FG München Urteil vom 19

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FG München Urteil vom 19
FG München Urteil vom 19.05.2010 - 10 K 152/09
Leitsatz
1. Kombinationskraftwagen werden von der 1 %- Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG nicht erfasst,
wenn sie aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie
ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt und daher als reiner Werkstattwagen zu
qualifizieren sind.
2. Ob ein reiner Werkstattwagen vorliegt, ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalls zu
bestimmen, insbesondere nach der Anzahl der Sitzplätze, dem äußeren Erscheinungsbild, der
Verblendung der hinteren Seitenfenster und dem Vorhandensein einer Abtrennung zwischen Lade- und
Fahrgastraum.
3. Eine äußere oder innere Verschmutzung des Fahrzeugs beseitigt die Eignung des Fahrzeugs für eine
private Nutzung grundsätzlich nicht.
Tenor
1. Die Bescheide über Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2004, 2005 und 2006 vom
07.11.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 11.12.2008 werden abgeändert. Dem
Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu
errechnen, ferner den Klägern hinsichtlich Einkommensteuer bzw. dem Kläger hinsichtlich
Gewerbesteuermessbetrag das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide
mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 70 % und der Beklagte zu 30 %.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch
Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn
nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer (ESt)
veranlagt. Der Kläger (Kl) erzielte in den Streitjahren u.a. gewerbliche Einkünfte aus einem Malerbetrieb.
Im Betriebsvermögen befanden sich in den Streitjahren die folgenden Fahrzeuge:
Fahrzeug
Mercedes Espania
(Transporter)
Opel Omega
Mercedes Pkw
Amtl.
Kennzeichen
...
Zugehörigkeit zum
Betriebsvermögen
ab 30.09.1997
...
...
15.06.1998 - 12.04.2004
25.08.1999 - 31.12.2006
(Entnahme)
Ford Transit
...
ab 15.04.2004
Der Kläger berücksichtigte im Rahmen seiner Gewinnermittlungen für die Streitjahre nur eine
Privatnutzung des PkW Mercedes (...) nach der durch die tatsächlichen Kosten gedeckelten 1 %Regelung. Zur Haushaltsgemeinschaft des Klägers gehörten in den Streitjahren die Ehefrau des Klägers
und der 1981 geborene Sohn der Eheleute. Alle Familienmitglieder verfügten über eine Fahrerlaubnis. Im
Privathaushalt war in den Streitjahren kein Fahrzeug angemeldet.
Im Rahmen einer Außenprüfung kam die Prüferin zu dem Ergebnis, dass für das weitere Fahrzeug Ford
Transit eine Privatnutzung anzusetzen sei.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem Ergebnis der Außenprüfung und erließ am 11.01.2008
entsprechende Änderungsbescheide zur ESt und zum Gewerbesteuermessbetrag (GewStMB). Auf den
hiergegen gerichteten Einspruch reduzierte das FA mit Änderungsbescheiden vom 07.11.2008 die nach
dem Ergebnis der Betriebsprüfung angesetzte Nutzungsentnahme auf den sich bei Ansatz eines
Bruttolistenpreises von 25.000 EUR unter Anwendung der 1 %-Regelung ergebenden Wert (2004: 2.250
EUR; 2005 3.000 EUR; 2006: 3.000 EUR). Die ESt wurde auf 5.968 EUR (2004), 5.037 EUR (2005) und
10.058 EUR (2006), der GewStMB auf 318 EUR (2004), 222 EUR (2005) und 645 EUR (2006) festgesetzt.
Im Übrigen wies das FA die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 11.12.2008 als unbegründet
zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen
Folgendes geltend gemacht: Bei einem Fahrzeug der Marke Ford Transit handele es sich grundsätzlich
nicht um ein Fahrzeug, das allgemein einer privaten Mitnutzung zugeführt werden könne. Somit sei es
schon nicht erforderlich, den Nachweis einer rein betrieblichen Nutzung zu führen. Auch tatsächlich sei
das Fahrzeug nicht privat genutzt worden. Das Fahrzeug sei so verschmutzt gewesen, dass es mit
bürgerlicher Kleidung nicht nutzbar gewesen sei. Eine Reinigung sei nur durch einen Fachbetrieb möglich
gewesen.
