Im Reich der Schneeköniginnen

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Im Reich der Schneeköniginnen
L
ReIse
D
Reise & Urlaub
seIte R/1 – sonnabend, 16. FebR uaR 2013 – n R. 40
Im Reich der Schneeköniginnen
uSt
raußen ist es dunkel. Und Glühbirnen gibt es ja keine mehr. Die
EU hat mit ihrer Verordnung
244/2009 ordentlich aufgeräumt:
Erst traf es die gute alte 60-Watt-Birne, dann auch die kleinen. Wir wollen hier jetzt nicht die Debatte über
die Energiesparlampen aufwärmen
(zu langsam, zu giftig, zu schwer zu
entsorgen), sondern darauf verweisen, dass die Welt kälter geworden
ist. Und damit meinen wir nicht das
ungemütliche Licht der neuen Technologien.
Wer jemals in südlicheren Gefilden
Urlaub gemacht hat, in denen die
Hausbesitzer mit so etwas wie kühlen Tagen nicht rechnen, der weiß,
wie hilfreich es ist, wenn in einem
klammen Badezimmer die eine oder
(hoffentlich auch) andere Glühbirne
brennt. Was wir im Physikunterricht
gelernt haben, hier wird‘s Ereignis:
Energie geht nicht verloren, sie wandelt sich nur um. Was man der guten
alten Glühbirne vorwirft, nämlich
dass sie den allergrößten Teil der aufgewendeten Energie nicht in Licht,
sondern in Wärme umsetzt, das ist
hier kein Manko, sondern ein Plus.
Ich kann mich noch gut an ein Ferienhaus auf Lanzarote erinnern, in dem
wir die vier 60-Watt-Birnen schon
mal „vorglühen“ ließen, damit es im
Badezimmer nicht gar zu frisch war.
Witzbolde haben ja versucht, das
Glühbirnenverbot zu umgehen, indem sie die Birnen zu „Heat Bulps“
machten, zu Heizkörpern. Das Gericht mochte diesem Umweg zum
Ziel nicht folgen, wahrscheinlich waren die Richter nie im Herbst in der
feuchtkühlen Toskana. Eine Hoffnung bleibt. Spätestens nach fünf
Jahren, also im März 2014 (da die
Verordnungen ja aus dem Jahr 2009
stammt), muss auch diese EU-Verordnung überprüft werden. Vielleicht
geht den Bürokraten in Brüssel bis
dahin doch noch ein Licht auf.
R aineR WagneR
I n h a lt
Trendschmiede in Berlin
Indonesien ist 2013 das Partnerland der
Berliner Reisemesse ITB, die am 6. März
beginnt. Branche und Privatleute informieren sich vor Ort über neue Trendziele.
Wir stellen einige schon jetzt vor.
R/2
Unesco-Hochburg auf Java
Die Tempel Borobodur und Prambanan
gehören zu den Touristenmagneten der
Insel Java. Als Teil des Unesco-Weltkulturerbes sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Bevölkerung.
R/3
per mausklick
in die weite Welt
Mehr Reiseberichte finden Sie unter
www.haz.de/reisen, zum Beispiel Reportagen über Island und Namibia, sowie
ständig aktuelle Informationen.
Perfekte Pisten, nächtliches Carven und der Charme Südtirols: Im Eggental in den Dolomiten entfliehen Skifahrer dem Massentourismus
Von S onja F röh lich
D
a ist sie: Claudia Schiffer. Hoch
oben auf 2000 Metern Höhe, den
Blick frei auf die weiße Pracht der
Alpen und der Dolomiten, thront die
Schöne mit den Traummaßen – denn die
gibt es auch für eine Schneekanone. „Sie
ist die schönste hier. Deshalb haben wir
sie so genannt“, sagt Georg Eisath und
schaut beinahe liebevoll zu der postgelben Riesin auf, die immerzu fauchend
Kristallfontänen auf die schwarze Piste
des Messnerjochs schießt.
Eisath ist sozusagen der Vater aller
gelben Schneekanonen, jener Wunderwerke, die in Südtirol und überall anders
in der Skiwelt Wasser und kalte Luft in
Schnee verwandeln. Eisath hat die
Schneemacher vor 25 Jahren konstruiert,
er schwört auf trockenen Schnee statt auf
feuchten, wie ihn die meisten Mitbewerber produzieren. Und er ist überzeugt,
seine Kanonen und Lanzen spuckten den
besten Schnee aus, den es gibt. „Ich weiß
nicht, warum man überhaupt noch anderen Schnee produziert. Der taugt nichts“,
sagt der bodenständige Mechaniker.
