsvorkehrungen und hoher Zeitsensibilität leichter identifiziert
werden. Sie dient weiterhin als Grundlage für Entscheidungen hinsichtlich alternativer
Beschaffungsmöglichkeiten, Lagerhaltungsstrategien und Transportmöglichkeiten.83
Eine weitere Vorgehensweise zur Identifikation von Supply Chain Gefahren bietet eine
Risikoinventur im Rahmen regelmäßig stattfindender Risiko-Audits. Diese können auch
mit Unterstützung durch externe Berater durchgeführt werden.84 Für die Beschaffungsseite stellen Lieferantenaudits in Form von Betriebsbesichtigungen ein Mittel dar, um
Risikopotenziale zu ermitteln. In diesem Zusammenhang kann geprüft werden, ob der
79
80
81
82
83
84
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 40.
Vgl. Henke, M. (2009), S. 106 – 107.
Vgl. Norrman, A., Lindroth, R. (2004), S. 21.
Vgl. Jüttner, U., Ziegenbein, A. (2008), S. 211 – 212.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 39.
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 23.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
23
Lieferant Ersatzprozesse für Notfallsituationen eingeplant hat und bereit ist unvorhergesehene Risikosituationen zu managen.85
4.2
Risikoarten in der Supply Chain
Bei der Beschäftigung mit Supply Chain Risiken in der Praxis ist festzustellen, dass
selbst die gewissenhaftesten Logistikmanager nicht in der Lage sind alle Risikoarten
für eine bestimmte Lieferkette zu identifizieren. Daher empfiehlt es sich, die wahrscheinlichsten und bedrohlichsten, oder generell die bedeutsamsten Risiken zu berücksichtigen und die Anstrengungen auf diese zu konzentrieren.86 Blome und Henke
resümieren daher auch: „An all-embracing and selective list of all supply risks does not
exist“.87
4.2.1
Systematisierung
Aufgrund der Vielfalt möglicher Supply Chain Gefahren ist die Systematisierung von
Risiken ein nützliches Werkzeug zur Identifikation und Analyse. Dies geschieht anhand
der Klassifizierung von Risiken nach verschiedenen Kriterien. Auch hier gilt, dass die
Klassifikationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und auch nicht erreichen
können.88 Festzuhalten ist auch, dass die folgenden Risikokategorien nicht überschneidungsfrei sind und voneinander abhängen. So können Risikoereignisse auch
gleichzeitig die Quelle oder der Treiber für andere Risikoereignisse sein.89
Zu den gängigen Methoden der Kategorisierung von Risiken zählt die Gliederung nach
dem Entstehungsort der Risikoursache. Abhängig davon, ob die Risikoursache innerhalb oder außerhalb des Unternehmens lokalisiert werden kann, werden innerbetriebliche (endogene) von außerbetrieblichen (exogenen) Risiken unterschieden. Bezogen
auf SCRM erfolgt eine Erweiterung der Sichtweise auf die Lieferkette. Demnach können sich Risikoursachen in der Umwelt der Supply Chain oder in der Supply Chain
selbst befinden. Ist die Ursache auf die Lieferkette selbst zurückzuführen wird weiterhin
in unternehmensübergreifende und unternehmensinterne Risiken differenziert. Somit
ergeben sich die folgenden drei Risikoarten: Supply Chain exogene Risiken, Supply
Chain endogene Risiken (unternehmensübergreifend) und Supply Chain endogene
Risiken (unternehmensbezogen). Da von Entscheidungen im Rahmen von Logistik und
SCRM in erster Linie Produkte, Prozesse und Ressourcen betroffen sind, besteht die
85
86
87
88
89
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 38.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 101.
Blome, C., Henke, M. (2008), S. 128.
Vgl. Götze, U., Mikus, B. (2007), S. 34 – 40.
Vgl. Norrman, A., Lindroth, R. (2004), S. 19.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
24
Möglichkeit einer Kategorisierung nach Entscheidungsobjekten in Produkt-, Prozess-,
Ressourcen- und Kooperationsrisiken. Diese sind vornehmlich endogener Natur. Anhand der verschiedenen Bereiche einer SC lässt sich zum Beispiel in Absatz-, Produktions- und Beschaffungsrisiken untergliedern. Ähnlich angelegt ist die Strukturierung
nach Prozessarten, wobei Kernprozesse der Lieferkette wie Beschaffen, Produzieren,
Ausliefern und Entsorgen als Gliederungskriterium genutzt werden. Weiterhin sind
auch logistische Tätigkeiten aufgrund ihrer Relevanz für die behandelte Thematik zur
Risikodifferenzierung geeignet. Mögliche Ausprägungen sind Verpackungs-, Transportund Lagerrisiken. Da eine Supply Chain aus vielen Einzelnetzen besteht, die zum Beispiel als Infrastruktur für den Güter- und Datentransport dienen, ist auch eine Abgrenzung nach Partialnetzen sinnvoll. Risiken können sich somit auf Güter und Daten beziehen, aber auch sozialer und institutioneller Natur sein.90
Auch Gabath definiert verschiedene Kategorien und nennt dabei die Ergebnisabweichung als Gliederungskriterium, wonach reine von spekulativen Risiken unterschieden
werden. Im Falle von reinen Risiken ist eine Abweichung vom Zielwert nur in eine Richtung möglich. Dagegen sind spekulative Risiken mit positiven und negativen Abweichungen verbunden. Als Beispiel für die spekulative Form kann die Einführung einer
neuen Beschaffungsquelle genannt werden, die zwar mit günstigeren Einstandspreisen
verbunden ist, jedoch eine Gefährdung der kontinuierlichen Versorgung mit sich bringt.
Nimmt man den zeitlichen Kontext als Maßstab, ist zwischen permanenten und zeitlich
begrenzten Risiken zu unterscheiden, je nachdem, ob ein Zeitpunkt- oder ein Zeitraumbezug vorliegt. Die Intensität der Auswirkung von Risikoereignissen führt zu einer
Unterscheidung zwischen Bagatellrisiken, kleinen, mittleren, großen und existenzbedrohenden Risiken.91
Bezogen auf die Entscheidungsebene ist Lasch und Janker zufolge zwischen strategischen, taktischen und operativen Risiken zu trennen. Während strategische Risiken
eine Gefahr für das gesamte Unternehmen und die Verwirklichung langfristiger Ziele
darstellen, bezieht sich die taktische und operative Komponente auf einen mittel- beziehungsweise kurzfristigen Zeithorizont. Abhängig vom Umfang der Entscheidung
lassen sich Einzel- und Gesamtrisiken ermitteln. Einzelrisiken sind dabei auch auf einzelne Entscheidungen zurückzuführen, wogegen Gesamtrisiken aus deren Gesamtheit
entstehen.92
90
91
92
Vgl. Götze, U., Mikus, B. (2007), S. 35 – 37.
Vgl. Gabath, C. (2010), S. 35.
Vgl. Lasch, R., Janker, C. (2007), S. 114.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
25
Eine ausführliche Erläuterung der Risikoauswirkung als Kategorisierungsinstrument
liefern die Autoren Pfohl, Gallus und Köhler. Je nach Charakteristik der Auswirkung
wird zwischen kumulativen, additiven und singulären Risiken differenziert. Im Falle von
kumulativen Risiken steigert sich der Schaden über die einzelnen Glieder der Supply
Chain bis zu seiner vollen Entfaltung. Es entsteht ein Domino-Effekt, der sich über die
Lieferkette hinwegzieht. Additive Risiken führen dagegen alleine nicht zu einem Schaden. Erst wenn weitere Risikoereignisse parallel eintreten, stellen sich negative Folgewirkungen ein. So wird eine defekte Maschine zur Prüfung der Produktqualität erst
dann zu einem Problem, wenn tatsächlich Qualitätsabweichungen im Rahmen der Fertigung auftreten. Weiterhin sind singuläre Risiken zu nennen, die mit ihrer Wirkung lokal begrenzt und daher für die Supply Chain weniger relevant sind. Als weitere Beispiele für mögliche Kategorisierungen lassen sich die verwendeten Ressourcen, die Wirkungsorte der Risiken, deren Messbarkeit und Versicherbarkeit nennen.93
Für die weitere Betrachtung einzelner Risikoarten wird die eingangs erläuterte Gliederungsmethodik hinsichtlich des Entstehungsorts der Risikoursache gewählt, da sie im
Rahmen der SCRM Literatur besonders häufig Erwähnung findet und die Besonderheiten der Supply Chain entsprechend würdigt. Die folgende Abbildung veranschaulicht
die Systematik:
93
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 22 – 23.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
26
Abbildung 3: Kategorisierung von Supply Chain Risiken nach Entstehungsorten
Quelle: in Anlehnung an Götze, U., Mikus, B. (2007), S. 35.
4.2.2
Exogene Risiken
Die Kategorie der exogenen, also außerbetrieblichen Risiken ist auf umweltbedingte
Ursachen zurückzuführen, die kaum beeinflussbar sind und zu direkten oder indirekten
Störungen in der Supply Chain führen. Sie entstehen unter anderem aufgrund von sozialpolitischen, ökonomischen, technologischen oder geografischen Gegebenheiten.94
Eine mögliche Ausprägung sind Katastrophenrisiken, die sich durch Naturkatastrophen, politische Instabilität, Terrorismus, Bürgerkrieg oder volkswirtschaftliche Schäden äußern können. So stellen in vielen Ländern Naturkatastrophen in Form von Tsunamis, Erdbeben, Hurricanes oder Überschwemmungen potenzielle Bedrohungen für
die Bevölkerung und dort angesiedelte Industrieunternehmen dar.95 Die negativen
Auswirkungen dieser Phänomene für die Supply Chain sind offensichtlich, da Produktionsstätten und der Transportsektor stark in Mitleidenschaft gezogen werden können.
94
95
Vgl. Thun, J.-H., Hoenig, D. (2011), S. 243.
Vgl. Wagner, S., Bode, C. (2007), S. 66.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
27
Weiterhin haben lokale Katastrophen, bedingt durch die Globalisierung der Märkte und
die weltumspannenden Supply Chain Operationen, in zunehmendem Maße auch globale Auswirkungen.96 Ein aktuelles Beispiel ist der isländische Vulkan Eyjafjallajökull,
der 2010 die Luftfrachtverbindungen in weiten Teilen Europas lahm legte. Das Nachrichtenmagazin Bloomberg Businessweek ordnete den dadurch verursachten wirtschaftlichen Schaden im Milliarden Dollar Bereich ein und wies in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit einer erhöhten Supply Chain Flexibilität hin.97 Auch instabile politische Verhältnisse, speziell beim Warenbezug aus Drittländern, können negative
Auswirkungen auf die Lieferkette haben. So kann es aufgrund eines politischen Wechsels oder eines Putschs im Bezugsland dazu kommen, dass die benötigten Güter nicht
mehr geliefert werden können. Auch sind Beschlagnahmungen der bestellten Waren
oder Enteignungen und Verstaatlichungen der Fertigungsstätten des Zulieferers denkbar. Die Verhängung eines Embargos kann dazu führen, dass Lieferungen in das Land
des Bestellers untersagt werden.98 Terrorismus als weitere Form des Katastrophenrisikos ist insbesondere seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 in der Diskussion. Es handelt sich um eine allgegenwärtige Bedrohung, die
sowohl direkte, als auch indirekte (zum Beispiel politische) Auswirkung auf die Lieferkette haben kann. So mussten die Automobilhersteller Ford und Toyota unmittelbar
nach den Ereignissen des 11. September Störungen bei der Versorgung ihrer in Nordamerika angesiedelten Werke hinnehmen, da die Transportbestimmungen durch die
amerikanische Regierung stark erschwert wurden.99
Bürokratische, rechtliche und regulatorische Risiken zählen ebenfalls zu den exogenen
Supply Chain Gefahren und beziehen sich auf die Ausführung und Durchsetzung von
Gesetzen und Richtlinien mit Relevanz für die Lieferkette. Beispielsweise können administrative Beschränkungen, wie Zollformalitäten oder Handelsbestimmungen das
Design der Supply Chain und deren operative Performance beeinflussen. Problemtisch
ist, das rechtliche Änderungen häufig plötzlich und unvorhergesehen zum Tragen
kommen. Die Einführung von Mautgebühren für Lastkraftwagen in vielen europäischen
Ländern zählt dazu, welche eine Erhöhung der Supply Chain Kosten zur Folge hat.100
Auch Importkontingente können negative Auswirkungen mit sich bringen, wenn diese
aufgrund einer hohen innereuropäischen Nachfragesituation ausgeschöpft werden.
Dann ist es bis zu Beginn des neuen Kalenderjahres nicht mehr möglich die benötigten
96
97
98
99
100
Vgl. Wagner, S., Bode, C. (2009), S. 277 – 278.
Vgl. Olson, D. (2011), S. 4.
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 55 – 56.
Vgl. Wagner, S., Bode, C. (2007), S. 66.
Vgl. Wagner, S., Bode, C. (2009), S. 277.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
28
Güter einzuführen, was zu Fehlmengen oder Deckungskäufen zu hohen Preisen bei
Alternativlieferanten führen kann.101 Ein prominentes Beispiel für die politische Beeinflussung der Supply Chain ist die Firma Airbus. Die Tatsache, dass der Superjumbo
A380 erst zwei Jahre später als geplant eingeführt werden konnte, war nicht nur auf
technische Probleme zurückzuführen, sondern auch auf den notwendigen politischen
Interessenausgleich zwischen vier Ländern mit Beteiligung am Airbus Konsortium, was
zu einem Verlust von 4,8 Milliarden Euro führte.102
Als dritte Gruppe im Bereich der exogenen Supply Chain Risiken sind infrastrukturelle
Gefahren zu nennen. Beispielhaft lassen sich hier Vandalismus, Feuerschäden, Sabotage, Streiks der Mitarbeiter oder Störungen der Elektrizitäts- und Wasserversorgung
nennen.103
4.2.3
Endogene Risiken
4.2.3.1 Unternehmensübergreifende Risiken
Im Bereich der endogenen Risiken auf unternehmensübergreifender Ebene ist eine
weitere Unterscheidung in Versorgungs- und Nachfragerisiken möglich. Versorgungsrisiken beziehen sich auf die Upstream Prozesse der Supply Chain in Richtung des Zulieferunternehmens und spielen daher im Bereich Einkauf und Beschaffung eine zentrale Rolle. Nachfragerisiken dagegen nehmen die Downstream Prozesse in den Fokus, welche den Weg zum Endkunden bilden.104
Als
Versorgungsrisiken
kommen
zum
Beispiel
Kapazitätsengpässe
und
-
schwankungen auf dem Beschaffungsmarkt, Produktionsverzögerungen und -ausfälle
beim Lieferanten oder Abhängigkeitsverhältnisse von einzelnen Lieferanten aufgrund
von Single Sourcing Beziehungen in Frage. Diese drei Supply Chain Risiken wurden
im Rahmen einer Befragung von 160 Logistik-, Industrie- und Handelsunternehmen, in
Kooperation mit der TU Darmstadt, zu den größten Gefahren im Beschaffungsbereich
gewählt. Maßgeblich bei der Bewertung waren die Parameter Schadensausmaß und
Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos.105 Weiterhin sind Qualitätsprobleme bei den
gelieferten Produkten als Versorgungsrisiko zu nennen, welche eine Folge von Fertigungsproblemen des Lieferanten sein können. Auch finanzielle Schwierigkeiten des
Zulieferers, die sich zu einer Insolvenz ausweiten können, führen im schlimmsten Fall
zu einem kompletten Versorgungsstopp. Die mangelnde Fähigkeit des Lieferanten,
101
102
103
104
105
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 56.
Vgl. Tang, C., Tomlin, B. (2009), S. 162.
Vgl. Wagner, S., Bode, C. (2007), S. 65.
Vgl. Wagner, S., Bode, C. (2007), S. 64.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008b), S. 95 – 100.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
29
Neuerungen in das Produktdesign zu implementieren, kann sich ebenfalls negativ auf
die Supply Chain auswirken. Speziell bei Single Sourcing Beziehungen sind die Gefahren einer opportunistischen Vorgehensweise des Lieferanten besonders hoch.106
Grundsätzlich ist die Einkaufsabteilung auch mit einem Bestellmengenrisiko konfrontiert. So sind die Beschaffungsaktivitäten stark von den Informationen der Materialdisposition abhängig, die exakte Vorgaben hinsichtlich der benötigten Mengen machen
muss. Werden bei der Mengenplanung Fehler gemacht, oder es ergibt sich nach erfolgter Bestellung, dass mehr oder weniger benötigt wird (zum Beispiel aufgrund falscher Einschätzungen), entstehen Fehl- oder Übermengenkosten. Diese können sich
durch Vertragsstrafen auf der Vertriebsseite äußern, wenn dadurch Lieferverzögerungen verursacht werden. Des Weiteren existiert ein Bestellzeitpunktrisiko, da Bedarfsmeldungen nicht zwangsläufig zur richtigen Zeit durch die Materialdisposition gemeldet
werden oder Bestellungen aufgrund einer schlechten Organisation in der Einkaufsabteilung zu spät ausgeführt werden. Dies kann zu Produktionsunterbrechungen oder
höheren Kosten aufgrund der Notwendigkeit von Eilsendungen durch den Lieferanten
führen. Ein Liefermengenrisiko ist dann gegeben, wenn die bestellte Menge (SollMenge) von der tatsächlich gelieferten Menge (Ist-Menge) abweicht. Während Minderlieferungen Fertigungsunterbrechungen zur Folge haben können, äußern sich Überlieferungen in zu hohen Lagerbeständen. Bestehende Verträge mit Lieferanten sind
ebenfalls mit Risiken belastet. Vertragsbrüche, Fehlverhalten des Kontraktpartners und
ungenau formulierte Verträge bergen eine potenzielle Gefahr für die Materialversorgung. Diese ist besonders hoch, wenn verspätete Lieferungen nicht mit einer Vertragsstrafe geahndet werden. Außerdem kann die vertikale Integration eines Zulieferers
durch ein Konkurrenzunternehmen dazu führen, dass das eigene Unternehmen überhaupt nicht mehr oder nur noch zu verschlechterten Konditionen beliefert wird. Aus
logistischer Sicht sind darüber hinaus die Beschädigung oder der Untergang der Ware
auf dem Transportweg, sowie der Verderb während des Lagerprozesses als Risikofaktoren zu nennen.107
Unter Nachfragerisiken versteht man alle Risiken, die mit der physischen Versorgung
des Kunden einhergehen. Betroffen sind daher in erster Linie Transport- und Lagerprozesse. Auch Unsicherheiten bei der Prognose der Kundennachfrage fallen in diese
Kategorie, da diese in überflüssigen Lagerbeständen, teuren Versorgungsengpässen
und einer suboptimalen Kapazitätsauslastung münden können. In diesem Zusammenhang ist auch der Bullwhip Effekt zu nennen, welcher auch als Peitschenschlag- oder
106
107
Vgl. Wagner, S., Bode, C. (2007), S. 64 – 65.
