Punktsieg gegen Badenia

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Punktsieg gegen Badenia
Karlsruhe
erschwert
Blutproben
Namen und
Nachrichten
Kassen: Fonds hat
Finanzlage verschärft
Der Anfang 2009 eingeführte
Gesundheitsfonds hat nach Einschätzung der Chefin des Spitzenverbandes der gesetzlichen
Krankenkassen, Doris Pfeiffer,
die angespannte Finanzlage der
Kassen noch verschärft. „Der
Fonds hat uns ein großes Problem gebracht“, sagte Pfeiffer. Die
einzige Finanzierungsmöglichkeit neben dem Einheitsbeitrag
sei nun der Zusatzbeitrag. „Den
erheben aber bislang nur wenige
Kassen, weil viele eine Abwanderung ihrer Mitglieder fürchten
und deshalb diesen Schritt
scheuen“, erläuterte Pfeiffer.
Weil die Finanzmittel dann fehlten, gerieten diese umso stärker
unter Druck. „Ein Teufelskreis.“
Seehofer: Senkung für
Hoteliers soll bleiben
CSU-Chef Horst Seehofer will die
umstrittene Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers nicht zurücknehmen und hat die Koalition vor einer neuen Debatte gewarnt. Er sei für Verlässlichkeit in
der Politik, sagte der bayerische
Ministerpräsident. „Viele Hotelbetreiber und Gastronomen haben jetzt investiert und würden
die Welt nicht mehr verstehen,
wenn die Senkung zurückgenommen würde.“
Präsident in Polen:
Spannendes Rennen
Das Rennen um das Präsidentenamt in Polen bleibt spannend: Der national-konservative
Bewerber Jaroslaw Kaczynski
konnte beim letzten TV-Duell
vor der Stichwahl gegen seinen
Gegenspieler Bronislaw Komorowski punkten. Kaczynski sei
diesmal „besser vorbereitet“ gewesen, schrieb die linksliberale
Zeitung „Gazeta Wyborcza“ am
Donnerstag. Einer Umfrage des
Instituts GfK Polonia zufolge gewann dagegen Komorowski mit
41 Prozent knapp vor Kaczynski
mit 37 Prozent. 18 Prozent waren unentschieden.
Zeh jahre Haft für
Anschlagspläne
Ein Staatssicherheitsgericht in
Dubai hat zwei Uiguren für die
Planung eines Bombenanschlags zu jeweils zehn Jahren
Haft verurteilt. Die Männer sollen in Apotheken Chemikalien
für den Bau einer Bombe gekauft
haben. Damit wollten sie im vergangenen Sommer ein Monument vor einem Shopping-Center mit chinesischen Waren in
die Luft sprengen.
KalenderBlatt
2. Juli 2005
„Live 8“ als
Kontrapunkt gegen G8
An zehn Orten weltweit fand am
2. Juli 2005 zeitgleich eine Konzertreihe statt: „Live 8“. Auf Initiative von Bob Geldof und U2Sänger Bono (Foto) traten über
150 Musiker auf – anknüpfend
an die Live-Aid-Konzerte von
1985. Anders als 20 Jahre zuvor
ging es den Organisatoren nicht
um Spenden. „Wir wollen nicht
euer Geld“, verkündeten Transparente in London. „Wir wollen
euch.“ Eine Botschaft, die gehört
wurde: Vier Tage vor dem G8Gipfel im schottischen Gleneagles demonstrierten 225 000
Menschen und riefen die Staatsund Regierungschefs zur Überwindung von Hunger und Armut
in Afrika auf.
Polizei muss sich um
Genehmigung bemühen
Aufgebrachte Kleinanleger: Demo im Oktober 2004 vor der Badenia-Firmenzentrale in Karlsruhe.
