- Mariaberg eV

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- Mariaberg eV
Einblicke
Ausblicke
Mariaberger Magazin
Nr. 20 | Dezember 2010
Mariaberger Engel
Rund um die Uhr von Mensch zu Mensch im Einsatz
Nicht nur zur Weihnachtszeit
Themenschwerpunkt
„Raus aus der Krise und Rein
in den Alltag“
Engel, liebe Leserinnen und Leser, sind ein Thema, das im Magazin
einer diakonischen Einrichtung vielleicht nicht so sehr überrascht.
Noch dazu, wenn die entsprechende Ausgabe in der Vorweihnachtszeit erscheint. Im ganzen Heft haben wir dazu Fotos von Engeln aus
der Mariaberger Klosterkirche eingestreut. Diese können Sie sich
gerne auch im Original anschauen.
Junge Menschen können im Notfall rund
um die Uhr Hilfe in der Mariaberger
Kinder- und Jugendpsychiatrie bekommen.
Seite 8 –11
Inhalt Dezember 2010
Die Vorstände im Gespräch 4 – 5
Geistliches Leben und Diakonie
Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein
6
„Dich hat mir der Himmel geschickt“
7
Themenschwerpunkt
Engel in Mariaberg
„Raus aus der Krise und rein in den Alltag“
8 – 11
Ein Tag im Leben von Magdalena Störkle-Sauer
Von Mariabergern für Mariaberger
14
Das Internetforum „Trauerwege“
15
Mit Leidenschaft und Engagement im Einsatz
16
Zur Stelle, wenn es brenzlig wird
16
Tage, an denen das Herz schneller klopft
17
Der Angehörigenbeirat berichtet
18
12 – 13
Neues aus Mariaberg 19 – 21
Wie Mariaberg geholfen wird 22 – 23
Impressum 23
Veranstaltungskalender 24
Ihre Meinung interessiert uns
Themenschwerpunkt
Ein Tag im Leben von
Magdalena Störkle-Sauer
Die Kommandantin der Werkfeuerwehr und Heilerziehungspflegerin im
Bereich „Wohnen Plus“ trägt jede
Menge Verantwortung.
Seite 12 –13 Um die oben genannten Engel geht es im vorliegenden Heft jedoch
nicht. Vielmehr möchten wir Ihnen in dieser Ausgabe Menschen vorstellen, die im Großen und im Kleinen tagtäglich und immer wieder in
Mariaberg helfen, für andere da sind, sich einbringen, unterstützen
und zur Seite stehen, wo „Not am Mann“ ist. Dabei gibt es hier bei
uns keine Wunder, aber wenn es diese Engel nicht gäbe, würde vieles
überhaupt nicht passieren oder aber manches könnte in einer Katastrophe enden.
So berichten wir Ihnen zum Beispiel von unserer Werkfeuerwehr
(S. 12). Deren Mitglieder, Frauen und Männer gleichermaßen, arbeiten in Mariaberg in den unterschiedlichsten Geschäftsfeldern.
Wenn es aber einen Brandalarm gibt, so sind sie in kürzester Zeit zur
Stelle und können professionell retten, schützen und löschen.
Eine ähnliche „Feuerwehr-Funktion“ hat unser Fachkrankenhaus für
Kinder- und Jugendpsychiatrie übernommen. Der dortige Bereitschaftsdienst ist für die Aufnahme von psychischen Notfällen von
Kindern und Jugendlichen aus dem Zollernalbkreis und dem Landkreis Sigmaringen zuständig (S. 8). Vor Ort stehen 16 vollstationäre
Plätze für normalbegabte Kinder und Jugendliche zur Verfügung –
und der Bedarf wächst stetig. Aber auch in anderen Bereichen, in
denen es weniger um Leben und Tod geht, stehen in Mariaberg
­hilfreiche Engel bereit: Seien es die Heimbeiräte, die sich für die
Belange unserer Bewohner engagieren (S. 14), die Technische Ruf­
bereitschaft, die steckengebliebene Aufzüge genauso wieder in
­Bewegung bringt wie verstopfte Rohre oder eine ausgefallene
­Heizung (S. 16).
Wir möchten Ihnen einen kleinen Einblick in die Wirkungsbereiche
dieser Menschen geben, deren Arbeit sonst oft nicht so im Mittelpunkt steht. Sicherlich werden auch Sie bei einem Besuch in Mariaberg dem einen oder anderen Engel einmal persönlich begegnen
können. Sie sind uns willkommen!
Mit den besten Wünschen und Weihnachtsgrüßen
Ihr
Bitte geben Sie uns eine kurze Rück­meldung dazu, welche
Themen Ihnen gut gefallen haben und welche Sie vermissen.
Kontakt: [email protected]
2 | Mariaberg
Robert Zolling, Redaktionsleitung
Mariaberg
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D i e Vo r s t ä n d e i m G e s p r ä c h
D i e Vo r s t ä n d e i m G e s p r ä c h
Die Ohren sind immer offen, besonders
in der Nacht
Engel sind nicht nur in Kirchen oder anderen heiligen Orten zu Hause. Es gibt sie in Schulen,
Krankenhäusern, Wohngruppen – überall dort, wo Menschen miteinander in Interaktion treten.
In Mariaberg kann man ihnen tagtäglich, rund um die Uhr begegnen. Sie arbeiten ehrenamtlich
in der Rettungsgruppe und bei der Werkfeuerwehr. Sie kümmern sich als Nachtwachen im medizinisch-pflegerischen Bereich um Menschen in Wohngruppen. Sie sind im Bereitschaftsdienst
der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) oder an einer der vielen anderen Schnittstellen in und um
Mariaberg von „Mensch zu Mensch“ im Einsatz. Die Vorstände Thilo Rentschler, Rüdiger Böhm
und Michael Sachs unterhielten sich mit solchen „Engeln“, die in Mariaberg wirken, ­darüber, wie
es sich anfühlt, wenn sie helfen, wo gerade „Not am Mann oder an der Frau“ ist.
Reinhilde Linke: Mein erster Gedanke ist: Hoffentlich
handelt es sich dabei um einen Fehlalarm. Vor allem
wenn ich am Arbeitsplatz bin. Dann mache ich mir Sorgen
und male mir aus, was wohl geschehen sein könnte.
Thilo Rentschler: Zum Beruf des Arztes gehört es dazu,
neben den regulären Arbeitszeiten in Rufbereitschaft zu
sein. Was geht Ihnen als erfahrener Chefarzt durch den
Kopf, wenn Sie zu einem Unfall müssen?
Dr. Martin Menzel: Durch meine Berufserfahrung habe
ich mir ein gewisses Maß an Routine erarbeitet. Aber ein
bisschen Unsicherheit bleibt immer bestehen. Man weiß
letztendlich nie, was einen erwartet.
Die Vorstände im Gespräch mit einigen der „MariabergerEngel“ (v.l.): Thilo Rentschler, Vorstandssprecher, Reinhilde
Linke, Rettungsgruppe und Büroleiterin der Personaldienste, Vorstände Michael Sachs und Rüdiger Böhm,
Dr. Martin Menzel, Geschäftsführer und Leiter der Kinderund Jugendpsychiatrie, Sibylla Wohlfahrt, Nachtwache aus
dem medizinisch-pflegerischen Wohnen, Magdalena
Störkle-Sauer, Kommandantin der Werkfeuerwehr und
Heilerziehungspflegerin im Bereich Wohnen Plus.
Thilo Rentschler: Frau Linke, was geht Ihnen durch den
Kopf, wenn der Piepser anspringt und sie zum Einsatz
gerufen werden?
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Rüdiger Böhm: Als Nachtwache im medizinisch-pflegerischen Bereich sind Sie auch eine Ansprechpartnerin für
die Wohngruppen. Ruft man Sie im Notfall an, wenn niedergelassene Ärzte für die Klienten gebraucht werden?
Sibylla Wohlfahrt: Ja, aber Gott sei Dank selten. Ich
denke immer, wenn nachts das Telefon klingelt: „Hoffentlich ist nichts Schlimmes passiert.“ Wenn ein Arzt gerufen werden soll, dann rate ich demjenigen noch einmal in
die Krankenakte zu gucken. Nur bei einem wirklichen
Notfall wird dann der Doktor alarmiert.
Michael Sachs: Stimmen Sie sich dann auch mit
Kollegen, die in anderen Bereichen arbeiten, ab?
Sibylla Wohlfahrt: Ich habe schon mal mit jemandem
vom Pädagogischen Bereitschaftsdienst telefoniert, als
ich einen Rat brauchte. Das war ein gutes Gefühl, weil
der Experte mir noch ganz andere Hilfestellungen geben
konnte.