Die Kläger beantragen,
die Bescheide über ESt und GewStMB 2004, 2005 und 2006 vom 07.11.2008 in Gestalt der
Einspruchsentscheidungen vom 11.12.2008 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus
Gewerbebetrieb bzw. der Gewerbeertrag um 2.250 EUR (2004), 3.000 EUR (2005) und 3.000 EUR (2006)
vermindert werden und die Einkommensteuer und der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend
herabgesetzt werden,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es ergänzend zu den Gründen der Einspruchsentscheidung im Wesentlichen
darauf, dass es sich jedenfalls bei dem Fahrzeug Mercedes Espania um einen Kombinationskraftwagen
handele, der wahlweise zur Güter- und zur Personenbeförderung eingesetzt werden könne.
...
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23.02.2010 dem Einzelrichter zur Entscheidung
übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Hinsichtlich des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird
auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist teilweise begründet.
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist die private Nutzung eines im
Betriebsvermögen gehaltenen Kraftfahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen
Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich
der Umsatzsteuer anzusetzen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- beruht die pauschale Bewertungsregelung des §
6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auf dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass bestimmte Arten von Kfz,
namentlich vor allem PKW und Krafträder, typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private
Zwecke genutzt werden. Nach dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck fallen unter die
Entnahmeregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG alle Kfz, die nach allgemeinen Erfahrungssätzen
einer nicht nur gelegentlichen privaten Mitbenutzung zugänglich sind. Diese Zwecksetzung rechtfertigt
und gebietet es, grundsätzlich auch Kombinationskraftwagen in die 1 %-Regelung einzubeziehen. Denn
diese zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie infolge ihrer objektiven Beschaffenheit zur Beförderung
von Personen und Gegenständen aus Gründen der privaten Lebensführung eingesetzt werden können und
typischerweise auch eingesetzt werden (BFH-Beschluss vom 11.07.2005 X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801).
Allerdings gebietet es Sinn und Zweck der Regelung, bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen, namentlich
auch LKW, von der Anwendung der 1 %-Regelung auszunehmen (BFH-Urteil vom 18.12.2008 VI R 34/07
BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381 mwN). Unter dem Begriff LKW werden üblicherweise solche
Kraftfahrzeuge erfasst, die nach ihrer Bauart und Einrichtung ausschließlich oder vorwiegend zur
Beförderung von Gütern dienen (BFH-Urteil in BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381 mwN). Insoweit nimmt
der BFH auch sog. Werkstattwagen, die aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit und Einrichtung
typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt sind, von der
Anwendbarkeit der 1 %-Regelung aus. Denn ein Fahrzeug dieser Art werde allenfalls gelegentlich und
ausnahmsweise auch für private Zwecke eingesetzt. Zur Abgrenzung stellt der BFH auf die auch für die
kfz-steuerrechtliche Einordnung herangezogenen Merkmale, insbesondere die Anzahl der Sitzplätze, das
äußere Erscheinungsbild, die Verblendung der hinteren Seitenfenster und das Vorhandensein einer
Abtrennung zwischen Lade- und Fahrgastraum ab (BFH-Urteil in BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381 unter
Verweis auf die Abgrenzungsmerkmale bei Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 8 Rz. 17a; 18h am Ende).
b) Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze hat das FA im vorliegenden Fall für das
Kraftfahrzeug Ford Transit zu Unrecht eine Nutzungsentnahme angesetzt.
Denn dieses Fahrzeug ist nach seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut
wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt.
Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der folgenden Umstände: Aus dem Fahrzeugschein geht
hervor, dass das Fahrzeug über zwei zugelassene Sitzplätze verfügt, wahlweise aber auch mit 3, 5 oder 6
Sitzplätzen ausgestattet werden kann. Nach den vorgelegten Fotos war das Fahrzeug jedoch nur mit drei
Sitzplätzen in der vordersten Sitzreihe ausgestattet. Im Fondbereich befanden sich in den Streitjahren
keine Sitzplätze. Nach dem Vortrag der Kläger gab es im Fondbereich des Fahrzeugs keine
Befestigungsmöglichkeiten für Sitze. Dies wurde vom FA weder bestritten noch sind auf den eingereichten
Fahrzeugfotos Sitzbefestigungsmöglichkeiten erkennbar. Auch Sicherheitsgurte sind im hinteren Bereich
des Fahrzeugs nicht vorhanden. Bereits werksseitig wurde zwischen dem einreihigen Fahrgastraum und
dem Fondbereich eine fahrzeughohe Trennwand angebracht. Diese enthält nur ein kleines vergittertes
Fenster. Der Fondbereich weist nur eine seitliche (Schiebe-)Tür und nur ein Seitenfenster auf. Das
Verhältnis zwischen der Länge des Fahrgastraums und der Länge der Ladefläche beträgt nach den nicht
bestrittenen und nach den vorgelegten Fotos glaubhaften Angaben der Kläger 1,35 m zu 3,2 m. Die
Länge der Ladefläche beträgt daher mehr als Doppelte der Länge des Fahrgastraums. Offensichtlich ist
nach den eingereichten Fotos auch, dass der Ladebereich deutlich mehr als die Hälfte der
Gesamtnutzfläche des Fahrzeugs einnimmt. Das zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeugs beträgt laut
Fahrzeugschein 3.500 kg, das Leergewicht 1.937 kg, sodass sich eine Nutzlast von 1.563 kg ergibt. Unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass nur drei Personen befördert werden können, ist das Fahrzeug daher
weit überwiegend auf den Lastentransport ausgelegt. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 150 km/h. Die
Innenausstattung des Ladebereichs deutet nicht auf eine Eignung zur Fahrgastbeförderung hin. Das
Blechdach ist unverkleidet. Kabel sind offen sichtbar verlegt. Die Boden- und Seitenflächen sind mit
Brettern verkleidet. Zwar waren die Regaleinbauten auch nach eigenem Vortrag der Kläger in den
Streitjahren noch nicht vorhanden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Fondbereich nur als reine
Ladefläche ausgelegt war. Die Außenflächen sind mit einer Vielzahl von Werbeaufdrucken für das
Unternehmen des Klägers beklebt. Dies gilt insbesondere auch für die hintere Seitenscheibe, die
Schriftzüge über nahezu die volle Höhe und Breite trägt. Unter Einbeziehung aller genannten Umstände
deuten sowohl die werksseitige Fahrzeugausstattung als auch das äußere Erscheinungsbild auf eine bei
weitem überwiegende Ausrichtung des Fahrzeugs auf Lastenbeförderung und eine in den Hintergrund
tretende Bestimmung zur Personenbeförderung hin. Ob es daneben auch auf die kraftfahrzeugsteuerund verkehrs-rechtliche Einordnung des Fahrzeugs ankommt, hat der BFH zwar offen gelassen. Jedenfalls
aber wäre auch diese Voraussetzung erfüllt, da das Fahrzeug -wie sich aus dem Kfz-Schein und dem
Bescheid über die Kraftfahrzeugsteuer ab 2004 ergibt und vom FA auch nicht bestritten wirdkraftfahrzeugsteuer- und verkehrsrechtlich als LkW klassifiziert ist. Somit fällt das Fahrzeug nicht in den
Anwendungsbereich der 1 %-Regelung.
b) Anders verhält es sich hingegen hinsichtlich des Fahrzeugs Mercedes Espania.
Denn dieses Fahrzeug ist nach seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung nicht typischerweise so
gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt.
Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der folgenden Umstände: Aus dem Fahrzeugschein geht
hervor, dass das Fahrzeug über zwei zugelassene Sitzplätze verfügt, wahlweise aber auch über 4
Sitzplätze mit der Originalsitzbank hinten an den Originalbefestigungspunkten. Aus den vorliegenden
Fotos ist ersichtlich, dass neben den beiden Sitzen in der ersten Reihe eine Sitzbank in der zweiten Reihe
vorhanden war. Nach Vortrag der Kläger sollen sogar 5 Sitzplätze vorhanden gewesen sein.