Foto: dpa
Punktsieg gegen Badenia
„Schrottimmobilien“-Prozesse: BGH sieht arglistige Täuschung - Klägerchancen steigen
VON WOLFGANG RIEK
KARLSRUHE. Tausende Wohnungskäufer fühlten sich übel
hereingelegt. Hunderte von
Klagen sind vor deutschen Gerichten noch anhängig. Nun
entschied der Bundesgerichtshofs (BGH) in einer Kehrtwende gegen die Bausparkasse Badenia. Und Ulrich Wiechers,
der Vorsitzende des BGH-Bankensenats, rät den Baufinanzierern aus Karlsruhe, sich mit
Klägern ähnlich gelagerter
Fälle per Vergleich zu einigen.
Eine kleine Sensation - Anwälte sehen den Punktsieg beim
BGH sogar als „Durchbruch“
(Az.: XI ZR 104/08).
Darum geht es: Wohnungen, die die Allgemeine Wohnungsvermögens-AG (Allwo)
in Hannover loswerden wollte, wurden in den 90er-Jahren
zu überhöhten Preisen angeboten. Vertriebskolonnen der
Dortmunder Heinen & BiegeGruppe, die im Jahr 2000 pleiteging, bewarben die Immobilien als Altersvorsorge - sogar
für Leute ohne Eigenkapital.
Steuerersparnis und Miete
sollten die Investition quasi
HINTERGRUND
So wurde getrickst:
32 Jahre Schulden
• Lehrer Hans-Jürgen H. aus
der Eifel wollte 1995 mit Kauf
und Vermietung einer 68Quadratmeter-Wohnung in
Wilhelmshaven seine Pension aufbessern. Im überteuerten Preis von umgerechnet
173 000 Euro, so schilderte
die Zeitschrift „Finanztest“
den Fall, steckten allein für
die inzwischen längst pleitegegangene Vermittlerfirma
Heinen & Biege 38 000 Euro.
• Deren Verkäufer überredeten H. zur Finanzierung durch
die Badenia - genauer: zum
Vorausdarlehen von
218 000 Euro, das durch zwei
noch anzusparende Bausparverträge abgelöst werden
sollte.
• Das von der Badenia bewilligte Darlehen lag 26 Prozent
über dem Kaufpreis. Schuldenfrei wäre der Lehrer erst
2027 gewesen - mit 85 Jahren. Der Darlehenszins war
marktunüblich hoch, die
Sparraten für die Bausparverträge stiegen steil an, was
dem Lehrer laut „Finanztest“
verschwiegen worden war.
Und die Vermietung der
Wohnung lief so mies, dass
unterm Strich ein monatliches Minus von 1000 Euro
und mehr wurde. (wrk)
Das Thema
Für tausende Anleger, die in den Immobilienboom-Jahren
nach der Wende völlig überteuerte Wohnungen kauften,
wurde diese „Altersvorsorge“ zum Finanzdesaster. Bis
heute beschäftigen „Schrottimmobilien“ die Gerichte.
Gegen die Bausparkasse Badenia erging jetzt beim Bundesgerichtshof ein Urteil, das geneppte Käufer stärkt.
von selbst finanzieren. Das nötige Geld besorgten die Vermittler gleich mit - mit Darlehen und Bausparverträgen der
Badenia. Dieser Kredit, das
merkten viele Käufer spätestens als sie die Raten nicht
mehr schafften, lag meist weit
über dem Kaufpreis.
Ein lukratives Geschäft: Für
die Allwo, die so über 5000
Wohnungen loswurde. Für
Heinen & Biege, die satte Provisionen einstrichen. Und für
die Badenia, die ihr Darlehensgeschäft
ankurbelte.
Nur
nicht für Anleger: Kreditschulden aus der Überfinanzierung
überstiegen sinkende Immobilienwerte schnell deutlich.
Zugesagte
Mieteinnahmen
blieben aus. Das Steuerspar-
modell wurde zum existenzbedrohenden Minusgeschäft.
Anja Schüller, Krankenschwester aus Thüringen,
wurde so in den Selbstmord
getrieben (siehe Artikel unten). Andere Geschädigte
schlossen sich zusammen. Sie
zogen mit Protestplakaten vor
die Badenia-Zentrale und mit
hunderten Klagen vor Gericht.