Thilo Rentschler: Wo steht Mariaberg im Bereich
„Gefahrenabwehr“ und wie relevant ist es, dass wir uns
mit dem Thema auseinandersetzen?
Magdalena Störkle-Sauer: Es hat sich bestätigt, dass
dieses Thema sehr wichtig ist. Wir haben sechs Gefahrenabwehrpläne mit Maßnahmenkatalogen zu verschiedenen Szenarien. Jeder soll sich im Notfall daran orientieren, damit die Rettungsaktionen reibungslos stattfinden
können. Das wurde zum Teil bei der letzten Großübung
im September schon umgesetzt.
Sybilla Wohlfahrt (i. d. Mitte) ist froh, dass in Mariaberg
alle Bereiche so gut miteinander vernetzt sind.
Rüdiger Böhm: Wie bewerten Sie die Vernetzung und
Begleitung mit anderen Stellen in Mariaberg?
Dr. Martin Menzel: Die funktioniert prima. Im medizinischen Zentrum sind bis Mitternacht fünf und zwischen
0 Uhr und 6 Uhr immer vier Personen anwesend. Dazu
gehören die Pädagogische Rufbereitschaft und die ärztliche Rufbereitschaft. Auch die Tatsache, dass in schwierigen Situationen zusätzlich noch die Rettungsgruppe
oder die Werkfeuerwehr alarmiert werden kann, ist eine
Bereicherung für das Zentrum.
Michael Sachs: Wie viele Einsätze hatten Sie dieses
Jahr? Wie gehen Sie damit um, dass Sie praktisch rund
um die Uhr zum Notfall gerufen werden könnten?
„Wie gehen Sie damit um, dass Sie praktisch rund um die
Uhr zum Notfall gerufen werden können?“, möchte Vorstand
Michael Sachs (l.) wissen.
Magdalena Störkle-Sauer: Dieses Jahr hatten wir, zum
Glück, erst neun Einsätze. Es ist trotzdem schwierig, das
mit dem normalen Berufsalltag zu verbinden. Wenn ich in
der Nacht zwei Mal zum Einsatz raus muss, dann klingelt
mein Wecker trotzdem um 6.30 Uhr und ich gehe zu
meiner Arbeit in die Wohngruppe. Auf der anderen Seite
müssen die Geschehnisse verarbeitet werden. Darüber
spricht man später mit guten Freunden oder, wenn nötig,
auch mit einem Seelsorger.
Thilo Rentschler: Es ist deutlich geworden, dass Sie als
„Schutzengel“ nicht nur eine besondere Aufgabe haben,
sondern auch speziellen Belastungen ausgesetzt sind.
Wir als Vorstände sind dankbar, dass Sie sich so für Ihre
Mitmenschen einsetzen. Insofern: Herzlichen Dank dafür!
Wir haben nicht nur sehr gute Schutzengel, wir haben in
Mariaberg auch ein gut vernetztes System, in dem unsere
Schutzengel wirken.
Mariaberg
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G e i s t l i c h e s L e b e n u n d D i a ko n i e
G e i s t l i c h e s L e b e n u n d D i a ko n i e
Es müssen nicht Männer
mit Flügeln sein
Bald leuchten sie wieder auf den Weihnachtsmärkten – die Engel. Der
Advent ist der Monat der Engel. Sie sind die Boten Gottes. Die Bibel ist
voller Geschichten von ihnen. Am Berg Horeb berührt ein Engel den
erschöpften und verzweifelten Elia zärtlich: »Steh auf und iss, du hast
einen weiten Weg vor dir« (1. Könige 19, 7). Der Psalmbeter vertraut
darauf, dass Gottes Engel auf allen Wegen behüten (Psalm 91,11). Der
Erzengel Gabriel kündigt Maria die Geburt Jesu an. Engel sind Gottes
Wegbegleiter für uns Menschen.
Dr. Christian Rose
Manchmal übersehen wir diese Boten Gottes. Aber es gibt sie auch
heute noch. Sie leben mitten unter uns. Ganz sicher auch in Mariaberg
oder in den dezentralen Einrichtungen. Sie leben mit, sind da, wenn
man sie braucht. Manchmal sogar rund um die Uhr: in der Werkfeuerwehr, in den Wohngruppen, in der ambulanten Kinder- und Jugendpsychiatrie. Schön, wenn jemand einfach mal zu- oder mit anpackt, wo es
nottut.
Nicht immer erkennen wir in denen, die uns Gutes tun, einen Engel
Gottes. Aber Engel müssen nicht Männer mit Flügeln sein, – so jedenfalls meint es Rudolf Otto Wiemer in seinem berühmten Gedicht, das in
unserem Evangelischen Gesangbuch abgedruckt ist (Seite 899):
„Schon zu Beginn
deines Gebets erging
ein Gotteswort und
ich bin gekommen,
um es dir zu verkünden, denn du bist
(von Gott) geliebt!“
(Buch Daniel 9, 23)
Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.
Sie gehen leise, sie müssen nicht schrein,
oft sind sie alt und hässlich und klein, die Engel.
Vielleicht ist einer, der gibt dir die Hand,
oder er wohnt neben dir, Wand an Wand, der Engel.
Dem Hungernden hat er das Brot gebracht, der Engel.
Dem Kranken hat er das Bett gemacht,
er hört, wenn du ihn rufst in der Nacht, der Engel.
Er steht im Weg und er sagt: Nein, der Engel
groß wie ein Pfahl und hart wie ein Stein –
es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.
Engel leben oft mitten unter uns. Wand an Wand, im Haus gegenüber.
Manchmal arbeiten sie mit uns in derselben Abteilung. Manchmal
sitzen sie neben uns im Gottesdienst. Was für ein Segen, wenn wir
einander zu Engeln werden! Ich wünsche Ihnen eine gesegnete
Adventszeit.
Dr. Christian Rose
Evangelischer Prälat, Reutlingen
6 | Mariaberg
„Dich hat mir der Himmel
geschickt“
Das Wort Engel bedeutet einfach „Bote“. Man könnte auch sagen:
„Da ist einer geschickt worden.“ In der Geschichte vom Propheten
Bileam (4. Mose, 22) wird von einem Engel erzählt, der Bileam bedroht. Er hat ein Schwert in der Hand, denn er ist sozusagen auf dem
„Holzweg“, auf einem Weg, den Gott nicht will. Nur Bileams Esel
sieht diesen Engel stehen und erkennt die Gefahr für seinen Herrn.
Der Prophet selbst ist blind für die Bedrohung. Eine Zeichnung aus
spätrömischer Zeit hält diese Szene fest. Aber der Engel auf diesem
Bild hat keine Flügel und wirkt auch sonst wenig engelhaft, er sieht
vielmehr aus wie ein leibhaftiger Mensch mit einem Dolch in der
Hand. Betrachtet man dieses Bild, so merkt man: Eine Engelserscheinung kann sehr alltäglich sein. Eigentlich kann jeder Mensch ein
Engel sein, vielleicht sogar ohne dass er davon weiß. Menschen, die
mit Gott in ihrem Leben rechnen, die wissen von Fügungen, die es im
Leben gibt.
Da fügt sich etwas ineinander, das wir nicht erklären können, sodass
wir die Zeichen der Fügung nur aufnehmen können. So kann es sein,
dass ein Mensch eine Entscheidung treffen muss, wie es in seinem
Leben weitergehen soll. Dass er auf der Suche nach seinem „Eigenen“
ist.
„Nicht weil ich euch eine
Gunst erweisen wollte,
sondern weil unser Gott es
wollte, bin ich zu euch
ge­kommen. Darum preist ihn
in Ewigkeit.“ (Tobit 12, 18)
Dann begegnen ihm genau die Menschen, die er braucht, um seinen Weg
zu finden und zu wissen, wie es weiter geht.
Und der Suchende hat das Gefühl, dass diese Menschen ihm geschickt worden sind, wie durch eine Fügung. Woher dieses Gefühl
stammt, kann man meistens nicht genau erklären, es ist einfach da,
wie eine Eingebung. Genauso geschieht es immer wieder, dass ein
Mensch, der sehr niedergeschlagen ist, jemanden trifft – eine Frau
oder einen Mann –, der ihm zuhört, der ihn versteht und so das persönliche Leid ein wenig lindert. Und es kann sein, dass er dann sagt:
„Dich hat mir der Himmel geschickt“ oder „Du bist ein Engel für
mich“. Viele Menschen kennen solche Erfahrungen und wissen sie
dankbar zu schätzen. Wenn in der Not ein Mensch wie gerufen auftaucht, ist uns das in seiner Zufälligkeit oft unverständlich. Denn
es scheint, als ob da etwas von langer Hand zusammengefügt worden
sei, eben eine Fügung. Wir können auch sagen: Gott hat mir einen
Menschen geschickt, einen Engel ohne Flügel und Heiligenschein.