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 48 – 59.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
30
Forrestereffekt bekannt ist. Darunter versteht man Nachfrageschwankungen, die sich
entlang der Lieferkette aufschaukeln.108 So ist zu beobachten, dass die Bestell- und
Lagermengen der vorgelagerten Stufen, selbst bei marginalen Änderungen der Endkundennachfrage, starken Schwankungen unterworfen sind. Ein Zusammenhang zwischen dem Bedarf des Endkunden und der Bestell- und Lagerplanung des Vorlieferanten ist bedingt durch den Effekt nicht mehr zwangsläufig zu erkennen.109 Ein wesentlicher Grund für das Phänomen sind voneinander abweichende Bedarfsprognosen, die
nicht mit allen Supply Chain Partnern abgesprochen wurden, was zum Beispiel falsch
kalkulierte Sicherheitsbestände zur Folge haben kann. Weiterhin werden Nachfrageprognosen hinsichtlich des Endkunden erschwert, wenn dieser zur Senkung seiner
fixen Bestellkosten seine Bestellmengen bewusst bündelt. Dadurch entstehen zwar nur
punktuell Bedarfe, die jedoch ein sehr großes Volumen auf sich vereinen. Dieser Effekt
verstärkt sich, sobald günstige Einstandspreise durch den Endkunden genutzt werden,
um Lagerbestände aufzubauen. Das Einkaufsverhalten der Vorlieferanten lässt sich
dann nicht mehr aus den historischen Werten der Endkundennachfrage ableiten.110
Sofern das Unternehmen seine Produkte auf Lager und nicht auftragsbezogen produziert, besteht außerdem die Gefahr, dass sich diese bei Nachfrageeinbrüchen nicht
mehr absetzen lassen. Ein weiteres Risiko für die Lieferkette bilden kurzfristige Änderungen der Auftragsmodalitäten durch den Kunden hinsichtlich Auftragsmenge, Bestellzeitpunkt oder Form der Auftragsübermittlung.111
4.2.3.2 Unternehmensbezogene Risiken
Die Gruppe der endogenen Risiken aus unternehmensbezogener Perspektive lässt
sich weiter in Prozess- und Steuerungsrisiken unterteilen. Diese beschäftigen sich mit
Störungen der Wertschöpfungsprozesse, welche die Erreichung der vereinbarten Produktionsziele erschweren können.112 Prozessrisiken sind dabei auf die Erfüllung der
betrieblichen Aufgaben zurückzuführen und betreffen daher Mitarbeiter, Produktionsanlagen, Logistiksysteme oder IT Strukturen.113 Steuerungsrisiken haben dagegen einen
engen Bezug zu den Regeln, Verfahren und Abläufen, die durch das Management zur
Lenkung des Unternehmens vorgegeben werden. Sie erwachsen aus der falschen Anwendung dieser Regeln durch die Mitarbeiter.114
108
109
110
111
112
113
114
Vgl. Werners, B., Klempt, P. (2007), S. 289.
Vgl. Kiener, S. et al. (2009), S. 13.
Vgl. Werners, B., Klempt, P. (2007), S. 289.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008b), S. 102 – 103.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008b), S. 101.
Vgl. Kersten, W., Singer, C. (2010), S. 192.
Vgl. Englisch, J. (2011), S. 11.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
31
Typische Prozessrisiken sind lang- und kurzfristige Produktionsausfälle, Qualitätsschwankungen der Produktion, der Ausfall von Lagereinrichtungen, eine zu niedrige
Vorratshaltung oder IT Ausfälle. Im Rahmen der bereits erwähnten Befragung in Kapitel 4.2.3.1 wurden langfristige Produktionsausfälle mit dem höchsten Schadenausmaß
aller untersuchten Risiken bewertet, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeit als äußerst
gering eingestuft wurde. Als größtes Prozessrisiko für Industriebetriebe wurde die Produktion an der Kapazitätsgrenze, und die damit verbundenen negativen Auswirkungen
gewertet (zum Beispiel: Mangelnde Flexibilität bei kurzfristigen Kundenaufträgen)115,
welche mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit und einem hohen potenziellen
Schaden in Verbindung gebracht wurde.116 IT Risiken kommt ein besondere Bedeutung
zu, da zahlreiche SCM Funktionen von Informationsfluss und Informationsteilung abhängig sind. Organisationen sind in der Vergangenheit in zunehmendem Maße abhängig von der eingesetzten Technologie geworden, so dass eine Anfälligkeit für IT Probleme und Zusammenbrüche besteht. Mögliche Ursachen dafür sind Virusangriffe,
Cyberkriminalität, sowie Soft- und Hardwarefehler. Durch die Nutzung moderner ERP
mit Zugriffsberechtigung für Kunden und Lieferanten, verstärkt sich dieses Risiko noch
weiter.117
Als Steuerungsrisiken kommen eine mangelnde Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter des Unternehmens in Frage, die eine fehlerhafte Bearbeitung der übertragenen Aufgaben fördern.118 Weiterhin sind diesem Bereich redundante beziehungsweise
überflüssige Prozesse als potenzielles Risiko zuzuordnen. Auch Verantwortungsleerräume an der Schnittstelle zwischen zwei Organisationseinheiten der Supply Chain
bilden eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Lieferkette.119
115
116
117
118
119
Vgl. Jodbauer, H. (2008), S. 22.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008b), S. 101.
Vgl. Wagner, S., Bode, C. (2009), S. 277.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008b), S. 101.
Vgl. Klöti, L. (2008), S. 57.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
5
32
Bewertung von Supply Chain Risiken
Für den Prozess der Risikobewertung existieren zahlreiche Methoden, wobei aufgrund
der Vielzahl an vorhandenen Risiken häufig mehrere Instrumente miteinander kombiniert werden müssen, ähnlich wie im Rahmen der Risikoidentifikation.120 Die gewonnenen Ergebnisse aus der Identifikationsphase bilden die Ausgangsbasis für den Bewertungsprozess, weshalb die Datenqualität und –verfügbarkeit für dessen erfolgreiche
Durchführung besonders wichtig sind. Ziel der Bewertungsphase ist eine kontinuierliche und detaillierte Quantifizierung der Risiken, so dass die potenziellen Auswirkungen
der Supply Chain Risiken auf das Unternehmen eingeschätzt werden können. Vorzugsweise sind gleiche Risikoarten (siehe Abschnitt 4.2) unternehmensweit mit den
gleichen Methoden zu analysieren, um eine Vergleichbarkeit der Resultate herzustellen. Im Bereich der Bewertungsmethoden werden grundsätzlich qualitative von quantitativen Ansätzen unterschieden. Qualitative Methoden beschäftigen sich dabei mit der
Bewertung von Risiken ohne objektive Eintrittswahrscheinlichkeit, weshalb das Schadenspotenzial nicht genau ermittelt werden kann. Dagegen sind quantitative Methoden
dazu geeignet das Schadenspotenzial genau zu messen. Die Supply Chain Risiken
lassen sich dadurch mit Geldeinheiten bewerten.121 Als dritte Kategorie existieren weiterhin semi-quantitative Methoden, bei denen belastbare Zahlen mit allgemeinen Einschätzungen kombiniert werden.122 Im Rahmen der bereits angesprochenen Befragung
von 160 Industrie-, Handels- und Logistikunternehmen zum Thema SCRM wurden die
Studienteilnehmer auch hinsichtlich der eingesetzten Bewertungsmethoden interviewt.
Dabei mussten die Häufigkeit des Einsatzes, sowie die Eignung der verwendeten Methode zur Bewertung von Supply Chain Risiken eingeschätzt werden. Die Eignung
musste anhand einer Likert-Skala mit fünf Abstufungen eingeordnet werden. Bei den
Industrie- und Handelsunternehmen stellte sich heraus, dass aufwendige Methoden,
wie Scoring Modelle, Risikosimulationen oder Sensitivitätsanalysen, die aus dem quantitativen beziehungsweise semi-quantitativen Bereich stammen, zwar positiv hinsichtlich der Eignung beurteilt wurden, jedoch nur von circa 20 bis 30 % der Unternehmen
auch tatsächlich eingesetzt werden. Weiterhin zeigte sich, dass Schätzverfahren (qualitatives Bewertungsinstrument) von 80 % der befragten Unternehmen verwendet werden und damit die am meisten genutzte Methode darstellten. Trotz der weiten Verbrei-
120
121
122
Vgl. Etterer, W. (2008), S. 199.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008b), S. 124.
Vgl. Mullai, A. (2004), S. 148.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
33
tung schätzten lediglich 36 % der Teilnehmer das Verfahren als geeignet oder voll geeignet ein.123
5.1
5.1.1
Quantitative Methoden
Value at Risk
Die Value at Risk Methode hat ihre Wurzeln im Finanzbereich, wo sie für die Bewertung und Kontrolle von Markt- und Zinsrisiken eingesetzt wird. In diesem Zusammenhang wird ein beliebiges Portfolio betrachtet, dass über eine bestimmte Zeitspanne
gehalten wird und aufgrund veränderter Marktgegebenheiten, Gewinne oder Verluste
abwerfen kann.124 Der VaR als statistische Messgröße stellt dann den in Geldeinheiten
bewerteten, maximal möglichen Verlust dar, der sich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (Konfidenzniveau) innerhalb einer bestimmten Haltedauer ergeben
kann.125 So bedeutet ein VaR von 5 Millionen € und einem Konfidenzniveau von 99 %,
sowie einer Haltedauer von einem Tag, dass der Verlust des betrachteten Portfolios
mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % innerhalb eines Tages 5 Millionen € nicht übersteigen wird.126 Durch eine Abwandlung der Methode im Hinblick auf die Bezugsgröße,
welche im finanzwirtschaftlichen Bereich der Marktpreis (zum Beispiel der Aktie / des
Portfolios) ist, besteht die Möglichkeit den Ansatz auch auf quantifizierbare Supply
Chain Risiken des Unternehmens zu übertragen. Zu diesem Zweck müssen für das
betrachtete Risiko jedoch objektive Werte für das Schadensausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit existieren. Dadurch ist der Ansatz nur für eine Teilmenge der existierenden Supply Chain Gefahren einsetzbar.127 Dazu zählen in erster Linie Bestandsrisiken, wie Preis- und Nachfrageschwankungen von Lagerware oder Probleme mit
dem Management einer komplexen Produktvielfalt im Lagersystem. Da die VaR Methode ausschließlich für quantifizierbare Risiken eingesetzt werden kann, wird empfohlen den Prozess der Risikobewertung nicht auf sie alleine zu stützen. Dies ist auch der
Grund dafür, weshalb sich Forschungsarbeiten aus dem SCRM Bereich selten mit dem
VaR Ansatz beschäftigen.128
5.1.2
Sensitivitätsanalyse
Mit Hilfe der Sensitivitätsanalyse kann der Einfluss einzelner Risiken auf unternehmensbezogene wirtschaftliche Größen ermittelt werden. Ähnlich wie beim VaR Ansatz
123
124
125
126
127
128
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008b), S. 124 – 125.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 64.
Vgl. Rabak, R. (2010), S. 147.
Vgl. Becker, H.-P. (2012), S. 23.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 64.
Vgl. Li, J., Chen, J., Wang, S. (2011), S. 7.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
34
müssen auch bei der Sensitivitätsanalyse quantitativ verwertbare Daten hinsichtlich der
betrachteten Risiken verfügbar sein. Ausgangspunkt ist eine Zielfunktion bei der eine
oder mehrere Inputgrößen verändert werden, um herauszufinden, wie die Zielgröße
reagiert. Im Umkehrschluss kann auch ermittelt werden, welche Werte die Inputgrößen
annehmen dürfen, damit eine gegebene Zielgröße nicht überschritten wird.129 Als Zielgröße kommt zum Beispiel die Veränderung der Umsatzerlöse des Unternehmens
unter dem Einfluss von Supply Chain Risikoereignissen in Frage.130 Die Anpassung der
Inputgrößen kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen. Entweder der Ausgangswert wird schrittweise verändert, oder man verwendet vorher festgelegte Alternativwerte (zum Beispiel Minimal- und Maximalwert). Als sinnvoll erweist sich die Sensitivitätsanalyse speziell bei finanziellen Risiken, da die Verbindung mit der Zielgröße funktional
darstellbar ist. Bezogen auf betriebliche Risiken kann die Methode nur dann zum Einsatz kommen, wenn der Zusammenhang zwischen einer einzelnen Inputgröße und der
Zielgröße nachweisbar ist. Aufgrund wechselseitiger Abhängigkeiten verschiedener
Supply Chain Risiken ist dies jedoch nicht immer möglich. Problematisch an der Sensitivitätsanalyse ist weiterhin, dass die Einflussfaktoren eines Risikos relativ genau bekannt sein müssen, um sinnvolle Ergebnisse zu erzielen. Da sich die Zusammenhänge
mit der Zielgröße bei den meisten betrieblichen Risiken nicht funktional darstellen lassen, empfehlen die Autoren Pfohl, Gallus und Köhler die Anwendung auf finanzielle
Risiken zu beschränken.131
5.1.3
Risikosimulation
Die Verwendung der Risikosimulation als Bewertungsverfahren wurde erstmals von
Hertz zwecks Risikoanalyse von Investitionsvorhaben angeregt. Mittlerweile gilt sie als
Standardwerkzeug für die kritische Auseinandersetzung mit Investitionen. Allgemein
bezeichnen Simulationen die Abbildung eines realen Systems in einem Modell und die
systematische Durchführung von Experimenten an diesem Modell. 132 Ziel der Risikosimulation ist die Prognose von Zuständen einzelner Systemkomponenten, oder des
Gesamtsystems. Eine Variante des Verfahrens ist die historische Simulation, welche
ausschließlich auf Grundlage von Vergangenheitsdaten über die Risikoposition eine
Abschätzung über deren zukünftige Entwicklung abgibt. Weiterhin existiert die Monte
Carlo Simulation als zweite Variante, die sich nicht auf Vergangenheitsdaten bezieht,
sondern Zufallszahlen verwendet, um die zukünftige Entwicklung der Risikoposition
abzuschätzen. Die Verteilung der Zufallszahlen basiert dabei auf Expertenmeinungen.
129
130
131
132
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 62.
Vgl. Lockamy, A., McCormack, K. (2009), S. 601.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 62 – 63.
Vgl. Freidank, C.-C., Lachnit, L., Tesch, J. (2007), S. 1191.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
35
Die Risikosimulation ist sowohl für finanzielle, als auch für nicht-finanzielle Risiken und
damit für Supply Chain Risiken geeignet.133 Eine Studie über die Durchführung von
Risikosimulationen mit Lieferkettenbezug stammt von den Autoren Deleris und Erhun.