Entsprechende Gurtbefestigungen für die Sitzbank sind auf den Fotos erkennbar. Eine Trennwand
zwischen dem zweireihigen Fahrgastraum und dem Fondbereich ist aus den Fotos nicht ersichtlich. Die
Kläger haben hierzu auf die Aufklärungsanordnung vom 16.03.2010 nur vorgetragen, dass ein bis zum
Dach reichendes Regal eingebaut gewesen sei. Dies widerspricht jedoch dem eigenen früheren Vortrag
der Kläger. Mit Schreiben vom 28.04.2009 teilten diese nämlich mit, dass die Regaleinbauten erst im
Februar 2007, also erst nach den Streitjahren vorgenommen wurden. Diese frühere Einlassung wird auch
durch die vorgelegten Rechnungen der L-GmbH bestätigt, die vom 14.02.2007 und 16.02.2007 datieren
und aus denen sich die Regaleinbauten im Einzelnen ergeben. Somit geht das Gericht davon aus, dass in
den Streitjahren noch keine Regaleinbauten vorhanden waren. Darüber hinaus weist der Fondbereich
nach den vorliegenden Fotos sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite jeweils zwei große
Fenster auf. Diese waren nach eigenen Angaben der Kläger auch nicht verblecht. Aus den Eintragungen
im Fahrzeugschein und den sich aus der Fahrzeugbestellung ergebenden Daten geht hervor, dass die
Gesamtlänge des Fahrzeugs 4,79 m und die Länge der Ladefläche 2,70 m betrug. Die Nutzlast betrug
985 kg bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 2.800 kg. Auch die Höchstgeschwindigkeit beträgt nur
129 km/h. Ebenso ist das Fahrzeug rundum mit Werbeaufdrucken der Firma des Kl beklebt. Die
Innenausstattung des zweireihigen Fahrgastraums ist nach den eingereichten Fotos -unter
Außerachtlassung der in den Streitjahren nicht vorhandenen Regaleinbauten- zwar einfach, aber auch
nicht so primitiv, dass eine private Fahrgastbeförderung allgemein als ausgeschlossen betrachtet werden
kann. Diese Umstände der werksseitigen Fahrzeugausstattung als auch des äußeren Erscheinungsbilds
deuten nach Überzeugung des Gerichts in ihrer Gesamtheit zwar darauf hin, dass das Fahrzeug primär
auf Lastenbeförderung ausgerichtet ist. Jedoch ist diese Auslegung des Fahrzeugs insbesondere bei
Berücksichtigung der Anzahl der Sitzplätze auch nicht so dominant, dass die Ausrichtung zur
Personenbeförderung dadurch ganz in den Hintergrund tritt. Dahingestellt bleiben kann wiederum, ob es
daneben auch auf die kraftfahrzeugsteuer- und verkehrsrechtliche Einordnung des Fahrzeugs ankommt.
Denn auch diese Voraussetzung wäre erfüllt, da das Fahrzeug -wie sich aus dem Kfz-Schein und dem
Bescheid über die Kraftfahrzeugsteuer ab 2009 ergibt- kraftfahrzeugsteuer- und verkehrsrechtlich als
Pkw klassifiziert ist.
Somit fällt das Fahrzeug grundsätzlich in den Anwendungsbereich der 1 %-Regelung.
b) aa) Die Bestimmungen über die Bewertung des Vorteils aus einer unentgeltlichen oder verbilligten
Fahrzeugüberlassung kommen allerdings nicht zur Anwendung, wenn eine Privatnutzung ausscheidet.