Ganz alltäglich. Einen Engel, der wie in der Geschichte von Bileam
keinen besonderen Namen braucht.
Pfr. Hans Heppenheimer
Pfarrstelle Mariaberg
Mariaberg
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Th e m e n s c h w e r p u n k t
Th e m e n s c h w e r p u n k t
Leistet im Fall einer Einweisung durch ein
Gespräch die erste Hilfe vor Ort: Katrin Steeb,
Diplom-Psychologin und Psychologische
Psychotherapeutin. (Foto gestellt)
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Mariaberg:
Aus dem Zollernalbkreis
und Sigmaringen können
junge Menschen in
Krisensituationen dort
eingeliefert werden.
K i n d e r - u n d J u g e n d p sy c h i at r i e h i l f t i m N ot fa ll w i e d e r a u f d i e B e i n e
Raus aus der Krise und
rein in den Alltag
Es ist kurz vor Mitternacht. In einer Kleinstadt im Landkreis Zollernalb
wird es brenzlig. Sandra (15) sitzt zitternd in einer Ecke des elterlichen
Wohnzimmers. Kleine Schweißperlen bilden sich auf der Stirn ihres
schneeweißen Gesichts. Mit der zur Faust geballten rechten Hand
schlägt sie immer wieder gegen die Wand.
8 | Mariaberg
Vor fünf Minuten wurde ihr Vater mit dem Notfallwagen ins nächste Krankenhaus gebracht. Er hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. „Ich bin Schuld
daran, dass es meinem Papa schlecht geht“, bricht es plötzlich aus der
Jugendlichen heraus. Sie springt auf und greift sich eines der Messer, die zur
Zierde an der Wand hängen. „Er wird bestimmt sterben, ich kann und will nicht
mehr, ich bringe mich jetzt auch um“, brüllt die 15-Jährige.
Jetzt schaltet sich Mutter Barbara ein. „Sandra, was soll denn das. Hör auf
damit, wir lieben dich doch“, ruft sie mit ängstlicher Stimme. Doch ihre Tochter
hört nicht auf sie. Sie legt die Schneide des Messers gefährlich nah an die
Pulsschlagadern des rechten Armes. Die Mutter weiß sich nicht mehr zu helfen
und alarmiert die Polizei. Zehn Minuten später klingelt es an der Haustür. Die
Situation im Wohnzimmer droht währenddessen zu eskalieren.
Die 15-Jährige hat sich mit dem Messer am Arm verletzt. Blut tropft auf den
rotbraunen Orientteppich. Die Beamten wissen: Jetzt müssen sie schnell
handeln. Das Leben des Teenagers steht auf dem Spiel. „Ich verstehe, dass Du
dich schlecht fühlst, weil ihr euch vorher gestritten habt“, versucht der Polizist
Sandra zu beruhigen. „Aber das hier ist doch jetzt auch keine Lösung, bitte leg
das Messer weg.“ Sandra schaut den Beamten verzweifelt an. Dann schweift
ihr Blick zum Messer. Das Schneidewerkzeug gleitet ihr aus den Händen und
fällt zu Boden. Dann bricht sie schluchzend zusammen. Mutter Barbara eilt mit
Verbandsmitteln zu ihr, um die Wunde zu verarzten. Wenige Minuten später
nehmen die Polizisten ihre Tochter mit zum Streifenwagen.
Mariaberg
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Th e m e n s c h w e r p u n k t
Th e m e n s c h w e r p u n k t
­ esonders labil zu sein, wird noch schnell eine „Comb
pliance“ entworfen. Das ist das englische Wort für
„Regelbefolgung oder Vereinbarung“. Dieses Dokument enthält bestimmte Konventionen, die für einen
gewissen Zeitraum eingehalten werden müssen. „Zum
Beispiel könnte dort stehen, dass der Patient sich
dazu verpflichtet, in der Nacht keinen weiteren Selbstmordversuch zu unternehmen“, führt Thomas Pfeil
aus. Beide Seiten, also der Jugendliche und der Vertreter des jeweiligen Bereitschaftsdienstes, unterschreiben schließlich die „Compliance“.
Im Notfallzimmer können die Jugendlichen nach der Ein­
weisung zur Ruhe kommen und sich erholen. (Foto gestellt)
„Ich hoffe, dass sie schnell wieder auf die Beine
kommen wird“, wünscht sich die besorgte Mutter beim
Abschied. Um Sandras Gesundheit willen wird sie jetzt
erst mal in die Notfallaufnahme des Mariaberger
Fachkrankenhauses für Kinder- und Jugendpsychiatrie
(KJP) gefahren. Noch auf dem Weg dorthin informieren
die Beamten Stationsdienstleiter und Sozialarbeiter
Thomas Pfeil. Er weiß, was zu tun ist, und bereitet alles
für die nächtliche Aufnahme vor. So oder so ähnlich
könnte sich die Geschichte von Sandra zugetragen
haben. Die Geschehnisse, die zu Beginn geschildert
wurden, hat die Redaktion frei erfunden. Doch laut
Dr. Martin Menzel, Geschäftsführer und Leiter des KJP,
sind solche Fälle keine Seltenheit. „Natürlich handelt es
sich bei dem eingangs erwähnten Beispiel um einen
Extremfall“, so der Chefarzt. „Doch die Mehrheit der
Einweisungen tendiert definitiv in diese Richtung.“ Seit
1. Januar 2009 können rund um die Uhr auch Kinder und
Jugendliche ohne Behinderung, die psychische Erkrankungen haben, dort eingewiesen werden. Alle Mitarbeiter der KJP, die Bereitschaftsdienst haben, nahmen dafür
extra an Fortbildungen, Workshops und Klausuren teil.
Das Team bildet sich auch heute noch permanent weiter,
um immer auf dem neuesten Stand zu sein. Dadurch
wird gewährleistet, dass alle Patienten auch in extremen
Krisensituationen angemessen versorgt werden können.
Egal aus welchem Grund ein Jugendlicher in die Notfallstation kommt: Auf die Einweisung folgt zunächst
ein Gespräch mit einem der Ärzte oder Psychologen,
die im KJP zu diesem Zeitpunkt Bereitschaft haben.
„Wenn der Patient nachts ankommt, halten wir
die Beratungs­gespräche so kurz wie möglich“, erklärt
Dr. Martin Menzel. Wenn er den Eindruck macht,
10 | Mariaberg
Bei einer nächtlichen Aufnahme ist es zudem üblich,
dass so wenig therapeutische Maßnahmen wie möglich eingeleitet werden. Das alles hilft dabei, dass der
Junge oder das Mädchen sich wieder ein wenig beruhigen kann. Bei einer Aufnahme am Tag wird der Patient
sofort in den Klinikalltag eingebunden. Das heißt unter
anderem: Es wird ein erster Kontakt zwischen dem
Neuankömmling und den restlichen Patienten hergestellt. Solche Maßnahmen dienen dazu, ein Gefühl von
Normalität herzustellen. Alle Jugendlichen sollen sich,
trotz der oft prekären Umstände, so wohl wie möglich
fühlen.
Das Team der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist 365 Tage pro
Jahr im Einsatz, um in akuten Notfallsituationen zu helfen.
Zum Einzugsgebiet des KJP gehören der Zollernalbkreis
und Landkreis Sigmaringen. „Das ist eine große Entlas­
tung für die Kinder- und Jugendpsychiatrien in Tübingen
oder Ravens­burg“, sagt Dr. Menzel. Denn dort habe es
in der Vergangenheit, aufgrund eines erhöhten Bedarfs,
oft Überbelegungen gegeben. Der Bereitschaftsdienst
des KJP sei aber auch eine Entlastung für die Kinder
und Jugendlichen selbst. Nicht nur, weil ihnen dort aus
Krisensituationen herausgeholfen werden kann. Sondern auch, weil in Baden-Württemberg Einweisungen
nicht nach Bezirkszuordnungen, sondern per „CaseManagement“ vorgenommen werden. Das heißt: Kinder wurden im Notfall auch in weit entfernte Kliniken
gebracht, wenn in der Nähe des Wohnortes zu wenig
Kapazitäten waren.
Am Tag nach der Einweisung entscheiden die diensthabenden Ärzte, wie lang der Aufenthalt der Jugendlichen
dauern soll. Die Erfahrung zeigt ein zweigeteiltes Bild.