2500 Vergleiche
Dort blieb die Badenia lange
erfolgreich: Arglistige Täuschung wegen zu hoher Mietversprechen? Schadenersatz,
weil Wohnungskäufer einem
Mietpool beitreten mussten?
Eine Pflicht für die Bausparkasse, Kunden vom riskanten
Finanzierungsmodell abzura-
Schuldenopfer legte
sich Todes-Infusion
Anja-Schüller-Stiftung gegen Immobilienbetrug
A
nja Schüller wurde nur
28 Jahre alt. Am 17. September 2004 fanden die
Eltern der Erfurterin die Tochter leblos im Bett ihrer Wohnung in Würzburg. Dort hatte
Anja Schüller als Krankenschwester gearbeitet. Verzweifelt und ohne Ausweg legte
sich die 28-Jährige vor knapp
sechs Jahren eine tödliche Infusion. Vor ihr auf dem Tisch:
Abschiedsbriefe und Zwangsvollstreckungsbescheide über
70 000 Euro. Absender: die
Bausparkasse Badenia.
Die junge Frau war wie tausende anderer auf flotte Werbesprüche von Drücker-Kolonnen
hereingefallen.
Den
70 000-Euro-Kredit für 50 Quadratmeter Chemnitzer Plattenbau konnte sie bald nicht
mehr bezahlen. Das hätten die
Verkäufer eigentlich wissen
müssen, sagte ihr Vater: Es sei
doch klar gewesen, „dass das
Mädchen mit seinem Lohn,
das kein Vermögen hat, so etwas gar nicht bedienen kann“.
Die Beteuerungen der Badenia, nur Bausparkredite gewährt und sonst vom Treiben
der
Immobilien-Vermittler
Anja Schüller nahm sich 2004
das Leben.
Foto: nh
nichts gewusst zu haben, zerbröselten über die Jahre.
Die Eltern der toten Krankenschwester, die im thüringischen Meiningen leben, haben 2009 eine Stiftung auf den
Namen ihrer Tochter gegründet. Ihr Ziel: „Betrug und Existenzvernichtung ahnungsloser Bürger mit minderwertigen und überteuerten Immobilien und Krediten zu bekämpfen“. Eine Telefon-Hotline für Immobilienopfer ist
noch für 2010 geplant. (wrk)
www.anja-schueller.de
ten? Solche Versuche, den
Baufinanzierer
dranzukriegen, scheiterten vor dem BGH.
Eine Badenia-Sprecherin gestern: „Wir haben die meisten
Prozesse gewonnen.“ Und
doch seit 2005 immerhin
2500-mal einen Vergleich geschlossen, räumte die Sprecherin ein: „Wenn die Leute
krank oder klamm waren.“
Verdeckte Provision
Seit Dienstag muss sich die
Badenia vom BGH nun auch
arglistige Täuschung attestieren lassen. Die Vermittler der
Wohnungen hatten nicht wie
im Vertrag angegeben sechs
Prozent, sondern mindestens
15 Prozent des Kaufpreises als
Provision kassiert - mit Wissen
der Badenia. Sieg für die Klägerin. Ihren Kauf soll die Bausparkasse nun rückabwickeln,
ihre Schäden ersetzen. Und
der Badenia, die sich zum aktuellen Urteil nicht äußerte,
droht mehr. Alle Kläger, die
mit der Provisionstäuschung
argumentiert haben, dürfen
jetzt auf ähnlichen Erfolg setzen.
www.badenia-opfer.de
www.graumarktinfo.de
HINTERGRUND
Bewährung für
untreuen Vorstand
• Seinen Job als Badenia-Finanzvorstand wurde Elmar
Agostini schon 2001 los. Die
rechtskräftige Entscheidung
des Landgerichts Mannheim,
das den 64-Jährigen für seine
Rolle im SchrottimmobilienSkandal wegen Untreue zu
einer Bewährungsstrafe von
einem Jahr und neun Monaten verurteilte, stammt vom
März 2010. Allerdings ging
es hier um finanzielle Schäden für die Bausparkasse:
Agostini hatte zugegeben,
als für überteuerte Wohnungen viel zu hohe Darlehen
vergeben zu haben.