Tatsächlich lässt es sich auf den 88 Pistenkilometern und 100 Kilometern Loipen des Skiverbandes Eggental bestens
carven, auf präzise geschliffenen Hängen, nachgiebig wie ein Teppich. Im Vergleich mit 35 Winterskigebieten Europas
ging das Skicenter Obereggen-Latemar
in der vergangenen Saison als Testsieger
hervor, im benachbarten Skiareal
Welschnofen-Carezza messen sich jährlich im Dezember die besten Snowboarder der Welt – auf perfekt präparierter
schwarzer Piste.
Im Eggental mit seinen pittoresken
Gemeinden Deutschnofen (zu dem auch
Obereggen gehört), Welschnofen, Tiers
und Steinegg hat es weitläufige Skihänge
und ein Bilderbuchpanorama schon immer gegeben. Die Unesco erklärte die
Dolomitenregion 2009 zum Weltnaturerbe. „Auch Kaiserin Sisi hat ihren Urlaub
hier verbracht“, erzählt der pensionierte
Lehrer Herbert Pichler, der Touristen auf
ihren Wanderungen oder Skitouren im
Eggental begleitet. Wer mit ihm unterwegs ist, hört einige unglaubliche
Geschichten. Etwa, dass die Schneeschmelze der Gletscher noch immer Leichen von Soldaten des Ersten Weltkriegs
zutage befördert. Diese mussten einst in
den Gebirgen um die Grenzen von Italien
und Österreich-Ungarn kämpfen. „Die
meisten starben damals nicht im Gefecht,
sondern vor Kälte und Hunger“, sagt
Pichler.
Auch um die Anfänge des Ski-Mekkas
ranken sich Geschichten. Anfang der
siebziger Jahre wäre es fast zur Katastrophe gekommen, als elf junge Männer die
Aktiengesellschaft Obereggen gründeten und den ersten Lift in Betrieb nahmen. Jeweils zwei Skifahrer
schwebten im Sessellift nach
oben, als das Seil auf der Antriebsscheibe verrutschte und
sich eine Klemme im Seil
verhakte. 130 Personen hingen
in der Luft. Vor den Augen der Festgesellschaft wurden die verschreckten
Skifahrer im Rückwärtsgang nach
unten befördert. Ursache für die Blamage
war ein Konstruktionsfehler des Herstellers – dieser entschuldigte sich und legte
noch einen Lift obendrauf.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Kabinen-, Sessel- und Schlepplifte in den beiden Skigebieten des Eggentals, die auch
Mitglied im Reich des „Dolomiti Superski“ sind – einem Verbund von
zwölf Skiregionen der Dolomiten.
Die Gemeinden zählen zwar 300
Sonnentage im Jahr, schneesicher
war es dort aber nie. Die ersten
Schneekanonen aus den USA pass-
Der Schöpfer und seine Königin: Georg
Eisath ist stolz auf seine VorzeigeSchneekanone, die er liebevoll Claudia
Schiffer – nach dem deutschen
Supermodel – genannt hat. Sie und ihre
Kolleginnen sorgen in Südtirol für
perfekte Wintersportbedingungen.
Fröhlich, Eggental Tourismus (2),
Freepik.com
hIn unD wEg
● AnReise
Flug nach Innsbruck oder München,
danach weiter mit der Bahn bis Bozen.
● UnTeRkUnfT
Direkt an der Piste und der Kabinenbahn lässt es sich im Vier-Sterne-Hotel
Cristal von Familie Thaler wohnen.
Sieben Tage Halbpension mit Gourmetküche und inklusive Skipass kosten
ab 900 Euro pro Person, für Kinder gibt
es Ermäßigungen.
● skipässe
Eine Tageskarte kostet für Erwachsene
in Obereggen 39 bis 42 Euro und in
Carezza 33 bis 37 Euro. Für Kinder unter acht Jahren ist die Fahrt frei.
● infoRmATionen
www.eggental.com
www.hotelcristal.com
ten nicht zu den regionalen Verhältnissen und waren zu teuer. So
machten sich der Mechaniker
Georg Eisath und der Elektriker
Walter Rieder daran, eine neue, günstigere Form der Schneekanonen mit Wasserspeicher zu entwickeln. „Man kann sagen, dass wir in unseren Garagen wie
Daniel Düsentrieb daran herumtüftelten“, sagt Eisath. „Irgendwann konnten
wir unsere Schneekanonen für die Hälfte
des Geldes anbieten.“ Eine Erfolgsstory.