Auf Basis von produktbezogenen Informationen hinsichtlich Lagerorten, Streckeninformationen und dem Beitrag zum Gesamtumsatz des Unternehmens, sowie netzwerkbezogenen Informationen bezüglich geografischer Lage, vorhandener Kapazitäten und
Organisationsstruktur, wurde ein Flussmodell entworfen, dass später die Grundlage für
eine Monte Carlo Simulation bilden sollte. Anhand der bereits angesprochenen netzwerkbezogenen Informationen, sowie Daten über mögliche Risiken, wie der Häufigkeit
von Lieferkettenunterbrechungen, dem Schweregrad der Risiken und vorhandenen
Abhängigkeitsverhältnissen der Risiken untereinander, wurden des Weiteren verschiedene Unterbrechungsszenarien ermittelt, auf die das erstellte Flussmodell getestet
werden sollte. Ziel der Simulation war es den Volumenverlust für die Versorgung des
Endkunden mit Produkten unter dem Einfluss verschiedener Supply Chain Unterbrechungsszenarien zu ermitteln und im Anschluss in Geldeinheiten beziehungsweise in
den entstehenden Umsatzverlust zu übertragen. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis,
dass sich die Risikosimulation als nützliches Tool für Supply Chain Manager anbietet,
um Schwachstellen in der Lieferkette zu identifizieren. Allerdings wurde auch auf die
Grenzen des Flussmodells hingewiesen, da es sich lediglich um ein statisches Abbild
des eigentlichen Netzwerks handelte und zum Beispiel keine Einschätzungen über
Lieferzeiten getroffen werden konnten.134
5.2
5.2.1
Semi-Quantitative Methoden
Fehler- und Ereignisbaumanalyse
Die Fehlerbaumanalyse (FTA) und Ereignisbaumanalyse (ETA) sind Risikobewertungsmethoden, die sich sowohl für die quantitative als auch für die qualitative Evaluation eignen. Im Rahmen der FTA steht das unerwünschte Supply Chain Ereignis (zum
Beispiel eine Unterbrechung oder ein Schaden) an oberster Stelle. Es erfolgt eine Zerlegung des Ereignisses in einzelne, nicht weiter unterteilbare Ursachen für den Schaden. Demnach stellen die Äste des Fehlerbaums grafisch gesehen die jeweiligen Ursachen dar und können logisch miteinander verbunden werden. Die einzelnen Gründe für
das Schadensereignis werden so transparent gemacht und die gesamte Struktur des
Fehlers kann analysiert werden. Auch die Eintrittswahrscheinlichkeit des übergeordneten Schadens kann ermittelt werden, sofern auch für die einzelnen Ursachen Eintritts-
133
134
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 63.
Vgl. Deleris, L., Erhun, F. (2005), S. 1643 – 1648.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
36
wahrscheinlichkeiten vorliegen. Als vorteilhaft erweist sich die grafische Darstellung der
FTA, welche die Ursache-Wirkungszusammenhänge eines Supply Chain Risikos erkennen lässt. Weiterhin wird die Risikosteuerung erleichtert, da sich gezielt Maßnahmen für die Beherrschung der einzelnen Ursachen ermitteln lassen. Problematisch
stellt sich der mit der FTA verbundene Aufwand dar, zumal sämtliche Ursachen im Detail durchleuchtet werden müssen, weshalb eine Anwendung nur bei Risiken mit hohem Bedrohungspotenzial und großem Schadensausmaß zu empfehlen ist.135
Bei der Ereignisbaumanalyse handelt es sich um eine induktive Methode, die mit
einem auslösenden Ereignis startet und per Baumdiagramm eine systematische Erfassung von allen möglichen Endzuständen liefert, die dadurch verursacht werden können. Bei dem auslösenden Ereignis kann es sich zum Beispiel um eine Katastrophe
wie eine Flut, einen Großbrand oder ein Erdbeben handeln.136 Beginnend mit dem
Ausgangsereignis wird der Baum bei jeder Folgereaktion weiter aufgefächert, so dass
sich verschiedene Szenarien hinsichtlich des Endzustands ergeben. Sind für das auslösende Ereignis und die Folgereaktionen Eintrittswahrscheinlichkeiten bekannt, lassen
sich auch Wahrscheinlichkeiten für die verschiedenen Endzustände ermitteln.
Im Rahmen der SCRM Forschung werden sowohl die ETA, als auch die FTA wenig
ausführlich behandelt. Ein potenzieller Anwendungsfall der FTA ist die Ermittlung der
Eintrittswahrscheinlichkeit eines Lieferantenausfalls. Dabei wird das Lieferantenausfallrisiko
als
unerwünschtes
Supply
Chain
Ereignis
in
die
vier
Fehlerquellen
Mensch/Organisation, Prozess/Material, Infrastruktur und Umfeld unterteilt. Durch eine
weitere Aufgliederung werden die Ursachen daraufhin detaillierter analysiert. Zum Beispiel wird die Fehlerquelle Mensch/Organisation in die Bereiche Mitarbeiterausfall und
Unternehmensausfall aufgeteilt. Im letzten Schritt werden dann die genauen Quellen
für den Ausfall hinterfragt. Im Falle des Mitarbeiters können dies krankheitsbedingte
Fehlzeiten oder Streiks sein, während das Unternehmen selbst aufgrund einer Insolvenz handlungsunfähig werden kann.137
5.2.2
Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse
Die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) ist ein System von Aktivitäten mit
dem Ziel, die potentiellen Fehler eines Produkts oder Prozesses, sowie die Auswirkungen des Fehlers zu entdecken und abzuschätzen. Weiterhin sollen Maßnahmen ermittelt werden, mit denen die Chance des Eintritts eines potentiellen Fehlers reduziert
135
136
137
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 58.
Vgl. Verma, A.-K., Ajit, S., Karanki, D.-R. (2010), S. 330.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 58 – 59.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
37
oder eliminiert werden kann. Auch die Dokumentation des gesamten Bewertungsprozesses ist Teil der FMEA.138 Der Ablauf der FMEA sieht vor, dass im ersten Schritt die
möglichen Fehler aufgelistet und beschrieben werden. Dies erfolgt, genauso wie alle
weiteren Schritte, mit der Hilfe von standardisierten Formblättern. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für ein solches FMEA Formular:
138
Vgl. Dani, S. (2008), S. 61.
6
6
vorgesehene Prüfmaßnahmen
keine
keine
Keine Entlüftung, da das
Ventil nicht
geöffnet ist
Maximal 2 Mi- Keine Entlüfschungen fal- tung, da das
sches Mischungs- Ventil ververhältnis
stopft ist
Potenzielle
Fehlerursachen
Auftreten
Potenzielle
Folgen des
Fehlers
RPZ
Fehlerkosten
Entdeckung
Bedeutung
8
600 384
Empfohlene Abstellmaßnahmen
8
getroffene Maßnahmen
2
2
Auftreten
600 384
8
8
Bedeutung
8
4 350 64
1 180 16
Entdeckung
8
Präventionskosten
Maximal 2 MiBefüllung
schungen falunvollständig sches Mischungsverhältnis
Fehlerart
Datum:
Verbesserter Zustand
Erstellt durch:
RPZ
Prozessschritt
Materialdosierung
Bestandteile,
Merkmale, Funktionen
Derzeitiger Zustand
Fehler-Möglichkeits- und -Einfluss-Analyse (FMEA)
BEISPIEL EINES FMEA_FORMBLATTES MIT RISIKOERMITTLUNG UND BEWERTUNG DES MONETÄREN NUTZENS
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
38
Tabelle 1: Beispiel für ein FMEA Formular
Abfrage der Ventilendlage in der
SPS und wöchentliche vorbeugende Wartung
Behälter wird an das Druckluftnetz angeschlossen. Visuelle Kontrollen in den
Pausen
Ventilöffnung sicher stellen
Überdruck erzeugen
Quelle: in Anlehnung an din-iso-zertifizierung-handbuch.de (2012), 27. Jun. 2012.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
39
Neben der Beschreibung der Fehler, werden auch deren potenzielle Folgen und Ursachen im Formular verbal umschrieben. Die Bewertung der Risiken erfolgt in einem
zweiten Schritt, bei dem der aktuelle Zustand der Risiken evaluiert wird. Dazu werden
die Wahrscheinlichkeit des Auftretens, die Bedeutung und die Entdeckungswahrscheinlichkeit jeweils mit 1 bis 10 Punkten bewertet. Die höchste Wahrscheinlichkeit
entspricht dabei 10 Punkten. Anschließend erfolgt eine Multiplikation der drei Werte
aus der sich die Risikoprioritätszahl (RPZ) ergibt. Anhand der ermittelten RPZ erfolgt
eine Priorisierung der Risiken und es besteht die Möglichkeit wichtige Risiken von unwichtigen zu trennen. Weiterhin werden im Formblatt Abstellmaßnahmen für die einzelnen Risiken festgehalten und die tatsächlich getroffenen Maßnahmen aufgezeigt.
Zum Abschluss erfolgt ein Soll-Ist Abgleich durch Neubewertung der einzelnen Risiken,
um die Wirkung der eingeleiteten Maßnahmen zu überprüfen. Die Bewertungsmethode
ist die gleiche, wie bei der Initiativbewertung. Auch wenn Fallstudien zeigen, dass die
FMEA in der Praxis für die Bewertung von Supply Chain Risiken herangezogen wird,
muss dennoch festgehalten werden, dass mit der subjektiven Bewertung der Risiken
eine große Schwankungsbreite der RPZ einhergeht und eine Scheingenauigkeit suggeriert wird. Auch die Einbeziehung von nur drei Bewertungsmaßstäben (Auftreten,
Bedeutung, Entdeckung) ist als wenig detailliert und ungenau zu bezeichnen. Interpendenzen zwischen einzelnen Risiken finden ebenso keine Berücksichtigung.139
5.2.3
Scoring-Modelle
Scoring-Modelle werden in Unternehmen für verschiedene Zwecke eingesetzt. Auf der
Managementebene wird durch ihre Anwendung die Entscheidung zwischen verschiedenen Handlungsalternativen erleichtert, wobei die Bewertung unter Berücksichtigung
der Ziele und Präferenzen des Entscheidungsträgers erfolgt. Es existieren verschiedene Arten von Scoring-Modellen, welche jedoch auf einer einheitlichen Methodik basieren. Die Evaluation der einzelnen Sachverhalte erfolgt auf der Grundlage von Wertungspunkten. Somit können Supply Chain Risiken, die eigentlich heterogener Natur
(zum Beispiel bezogen auf die Messbarkeit) sind, in einem gemeinsamen Entscheidungsmodell bewertet werden, unabhängig davon, ob es sich um quantitative oder
qualitative Risiken handelt.140 Grundsätzlich erfolgt die Bewertung anhand diverser
Kriterien, die ein Risiko charakterisieren. Dazu zählen beispielsweise die Eintrittswahrscheinlichkeit, die Schadensauswirkung und die Schadenshäufigkeit. Die Wertungspunkte für die einzelnen Kriterien orientieren sich anhand einer einheitlichen Skala, die
Vergleiche der Supply Chain Risiken untereinander erlaubt. Eine verbreitete Möglich-
139
140
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 56 – 57.
Vgl. Burger, A., Buchhart, A. (2002), S. 156.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
40
keit, um die Gewichtung der einzelnen Risiken, bezogen auf das Gesamtrisiko, sowie
die Kriterien für die Charakterisierung der Risiken festzulegen, bilden Experteninterviews. Auch bieten sich empirische Daten an, um einen Schlüssel für die Gewichtung
der Risikopositionen zu ermitteln.141 Um eine schlüssige Risikobewertung im gesamten
Unternehmen zu gewährleisten, ist die Einführung von abteilungsübergreifenden Bewertungsmustern notwendig. Grundsätzlich besteht bei Scoring-Modellen ein Konflikt
zwischen Vollständigkeit und Genauigkeit der Risikobewertung. Wird eine möglichst
umfassende Aufstellung aller Risiken angestrebt, so ist der Gewichtungsfaktor der einzelnen Supply Chain Risiken möglichst gering zu wählen, damit alle Positionen in die
Gesamtbewertung einfließen können. Zum einen nimmt durch die niedrige Gewichtung
die Genauigkeit der Bewertung ab, zum anderen kann die Vielzahl der Risiken mit
niedrigem Gewichtungsfaktor in Summe die Gesamtbewertung ungewollt dominieren.142
5.3
5.3.1
Qualitative Methoden
Risikoklassifizierung
Bei der Risikoklassifizierung handelt es sich um ein schnelles und leicht verständliches
Verfahren zur Risikobewertung, dass sich insbesondere dann anbietet, wenn sich die
Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß des betrachteten Supply Chain
Risikos nicht exakt messen lassen, oder eine Quantifizierung nicht notwendig ist.
Durch die Risikoklassifizierung können qualitative Risiken vergleichbar gemacht werden, was hilfreich im Hinblick auf die später einzuleitenden Steuerungsmaßnahmen ist.
Bei Erstellung der Risikoklassen empfiehlt sich die Festlegung einer geringen Anzahl
an Klassen, um den Überblick nicht zu verlieren und einer Scheingenauigkeit durch
eine zu starke Differenzierung vorzubeugen.143 Die Autoren Tummala und Schoenherr
machen einen konkreten Vorschlag, wie das Modell einer Risikoklassifizierung ausgestaltet werden kann: Die Grundlage für ein späteres Ranking der einzelnen Supply
Chain Risiken bildet die Ermittlung eines sogenannten Risk Exposure Values für jedes
identifizierte Supply Chain Risiko. Dabei handelt es sich um einen Wert, der das Gefährdungspotenzial des jeweiligen Risikos abbildet. Die Berechnung des Risk Exposure
Values erfolgt durch Multiplikation des Risk Consequence Index, der das Schadensausmaß des Risikos beschreibt, mit dem Risk Probability Index, der die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos anzeigt. Die folgende Tabelle zeigt die von Tummala und
141
142
143
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 60.
Vgl. Burger, A., Buchhart, A. (2002), S. 161.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 53.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
41
Schoenherr vorgeschlagenen Ausprägungen für den Risk Consequence Index und den
Risk Probability Index:
Tabelle 2: Risikoklassifizierung nach Tummala und Schoenherr
Schadensausmaß
Katastrophal
Kritisch
Qualitative Beschreibung
Schließung der Fabrik für mehr als einen
Monat aufgrund von Zulieferteilen ohne
Sicherheitsbestand
Verlangsamung der Produktionsprozesse
oder Schließung der Fabrik für eine Woche
aufgrund von Zulieferteilen ohne Sicherheitsbestand
Risk Consequence Index
4
3
Gering
Eingeschränktes Service Level durch erschöpfte Sicherheitsbestände
2
Vernachlässigbar
Uneingeschränkter Service durch ausreichend hohe Sicherheitsbestände
1
Eintrittswahrscheinlichkeit
Qualitative Beschreibung
Risk Probability Index
Häufig
Einmal pro Woche
4
Unregelmäßig
Einmal pro Monat
3
Selten
Einmal im Jahr
2
Sehr selten
Einmal im Jahrzehnt
1
Quelle: In Anlehnung an: Tummala, R., Schoenherr, T. (2011), S. 478.
Der Risk Exposure Value für ein kritisches Risiko (3), welches häufig eintritt (4) wäre
demzufolge mit 12 anzusetzen (3 x 4). Nachdem eine Bewertung für alle identifizierten
Supply Chain Risiken durchgeführt wurde, erfolgt eine Gruppierung der Risiken. So
lassen sich Risiken mit einem Risk Exposure Value von 11 bis 16 zu der kritischsten
Klasse zusammenfassen. Dies können zum Beispiel der Diebstahl oder der Verlust von
Gütern auf dem Transportweg, das Risiko einer Lieferanteninsolvenz oder der Brand
des firmeneigenen Lagerhauses sein. Tummala und Schoenherr empfehlen Risiken mit
einem Risk Exposure Value von 6 bis 10 zur zweit kritischsten Klasse hinzuzufügen.
Dazu können die Beeinflussung der Supply Chain durch Streiks, die Transportverzögerung durch Zollformalitäten oder der Maschinenausfall beim Vorlieferanten zählen.
Supply Chain Risiken mit einem Risk Exposure Value von 1 bis 5 gelten abschließend
als vernachlässigbar. Zu dieser Klasse könnten unvollständige oder beschädigte Lieferungen zählen, die nicht zwangsläufig die internen Prozesse des Verarbeiters, aufgrund von ausreichenden Lagerbeständen, gefährden. Alternativ ist es auch möglich
die Risk Exposure Values für eine Pareto Analyse heranzuziehen. So können die 20 %
der Risiken ermittelt werden, die wahrscheinlich für 80 % der Supply Chain Unterbrechungen verantwortlich sind, um im Anschluss entsprechende Gegenmaßnahmen zu
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
42
definieren.144 Festzuhalten bleibt, dass es sich bei der Risikoklassifizierung um eine
stark vereinfachte Bewertungsmethode handelt. Da die Risiken nur grob kategorisiert
werden, kann es zu Abgrenzungsproblemen kommen. Als Selektionskriterium für die
weiteren Schritte des SCRM Prozesses eignet sich das Verfahren aber dennoch.145
5.3.2
Szenarioanalyse
Die Szenarioanalyse ist eine strikt qualitative Bewertungsmethode, die sich bei Erstellung der verschiedenen Szenarios an einer Mischung aus Expertenmeinungen, Brainstormings, Analysen und Vermutungen bedient. Tendenziell eignet sie sich für die Betrachtung von größeren Supply Chain Problematiken über einen längerfristigen Zeitraum.146 In der Regel werden verschiedene Zukunftsszenarien, deren tatsächliches
Eintreten für realistisch gehalten wird, innerhalb einer Gruppendiskussion erstellt, wobei das gesamte Spektrum durch den Entwurf von Extremszenarien begrenzt wird. Die
Qualität der Ergebnisse hängt maßgeblich vom Know How der Diskussionsteilnehmer,
sowie einer sinnvollen Herangehensweise ab. Ziel ist es eine Planungsgrundlage für
alle an der Supply Chain beteiligten Institutionen zu schaffen und zu überprüfen, welche Gegebenheiten dazu führen, dass ein bestimmtes Szenario eintritt oder nicht. 147
Zwar ist es unüblich, dass für die einzelnen Szenarios sinnvolle Eintrittswahrscheinlichkeiten ermittelt werden, jedoch lässt sich ein Verständnis für Entscheidungen gewinnen, die zukünftig getroffen werden müssen.148
5.3.3
Risikoportfolio
Ein weit verbreitetes Mittel für die Bewertung von Supply Chain Risiken stellen Risikoportfolios dar. Sie ermöglichen eine grafische, modellartige Darstellung der identifizierten Einzelrisiken und liefern die Basis für eine Risikoaggregation. Der Aufbau des Risikoportfolios orientiert sich an der zweidimensionalen Darstellung von zwei Größen,
wobei in den meisten Fällen Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit verwendet
werden. Die Skalierung der Achsen des Risikoportfolios kann entweder qualitativ oder
quantitativ erfolgen.149 Mögliche Einheiten für die Eintrittswahrscheinlichkeit sind je
nach Anwendungsfall Prozentpunkte von 0 bis 100 %, Kategorien wie unwesentlich,
klein, mittel, groß oder existenzbedrohend, beziehungsweise Häufigkeiten bezogen auf
einen bestimmten Zeitraum (Beispiel: Einmal im Monat, einmal im Jahr). Als Einheiten
für die Schadenshöhe kommen die bereits erwähnten Kategorien (unwesentlich, …) in
144
145
146
147
148
149
Vgl. Tummala, R., Schoenherr, T. (2011), S. 478 – 479.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 53.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 142.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 53.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 142.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 54.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
43
Frage oder ein ungefährer Wert für den Schaden in Geldeinheiten. Sind alle identifizierten Risiken nach den Kriterien Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe bewertet,
kann eine Visualisierung im Risikoportfolio erfolgen. In der Regel werden auf der xAchse die Eintrittswahrscheinlichkeiten (probability / frequency) und auf der y-Achse
die Schadenshöhe (impact / severity) abgetragen, jeweils vom Ursprung aus mit steigender Höhe. Die Größe der verwendeten Risikomatrix und damit die Anzahl der Abstufungen für die beiden Messgrößen (zum Beispiel 3 x 3, 4 x 4, 5 x 5) hängt dabei
vom Ermessen des zuständigen Risikomanagers ab.150 Ein Beispiel für ein Risikoportfolio mit einer 6 x 6 Matrix zeigt die folgende Darstellung:
4
3
1
Low
2
Medium
Gewichtung
5
High
6
Abbildung 4: Beispiel für ein Risikoportfolio mit einer 6 x 6 Matrix
1
2
Low
3
4
Medium
5
6
High
Frequenz
Quelle: in Anlehnung an: riskviews.wordpress.com (2012), 04. Jul. 2012.