Die eine Hälfte der Eingewiesenen bleibt nur zwei bis
drei Tage in der Klinik. Dann können sie schon wieder
nach Hause gehen. Die übrigen 50 Prozent bleiben
fünf bis sechs Wochen vor Ort. Viele der Jugendlichen,
die einen längeren Aufenthalt aus gesundheitlichen
Gründen brauchen, haben jedoch ein Problem: die
Warteliste. Das heißt, es können 14 bis 21 Tage verstreichen, ehe den Teenagern nachhaltig geholfen
werden kann. Genau dort sieht der Chefarzt des KJP
noch Handlungsbedarf für die Zukunft. „Am besten
wären die Einrichtung und der Bau einer Akutstation“,
so Dr. Martin Menzel. Dort könnten Schwerkranke und
Jugendliche behandelt werden, die nur zwei bis drei
Tage in der Klinik bleiben müssen. Zu den häufigsten
Krankheiten der Patienten, die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt werden, zählen: das Borderline-Syndrom, Suizid-Gefährdungen, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder
Depressionen. Im Hinblick auf die Statistiken der letzen zwei Jahre zeige sich deutlich, dass ein erhöhter
Bedarf im Bereich der längerfristig angelegten Therapien bestehe. „Wir hatten allein in diesem Jahr mehr
als einen jungen Menschen pro Woche, der eingewiesen wurde“, resümiert Thomas Pfeil, „im Vorjahr sah
die Lage ähnlich aus.“
Es gibt vor Ort 16 vollstationäre Plätze für normalbegabte Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen. Insgesamt gab es im Jahr 2009 rund 200 Personen, die im Regelbereich der KJP behandelt werden
mussten. Davon wurden rund 60 Kinder- und Jugendliche per Notfallaufnahme eingewiesen. Allein im laufenden Kalenderjahr gab es bis Ende September 72
junge Menschen, die als Notfälle behandelt wurden.
Die Einweisungsrate wird sich vermutlich auch in Zukunft nicht nach unten bewegen lassen. Deswegen
betont Dr. Martin Menzel zum Abschluss: „Ich hoffe,
dass wir unsere Kapazitäten weiter ausbauen können.“ So oder so: Das Bereitschaftsdienst-Team wird
auch in Zukunft rund um die Uhr vor Ort sein, um Jugendlichen in Krisensituationen wieder auf die Beine
zu helfen. – scnk –
„Er beschirmt Dich mit seinen Flügeln, unter
seinen Schwingen findest Du Zuflucht,
Schild und Schutz ist Dir seine Treue.“
(Psalm 91, 4)
„Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu
behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen
dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht
an einen Stein stößt.“ (Psalm 91, 11,12)
Mariaberg
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Th e m e n s c h w e r p u n k t
Th e m e n s c h w e r p u n k t
Ein Tag im Leben von …
Magdalena Störkle-Sauer
H e i l e r z i e h u n g s p f e lg e r i n u n d
Ko mm a n d a n t i n d e r W e r k f e u e r w e h r
Aus der Ruhe in den Sturm: Der Funkmelder am Gürtel der
Werkfeuerwehr-Kommandantin Magdalena Störkle-Sauer
ruft die gelernte Heilerziehungspflegerin zum Einsatz.
Eilig allen Bescheid gesagt, in die Feuerwehrkluft geschmissen und ab zur Einsatzstelle. Die Mannschaft baut bereits die
Löschtechnik vor Ort auf.
Magdalena Störkle-Sauer arbeitet seit 32
Jahren in Mariaberg. Im Jahr 2007 wurde die
gelernte Heilerziehungspflegerin die Kommandantin der Werkfeuerwehr. Zu Beginn
ihrer Amtszeit war sie sogar die erste weibliche Kommandantin in Baden-Württemberg.
„Jetzt bin ich schon zehn Jahre bei der Werkfeuerwehr“, erzählt sie. „Wie ich dazu kam?
Mein damals zehnjähriger Sohn wollte immer
bei den Übungen zusehen und hat mich
mitgeschleppt. Da sprach mich der damalige
Kommandant an, ob ich nicht Mitglied werden wolle. Wenig später hat sie mich einfach
gepackt, die Leidenschaft für die Feuerwehr.“
10.15 Uhr Magdalena Störkle-Sauer liest mit einer
Klientin ein Buch im Esszimmer der Wohngruppe
Murmeltiere in Mariaberg. Plötzlich beginnt der Funkmelder, der stets an ihrem Gürtel hängt, zu piepsen.
Blitzschnell wandelt sich für Magdalena Störkle-Sauer
der Alltag. „Einsatz!“, ruft sie laut. Durch ihren Ausruf
wissen die Kollegen auf der Wohngruppe, was zu tun
ist. Wenn sie im Moment des Alarms die einzige Mitarbeiterin auf der Gruppe ist, kann sie natürlich nicht
einfach fortspringen. Dann überträgt sie die Einsatz­
leitung an einen ihrer zwei Stellvertreter. Doch heute
ist sie nicht allein in der Wohngruppe. Sekunden
­später fällt die Eingangstür hinter ihr zu. Sie rennt zum
Gerätehaus der Werkfeuerwehr, denn: Irgendwo in
Mariaberg wurde Brandalarm ausgelöst.
12 | Mariaberg
10.17 Uhr Die Kommandantin kommt im Gerätehaus
an. Ein Blick auf die Brandmeldeanlage verrät, welche
Nummer der ausgelöste Melder hat. In einem speziellen Ordner schlägt sie den genauen Standort nach.
Er ist auf derselben Straße. Sie teilt die Mitglieder der
Mannschaft ein, die auch schon vor Ort sind. Wenige
Minuten später meldet sie der Leitstelle in Sigmaringen
„In eurer Küche ist Brandalarm!“, ruft die Kommandantin.
Als sie die Küchentür öffnet, erblickt sie gleich den Misse­
täter: Ein Mitarbeiter hatte Wasser im Kocher vergessen.
den Einsatzort. Dort informiert man schließlich die
Gammertinger Wehr und den Rettungsdienst. Zwischendurch zieht sie die Feuerwehrkleidung an und
springt in den Kommandantenwagen.
10.22 Uhr trifft sie am Einsatzort ein, klingelt und öffnet mit dem Gefahrenschlüssel die Tür. Parallel dazu
fährt die Mannschaft mit dem Löschfahrzeug vor. Der
Hydrant wird angeschlossen, Schläuche werden ausgerollt und Atemschutzgeräte übergezogen. „In eurer
Küche ist Brandalarm!“, ruft die Kommandantin beim
Betreten der Wohnung. Als sie die Küchentür öffnet,
weiß sie sofort, was los ist: Ein Mitarbeiter hatte Wasser im Kocher vergessen. Der entstandene Dampf verdichtete die Luft im Raum und dann sprang der Melder
an der Decke an. Magdalena Störkle-Sauer klärt den
Mitarbeiter auf und entwarnt sofort per Funk die Leitstelle. Ein zweiter Funk geht an die Mariaberger Mannschaft: „Zum Abmarsch fertig“ lautet die Entwarnung.
10.30 Uhr jetzt programmiert sie die Anlage, die den
Brand gemeldet hat, neu. Dadurch wird die Brandmeldung gelöscht, in der Fachsprache sagt man dazu
„reset“. Sie fährt zurück zum Gerätehaus. Die Polizei
trifft gerade ein und braucht einen Bericht von ihr. In
diesem Fall wollen sie den Tatort nicht besichtigen,
die Umstände sind klar. Danach schreibt Magdalena
Störkle-Sauer eine Darstellung der Vorkommnisse für
den Vorstand, die Immobilienabteilung und die Geschäftsführer.
11.15 Uhr ist der Einsatz für Magdalena Störkle-Sauer
beendet. Sie zieht sich um und geht zurück zu ihrer
Wohngruppe. Ihre Schicht geht heute noch bis 14.00
Uhr und sie ist froh, dass nichts Schlimmes passiert ist.
Magdalena Störkle-Sauer trägt gerne die Verantwortung, die die Kommandantur mit sich bringt. Sie informiert auch die Mariaberger selbst und trainiert sie für
den Ernstfall: „Die Klienten binde ich mit ein, wo es
geht. Das ist eine sensible Angelegenheit: Ich darf sie
nicht überfordern und muss sie dennoch bestmöglich
auf einen Notfall vorbereiten.“ Wir hoffen, dass sie
sich noch viele Jahre so begeistert und verantwortungs­
voll um die Sicherheit der Mariaberger kümmern wird
und wissen uns in guten Händen. – sja –
Mariaberg
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Th e m e n s c h w e r p u n k t
Th e m e n s c h w e r p u n k t
H e i mb e i r at
W e n n S c h m e r z a u f d e m H e r z l i e gt
Von Mariabergern für Mariaberger
„Ich finde es wichtig, dass wir sagen können, was uns gefällt und was
verbessert werden kann“, erklärt Anna Wolf, stellvertretende Heimbeiratsvorsitzende, „wenn sich an dem, was uns nicht gefällt, dann etwas ändert,
finde ich das sehr gut.“ Der Heimbeirat besteht aus 15 Menschen, die sich
einmal pro Monat treffen. Heinz Kaufmann hat den Vorsitz. Bei den Zusammenkünften werden die Interessen der Mariaberger Bewohner vertreten.