Laut Anklage soll der Manager Verkehrs- und Beleihungswerte von Schrottimmobilien wissentlich überhöht festgesetzt haben. Die
Darlehen waren unzureichend gesichert, Käufer
konnten ihre Raten bald
nicht mehr zahlen. Die Badenia verbuchte aus den fünf
verhandelten Fällen Ausfälle
von knapp drei Mio. Euro.
Dem später insolventen Vermittler der Wohnungen soll
Agostini ungerechtfertigt
Provisionen und Vorschüsse
in sechsstelliger Höhe zugeschanzt haben (Az.: 25 KLs
611 Js 21697/04). (wrk)
KARLSRUHE. Das Bundesverfassungsgericht hat die Anordnung von Blutproben durch
Polizeibeamte erschwert. Die
Beamten müssten zumindest
versuchen, die gesetzlich vorgesehene Genehmigung der
Blutentnahme durch einen
Richter zu bekommen, entschied das Gericht in einem
am Donnerstag veröffentlichten Beschluss. Eine generelle
Berufung auf „Gefahr im Verzug“ etwa beim Verdacht auf
Trunkenheitsfahrten sei nicht
zulässig (Az. 2 BvR 1046/08).
Im konkreten Fall gaben die
Richter einer Frau aus Bayern
recht, der nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss
eine Blutprobe entnommen
worden war. Nachdem bei einem Atem-Alkoholtest festgestellt wurde, dass die Frau getrunken hatte, hätten die Polizisten versuchen müssen, eine
richterliche Anordnung oder
zumindest die Weisung eines
Staatsanwalts für die Blutprobe zu bekommen.
Widerspruch
Das Bundesverfassungsgericht widersprach damit der
Auffassung des Landgerichts
Nürnberg, wonach es in solchen Fällen generell zu lange
dauere, eine richterliche Anordnung einzuholen. Dies
würde dazu führen, dass der
Richtervorbehalt bedeutungslos würde. Die Gefährdung des
Untersuchungserfolgs sei „in
jedem Einzelfall konkret zu
überprüfen und festzustellen“.
„Richter in Bereitschaft“
Die Entscheidung erschwere die Arbeit der Polizei, sagte
der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg zu dem Urteil. Er
forderte einen „funktionierenden
richterlichen
Bereitschaftsdienst“. Die Innenminister der Länder hatten sich
auf ihrer Konferenz Ende Mai
in Hamburg in einem Beschluss für die Streichung des
Richtervorbehalts bei Blutentnahmen ausgesprochen. (dpa)
Kurz notiert
Rüttgers will Chauffeur
und Auto behalten
Auch nach seiner wahrscheinlichen Abwahl als nordrheinwestfälischer
Ministerpräsident will Jürgen
Rüttgers (CDU)
nicht auf seinen
Dienstwagen
und
seinen
Chauffeur verzichten. Derzeit haben Ministerpräsidenten in NRW auch nach
ihrem Ausscheiden für „mindestens ein Jahr“ das Recht auf diese
Privilegien. Das bedeutet theoretisch ein lebenslanges Anrecht.
De Maizière pocht auf
Datenspeicherung
Die organisierte Kriminalität in
Deutschland stellt die Ermittler
zunehmend vor Herausforderungen. Innenminister Thomas
de Maizière bekräftigte deshalb
seine Forderung nach einem
neuen Gesetz für dieVorratsdatenspeicherung. Anfang März
hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherige Regelung gekippt. Damit können Telefonund Internetdaten nicht mehr
ohne Anlass für sechs Monate
gespeichert werden. Das neue
Gesetz müsste Justizministerin
Sabine Leutheusser- Schnarrenberger auf den Weg bringen.