Die Einzelrisiken werden gemäß ihrer Werte für Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe in die jeweiligen Zellen des Risikoportfolios eingetragen. Durch eine farbliche Markierung der Zellen besteht die Möglichkeit wichtige Risiken von unwichtigen zu
trennen. So ist unter anderem eine Einteilung in A, B und C Risiken denkbar.151 Auch
kann für die farblich markierten Zellen ein Toleranzlevel definiert werden. So sind im
oben aufgeführten Beispiel für Supply Chain Risiken im dunkelgrau Bereich sofortige
Gegenmaßnahmen einzuleiten, für hellgraue Risiken Gegenmaßnahmen innerhalb
einer Frist von einem Monat, hellgrüne Risiken sollten monatlich und dunkelgrüne Risiken jährlich überprüft werden. Auch ist die Ausgestaltung abhängig von den Bedürfnissen des betrachteten Unternehmens. Alternativ besteht auch die Option eine Akzep-
150
151
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 24 – 25.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 139.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
44
tanzlinie innerhalb des Risikoportfolios zu ziehen. Diese zeigt an, welche Risiken das
Unternehmen akzeptiert, ohne konkrete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Alle Risiken
links von der Akzeptanzlinie werden hingenommen, für den Rest müssen entsprechende Steuerungsmaßnahmen gefunden werden.152
Ein wesentlicher Vorteil des Risikoportfolios liegt in der Tatsache, dass eine Visualisierung der Risiken stattfindet, welche die wichtigsten Handlungsfelder auf einen Blick
aufzeigt. Weiterhin handelt es sich um eine sehr einfache Form der Darstellung, die
durch Variation der Achsenkategorien eine Vielzahl an Informationen über die identifizierten Risiken liefern kann. Da es sich um eine zweidimensionale Darstellung handelt,
können jedoch nicht alle relevanten Parameter für die Risikobeurteilung gleichzeitig
betrachtet werden, was zu einem Unvollständigkeitsproblem führt. Da sich Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe im Zeitablauf ändern können, ist anzumerken,
dass ein regelmäßiges Update des Risikoportfolios erfolgen muss um die Aktualität zu
gewährleisten. Änderungen, auch solche, die durch eingeleitete Steuerungsmaßnahmen erzielt wurden, können durch eine Verschiebung der Risikomarkierungen innerhalb der Matrix gekennzeichnet werden.153
152
153
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 26.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 54.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
6
45
Steuerung von Supply Chain Risiken
Nach Bewertung aller Supply Chain Risiken und Erstellung eines Risikoportfolios, sowie eines Rankings der Einzelrisiken (in Abhängigkeit des ermittelten Risk Exposure
Value) wird mit der Analyse des Risikoprofils begonnen. Dabei kann sich zum Beispiel
ergeben, dass die Mehrheit der Risiken in den unternehmensinternen oder in den
unternehmensexternen Supply Chain Prozessen vorzufinden ist. Auch eine Dominanz
der Versorgungsrisiken gegenüber den Nachfragerisiken oder umgekehrt, ist denkbar.
Nach einer ersten Bestandsaufnahme sind potenzielle Steuerungsmaßnahmen im
Rahmen eines Brainstormings zu ermitteln. Die ermittelten Optionen müssen daraufhin
verglichen und bewertet werden. Hauptkriterium bei der Beurteilung ist die Frage, ob
die Steuerungsmaßnahme geeignet ist die Eintrittswahrscheinlichkeit oder das Schadensausmaß des identifizierten Risikos zu reduzieren.154 Weiterhin muss die Maßnahme aus kaufmännischer Sicht gerechtfertigt werden und kosteneffizient sein. Dies geschieht durch einen Vergleich der Kosten der Steuerungsmaßnahme mit dem potenziellen Schaden, der beim Eintritt des Risikoereignisses entstehen würde. Das Ziel
besteht nicht darin alle Risiken zu eliminieren, sondern sie auf ein tolerierbares Level
zu senken. Die Risikosteuerung ist untrennbar mit der Strategie und den Zielen des
Unternehmens verbunden. So äußert sie sich zum Beispiel in einer Entscheidung
gegen die Einführung eines Produkts oder gegen die Bearbeitung bestimmter Märkte.155 Waters definiert vier Mindestanforderungen an eine Steuerungsmaßnahme:

Sie muss dafür sorgen, dass die Supply Chain normal oder mit einer minimalen
Unterbrechung weiterarbeiten kann

Sie muss das Risiko effektiv bewältigen

Sie muss einen angemessenen und effizienten Einsatz der vorhandenen Ressourcen erlauben

Sie muss mit allen geltenden Gesetzen und Regelungen vereinbar sein156
Im Rahmen der Risikosteuerung wird zwischen ursachenbezogenen und wirkungsbezogenen Maßnahmen unterschieden. Ziel der ursachenbezogenen Maßnahmen ist die
Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit des Supply Chain Risikos. Dies kann zum
Beispiel durch die Verbesserung von Planungssystemen beziehungsweise des Qualitätsmanagements oder den Aufbau von Alternativlieferanten erfolgen. Dagegen versuchen wirkungsbezogene Maßnahmen die Schadenshöhe bei Eintritt eines Supply
Chain Risikos zu reduzieren. Es wird eine Begrenzung, Verminderung oder Kompensa-
154
155
156
Vgl. Jüttner, U., Ziegenbein, A. (2008), S. 213 – 214.
Vgl. Kaye, D. (2008), S. 38 – 39.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 150.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
46
tion des Schadens angestrebt. Beispielhaft lassen sich der Aufbau von Pufferbeständen oder die Einführung von Notfallplänen anführen.157 Die ursachenbezogene Risikosteuerung lässt sich weiterhin in Maßnahmen zur Risikovermeidung und Maßnahmen
zur Risikoverminderung gliedern. Auf der wirkungsbezogenen Ebene wird eine Unterteilung in Risikobegrenzung (Risikoübertragung), Risikoteilung und die Selbsttragung
des Risikos vorgenommen.158
6.1
6.1.1
Ursachenbezogene Steuerungsmaßnahmen
Risikovermeidung
Risikovermeidungskonzepte gehen mit dem Verzicht auf riskante Geschäfte einher.
Dadurch wird eine vollständige Eliminierung der Risikoursache angestrebt.159 Ziel ist
die Senkung der Eintrittswahrscheinlichkeit auf Null, wodurch die Höhe des möglichen
Schadens irrelevant wird, da er sowieso nicht mehr eintreten kann. Problematisch ist
die Risikovermeidung vor allem bei Risiken, die ihre Quelle außerhalb der eigenen Organisation haben.160 Da unternehmerisches Handeln unweigerlich mit der Nutzung von
Chancen und dem Eingehen von Risiken einhergeht, ist eine vollständige Vermeidung
von Supply Chain Risiken weder möglich noch wünschenswert. Risikovermeidung und
ungenutzte Chancen sind daher untrennbar verbunden. Als konkretes Beispiel für eine
Strategie zur Eliminierung des Lagerrisikos kann die absatzsynchrone Beschaffung
angeführt werden, mit der eine Vereinheitlichung von Beschaffungs-, Produktions- und
Absatzmenge angestrebt wird. Im Rahmen einer strikt auftragsbezogenen Fertigung
wird das benötigte Vormaterial erst nach Vorliegen des Kundenauftrags bestellt, ohne
dass vor der Produktion eine Zwischenlagerung erfolgt. Dies ist jedoch nur möglich,
wenn die Supply Chain Partner eng kooperieren und sich die Kundennachfrage auf
konstantem Niveau bewegt und genau prognostizierbar ist. Ohne Lagerbestand führen
Lieferverzögerungen unmittelbar zu Produktionsunterbrechungen, wodurch das eliminierte Lagerrisiko in einem gestiegenen Transportrisiko münden kann. Weiterhin ist zu
berücksichtigen, dass eine Vermeidungsstrategie bezogen auf die Lagerhaltung einer
Wertschöpfungsstufe stets die Verschiebung der Materialbestände auf eine andere
Stufe nach sich zieht.161 Ein Beispiel zur Vermeidung von Transportrisiken stellen Lieferantenparks dar, wie sie häufig in der Automobilindustrie vorzufinden sind. In diesem
Zusammenhang erfolgt eine Ansiedlung strategisch relevanter Lieferanten in unmittel-
157
158
159
160
161
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008b), S. 129.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 66 – 68.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 67.
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 30 – 31.
Vgl. Kummer, S., Sudy, I. (2007), S. 263 – 264.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
47
barer Werksnähe. Durch die kurze Distanz zum Kunden werden Reaktionszeiten minimiert und Transportkosten reduziert. Mit der Hilfe von Logistikdienstleistern kann der
Lieferant dann komplexe Module und Systeme produzieren, um sie im Anschluss sequenzgenau und mit optimiertem Versorgungsrisiko zum Montageort innerhalb der
Fertigungslinie zu transportieren.162 Eine simple Risikovermeidungsstrategie im Beschaffungsbereich ist weiterhin die Vermeidung von riskanten Prozessen, sowie der
Verzicht auf riskante Beschaffungsmärkte.163 Wird beispielsweise auf eine Beschaffung
in Drittländern verzichtet und stattdessen nur in der europäischen Währungsunion beschafft, so kann das Devisenrisiko ausgeschlossen werden.
6.1.2
Risikoverminderung
Mit Risikoverminderungsmaßnahmen wird gezielt auf die Ursachen des Supply Chain
Risikos eingewirkt, um die Eintrittswahrscheinlichkeit zu verringern. Auch wenn die
Schadenshöhe weiterhin unverändert bleibt, kann dadurch eine Senkung des Gesamtrisikos erzielt werden.164
Die Eintrittswahrscheinlichkeit von Transportrisiken innerhalb der Supply Chain kann
durch eine Verkürzung der Transportwege oder eine gezielte Beschaffung bei lokalen
Lieferanten in räumlicher Nähe zur eigenen Fertigungsstätte gesenkt werden. Auch ist
eine gezielte Auswahl von Transportwegen und Lagerorten nach Sicherheitsaspekten
denkbar. Speziell bei der Nutzung von globalen Beschaffungsmärkten stehen in der
Regel mehrere Alternativrouten zur Verfügung.165 So stellen Piraten in manchen Teilen
der Erde ein ernst zu nehmendes Risiko für Seefrachtspediteure dar, welches durch
die Meidung gefährlicher Routen minimiert werden kann.166 Im Falle internationaler
Lieferketten kommen normalerweise mehrere Transportmittel zum Einsatz, was negative Auswirkungen auf die Eintrittswahrscheinlichkeit von Schäden während der notwendigen Umschlagsprozesse zur Folge hat. Eine wirkungsvolle Steuerungsmaßnahme
stellt dabei die Nutzung des kombinierten Verkehrs dar, welcher die Vorteile der einzelnen Transportmedien vereinigt. Die Transportmittel werden aufeinander abgestimmt, um den Umschlagsaufwand von einem Transportmittel zum nächsten möglichst gering zu halten.167 Ein mögliches Beispiel bildet der Huckepackverkehr bei dem
ganze Fahrzeuge (Beispiel: LKW) auf Fahrzeuge eines anderen Verkehrsträgers (Bei-
162
163
164
165
166
167
Vgl. Gabath, C. (2010), S. 69.
Vgl. Gabath, C. (2010), S. 41.
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 31.
Vgl. Kummer, S., Sudy, I. (2007), S. 264 – 265.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 153.
Vgl. Gabath, C. (2010), S. 69.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
48
spiel: Bahn) umgeladen werden.168 Die Eintrittswahrscheinlichkeit von Lagerschäden
kann durch technische und bauliche Veränderungen gesenkt werden. Alarmanlagen,
Videoüberwachungs- und Schließsysteme erschweren Diebstähle und verringern somit
das Lagermengenrisiko. Auch Kontrollmaßnahmen, die nur autorisierten Mitarbeitern
mit Berechtigungsausweis den Zutritt zu den Lagerräumlichkeiten erlauben, sind ein
gängiges Mittel, um Lagerrisiken zu minimieren. Die gezielte Auswahl einer geeigneten
Verpackung zum Schutz der benötigten Güter vor mechanischen und klimatischen
Schäden dient ebenfalls zur Vorbeugung von Transport- und Lagerrisiken. Eine Kennzeichnung der Verpackung mit Bildern oder Zeichen, die auf fragile, giftige, explosive
oder feuchtigkeitsempfindliche Güter hinweisen, dient dazu einen sachgerechten
Transport und eine ordnungsgemäße Lagerung zu gewährleisten. Weiterhin kann eine
Veränderung des Produktdesigns genutzt werden, um die Eintrittswahrscheinlichkeit
von Supply Chain Risiken zu senken. Durch die Konstruktion von Endprodukten mit
standardisierten Teilen kann die Liste der potenziellen Lieferanten erweitert werden.
Außerdem ist eine Reduzierung der Lagerbestände durch die Verringerung des Teilespektrums und die Konzentration auf Standardkomponenten möglich.169 Eine weit verbreitete Strategie zur Flexibilisierung im Produktionsbereich stellt Postponement dar.
Im Rahmen einer verzögerten Produktdifferenzierung verbleibt das Endprodukt solange wie möglich in seinem generischen Zustand, bevor es für die einzelnen Kunden
individuell angepasst wird. Dadurch lassen sich spezifische Produkteigenschaften im
letzten Moment anpassen, so dass Nachfrageschwankungen bei speziellen Produkten
oder in speziellen Regionen keine Auswirkungen haben. Das Konzept kommt häufig in
der High Tech Industrie bei der Herstellung von Computern und Druckern zum Einsatz.170 Als Beispiel lässt sich der Druckerhersteller Hewlett Packard anführen, der das
Postponement Konzept erfolgreich praktiziert. So wurde die Fertigung der Standarddrucker an einem Standort in den Niederlanden zentralisiert. Von dort aus wird sowohl
der europäische als auch der nordafrikanische Markt mit Produkten versorgt. Weiterhin
wurden die notwendigen Transport- und Distributionsaktivitäten an die französische
Firma Fraure Machette outgesourct. Diese übernimmt gleichzeitig die Anpassung der
Basisdrucker, sobald ein Kundenauftrag eingegangen ist, indem das Produkt zusammen mit dem passenden Set an Zusatzkomponenten verpackt wird, die sich von Region zu Region unterscheiden. Dabei handelt es sich zum Beispiel um die Betriebsanleitung und das Stromkabel. HP hat durch diese Outsourcing Entscheidung die Anfäl-
168
169
170
Vgl. Arnold, D., Isermann, H., Kuhn, A., Tempelmeier, H. (2004), o.S.
Vgl. Kummer, S., Sudy, I. (2007), S. 266 – 268.