Dazu gehört die Behandlung von Themen,
die die Heimverträge und -gesetze betreffen, ebenso wie die Bearbeitung von
Beschwerden. Egal was besprochen wird,
Lieselotte Pitzal kommt immer gerne: „Mir
gefällt das Zusammensein mit den anderen Heimbeiräten besonders gut.“ Der
Zusammenschluss hat noch eine andere,
ebenso zentrale Funktion. Sämtliche
Informationen über neue Projekte in
Mariaberg werden an den Heimbeirat
übermittelt.
Ein weiterer Punkt liegt Siegfried Geckeler,
einem der 15 Mitglieder, speziell am
Herzen. „Mir ist es besonders wichtig,
darüber zu sprechen, wie Menschen aus
Mariaberg nach außen in andere Ortschaften ziehen können. Und dass alle
ohne Vorurteile und Nachteile gleichberechtigt behandelt werden.“ Auch für die
Zukunft hat der Heimbeirat noch einiges
geplant. Neben den Dingen, die regelmäßig auf der Tagesordnung stehen, soll der
Austausch mit zentralen Personen aus der
Verwaltung intensiviert werden. Siegfried
Geckeler betont: „Es ist wichtig, dass es so
eine Art von Zusammenschluss gibt. Denn
unsere Arbeit trägt dazu bei, dass es den
Bewohnern bessergeht und sie sich im
Alltag einfacher zurechtfinden können.“
Der Heimbeirat
Die derzeitige Besetzung des Heimbeirats besteht seit drei Jahren, 2011 finden die
nächsten Neuwahlen statt.
Alle, die Hilfe von dieser Stelle benötigen, können sich bei Heinz Kaufmann unter der
Rufnummer: 07124/923-238 oder der -509 melden.
Wer den Weg per E-Mail bevorzugt, kann sich mit Claudia Höschle, Assistentin des
Heimbeirats, unter: [email protected] in Verbindung setzen.
Der Mariaberger Heimbeirat wurde im Jahr 1975 ins Leben gerufen. Rüdiger Böhm,
heute Vorstandsmitglied von Mariaberg, und Jörg Wurst hielten im Jahr 1976 die erste
Sitzung ab.
14 | Mariaberg
Das Internetforum
„TRAUER-WEGE“
„Egal ob alt oder jung, arm oder reich, mit oder ohne
Behinderung – die Trauer ist ein Gast, der zu jedem
kommt, jeder Mensch wird in seinem Leben immer wieder
Abschied und Trauer erleben, Trauer ist eine Voraus­
setzung für menschliches Reifen“, weiß Pfarrer Hans
Heppenheimer.
Der Einzelne geht unterschiedlich damit um, denn diese Emotion hat
viele Gesichter. Trauer und Abschied sind häufig verbunden mit Wut,
Verzweiflung und auch Hilflosigkeit. Daher rief der engagierte
Pfarrer jetzt das Internetforum „TRAUER-WEGE“ ins Leben. Denn
Trauer ist nicht nur Sterben. Es ist immer Abschied, sei es in der
Familie, von Freunden, von Tieren, überhaupt von Lebenszusammenhängen. Auch manche Lebensträume müssen mit Schmerz und
Kummer losgelassen werden.
„(…) Barmherzigkeit rettet
vor dem Tod und reinigt
von jeder Sünde. Wer
barmherzig und gerecht
ist, wird lange leben.“
(Buch Tobit 12, 9)
Im Mittelpunkt des neuen Forums im Internet steht der Austausch
mit anderen Betroffenen. „Dort kann jeder so sein, wie er ist, man
trifft Menschen, die unterschiedliche Trauer in sich tragen, und die
darüber reden möchten“, erklärt der Geistliche die Philosophie der
Internetseite. Die Plattform ist für jeden einsehbar. Wer etwas
schreiben möchte, muss sich anmelden und Regeln beachten. Zu
den vier Wichtigsten gehören: Es geht nur um das Thema „Trauer“,
jeder sollte Respekt vor fremden Aussagen zeigen, niemand darf
Beiträge kopieren, um sie auf TRAUER-WEGE.de zu veröffentlichen.
Außerdem sind Texte, die Werbung beinhalten, absolut unwillkommen und werden nicht geduldet. Die Internetseite ist Bestandteil
des Projekts „Entwicklung einer Trauerkultur in einer Einrichtung für
Menschen mit Behinderung am Beispiel Mariaberg“.
Die Seite wird von der Robert-Bosch-Stiftung Stuttgart gefördert.
Mehr Informationen unter: www.trauer-wege.de. – scnk –
„Sei gepriesen, Gott,
gepriesen sei Dein
heiliger Name in
Ewigkeit. Gepriesen
seien alle Deine
heiligen Engel.“
(Buch Tobit 11, 14)
Mariaberg
| 15
Th e m e n s c h w e r p u n k t
Bei Jürgen Holzmann laufen alle Fäden
zusammen: Er arbeitet Hand in Hand mit den
Fachmännern der Notdienste bei technischen
Störungen.
Th e m e n s c h w e r p u n k t
N otd i e n s t b e i t e c h n i s c h e n St ö r u n g e n
Pädagogisch e Rufbe r e itschaf t
Mit Leidenschaft und
Engagement im Einsatz
Tage, an denen das
Herz schneller klopft
Jürgen Holzmann, Bauleiter im Immobilienmanagement, ist seit
2006 der Ansprechpartner, wenn irgendwo im Stadtteil oder in
einem der zahlreichen Außenstandorte technische Hilfe gefragt
ist. Seine Handynummer steht im Telefonbuch, wer ihn anruft,
erhält sofort Unterstützung, notfalls rund um die Uhr. Für technische Störungen jeglicher Art, vom Aufzug bis hin zu Schäden an
den Versorgungsleitungen wie Fernheizleitung, Strom und Wasser, ist er der Ansprechpartner Nummer 1. Er entscheidet im Notfall sofort, was zu tun ist und welche Fachleute hinzugezogen
werden müssen. Dabei kann er auf einen professionellen Pool
von Mariaberger Handwerkern zurückgreifen, die ihn bei seiner
Arbeit unterstützen. Egal, ob Elektriker, Heizungs- und Sanitärfachmänner, Hausmeister oder Betriebsmechaniker, sie arbeiten
alle zusammen Hand in Hand. Im Bedarfsfall koordiniert er
Fremdfirmen ebenso wie die Kollegen. Bei ihm laufen die Fäden
zusammen. „In so einer großen und komplexen Einrichtung wie
Mariaberg ist ein technischer Notdienst unerlässlich,“ erklärt
Holzmann. Und er erfüllt diese Aufgabe mit Leidenschaft und
Engagement.
Es ist Montag, kurz nach 16.00 Uhr: Abholen des Rufbereitschaftskoffers im Sekretariat „Wohnen plus“. Ich habe von Montag bis
Freitag jeweils von 17.00 Uhr bis zum folgenden Morgen 8.00 Uhr
pädagogische Rufbereitschaft für ganz Mariaberg. Der Rufbereitschaftskoffer ist das wichtigste Utensil. Er ist gespickt mit Handy,
Generalschlüssel, Telefonverzeichnis, Notfallrufnummern und dem
Nachtwachenplan. 14 Mitarbeitende (Geschäftsführungen, Wohnverbundleitungen, Fachbereichsleitungen und Sozialdienste) sind in
die jährliche Rufbereitschaft eingeteilt. Im Durchschnitt trifft es jeden von uns mit rund 24 Rufbereitschaftstagen im Jahr. Der Koffer
ist geprüft, die Übergabe vom Wochenende lese ich in der Rufbereitschaftsdokumentation nach. Etwas angespannt prüfe ich nochmals
das Handy und hoffe, dass es ein ruhiger Abend wird.
RE T T UN G S G RUPPE
Zur Stelle, wenn es brenzlig wird
Die Mitglieder der Mariaberger Rettungs­gruppe
engagieren sich ehrenamtlich, um in Notfällen
Erste Hilfe zu leisten.
16 | Mariaberg
Im Jahr 1984 wurde die Mariaberger Rettungsgruppe unter der
ärztlichen Leitung von Dr. Claus Fehlhaber ins Leben gerufen.