Jedoch spricht nach der Rechtsprechung des BFH aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis
des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des betrieblichen Pkw. Der Anscheinsbeweis kann
entkräftet oder erschüttert werden, ohne dass es hierzu des Beweises des Gegenteils bedarf. Es genügt
vielmehr, einen Sachverhalt darzulegen, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der
allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 07.11.2006 VI R
19/05, BFH/NV 2007, 136, m.w.N.). Dabei bedürfen aber die Tatsachen, aus denen die Möglichkeit eines
atypischen Geschehensablaufs abgeleitet werden soll, des vollen Beweises (BFH-Urteil vom 07.11.2006,
BStBl. II 2007, 116); die Darlegungs- und Beweislast treffen den Steuerpflichtigen (BFH-Beschluss vom
29.01.2004 X B 133/02, in Juris).
bb) Im vorliegenden Fall scheitert die Anwendung der 1%-Regelung nicht im Hinblick auf die
Verschmutzung des Fahrzeugs. Eine äußere oder innere Verschmutzung des Fahrzeugs beseitigt die
grundsätzliche Eignung des Fahrzeugs für eine private Nutzung grundsätzlich nicht. Denn verschmutzte
Fahrzeuge können bei Bedarf innen und außen gereinigt werden, so dass damit eine private Nutzung
jederzeit möglich ist. Eine Kontamination des Fahrzeugs, die eine Nutzung mit bürgerlicher Kleidung erst
nach professioneller Intensivreinigung ermöglicht, wurde von den Klägern nicht nachgewiesen. Auch
wenn das Fahrzeug ggf. nicht zum Besuch eines Theaters genutzt werden kann, so werden doch Fahrten
zu Freizeitzwecken, zu Einkaufsfahrten und anderen Besorgungen nicht ausgeschlossen, womit gerade
diejenige private Nutzung stattfinden kann, auf welche die typisierende Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4
Satz 2 EStG abzielt (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1801).
cc) Ebenso wird der Anscheinsbeweis nicht aufgrund der familiären Verhältnisse der Kläger entkräftet
oder erschüttert. Den Klägern stand unstreitig kein Fahrzeug in ihrem Privatvermögen zur Verfügung. Es
waren jedoch drei erwachsene Familienangehörige mit Führerschein vorhanden. Unter diesen Umständen
begegnet die Annahme des FA, dass zwei Fahrzeuge des Betriebsvermögens auch privat genutzt wurden,
nach der Lebenserfahrung keinen Bedenken.
c) Mangels Vorlage eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG) ist die
Privatnutzung nach der 1%-Regelung zu erfassen.
Nachdem weder die Kläger noch das FA Angaben zum Bruttolistenpreis des Fahrzeugs machen konnten,
schätzt das Gericht diesen Wert nach den vorliegenden Daten auf 15.000 EUR (29.337 DM). Die
Schätzung beruht darauf, dass das Fahrzeug am 21.08.1995 erstmalig zugelassen wurde und mit einem
Kilometerstand von 23.124 km im September 1997 für 23.862,50 DM (brutto) erworben wurde. Dem
Gebrauchtkaufpreis wurden insoweit knapp 24 % (entspricht ca. 1 % pro Monat bzw. pro 1.000 km
Fahrleistung) zugeschlagen.
Danach ergibt sich für das in allen Streitjahren ganzjährig zum Betriebsvermögen gehörende Fahrzeug
ein privater Nutzungsvorteil von 1.800 EUR pro Jahr. Eine Deckelung durch die tatsächlich entstandenen
Kosten scheidet aus, da diese nach den von den Klägern mitgeteilten Aufwendungen jeweils höher waren.
2. Für die Erzielung eines Veräußerungserlöses im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Pkw Opel
Omega aus dem Betriebsvermögen hat weder das FA hinreichend substantiierte Tatsachen vorgetragen
noch ergeben sich hierfür anderweitige Anhaltspunkte.
3. Dem FA wird nach § 100 Abs. 2 Satz FGO eine Neuberechnung der ESt und des GewStMB 2004, 2005
und 2006 aufgegeben. Hierbei ist anstatt der bisher laut Einspruchsentscheidung vom 11.12.2008
angesetzten Gewinnerhöhungen von 2.250 EUR (2004), 3.000 EUR (2005) und 3.000 EUR (2006) jeweils
nur eine Gewinnerhöhung in Höhe von 1.800 EUR anzusetzen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3
FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.
6. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.