Vgl. Autry, C., Sanders, N. (2009), S. 318 – 319.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
49
ligkeit der eigenen Supply Chain gesenkt und Transportrisiken minimiert.171 Zunehmend wichtiger wird die Anwendung der RFID Technologie zur Reduzierung von
Transport- und Lagerschäden. Dabei werden Objekte mit einem Transponder ausgestattet, mit dessen Hilfe verschiedene produktspezifische Daten per Funkübertragung
abgerufen werden können. So besteht die Möglichkeit Güterbewegungen zu registrieren, den Aufenthaltsort von überfälligen Sendungen festzustellen oder die Ankunft
einer Sendung anzukündigen. Mittels RFID können leere Lagerregale signalisieren,
dass es Zeit für eine Auffüllung ist.172 Ein weiterer Anwendungsfall ist der Einsatz von
RFID bei verderblicher Ware, damit kürzere Lagerzeiten durch Einhaltung des FIFOPrinzips realisiert werden können. Im Transportprozess ist eine lückenlose Sendungsverfolgung über alle Ebenen vom Produkt bis zum Verkehrsträger realisierbar.173 Ferner trägt die Steigerung der Transparenz (Visibility) in der Supply Chain zu einer Risikoverminderung bei, da Unterbrechungen besser antizipiert werden können. Dazu ist
es notwendig, ein klares Bild über die Standorte und den Status der Lagerbestände
innerhalb des Liefernetzwerks zu haben. Das Unternehmen wird dadurch in die Lage
versetzt bei Unterbrechungen leichter entscheiden zu können, welche Materialflüsse
umgeleitet und welche Produktionskapazitäten neu verplant werden müssen. Die notwendige Transparenz wird durch den Einsatz von Echtzeit Datenbanken erreicht, die
stündlich oder täglich Informationen über Bedarfe, Bestände und Kapazitäten an
Schlüsselpunkten der Supply Chain liefern. Die Firma Cisco nutzt zur Realisierung dieses Ziels das selbst entwickelte, onlinebasierte Datennetzwerk e Hub. Der Service vernetzt Lieferanten verschiedener Wertschöpfungsstufen und versorgt sie mit einem allumfassenden Bild der gesamten Supply Chain, inklusive potentieller Unterbrechungen,
Kapazitätsprobleme, Engpässe und Verspätungen.174 Risikoverminderung lässt sich
auch durch Qualitätsmanagementkonzepte wie Total Quality Management erreichen.
Diese ganzheitliche Methode beschäftigt sich mit Kundenorientierung, kontinuierlicher
Verbesserung, Mitarbeiterorientierung (durch Schulungsmaßnahmen) oder der Ursachenanalyse.175 TQM verfolgt das Ziel Qualität in den Prozess zu implementieren anstatt sich auf Qualitätsprüfungen nach Fertigstellung eines Produkts zu verlassen.
Durch eine Inspektion des Endprodukts werden zwar Fehler erkannt, die Qualität wird
jedoch nicht gesteigert. Deshalb werden im Rahmen von TQM Qualitätsprozesse auf
allen Ebenen der Supply Chain, vom Lieferanten, über die Produktion bis hin zum Endkunden, etabliert. Durch eine kontinuierliche Beobachtung der Prozesse werden Fehler
171
172
173
174
175
Vgl. Yang, B., Yang, Y. (2010), S. 1905.
Vgl. Autry, C., Sanders, N. (2009), S. 322.
Vgl. Kummer, S., Sudy, I. (2007), S. 268.
Vgl. Autry, C., Sanders, N. (2009), S. 316 – 317.
Vgl. Kummer, S., Sudy, I. (2007), S. 268.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
50
schneller entdeckt und Korrekturmaßnahmen können rechtzeitig eingeleitet werden
noch bevor das Produkt fertiggestellt ist.176 Generell ist eine risikoorientierte Auswahl
der Kooperationspartner anzuraten. So sollten nur Lieferanten in Betracht gezogen
werden, deren Zuverlässigkeit als hoch eingestuft wird und deren Liquiditätslage als
unkritisch angesehen wird.177
6.2
6.2.1
Wirkungsbezogene Steuerungsmaßnahmen
Risikobegrenzung / Risikoübertragung
Durch Risikoübertragung werden Risiken von einer Organisation innerhalb der Supply
Chain auf Dritte transferiert, die eher in der Lage sind oder sich bereit erklären die
Konsequenzen zu tragen.178 Dies können Lieferanten, Kunden, Versicherungen oder
Logistikdienstleister sein.179 Festzuhalten ist, dass die Risikoübertragung weder zu
einer Eliminierung des Risikos, noch zu einer Senkung der Eintrittswahrscheinlichkeit
führt. In der Praxis kann die Anwendung dieser Steuerungsmaßnahme sogar zu einer
Steigerung des Risikos für die Supply Chain führen, wenn Risiken auf Organisationen
übertragen werden, die nicht in der Lage sind mit ihnen umzugehen. So könnte ein
dominanter Automobilhersteller dazu übergehen wichtige Risiken auf einen kleinen
Zulieferbetrieb abzuwälzen, der nicht über das notwendige Know How verfügt.180
Eine Risikoübertragung im Transportbereich ist durch eine Verpflichtung des Lieferanten zum Gütertransport und die Wahl eines möglichst späten Gefahrenübergangs der
Ware erreichbar. Um die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien eindeutig zu definieren, ist die Nutzung der International Commercial Terms als Vertragsbestandteil
sinnvoll. Für das beschaffende Unternehmen bietet die DDP Klausel die meisten Vorteile, da der Lieferant verpflichtet wird alle Gefahren und Kosten bis zum Bestimmungsort inklusive der Verzollung zu tragen. Die Supply Chain Risiken werden dadurch auf den Lieferanten abgewälzt.181 Im Absatzbereich empfiehlt sich dagegen die
Wahl eines möglichst frühen Gefahrenübergangs auf den Kunden182, was im Kontext
der Incoterms durch die E-Klauseln (Abholklauseln)183 erreicht werden kann. Eine
Übertragung von Lagerrisiken auf den Lieferanten ist zum Beispiel durch die Einrichtung eines Konsignationslagers realisierbar. Das Beschaffungskonzept sieht vor, dass
176
177
178
179
180
181
182
183
Vgl. Autry, C., Sanders, N. (2009), S. 315 – 316.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 67.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 154.
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 32.
Vgl. Waters, D. (2007), S. 154.
Vgl. Gabath, C. (2010), S. 70.
Vgl. Kummer, S., Sudy, I. (2007), S. 270.
Vgl. Gabath, C. (2010), S. 70.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
51
die Lagerhaltung beim Kunden durch den Lieferanten ausgeübt wird. Die Verantwortung für die Bestände (und somit das Lagerrisiko) wird auf den Zulieferer transferiert.
Der Abschluss von Transport-, Diebstahl- oder Feuerversicherungen stellt eine weitere
gängige Steuerungsmaßnahme dar, bei der ein entstandener Schaden je nach Ausgestaltung der Versicherungspolice teilweise oder vollständig von der Versicherung kompensiert wird.184 Eine Transportversicherung bietet sich insbesondere dann an, wenn
es dem Abnehmer nicht gelingt eine D-Klausel bei den Verhandlungen mit dem Lieferanten durchzusetzen. Grundsätzlich ist zwischen der vollen Deckung und der Strandungsfalldeckung zu unterscheiden. In der vollen Deckung sind alle zufälligen Verluste
und Beschädigungen enthalten, wenn sie nicht vertraglich ausgeschlossen wurden
(zum Beispiel Force Majeure). Bei der Strandungsfalldeckung werden nur Schäden
aufgefangen, die auf Ursachen basieren, die explizit im Vertrag festgehalten wurden
und in der Regel zum vollständigen Verlust der Ware führen. Mit einer TransportBetriebsunterbrechungsversicherung können auch Transportfolgeschäden wie Produktionsverzögerungen oder –unterbrechungen abgefedert werden. Diese kompensiert
entgangene Gewinne, sowie fixe Produktionskosten. Durch die Vereinbarung von Vertragsstrafen (Pönalen) mit dem Lieferanten erhält der Abnehmer weit reichende Ansprüche, falls sich ein Lieferverzug ergibt. Zu beachten ist, dass Vertragsstrafen unwirksam sein können, sofern sie den Vertragspartner in einer unangemessenen Weise
benachteiligen.185 Einen wesentlichen Einfluss bei der Verhandlung derartiger Vertragsbestandteile haben die Machtverhältnisse der Vertragsparteien. Es besteht die
Gefahr, dass eine opportunistisch motivierte Risikoüberwälzung auf das schwächere
Glied vorgenommen wird. Dies wiederspricht jedoch einer ganzheitlichen Optimierung
der Lieferkette, welche eine Teilung von Erfolg und Risiken zwischen den Mitgliedern
der Supply Chain vorsieht. Ein weiteres Instrument der Risikoüberwälzung besteht in
der Gründung eines sogenannten Captive. Dabei handelt es sich um ein Versicherungsunternehmen, dass von einem Großunternehmen oder mehreren Unternehmen
gemeinsam ins Leben gerufen wird. In erster Linie sollen mit Hilfe des Captive endogene Risiken der Gründungsunternehmen versichert werden. Der Vorteil besteht darin,
dass auch ansonsten schwer versicherbare Risiken versichert werden können, da das
Captive auch Zugriff auf den Rückversicherungsmarkt hat.186
184
185
186
Vgl. Kummer, S., Sudy, I. (2007), S. 270.
Vgl. Gabath, C. (2010), S. 70.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 68 – 69.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
6.2.2
52
Risikoteilung
Der Grundgedanke der Risikoteilung besteht darin, neben den primären Beziehungen
zu Fertigungsstätten, Lagerorten und Lieferanten weitere lose Verbindungen mit anderen Standorten zu pflegen, um sich im Notfall bei sekundären Bezugsquellen bedienen
zu können.187 Der Trend zum Lean Manufacturing seit den 1980er Jahren führte dazu,
dass zahlreiche Unternehmen Single Sourcing Strategien für bestimmte Materialien
etablierten, um eine enge Zusammenarbeit mit dem Lieferanten zwecks Steigerung der
Qualität zu realisieren. Versorgungsengpässe als Folge umweltbedingter oder von
Menschenhand geschaffener Katastrophen führten zu der Erkenntnis, dass Single
Sourcing Strategien mit Risiken verbunden sind. Ein Ansatz zur Erhöhung der Supply
Chain Sicherheit ist die Entwicklung mehrerer Alternativlieferanten für die gleiche
Komponente. Der Druckerhersteller Hewlett Packard verfolgt die Strategie sowohl
einen Lieferanten zwecks Kosteneffizienz als auch einen Lieferanten zwecks Flexibilität
unter Vertrag zu nehmen. Der auf Kosteneffizienz ausgerichtete Zulieferer erhält eine
klar festgelegte Mengenzusage mit Abnahmeverpflichtung seitens HP, was ihn in die
Lage versetzt besonders günstige Preise anzubieten. Dagegen wird mit dem auf Flexibilität spezialisierten Lieferanten ein Vertrag über eine variable Menge mit festgelegter
Ober- und Untergrenze ausgehandelt. Weiterhin bietet es sich an lokale Lieferanten in
das Beschaffungskonzept zu integrieren, besonders dann wenn ansonsten hauptsächlich auf Global Sourcing gesetzt wird. Zwar kann ein lokaler Zulieferer bezogen auf die
Einstandspreise teurer sein, jedoch bietet er den Vorteil schnellerer Reaktionszeiten,
weshalb er als Backup Lösung in Erwägung gezogen werden sollte. Risikoteilung kann
auch erzielt werden, wenn explizit auf Lieferanten gesetzt wird, die mehrere Produktionsstätten an verschiedenen Orten betreiben, die alle die benötigten Materialien herstellen. Supply Chain Unterbrechungen werden dadurch minimiert, zumal die Produktion der gewünschten Komponente zwischen den Standorten hin und her geschoben
werden kann.188 Das Phänomen der Risikoteilung lässt sich auch am Beispiel des Einsatzes von Subkontraktoren im Speditionsbereich verdeutlichen. Wenn sich eine Spedition bereit erklärt den Transport für einen Kunden mit einem festen Ankunftstermin zu
organisieren, kann sie einen Subunternehmer mit der Durchführung des Transports
beauftragen, um das Risiko zu splitten. Die Verantwortlichkeiten der beiden Partner
und die Verteilung der Risiken werden zu diesem Zweck vertraglich geregelt. Wenn
sich der Subunternehmer bereit erklärt das Risiko eines Lieferverzugs zu tragen und
für daraus resultierende Verspätungsschäden aufkommt, wird er dafür vom Auftragge-
187
188
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 69.
Vgl. Autry, C., Sanders, N. (2009), S. 317.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
53
ber eine höhere Prämie erwarten. Übernimmt die beauftragende Spedition das Risiko
einer nicht fristgerechten Zustellung der Ware selbst, wird sie auch für die Verspätungsschäden zahlen. Der Subunternehmer erhält im Gegenzug aber auch eine geringere Prämie für seine Leistung. Das Beispiel zeigt, dass die Aufteilung von Risiken
stark von Verhandlungen und getroffenen Vereinbarungen abhängt. Waters zeigt die
wesentlichen Einflussfaktoren auf, die bei der Risikoteilung eine Rolle spielen. Dazu
zählen die Verhandlungsmacht der Supply Chain Partner, die Grundeinstellung gegenüber Risiken, die Fähigkeit Risiken kontrollieren zu können, die Zahlungsbereitschaft
zwecks Beherrschung der Risiken, die Erfahrung im Umgang mit Risiken, sowie die
individuelle Beurteilung der Risikosituation durch jedes einzelne Unternehmen.189 In
der Literatur wird auch die Bildung von Einkaufsgemeinschaften (zum Beispiel mit
Unternehmen der gleichen Wertschöpfungsstufe) als Mittel genannt, um eine Aufteilung des Risikos auf mehrere Unternehmen umzusetzen.190
6.2.3
Selbsttragung des Risikos
Im Rahmen der Selbsttragung von Risiken werden Auswirkungen, die auf den Eintritt
von Risikoursachen zurückzuführen sind, bewusst akzeptiert. Je nach Risikobereitschaft werden betriebsgerichtete Maßnahmen ergriffen, die das Erreichen der übergeordneten Unternehmensziele dennoch sicherstellen sollen.191 Werden dagegen keinerlei Schutzmaßnahmen ergriffen, muss das Risiko in voller Höhe getragen werden. Dieser Extremfall ist relevant, wenn das Unternehmen keine andere Wahl hat, da sich keine Versicherung bereit erklärt das Supply Chain Risiko zu übernehmen. In diesem Fall
ist die Generierung von Rücklagen und Rückstellungen gemäß der geltenden handelsund steuerrechtlichen Regularien in Erwägung zu ziehen.192 Eine vollständige Ignorierung des Risikos kommt weiterhin in Frage, wenn sowohl die potenzielle Eintrittswahrscheinlichkeit, als auch das potenzielle Schadensausmaß als besonders gering eingestuft werden. Der erwartete Schaden eines Risikos muss geringer sein als die Kosten
für jegliche geeignete Steuerungsmaßnahme. Dies bedeutet, dass selbst die risikoaversesten Unternehmen bestimmte Risiken akzeptieren und ignorieren. Auch signifikante Risiken werden bewusst vernachlässigt, wenn die Kosten für eine sinnvolle
Gegenmaßnahme hoch sind oder eine Risikosteuerung dazu führen würde, dass die
Situation eher schlimmer wird. Natürlich kann es auch passieren, dass Risiken
schlichtweg nicht erkannt werden oder ihre Konsequenzen falsch abgeschätzt werden,
189
190
191
192
Vgl. Waters, D. (2007), S. 155.
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 32.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 70.
Vgl. Grotegut, M. (2006), S. 33 – 34.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
54
was ebenfalls dazu führt, dass keine weiteren Schritte eingeleitet werden.193 Wie stark
der Hang zur Selbsttragung von Risiken ausgeprägt ist, hängt wesentlich von der Risikobereitschaft des betrachteten Unternehmens ab. Eine Möglichkeit, um dennoch indirekt Vorsorge zu betreiben ist die Berücksichtigung von kalkulatorischen Wagnissen,
um zum Beispiel drohende Transport- und Lagerschäden einzupreisen.194 Wie bereits
erwähnt ist eine bewusste Selbsttragung von Risiken in Kombination mit Maßnahmen
zur Dämpfung des auftretenden Effekts ebenfalls möglich. So können zur Reduzierung
des ungebremst eintretenden Risikos Redundanzen in verschiedenen Unternehmensbereichen aufgebaut werden. Dies erfolgt durch Einplanung von Pufferzeiten und –
beständen, den Einsatz universeller Maschinen, die Verwendung von austauschbaren
Materialien oder eine flexible Prozessstruktur. Es muss darauf hingewiesen werden,
dass die Gefahr besteht, dass Risiken als Begründung herangezogen werden, um Ineffizienzen in der Supply Chain zu rechtfertigen, weshalb eine klare Trennung von
normalen Lagerbeständen und Sicherheitsbeständen vorgenommen werden muss.195
193
194
195
Vgl. Waters, D. (2007), S. 151 – 152.