Mitarbeiter der Mariaberger Werkfeuerwehr kommen dort zum
Einsatz, die den Umgang mit Menschen mit Behinderung sowie
die Örtlichkeiten kennen. Das 15-köpfige Team trifft sich jeden
zweiten Dienstag im Monat. Dann werden Erste-Hilfe-Maßnahmen geübt, Räumlichkeiten in Mariaberg erkundet sowie Vorträge
von Ärzten zur Unfallmedizin und Krankheitsbildern der Heimbewohner gehalten. Die praktische Ausbildung im Bereich Katastrophenschutz, Bergung von Menschen und Ähnlichem erfolgt unter
anderem durch das Deutsche Rote Kreuz und durch Mitglieder
der Rettungsgruppe. Mehrere größere und kleinere Übungen
zusammen mit der Werkfeuerwehr innerhalb eines Jahres trainieren den Einsatz unter realen Bedingungen. Bei einer Feier anlässlich des runden Geburtstages wurden im September 2009 zahlreiche langjährige Mitglieder der Rettungsgruppe geehrt.
19.00 Uhr: Müde und sehr hungrig komme ich zu Hause in Hettingen
an. Mein Sohn (11) freut sich, dass ich endlich da bin.
19.05 Uhr: Ich bereite das Abendessen vor. Mein Magen knurrt
mich an.
19.20 Uhr: Ein erster Anruf. Ein Klient hat seinen Hausschlüssel
in der Werkstatt liegen lassen und kommt nicht mehr in seine Wohnung. Der Generalschlüssel ist gefragt.
19.22 Uhr: Anruf bei meinen Nachbarn. Ich gebe Bescheid, dass mein
Sohn alleine zu Hause ist, falls es etwas länger dauern sollte.
19.35 Uhr: In der Werkstatt findet sich der Schlüssel schnell, ich
setze den glücklichen Schlüsselbesitzer in Gammertingen ab.
19.50 Uhr: Mein Sohn hat schon gegessen, ich fülle ebenfalls
meinen leeren Magen.
20.30 Uhr: Ich überlege gerade, ob ich mir auch etwas Bequemeres
anziehen soll, mein Kind steckt bereits im Schlafanzug, da klingelt
das Handy. Mein Herz klopft einen Takt schneller. Eine aufgeregte
weibliche Stimme erzählt, eine junge Bewohnerin der Außenwohngruppe sei in einer psychischen Krise. Ich mache mich wieder auf
den Weg.
20.50 Uhr: Ich treffe in der Außenwohngruppe ein. Die Klientin muss
zur Vorstellung in die Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP). Ein Anruf
von mir bei der diensthabenden Ärztin ergibt, dass ich mit einer
Mitarbeiterin die Klientin nach Mariaberg bringen soll. Die Mitarbeiterin fahre ich danach wieder zu ihrem Arbeitsplatz.
22.15 Uhr: Endlich bin ich wieder zu Hause. Mit dem Rufbereitschaftshandy bewaffnet sinke ich auf mein Sofa. Noch drei Nächte,
dann ist es wieder überstanden. In dieser Nacht weckt mich nichts
mehr, außer meinem Kater, der nach draußen will.
Liliane Helbling
Liliane Helbling
Wohnverbundleitung, stellv. Geschäftsführung
Mariaberg
| 17
Th e m e n s c h w e r p u n k t
Neues aus Mariaberg
B e i t r a g d e s A n g e h ö r i g e n b e i r at s
MARIABERG IM KUNSTFIEBER
Im diakonischen Einsatz
für die Klienten
Nicht die Seraphim und nicht die Cherubim sind gemeint, wenn von den Mariaberger „Engeln“ geredet wird – es sind
vielmehr Menschen wie du und ich, die
sich in liebenswerter und verantwortungsvoller Weise um unsere Angehörigen, die
mit Einschränkungen leben müssen, bemühen. Und sie machen dies, ohne im
Vordergrund zu stehen und jederzeit wahrgenommen zu werden. An vielen Stellen
und in ungezählten Situationen kommen
die „Engel“ mit ihren Fähigkeiten zum
Einsatz – und wir Angehörige lernen sie
eventuell kennen beim Mariaberger Tag,
wenn wir die Gelegenheit erhalten, auch
einmal hinter die Kulissen zu schauen. Wer
aber dürfte wohl besser ermessen können
als wir Angehörigen, dass mehr geleistet
wurde, als der Dienstplan vorgibt? Unser
Dank mag im Einzelfall zwar nicht immer
den direkten Weg finden, aber wir sind
sorgenfreier, beruhigter und gelassener.
Und unsere behinderten Angehörigen sind,
das spüren die Mariaberger „Engel“, unmittelbar auf ihre Weise dankbar.
Für den Angehörigenbeirat
Uwe Reiff
Im Workshop der Künstlerin Tanja Niederfeld aus Reutlingen wurden selbst hergestellte Leinwände mit Acryl- und
Ölfarben bemalt.
Die Wirkung und Arbeit mit Licht war ein zentraler Bestand­teil
des Kurses von Kurt Laurenz Theinert aus Stuttgart.
„Die Kunstschaffenden nehmen Teil am Leben der diakonischen Einrichtung Mariaberg und werden dadurch
ein Mosaiksteinchen unseres Stadtteils mit besonderem
Charme“, beschreibt Vorstandssprecher Thilo Rentschler die Grundstimmung der erstmals veranstalteten
Sommerkunstwoche. Bei der Abschlusspräsentation
konnten die Teilnehmer und Gäste die Kunstwerke bewundern. Der allgemeinen Begeisterung wurde viel­
stimmig Ausdruck verliehen: „Alles nur klasse! Und eine
spannende Erfahrung“, bescheinigte eine Teilnehmerin
des Steinbildhauerkurses dem Mariaberger Organisa­
tionsteam. „Auch für uns war die erste Mariaberger
Sommer­kunstwoche ein Riesenerfolg und einer Weiterführung im nächsten Jahr steht nichts im Wege“,
­resümierte der Organisator Winfried Maulbetsch. – sja –
Bei der Stuttgarter Künstlerin Barbara Karsch-Chaïeb gab es
„Malen mit Erd- und Gesteinspigmenten“.
Bunt und dynamisch gestaltete sich der Kinderkunstkurs
unter der Leitung von Oda S. Bauersachs aus Augsburg.
Der Rottenburger Künstler Ralf Ehmann bot Steinbildhauerei.
B ewoh n e r-J u b i läu m
Günther Stolz: 65 Jahre Mariaberg
Der Nikolaustag 1945 ist für Günther Stolz ein besonderes Datum.
An diesem Tag kam er im Alter von sechs Jahren nach Mariaberg.
Seither hat Günther Stolz in den 65 Jahren in Mariaberg einiges
erlebt: Er ging zur Schule, wohnte bei den Altbauern und im Zimmer­
heim, bis er 2008 zu den Lerchen zog. Am liebsten denkt er an die
Zeit zurück, als er bei der Landwirtschaft arbeitete: „Da bin ich
Heuwagen und Bulldog gefahren“, erzählt der Jubilar mit leuch­
tenden Augen. Mit 60 Jahren ging er in den Ruhestand. Aber dieser
Abschnitt hat für ihn noch lange nichts mit ausruhen zu tun:
­Günther Stolz unternimmt viel in und um Mariaberg. Früher war
Radfahren seine große Leidenschaft. Heute geht er lieber spazieren
und zwar am allerliebsten mit seiner Freundin Margit. Sie wohnt
ebenfalls bei den Lerchen und wird von ihm liebevoll umsorgt:
Morgens schmiert er Brote für sie, dann bringt er seine Freundin
zur Arbeit in die Werkstätten und holt sie von dort auch wieder ab.
Das gehört für ihn zum Tagesablauf, ebenso wie das Mittagessen
im Marktplatz. Auf die Frage nach seinem Leibgericht bekommt
man denn auch eine klare Antwort: „Schnitzel!“ – müa –
Jubilar Günther Stolz
18 | Mariaberg
„Malen heißt, mutig zu sein, sich fallen zu lassen“, weiß
Christine Vöhringer, eine Teilnehmerin der ersten Mariaberger Sommerkunstwoche. Rund fünfzig Künstler und
Kunstinteressierte aus der Region und Mariaberg gaben
sich in fünf Sommerkunstateliers in Mariaberg ganz
ihrer Inspiration hin. „Besonders wertvoll und einzig­
artig war das gemeinsame Arbeiten mit Künstlern mit
Behinderung, die durch ihre Begeisterung und Schaffensfreude die anderen Workshop-Teilnehmer anspornten
und inspirierten“, stellte Atelierleiter und Organisator
Axel Klöss-Fleischmann die besondere Qualität der
ersten Mariaberger Sommerkunstwoche heraus. In den
Workshops wurde unter professioneller Begleitung
das eigene künstlerische Spektrum erweitert und neue
Blickwinkel, Ideen und Arbeitstechniken werden
­entdeckt.