Ihre Firma TechnoAlpin ist heute Weltmarktführer, jährlich werden gut 2500 Schneemacher in
dem 20 Kilometer entfernten
Bozen hergestellt. Eisath hat es
auch im Iran, in Südamerika oder in
AnzeigenSpezial
Urlaubsfreude
50plus
Klima Walking an der Nordsee
D
as Nordseeheilbad St. PeterOrding ist ideal für Gäste,
die im Urlaub etwas für ihre Gesundheit tun möchten: Das Reizklima wirkt positiv auf die Atemwege. Nach einem Tag an der frischen Luft fühlt man sich wohlig
müde und befreit. Neben den natürlichen Voraussetzungen bietet
St. Peter-Ording eine hochwertige Infrastruktur für Gesundheitsurlauber.
Klima Walking ist ein neues
und einzigartiges Angebot an der
Nordsee in Schleswig-Holstein.
Wie in St. Peter-Ording wird das
gesundheitsfördernde
Angebot in vielen Orten an der Küste
und auf den Inseln angeboten. Es
macht sich die heilsame Wirkung
des Reizklimas zunutze. Dieses resultiert aus der meersalzhaltigen
Luft, der intensiven Küstensonnenstrahlung und dem Gezeitenwechsel. Bei Flut setzt die Brandung Aerosole frei, die beim Klima Walking besonders intensiv
eingeatmet werden. Gemeinsam
mit einem professionellen Trainer
wird mit oder ohne Walking-Stöcken entlang der Brandungszone
gewalkt. Die Präventionssportart
verbindet somit die heilsame Wirkung des Klimas mit der schonenden Bewegung beim Walking.
Das Klima Walking dauert
etwa 90 Minuten. Alle Informationen dazu und zu den Orten,
in denen es angeboten wird, gibt
es im Nordsee Vital Kompass im
Internet unter www.nordseevitalkompass.de. Dieser hilft auch
bei der Suche nach weiteren Gesundheitsangeboten: Der Onlinekompass fragt die individuellen
Wünsche des Gastes ab und filtert
die passenden Wohlfühlleistungen heraus.
Klima Walking ist
ein einzigartiges
Angebot an der
Nordsee.
nordseetourismus.
de/ Carlos Arias Enciso (2), iStockphoto/ Abel Mitja Va (1)
osteuropäischen
Staaten
technisch
schneien lassen, bis er sich vor einigen
Jahren zur Ruhe setzte. Heute betreibt er
mit seiner Frau die Moseralm in
Welschnofen – vor ihrer Tür geht es direkt
auf die märchenhaft umwaldeten Pisten
Carezzas, die trotz bester Unterlagen
auch in der Hochsaison oft menschenleer
sind. Das ist für Skifahrer Luxus. Menschen wie Eisath sprechen nie von Kunstschnee, sondern von Kompaktschnee. Um
diesen stromsparend zu produzieren,
werden die Schneekanonen nach Möglichkeit bei Temperaturen um minus sieben Grad angeschaltet, erklärt er. „Dann
brauchen wir zu Beginn einer Saison gut
90 Stunden, um auf unseren Pisten die 60
Zentimeter Schnee zu haben, die nötig
sind.“ Naturschnee macht auf den Eggentaler Pisten dagegen bloß fünf Zentimeter
aus – selbst wenn es geschneit hat.
Im benachbarten kleinen Obereggen
kann man sich das kompakte Schneegestöber auch in der dunklen Nacht vom
Berg anschauen. An drei Tagen die Woche
erhellt Flutlicht die Ochsenweide-Piste,
auf die eine Gondelbahn führt. Von 19 bis
22 Uhr können Nachtschwärmer die zwei
Kilometer lange Piste carven oder auf der
Rodelbahn Schlitten fahren. Oder in der
Berghütte für einen südtiroler LagreinWein und eine ordentliche Jause einkehren. Die Hüttenkultur in Südtirol ist bekannt für ihren persönlichen Charme
fernab von Massenbetrieben mit Selbstbedienungstheken und Mikrowellenge-
richten. Besser eine Tagliata, ein Rindfleischgericht, und hausgemachtes Tiramisu in der Gardonè Hütte auf 2000 Metern Höhe am Sella Berg oder Sauerfleisch
und Butterklöße auf der Ganischgeralm
unterhalb des Latemars – und danach einen Ingwerkaffee, wie er sich in Südtirol
derzeit großer Beliebtheit erfreut. Zugegeben, es fällt schwer, sich nach der Völlerei wieder auf die Bretter zu stellen. Aber
schon bald freut man sich über die sonnigen Aussichten und den samtweich planierten Boden.
Und darüber, dass es geschneit hat.
Auch wenn sich dies nur an den weißen
Hauben der Berge festmachen lässt. Denn
Claudia Schiffer und die anderen Schneeköniginnen haben den Rest getan.