Vgl. Kummer, S., Sudy, I. (2007), S. 270.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 70.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
7
Supply Chain Risiken am Beispiel der Metall- und Elektroindustrie
7.1
Vorstellung des betrachteten Unternehmens
55
Der im Zusammenhang der Arbeit untersuchte Betrieb ist ein international tätiges
Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie und unterhält Produktionsstandorte in
Mittel- und Osteuropa, sowie China. Der Fokus des Unternehmens liegt auf der Herstellung von Investitionsgütern, die eine zentrale Rolle im Rahmen der weltweiten
Energieversorgung darstellen. Seit circa 3 Jahren existieren Bestrebungen Produkte
am Markt zu platzieren, die für die Umstellung der allgemeinen Energieversorgung auf
erneuerbare Ressourcen benötigt werden. Die gesamte Unternehmensgruppe beschäftigt rund 3.500 Mitarbeiter weltweit und erreichte 2010 einen Umsatz in Höhe von
1,2 Milliarden Euro. Sie ist Teil einer Holding, die wiederum an der Börse gelistet ist. Im
Besitz der angesprochenen Holding befinden sich Unternehmen aus verschiedenen
Industriezweigen, unter anderem auch aus dem Bereich Maschinenbau, so dass von
einem diversifizierten Produktportfolio gesprochen werden kann. Zu den bedeutsamsten Kunden zählen die großen Energieversorgungsunternehmen, wie zum Beispiel
E.On, RWE und Vattenfall in Deutschland, sowie die entsprechenden Pendants im
europäischen und nicht europäischen Ausland. Im Jahr 2010 gelang die endgültige
Fertigstellung einer neuen Fabrik in Mitteleuropa, die speziell auf die Produktion von
Investitionsgütern für den bereits angesprochenen Sektor der erneuerbaren Energien
ausgelegt ist. Während die neue Produktionshalle eine Grundfläche von 50.000 Quadratmetern aufweist, beträgt die Gesamtfläche der neuen Fertigungsstätte 84.000
Quadratmeter.196 Die neue Fabrik ist mit innovativer Technologie ausgestattet und realisiert Konzepte, die für den Industriezweig nach heutigem Stand einmalig sind. So besteht die Möglichkeit Fertigwaren mit einem Gesamtgewicht von bis zu 2.000 Tonnen
zu produzieren und durch die direkte Flussanbindung unmittelbar über den Wasserweg
zum Endkunden zu transportieren. Ein automatisiertes Logistiksystem in der Produktionshalle sorgt dafür, dass Gabelstaplertransporte nur noch in Ausnahmefällen notwendig sind und trägt wesentlich zur Steigerung der Energieeffizienz bei.197
196
197
Internetseite des betrachteten Unternehmens (anonymisiert), 07. Aug. 2012.
Vgl. Einkaufsleiter (2012), Interview.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
7.2
7.2.1
56
Aluminiumbänder und damit verbundene SC Risiken
Betrachtungsgegenstand
Ein europäischer Energieversorger gilt als wichtigster Abnehmer für eine spezielle Produktkategorie am Kölner Standort. Ein Rahmenvertrag auf Jahresbasis sorgt für Planungssicherheit hinsichtlich der Maschinenauslastung und soll die Versorgungssicherheit des Kunden gewährleisten. Der Vertrag beinhaltet zwei verschiedene Konstruktionen, die sich am Durchmesser des Endprodukts unterscheiden.198 Beide Typen werden
mit Aluminiummänteln ausgestattet, die das Vordringen von Wasser in das Innere des
Produkts verhindern sollen.199
Für die Fertigung des Mantels wird eine laminierte Aluminiumfolie benötigt. Nach der
aktuell praktizierten Sourcing Strategie für dieses Produkt gilt ein deutscher Hersteller
als ein wichtiger Lieferant. Bei dem Unternehmen handelt es sich um den weltweit
größten Hersteller von Aluminium Walzprodukten. Der bereits angesprochene deutsche Standort besteht aus einem Folienwalzwerk und einem Umwandlungsbetrieb.
Zum Produktspektrum zählen Folien für die Verpackungsindustrie, metallisiertes
Papier, sowie unbehandelte und beschichtete Folien für verschiedene Anwendungszwecke.200 Auf der schnellsten Strecke liegen zwischen dem Werk des Zulieferers und
dem Produktionsstandort des betrachteten Unternehmens insgesamt 104 Kilometer,
für die eine Fahrtzeit von circa 1 Stunde und 16 Minuten anzusetzen ist.201 Die benötigten Aluminiumbänder haben eine Stärke von 0,2 mm und weisen zusätzlich eine Beschichtung mit einer Stärke von 0,05 mm auf. Da die Aluminiumbänder hohen Anforderungen hinsichtlich der Zugfestigkeit genügen müssen, wird für ihre Produktion eine
spezielle Legierung eingesetzt, die auf dem Markt eher selten anzutreffen ist. Die Aluminiumbänder werden in Rollenform in zwei verschiedenen Breiten geliefert, abhängig
davon, welche der beiden Konstruktionen produziert werden soll. Die Lieferung erfolgt
auf Holzpaletten, wobei, abhängig von der Rollenlänge, entweder zwei oder fünf Bänder in einem Packstück zusammengefasst werden. Zusätzlich werden die Bänder in
Folie verschweißt und mit Pappe gegen Transportschäden geschützt. Die benötigte
Menge für die Wochenproduktion wird immer dienstags angeliefert. Da mit dem Lieferanten Selbstabholung vereinbart wurde, werden die Transporte vom Standort des betrachteten Unternehmens aus koordiniert.202 Aufgrund der zunehmenden Bedeutung
des angesprochenen Endkunden für das Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie
198
199
200
201
202
Vgl. Einkaufsleiter (2012), Interview.
Vgl. Küchler, A., S. 430 – 431.
Internetseite des Zulieferers (anonymisiert), 22. Jul. 2012.
viamichelin.de (2012), 22. Jul. 2012.
Vgl. Einkaufsleiter (2012), Interview.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
57
und der stark gestiegenen Bedarfe an Aluminiumband am Produktionsstandort in den
letzten Jahren, soll im Folgenden eine Analyse der Supply Chain Risiken erfolgen, welche im Zusammenhang mit diesem Rohstoff auftreten können.
7.2.2
Methodische Vorgehensweise
Zur Identifizierung relevanter Supply Chain Gefahren wurde zunächst eine Brainstorming Session durchgeführt, an der je ein Teilnehmer aus den Funktionsbereichen Einkauf, Produktionsplanung und Logistik des betrachteten Unternehmens beteiligt war.
Dabei konnten insgesamt 33 potenzielle Risiken ermittelt werden, wobei sechs als
exogen, 16 als unternehmensübergreifend-endogen und elf als unternehmensbezogen-endogen kategorisiert wurden. Im Anschluss wurden die Risiken jeder Kategorie
durchnummeriert. In diesem Zusammenhang wurde exogenen Risiken der Buchstabe
A, unternehmensübergreifend-endogenen Risiken der Buchstabe B und unternehmensbezogen-endogenen Risiken der Buchstabe C, zwecks Kennzeichnung vorangestellt. Die einzelnen Positionen wurden in einem Fragebogen (siehe Anhang) aufgelistet. Mit diesem wurde für jedes Risiko eine Einschätzung im Hinblick auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und die potenzielle Schadenshöhe von den Studienteilnehmern eingeholt. Beide Parameter sollten auf einer Skala von 1 bis 5 (1 = sehr gering, 2 = gering,
3 = mittel, 4 = hoch, 5 = sehr hoch) beurteilt werden. Insgesamt erfolgte eine Befragung von 8 Know-how Trägern des Unternehmens, davon 4 aus dem Einkauf, 3 aus
der Produktionsplanung, sowie einem Mitarbeiter aus der Logistikabteilung. Die Wahl
einer größeren Grundgesamtheit für die Umfrage wurde als nicht sinnvoll eingestuft, da
das Wissen über den Rohstoff und die dazugehörige Lieferkette auf wenige Mitarbeiter
im Unternehmen verteilt ist. Die Rücklaufquote betrug 100 %. Im Rahmen der Auswertung wurden für jedes Supply Chain Risiko Durchschnittswerte (gerundet auf zwei
Nachkommastellen) für die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Schadenshöhe auf Basis
der 8 Rückmeldungen gebildet. Durch Multiplikation der Durchschnittswerte für beide
Parameter wurde anschließend der Risk Exposure Value (gerundet auf zwei Nachkommastellen) für jede Risikoposition ermittelt. Anhand des REP wurde ein Ranking
sämtlicher Supply Chain Risiken erstellt. Zur Visualisierung der Kombination aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe für jede Risikoposition wurde außerdem
eine Risikomatrix erstellt.
7.2.3
Ergebnisse aus der Know-how Träger Befragung
Für alle drei Risikokategorien (exogen, unternehmensübergreifend-endogen und
unternehmensbezogen-endogen) wurde eine separate Risikomatrix erstellt, die dem
Anhang entnommen werden kann. Das vorrangige Ziel bestand darin, die Interpretation
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
58
der Befragungsergebnisse zu erleichtern und die Relevanz der einzelnen Risiken prägnant darzustellen.
Im Bereich der exogenen Risiken zeigte sich, dass insbesondere Katastrophenrisiken,
wie Produktionsausfälle aufgrund von Naturgewalten (A3) und terroristischer Anschläge (A4) mit einem potenziell hohen bis sehr hohen Schaden in Verbindung gebracht
wurden. Dagegen wurde die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Risiken fast durchweg als gering eingestuft, was an der vorteilhaften Lage des Zulieferers in Deutschland
liegt. Das Supply Chain Risiko mit der am höchsten bewerteten Eintrittswahrscheinlichkeit (Durchschnittswert: 3,25) aus dem exogenen Bereich ist die Abhängigkeit vom
Lieferanten aufgrund einer geringen Anbieterzahl. So ist zu beobachten, dass der
Markt für beschichtete Aluminiumbänder zwar relativ groß ist, jedoch nur wenige Lieferanten existieren, welche in der Lage sind die benötigte Qualität zur Verfügung zu stellen, zumal hohe Anforderungen an die Schnittkantenqualität oder die Gleichmäßigkeit
der Beschichtung gestellt werden. Aufgrund des Preisdrucks durch den globalen Wettbewerb und speziell chinesische Anbieter, die verstärkt den europäischen Markt bearbeiten, wird das Geschäft für europäische Zulieferer, die das nötige Maß an Flexibilität mit sich bringen, erschwert.203 Grundsätzlich ist anzumerken, dass im Bereich der
exogenen Risiken (abgesehen von den bereits angesprochenen Katastrophenrisiken),
keine Risikoposition von den Teilnehmern im kritischen Bereich einer hohen oder sehr
hohen Eintrittswahrscheinlichkeit beziehungsweise Schadenshöhe gesehen wurde.
Dies unterstreicht die als gering empfundene Relevanz der gesamten Risikogruppe.
Bei der Auswertung der Risikomatrix, bezogen auf die endogen unternehmensübergreifenden Risiken fällt zunächst die Risikoposition B8 (Versorgungsstopp wegen Lieferanteninsolvenz) auf, da sie den zweithöchsten Wert hinsichtlich der Schadenshöhe
von allen untersuchten Risiken aufweist (4,63). Da nach aktuellem Stand wenige Materialalternativen anderer Hersteller das werksinterne Freigabeprozedere durchlaufen
haben, drohen bei Eintreten des Risikos Konsequenzen für den Produktionsablauf.204
Als besonders relevant lassen sich auch die Risiken B3 (Versorgungsengpass durch
schlechtes Forecasting / volatile Produktionspläne) und B4 (Versorgungsengpass
durch zu spät platzierte Bestellung / übermittelte Bedarfsmeldung) einstufen, da beide
überdurchschnittliche Werte (> 3) hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe aufweisen. Dies führt zu hohen REP Werten von 12,69 (B4) und 11,78 (B3)
und damit zu einer Platzierung beider Risiken unter den TOP 5 aller untersuchten Positionen. Auffällig ist, dass beide Positionen prozessbedingte Ursachen im werksinternen
203
204
Vgl. Einkaufsleiter (2012), Interview.
Vgl. Einkaufsleiter (2012), Interview.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
59
Bereich (späte Bedarfsmeldung, volatile Produktionspläne) in Kombination mit der dadurch erschwerten Planbarkeit für den Lieferanten haben. In der Risikomatrix sticht
weiterhin ein Cluster aus vier Risiken hervor, die alle gemittelte Werte bezüglich Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe zwischen drei und vier verzeichnen. Dazu
zählen Versorgungsengpässe hinsichtlich der benötigten Aluminiumlegierung (B1) beziehungsweise des benötigten Beschichtungscompounds (B2), ein Lieferstopp aufgrund nicht oder zu spät beglichener Lieferantenrechnungen (B9) und ein Lieferverzug
des Vorlieferanten, der zu Produktionsverzögerungen beim Lieferanten führt (B11).
Drei von vier dieser Risiken haben (B1 und B2) oder können (B11) ihre Ursache im
Bereich der Material- und Ressourcenknappheit haben. Alle weisen einen hohen REP
zwischen 8,31 und 9,38 auf. Neben den bereits genannten Risiken taucht außerdem
Risikoposition B13 (Wunsch nach kurzfristiger Änderung der Auftragsparameter nicht
erfüllbar) im TOP 15 Ranking aller untersuchten Risiken auf. Der Rest wird als weniger
relevant eingestuft.
Bei der Untersuchung der endogen-unternehmensbezogenen Risiken ergab sich, dass
Risikoposition C2 (Qualitätsmängel werden beim Wareneingang nicht erkannt, sondern
erst während der Verarbeitung) gruppenintern mit dem höchsten potentiellen Schadensausmaß (4,13) bewertet wurde. Dieses Ergebnis überrascht nicht, da fehlerhaftes
Material, das im Rahmen des Produktionsprozesses eingesetzt wird, zu Produktionsabbrüchen, Unbrauchbarkeit des Fertigerzeugnisses, Reklamationen durch den Endkunden oder anderen schwerwiegenden Problemen für das Unternehmen führen
kann.205 Wie in der Risikomatrix ersichtlich, stellen die Positionen C10 (Abhängigkeit
aufgrund praktizierter Sourcing Strategie) und C11 (Mangel an Alternativmaterialien
aufgrund fehlender Testkapazitäten / träger Freigabeprozeduren) die relevantesten
Supply Chain Risiken der Gruppe dar. Gleichzeitig wurden sie von den Teilnehmern
der Befragung, gemessen am REP (C10: 15,41 / C11: 14,88), als kritischste von allen
33 untersuchten Supply Chain Risiken eingestuft. Der hohe REP ist in erster Linie
durch die als besonders hoch eingeschätzte Eintrittswahrscheinlichkeit von durchschnittlich 4,25 für beide Risiken begründet. Erneut betonen die Teilnehmer der Studie
deutlich den Mangel an Alternativen hinsichtlich Lieferant und Material, sowie die
potenziellen Gefahren der praktizierten Sourcing Strategie. Zwei Risiken, die in enger
Verbindung mit dem neuen Produktionsstandort stehen, sind Bestandsabweichungen
bedingt durch die praktizierte Buchungssystematik in SAP (C4), sowie die unvollständige Berichterstattung an den Einkauf im Hinblick auf Reklamationen (C8). Rohstoffmengen, die für die Produktion eines Kabels eingesetzt worden sind, werden nach Fer205
Vgl. Einkaufsleiter (2012), Interview.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
60
tigstellung des Auftrags per retrograder Entnahme aus dem Bestand in SAP gebucht.
Basis für diese mengenmäßige Buchung sind die in SAP hinterlegten Stücklisten aus
denen der planmäßige Materialeinsatz pro Fertigungseinheit hervorgeht. Wird wider
Erwarten mehr Material verbraucht, als die theoretischen Verbrauchsmengen gemäß
Stückliste vorgeben, kommt es zu Bestandsabweichungen. Unter anderem bedingt
durch falsch gepflegte Verbrauchsmengen kam es seit Eröffnung des Standorts verstärkt zu Ungenauigkeiten bei der Bestandsführung, die zu signifikanten Inventurdifferenzen führten. Ein Grund für unvollständige Informationen bei der Meldung von Reklamationen an den Einkauf sind falsch verstandene Qualitätsmanagement Prozesse
oder ein Schulungsmangel im Bereich QM. So wurden seit der Werkseröffnung zahlreiche neue Mitarbeiter eingestellt, die sich erst mit der Materie vertraut machen müssen.206 Die folgende Tabelle zeigt die TOP 15 Supply Chain Risiken der Mitarbeiterbefragung gemessen am ermittelten REP:
Tabelle 3: TOP 15 Supply Chain Risiken für beschichtete Al-Bänder
Rang
Code
1
C10
2
C11
3
B4
4
B3
5
C8
6
C4
7
A6
8
C2
9
B1
10
C1
11
B11
12
B8
13
B13
14
B2
15
B9
Supply Chain Risiko
REP
Abhängigkeit aufgrund praktizierter Sourcing Strategie
Mangel an Alternativmaterialien aufgrund fehlender Testkapazitäten / träger
Freigabeprozeduren
Versorgungsengpass aufgrund zu spät platzierter Bestellung / übermittelter
Bedarfsmeldung
Versorgungsengpass bedingt durch schlechtes Forecasting der Bedarfsmengen
Unvollständige Berichterstattung an den Einkauf im Hinblick auf Reklamationen
Bestandsabweichung bedingt durch Buchungssystematik in SAP (retrograde
Entnahme)
Abhängigkeit aufgrund geringer Anbieterzahl
Qualitätsmängel werden beim Wareneingang nicht erkannt, sondern erst während der Verarbeitung
Versorgungsengpass hinsichtlich der benötigten Aluminiumlegierung
Qualitätsmängel werden beim Wareneingang nicht erkannt, sondern erst vor
der Verarbeitung
Lieferverzug Vorlieferant, dadurch Produktionsverzögerungen beim Lieferanten
15,41
Versorgungsstopp wegen Lieferanteninsolvenz
Wunsch nach kurzfristiger Änderung der Auftragsparameter (Menge, Lieferzeit)
nicht erfüllbar
Versorgungsengpass hinsichtlich des benötigten Beschichtungscompounds
Lieferstopp wegen nicht beglichener / zu spät beglichener Lieferantenrechnungen
8,67
Quelle: eigene Darstellung.