Mariaberg
| 19
Neues aus Mariaberg
Neues aus Mariaberg
FEUERWEHRÜBUNG AN
DEN WERKSTÄTTEN
Dreifaches Jubiläum in
Pfullendorf
Über 181 Einsatzkräfte der Werkfeuerwehr
Mariaberg, des Gefahrstoffzuges des Landkreises Sigmaringen, der Feuerwehr Gammertingen und Trochtelfingen, des Deutschen Roten Kreuzes, der Polizei sowie der
Werkfeuerwehr Robert Bosch GmbH, Reutlingen, waren tatkräftig im Einsatz. Magdalena
Störkle-Sauer, Kommandantin der Werkfeuerwehr Mariaberg, war als Einsatzleiterin vor
Ort. Eine erste wichtige Erkenntnis für den
Vorstand von Mariaberg, die aus der Groß­
übung abgeleitet werden kann, lautet: Die Gefahrenabwehrpläne, die zurzeit für diverse Einsatzarten in Mariaberg
erarbeitet werden, sind gut anwendbar. „Das sind Maßnahmenkataloge mit Handlungsanleitungen, die vor Ort
im Notfall umgesetzt werden sollten“, erklärt Vorstandssprecher Thilo Rentschler. Durch die Erfahrungen der letzten
Großübung werden sie jetzt mit Rainer Wenke, Kommandant der Werkfeuerwehr Robert Bosch GmbH, Reut­lingen,
überarbeitet, optimiert und erweitert. – scnk –
Vor Kurzem wurde in Pfullendorf ein dreifaches Jubiläum
gefeiert: Im frisch sanierten „Dietrich-BonhoefferHaus“, das vor einem Jahr in Betrieb genommen wurde,
leben und arbeiten seitdem 18 Menschen mit Behinderungen. Auch das Mariaberger Ausbildungsrestaurant
„Boni M“, das früher unter dem Namen „Zur Tafel“ bekannt war, feiert jetzt sein zehnjähriges Jubiläum. In
diesem Zeitraum konnten für 30 Jugendliche mit Lernbehinderungen durch eine Ausbildung
in dem Restaurant neue Perspektiven eröffnet werden. Darüber hinaus haben pro Jahr
50 junge Menschen an berufsvorbereitenden Maßnahmen teilgenommen. Das 100-jährige
Bestehen der Pfullendorfer Christuskirche war der dritte und eigentliche Grund zum Feiern.
„Ich bin sehr froh, dass wir hier in Pfullendorf Meilensteine gesetzt haben“, so Thilo
­Rentschler bei seiner Dankesrede während des Festgottesdienstes. Der badische Landes­
bischof Dr. Ulrich Fischer besuchte im Anschluss an den Gottesdienst die neuen Angebote
im ­Dietrich-Bonhoeffer-Zentrum. „Das ist eine wirklich tolle Sache“, lobte der Landes­
bischof während er durch die Gemeinschafts-, Wohn- und Ess­räume geführt wurde. – scnk –
BUNDESVERDIENSTKREUZ FÜR
EHRENAMTLICHES ENGAGEMENT
Dr. Heiner Völker bekam im Juli das Bundesverdienstkreuz für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement für Menschen mit Behinderung verliehen. Staatssekretär Dieter
Hillebrand (MdL) im baden-württembergischen Ministerium für Arbeit und Soziales
überreichte ihm diese Auszeichnung der Bundesrepublik im Dominohaus in Reutlingen
vor zahlreichen Gästen. Dr. Völker, Rechtsanwalt mit Kanzleien in Reutlingen und
­Hechingen, ist seit 30 Jahren Mitglied im Mariaberg e.V. und wurde dieses Jahr mit
einer Jubiläumsfeier geehrt. Dr. Völker ist seit 1993 als Verwaltungsrat und seit 2008
als stellvertretender Vereinsvorsitzender für Mariaberg tätig.
Gedenkgottesdienst für Euthanasieopfer
Vor 70 Jahren wurden über 10.000 Menschen mit Behinderung aus
Heimen in Südwestdeutschland nach Grafeneck gebracht. Das NaziRegime hatte die Tötung dieser Frauen und Männer beschlossen.
Auch aus Mariaberg wurden 61 Heimbewohnerinnen und ‑bewohner nach Grafeneck gebracht und dort durch Gas getötet. In zwei
Transporten, am 1. Oktober und am 13. Dezember 1940, wurden die
Mariaberger mit den berüchtigten grauen Bussen abgeholt. Mit
einem feierlichen Gedenkgottesdienst unter Leitung von Pfarrer
Hans Heppenheimer gedachte Mariaberg am 1. Oktober der Opfer.
Beiträge von Vorstandssprecher Thilo Rentschler und Pfarrer
­Heppenheimer gaben Einblicke in die damaligen Geschehnisse.
Die Vorstände Rüdiger Böhm und Michael Sachs verlasen die
­Namen der getöteten Männer und Frauen aus Mariaberg. Der Heimbewohnerchor untermalte den Gottesdienst mit eindrücklichen
Stücken. Seit 1990 erinnert ein Mahnmal neben der Mariaberger
Kloster­kirche an die Opfer. – zr –
20 | Mariaberg
ERSTES SOMMERFEST DER
MARIABERGER WERKSTÄTTEN
Die Beschäftigten, Betreuten und Betreuer der Mariaberger Werkstätten feierten am 23. Juli ihr erstes Sommerfest. Im unteren Hof waren die Tische, Buden und
Attraktionen aufgebaut und es herrschte ein lustiges
Treiben mit stimmungsvoller Musik: Mit spritzigen Getränken, knackigen Würstchen und fein gewürzten
Schnitzeln konnte man es sich gut gehen lassen und
danach bei Kaffee und Kuchen oder auch einem „Bolla
Eis“ dem Süßen frönen. Eine „Riesengaudi“ hatten die
Festteilnehmer bei den verschiedenen Spielen wie
Dosen­schießen und einer Art kreativem Kegeln mit
Holzscheiben. Es war auch die Gelegenheit geboten, am
„Großen Sommerfestbild“ mitzumalen. Hatte man sich
ausgetobt, konnte der Spaß bei der Filmvorführung mit
„Speedy Gonzales“ oder bei der Aufführung des Zirkus
„Kuletti“ weitergehen. – sja –
Spatenstich Integrativer
Gewerbepark Achberg­
straSSe
Im Beisein der Auszubildenden des Integrativen
Gewerbeparks in der Achbergstraße in Sigmaringen
sowie zahlreicher prominenter Gäste wie Sigmaringens Landrat Dirk Gaerte, Bürgermeister Thomas
Schärer und dem Geschäftsführer der Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH Willi Römpp fand am
13. Oktober der Spatenstich zu einem Erweiterungsbau des Gewerbeparks statt. Durch den Anbau und
einen parallel stattfindenden Umbau sowie die energetische Sanierung des bereits bisher für die MetallAusbildungsbetriebe der Mariaberger Ausbildung &
Service gemeinnützige GmbH und die Mariaberger
Förderberufsfachschule genutzten Gebäudes wird
zusätzlicher Raum für neue beziehungsweise erweiterte Angebote geschaffen. Neben Angeboten
für Menschen mit Benachteiligungen wird dort das
Klinikum Sigmaringen spezielle Therapieräume
anmieten.
Mariaberg
| 21
Wie Mariaberg geholfen wird
Wie Mariaberg geholfen wird
STAR CARE spendet Musikanlage für Kunterbunt
Winfried Maulbetsch, Motopädagoge, Vorstandssprecher Thilo Rentschler und Steffen
Schwarz, Vertreter des Vereins STAR CARE bei
der Chronik-Übergabe.
Seit zehn Jahren unterstützt der STAR CARE e.V., ein Förderverein
von Mitarbeitern der Daimler AG, Partnerunternehmen und Privatpersonen, soziale Projekte in Stuttgart und der Region mit dem
Ziel, kranken, behinderten und sozial benachteiligten Kindern zu
helfen. Unter anderem profitierten die beiden integrativen Theaterprojekte, die Mariaberg mit dem Theater Lindenhof in Melchingen produziert hatte, vom Engagement der Stuttgarter. Die Arbeit
der vergangenen zehn Jahre hat STAR CARE nun dokumentiert.