206
Vgl. Einkaufsleiter (2012), Interview.
14,88
12,69
11,78
11,38
10,88
10,56
9,8
9,38
9,34
9,19
8,63
8,44
8,31
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
7.2.4
61
Gewonnene Erkenntnisse und mögliche Steuerungsmaßnahmen
Betrachtet man die TOP 15 Supply Chain Risiken gemäß der ermittelten REP Werte,
so fällt auf, dass ein Großteil der potenziellen Gefahren auf die Sourcing Beziehung
zum Lieferanten zurückzuführen ist. Dazu zählen insbesondere die Risikopositionen
A6, B1, B2, B8, B11 und C10. Dies hat den Vorteil, dass mit einer geringen Anzahl an
Steuerungsmaßnahmen gleichzeitig mehrere Risiken eingedämmt werden können. Die
naheliegende Vorkehrung besteht in der Umstellung der aktuell praktizierten Beschaffungsstrategie auf eine breitere Lieferantenbasis. Dabei wird das Beschaffungsobjekt
von mehreren Zulieferern bezogen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Häufig wird
dem Lieferanten, der die vorteilhafteren Konditionen offeriert, eine größere Menge zugeteilt, als dem Konkurrenten. Es handelt sich um eine Sicherheitsstrategie, die insbesondere für strategische Rohstoffe geeignet ist und auf der einen Seite die Materialversorgung des Unternehmens sicherstellen beziehungsweise auf der anderen Seite den
Wettbewerb zwischen den Lieferanten fördern soll.207 Häufig wird die Bedarfsmenge
auf verschiedene Zulieferer aufgeteilt, was die Konkurrenzsituation fördert, zumal der
dominierende Lieferant versuchen wird seinen Anteil zu verteidigen. Dagegen wird der
unterlegene Lieferant versuchen den Rang mit dem Hauptlieferant langfristig zu tauschen und seine Liefermengen kontinuierlich zu steigern.208 Im konkreten Fall der beschichteten Aluminiumbänder bietet es sich an den Anteil des aktuellen Zulieferers
zunächst auf einem hohen Niveau zu belassen, zumal das Material qualitativ zufriedenstellend ist und mit potenziellen, neuen Alternativmaterialien nur wenige Erfahrungen gesammelt werden konnten. Ein Großteil der Lieferanten am Markt bietet zwar
nicht die spezifizierte Legierung an, jedoch existieren Produkte mit vergleichbaren
Eigenschaften, die im Rahmen einer Versuchsreihe auf Einsetzbarkeit geprüft werden
müssten.209 Parallel bietet sich eine kontinuierliche Analyse und Beobachtung des aktuellen Lieferanten im Hinblick auf potenzielle Supply Chain Risiken an. Dies erfolgt
zum Beispiel durch standardisierte Fragebögen zur Selbsteinschätzung des Zulieferers
oder durch Anwendung von eigenen Risk-Scoring Modellen, die Parameter wie Qualität, finanzielle Lage, Konkurrenzfähigkeit oder die Wahl der Transportrouten evaluieren. Wichtig ist, dass es sich um einen laufenden Prozess handelt, dessen Ergebnisse
und Fortschritte in einer Lieferantendatenbank festgehalten werden.210 Ein Standardwerk, dass als Grundlage genutzt werden kann, um den Lieferanten zwecks Selbsteinschätzung seiner Supply Chain Risiken zu befragen, wurde von dem Beratungsunter-
207
208
209
210
Vgl. Wannenwetsch, H. (2010), S. 166.
Vgl. Pepels, W. (2009), S. 110.
Vgl. Einkaufsleiter (2012), Interview.
Vgl. Elkins, D., Handfield, R., Blackhurst, J., Craighead, C. (2008), S. 60.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
62
nehmen LCP Consulting in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Logistik und Supply
Chain Management der Cranfield School of Management entwickelt (Understanding
Supply Chain Risk: A Self-Assessment Workbook). Das Dokument beinhaltet standardisierte Arbeitsblätter, mit denen der Lieferant seine eigenen Lieferketten analysieren
und sich selbst hinsichtlich der folgenden fünf Risikodimensionen testen kann: Versorgungsrisiken, Nachfragerisiken, Prozessrisiken, Steuerungsrisiken und exogene Risiken.211 Ein weiterer Ansatz besteht darin einen Business Continuity Plan vom Lieferanten abzuverlangen. Darin muss er SCRM Maßnahmen identifizieren und definieren, die
im Falle einer Lieferkettenunterbrechung durchgeführt werden können. Bei der Auswahl potenzieller Alternativlieferanten muss die Auswertung des BCP fester Bestandteil
der Angebotsanalyse sein, um Risiken noch vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung
vorzubeugen. Dabei ist auch eine Zusammenarbeit mit dem Lieferanten zwecks Verbesserung der angedachten Steuerungsmaßnahmen im Krisenfall denkbar.212
Für einige der TOP 15 Risiken wurden in jüngster Vergangenheit Steuerungsmaßnahmen entworfen, deren Effektivität sich noch zeigen muss. Als Reaktion auf die Risikoposition C11 (Mangel an Alternativmaterialien aufgrund fehlender Testkapazitäten /
träger Freigabeprozeduren) wurde ein Materialkostenteam ins Leben gerufen, dass
aus Mitarbeitern des Einkaufs und der Produktionsplanung besteht. In einem Meeting,
dass alle vier bis acht Wochen stattfindet, informiert der Einkauf über Alternativmaterialien und zeigt damit verbundene Einsparpotenziale auf. Diese sollen der Produktionsplanung als Incentive dienen, um Testkapazitäten für die notwendigen Versuchsaufträge einzuplanen. Um die Auswirkungen des Risikos C4 (Bestandsabweichung durch
Buchungssystematik in SAP) zu minimieren, wurden die Verbrauchswerte pro Fertigungseinheit vor kurzer Zeit auf den Prüfstand gestellt. Für Materialien bei denen signifikante Bestandsabweichungen in der Vergangenheit beobachtet wurden, erfolgte eine
Adjustierung der in der Stückliste hinterlegten Parameter. Als präventive Maßnahmen
zur Eindämmung der Risiken B4 (Versorgungsengpass aufgrund zu spät platzierter
Bestellung / übermittelter Bedarfsmeldung) und B3 (Versorgungsengpass bedingt
durch schlechtes Forecasting der Bedarfsmengen / volatile Produktionspläne) werden
bereits heute Änderungen der Wiederbeschaffungszeit für Aluminiumbänder umgehend nach Bekanntwerden an die Materialdisposition kommuniziert. Nach aktuellem
Stand wird bereits 8 Wochen im Voraus die Gesamtmenge für den übernächsten Monat geordert, wobei die Einteilung der tatsächlichen Liefertermine innerhalb des jeweiligen Monats erst circa 2 Wochen im Voraus erfolgt. Jedoch zeigte sich, dass die ur-
211
212
Vgl. Christopher, M. (2003), S. 24 – 32.
Vgl. Elkins, D., Handfield, R., Blackhurst, J., Craighead, C. (2008), S. 60.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
63
sprünglich bestellte Monatsmenge häufig im Nachhinein drastisch korrigiert werden
musste (zum Beispiel aufgrund von Produktionsplanänderungen).213 Ergänzend zum
bisher praktizierten System könnte es sich daher als sinnvoll erweisen dem Lieferanten
eine Bandbreite an möglichen Forecast Mengen zu nennen, abhängig von verschiedenen Szenarien, die in den nächsten Wochen für denkbar gehalten werden. Dies schafft
eine höhere Flexibilität als bei der Kommunikation einer einzelnen Zahl, sofern der Lieferant in der Lage ist die verschiedenen Szenarien auch bei kurzfristiger Änderung abzubilden.214 Zur Minimierung der Risiken C1, C2 und C8, die in erster Linie unentdeckte
oder zu spät entdeckte Qualitätsmängel des Vormaterials beziehungsweise Schwächen bei der Reklamationsbearbeitung thematisieren, ist ein ausgiebiges Training der
Mitarbeiter die effektivste Strategie. Auf allen Unternehmensebenen muss ein Bewusstsein für Produktionsunterbrechungen vorhanden sein. Dies lässt sich durch ein
initiales QM Training für Mitarbeiter (zum Beispiel im Wareneingangsbereich) und anschließend periodisch stattfindende Refresher Kurse erreichen.215
213
214
215
Vgl. Einkaufsleiter (2012), Interview.
Vgl. Autry, C., Sanders, N. (2009), S. 320.
Vgl. Autry, C., Sanders, N. (2009), S. 326.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
8
64
Fazit
Auch wenn die Begriffe Agilität und Flexibilität im Kontext des Supply Chain Managements derzeit inflationär benutzt werden, besteht aufgrund der starken Nachfrageschwankungen in den letzten Jahren dennoch die Notwendigkeit, dass sich insbesondere global handelnde Unternehmen mit der Versorgungssicherheit ihrer Produktion
und der Reaktionsfähigkeit auf unvorhergesehene Umstände beschäftigen. Wie ernst
dieses Thema tatsächlich genommen wird, zeigt die Firma Bosch, welche eine eigene
Supply Chain Academy betreibt, um den Mitarbeitern, aber auch den Lieferanten eine
ganzheitliche Supply Chain Perspektive zu vermitteln. Weiterhin verfolgt Bosch die
Strategie verstärkt auf regionale Beschaffungsmärkte zurückzugreifen und die Eigenfertigung zu stärken, um die Agilität zu stärken und unabhängiger von Fremdeinflüssen
zu werden. Dass sich dieses Verständnis für Supply Chain Risiken auszahlt, zeigte die
Atomkatastrophe in Japan, die Bosch mit fehlenden Sendungen von circa 500 Lieferanten konfrontierte. Aufgrund der praktizierten SCRM Maßnahmen von Bosch war es
dennoch möglich alle Kunden ohne Lieferkettenunterbrechung zu bedienen.216 Trotz
der positiven Effekte ist die Implementierung von SCRM dennoch mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. So beschäftigen sich Manager vornehmlich mit Risiken,
die ihre eigenen Kunden und Lieferanten betreffen, ohne ein ganzheitliches, funktionsbereichsübergreifendes Risikomanagement zu verfolgen. Daher muss in der Organisation häufig ein Umdenkprozess eingeleitet werden, bevor SCRM Methoden zielführend
implementiert werden können. Weiterhin ist der Erfolg eng mit einer klaren Abgrenzung
der Zuständigkeiten verbunden. Auch wenn es einer Person gelingt bestimmte Risiken
innerhalb der Supply Chain zu identifizieren, bedeutet dies nicht, dass diese Person
auch die Verantwortung dafür tragen kann beziehungsweise die Fähigkeiten besitzt mit
dem Risiko umzugehen. SCRM lebt von einer engen Kooperation zwischen den Supply
Chain Partnern, die nur durch gegenseitiges Vertrauen sinnvoll gestaltet werden kann.
Doch viele Unternehmen zweifeln die Vertrauenswürdigkeit ihrer Geschäftspartner an,
was häufig nicht grundlos geschieht. Natürlich hat die Wahrung des Betriebsgeheimnisses höchste Priorität, jedoch führt eine Blockadehaltung im Gegenzug zu einem
erhöhten Risiko, zum Beispiel durch ungewisse Materialbedarfe. Da die Einführung von
SCRM zeit- und ressourcenintensiv ist, fällt es zudem schwer die entstehenden Kosten
zu rechtfertigen, wenn der Nutzen der Maßnahme nicht eindeutig quantifiziert werden
kann. Managern fällt es schwer Geld in die Risikovermeidung zu investieren, da der
Erfolg letztendlich darin besteht, dass nichts passiert. Mit dieser Problematik sind ins-
216
Vgl. Semmann, C. (2011), S. 5.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
65
besondere KMU konfrontiert, die nur über begrenzte Kapazitäten im personellen und
finanziellen Bereich verfügen. Mangelnde Kommunikation zwischen den Supply Chain
Partnern gefährdet ebenfalls den erfolgreichen Start für ein Risikomanagement mit
Lieferkettenbezug. Die Verständigung zwischen den Parteien muss auf allen Ebenen
funktionieren: Die Bereichsleiter müssen in der Lage sein verschiedene Ziele und Kulturen organisatorisch zu vereinen, während auf dem operativen Level ein enger Informationsaustausch erfolgen muss, um Supply Chain Risiken bei bestimmten Aktivitäten
zu vermindern. Eine Herausforderung stellt auch die Verbindung der häufig sehr unterschiedlichen IT Strukturen dar.217 Kapitel 7 verdeutlicht, dass der SCRM Prozess auch
mit einfachen Mitteln in der Praxis angewendet werden kann. Mit einer geringen Zahl
an Instrumenten wie dem Brainstorming (Risikoidentifikation), dem Risk Ranking und
der Risikomatrix (Risikobewertung) wurde sich ein umfassender Überblick über bestehende Supply Chain Risiken in Verbindung mit Aluminiumbändern verschafft. Dadurch konnten wichtige von unwichtigen Risikopositionen getrennt und Prioritäten für
die weitere Risikosteuerung festgelegt werden. Auch wenn die vorgestellten Verfahren
schnell und eingängig sind, muss darauf hingewiesen werden, dass die gewählte Bewertungsmethodik eine starke Vereinfachung darstellt und die Supply Chain Risiken
nur sehr allgemein einordnet. Wie der Fall zeigt ist die Vorgehensweise aber dennoch
geeignet, um Risiken zu selektieren. Die visuelle Darstellung der Risiken im Risikoportfolio erleichtert zudem die Interpretation der Befragungsergebnisse, auch wenn eine
Beschränkung auf die Risikoparameter Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe
erfolgt.218 Eine wesentliche Herausforderung mit der sich die Disziplin SCRM in Zukunft
auseinandersetzen muss, besteht darin den Widerspruch von agilen Lieferketten und
umweltschonenden Logistikkonzepten aufzulösen. So muss es gelingen Risikobewusstsein, Agilität und Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden. Weiterhin darf der
wieder aufblühende Trend zur Regionalisierung im Lieferantenbereich zwecks Minimierung der Supply Chain Risiken nicht dazu führen, dass das Ziel der Flexibilisierung
globaler Strukturen aus den Augen verloren wird.219
217
218
219
Vgl. Waters, D. (2007), S. 187 – 188.
Vgl. Pfohl, H.-C., Gallus, P., Köhler, H. (2008a), S. 53 – 54.
Vgl. Henke, M. (2011), S. 5.
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
66
Anhang und Anlagen
Anlage 1: Fragebogen: Beschichtete Aluminiumbänder und damit verbundene Supply
Chain Risiken
Fragebogen: Beschichtete Aluminiumbänder und damit verbundene Supply Chain Risiken
Hintergrund
Im Rahmen meiner Bachelor Thesis mit dem Titel "Der Supply Chain Risk Management Prozess und Supply Chain Risiken in der industriellen Praxis" ist eine Analyse von Supply Chain (Lieferketten) Risiken
im Hinblick auf beschichtete Aluminiumbänder vorgesehen. Dieser Rohstoff wird am Produktionsstandort des betrachteten Unternehmens der Metall- und Elektroindustrie für die
Fertigung von Investitionsgütern für einen europäischen Energieversorger eingesetzt. Bei der Materialqualität handelt es sich um eine spezielle Aluminiumlegierung.
Grundsätzlich werden Bänder in zwei verschiedenen Breiten, jedoch unterschiedlichen Lauflängen eingesetzt. Für diesen Rohstoff wurden insgesamt 33 potentielle Supply Chain Risiken ermittelt, die von
den Know-How Trägern des betrachteten Unternehmens hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe eingeschätzt werden sollen.
Bitte nehmen Sie sich 10 Minuten Zeit den vorliegenden Fragebogen auszufüllen. Sie tragen damit maßgeblich zum Erfolg meiner Abschlussarbeit bei.
Die Befragung erfolgt selbstverständlich anonym und die Ergebnisse werden vertraulich behandelt. Im Folgenden einige Erläuterungen und Ausfüllhinweise:
Erläuterungen
Exogene Risiken : Außerbetriebliche Risiken. Sind auf umweltbedingte Ursachen zurückzuführen. Entstehen aufgrund sozialpolitischer, ökonomischer, technologischer oder geographischer Gegebenheiten
Endogene Risiken (unternehmensübergreifend) : Innerbetriebliche Risiken. Sind auf die Lieferkettenbeziehung mit dem Lieferanten zurückzuführen.
Endogene Risiken (unternehmensbezogen) : Innerbetriebliche Risiken. Sind auf die Tätigkeiten im eigenen Fertigungsbetrieb zurückzuführen.
Ausfüllhinweise
Je Supply Chain Risiko darf nur ein Kreuz im Bereich Eintrittswahrscheinlichkeit und ein Kreuz im Bereich Schadenshöhe vorgenommen werden. Bitte ausnahmslos alle Supply Chain Risiken bewerten.
Eintrittswahrscheinlichkeit:
1
2
3
4
5
sehr gering
gering
mittel
hoch
sehr hoch
Schadenshöhe:
1
2
3
4
5
sehr gering
gering
mittel
hoch
sehr hoch
A) Exogene Risiken
A1) Lieferverzug bedingt durch Verkehrsstau / Vollsperrung der Autobahn
A2) Personalstreik beim Lieferanten oder Vorlieferanten
A3) Produktionsausfall / Lieferstopp aufgrund von Naturkatastrophe (z.B. Erdbeben, Flut)
A4) Produktionsausfall / Lieferstopp aufgrund terroristischer Anschläge / politischer Instabilität
A5) Konsolidierung der Lieferantenstruktur führt zu Bestreitung der bisherigen Mengenzusagen
A6) Abhängigkeit aufgrund geringer Anbieterzahl
Endogene Risiken (unternehmensübergreifend)
B1) Versorgungsengpass hinsichtlich der benötigten Aluminiumlegierung
B2) Versorgungsengpass hinsichtlich des benötigten Beschichtungscompounds
B3) Versorgungsengpass bedingt durch schlechtes Forecasting der Bedarfsmengen / volatile Produktionspläne
B4) Versorgungsengpass aufgrund zu spät platzierter Bestellung / übermittelter Bedarfsmeldung
B5) Versorgungsengpass bedingt durch unerwarteten Anstieg der Kundennachfrage (Spontanbestellung etc.)
B6) Lieferung höherer Menge als erwartet (Überlieferung)
B7) Lieferung geringerer Menge als erwartet (Unterlieferung)
B8) Versorgungsstopp wegen Lieferanteninsolvenz
B9) Lieferstopp wegen nicht beglichener / zu spät beglichener Lieferantenrechnungen
B10) Lieferverzug bedingt durch zwischengeschaltete Logistikdienstleister (z.B. Abfertigung am Werkstor)
B11) Lieferverzug Vorlieferant, dadurch Produktionsverzögerungen beim Lieferanten
B12) Beschädigung / Untergang der Ware auf dem Transportweg
B13) Wunsch nach kurzfristiger Änderung der Auftragsparameter (Menge, Lieferzeit) nicht erfüllbar
B14) Mangelnde Qualität der gelieferten Ware (unsaubere Schnittkanten, ungleichmäßige Beschichtung etc.)
B15) Lieferant senkt Qualitätslevel bedingt durch Kostendruck
B16) Lieferant nimmt unauthorisierte Änderungen am Produkt vor (z.B. neuer Beschichtungscompound)
C) Endogene Risiken (unternehmensbezogen)
C1) Qualitätsmängel werden beim Wareneingang nicht erkannt, sondern erst vor der Verarbeitung
C2) Qualitätsmängel werden beim Wareneingang nicht erkannt, sondern erst während der Verarbeitung
C3) Gelieferte Mengen werden nicht eingebucht, dadurch Bestandsabweichung
C4) Bestandsabweichung bedingt duch Buchungssystematik in SAP (retrograde Entnahme)
C5) Kapazitätsengpässe bezogen auf vorhandene Lagerplätze
C6) Probleme bei der administrativen Abwicklung (Dokumentenfluss etc.) bedingt durch Urlaubsvertretung
C7) Übermittlung der Abholaufträge an Spediteur schlägt fehl / wird vergessen
C8) Unvollständige Berichterstattung an den Einkauf im Hinblick auf Reklamationen
C9) Personalmangel / Einsatz von Leihkräften führt zu unsachgemäßer Verarbeitung der gelieferten Bänder
C10) Abhängigkeit aufgrund praktizierter Sourcing Strategie
C11) Mangel an Alternativmaterialien aufgrund fehlender Testkapazitäten / träger Freigabeprozeduren
Eintrittswahrscheinlichkeit
1
2
3
4
5
1
Schadenshöhe
2
3
4
5
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Anlage 2: Risikomatrix – exogene Risiken
Anlage 3: Risikomatrix – endogen-unternehmensübergreifende Risiken
67
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
68
Anlage 4: Risikomatrix – endogen-unternehmensbezogene Risiken
Anlage 5: Protokoll zu Experteninterview mit Einkaufsleiter
Experteninterview
Thema:
Aluminiumbänder und deren Supply Chain Risiken
Datum des Interviews:
07.08.2012
Name des Interviewpartners:
Einkaufsleiter des betrachteten Unternehmens
Position:
Einkaufsleiter
Auskunftserteilung:
persönlich
Frage 1:
Bereits seit rund 3 Jahren wird an Ihrem neuen Produktionsstandort produziert. Was
zeichnet die neue Fabrik aus und wo liegen die Stärken gegenüber dem alten Standort?
Antwort:
Während am alten Standort ein Großteil der internen Logistik noch über
Gabelstaplertransporte abgewickelt wurde, kommen nun automatisierte Transportmittel
auf Luftkissenbasis innerhalb der Produktionshalle zum Einsatz. Dies trägt zu einer
Verringerung des CO2 Ausstoßes und zur Steigerung der Energieeffizienz bei.
Weiterhin verfügt die Fabrik über weltweit einzigartige Fertigungsanlagen. So besteht
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
69
die Möglichkeit Endprodukte mit bis zu 2.000 Tonnen Gesamtgewicht zu produzieren
und über den Flussweg zum Endkunden zu bringen.
Frage 2:
Der Bedarf an beschichteten Aluminiumbändern ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Das Material wird für die Fertigung von Endprodukten für einen europäischen
Energieversorger eingesetzt. Welche Relevanz hat der Kunde und welche Beschaffungsstrategie kommt bei diesem Material zum Tragen?
Antwort:
Der angesprochene Energieversorger ist der wichtigste Abnehmer für dieses
Produktsegment an unserem Standort. Die Abnahmemengen werden auf Jahresbasis
fixiert und sorgen für eine kontinuierliche Auslastung unserer Fertigung. Der Vertrag
umfasst zwei verschiedene Konstruktionen, die in etwa im gleichen Verhältnis durch
den Kunden abgerufen werden. Aktuell nutzen wir wenige freigegebene Lieferanten für
die Beschaffung der benötigten Aluminiumbänder.
Frage 3:
Was sind die (groben) Anforderungen an das benötigte Material und wie ist die Logistik
strukturiert?
Antwort
Spezifiziert wird eine relativ seltene Aluminiumknetlegierung, die allerdings die notwendigen Voraussetzungen im Hinblick auf die Zugfestigkeit des Materials erfüllt. Die
Lieferung erfolgt in Rollenform, wobei zwei verschiedene Breiten zum Einsatz kommen.
Je nach Breite kommen unterschiedliche Lauflängen zum Tragen. Die Verladung erfolgt auf Holzpaletten, der Transportschutz wird mit Pappe und Folie ausgeführt. Je
nach Rollenlänge werden pro Palette entweder zwei oder fünf Rollen verladen. Einmal
pro Woche erfolgt eine durch uns organisierte Abholung beim Lieferanten für die jeweilige Wochenproduktion.
Frage 4:
Der Markt für beschichtete Aluminiumbänder ist relativ groß, jedoch gibt es wenige
Lieferanten, die den Ansprüchen genügen. Welche weiteren Herausforderungen bringt
der Rohstoff mit sich?
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
70
Antwort
Zahlreiche Anbieter sind mittlerweile im ostasiatischen Bereich ansässig. Hier ist es
nicht immer einfach die notwendige Flexibilität hinsichtlich der Versorgung zu gewährleisten. Europäische Anbieter leiden zudem unter dem Preisdruck verursacht durch die
chinesischen Hersteller. Die aktuell praktizierte Sourcing Strategie führt zwar dazu,
dass entsprechend vorteilhafte Einkaufskonditionen erzielt werden können, jedoch haben aktuell nur wenige Alternativmaterialien das interne Freigabeprozedere von uns
durchlaufen, so dass wir mit dem potenziellen Risiko eines Versorgungsstopps konfrontiert sind. Auch wenn wir mit der aktuell bezogenen Legierung sehr zufrieden sind,
bietet es sich mittelfristig an bestimmte Alternativlegierungen auszutesten, da die Verfügbarkeit am Markt hier wesentlich größer ist.
Frage 5:
Welche konkreten Maßnahmen wurden bereits ergriffen, um mit dem Rohstoff verbundene Supply Chain Risiken einzudämmen? Welche Maßnahmen wünschen Sie sich für
die Zukunft?
Antwort
Alle 4 bis 8 Wochen tagt ein Materialkostenteam in dem ein Austausch zwischen Mitarbeitern der Arbeitsvorbereitung und des Einkaufs stattfindet. Hier wird über alternative Materialien und damit verbundene Kosteneinsparungen informiert. Mittlerweile wurden auch die Verbrauchswerte der Aluminiumbänder je Fertigungseinheit analysiert.
Aufgrund falsch gepflegter Parameter in der Stückliste gab es hier in der Vergangenheit drastische Bestandsabweichungen, die auf die automatisierte Verbrauchsbuchung
per retrograder Entnahme zurückzuführen waren und nun hoffentlich behoben sind.
Grundsätzlich wird das Material zudem 8 Wochen im Voraus bestellt, um dem Lieferanten eine großzügige Planungszeit einzuräumen. Die endgültige Einteilung der Liefertermine erfolgt dann 2 Wochen vor Monatsbeginn, um noch kurzfristig auf Produktionsplanänderungen reagieren zu können. Allgemein wäre es sicherlich sinnvoll in Zukunft
verstärkt Augenmerk auf die Schulung von Mitarbeitern im QM Bereich zu legen. Speziell der Informationsfluss bei Reklamationen ist nämlich suboptimal.
Vielen Dank für das Interview!
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
71
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Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
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Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
77
Die Publikationsreihe
Schriftenreihe Logistikforschung / Research Paper Logistics
In der Schriftenreihe Logistikforschung des Institutes für Logistik- & Dienstleistungsmanagement (ild) der FOM werden fortlaufend aktuelle Fragestellungen rund um die
Entwicklung der Logistikbranche aufgegriffen. Sowohl aus der Perspektive der Logistikdienstleister als auch der verladenden Wirtschaft aus Industrie und Handel werden
innovative Konzepte und praxisbezogene Instrumente des Logistikmanagement vorgestellt. Damit kann ein öffentlicher Austausch von Erfahrungswerten und Benchmarks in
der Logistik erfolgen, was insbesondere den KMU der Branche zu Gute kommt.
The series research paper logistics within Institute for Logistics and Service Management of FOM University of Applied Sciences addresses management topics within the
logistics industry. The research perspectives include logistics service providers as well
as industry and commerce concerned with logistics research questions. The research
documents support an open discussion about logistics concepts and benchmarks.
Band 1
Klumpp, M., Bovie, F.: Personalmanagement in der Logistikwirtschaft
Band 2
Jasper, A., Klumpp, M.: Handelslogistik und E-Commerce [vergriffen]
Band 3
Klumpp, M.: Logistikanforderungen globaler Wertschöpfungsketten [vergriffen]
Band 4
Matheus, D., Klumpp, M.: Radio Frequency Identification (RFID)
in der Logistik
Band 5
Bioly, S., Klumpp, M.: RFID und Dokumentenlogistik
Band 6
Klumpp, M.: Logistiktrends und Logistikausbildung 2020
Band 7
Klumpp, M., Koppers, C.: Integrated Business Development
Band 8
Gusik, V., Westphal, C.: GPS in Beschaffungs- und Handelslogistik
Band 9
Koppers, L., Klumpp, M.: Kooperationskonzepte in der Logistik
Band 10
Koppers, L.: Preisdifferenzierung im Supply Chain Management
Band 11
Klumpp, M.: Logistiktrends 2010
Band 12
Keuschen, T., Klumpp, M.: Logistikstudienangebote und Logistiktrends
Band 13
Bioly, S., Klumpp, M.: Modulare Qualifizierungskonzeption RFID
in der Logistik
Band 14
Klumpp, M.: Qualitätsmanagement der Hochschullehre Logistik
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
Band 15
78
Klumpp, M., Krol, B.: Das Untersuchungskonzept Berufswertigkeit
in der Logistikbranche
Band 16
Keuschen, T., Klumpp, M.: Green Logistics Qualifikation in der
Logistikpraxis
Band 17
Kandel, C., Klumpp, M.: E-Learning in der Logistik
Band 18
Abidi, H., Zinnert, S., Klumpp, M.: Humanitäre Logistik – Status
quo und wissenschaftliche Systematisierung
Band 19
Backhaus, O., Döther, H., Heupel, T.: Elektroauto – Milliardengrab oder
Erfolgsstory?
Band 20
Hesen, M.-A., Klumpp, M.: Zukunftstrends in der Chemielogistik
Band 21
Große-Brockhoff, M., Klumpp, M., Krome, D.: Logistics capacity
management – A theoretical review and applications to outbound logistics
Band 22
Helmold, M., Klumpp, M.: Schlanke Prinzipien im Lieferantenmanagement
Band 23
Gusik, V., Klumpp, M., Westphal, C.: International Comparison of Dangerous Goods Transport and Training Schemes
Band 24
Bioly, S., Kuchshaus, V., Klumpp, M.: Elektromobilität und Ladesäulenstandortbestimmung – Eine exemplarische Analyse mit dem Beispiel der
Stadt Duisburg
Band 25
Sain, S., Keuschen, T., Klumpp, M.: Demographic Change and ist Effect on
Urban Transportation Systems: A View from India
Band 26
Abidi, H., Klumpp, M.: Konzepte der Beschaffungslogistik in Katastrophenhilfe und humanitärer Logistik
Band 27
Froelian, E., Sandhaus, G.: Conception of Implementing a Service Oriented
Architecture (SOA) in a Legacy Environment
Band 28
Albrecht, L., Klumpp, M., Keuschen, T.: DEA-Effizienzvergleich Deutscher
Verkehrsflughäfen in den Bereichen Passage/Fracht
Band 29
Meyer, A., Witte, C., Klumpp, M.: Arbeitgeberwahl und Mitarbeitermotivation in der Logistikbranche
Band 30
Keuschen, T., Klumpp, M.: Einsatz von Wikis in der Logistikpraxis
Band 31
Abidi, H., Klumpp, M.: Industrie-Qualifikationsrahmen in der Logistik
Band 32
Kaiser, S., Abidi, H., Klumpp, M.: Gemeinnützige Kontraktlogistik in der
humanitären Hilfe
Band 33
Abidi, H., Klumpp, M., Bölsche, D.: Kompetenzen in der humanitären Logistik
Band 34
Just, J., Klumpp, M., Bioly, S.: Mitarbeitermotivation bei Berufskraftfahrern
– Eine empirische Erhebung auf der Basis der AHP-Methode
Band 35
Bioly, S., Klumpp, M.: Demografischer Wandel in der Logistik
Schriftenreihe Logistikforschung Band 41, Supply Chain Risk Management in der Industrie
Band 36
Kutlu, C., Bioly, S., Klumpp, M.: Demografic change in the CEP sector
Band 37
Witte, C., Klumpp, M.: Betriebliche Änderungsanforderungen für den Ein-
79
satz von Elektronutzfahrzeugen – eine AHP-Expertenbefragung
Band 38
Keuschen, T., Klumpp, M.: Lebenslanges Lernen in der Logistikbranche –
Einsatz von ergänzenden Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
Band 39
Keinhörster, M., Sandhaus, G.: Maschinelles Lernen zur Erkennung von
SMS-Spam
Band 40
Abidi, H., Klumpp, M.: Demografischer Wandel und IndustrieQualifikationsrahmen Logistik
Band 41
Bayer, F., Bioly, S.: Der Supply Chain Risk Management Prozess und Supply Chain Risiken in der industriellen Praxis
Arbeitspapiere der FOM
Die 1993 von Verbänden der Wirtschaft gegründete staatlich anerkannte gemeinnützige
FOM Hochschule verfügt über 31 Studienorte in Deutschland.
Als praxisorientierte Hochschule fördert die FOM den Wissenstransfer zwischen Hochschule
und Unternehmen. Dabei sind alle wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge der FOM
auf die Bedürfnisse von Berufstätigen zugeschnitten. Die hohe Akzeptanz der FOM zeigt sich
nicht nur in der engen Zusammenarbeit mit staatlichen Hochschulen, sondern auch in zahlreichen Kooperationen mit regionalen mittelständischen Betrieben sowie mit internationalen
Großkonzernen. FOM-Absolventen verfügen über solide Fachkompetenzen wie auch über
Klumpp, Matthias / Marner, Torsten / Sandhaus, Gregor (Hrsg.)
ild Schriftenreihe Logistikforschung
Band 41
herausragende soziale Kompetenzen und sind deshalb von der Wirtschaft sehr begehrt.
Weitere Informationen finden Sie unter fom.de
Supply Chain Risk Management
in der Industrie – am Beispiel
der Metall- und Elektroindustrie
Bayer, Frank / Bioly, Sascha
Das Ziel des ild Institut für Logistik- & Dienstleistungsmanagement ist der konstruktive Austausch zwischen anwendungsorientierter Forschung und Betriebspraxis. Die Wissenschaftler
des Instituts untersuchen nachhaltige und innovative Logistik- und Dienstleistungskonzepte
unterschiedlicher Bereiche, initiieren fachbezogene Managementdiskurse und sorgen zudem
für einen anwendungs- und wirtschaftsorientierten Transfer ihrer Forschungsergebnisse
in die Unternehmen. So werden die wesentlichen Erkenntnisse der verschiedenen Projekte
und Forschungen unter anderem in dieser Schriftenreihe Logistikforschung herausgegeben.
Darüber hinaus erfolgen weitergehende Veröffentlichungen bei nationalen und internationalen
Fachkonferenzen sowie in Fachpublikationen.
Weitere Informationen finden Sie unter fom-ild.de
ISSN 1866-0304