Steffen Schwarz kam als Vertreter des Vereins nach Mariaberg, um
diese Chronik an Vorstandssprecher Thilo Rentschler und Winfried
Maulbetsch, Motopädagoge, zu übergeben. Gleichzeitig gab
­Steffen Schwarz bekannt, dass STAR CARE der Gruppe Kunterbunt
im medizinisch-pflegerischen Wohnen eine kleine Musikanlage
finanziert. – zr –
SPENDE DER KREISSPARKASSE REUTLINGEN
Michael Bläsius, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Reutlingen, überreichte in Mariaberg
einen Scheck in Höhe von 5.000 Euro. Das Geld wird in den Fond zum Erwerb eines neuen Löschfahrzeugs fließen. „Diese stolze Summe tut gut und macht Mut“, freute sich Vorstandssprecher Thilo Rentschler, „wir hoffen,
dass noch viele weitere Spenden für den
Erwerb des neuen Wagens bei uns eingehen werden.“ Die Kosten belaufen sich auf
220.000 bis 300.000 Euro. „Aber diese
Summe wird dringend benötigt, weil das
aktuelle Löschfahrzeug in diesem Jahr 28
Jahre alt wird“, betonte Magdalena
Störkle-Sauer, Kommandantin der Werkfeuerwehr. Das Geschenk der Stadt Fellbach
wurde in gutem, gebrauchten Zustand vor
vier Jahren an Mariaberg überreicht. Doch
auch dort nagte der Zahn der Zeit. „Es ist
wichtig, dass in einem ländlich gelegenen
Stadtteil wie Mariaberg für die vielen Men- (V. l.) Michael Sachs, Vorstandsmitglied Mariaberg e.V. , Magdalena
Störkle-Sauer, Kommandantin der Werkfeuerwehr Mariaberg e.V.,
schen mit Behinderungen dieselbe SicherMichael Bläsius, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Sparkasse
heit gewährleistet wird wie in städtischen
Ballungszentren“, so der Direktor der Spar- Reut­lingen und Thilo Rentschler, Vorstandssprecher Mariaberg e.V. bei
der Scheckübergabe vor dem alten Löschfahrzeug.
kasse zum Abschluss. – scnk –
Mariaberg trauert
… und nahm Abschied von
impressum
Herbert Brauner, 68
Friedrich Henner, 70
Julian Heckele, 18
Marlies Schradin, 65
•
21. Mai 2010
26. Juli 2010
• 10. August 2010
• 23. September 2010
•
Hilfe zur Rettung dringend benötigt
Das Löschfahrzeug der Mariaberger Werkfeuerwehr ist 28 Jahre alt und wird die
technische Überprüfung im nächsten Jahr nicht mehr bestehen. Ein neues Fahrzeug kostet 220.000 bis 300.000 Euro, je nach Ausstattung kann es auch deutlich
mehr werden – Geld, das wir ohne Unterstützung nicht aufbringen können. Um
auch weiterhin den Schutz der Mariaberger Einwohner gewährleisten zu können,
hoffen wir auf eine finanzielle Zuwendung von Ihnen. Bitte helfen Sie uns! Spenden können auf folgendes Konto überwiesen werden: Kreissparkasse Reutlingen,
Kontonummer: 112 503. Bankleitzahl 640 500 00, Stichwort: Löschfahrzeug. –­ dte –
Eine besondere Patenschaft
Die Werkfeuerwehren der Robert Bosch GmbH und Mariabergs feiern in diesem Jahr
eine besondere Patenschaft: Bereits seit fünf Jahren finden gemeinsame Übungen,
gegenseitige Besuche und verschiedene Aktionen wie Kameradschaftsabende statt,
bei denen die Werkfeuerwehrmitglieder zum Beispiel auch zusammen grillen. Die
Werkfeuerwehr von Bosch unter der Leitung von Rainer Wenke unterstützt die Mariaberger
Kollegen bei Übungen tatkräftig
mit Geräten, aber auch lang­
jährigem Fachwissen. Dank des
Engagements der Reutlinger
bereichert außerdem ein größerer Satz an Einsatzjacken die
Mariaberger Ausrüstung. – dte –
Einblicke Ausblicke
Mariaberger Magazin
Nr. 20 | Dezember 2010
Mariaberg, Klosterhof 1
72501 Gammertingen
Telefon 0 71 24 /9 23-218
Telefax 0 71 24 /9 23-409
[email protected]
www.mariaberg.de
Herausgeber:
Thilo Rentschler,
Vorstandssprecher
Redaktion:
Leitung: Robert Zolling (zr)
Mitarbeiter dieser Ausgabe:
Anja Steppacher (sja), Anne
Mühe (müa), Dr. Christian Rose,
Evangelischer Prälat, Reutlingen,
Liliane Helbling, Pfarrer Hans
Heppenheimer (hep), Robert
Zolling (zr), Somajeh-Cathrin
Noheh-Khan (scnk), Teresa
Dietrich (dte), Uwe Reiff
Fotos:
Anita Metzler-Mikuteit,
Anja Steppacher (sja), Anne Mühe
(müa), Robert Zolling (zr), Rainer
Löbe, Somajeh-Cathrin
Noheh-Khan (scnk)
Gestaltung und Satz:
Kochan & Partner, München
Erscheinungsweise:
Viermal jährlich für Freunde,
Förderer, Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter, Angehörige,
Kunden und Klienten
von Mariaberg
Namentlich gekennzeichnete
Beiträge geben nicht
unbe­dingt die Meinung der
Herausgeber wieder.
Jim-Knopf-Kindergarten freut sich auf einen Ausflug
Peter Wilke, Vorstandsmitglied des Trabant Clubs „Blaue Wolke
Bodensee“, überreichte Alexandra Kamps, Leiterin der Schul­
kinder­gartengruppe „Jim Knopf“, den Familien Dan und Ruther
aus dem gleichnamigen Kindergarten einen Scheck in Höhe von
200 Euro. Die Trabi-Freunde rund um Peter Wilke spendeten so
den Erlös der letzten beiden Trabi-Treffen. Die Erzieher der Einrichtung für geistig- und körperlich behinderte Kinder wollen mit den
200 Euro einen Ausflug finanzieren.
22 | Mariaberg
„Ihr Schall geht aus in alle
Lande und ihr Reden bis an
die Enden der Welt.“ (Psalm 19,
Vers 5)
Gedruckt auf
chlorfrei gebleichtem
100 % Altpapier
„Preist Gott und lobt ihn! Gebt
ihm die Ehre und bezeugt vor
allen Menschen, was er für euch
getan hat.“ (Buch Tobit 12, 6)
veranstaltungskalender
Dezember 2010
Donnerstag 2.12.
20.00 Uhr |
Ko mmunikati o nszentrum M ariaberg
Montag 13.12.
10.00 Uhr |
K lo sterkirche M ariaberg
Theater Lindenhof: „Schiller, Klinsmann und mir !“
Gedenkfeier für die Opfer der Euthanasie
Mit einem Beitrag der Sonderberufsschule und einer Lesung von
Berthold Bisinger und Susanne Hinkelbein mit dem Titel „Grafeneck“
Sonntag 19.12.
Freitag 24.12.
Jahreszeitenfeier
Sonntag 26.12.
14.30 Uhr |
Ko mmunikati o nszentrum M ariaberg
17.00 Uhr |
K lo sterkirche M ariaberg
10.00 Uhr |
M arkt p latz M ariaberg
17.00 Uhr |
K lo sterkirche M ariaberg
Heiligabend-Gottesdienst
Weihnachtsbüffet
Januar 2011
Samstag 1.1.
Samstag 22.1.
Samstag 29.1.
Neujahrskonzert mit Uwe Baumer (Trompete) und
Thomas Renner (Orgel)
9.00 Uhr |
Ko mmunikati o nszentrum M ariaberg
9.00 Uhr |
R efekto rium
Fachtag „Kann man Trauer lernen“
Studientag „Das Entzünden einer Kerze“
Februar 2011
Mittwoch 2.2.
??.?? Uhr | Ko mmunikati o nszentrum M ariaberg
Mariaberger Kino
Uhrzeit?
Sonntag 13.2.
10.00 Uhr | M arkt p latz
Brunch
Sonntag 27.2.
11.15 Uhr | G r o S S er B es p rechungsraum
Vernissage „Klangfarben – Dosenklänge“,
Marlies Spiekermann und Hardy Zürn
Weitere Informationen unter der Telefonnummer 0 71 24 /923-218
oder [email protected] Änderungen vorbehalten
Einblicke Ausblicke
Mariaberger Magazin
Nr. 20 | Dezember 2010
Mariaberg
Klosterhof 1
72501 Gammertingen
Telefon 0 71 24 /9 23-218
Telefax 0 71 24 /9 23-409
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